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Digimon - Cut

von

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Abschnitt 1: Faule Studis

Hallo eines vorneweg:
 

Diese Geschichte spielt mit fiktiven Charakteren und Orten. Mag sein, das einige genannte Orte starke Ähnlichkeit zu realen aufweisen, doch dies ist keine Absicht! Außerdem unterstelle ich einem gewissen Institut keinerlei der u. G. Versuche. (KERN ist NICHT CERN!) Sorry Leute, ich brauchte nur euren Teilchenbeschleuniger für meine Story ;P

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Quinn gähnte und streckte sich ausgiebig, bevor er sich den Schlaf aus den Augen rieb und die kurzen schwarzen Haare noch weiter durcheinander brachte. Ziemlich laut drangen die Geräusche des fahrenden Busses und der anderen Studenten an seine Ohren. Am liebsten hätte er sich noch einmal umgedreht und weitergeschlafen, aber der Lärmpegel ließ es einfach nicht mehr zu. Scheinbar näherten sie sich ihrem Ziel. Wer kam schon auf die Idee Erstis direkt auf eine Exkursion zu schicken. Normalerweise kamen die doch später.

„Hey, don’t be so tired.“ Simone Hudson, eine Jahresstudentin aus Amerika, saß neben Quinn und blickte ihn mit leicht strafendem Blick von ihrem Laptop hoch.

Dieses jedoch quittierte Quinn mit einem unverständlichen Schnauben und reckte sich erneut, diesmal aber so, dass er kurzzeitig die Sicht auf das Display versperrte. Erneut erntete er dafür einen bösen Blick.

„Oh no! I died! Damn“, fluchte Simone, als ihr Charakter die wenigen Sekunden genutzt hatte, um das Zeitliche zu segnen. Wütend klappte sie ihren Laptop zu und erhob sich von ihrem Platz ohne Quinn eines weiteren Blickes zu würdigen. Sie schritt zu einem freien Platz, weiter vorne im Bus. Dabei wippte ihr langes schwarzes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, hin und her.

„Hey du, hör auf zu träumen und lass mich mal schnell durch“, Quinn wurde aus seinen Gedanken gerissen und löste seinen Blick von Simones Rücken, um seinen Kopf in die entsprechende Richtung zu drehen. Neben ihm saß Katrin, eine Mitstudentin, deren Gesicht im Moment eine ziemlich ungesunde Farbe angenommen hatte. Böse Zungen behaupteten, dass man sich besser nicht mit ihr anlegte, wenn man sich nicht, innerhalb von Sekundenbruchteilen, auf dem Boden wiederfinden wollte. Doch im Moment sah sie nicht sonderlich kampfbereit aus. „Na los, rutsch schon rüber“, fauchte sie stattdessen Quinn an, während sie sich eine Hand vor den Mund presste und heftig schluckte.

Sie wartete gar nicht, bis der Angesprochene einen Sitz weitergerutscht war, sondern quetschte sich schleunigst an ihm vorbei und verschwand auf der Bordtoilette.

Mit bedauerndem Blick sah Quinn ihr nach. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft Katrin schon diesen Ort aufgesucht hatte. Sie mochte vielleicht eine tolle Kampfsportlerin sein, aber sie wurde sehr schnell Reisekrank. Für Katrin musste diese Studienreise einem Horrortrip gleichkommen. Aber Quinn wusste, dass sie den Schein brauchte, den man hier erwerben konnte, ebenso wie alle anderen Anwesenden.

Irgendwie war diese Exkursion die letzte Möglichkeit für diesen speziellen Schein. Wer diese Chance vertat, musste damit rechnen, ein Extrasemester dranhängen zu müssen.

Normalerweise waren Studifahrten etwas tolles, aber diese hier war eine, die im Zeichen des Lernens stand und deshalb nicht sonderlich angesagt.
 

Der Bus hielt an einem Wachhäuschen und eine uniformierte Person trat heraus, um sich mit dem Busfahrer zu unterhalten, bevor er auf die andere Seite trat. Die Tür wurde geöffnet und der Professor verließ den Bus um draußen mit dem Wachmann zu sprechen.

Von hier aus hatte man schon einen guten Blick auf die Anlage, welche das Ziel ihrer heutigen Reise war. Nach und nach verstummten die Gespräche und 16 Augenpaare, abzüglich Katrin, die immer noch auf der Toilette kauerte, richteten sich nach vorne. Ein gemischtes Feld von Emotionen war darin zu lesen, von Neugier über Gleichgültigkeit oder einfach nur Müdigkeit, einige hatten die letzte Nacht etwas länger gefeiert.

Der junge Professor kletterte zurück in den Bus und schob seine Brille zurecht, bevor er das Wort ergriff: „Aufgewacht und aufgepasst, meine Damen und Herren.“ Er klatschte provokativ in die Hände, um auch sicher zu gehen, dass sogar diejenigen aus der letzten Reihe seinen Worten lauschten.

„Wir sind am Ziel unserer kleinen Bustour angekommen. KERN. Ich möchte alle noch einmal daran erinnern, dass es hier ganz besonders strenge Regeln gibt, an die sich jeder, ich wiederhole, JEDER, zu halten hat. Ich hoffe sie haben sich die Blätter, die ich letzte Woche ausgeteilt habe, gut durchgelesen und verinnerlicht. Tanzt einer aus der Reihe wird der fehlende Semesterschein das kleinste Problem sein.“

Der Prof machte eine Pause, um einen Blick über die Anwesenden schweifen zu lassen. Er suchte in den Gesichtern nach Anzeichen, dass sie seine Worte verstanden hatten. Das Wissen, dass die ganzen jungen Leute vor seinen Augen auf seine ‚Gnade’ angewiesen waren, gefiel dem Professor äußerst gut, aber sie hatten es ja auch selbst verschuldet. Wer nicht bereit war, sich vorher um seinen Semesterschein zu kümmern, der musste jetzt zeigen, dass er ihn verdiente.

„Wenn wir uns im Inneren der Anlage befinden: Fassen sie nichts an, auch wenn es noch so interessant erscheint. Bleibt als Gruppe zusammen und hört auf den Führer. Ich will keine Extrawürste erleben.“

Einige murrten leise, doch verstummten schnell wieder, als der Prof fort fuhr: „Es zwingt euch keiner an dieser Besichtigung teil zu nehmen. Gerne können sie jetzt auch aussteigen und sich die nächsten Stunden hier vorne die Beine vertreten. Nur bleibt ihr Schein dann auch bei mir. Soweit alles verstanden?“

Natürlich stand niemand auf, oder verließ den Bus. Stattdessen wurden die Worte des Professors brav abgenickt und der Wachmann gab dem Bus das Zeichen zur Weiterfahrt. Langsam setzte sich dieser in Bewegung und rollte auf das großzügige, flache, Gelände. In dem man nur spartanisch ein paar Bäume verteilt hatte. Ansonsten glitzerte in näherer Entfernung der Oberirdische Teil des Gebäudekomplexes, in der Sonne, auf.

In diesem Moment tauchte Katrin wieder aus der Versenkung auf. Ihre Gesichtsfarbe wirkte nicht mehr ganz so fahl, doch Quinn bezweifelte stark, dass dieser Zustand lange Bestand haben würde, wenn sie jetzt noch eine weitere Strecke fahren würden.

Unsanft und erschöpft ließ sich Katrin auf den freien Platz neben Quinn fallen. Sie schloss die Augen und man konnte ihr ansehen, dass sie einen inneren Kampf ausfocht, deren Gewinnchancen mehr als schlecht verteilt waren.

Eine Führung, die ist ...

Hermann betrachtete sein verzerrtes Spiegelbild auf dem auf Hochglanz polierten Modell. Je nachdem, wie er seinen Kopf, oder den Körper hielt, verwandelte sich sein Gegenüber in eine schauderhafte Verzerrung seiner selbst, fast so, als hätte Frankenstein persönlich Hand angelegt.

Kritisch kniff er die Augen zusammen. Mit seiner Frisur schien dennoch etwas nicht zu stimmen. Er strich sich über die kurzen roten Haare hinweg, war aber mit dem Ergebnis immer noch nicht zufrieden.

Hinter ihm räusperte sich jemand. Hermann fuhr herum und blickte in das strenge Gesicht des Prof, der ihn mit festen Augen musterte. „Wenn der feine Herr Lomban dann geneigt wäre, sich von seinem Spiegelbild loszureißen und uns seine volle Aufmerksamkeit zu schenken, damit wir endlich beginnen können, wären alle Anwesenden sicherlich hellauf begeistert.“ Spott klang leise in der Stimme des Professors mit.

Schuldbewusst drehte sich der Angesprochene um und blickte in jede Menge belustigte Gesichter. Hermann grummelte etwas unverständliches und gliederte sich wieder in die Gruppe ein. Er griff sich an den Kopf.

Eigentlich war diese Fahrt genau das richtige gewesen. Hermann hatte sich tierisch gefreut, als das Ziel ausgegeben wurde, doch ausgerechnet an dem Tag, wo es zu seinem ‚Traumziel’ ging, plagten ihn Kopfschmerzen, gegen die kein Kraut gewachsen zu sein schien. Kurz vor Fahrtantritt hatte Hermann zwei Tabletten geschluckt, doch sie halfen nicht wirklich. Immer noch plagte ihn ein dumpfes Hämmern direkt hinter der Stirn. Jetzt hoffte Hermann darauf, dass es vielleicht verschwinden würden, wenn er ihnen keine Beachtung mehr schenkte und sich stattdessen auf die Ausführungen ihres Führers konzentrierte.

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„Wie weit sind die Vorbereitungen?“ – „Fast abgeschlossen. Alle Parameter im grünen Bereich.“ – „Gut, wie sehen Werte für einen möglichen Fehlschlag aus?“ – „Liegen noch bei 12%.“ – „Versuchen sie den Wert weiter zu drücken. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Schon der erste Versuch muss ein Erfolg sein.“ – „Ja.“

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‚Wann zeigen die uns nur endlich mal die Computer,’ Hermann lief, zusammen mit der Gruppe jetzt schon eine geschlagene Stunde durch irgendwelche Tunnel und lauschte den Worten ihres Führers. Doch bisher waren dessen Ausführungen über die Arbeit, welche hier betrieben wurde, eher dürftig ausgefallen. Umso mehr schien er es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die Firmen, die hinter KERN standen, anzupreisen, fast so, als befänden sie sich auf einem Verkaufsgespräch. Das nervte Hermann ziemlich ab.

Wenigstens waren die Kopfschmerzen mit der Zeit tatsächlich abgeklungen und er nutzte diese Gunst, um die Umgebung besser in Augenschein zu nehmen, auch wenn es hier unten nicht sonderlich viel zu entdecken gab. Rohre, soweit das Auge blicken konnte, Relais, noch mehr Rohre, Schaltkästen, noch mehr Rohre mit und ohne Isolationsmaterial und ein paar kryptische Buchstaben und Zahlen, die niemandem, außer vielleicht dem Führer etwas sagten. Sicherlich hätte man der Sache etwas Interessantes abgewinnen können, wenn der Erzähler nicht so eine Schlaftablette wäre. Seine Stimme war vollkommen monoton und einschläfernd.

Immer wieder sah Hermann Mitstudenten hinter vorgehaltener Hand gähnen. Der Schein entwickelte sich langsam aber sicher zu einer echten Geduldsprobe.

Wenn sie doch wenigstens mal langsam im Kontrollraum angelangen würden. Hermann interessierte sich mehr für die sichtbaren Abläufe als für die gesprochene Theorie, was ihm im Kurs immer wieder auch kleinere Probleme einhandelte, da sein Gebiet nun mal die praktische, nicht die theoretische Physik war. Da konnte man wenigstens erkennen, was das Ergebnis war und es blieb nicht nur blanke Theorie. Hermann waren fassbare Beweise lieber.

„Hinter dieser Wand befindet sich der Teilchenbeschleuniger. Leider darf ich ihnen diesen während des laufenden Betriebes nicht zeigen. Sicherheit, sie verstehen bestimmt. Aber seien sie sich gewiss, dass sie dort nichts verpassen, was man sich nicht später im Kontrollraum viel besser ansehen könnte.“ Der missglückte Versuch eines Lächelns zeigte sich auf dessen Gesicht und Hermann verdrehte die Augen. Dann blickte er zur grauen Betonwand hinter der sich das Gerät seiner Begierde verbarg.

Hermann fragte sich, was sie eigentlich hier unten taten. Immerhin liefen die Prozesse im Beschleuniger in Lichtgeschwindigkeit ab und man würde sicherlich nicht viel mehr sehen, als weitere Rohre, Kabel, Magnete und Schaltungen. Dennoch wäre er gerne mal, wenigstens für ein paar Minuten, dem Gerät näher gekommen.

Allerdings schien Hermann mit dieser Meinung nicht ganz alleine zu sein, denn ein schwarzhaariger Junge trat an besagte Mauer und streckte die Hand aus, um sie zu berühren. „Wozu sind wir dann eigentlich hierher gekommen, wenn wir das, worüber wir, unter Umständen sogar geprüft werden, nicht mal mit eigenen Augen sehen dürfen?“

Der Prof warf dem Jungen einen vernichtenden Blick zu. Hermann brauchte einen Moment, bis er den Namen parat hatte. Quinn… und dieser spielte nun sichtbar mit der Gunst des Professors. Irgendwo in den hinteren Gegenden seines Gedächtnisses meinte Hermann sich daran zu erinnern, dass dieser Quinn wohl auf dem Gymnasium schon eine Ehrenrunde gedreht hatte, und darauf auch noch ziemlich stolz war.

Allein an der Gesichtsfarbe des Professors war abzulesen, dass man jetzt wohl besser den Mund halten würde, doch Quinn schien das nicht so zu sehen. „Wenigstens einen kleinen Blick? Das sollte doch OK gehen, oder?“ – „Kinkel, es reicht.“ Die Stimme des Professors klang gepresst und es schien ratsam zu sein besser im Moment seinen Anweisungen Folge zu leisten.

Quinn gähnte nur und ließ die Wand los, bevor er zu den Anderen zurück schritt. „Schade“, murmelte er gespielt trauernd. Der Prof warf dem Jungen einen weiteren finsteren Blick zu.

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„Alles ok soweit?“ – „Sind im letzten Abschnitt des Countdowns. T – 30 Sekunden.“ – „Mist, Fehler in Konverter 5.“ – „Abschalten!“ – „Nicht mehr möglich, der Strahl ist bereits unterwegs.“ – „Lösen sie stummen Alarm aus. Evakuierung des betroffenen Bereiches.“

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Für einen Moment erschien es Hermann so, als wäre ihr Führer zusammengezuckt, doch dieser unterbrach seinen Redefluss nicht, weshalb er es als Hirngespinst abtat. Jedenfalls zeigte keiner der anderen Anwesenden, dass er diese Reaktion ebenfalls bemerkt hätte.

Doch dann merkte Hermann, dass ihr Führer nicht mehr ganz so langsam seinen Vortrag hielt, sondern ihn beschleunigte und nun seinen Weg änderte, während er sich über den rechten Arm rieb.

„Wenn sie mir nun bitte folgen wollen, wir begeben uns jetzt zu einem der Sicherungsräume…“ Eine gelbe Lampe begann aufzuleuchten und sich zu drehen. Gleichzeitig ertönte ein auf- und abschwellendes Summen.

„Was hat das zu bedeuten?“ Der Prof wirbelte zu ihrem Führer herum, der nun nicht mehr so glücklich aus der Wäsche schaute. „Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Keinen Grund beunruhigt zu sein. Wir werden nur aufgefordert den Bereich hier zu verlassen.“ Ihr Führer zuckte kurz mit den Schultern. „Scheint, dass wir etwas zu langsam sind. Für heute waren noch Belastungstest angesetzt, deshalb wird dieser Bereich geräumt. Wenn sie mir also jetzt bitte folgen würden?“

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„Abschottung des Bereiches wird eingeleitet.“

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Ein anderer Signalton erklang und diesmal war ihr Führer sichtbar nervös. „Das muss schneller gehen. Gleich wird hier alles abgeriegelt.“ Er verschärfte sein Tempo zu einer Metalltür, die sich langsam zu schließen begann. Immer wieder forderte er die Studenten mit Gesten auf sich schneller zu bewegen.

„Erzähl mir, was du willst, aber das ist doch kein normaler Testlauf“, flüsterte Hermann Quinn zu, als er zu diesem aufgeschlossen hatte. „Glaube ich auch nicht“, stimmte dieser ihm zu und blieb im nächsten Moment mit seiner Hose an einem hervorstehenden Metallstück hängen. Quinn verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Fluchend rappelte er sich halb auf, rieb sich die Nase und begann an seiner Hose zu ziehen. „Mist. Verdammt, hilf mir mal.“

Ein Teil seines Hosenbeines hatte sich ausgerechnet an einer Metallspange verfangen, das jetzt, wohl durch den Ruck, ein Stück weit in den Boden geglitten war. Das Metallteil gehörte zu einem größeren Gebilde, das viel zu schwer war, als das man es einfach anheben konnte. Damit war ihnen jegliche Möglichkeit entzogen es normal zu lösen. Fieberhaft versuchte Quinn sich zu befreien. Hermann begann ebenfalls an dem Hosenbein zu ziehen, doch der Jeansstoff war von sehr guter Qualität und gab nicht nach.

„Hey“, Quinn blickte zu den Anderen zurück, die bereits alle hinter der Schutztür standen, die nun halb geschlossen war. Die Meisten sahen ihn nur mit fassungslosen Gesichtern an, doch niemand machte sich bereit ihnen zur Hilfe zu kommen. Stattdessen starrten sie die Jungs nur an ohne ein Wort zu verlieren.

„Scheiße, was soll das. Helft mir, oder soll ich hier drin verrecken?“ Quinns Stimme überschlug sich fast, während er weiter an dem Hosenbein zerrte. Er durchlebte Todesangst. „So schlimm wird es nicht kommen“, beschwichtigte ihn ihr Führer. „Dir kann nichts passieren. Die Verriegelung ist nur eine reine Vorsichtsmaßnahme. Das System ist vollkommen sicher. Wenn der Test vorbei ist kommen wir und befreien dich. Keine Sorge.“ Quinns Gesicht wechselte zwischen kreidebleich und wutrot. „Das ist doch jetzt nicht ihr Ernst oder?“

„Platz da“, mit einem Mal wurde der Führer zur Seite gestoßen und Katrin schlängelte sich an ihm vorbei. Sie eilte zu den Jungs und begann ebenfalls zu zerren. „Hey kommt zurück. Ihr dürft nicht dort bleiben.“ Katrin funkelte den Führer böse an. Auch sie versuchte irgendwie die Hose von Quinn zu lösen. „Los, mach die Schnalle auf.“ – „Ich soll was?“ – „Zieh die verfluchte Hose aus. LOS!“

Wieder erhielt der Führer einen Stoß und Simone eilte an ihm vorbei. Diesmal griff der Forscher zu. „Hiergeblieben. Das Gelände ist jetzt Sperrgebiet.“ – „Sorry, I don't understand you.“ Mit einer fließenden Bewegung riss sich von ihm los, grade im letzten Moment, wo der Spalt so breit war, als das man noch hindurchschlüpfen konnte.

Durch ein extrem dickes Fenster blickten die Zurückgebliebenen auf die 4 Eingeschlossenen. Zu dritt zerrten sie an der Hose, während Quinn versuchte sie loszuwerden. Doch dann gab sie mit einem Ruck und einem reißenden Geräusch nach. Die Ziehenden fielen nach hinten auf den Boden. Aber wenigstens war Quinn nun frei.

Hastig rappelten sie sich wieder auf und zogen Quinn auf die Beine. „Los, machen sie die Tür wieder auf!“ schrie Katrin und hämmerte gegen das Fenster. Doch die Leute auf der anderen Seite konnten sie nicht verstehen.

Hastig deutete sie an, dass man die Tür öffnen sollte, doch da veränderte sich ohne Vorwarnung das Licht im Raum. Es wurde dunkelrot und die Leute, die die Szenerie am Fenster beobachteten wichen erschrocken zurück.

Die 4 Eingeschlossenen wurden hektisch und sahen sich nach einer Möglichkeit um, wo sie Schutz suchen konnten, doch da war nichts. Unterbewusst spürten sie, dass es nicht mehr so ‚harmlos’ war, wie dieser Führer behauptet hatte.

Der Boden begann zu vibrieren und neben Katrin tanzte ein loses Metallblättchen auf einem Rohr in minimalem Abstand auf und nieder.

Schlagartig wurde es Finster und still im Raum, so als hätte man alles Licht und Laute einfach ausradiert.

Die Studenten hinter dem Fenster hielten den Atem an. Ihr Führer riss sich vom Anblick los und eilte zu einer, in der Wand eingelassenen, Kommunikationseinheit. Hastig riss er das kleine Gerät aus der Halterung und steckte es sich ins Ohr. „Zentrale, was auch immer sie da grade machen, stoppen sie alle Aktionen. Es sind Personen im inneren Kreis. Ich wiederhole: Es befinden sich noch Personen im inneren Kreis. Code Rot.“

Ein buntes Lichtermeer an Alarmleuchten und Sirenen begann loszuheulen und der Forscher wurde kreidebleich. „Los kommt. Alle Mann raus hier. Wir müssen weiter aus diesem Kreis heraus.“ – „Aber meine Studenten…“ stammelte der Professor und deutete zur verschlossenen Tür. „Unsere Leute werden sich um sie kümmern, aber jetzt müssen wir uns weiter zurückziehen. Kommen sie, los kommen sie.“

Der Führer schleuste die Studenten und den Professor in neuer Rekordzeit aus den unteren Bereichen des Komplexes zurück an die Oberfläche. Je weiter sie sich von dem Platz entfernten, desto mehr schien er seine Sicherheit zurück zu gewinnen.

Als sie oben ankamen, schien es sogar fast so, als habe es den Vorfall unten nie gegeben. „Tut mir leid, dass wir unsere Führung so abrupt abbrechen müssen, aber sie sehen ja, was hier los ist.“

Drei Leute kamen auf die Gruppe zu. „Meine Kollegen werden sich um sie kümmern. Wir möchten uns noch einmal für die Unannehmlichkeiten entschuldigen.“ Ihr ehemaliger Führer drehte sich zu der Gruppe um. „Bitte verstehen sie, dass wir sie nun bitten müssen, ein paar kleinere Untersuchungen über sich ergehen zu lassen. Es ist nichts, was sie beunruhigen sollte. Alles nur eine reine Vorsichtsmaßnahme.“ Mit einer fließenden Bewegung deutete er in die Richtung eines hastig aufgebauten Zeltes.

Fragen!

„Jetzt weiß ich, wie sich Origamipapier während des Faltens fühlt“, stöhnte Katrin und versuchte sich in die vertraute Realität zurück zu kämpfen. Dies stellte sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht, da ihr irgendwie sämtliche Orientierungspunkte entzogen worden waren. Es gab kein Licht, keinen Ton und irgendwie auch keinen Fußboden, also kein oben oder unten. Vorsichtig tastete sie herum, doch da war nichts. Nirgendwo. Egal wohin sie ihre Arme oder Beine bewegte. Katrin stieß auf keinerlei Hindernisse, auch wenn sie schon locker zweimal die Länge des Raumes durchschritten haben musste.

Nachdem sie etwas herumgewandert war, blieb sie einfach stehen und starrte in die Finsternis. Sie fragte sich erneut, was da eigentlich bei KERN grade so gründlich schief gelaufen war.

Neben ihr stöhnte jemand auf. Sofort ruckte Katrins Kopf herum und sie versuchte die Quelle des Geräusches auszumachen. Doch als sie dorthin tastete fand sie nichts. „Soll ich jetzt lachen oder weinen? Was zur Hölle ist das hier? Was hat das zu bedeuten?“ Das war doch die Stimme von Quinn. Es hörte sich an, als befände er sich direkt neben ihr. Doch da war nichts, sosehr sie auch suchend die Hände kreisen lies. „Quinn?“ fragte sie vorsichtig in die Dunkelheit.

Es folgte ein Moment der Stille. „Ja. Katrin bist du das? Wo bist du?“ – „Ich habe keinen blassen Schimmer.“ – „Ja, ja. Mir geht’s gut. Danke der Nachfrage“, mischte sich plötzlich Hermanns Stimme ein. Sie klang genauso dicht an ihrem rechten Ohr wie die von Quinn.

„Where are we?“ Als letztes gesellte sich Simone wenigstens verbal zu den Anderen, auch wenn man sie nicht finden konnte. „Hat jemand von euch irgendwie Kontakt zu jemand anderem?“ – „Nein“, kam die einstimme Antwort.

„Sagt mal…“ Katrin wurde unterbrochen, als plötzlich ein Ruck durch ihren Körper ging und sie unsanften Kontakt mit dem Betonboden aufnahm. Der Aufprall war ziemlich schmerzhaft und sie biss sich dabei auf die Zunge. „Autsch…“ Mit einem Mal waren auch Licht und Ton wieder da, leider nicht ganz alleine. Noch während Katrin grade halbwegs wieder etwas sehen konnte, traten irgendwelche komischen Gestalten in ihr Blickfeld. Durch das Zucken vieler Warnlampen und der tränenden Augen konnte sie nichts erkennen. Erst nach mehrmaligem Blinzeln erkannte sie Männer in Schutzanzügen. „Na endlich, wurde auch mal Zeit.“ Die Personen hinter den Schutzvisieren sagten etwas, doch durch die Warnsignale, die ihre Gehörgänge malträtierten, konnte Katrin sie nicht verstehen.

Sie wollte sich aufrappeln, da griffen zwei von ihnen zu und pressten ihr etwas gegen den Oberarm. Es zischte und Katrins Bewusstsein stürzte in tiefe Dunkelheit.
 

Als Katrin ihre Augen erneut aufschlug, fand sie sich in einer Art Krankenhausbett wieder. Jemand hatte ihr eine Decke bis zum Kinn hochgezogen und als sie diese anhob erkannte sie auch den Grund dafür. Scheinbar waren Kleidungsstücke Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer gefallen und deshalb nicht präsent. Zudem hatte man zahlreiche schnurlose Elektroden an ihrem Körper befestigt. Hoffentlich fand sie nie heraus, ob an diesem Punkt ein Kerl da zuwerke gegangen war. Sie tastete umher und stieß auf ein kleines Etui. Als Katrin es aufklappte fand sich darin eine Brille. Es war allerdings nicht ihre eigene. Aber wenigstens die Stärke stimmte.

Katrin seufzte und drehte den Kopf, um sich ein Bild von ihrer Situation zu machen. Sie befanden sich in einem ziemlich schmucklosen, eher praktisch eingerichteten Raum mit mausgrauen Betonwänden und keinen Fenstern. Nur ein großer Deckenfluter spendete Licht. Ein Schrank stand an der Wand gegenüber. Dann gab es noch die Aufzeichnungsgeräte, die neben jedem Bett standen. Ansonsten war dieses Zimmer leer.

Katrin begann die Elektroden abzupflücken und sie in eine Ecke des Zimmers zu werfen, bevor sie die leichte Decke um sich wickelte um so ihre Blöße zu bedecken. Doch bei der Aktion fielen ihr mehrere Dinge auf. Am Anfang hatte sie dem Ring an ihrer Hand keinerlei Beachtung geschenkt, trug sie doch ständig einen mit sich herum. Doch als sie die Hand hob, um sich die Kopfelektroden herunterzureißen, hatte sie bemerkt, dass dieser hier anders war. Er war scheinbar gänzlich aus einem Silberstück und trug seltsame Gravuren auf seiner Außenseite. Als sie den Ring abstreifen wollte, um ihn sich genauer zu betrachten griff sie hindurch. Verblüfft, verwirrt, aber auch ein wenig entsetzt versuchte Katrin es erneut. Mit dem gleichen Ergebnis. Sie spürte zwar das Gewicht des Ringes an ihrem Finger, konnte ihn aber nicht anfassen. Das gleiche galt für das, was sie an ihrem Hals fühlte. Ihre Gefühle meldeten, dass sie plötzlich eine Kette trug, auch wenn sie diese aus ihrer derzeitigen Position nicht recht sehen konnte, da sie scheinbar ziemlich kurz bemessen war, aber ihre Hände griffen ins Leere und berührten nur Haut.

Mit zusammengekniffenen Augen starrte Katrin eine ganze Weile auf den Ring bevor sie sich entschloss, dass sie hier raus mussten, bevor noch ganz andere Dinge mit ihnen passierten. Doch dazu sollte auch erst einmal Simone wach werden. Diese befand sich immer noch im Traumland, so wie es schien. Die Decke, so eng wie möglich um sich gewickelt, verließ Katrin das Bett und trat langsam zu Simone hinüber.

Ihre Schritte auf dem Beton klatschten durchs Zimmer und eine unangenehme Kälte stieg durch die nackten Fußsohlen nach oben.

Hier bot sich ihr ein ähnliches Bild. Nur hatte Katrin nun eine Möglichkeit diese Kette näher in Augenschein nehmen zu können, da auch Simone eine um den Hals trug. Zumindest bei ihr bestand sie auch aus Silber und die schmalen Kettenglieder waren eng miteinander verbunden. Ein Anhänger in Kugelform bildete den Abschluss, der nicht größer war als ihr Daumennagel. Eine ziemlich filigrane Arbeit und, als Katrin die Augen zusammenkniff, konnte sie auch dort diese seltsamen Gravuren entdecken die, fast unsichtbar weil so klein, darauf aufgebracht worden waren. Simones rechter Ringfinger zierte ebenfalls ein unantastbares silbernes Objekt. Was Katrin jetzt aber auffiel, war ein kleiner, unscheinbarer silberner Streifen, ähnlich eines Clips an ihrem rechten Ohr. Ob sie wohl ebenfalls so etwas besaß? Nachprüfen war schwierig ohne Spiegel und das alles, was man am Ohr befestigen konnte meistens leichter war, wusste Katrin aus eigener Erfahrung. Sie war mehr als verwirrt. Was hatte das nur zu bedeuten? Dieser Raum sah jedoch nicht danach aus, als ob er Antworten für sie bereithalten würde. Wenn sie wenigstens wieder Kleidung hätten. Die Aussicht, die nächste Zeit in eine Decke gehüllt herumzulaufen erfüllte Katrin keinesfalls mit sonderlicher Heiterkeit. Deshalb ließ sie von Simone ab und schritt auf den Schrank zu um dessen Inhalt unter die Lupe zu nehmen.

Doch zu ihrer Enttäuschung befanden sich darin nicht, wie erhofft, ihre Sachen, sondern nur so graue Jogginganzüge auf deren linker Brust das KERN-Logo eingenäht war.

Katrin verzog das Gesicht als sie sah, dass die Klamotten nur in Einheitsgröße vorhanden waren und an ihrem Körper schlackerten, so dass sie allein die Ärmel zweimal umkrempeln musste und die Beine einmal. Billige Sandalen vervollständigten das Bild, schützten aber wenigstens vor der Kälte des Fußbodens. Ihnen blieb heute wohl echt nichts erspart.

Nachdem sie sich davon vergewissert hatte, dass sie halbwegs ansehnlich daher kam, was ohne Spiegel schon ein wenig herausfordernd war, griff sie nach der zweiten Garnitur und warf sie Simone schwungvoll auf das Bett. „Aufstehen, die Sonne scheint…“ verkündete sie mit einem leicht ironischen Unterton. In einem fensterlosen Raum ließen sich nun mal nicht wirklich gut Wetterprognosen treffen.

Obwohl die Sachen Simone mehr oder minder im Gesicht trafen kam ihre Reaktion darauf ziemlich träge zustande. Das konnte allerdings damit begründet werden, dass ihr das Beruhigungsmittel etwas mehr zu schaffen machte als Katrin. Es dauerte etwas, bis sie realisierte wo sie sich befand und blickte in Katrins Richtung. In ihren Augen stand größte Überraschung zu lesen. „Wo sind wir?“ waren Simones erste deutsche Worte an diesem Tag.

Katrin zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, aber ich schätze mal, dass wir uns noch irgendwo bei KERN befinden.“ Sie deutete auf das Logo ihres Oberteils. „Aber, vielleicht wäre es besser wenn du dich erstmal anziehst, bevor …“ – „What?“ Simone hatte die Decke angehoben und blickte fassungslos darunter, bevor sie hastig nach den zwei Kleidungsstücken griff, die Elektroden herunterriss und sich anzog. Im Gegensatz zu Katrin passten diese ihr jedoch fast perfekt. Auch sie musste nun mit einer Brille vorlieb nehmen, was Simone nicht so zu gefallen schien, jedenfalls las Katrin dieses in ihrer Mimik ab, als Simone das Etui öffnete.

Nun ließ Simone einen zweiten Blick schweifen. „Wo sind meine Sachen?“ fragte sie. „Ich denke dort, wo auch meine sind“, entgegnete Katrin leicht angesäuert, während sie zur einzigen Tür des Raumes trat. Diese besaß kein Schloss und auch sonst nicht wirklich einen Hinweis darauf, wie man sie öffnen konnte.

Frustriert schlug Katrin mit einer Hand dagegen, nachdem sie auch nach näherer Betrachtung keinerlei Öffnungsmechanismus ausmachen konnte. Die Tür ließ dies völlig unbeeindruckt, ganz im Gegensatz zu Katrins Hand.

„Hey! Hallo? Kann uns jemand hören? Wir wollen hier raus!“ Mit der flachen Hand klopfte Katrin wieder auf die Tür. Als sich jedoch nichts regte, kehrte sie zu ihrem Bett zurück und ließ sich darauf nieder.

Nun sah Simone die Chance gekommen, selbst einen Versuch zu wagen. Sie begab sich zu den umliegenden Wänden und begann sie entlang der Türverkleidung abzutasten. Mit den Fingernägeln suchte sie nach außerplanmäßigen Vertiefungen. Fast schon hatte Katrin den Eindruck, dass Simone das nicht zum ersten Mal machte.

Doch bevor sie eine diesbezügliche Frage stellen konnte, schien Simone fündig geworden zu sein. Sie übte auf einige Stellen in der Wand Druck aus und hatte mit einem Mal ein kleines Panel in der Hand, nicht größer als 20 cm. Dahinter verbarg sich ein schwarzes Zahlenfeld und allerlei Kabel. „For emergency use,“ Simone grinste und widmete sich ganz dem Zahlenfeld. Doch das Lächeln verschwand genauso schnell wieder, wie es gekommen war. „Shit, die haben den Notfallcode nicht am Panel angebracht. Jetzt bräuchte ich meinen Rechner. Von Hand dauert das ewig den richtigen Code zu finden.“

Plötzlich bildete sich vor ihrer Nase ein holografisches Tastenfeld aus. „Holy Crap!“ Simone sprang förmlich von der Tür fort und das holografische Ding verschwand, so als wäre es nie dagewesen.

Im gleichen Moment ging die Tür auf und zwei Männer betraten den Raum. Deine eine trug einen Arztkittel und besaß schütteres Haar, während der andere eher in die Kategorie Geschäftsmann, mit Krawatte und perfekt gegellten Haaren passte. Der Anzugträger musterte die Mädchen ausgiebig bevor er sich umdrehte und das offene Wandpanel begutachtete. „Nun, da kommen wir wohl grade rechtzeitig,“ meinte er trocken. „Fügen wir also versuchtes Eindringen in unser Netzwerk den Anklagepunkten hinzu.“ Katrin hatte sich schnell wieder gefangen und verzog das Gesicht. „Ach ja? Mit was denn und vor allem wie? Das Ding da hinten hat ja noch nicht mal ein Display um überhaupt etwas sehen zu können. Ihre Behauptung ist haltlos.“ Katrins Stimme klang nun auch unterkühlt und berechnend. „Sagen sie uns lieber wo die Anderen sind, sonst verklagen wir sie auf Freiheitsberaubung. Außerdem wollen wir unsere Sachen zurück.“

Der Anzugträger blickte Katrin nur mitleidig an. „Netter Versuch. Fakt ist aber, ihre Sachen wurden mit allem, was sie bei sich trugen, eingeäschert. Schließlich waren sie alle einer, bisher unbekannten Strahlung ausgesetzt und wir dürfen kein Risiko eingehen, dass sie oder Dinge von ihnen eine Gefahr für sich oder die Umwelt darstellen.

Unbewusst griff sich Katrin an den Hals. Der Anzugträger sah ihre Geste. „Dazu zählt selbstverständlich auch ihr Schmuck. Ich hoffe, da war nichts dabei, an dem sie gehangen haben, denn wir leisten keinen Ersatz.“ Er grinste sie unverhohlen an. Doch etwas war interessant. So viel, wie sie doch grade mit ihrer Hand herumwedelte. Der Kerl musste doch wenigstens den Ring an ihrer Hand sehen. Doch dieser feine Herr ihr gegenüber zeigte keinerlei Reaktion des Erkennens oder Registrierens.

„But what’s with that?“ Simone schien das Gleiche zu denken oder eben erst die Anwesenheit, zumindest des Ringes, bemerkt zu haben. „Was ist mit was?“ Der Mann blickte zwischen ihrer Hand und der Jugendlichen hin und her. „Was soll da sein? Ihre Hand, und?“ Er wirkte für einen Moment wirklich verwirrt. Auch der Kittelträger war hellhörig geworden und trat nun näher um Simones dargebotene Hand besser zu betrachten.

„Da ist nichts. Sieht man doch wohl, oder?“ mischte sich Katrin schnell ein und zog Simone von den Männern weg. Doch zumindest der Kittelträger schien misstrauisch geworden zu sein. „Ich glaube, wir sollten noch ein paar Tests durchführen. Nur um auf Nummer Sicher zu gehen,“ stellte er fest und Katrin stöhnte. Sie hasste Untersuchungen und irgendetwas sagte ihr, dass sie froh sein konnte bei der Ersten nicht wach gewesen zu sein. Sie verspürte jedoch keinerlei Bedürfnis das Verpasste in wachem Zustand nachzuholen.

„Es sind zwei und sie scheinen nicht wirklich mit Gegenwehr zu rechnen. Wenn wir sie überraschen können könnten wir gleich wenigstens einen Vorsprung rausholen.“ Flüsterte Simone Katrin zu, doch diese musste sich beherrschen nicht mit dem Kopf zu schütteln. „Erstens wissen wir nicht wo wir uns befinden und somit auch nicht, wohin wir laufen müssen und zweitens wissen wir nicht was mit den Jungs ist.“ Schweigen schloss sich an als Simone den Kopf senkte.

Doch lange sollte diese Stille nicht dauern, denn wieder schlug ein Alarm an und eine Frauenstimme verkündete ‚Dekonterminierungsalarm. Die Ebenen 1, 2, 4 bitte umgehend räumen. Dies ist keine Übung, ich wiederhole, dies ist keine Übung. Verbleibende Zeit bis zu den Dekonterminierungsmaßnahmen 10 Minuten.“ Der Anzugträger fluchte leise bevor er sich wieder den Mädchen zuwandte. „Ihr habts gehört. Wir machen einen Ausflug. Wehe ihr versucht zu fliehen. Zum Einen würdet ihr nicht weit kommen und zum anderen wollt ihr bestimmt nicht herausfinden ‚Wie’ wir hier säubern. Es dürfte eure letzte Erfahrung sein.“

Der Forscher öffnete die Tür erneut und trat hinaus, gefolgt von den Mädchen. Der Anzugträger war die Nachhut und winkte zwei Sicherheitsleuten zu, die draußen auf sie gewartet hatten. Weit wären sie also wirklich nicht gekommen.

Schon nach wenigen Wegbiegungen trafen sie auf die Jungs. Mit warnender Hand wurden sie angewiesen zu schweigen. Die Jungs trugen ebenfalls solche grauen Jogginganzüge und wurden von 4 Sicherheitsleuten eskortiert. Man verbrachte sie zu einem großen Aufzug der sich nach oben beförderte, nachdem der Forscher eine Chipkarte durch den dafür vorgesehenen Schlitz gezogen hatte.

Sofort, als sich die Türen öffnete spürten die Anwesenden einen frischen Luftzug und Katrin wünschte sich plötzlich nichts sehnlicher als eine zweite Kleidungsschicht.

Trotz des Alarms ging es, auch hier oben, ruhig und diszipliniert zu. Wie oft man dafür wohl geübt hatte?

Doch Katrin wurde aus diesbezüglichen Gedanken gerissen, als Quinn plötzlich stehen blieb und in eine bestimmte Richtung nahe dem inneren Zaun deutete. „Sagt mal, lassen die bei Alarmierung eigentlich alles und jeden hier rein?“ Verwirrt blickten die Restlichen der Gruppe den Jungen an, der die Hand schnell wieder sinken ließ. Katrins Blick wanderte in die besagte Richtung.

Zuerst sah sie nur eine undeutliche Gestalt. Sie blinzelte mehrmals und mit jedem Mal wurden die Umrisse schärfer und dann erkannte sie was Quinn meinte. Die Person, die da an einem Baum lehnte glich eher einem Rocker, denn einem Wachmann oder sonst jemandem, der hier zu arbeiten pflegte. Auf seinem Kopf trug er eine sehr eigenwillige Helmkonstruktion, die im hinteren Kopfbereich zackenförmig abbrach und die blonden Haare frei ließ. TÜV-Geprüft war das Ding bestimmt nicht und wie viel Gel mochte wohl dafür draufgehen sich die Haare so in eine ‚windschnittige’ Frisur zu bringen. Auf den Helm war vorne ein rotes 3tes Auge aufgepinselt und zwei lange Bändel hingen nach vorne hinunter. Sein Gesicht könnte ruhig noch etwas mehr Farbe vertragen, oder er hatte sich mit Absicht so blass geschminkt?

Manche Rocker taten echt alles um aufzufallen. Katrin schüttelte geistig den Kopf, während sie mit der Musterung fortfuhr. Die schwarze Lederjacke mit dem weißen Fellaufsatz am Kragen schien schon eher aus einem Biker-Laden zu stammen, wenn auch aus einem teuren, bei den Schulteraufsätzen. Das Oberteil wurde durch ein schwarzes Hemd vervollständigt. Dann gab es da noch so etwas langes, was sich von seinem unteren Rücken zu dem Boden herabschlängelte. Fast so wie eine Art metallisch anmutender Schwanzverschnitt.

Ein echter Exzentriker. Der wohl mit aller Gewalt aus der Rockermasse herausstechen wollte.

Die Lederhose war wohl auch selbst veredelt und an seinem unteren linken Bein, Katrin schluckte, hing etwas Großes dass die Begriffe: ‚Lass mich in Ruhe’. ‚Sprich mich nicht an’ und ‚Du hast mich nicht gesehen’ wohl am besten verdiente. Die schweren Stiefel fingen knapp unter den Knien an und waren im unteren Abschnitt von einem kleinen Busch verborgen, der vor dem Baum aus dem Boden wuchs.

Die Person hatte seine Arme hinter dem Rücken verschränkt und starrte mit seinen roten Augen, wer setzte sich nur freiwillig solche Kontaktlinsen ein, zum KERN-Gebäude hinüber. Auch auf seinem Rücken hing so ein großes ‚Ich bin nicht dein Freund’ Gerät. Wollte der hier einen Krieg anzetteln?

Katrin wunderte sich schon nicht mehr, dass er so frei herumstand und dass ihn scheinbar niemand zu bemerken schien. Auch wenn ihr die Wummen kalte Schauer über den Rücken jagten.

„Was soll da sein? Da sind ein Baum und ein Busch. Los weitergehen!“ drängte sie einer der Wachmänner an und stieß sie in den Rücken, das Katrin einen Schritt nach vorne taumelte. Empört blickte sie zu dem Wachmann der sie immer noch antrieb und dann wieder zu dem Baum hinüber.

Nun sah der Rocker jedoch nicht mehr zur Einrichtung hinüber sondern musterte seinerseits Katrin von oben bis unten. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie drehte hastig den Kopf weg und musste feststellen, dass die anderen drei ebenfalls wieder stehen geblieben waren. In ihren Blicken war zu lesen, dass sie diesen ‚Rocker’ ebenfalls sehen konnten. Blieb nur noch die Frage: Warum waren sie scheinbar die Einzigen?

Dem Forscher, der die Gruppe begleitete war das Verhalten nicht entgangen und er hatte sich etwas abgesetzt um Rücksprache mit seinen Chefs zu halten. Für ihn stellte sich das Bild an der Stelle, die Quinn meinte, auch nur als Baum und Busch dar.

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„Hm, das ist Interessant. Passen sie die Auflösung noch etwas an das obere Spektrum an…“ – „Was halten sie davon?“ – „ Das wird Ihm nicht gefallen.“ – „Was machen wir mit den 4? Sie sollten gar nicht in der Lage sein es zu sehen.“ – „Lassen wir sie. Sie können das was sie sehen nicht beweisen und ohne Beweise wird ihnen niemand Glauben schenken. Außerdem haben wir ihre Krankenakten mit dem Vermerk versehen, dass sie Kontakt mit einer ‚bisher unerforschten Strahlung’ hatten, deren Langzeitauswirkungen auf das menschliche Gehirn noch nicht erforscht werden konnte. Keiner wird ihnen, mit diesem Hintergrundwissen, Glauben schenken. Ich halte sie für so schlau, dass sie den Mund halten werden, um nicht den Rest ihres Lebens in irgendwelchen Sanatorien verbringen zu wollen. Außerdem ist es ein guter Test um unsere jahrelange Arbeit einmal auf die Probe zu stellen. Bringt sie zu ihren Leuten zurück und veranlasst eine 24-Stunden-Überwachung.“ – „Wenn du meinst, dann soll es so geschehen.“ – „Ich werde noch ein paar weitere Messungen in der Kammer vornehmen. Es darf nicht wieder passieren, dass sich eine Singularität aufbaut, auch wenn diese hier den Kontakt nicht herstellen konnte. Hätte unser Mann da unten nicht so schnell reagiert hätten wir jetzt nicht 4 sondern 17 Probleme am Hals. Und kümmert euch solange um unseren ungebetenen ‚Gast’. Schickt die Spezialtruppe.“ – „Was machen wir wegen den ‚Anhängern’?“ – „Solange die 4 hier bleiben, stellen die Teile kein Problem da.“

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„OK, es gibt eine Planänderung.“ Der Forscher trat zu den Anderen zurück. „Meine Chefs haben die Messergebnisse ausgewertet und es sieht so aus, als ob ihr jetzt Clean wärt. Es spricht also nichts dagegen, dass ihr mit euren Mitstudenten nach Hause fahren könnt.“

Erleichterung machte sich unter den vieren breit.

„Wegen den Halluzinationen… die kommen durch das ‚Reinigungsmittel’ was wir euch geben mussten, um die Strahlungslevel in euren Körpern wieder herabzusetzen. Die gehen vorüber, aber es wäre besser für euch, nicht weiter darüber zu reden. Sicherlich wollt ihr doch nicht ins Gerede kommen? Ihr wollt euch doch nicht eure Zukunft mit Hirngespinsten verbauen, oder?“ Zum ersten Mal lächelte der Forscher und führte die 4 Studenten nun zurück zum Bus indem auch schon die anderen Besucher warteten.

Als diese den Tross sahen, wurde es schlagartig still im Inneren des großen Gefährts. Fast augenblicklich ging die Tür auf und der Prof stürzte aus dem Inneren hinaus. Er wechselte hastig einige Worte mit dem Forscher, der daraufhin auf die 4 deutete und ihnen dann zu verstehen gab, dass sie einsteigen sollten, während er noch etwas besprechen musste.

Als Katrin durch den Gang im Bus schritt, fühlte sie sich wie jemand der Gebranntmarkt wurde. Sosehr starrten die Anderen sie an. In einigen Blicken konnte sie Bestürzung und auch Scham lesen.

Zielstrebig steuerte sie die letzte Reihe an und dort machte man ihnen, sehr zu ihrer Überraschung, ohne Widerstand platz. Aber wenigstens konnten die Anderen sie so nicht mehr anstarren.

Draußen diskutierte der Professor immer noch heftig mit dem Forscher und dem Führer, der jetzt wiederaufgetaucht war. Das Gesicht des Prof war rot vor Zorn, doch durch die Scheiben hörte man keinen Laut.

Schließlich stieg er wieder ein, ließ sich vorne auf den Stuhl fallen und gab dem Fahrer das Zeichen loszufahren.

Der Forscher und der Führer blickten noch eine ganze Weile hinter dem Bus her, bevor sie sich umdrehten und zur Einrichtung zurück schritten.

Antworten?

Etwa eine Woche war seit der Exkursion vergangen. Alle vier hatten sich erst einmal eine ziemlich lange und ausführliche Standpauke des Profs gefallen lassen müssen, aber wenigstens bekamen sie den Schein. Auch die Eltern, soweit sie konnten, waren nicht wählerisch mit ihren Worten gewesen, obwohl ihre Kinder längst das Erwachsenenalter überschritten hatten. Doch all das war nur ein schwacher Trost für das, was ihnen nun widerfuhr.

Seit dem Vorfall geschahen allerlei merkwürdige Dinge in ihrer Umgebung. Dinge, die sie vorher nicht gesehen hatten und stellenweise auch gar nicht mehr sehen wollten. Personen oder Wesen, die durch überfüllte Straßen liefen, vorbei an Menschen, die ihnen instinktiv aus dem Weg gingen, ohne dass sie es überhaupt registrierten.

Außerdem war das Verhältnis zu den Mitstudenten immer noch auf dem Nullpunkt. Die Meisten mieden die 4 soweit sie nur konnten. An der Uni saßen sie fast immer allein, egal wo sie sich befanden. Die Buschtrommeln der Studenten taten ihr übrigstes, dass auch Leute aus anderen Kursen sie mieden.

Wenn jeder von ihnen dieses Szenario alleine hätte durchstehen müssen, dann wäre er oder sie wohl längst soweit gewesen, dass sie an ihrem eigenen Verstand gezweifelt hätten oder, dass man sie einweisen könnte. So aber bildeten sie ein kleines, eingeschworenes Team, in dem sie sich gegenseitig Mut zusprachen und Halt gaben.

Aber auch unter ihnen gab es welche die es besser oder schlechter wegsteckten. Katrin zum Beispiel war nach außen hin eine Festung von der die Eindrücke scheinbar abprallten während Hermann sich vollkommen zurückzog und grade die Tasse fixierte in dem sein Kaffee träge seine Kreise zog, nachdem er Unmengen von Zucker hineingerührt hatte. Es war schon die dritte Tasse für heute und sicherlich nicht die letzte. Obwohl die Anderen ihn immer wieder anredeten hob er seinen Blick nur kaum, oder sah schnell wieder hinab, denn sogar in diesem Cafe war nicht alles so wie es zu sein schien.

Hinter dem Tresen war die Bardame jetzt schon fast geschlagene 10 Minuten dabei mit der Kaffeemaschine zu kämpfen. Egal was sie tat, die Maschine schien einen eigenen Willen entwickelt zu haben. Schließlich gab sie resigniert den Kampf auf, als ein junger Mann aus dem hinteren Bereich zu ihr trat. „Die Maschine ist schon wieder kaputt“, seufzte sie leise, „und außerdem haben wir erneuten Tassenschwund.“

Wenn die wüssten. Katrin warf nur einen kurzen Blick hinüber und konzentrierte sich dann doch lieber wieder auf die Anderen. Oder wie sollte man das sonst erklären, dass da auf einem der Hocker ein Wesen saß, das man am besten als eine weiße Katze beschrieb, auf dem nächsten eines das einem großen Hund ähnelte, oder auch wieder nicht und auf dem dritten ein affenähnliches Wesen. Hinter dem Tresen turnte eine dunkle Gestalt mit schwarzen Flügeln umher und verteilte grad die ‚verschwundenen’ Tassen an die anderen Anwesenden.

„Ich halte das langsam nicht mehr aus“, presste Hermann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Solche Figuren, wie sie uns nun schon seit einer Woche begegnen gehören in irgendwelche Videospiele oder Fantasyfilme, aber nicht hierhin.“ Tröstend legte Simone ihm eine Hand auf die Schulter. „Wir können es nicht ändern. Deshalb sollten wir lernen damit zu leben. Mein Vater meint immer: Man wächst an den Herausforderungen und als solche sehe ich diese Sache hier mittlerweile an. Du stehst über diesen Dingen, solange du nur Vertrauen in dich selber hast, und uns.“ Hermann seufzte und ergriff Simones Hand um sie dankbar zu drücken.

Mittlerweile war unter den drei vor dem Tresen und dem dahinter ein heftiger Streit ausgebrochen. Katrin warf einen kurzen Blick in die Richtung und verdrehte die Augen. „Die sind stellenweise schlimmer als kleine Kinder.“ Sie stöhnte. „Da gefällt mir der Kleine schon wesentlich besser, der sich bei uns in Kendorüstung und Bambusschwert im Dojo herumtreibt. Ihr solltet den mal sehen, wenn der versucht die Übungen der Kendo-Gruppe mitzumachen oder unseren Sensei imitiert.“ Bei den Gedanken und den Worten hatte sich ein Schmunzeln auf ihre Lippen geschlichen.

Nur Quinn beteiligte sich nicht wirklich an der Gruppensitzung sondern starrte durch eines der Fenster nach draußen. „Sagt mal, wird bei euch in der Straße in letzter Zeit auch soviel umgezogen, oder haben die Nachbarn neuerdings nur noch Mietwagen vor der Tür?“

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„Ich glaube unsere Tarnung ist soeben aufgeflogen.“ Der dünne Blondhaarige ließ das Richtmikrofon sinken und strich sich nervös durch das Haar. „Ich habe es doch hundertmal gesagt, dass sie uns mehr als nur 4 Autos zur Verfügung stellen sollten um eine gefahrlose Überwachung zu gewährleisten. Selbst mit rotierendem System war doch klar, dass es früher oder später auffallen würde.“ Sein Begleiter im Auto lehnte sich in dem Sitz zurück, der fast zu klein für ihn war und angelte nach einem Donut, biss hinein und schluckte, bevor er das runde Süßgebäck vollständig in den Mund schob und nach einem Kaffeebecher angelte. „Bah, das ist widerlich. Du solltest mehr auf deinen Körper achten,“ fauchte der Dünne sein Gegenüber an. „Außerdem bist du dran mit der Überwachung des näheren Umfeldes. Warum hast du die Gläser nicht auf?“ Der Dicke murrte etwas Unverständliches und nahm einen Schluck Kaffee. „Die Teile drücken unangenehm und überhaupt, was soll der ganze Schwachsinn überhaupt. Wir sollen doch nur schauen, dass die Jugendlichen da hinten keine Dummheiten anstellen.“ – „Jetzt setz die Dinger schon auf. Oder soll ich dich erst melden, dass du die Cheforder nicht einhältst.“ Der Dicke verzog das Gesicht schmollend. „Das wagst du nicht.“ Trotzdem angelte er nach dem Gerät, das von außen aussah wie eine Nachtsichtbrille und zog sie sich über den Kopf. „Und ich sagte doch, die Gurte sind zu kurz“, murrte er verstimmt. Irgendwie brachte der Dicke das Kunststück fertig sich die Gläser vor das Gesicht zu ziehen, ohne seinen Kaffee abzusetzen, doch das hätte er vielleicht tun sollen, denn plötzlich verkrampfte er sich und begann unkontrolliert zu zittern. „Hey, hör auf mit der Sauerei, meine Sachen“, fauchte der Dünne und sah seinen Kollegen an, der scheinbar überhaupt nicht auf ihn reagierte. „Hör auf mit dem Scheiß, was siehst du?“ Der Dicke reagierte immer noch nicht und so griff auch der Dünne nach seinem Nachtsichtgerätverschnitt und legte es an, nur um in die Mündung einer doppelläufigen Waffe zu blicken. Beide schrien fast synchron auf.

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Ein doppelter Schrei ließ die Gespräche im und um das Cafe verstummen. Jede Menge Augenpaare blickten zu dem Auto in dem zwei Männer mit Nachtsichtgeräten saßen und sich die Seele aus dem Leib schrien ohne dass man den Grund erkennen konnte. Auch die 4 Studenten waren unter den Gaffern. Doch sie sahen warum.

Die meisten Leute schüttelten nur verständnislos den Kopf, während die Studenten schluckten. „Sagt mal, verfolgt der uns? Und warum bedroht er die Typen im Auto?“ Katrin war die Erste die sich von dem Schreck erholt hatte und hob eine Augenbraue, als sie den Rocker wiedererkannte.

„Für mich wäre eher interessant zu erfahren, warum sie ihn sehen können und was es mit diesen ‚Sam-Fischer-Gedächtnis-Brillen’ auf sich hat, die sie da tragen.“ Quinn zählte einen Schein und ein paar Münzen ab und legte sie auf den Tisch.

In geschlossener Formation schritten die vier auf das Auto zu, dessen Insassen sich langsam wieder etwas beruhigt hatten. Als der Rocker sie kommen sah, senkte er seine Waffen etwas und trat zur Seite, blieb aber immer noch in Schlagdistanz. Wieder lief Katrin ein kalter Schauer über den Rücken, als er sie nacheinander musterte.

Diese Nachtsichtbrillen ruhten nun nicht mehr direkt auf den Augen der Männer sondern entweder auf der Stirn oder irgendwo im Beinraum.

Trotzdem zuckte der Dünnere der beiden ordentlich zusammen, als Quinn an die Scheibe klopfte. „Entschuldigung, gibt es ein Problem?“ fragte er mit erzwungener Freundlichkeit.

Der Dünne kurbelte das Fenster herunter. „Nein, nein, das hat sich schon erledigt. Mein Kumpel hier hat mir nur heißen Kaffee über die Hose gekippt, das ist alles,“ meinte er und zeigte auf das Malheur. In der Tat waren die Hosen voller Kaffee, ebenso wie ein gutes Stück der Hemden.

„Warum eigentlich die Nachtsichtgeräte, ist doch taghell, wenn ich mal fragen darf?“ Quinn änderte seine Taktik. „Ach die, die sind nur Requisiten.“ Der Mann deutete ein Stück weit die Straße hinunter. „Wir drehen grade einen kleinen Amateurfilm.“ Er angelte eine Handkamera aus dem hinteren Bereich des Wagens. „Aber ich müsste nur darum bitten, dass das Gelände um unseren Wagen frei bleibt, damit unsere Kumpel, die nachher dort hinaufkommen euch nicht mit im Bild haben und wir so das Take versauen.“ Er grinste entschuldigend. Doch in seinen Augen stand etwas ganz anderes zu lesen. Auch Quinn kniff nun die Augen zusammen. „Warum habe ich nur das Gefühl, dass das, was sie uns hier versuchen zu verkaufen nicht der Wahrheit entspricht. Warum verfolgen sie uns jetzt schon seit einer Woche? Was soll dieses künstliche Gehabe und warum können sie ihn sehen, während andere es nicht können?“ Quinn deutete mit dem Daumen in Richtung des Rockers.

Der Dicke verlor plötzlich die Nerven und griff irgendwo unter das Armaturenbrett. In diesem Moment kam auch Bewegung in den Rocker. Die Studenten zuckten zusammen, als neben ihnen ein Loch in die Karosserie des Autos gestanzt wurde und der Dicke hastig die Hand zurückzog um sie ausgiebig zu betrachten. „Verdammt, er hat auf mich getroffen, ich hab’s eindeutig gespürt.“ – „Hör auf du Idiot. Jetzt sind wir aufgeflogen.“ Der Dünne gab dem Dicken einen Kopfstoß mit der Handkamera. „Da ist nichts, beruhig dich gefälligst. Die Anderen kommen gleich.“

„Zeit zu gehen.“ zum ersten Mal sprach der Rocker und deutete mit seiner Waffenhand weiter die Straße hinunter. „Los.“ Seine Stimme klang merkwürdig verzerrt und Katrin konnte ihn nur mit dem rechten Ohr hören aber die Geste war unmissverständlich.

Mit quietschenden Reifen bogen drei Fahrzeuge um die Ecke, die jeder der Studenten schon mal, im laufe der letzten Woche, gesehen hatte.

„Jetzt lauft schon“, forderte der Rocker die Studenten erneut auf, während er mit beiden Waffen auf die Autos anlegte. Doch diesmal war der Dünne schneller. Er zückte eine Waffe. „Der nächste, der sich bewegt gewinnt einen gratis Krankenhausaufenthalt.“

Der Rocker sah es und fluchte. „Planänderung. Eigentlich solltet ihr an einen bestimmten Ort, tut mir einen Gefallen und beißt nicht schon in den ersten 5 Minuten ins Gras. Es ist heute schwer genug Ersatz zu finden.“

Unter Katrin und Simone sackte der Boden weg und wurde zu einem schwarzen Loch, das sie einzusaugen schien. Hermann und Quinn sprangen zur Seite, doch Hermann landete neben dem Rocker, der mit ein Tritt sorgte dafür, dass er den Mädchen schnell folgte. Quinn befand sich außerhalb der Reichweite des Rockers und gab sofort Fersengeld.

Der Rocker fluchte erneut, feuerte zwei Salven auf die herannahenden Autos ab und machte sich an die Verfolgung Quinns, während sich das schwarze Loch wieder schloss.
 

Gegen jemand, der eine Höllenmaschine als Motorrad besaß, hatte Quinn nicht wirklich eine Chance und so endete der Lauf beinahe genauso schnell, wie er begann.

Der Rocker stellte die Maschine quer vor Quinn und griff im gleichen Atemzug nach dessen Hemd. Dabei erwischte er auch die Kette und zog den Jungen zu sich, bis sie sich fast auf Augenhöhe befanden. „So haben wir aber nicht gewettet. Sei dir eines gewiss, würde ich nicht noch jemandem einen Gefallen schulden, wäre ich bei weitem nicht so sanft zu dir und jetzt mach, dass du fort kommst.“ Mit einem diebischen Grinsen ließ er das Shirt und die Kette los und versetzte dem Jungen einen kräftigen Stoß gegen die Brust, welche ihn einige Schritte zurücktaumeln ließ, bevor auch er den Boden unter den Füßen verlor.

Selbstzufrieden sah der Rocker auf das sich schließende schwarze Loch und zog seine Maschine herum. Er hatte noch eine Rechnung zu begleichen. Alles verlief im Moment sogar fast besser als er es geplant hatte.

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„Was soll das heißen, ihr habt sie verloren? Ihr Versager! Ihr solltet doch dafür sorgen, dass genau dies nicht passiert.“ Die beiden Männer zuckten zusammen. Die Kugel hatte zwar einen Großteil der Armaturen zerstört, doch das ausfahrbare Display funktionierte noch und grade blies ihr Chef ihnen gehörig den Marsch.

„Wer hätte ahnen können, dass sie Hilfe bekommen. Niemand hat uns davon in Kenntnis gesetzt, dass solch ein starkes Digimon in dieser Gegend herumläuft. Dadurch konnten wir uns auch nicht dementsprechend bewaffnen.“ – „Ruhe“, donnerte ihr Chef. „Durch eure Schuld sind sie nun in der Digiwelt. Das wird noch ein Nachspiel haben.“ Der Monitor wurde dunkel.

„Warum müssen wir nun wieder deren Versagen ausbaden“, grummelte der Dicke und suchte bereits wieder nach einem Schokoriegel. „Dass du auch immer nur essen musst“, fauchte der Dünne. „Tschuldige, Nervennahrung. Willst du auch?“ Er hielt ihm den angebissenen Riegel hin.

Tag 1: Ankunft in der Digi-Welt

Es klatschte und dann war plötzlich überall Wasser um sie herum. Reflexartig hielten Simone, Katrin und Hermann den Atem an und versuchten sich zu orientieren. Hastig paddelten sie dorthin, wo sie das ‚Oben’ vermuteten.

Hustend und nach Luft schnappend durchbrachen sie die Oberfläche. Über ihnen schrumpfte das Loch, aus dem sie gefallen waren zu Nichts zusammen. Doch das war nicht ganz der Grund, warum die Blicke weiterhin am blauen Himmel klebten. Eher lag es daran, dass sich, neben Wolken auch noch unterschiedlich lange Bänder kreuz und quer darüber zogen die aus Binärcodes bestanden. Einige waren kurz, andere ellenlang das ein Ende scheinbar nicht abzusehen war. Manche krochen gemächlich dahin während andere so schnell wieder fort waren, dass man sich überlegen musste, ob man sie überhaupt wirklich gesehen hatte.

Das einzige was fehlte, war die Sonne.

„Where in the name of hell are we? This is not earth, or?” Simone blickte sich auf der Suche nach einem Ufer um, aber weit und breit gab es nur Wasser. Nichts, was auch nur im Entferntesten auf Land hindeutete.

Die Anderen konnten ihr keine Antwort darauf geben, denn sie waren selbst noch zu geschockt von den Ereignissen und versuchten über Wasser zu bleiben.

„Als erstes würde ich vorschlagen, dass wir versuchen Land zu finden.“ Katrin ging ein paar Mal kurz unter, während sie versuchte unnötigen Ballast - in diesem Fall ihre Schuhe - loszuwerden. Die restlichen Klamotten zogen schon alleine genug nach unten. Die Socken, ebenso wie die Jacke mussten dran glauben, von mehr war sie nicht bereit sich zu trennen.

Auch die Anderen sahen den Sinn dieser Aktion ein und folgten ihrem Beispiel. Wobei Hermann sogar sein T-Shirt auszog. Ein paar kleine Fettpölsterchen zeigten sich an den Seiten. Als er die Blicke der Mädchen spürte zuckte er nur mit den Schultern. Sollten die doch denken, was sie wollten. „Hat jemand von euch Quinn gesehen?“ - „Ja, er ist weggelaufen, bevor mich dieses Loch gefrühstückt hat.“ Hermann fasste sich an die Stelle, wo ihn der Tritt getroffen hatte.

Trotzdem suchen sie die nähere Umgebung ab, doch Quinn blieb verschwunden. „Stop it, wir müssen selbst schauen dass wir Land finden. Es bringt nichts, wenn wir hier zuviel rumplanschen und ihn suchen. Keiner von uns kann ewig schwimmen. Er ist ein großer Junge. Er kann sicher gut auf sich selbst aufpassen. Vielleicht ist er ja auch gar nicht hier.“ Simone stand wassertretend auf der Stelle und sah sich um. In ihren Augen lag Schmerz aber auch Entschlossenheit.
 

Sie waren schon eine ganze Weile in keine bestimmte Richtung unterwegs, da ihnen jegliche Orientierungspunkte fehlten als Simone begann um sich zu schlagen. „Hey, was ist los?“ Katrin schwamm etwas schneller um zu Simone aufzuschließen.

„Don’t know. Dieses Etwas hier schwirrt mir schon die ganze Zeit um den Kopf herum und versucht sich dauernd auf meiner Nase niederzulassen. Echt nervig.“

Als Katrin und Hermann zu Simone aufgeschlossen hatten, sahen sie recht schnell, was diese meinte. Das Objekt, dass die Austauschstudentin da umschwirrte war winzig. Man musste schon genau hinsehen um es erkennen zu können. Es glitzerte wie ein kleiner Stern.

„Ignorieren. Einfach ignorieren. Vielleicht fliegt es ja dann auch wieder weg, wenn es bemerkt, dass wir ihm keine Aufmerksamkeit schenken?“ schlug Hermann vor. „Das ist einfacher gesagt als getan. Es bringt mich jedes Mal durcheinander. Wie soll man sich da auf das Schwimmen konzentrieren.“ Simone seufzte. „Ich spüre meine Arme kaum noch und weit und breit ist immer noch kein Land in Sicht.“ Sie sah zu den Anderen. „Was würde ich im Moment nicht alles dafür geben, wenn wir ein Boot hätten. So ein richtig schnelles mit Strahltriebwerken und …“ Simone verdrehte die Augen und verschwand im nächsten Moment im Wasser. „Simone!“ schrien Hermann und Katrin gleichzeitig und tauchten ihr nach.

Die Besagte war bewusstlos geworden und sank schnell tiefer. Nur gemeinsam gelang es Hermann und Katrin Simone zu greifen und sie wieder nach oben zu bugsieren. Doch kurz, bevor sie die Wasseroberfläche durchbrachen, machte Katrins Kopf unliebsamen Kontakt mit etwas hartem, unnachgiebigem. Treibgut, wie sie im ersten Moment vermutete, bevor sie wieder Luft schnappen konnte.

Doch als sie sch das Wasser aus den Augen wischte stockte ihr kurz der Atem. Das war kein Teibgut, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Vor ihnen schwamm ein ganzes Boot. Es war nagelneu und nirgendwo gab es Anzeichen, wo es hergekommen war. „Was zum...“ - „Ist jetzt egal, hilf mir, sie an Bord zu bringen.“ Hermann überließ Simone kurz in Katrins Armen, schwamm zur Reeling und hiefte sich nach oben, bevor er sich herunterbeugte um erst Simone und dann Katrin an Bord zu ziehen.

Katrin war noch nicht richtig über die Reeling da zeigte Simone erste Anzeichen, dass sie langsam wieder zu sich kam, indem sie das Wasser, was sie eben in die Lungen bekam wieder aushustete.

Während Katrin bei Simone blieb und sie in stabiler Seitenlage hielt, damit das Wasser besser herausfloss, machte sich Hermann auf die Suche nach etwas, womit man Simone helfen konnte. Doch das Schiff war vollkommen leer.

Es gab keine Möbel und nichts was darauf hindeutete, dass dieses Schiff überhaupt jemals schon in Betrieb gewesen war. Fast so, als hätte man es unfertig aus einer Werft gestohlen. Einzig der Aufbau drumherum, der Motor unten, die Amaturen und Lenkeinrichtungen im oberen Teil des Bootes waren vorhanden.

Draußen versuchte Katrin Simone eine halbwegs angenehme Liegeposition zu verschaffen. „Geht es?“ fragte sie leise. Simone nickte schwach. „Was ist passiert?“ - „Don't know. I'm so tired“, hauchte die Angesprochene müde hervor. Sie drehte sich von Katrin weg. „Please let me rest for a while.“ Simone schloss die Augen und war kurz darauf eingeschlafen. Sie schien sich nicht im mindesten dafür zu interessieren, dass sie immer noch vor Wasser triefte.

Katrin vergewisserte sich noch einmal, dass es Simone soweit gut zu gehen schien. Von diesem seltsamen quadratischen Miniding fehlte nun jede Spur. Offensichtlich war es endlich verschwunden.

„Leer. Das ganze Schiff ist leer.“ Hermann kam aus dem Bauch des Schiffes herausgekrochen und sah zu Simone. „Wie geht es ihr?“ - „Sie wollte schlafen. Soweit ich es beurteilen kann, geht es dir schon wieder etwas besser.“ Katrin zog Hermann zurück ins Innere des Bootes. „Ich mache mir trotzdem Sorgen. Wir sollten schnell schauen dass wir Land finden ... und etwas trockenes zum Anziehen.“ Wie zum Zeichen wrang Katrin ihr Shirt aus. Sie sah zu dem Führerstand. „Kannst du das Ding irgendwie zum Laufen bekommen? Ich werde bei Simone bleiben solange.“ Hermann nickte und wandte sich dem Steuerrad zu. „Hoffentlich hat es Quinn nicht so bescheiden erwischt wie uns.“ Auch wenn er es versuchte zu verbergen, Sorge war auf sein Gesicht geschrieben.

Dröhnend erwachten die Turbinen zum Leben und schon kurze Zeit später durchpflügte das Boot die Wellen, einem unbestimmten Ziel – aber hoffendlich Land – entgegen. Simone ließ sich davon überhaupt nicht wecken.

Nachdenklich blickte Katrin über die Wellen. Jetzt hatte sie auch mehr Zeit sich mit diesem Element zu beschäftigen, wo unmittelbares Ertrinken nicht mehr auf der Tagesordnung stand. Das Wasser war klar, aber irgendwie gab es nirgendwo ein Anzeichen auf Fische oder sonstige Meeresbewohner. Schon seltsam.

##

Verärgert wischte sich Quinn durchs Gesicht und machte es nur noch schlimmer als besser. Seine Augen tränten und versuchten die Körnchen so herauszuschwemmen. Er schnaubte durch die Nase um den Staub loszuwerden.

Wieder spuckte Quinn sich in die Hände und versuchte sich zu reinigen, nur dieser schwarze Schmierfilm wurde noch unangenehmer auf der Haut. Irgendwo klang es nach Wasser. Halbblind wie er war, rappelte Quinn sich auf und tapste in die Richtung. Doch schon nach wenigen Schritten blieb er irgendwo hängen und schlug der Länge nach hin, wobei jedoch sein Kopf Bekanntschaft mit dem gesuchten Nass machte, allerdings auch mit einem weiteren Hindernis darin.

Dieses zuckte zurück und etwas zischte.

Quinn blinzelte ein paarmal und versuchte sein Gesicht so langsam wie möglich aus dem Wasser zu heben. Sein Körper war angespannt und langsam versuchte er sich zurückzuziehen. Immernoch konnte er nicht viel erkennen. Diese Schmiere war Teufelszeug und erst langsam kristallisierten sich Umrisse aus dem Wischiwaschi heraus.

Hier mochte mal ein großer Wald gewesen sein, jetzt gab es nur noch verkohlte Überreste. Inmitten eines kleinen Sees ruhte ein gigantischer Tonkrug. Bis auf die Größe, die durchaus Mannshöhe entsprach, sicherlich nichts ungewöhnliches, aber aus diesem Krug ragten rot-schwarz gestreifte Hörner und im nächsten Moment wußte Quinn auch wodurch er ins Straucheln geraten war und was ihm wohl demnächst eine schöne Beule auf der Stirn verpassen würde. Lauter rote Tentakel wandten sich über den Boden um den Krug herum.

Hastig zog er sich weiter zurück. Doch dabei verursachte er soviel Lärm, dass der 'Krug' in Bewegung geriet. Langsam begann er sich zu drehen und plötzlich war da ein ziemlich großes Loch aus dessen Tiefen ihn ein großes Augenpaar unheimlich anblickte. Zudem hatte einer der Tentakel plötzlich so etwas wie einen Säbel in der Hand. „Wer wagt es, mich in meiner Ruhe zu stören?“

Was war das für eine Kreatur und warum konnte sie sprechen? Auf jeden Fall war es nichts, das man auf der Erde kannte. Soviel war er sich sicher. Aber was hatte das zu bedeuten? Quinn taumelte weiter zurück, stieß aber schon nach zwei Schritten an einen umgefallenen Baumstamm.

„Sorry, ich wollte nicht stören. Bin auch direkt schon wieder weg.“ Schleunigst wanderten seine Finger über den Baumstamm und suchten den obersten Grad um sich schnell hinüberschwingen zu können. Aus den Augen lassen wollte er dieses Wesen unter keinen Umständen. Es hob den Säbel ... „Chrono Breaker!“ Das Monster erstarrte mitten in der Bewegung.

„Los Junge, sieh zu, das du Land gewinnst“, ertönte eine Stimme von hinten. „Clockmon braucht Platz zum Kämpfen.“

Nur zu gerne leistete Quinn dieser Anweisung Folge und flog schon förmlich über den Baumstamm um dahinter in Deckung zu gehen. Nur Bruchteile später stand an seiner Stelle ein anderes Wesen.

Quinn lugte über den Baumstamm. Das zweite Wesen sah er zwar nur von hinten, aber das, was er sah machte ihm wenig Mut auf Normalität. Man konnte es wohl am Besten beschreiben als einen Gnom, der auf einem großen laufenden Wecker ritt, wobei er ein ganzes Stück weit in dem Ding steckte. Ein langer, roter Kaputzenumhang war über sein Gesicht gezogen und wehte über den Rücken hinunter. In den Händen hielt er einen langen, hammerähnlichen Gegenstand.

„Clockmon bist du bereit?“ Das Wesen nickte bei den Worten und Quinns Augen machten sich auf die Suche nach dem Sprecher.

Ein Mann mit Arztkittel stand auf einer nahen Anhöhe und ballte eine Hand vor der Brust zur Faust. „Läuten wir ihm heim.“ Für einen Moment schien es, als würde die Luft um den Mann herum flimmern, dann holte er mit seiner rechten Hand aus und ließ sie niedersausen. „Geben wirs ihm. Auf die Zwölf!“ Das Monster reagierte fast identisch wie der Mann und der Gnom ließ seinen Hammer auf den Krug des großen Krakenmonsters niedersausen.

Zuerst sah es so aus, als wäre gar nichts passiert, doch dann zeigte sich ein erster Riss in dem Krug riss weiter ein, bis das Wesen in Partikel zerstob und zu einer Art Ei wieder zusammensetzte, das im Nichts verschwand. Nach einigen Sekunden deutete nichts mehr darauf hin, dass das Krakenvieh eben noch im See gewesen war. „Und das war der Schlussgong.“

Mit einem Grinsen sprang der Mann von seiner Position herunter und rannte auf Quinn zu. Sein ramponierter Kittel flatterte im Wind.

„Endlich treff ich mal wieder eine andere Menschenseele. Hallo.“ Immernoch grinsend hielt er Quinn seine Hand hin.

In dem Moment, wo der Junge diese ergriff, bemerkte er auch den Ring, den der Mann trug. Sein Blick ruckte hoch und zwischen Kittel und zerschlissenem T-Shirt konnte er die Ansätze einer gewissen Kette erkennen. Doch sie war bei ihm anders. Die Kettenglieder waren massiver, teilweise sogar schon richtige Plättchen.

Der schwarzhaarige Mann ließ Quinn Zeit seine Musterung zu vollenden. „Mein Name ist Paul Keimer. Entwicklungsabteilung. KERN-HQ. Sicherheitsstufe 4 und mit wem habe ich die Ehre?“

Quinn schluckte und schüttelte den Kopf. „Quinn. Quinn Kinkel und ich bin Student. Ich arbeite nicht bei KERN.“ Der Mann hatte ihm das Leben gerettet und Quinn hielt es dann nur für fair, ihm deshalb auch reinen Wein einzuschenken.

Das Lächeln auf dem Gesicht des Mannes wurde kurzzeitig schwächer, doch dann fing er sich und schlug Quinn auf die Schulter. „Und ich dachte, wir wären die einzigen, die das könnten.“

Nun musterte er Quinn ausgiebig. „Darf ich?“ Bevor Quinn etwas erwidern konnte, hatte Paul sich vorgebeugt und angelte nach Quinns Kette um sie aus seinem Hemd zu ziehen. 'Wieso kann er sie auf einmal berühren,' schoss Quinn die Frage durch den Kopf. „Oh, du bist ja ganz neu“, murmelte Paul. Er wirkte ehrlich überrascht.

Ein Stampfen war zu hören, das neben Quinn stehen blieb. Der Junge wandte den Kopf und musste erstmal schlucken. Der Gnom, den Paul als Clockmon bezeichnete, war neben den Jungen getreten und sah ihn mit unverhohlener Neugierde an. „Darf ich vorstellen, dass ist Clockmon, mein Partner.“ Das Wesen deutete bei den Worten so etwas wie eine Verbeugung an. Quinn lächelte gezwungen und Paul begann lauthals zu lachen. „Keine Sorge, er wird dir schon nichts tun.“ Als ob das beruhigen sollte.

„Du hast sicherlich viele Fragen, aber könnte das bitte warten, bis wir einen sicheren Platz für die Nacht gefunden haben?“ Es schien fast so, als habe Clockmon auf diese Worte gewartet, denn er drehte sich um und setzte sich in Bewegung. Paul folgte ihm und zog Quinn mit sich. „Entschuldige, normalerweise ist Clockmon nicht so reserviert, aber die letzten Wochen waren etwas 'aufregend' für uns beide. Es ist ziemlich unruhig geworden hier draußen. Ich kann dir nur den Tipp für später geben: Such dir immer zum schlafen einen geschützten und leicht zu verteidigenden Ort, wenn du den nächsten Tag erleben möchtest.“ Quinn schluckte, das hörte sich nicht grade toll an. „Wochen? Sie sprachen von Wochen. Wie lange sind sie schon hier?“ - „Sag du, ist Standard hier und wie lange ich schon hier bin? Das weiß ich mittlerweile auch schon nicht mehr so genau, aber es ist schon eine ordentliche Zeitspanne.“

Die erste Nacht

Die Nacht kam plötzlich, ohne Dämmerung, so als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Noch immer war weit und breit kein Land zu sehen und Hermann drosselte die Geschwindigkeit des Bootes, bis sie standen. Lange starrte er in den Himmel. Am Anfang hatte er noch gemeint ein Muster in den umherschweifenden Binärcodes zu sehen, doch dieses vermeindliche Muster hatte sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, ohne das es einen Sinn ergab.

Gefrustet trat er zu Katrin und Simone und ließ sich neben ihnen auf den Boden sinken. „Es bringt nichts, einfach sinnfrei in der Nacht auf Vollgas zu fahren“, unterrichtete er sie. „Ich sehe fast gar nichts und die Gefahr, dass wir irgendwo auf ein Riff oder etwas ähnliches laufen und uns das Boot unter den Beinen wegschießen, ist mir einfach zu groß.“ Hermann blickte zu Simone. „Wie geht es ihr?“ Katrin seufzte und ging langsam zur Reeling um wieder hinüber zu spähen. „Sie schläft immer noch, aber ich habe das Gefühl, dass es ihr schon wieder um einiges besser geht.“ Mit offener Hand griff Katrin in das Wasser, fuhr einige Male hindurch und zog sie wieder zurück, um sie nachdenklich zu betrachten. „Warm und überhaupt nicht salzig...“ Sie kam nicht dazu weiterzusprechen, denn in diesem Moment begann der Ozean unter ihnen zu strahlen, so als hätte man eine ganze Batterie Hochleistungsscheinwerfer eingeschaltet.

Geblendet zuckte Katrin zurück und rieb sich die tränenden Augen. „Verdammt.“ Sie blinzelte ein paarmal und beugte sich dann wieder über die Reeling. Katrin stockte der Atem. „Hermann komm mal her, das musst du dir ansehen.“ Unter ihnen befand sich eine riesige Stadt. Das Licht kam aus den Fenstern und vom Grund.

„Wahnsinn“ hauchte Hermann und ging in die Knie zu Simone hinunter, um sie vorsichtig zu rütteln. „Hey Schlafmütze aufwachen, wir haben Atlantis gefunden.“ Die Angesprochene murmelte etwas unverständliches, während sie mit einer fahrigen Handbewegung versuchte Hermanns Hand zur Seite zu schlagen. Doch dieser ließ sich davon nicht abbringen und machte weiter, bis Simone traf und sich gähnend aufsetzte. Sie stutzte. „A Boat? Wo kommt das denn her?“ Hermann zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Du verlorst das Bewusstsein, bist fast ertrunken und als wir dir nachtauchten war plötzlich das Boot da, dass du zuvor noch erwähnt hattest. Was war eigentlich los?“

Simone stöhnte und fasste sich mit einer Hand an die Stirn. „Ich weiß nicht. Auf einmal hatte ich das Gefühl, als würde mir alle Kraft schwinden und dann bin ich wohl weggetreten.“ Sie schüttelte benommen den Kopf und zog sich an der Reeling hoch, wobei ihr Hermann und Katrin unterstützend unter die Arme griffen.

„Amazing“, hauchte Simone bei dem Anblick. „Look!“ sie deutete auf zwei besonders hohe Haustürme, wo sich Schatten abzeichneten, die langsam zu Wesen wurden, je weiter sie aus der Stadt aufstiegen. Von den Umrissen her waren sie Walen nicht unähnlich. Sie hielten direkt auf das Boot zu.

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Quinn und Paul waren unterdessen in einer Höhle untergekommen. Clockmon hielt am einzigen Einang Wache, während ein kleines Feuer, das von Paul kräftig geschürt wurde, für etwas Helligkeit sorgte. Nachdenklich blickte Quinn den Forscher an. Mittlerweile hatte er sich vom ersten Schock erholt und spielte unbewusst mit seiner Kette, wobei er die Glieder durch die Finger wandern ließ. Am Anfang war es schon merkwürdig gewesen, dass er die Dinger jetzt auch richtig greifen konnte, wobei die Kette jedoch keinen sichtbaren Verschluss besaß und zu eng saß, als das man sie sich über den Kopf ziehen könnte. Aber man gewöhnte sich daran, grade auch weil er sie kaum spürte, bei Paul war das bestimmt schon etwas anderes, so massiv wie sie aussah. Paul nannte die drei Dinge Digivice und dann waren da noch eine ganze Menge Buchstaben und Zahlen davor und dahinter gekommen, die Quinn bereits wieder verdrängt hatte. Paul meinte, dass diese Dinge später eine wichtige Verbindung zwischen ihm und seinem Partner darstellen würde. „Meinem Partner?“ hatte Quinn während des Wanderns gefragt. Der Forscher nickte. „Früher oder später erhalten die Menschen, die sich auf dieser Welt aufhalten einen Partner, der ihm hilft und ihm zur Seite steht. Entgegen der Aussagen meiner früheren Kollegen sucht sich nicht der Mensch das Digimon aus, sondern die Digimon den Menschen. Aber all das wirst du noch früh genug erfahren, wenn wir bei Justiciamon angekommen sind. Bis dahin werde ich dich begleiten. Im Moment kann ich dich nicht alleine lassen. Es ist zu gefährlich geworden.“ Danach schwieg Paul wieder.
 

„Du solltest dich ausruhen. Die Momente wo wir Kraft schöpfen können sind kurz geworden und äußerst kostbar.“ Er blickte vom Feuer auf. Quinn zuckte unbewusst zusammen. „Worüber hast du nachgedacht?“ fragte der Forscher. „Nur über das, wass du mir erzählt hast“, antwortete Quinn leise. „Es ist schwer für dich zu glauben, oder?“ Quinn nickte. „Du wirst dich daran gewöhnen, glaube mir.“ Paul lächelte wieder und setzte sich näher zu Quinn. „Mir ging es nicht anders.“ Paul hob resignierend die Hände. „Erst sollten wir Dinge entwickeln, die es uns ermöglichten, die Verbindung zur Digiwelt wiedehrerzustellen, doch sie verschwanden. Es hieß, sie waren gestohlen worden und plötzlich gab es die Order, dass wir Waffen entwickeln sollten. Waffen gegen Digimon. Sie wären zu einer Gefahr für die Menschheit geworden und mit unseren früheren Entwicklungen wären sie in der Lage eine Invasion in unsere Welt zu starten. Doch ich wollte es nicht glauben und beschloss mit den Prototypen selbst in die Digiwelt zu gehen und unsere Erfindungen zu suchen und sie zurückzubringen. Vielleicht, so war es meine Hoffnung, rückten meine Vorgesetzten dann von ihren schrecklichen Plänen ab. Doch je länger ich hier bin, desto mehr bekomme ich zu spüren dass auch diese Welt sich verändert hat. So harmonisch, wie sie mal gewesen war, ist sie schon längst nicht mehr. Letzte Woche brach das Chaos erneut los. Du erinnerst dich an den verbrannten Wald?“ Quinn schluckte als er sich erinnerte wo er gewesen war und nickte. „Nun, der war vor 7 Tagen noch das blühende Leben. Mit ihm verschwanden auch ein Großteil der Digimon, die darin lebten. Ich habe keine Ahnung, wie es an anderen Stellen dieser Welt aussieht, aber ich fürchte wohl nicht besser.“

„Hat das vielleicht auch etwas damit zu tun, dass ich in unserer Welt so viele von ihnen gesehen habe?“ Paul zuckte mit den Schultern. „Möglich ist alles. Waren es viele?“ Quinn überlegte. „Mehr auf jeden Fall, als ich bisher hier an einem Tag zu Gesicht bekommen habe.“ Das Gesicht des Forschers wurde blass. „Etwas nicht in Ordnung?“ hakte Quinn nach. „Ich weiß es nicht, aber es könnte sein, dass wir bald vor einem größeren Problem stehen. Die Ebenen zwischen unseren Welten mögen sich zwar verschoben haben, aber sie sind instabil und eigentlich müsste darauf geachtet werden, dass ein Gleichgewicht gehalten wird. Wenn die kritische Masse auf einer Seite überschritten wird, dann ...“ Paul sprach nicht weiter.

##

Neben den zwei Walverschnitten umkreisten nun noch zwei Rochen das Boot in immer engeren Kreisen. „What are we going to do now?“ Simone blickte zu den anderen Beiden, die die Wesen nicht aus den Augen ließen. „Ich habe keine Ahnung“, gestand Katrin und auch Hermann zuckte mit den Schultern.

Doch schon im nächsten Moment wurde ihnen die Entscheidung abgenommen, als ein humanoides Geschöpf auf den Planken des Bootes landete, dass aus brennendem Feuer zu bestehen schien, das so heiß war, dass die Flammen blau anstelle von Rot erstrahlten. Langsam richtete es sich auf. Das Holz unter seinen Füßen begann zu dampfen, entzündete sich aber noch nicht, sondern wurde direkt schwarz.

Die drei wichen etwas zurück, als das Wesen sie nacheinander musterte. Sein Blick blieb für einen kurzen Moment auf den Hälsen der Menschen liegen, dann blickte es über das Boot hinaus, so als suche es etwas. Dann begann das Wesen zu grinsen, wenn man das so bezeichnen konnte, denn der, mit elastischen Bändern vernähte Mund verzog sich zu einer Fratze. „Menschen fahrt zur Hölle.“ Es hob die Hände und zwischen seinen Fingern begannen sich blaue Kugeln zu materialisieren.

„Erdrückende Beweißführung!“ Das blaue Wasserwesen wurde plötzlich von einer gigantischen, unsichtbaren Hand auf den Boden gepresst und verging im nächsten Moment zu einer Art Staub, der sich zu etwas Eiförmigem verdichtete, was sofort verschwand, nachdem von dem Wesen nichts anderes mehr übrig war. Die anderen Meerwesen tauchten hastig ab und suchten das Weite.

Überrascht blickten die Studenten sich an und dann dorthin, wo die Stimme erklungen war. Über ihnen schwebte ein Streitwagen, der von 4 weißen Rössern mit futuristisch anmutendem Kopfputz gezogen wurde. Eine Frau in einem weißen, wallenden Kleid, stand in dem Wagen und verstaute grade ein Schwert an ihrer Seite. Ihre Augen waren unter einer Binde verborgen und ihre langen, blonden Haare bewegten sich in einem unspürbaren Wind.

Fachkundig lenkte sie das Gefährt tiefer. „Steigt auf. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Sie werden sicher gleich mit Verstärkung zurückkehren und ich bin mir sicher, dass ihr nicht gewillt seid nähere Bekanntschaft mit den Freunden von BlueMeramon zu machen“ forderte sie die Drei auf.

Hinter ihnen begann das Meer zu schäumen und die Studenten beeilten sich, das Gefährt zu wechseln. Kaum, das alle Halt an dem Streitwagen gefunden hatten, ließ die Fremde das Gefährt sofort aufsteigen.

Nur kurze Zeit später konnten sie dabei zusehen, wie das Boot in seine Bestandteile zerlegt wurde, bis auch es verging.

„Die sind ziemlich gründlich“, stellte Hermann trocken fest, während er schluckte. Katrin unterdessen musterte die Fremde mit unverhohlenem Interesse. Irgendwoher kam sie ihr bekannt vor, doch im Moment saß ihr der Schreck noch zusehr in den Knochen, als das sie sich auf so etwas konzentrieren konnte. Jedenfalls waren sie im Moment in Sicherheit, zumindest hoffte Katrin es. Eben hätten sie ziemlich abgeloost.

Ihre Retterin schien Katrins Blick zu spüren, denn sie drehte sich direkt mit dem Kopf zu ihr. „Bevor ihr fragt. Eurem Freund geht es gut. Er befindet sich bereits auf dem Festland und im Moment besteht keine Gefahr für ihn. Ihr solltet euch ebenfalls ausruhen.“

Damit schien ihr Konversationsbedarf gedeckt, denn sie drehte sich wieder nach vorne und schwieg beharrlich, egal welche Fragen ihr gestellt wurden.

Ihre Worte reichten allerdings soweit, dass die Studenten erleichtert aufatmeten. Grade die Mädchen hatten mit der Entscheidung, über Quinn im Ungewissen zu sein, ziemlich zu kämpfen gehabt.

2ter Tag – Überraschungen

Bereits in den, seines Empfindens nach, frühen Morgenstunden wurde Quinn unsanft aus seinem Schlaf gerissen. Die Nacht auf dem harten Boden war so gar nicht nach seinem Fall gewesen. Immer wieder war er aufgewacht und bemerkt, wie sich Paul und Clockmon mit dem Wachen abwechselten, doch als er anbot, selbst auch eine Wache zu übernehmen, hatte Paul nur mit dem Kopf geschüttelt. „Lass das unsere Sorge sein“, meinte er nur und so war Quinn wieder eineschlafen, wenn auch nicht für lange.

Von dem Feuer war nur noch ein kleines Glutnest übrig, das kaum noch Helligkeit spendete, trotzdem konnte Quinn erkennen, dass sich Paul nicht mehr an seinem Platz befand. Halb schlaftrunken blickte er zum Eingang. Doch auch Clockmon war von seinem Posten verschwunden.

Der Kampfeslärm wurde lauter und Quinn beschlich ein ungutes Gefühl. Die Höhle hatte keinen Hinterausgang. Wenn er also fliehen wollte, dann ging das nur vorne hinaus und auch nur solange, wie die Geräusche nicht noch näher kamen.

Vorsichtig bewegte Quinn sich zum Eingang und spähte hinaus. Vor der Höhle ging es drunter und drüber. Es war ein Geheule und Gekeife, das man sich am liebsten nur noch die Ohren zuhalten wollte und hoffte, dass es bald vorbei wäre.

Clockmon war fast unter einem Ansturm von etwa 10 graufelligen Monstern verschwunden. Sie hatten gewisse Ähnlickeiten zwischen Hase und Wildkatze, wobei Quinn nicht so recht wußte, wie er sie besser zuordnen sollte. Zwei weitere von ihnen hielten Paul ziemlich in Atem und machten sich einen Spaß daraus ihn über das Gelände zu scheuchen und ihm so keine Gelegenheit zu geben Clockmon beizustehen.

Doch plötzlich hielt eines der Wesen inne, schnüffelte kurz und drehte dann den Kopf zum Höhleneingang und bevor noch jemand reagieren konnte, war es schon am Eingang und warf Quinn zu Boden. Es grinste ihn bösartig an und ließ sich auf seinem Brustkorb nieder. „Na Mensch, so ganz alleine unterwegs?“ Es war eigentlich mehr eine Feststellung als eine Frage, während es mit zwei seiner Vorderklauen die Gesichtskonturen von Quinn nachfuhr. „Sicher?“ Der Student versuchte selbstsicher zu wirken, trotz seiner derzeitigen Position. „Du riechst nicht nach Digimon, wie jemand der einige Zeit mit einem verbracht hat, deshalb bin ich mir so sicher.“ Das Wesen grinste breiter und es zog seine Klauen ein Stückchen zurück.

„Hey Gazimon, wenn du kämpfen willst, dann leg dich mit jemandem an, der sich auch wehren kann und lass den Jungen in Ruhe“, scholl die Stimme von Paul zu ihnen hinüber. Doch das angesprochene Wesen drehte nur seinen Kopf in die Richtung des rennenden Forschers.

Langsam legte es seine Klauen an Quinns Hals, was diesen schlucken ließ und ihn auch weiterhin veranlasste, lieber still zu halten. „Dann komm doch, und versuche mich davon abzuhalten, das ich mit ihm 'spiele'“, feixte das Wesen auf Quinns Brust weiter. Gazimon drehte seinen Kopf wieder zu Quinn und kratzte ihn leicht über den Hals, bevor es nach dessen Kette angelte. „Tz tz tz, entweder bist du unglaublich mutig, oder unglaublich töricht. So alleine durch die große, gefährliche Digiwelt zu streichen.“ Es beugte sich noch tiefer zu Quinns Gesicht herunter, während es seine Klauen um seine Kette schloss und daran zog, bis sich ihre Nasen fast berührten.

Paul griff nach seinem letzten Mittel. „Clockmon“, schrie er, während er die Hände zusammenschlug. Um ihn herum schien die Luft zu beben und das andere Gazimon, das ihn ursprünglich verfolgte verharrte kurz und legte den Kopf schief. Dieses Verhalten eines Menschen war ihm neu und genau diesen Moment nutzte Paul nun gnadenlos aus. „Zeit, die nächste Runde einzuläuten!“

Doch Quinn bekam von dieser Aktion nichts mehr mit, zusehr war er auf dieses Wesen namens Gazimon fixiert. „Schade dass unsere Anweisung lautete euch Menschen zu töten.“ Quinn ballte eine Hand zur Faust. „So einfach werde ich es dir nicht machen“, keuchte der Junge. Das Gazimon begann zu lachen. „Niedlich. Schade du hättest Potential gehabt. Ich werde dir einen Gefallen tun und es kurz und schmerzlos machen.“ Das Monster hob seine rechte Klauenhand und dann geschahen zwei Dinge auf einmal. Quinns Faust sauste nach oben mit Gazimons Kopf als Ziel, doch das Wesen hatte seinen angestammten Platz auf seiner Brust verlassen und klebte förmlich, ein paar Schritte hinter Quinn an der Wand. Freiwilig hatte es sich diesen Platz jedoch nicht ausgesucht und rutschte zu Boden.

Wütend richtete das Gazimon wieder auf. Es sah sich um und fauchte in Pauls Richtung. „So haben wir aber nicht gewettet. Eine Evo einzuleiten ist ein unfaires Mittel.“ - „Als ob ihr Viren eben fair gekämpft hättet.“ Das Gazimon fauchte erneut.

Erst jetzt fiel Quinn auf, wie still es auf einmal geworden war. Suchend, da ihm scheinbar erstmal keine Gefahr drohte, blickte er sich nach Paul um. Dieser stand etwas abseits, hielt ein längeres Gerät in der Hand, was an ein Schwert erinnerte. Die Luft um ihn herum wirkte erneut merkwürdig verzerrt und schien unmittelbar um ihn herum zu glühen. „Jetzt Andromon. Beende es.“ Verwirrt sah Quinn sich um. Clockmon war verschwunden und dafür stand nun ein anderes Wesen an seiner Stelle, halb Mensch, halb Maschine, für einen kurzen Moment beschlich Quinn der Gedanke an einen Charakter aus mehreren Filmen und seiner eigenen Serie, die sich um einen Polizisten drehten, der später als halb Mensch – halb Maschine Verbrecher jagte. Nur sah dieser hier 'unfertiger' aus.

Das Gazimon sah sich nach Fluchtmöglichkeiten um. „Dein Glück, das Andromon eben nur mit halber Kraft arbeiten konnte, um Quinn nicht zu verletzen, aber jetzt ist die Schonzeit vorbei.“ Das Gazimon lachte. „Nichts gibt’s. Ich verdrück mich. Die letzten Worte sind noch lange nicht gesprochen.“ Es kletterte behände über einige Hindernisse, und brachte so einen natürlichen Schutz zwischen sich und Andromon.

Verwirrt blickte Quinn dem Flüchtenden nach, während Paul langsam zu ihm trat. „Alles in Ordnung soweit? Bist du verletzt?“ - „Nur mein Ego“, erwiederte Quinn grummelnd, während er sich langsam in die Höhe stemmte und sich vorsichtig über den Hals strich. Paul trug tatsächlich ein Schwert. „Wo ist Clockmon?“ Paul deutete mit der freien Hand hinter sich, wo Andromon näher trat, und grinste breit. „Ich bin Andromon, eine Weiterentwicklung von Clockmon. Als ihr in Gefahr wart musste ich mich mit Pauls Hilfe weiterentwickeln, um euch beschützen zu können“, kam Andromon dem Forscher zuvor. Staunend blickte Quinn das Wesen an und lief herum um ihn von allen Seiten betrachten zu können, während Paul sich auf einen nahen Stein fallen ließ. Das Schwert verschwand spurlos aus seiner Hand.

„Ich möchte euren netten Plausch nur ungern unterbrechen, aber Andromon, es tut mir leid, ich kann gleich nicht mehr.“ Der Angesprochene und Quinn sahen zu Paul. Dieser wirkte müde. Andromon nickte nur und Paul entspannte sich, was sich nicht nur durch seine Mimik sondern auch dadurch andeutete, dass das Leuchten und das Flimmern um ihn herum verschwand. Dafür veränderte Andromon sich, schnurrte zusammen und wurde wieder zu Clockmon. „Uff, noch etwas länger und ihr hättet mich auszählen dürfen.“ Paul strich sich durchs Gesicht und sah in den Himmel. „Auf jeden Fall sollte ich dich etwas in Selbstverteidigung in dieser Welt unterweisen“, stellte der Forscher fest und blickte auf die Kette des Studenten. „Bereit für die erste Lektion?“ - „Schon“, erwiderte Quinn, "aber kannst du mir vorher sagen, was das eben mit Andromon gewesen war?“ - „Das, mein lieber Junge, war eine Digitation, beziehungsweise andere Länder nennen es auch Evolution ... ach es gibt so viele Namen dafür, dass ich sie jetzt gar nicht alle aufzählen möchte, da sie ja doch alle nur das Gleiche bedeuten. Aber sie gehen mächtig auf die Knochen, wenn man noch nicht wirklich dafür bereit ist, so wie ich im Moment halt.“ Paul seufzte kurz, aber schon schlich sich wieder ein Lächeln auf seine Lippen. „Glaub aber ja nicht, dass dieser Zustand noch lange Bestand hat.“ Kampfeswillen blitzte kurz in den Augen des Forschers auf. „Dann wird Clockmon auch dauerhaft seine Fähigkeiten als Andromon ausleben und mit mir zusammen durch die Lande ziehen.“ Er schloss die Augen, doch das Lächeln blieb auf seinem Gesicht bestehen. „Quinn, ich habe eine Bitte an dich: Sollte Justiciamon dich vor die Wahl stellen. Lehne den Weg nach Hause ab. Du würdest es bereuen, glaube mir.“

Er stemmte sich wieder in die Höhe. „Genug gerastet, lass uns gehen. Bis Justiciamons-Heimstätte ist es noch ein ziemlich strammer Fußmarsch. Ich denke, wir werden da noch auf allerlei Digimon stoßen, die bestimmt nicht immer freundlich drauf sind. Wunder dich übrigens nicht, wenn einige von ihnen andere Sprachen sprechen. Sie verstehen eigentlich jede Sprache unserer Welt aber wie auch wir Menschen haben auch manche Digimon ihre Steckenpferde und benutzen gerne mal andere Sprachen oder sonstige Dinge, um aus der Menge herauszustechen. Aber erstmal genug davon. Zeit für deine erste Lektion.“ Paul drehte sich etwas zur Seite und hob die rechte Hand. Er streckte sie Quinn hin. Verdutzt sah der Junge sie an. Was sollte das denn jetzt? Quinn zögerte „Es könnte kurz unangenehm werden, am besten versuchst du ruhig zu bleiben.“ Paul wartete nicht auf Widerspruch und angelte selbst nach Quinns rechter Hand.

Im nächsten Moment war es Quinn, als habe man ihm einen elektrischen Schlag in genau dieser Hand versetzt, der durch den Arm lief, seinen Hals hinauf, mitten in den Schädel. Quinn stöhnte und versuchte sich zu befreien, doch Paul hielt ihn fest.

Das Gefühl verebbte nach wenigen Sekunden wieder und Paul ließ seine Hand los. „Tut mir Leid, das war vielleicht etwas heftig. Hoffe es war nicht zu schlimm.“ Der Student stöhnte. „Was zur Hölle war das?“ - „Ich denke hier heißts Datenübertragung.“ - „Verarsch mich nicht. Wir sind hier nicht in der Matrix.“ Quinn schüttelte noch ein paar mal die Hand und verschränkte sie dann beide vor seiner Brust. Paul seufzte theatralisch und zuckte mit den Schultern. „Denk halt was du willst. Auf jeden Fall hat du jetzt nutzbaren alle Daten, die ich bis heute sammeln konnte, und nun mach was draus ... Verteidige dich.“ Er führte seine rechte Hand auf Höhe seines Anhängers. Wenige Zentimeter davon entfernt, aber gleichauf war die schematische Darstellung eines Schwertes erschienen, dass in dem Moment real wurde, als sich Pauls Finger darum schlossen.

„Hey. Halt mal, das geht mir jetzt etwas schnell. Was faselst du da?“ Quinn stolperte zurück, als er das sah. Hilfesuchend blickte er zu Clockmon, doch dieser schien sich an dem Schauspiel eher zu erfreuen, jedenfalls sah er ihnen aufmerksam zu, machte aber selbst keine Anstalten einzugreifen.

Na toll. „Hey, wie soll ich mich verteidigen, wenn ich noch nicht mal eine Ahnung habe, wie du das grade angestellt hast.“ Paul hob eine Augenbraue. „Hast du mir gestern nicht zugehört?“ - „Doch,“ murrte Quinn, „aber das war ziemlich viel auf einmal.“ Der Forscher schüttelte den Kopf und fügte dann mit einem Grinsen an: „Und ich dachte, Studenten könnten sich mehr behalten.“ Er sprang vor und das Schwert zischte neben Quinn vorbei durch die Luft. Nur knapp gelang es ihm, auszuweichen, Paul machte ernst. Er brauchte eine Waffe, unbedingt. Wie aus Reflex ahmte Quinn das nach, was Paul getan hatte und fixierte dessen Waffe. Im nächsten Moment prallte Stahl auf Stahl.

„Na also, geht doch.“ Paul ließ sein Schwert sinken und grinste breit, dann stieß er blitzschnell vor und schlug Quinn die Waffe aus der Hand, die sich direkt darauf in Wohlgefallen auflöste. „Aber an deinem Handling musst du noch arbeiten. Außerdem solltest du dir angewöhnen in solchen Situationen erst zu handeln, dann dir anderweitige Gedanken zu machen. Gegner warten nicht darauf, ob und wann man Kampfbereit ist, da entscheiden Sekunden.“ Paul half Quinn wieder auf die Beine, der vor Überraschung auf dem Hosenboden gelandet war. So wirklich hatte Quinn noch gar nicht realisiert, was er da eigentlich grade gemacht hatte.

Auch das Schwert des Forschers war nun verschwunden. „Einen Tipp noch, versuche nichts übergroßes zu erschaffen, dass dich zusehr erschöpft. Grade in längeren Kämpfen brauchst du deine Kräfte aber jetzt lass uns weitergehen. Wenigstens einen kleinen Stück Weg möchte ich heute noch schaffen.“ Er zupfte sich seinen Kittel zurecht, dabei löste sich ein Stück Stoff.

Nachdenklich blickte Paul darauf. „Ich glaube, ich sollte mir echt bei Gelegenheit mal neue Klamotten besorgen“, seufzte er leise und ließ den Fetzen achtlos fallen. „Achso, bevor du fragst, solche Sachen solltest du dir besser nicht erschaffen, nicht das du einmal so ganz ohne ... du verstehst mich schon, gell?“ Paul grinste wieder und deutete Quinn an, ihm zu folgen. Clockmon unterdessen blickte nicht mehr zu den Beiden sondern weiter nach hinten, doch als Paul nachfragte, was los sei, schüttelte das Digimon nur wortlos den Kopf und folgte ihnen.

Kurz nachdem sie von dem Platz verschwunden waren, fiel ein Schatten quer darüber und eine Krallenhand griff nach dem Stofffetzen nur um danach wieder so schnell zu verschwinden, als wäre sie nie da gewesen.

Aline

Katrin wußte nicht, wieivel Zeit vergangen war, als ein Klopfen sie aus ihrem Schlaf weckte. Noch müde richtete sie sich auf. Es dauerte, bis die Erinnerungen zurückkehrten. Katrin schloss die Augen wieder. Sofort lief es vor ihrem geistigen Auge wie in einem Film ab. Ihre Reise auf dem Wasser, der Angriff, die Rettung und der Ritt in diesem 'Streitwagen', die Ankunft an diesem Palastähnlichen Gebäude, das Katrin sogar noch in Gedanken schier den Atem raubte und wie sie dann auf die Zimmer verteilt wurden, bevor sich ihre Retterin entfernte. Katrin war viel zu geschafft um sich in dem Raum umzusehen und fast direkt ins Bett gefallen. Sie hatten sich grade noch die Zeit genommen ihre Kleidung gegen Schlafanzüge auszutauschen, die sie auf den Betten vorfanden und die interessanterweise perfekt passten.

Katrin öffnete ihre Augen wieder und sah sich um. Simone lag in dem anderen Bett und schnarchte leise vor sich hin.

Durch ein, mit einem Vorhang fast zugezogenes, Fenster drang etwas Licht und ermöglichte es Katrin so ihre Umgebung etwas in Augenschein zu nehmen.

Der Boden war mit einem flauschigen Teppich ausgelegt. Neben den zwei Betten gab es noch ein paar antik anmutende Möbel, eine Spiegel und zwei Bilder. Allerdings waren diese schon alt und vergilbt, so das man fast nichts mehr erkannte und nur noch Schatten erahnen konnte.

„Ist es gestattet einzutreten?“ erklang eine Stimme hinter der Tür. Simones schnarchen verstummte und müde Augen blickten zuerst zu Katrin und dann zur Tür. „Ja“, rief Katrin in Richtung Tür, die daraufhin geöffnet wurde.

Eine Frau trat ein. Sie hatte lange rote Haare die im Nacken von einer Spange zusammengehalten wurden. Ein hochgeschlossenes wasserblaues Oberteil mit eingearbeiteten Stickereien, eine einfache blaue Hose und dunkle Schuhe vervollständigten das Bild. Sie blickte die Beiden aufmerksam an. „Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen.“ Langsam kam sie näher und die beiden Kleiderbündel, sie sie bei sich trug, auf den Betten verteilte.

„Mein Name ist Aline. Solltet ihr Fragen haben, so seid so frei und stellt sie einfach. Ich werde versuchen sie zu beantworten, soweit es in meiner Macht liegt.“ Sie lächelte, während sie ihre behandschuhten Hände hinter dem Rücken zusammenlegte.

Simone angelte nach ihren Sachen und verschwand hinter einer dünnen Trennwand. Schnell wechselte sie die Klamotten und kehrte zum Bett zurück. „Where are we and what is your part here?“

Die Frau wartete jedoch mit einer Antwort bis auch Katrin ihre Kleidung gewechselt hatte und lächelte in dieser Zeit nur geheimnisvoll vor sich hin. „Die erste Frage kann ich leicht beantworten. Ihr befindet euch in der Digiwelt und was meine Aufgabe ist, nun“, sie machte eine kurze Pause: „ich kümmere mich um die Bewahrung der Geschichte. Des weiteren umfasst mein Aufgabengebiet auch die Betreuung von Anwärtern, bis ihre Zeit der Prüfungen gekommen ist.“ Wieder legte die Frau eine Pause ein während sie die fragenden Gesichter der Studenten musterte. „Die Anwärter sind solche Personen wie ihr, die aus der Menschenwelt ausgewählt wurden, um hier in der Digiwelt geprüft zu werden, ob sie das Zeug zu Beschützern beider Welten haben. Doch ihr seid nicht nur zum Zwecke der Prüfung hier, sondern auch, gesetz dem Fall, ihr würdet die Prüfungen bestehen, in einem gesonderten Verfahren einen Partner finden, der euch von diesem Zeitpunkt an stets begleitet und an eurer Seite stehen wird. Solltet ihr jedoch bei der Prüfung versagen, werdet ihr ohne Umschweife zur Erde zurückgebracht und alles vergessen, was ihr hier erlebt habt, einschließlich derjenigen die weiterkommen. So als hätten sie nie in eurem Leben existiert. Das mag zwar jetzt arg klingen, aber die Geschichte hat uns gelehrt, dass es nötig ist.“ - „ One second. A Test? ... a ally? Sorry, but this sounds a little bit strange for me ... You didn't even ask us, what we think about that and if we want it.“

Aline schüttelte den Kopf. „Man wird nicht gefragt. It is destiny ... um es mit deinen Worten auszudrücken. Natürlich sollt ihr zu nichts gezwungen werden aber es wäre besser ... im Interesse beide Welten. Seitdem vor 20 Jahren die Verbindung zwischen den Welten gerissen ist, hat sich vieles verändert, leider größtenteils zum schlechten. Das einst so friedliche Land wurde von Kriegen erschüttert und diese Welt versank im Chaos. Die wenigen Wächter, die es geschafft hatten, die Katastrophe halbwegs zu überstehen, sind von dem massiven Aufgebot der finsteren Mächte förmlich überrannt worden trotzdem gelang es ihnen einen halbwegs labilen Frieden wiederherzustellen, bevor sie von uns gingen.“ Alines Stimme war düsterer geworden, während sie redete und sie sah die Studentinnen auch nicht mehr direkt an. „Im Moment nähern sich die Welten wieder an, wobei allerdings einige Gruppen versuchen, dies zu verhindern. Sollte ihnen das gelingen wird uns die Apokalypse wie ein Kindergeburtstag vorkommen.“ Unbewusst hatte die Frau ihre Hände herabsinken lassen und ballte sie nun zu Fäusten, bevor sie sich ihrer Gäste bewusst wurde und hastig die Hände wieder hinter den Rücken brachte. „Bitte verzeiht meine Entgleisung, aber ich bin etwas aufgeregt. Immerhin seid ihr die ersten Menschen, seit über 20 Jahren, auf die ich treffe.“ Hastig versuchte Aline das Thema zu wechseln. „Wäre es möglich, nach den Prüfungen, etwas über die Erde zu erfahren? Was sich so in den letzten Jahren getan und verändert hat?“ Die Frau versuchte ein Lächeln, was gründlich mißlang. „Entschuldigt, aber ich muss jetzt noch einmal kurz weg, nach eurem Freund schauen. Sicherlich ist er auch schon aufgewacht und wundert sich nun, was hier vor sich geht. Ich bin in spätestens einer Stunde zurück.“ Sie deutete eine leichte Verbeugung an und verließ das Zimmer so schnell, dass weder Simone noch Katrin eine weitere Frage an sie richten konnten.

Schweigen senkte sich über den Raum und es dauerte, bevor Katrin sich leise räusperte. „Was hältst du davon?“ Sie ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder und sah zu Simone auf, die das Gesicht verkniff. „Irgendwie fühle ich mich grade 'leicht' überfahren“, versuchte sie ihre Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen.“ - „Destiny“, unterbrach Simone sie, während sie ihren Kopf senkte. „Dieses Wort benutzte mein Vater häufig. Es sei meine Bestimmung in seine Fußsstapfen zu treten. Dabei wollte ich nie zum Militär. Das ist unter Anderem auch ein Grund, warum ich nach Deutschland kam. Hier kann er mich nicht erreichen. Doch jetzt heißt es schon wieder, es sei meine Bestimmung ...“ Simone seufzte schwer. „Warum meinen eigentlich immer Andere zu wissen, was genau das richtige für meine Zukunft wäre?“

Katrin erhob sich und trat zu Simone, um ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. „Wenn ich ehrlich bin muss ich auch sagen, dass ich nicht sonderlich begeistert über unsere derzeitige Situation bin. Bedenke mal, wie wir hierher kamen und was seitdem alles passiert ist. Ich weiß es nicht, wie es dir geht, aber ich wäre dafür, dass wir versuchen sollten, etwas mehr über diese Welt zu erfahren, bevor wir uns ein Urteil bilden und vielleicht finden wir ja auch eine Weg nach Hause zurück zu kehren. Meinte Aline nicht, das sie Bewahrerin der Geschichte wäre... Klingt für mich nach einer Archivarin. Dann sollte es doch auch sicherlich irgendwo die besagten Aufzeichnungen zu finden geben.“ Katrin blickte Simone an. „Bist du dabei?“

Leise und behutsam wurde die Tür geöffnet und Katrin schob ihren Kopf hinaus. Erst sah sie nach links und rechts, ob die Luft rein war, dann trat sie hinaus.

Der Boden war aus Marmor und ihre Schritte hallten an den hohen, rotgestrichenen Wänden wieder, die sich links und rechts des breiten Ganges befanden. Hier konnten bequem 6-7 Leute nebeneinander herlaufen, ohne das es zu Platzproblemen kommen würde. Hin und wieder zweigten Türen von dem Gang ab, doch als Katrin einen Blick riskierte fand sie nur einen Raum vor der ihrem Schlafzimmer bis ins kleinste Detail ähnelte, nur dass die Betten hier noch unbenutzt waren.

Früher hatten an den Wänden wohl auch Bilder gehangen, soviel verrieten Rahmenschatten aber jetzt waren sie verschwunden. Von der Decke strahlte gleichmäßiges Licht auf sie herab und verscheuchte jegliche Schatten.

„Scary“, murmelte Simone und Katrin nickte. Alles wirkte so leer und verlassen.

Schließlich hörten sie Stimmen, folgten diese und landeten in dem Zimmer, in dem sich Hermann befand. Aline wirkte ein wenig überrascht über das plötzliche Auftauchen der Studentinnen. „Kommt rein und schließt die Tür.“ Die Frau schien sich beruhigt zu haben.

„Morgen ihr Beiden, na wie geht’s?“ rief Hermann ihnen hinüber. Er räkelte sich halb auf dem Bett und sah zu den Studentinnen hinüber. „Sagt mal, ist das nicht krass?“ Er verbarg seine Begeisterung überhaupt nicht und die Mädchen fragten sich, was Aline ihm wohl erzählt haben mochte, was ihn so in Verzückung versetzte.

„Wenn ihr jetzt schon alle zusammen seid, wie wäre eine kleine Führung durch das Gebäude.“

##

Der Angriff erfolgte vollkommen überraschend und von hinten. Quinn und Paul hatten sich grade niedergelassen um zu rasten und einige Äpfel zu verzehren, die irgendwie nicht wirklich nach etwas schmeckten, als sie attackiert wurden. Paul meinte noch, dass sie eigentlich das Essen als solches hier nicht bräuchten, aber es helfe verlorene Energien wieder schneller zu regenerieren. Der Forscher verglich es mit einer Aktion aus einem Videospiel, wo der Held Dinge zu sich nahm um HP oder MP (Lebenspunkte oder Magiepunkte) zu regenerieren. Unwillkürlich musste Quinn an Simone denken und verzog das Gesicht, das war doch ihr Bereich, weniger der seine. Er hatte es nun mal nicht mit solchem Zeug.

Die erste Attacke riß Clockmon von den Füßen, die zweite verfehlte die beiden Menschen nur knapp, weil Paul den Studenten zur Seite stieß. Etwas zischte knapp an Quinns Kopf vorbei und verwandelte den restlichen Apfelbatzen aus seiner Hand in Datenmüll.

„In Deckung, los“, zischte Paul Quinn zu, während er sich aufrappelte und zu Clockmon rannte, welcher sich grade wieder auf die Beine zurück kämpfte und nach den Gegnern Ausschau hielt.

Zwei geflügelte Gestalten standen auf einer kleinen Anhöhe. 'Batman für Arme', dachte Quinn sich, als er das Zeichen auf ihrer Brust sah, doch leider beschlich ihn die Vorahnung das sie nicht so schwach sein würden. Dazu gesellten sich wieder einige dieser Gazimon. „Menschen wie ihr gehört nicht hierher. Bereitet euch auf euer Ende vor.“ Unheilvoll begann es in den Händen der großen Monster zu glimmen.

„Devimon. Ist mir egal was du jetzt meinst aber die sind 'ne ganze Nummer zu stark. Wenn ich dir das Zeichen gebe rennst du weg. So schnell wie du kannst. Immer nach Westen. Dein Digivice wird dich leiten und wenn dich später Justiciamon fragt, lehne ihr Angebot ab, denn du würdest das Abenteuer deines Lebens verpassen.“ Paul spannte sich sichtlich an. Er biß sich auf die Lippe.

„Aber...“ setzte Quinn an. „Nichts aber“, schnitt Paul ihm barsch das Wort ab. „Los jetzt. Lauf!“ Die Luft um den Forscher herum begann wieder zu flackern und die Gegner gingen sofort zum Angriff über.

Um Quinn herum erbebte die Erde als an mehreren Stellen Angriffe einschlugen. Der Junge rannte los, geriet ins Straucheln, fiel mehrere Male fast hin, schaffte es grade noch so, sich auf den Beinen zu halten und rannte weiter. Die Zeit schien sich mit einem Mal in Slowmotion zu bewegen, er leider auch. Etwas schlug hinter Quinn ein, schleuderte den Jungen in die Höhe. Mit einem Schrei riß er die Arme hoch, um seinen Kopf zu schützen. Nur für einen Moment sah er noch das Loch auf sich zukommen, dann wurde es auch schon finster. Mehrmals überschlug der Student sich, stieß gegen Wände und wurde ohnmächtig, als sein Kopf auf etwas Festes traf.
 

Sand rieselte herab, kam in Quinns Nase und ließ den Studenten niesen. Er stöhnte. Für einen Moment blieb er erstarrt liegen, wartete darauf, dass der hämmernde Kopfschmerz etwas abflaute und lauschte seinem rasenden Herzschlag. Wie lange er wohl ohnmächtig gewesen war, vermochte Quinn nicht zu sagen, aber es konnte nicht lange gewesen sein. Jedenfalls tat ihm jeder Knochen weh.

Noch immer dröhnten aus der Ferne Kampfeslärm heran und hin und wieder erzitterte die Erde, entließ neuen Sandstaub in die Freiheit. Stöhnend öffnete er die Augen. Bis auf ein kleines Stückchen, das erleuchtet wurde, herrschte hier überall Finsternis. Wie es Paul nur ging? Quinn zweifelte, dass er es in seiner derzeitigen Verfassung rechtzeitig zu dem Forscher gelangen konnte, von dem Verlassen des Loches mal ganz abgesehen.Und wie wollte er ihm helfen? Das bisschen, was er bisher zustande gebracht hatte ... damit kam er bestimmt nicht weit. Ein Schwert... er verstand ja noch nicht mal ein Bruchteil von dem, was Paul über all das hier von sich gegeben hatte.

„Willst du jetzt noch ewig hier herumliegen, Trübsal blasen und warten das sie dich entweder holen, hier lebendig begraben, oder mit mir kommen?“ Quinn horchte auf. Er kannte diese Stimme.

In den schmalen Lichtkreis trat eine Gestalt, die er nur zu gut kennen gelernt hatte. Doch diesmal schien sie nicht mehr so angriffslustig. Stattdessen baute es sich auf seinen Hinterläufen vor Quinn auf. Eine frische Narbe zeigte sich über seinem rechten Auge, die noch nicht vollständig wieder verheilt war.

„Gazimon“, murmelte Quinn leise und benommen. „Ui, der werte Herr erinnert sich an meinen Namen. Ich fühle mich geehrt und jetzt komm endlich. Schlafen kannst du woanders.“ Ironie troff in der Stimme des Wesens mit während es näher trat und Quinn immer wieder leicht in die Seite stieß, bis dieser sich mit einem widerwilligen Murren erhob.

„Warum greifst du mich eigentlich nicht nicht an, sondern hilfst mir?“ Der Junge war verwirrt. „Unsere letzte Unterhaltung wurde doch so ruppig unterbrochen und ich hasse es, wenn ich eine Sache nicht zu ende bringen kann. Außerdem war ausgemacht, dass ich mich deiner annehme, nicht jemand anderes.“ Gazimons Grinsen wurde breiter und Quinn immer mulmiger. „Und jetzt los, da lang.“ Gazimon deutete in eine bestimmte Richtung und stupste Quinn wieder in die Seite. „Gehst du bald, oder muss ich dir Beine machen?“

Nur widerwillig folgte Quinn der Anweisung und schloss kurz die Augen. Er versuchte eine Taschenlampe zu visualisieren und war eigentlich ziemlich überrascht, als es ihm gelang. „Oh, der Mensch hat ein Kunststück gelernt“, kommentierte Gazimon das Ergebnis. Wenigstens sah Quinn nun, wohin er seinen Schritt setzte und wo sein Führer lang lief.
 

Sie waren schon eine ganze Weile unterwegs, als Quinn wagte einige Worte an Gazimon zu richten. “Warum hast du es nicht eben grade getan, wo du die Chance dazu hattest?“ - „Ich habe meine Gründe und jetzt still, die Anderen sind uns sicher schon auf den Fersen und du brauchst sie nicht mit deinem Echo zu uns zu führen.“ Quinn biß sich auf die Lippe. Ihm war nicht entgangen dass sich Gazimon verändert hatte, seitdem sie sich das erste Mal getroffen hatten.

Nur mit Mühe verkniff er sich weitere Fragen, während er durch die Dunkelheit geführt wurde. „Kopf runter.“ - „Was?“ Im nächsten Moment knallte etwas Hartes gegen Quinns Stirn und ließ ihn schmerzgepeinigt aufheulen. „Ssst, sei gefälligst still.“ Die Stimme des Wesens klang genervt und als Quinn den Strahl der Taschenlampe in die Höhe führte, sah er dass er gegen die Spitze eines herabhängenden Stück Felsens gestoßen war. Er fluchte im Geiste. Hatte er sich zu sehr auf den schmalen Radius des Lichtes verlassen und seine Wachsamkeit für die Dunkelheit vernachlässigt.

Etwas lief seine Stirn herab, als er darüber fuhr und die Finger ins Licht der Lampe verbrachte, erblickte er Blut. Quinn stöhnte wieder. „Noch ein Wort und ich überlege mir wirklich, ob ich dich nicht gleich hier erledige“, drohte Gazimon mit zischender Stimme. Der Student verdrehte im Geiste die Augen und wurde wenige Augenblicke später von Gazimon an der Hose ergriffen und weitergezogen.

Alles war verlassen und egal wohin Quinn nun den Schein seiner Lampe lenkte, es gab nichts, was jemanden veranlassen würde mal hierher zu kommen. Eines wurde Quinn immer klarer. Das hier unter ein echt verlassener Ort, wenn er hier sterben würde, würde man ihn wahrscheinlich niemals finden. Doch Quinn kam nicht dazu diese Gedanken weiterzuspinnen, denn im nächsten Moment wurde er von einem hellen Licht geblendet.

Als sich seine Augen etwas daran gewöhnt hatten, ließ er die Taschenlampe verschwinden, denn nun war sie unbrauchbar. Das Licht, welches von der Lokomotive eines Zuges ausging, der genau vor ihnen stand, sorgte für genügend Helligkeit. Quinn stockte der Atem, doch Gazimon ließ ihm nicht die Zeit sich wieder zu fangen, sondern stieß den Studenten in einen der Waggons hinein. „Rein mit dir.“ Er sprang hinterher.

Kaum, dass Quinn auf einem der langen Sitzreihen Platz genommen hatte, setzte der Zug sich schon in Bewegung. „Nächster Halt: Justiciamons Palast“, verkündete eine unsichtbare Stimme. Überrascht sah der Student sich um. „Das ist ein Trailmon, in dem wir Sitzen. Angler, um Genau zu sein“, verkündete Gazimon bevor er gähnte, und sich vor dem Jungen auf dem Boden zusammenrollte. Kurz darauf verrieten langsame und gleichmäßig Atemzüge, dass er eingeschlafen war.

Quinn seufzte wieder. Nur zu gerne hätte er gewusst, woher dieser Zug auf einmal gekommen war und weshalb er wußte, wohin sie wollten. Doch außer dem schlafenden Gazimon war weit und breit kleine Seele zu erblicken, den er hätte fragen können. Irgendwie widerstrebte es ihm das Wesen vor sich aus diesem Grund zu wecken.

Vorsichtig tastete Quinn nach seiner Kopfwunde. Irgendwie hatte er in der letzten Zeit ein Talent entwickelt immer wieder auf die gleiche Stelle zu fallen.

Schweigend starrte er aus einem der Fenster hinaus, nur leider gab es dort nicht viel zu sehen. Alles war schwarz was sich hinter der Scheibe befand. Aber durch die Reflektion des Glases blickte dem Studenten ein total verdrecktes und ramponiertes Spiegelbild entgegen. Etwas oberhalb seines linken Auges deutete sich eine ziemliche Beule mit einer kleinen Platzwunde an. Ein getrockneter Blutfaden zog sich bis zum Hemdkragen hinab, wo es den Stoff eingefärbt hatte. Alles in Allem, fand Quinn, sah er eigentlich schlechter aus, als er sich eigentlich fühlte. Die Schmerzen hielten sich so ziemlich in Grenzen für den Absturz, den er durchgemacht hatte. Nachdenklich strich er sich über die Stirn. Dabei löste sich etwas Schorf.

„Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du versuchen würdest, meine Sitze nicht mit Blut zu beschmieren. Es lässt sich nur so schlecht wieder entfernen.“ Quinn zuckte sichtlich zusammen, als wieder die körperlose Stimme des Trailmons durch den Waggon klang. „Im vorderen Abschnitt habe ich eine Wascheinheit, wenn du dich etwas säubern möchtest.“

Nur zu gern nahm Quinn das Angebot an und drückte sich vorsichtig an Gazimon vorbei um den besagten Bereich aufzusuchen. Irgendwann war ein Punkt erreicht an dem man sich aufhörte zu wundern. Bei Quinn war es nun soweit.
 

Nachdem er sich mehrmals den Kopf gewaschen hatte, auch mit dem dankbaren Hintergedanken das sich langsam mal wieder etwas im normalen Rahmen bewegte, blickte er sich selbst im Spiegel an und verzog das Gesicht. Das Wasser im Becken war nun fast vollständig schwarz, aber er fühlte sich wieder um einiges besser.

Die Platzwunde war kaum noch zu sehen. Quinn war erstaunt. Bald würde sie nur noch eine schlechte Erinnerung sein.

Nur seine Kleidung zeugte noch von den Spuren dessen, was er die letzten Stunden er- und überlebt hatte. Hier gab es keine Möglichkeit sie zu säubern. Das würde also wohl noch eine Weile warten müssen.

Quinn zog den Stöpsel aus dem Becken und verließ den kleinen Badbereich. Dass seine Haare noch klatschnass waren interessierten ihn nicht sonderlich. Schließlich befanden sie sich in einem geschlossenen Waggon, keine Temperaturen wo man Angst haben musste, sich einen Zug zu holen. 'Blöder Wortwitz', tadelte Quinn seine Gedanken.

Gazimon schlief immer noch als Quinn seinen Platz wieder einnahm. Es schien nicht so, als hätte es seine Abwesenheit bemerkt.

Die Landschaft außerhalb der Fenster war immer noch schwarz.

Der gleichmäßige rattende Takt der Achsen und die aufkommende Müdigkeit, jetzt wo das Adrenalin nachließ zogen Quinn langsam ins Reich der Träume. Er sank zur Seite, bis er vollständig mit Kopf und Oberkörper auf dem langen Sitz lag.

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„Halte dich an unsere Vereinbarung und dein Partner wird die beste medizinische Versorgung erhalten, die wir bieten können.“ - „Ich verstehe, und gehorche, doch versucht ja nicht mich hereinzulegen.“ - „Warum sollten wir?“ Der Wolf knurrte und ließ sich neben dem Jungen nieder um die Augen zu schließen. Er traute ihnen nicht, aber was blieb ihm im Moment für eine Wahl?

Vergangenheit

Der Raum, in den Aline die Drei führte, verdiente durchaus den Titel riesig. Allein bis zur Decke mochten es fast 15 Meter sein. Regale säumten die Wände, erstreckten sich teilweise auch etwas in den Raum hinein und waren so gefertigt, dass sie einen kreisrunden, etwa 5 Meter breiten Bereich frei ließen, in dem mehrere Pulte aufgestellt waren.

Doch in den Regalen befanden sich keine Bücher sondern bläulich schimmernde Blöcke, die ungefähr die Form eines Buches nachahmten, aber damit auch schon alle Gemeinsamkeiten aufgaben. Das blaue Leuchten setzte sich durch den ganzen Raum fort, was die einzige Lichtquelle darstellte und verpasstem ihm so eine ganze eigene, wässrige, Atmosphäre.

Zögerlich trat Hermann an eines der Regale und zog einen der Blöcke heraus, nur um ihn dann etwas ratlos in der Hand zu halten. Das Material fühlte sich seltsam an, kribbelte etwas auf der Haut und egal, wie man das Ding drehte und wendete, es gab nirgendwo einen Hinweis wo oder wie man es öffnen konnte.

„Was ist das?“ fragte er schließlich so laut, dass Aline und die Anderen sich zu ihm umdrehte. Aline lächelte wieder. „Das, was du da grade in Händen hältst ist ein Baustein der Geschichte der Digiwelt. Bitte bring es her, damit auch die Anderen etwas sehen können.“ Hermann wog das Ding in der Hand und schritt langsam zu ihnen hinüber, um es Aline schließlich in die Hand zu drücken. Diese nahm ihm den Block ab und platzierte ihn auf einem der Pulte.

Plötzlich schien der Block seine Festigkeit zu verlieren. Teile von ihm lösten sich von ihm ab und manifestierten sich einige Zentimeter über dem Pult zu Buchstaben und Zahlen die scheinbar im Nichts schwebten.

„Wüsste ich es nicht besser, würde ich es als eine, durch sehr fortschrittliche, Laser kreierte Holografie beschreiben“, sagte Hermann leise, während er langsam um das Pult herum schritt, wobei er auch den Anderen ausweichen musste, und sich die Sache von allen Seiten anblickte. Dann zuckte er mit den Schultern, da er im Moment keine, ihm plausible, Lösung fand. Vielleicht bot sich ja zu einem späteren Zeitpunkt eine Gelegenheit.

Aline hatte unterdessen den Index studiert, der ihr dargeboten wurde und hob eine Hand um eine bestimmte Stelle zu berühren. Die Buchstaben und Zahlen schnurrten zu einem Punkt zusammen und als sie sich wieder entfalteten waren es Bilder. Viele Bilder – in einer sehr komplexen Szenerie.

Was die Studenten sahen, löste unterschiedliche Reaktionen in ihnen aus. Am weitesten verbreitete war jedoch die Überraschung.

Eine, nicht zu verachtend große, Gruppe von Menschen hatte sich vor der Freiheitsstatue versammelt und grinsten in Richtung desjenigen, der dieses Bild erstellt hatte. Sie schienen allesamt mächtig gute Laune zu haben. Doch das alleine machte das Bild nicht sonderlich ungewöhnlich. Eher waren es die vielen unterschiedlichen Wesen die sich zusammen mit den Menschen auf dem Bild befanden und stellenweise am herumtollen waren.

Doch bevor die Studenten es sich genauer ansehen konnten, strich Aline nach unten durch die Abbildung hindurch und der Block kehrte in seinen Urzustand zurück. „Das Bild, welches ihr grade gesehen habt ist über 20 Jahre alt und ich denke die Statue dürfte jedem von euch bekannt sein.“

Aline griff nach dem Block und brachte ihn an seinen Platz zurück um ihn gegen einen anderen auszutauschen. „Es ist das letzte Bild, welches aufgenommen wurde, bevor die große Katastrophe in Russland passierte und die Zukunft beider Welten dramatisch veränderte.“

Diesmal löste sich der Block vollends auf und teilte sich in zwei Ebenen. Es waren ganze Bilderserien, die nun sichtbar wurden. Eines fiel sofort ins Auge, es zeigte einen zerstörten Atomreaktor. Doch in derselben Gruppe gab es noch weitere Bilder, die eindeutig aus ihrer Welt stammten, aber bisher keinem der Studenten bekannt vorkamen.

Eine Anlage, ähnlich der in der Schweiz, nur viel primitiver und schmaler war zu sehen. Selbst für einen Laien war zu erkennen, dass man sich rein auf das Kernstück konzentriert und kaum Sicherheitsmaßnahmen eingebaut hatte. „Ein Teilchenbeschleuniger...“ Aline musterte die Bilder mit versteinerter Miene. „Was auch immer sie damals versuchten, es ging gehörig nach hinten los.“ Sie deutete auf Bilder die ihnen gegenüber lagen. „Das passierte zeitgleich in dieser Welt. Es gibt auch Video- und Audiofiles, aber das erspare ich euch lieber. Seid euch nur eines gewiss, in diesen Tagen starben nicht nur unschuldige Menschen.“ Aline biß sich auf die Lippe und ließ die schrecklichen Bilder mit einer schnellen Handbewegung wieder verschwinden.

Es herrschte für einige Zeit schweigen, bis Katrin das Wort ergriff. „Die Personen auf dem ersten Bild...“ - „Sind alle tot“, schnitt Aline ihr mit schmerzlicher Stimme das Wort ab. „Gestorben an einem einzigen Tag, ebenso wie ihre Partner. So erging es jedem Digimon, dass sich zu dieser Zeit auf der Erde befand. Der Schock, als die Gefüge beider Welten zerrissen wurden war unbeschreiblich. Doch auch für diejenigen, die sich zu dem Zeitpunkt hier aufhielten sah es nicht besser aus. Sie waren dem Puls, der ausgelöst wurde, zwar nicht so direkt ausgesetzt, aber es reichte. Nun zeigte sich, dass die Verbindung die zwischen einem Menschen und einem Digimon eingegangen wird ein Segen, aber auch ein Fluch sein konnte. Denn diese Verbindung hatte auch diese Menschen anfällig für den Puls gemacht und raffte auf der Erde beide dahin, hier störte es die Abstimmung.“ Aline hielt kurz inne. „Viele der Virus-Digimon erhoben sich und nutzten die Zeit der Verwirrung um einen Umsturz zu wagen. Durch den Schock, der beide Welten zu diesem Zeitpunkt getrennt hatte, traumatisiert bemerkte man dieses Aufbegehren zu spät. Die Menschen hier hatte es zwar nicht so schlimm erwischt, aber sie waren nicht mehr in der Lage mit ihren Partnern richtig zusammen zu arbeiten und waren deshalb leichte Beute. Erst fielen die Digimon, unfähig ihre Partner zu schützen und dann die Menschen.“ Aline seufzte.

„Digimon werden zwar in der Stadt des ewigen Anfangs wiedergeboren, aber die Menschen ...“ Sie schüttelte den Kopf, zuckte kurz mit den Schultern und führte den Satz nicht zu ende. „Vielleicht hat es manchmal auch sein gutes, dass Digimon, die Wiedergeboren werden, sich nicht mehr an ihr früheres Leben erinnern können.“ - „Aber, was ist mit dir?“ Aline senkte den Kopf, die Hände zu Fäusten geballt. „Ich überlebte einen heimtückischen Angriff, mehr Tod als Lebendig. Mein Partner starb beim Versuch mich zu beschützen. Später zog man mich unter der Leiche einer Frau hervor und pflegte mich gesund.“ Langsam ließ Aline die behandschuhten Hände an den Kragen ihres Oberteils wandern und knüpfte es ein Stück weit auf. Darunter kam eine lange, hässliche Narbe zum Vorschein. „Normalerweise heilen hier Wunden schnell und Rückstandsfrei ab, aber diese Narbe begleitet mich nun schon seit 20 Jahren und wird es wohl auch für den Rest meines Lebens tun. Eine Mahnung für das, was damals passierte.“ Für diesen einen Moment war sichtbar geworden, dass sie nichts mehr trug, was an eine Partnerschaft erinnerte. Denn die Narbe verlief genau an dieser Stelle, wo bei den Anderen der Anhänger der Kette befestigt war. Aline blickte jeden der Studenten eindringlich an, während sie ihr Oberteil wieder schloss.

Die Gesichter der Jugendlichen waren sichtbar bleich geworden. Das war grade ziemlich harter Tobak gewesen, den man ihnen servierte. „Kommt mit,“ Aline deutete ihnen an, das sie ihr folgen sollten. Sie versteckte ihren Kummer hinter einer aufgesetzten Maske.

„Nach dem Unfall – Sabotage wird es hier mittlerweile genannt – riss das Gefüge zwischen unseren Welten. Die ersten Jahre bestand kein Kontakt zwischen ihnen. Doch ganz ohne Kontakt zur realen Welt geht es hier über längere Zeit nicht wirklich. Mit der Zeit kam es zu einer art Stagnation in der Entwicklung und es begann sogar ein leichter Rückschritt, was wohl auch durch das heillose wüten der Viren begünstigt wurde. Doch es gab etwas das dieser Welt nun fehlte, da der Kontakt nicht mehr bestand. Als dies erkannt wurde, war es fast schon zu spät. Nach und nach kam der Kampf zum erliegen und man suchte nach einer Möglichkeit wieder die Verbindung herzustellen. Interessanterweise erwies sich das, was ihr als Internet kennt als sehr hilfreich. Die ganze Welt durchlief eine art Wandel, um überleben zu können. Vielleicht war das auch ein Grund, weshalb langsam wieder eine Annäherung stattfindet. Jetzt gelang es auch einige Nachforschungen anzustellen und es war erschreckend festzustellen, was in der Zeit in der realen Welt passiert ist. Jetzt mussten wir erkennen, dass dort alles vergessen wurde was damals gewesen war. Wie und warum, darüber konnten wir uns bis vor kurzem keinen Reim machen.

Eher zufällig stieß man auf alte Aufzeichnungsfragmente und fügte diese im Internet zu einem Bild zusammen und wir standen vor einem neuen Problem. Russland und das Vergessen waren geplante Aktionen.

Doch irgendjemand wurde auf unsere Recherchen aufmerksam und sie fanden heraus, dass ihre Aktion wohl doch nicht ganz erfolgreich war.“ Sie seufzte. „Nur, wenn sie diese Sache, wie sie sie jetzt planen durchziehen, um diesmal wirklich ihr Ziel zu erreichen, zerstören sie nicht nur diese sondern auch ihre Welt. Aber das scheinen, oder wollen sie nicht sehen.“ Sie wirkte mehr als bekümmert. „Aber vielleicht brauchen sie es gar nicht mehr soweit kommen zu lassen und wir sind schneller. Wie ihr sicherlich bemerkt habt, ist es einigen extrem-starken Digimon gelungen Portale zu erschaffen, wodurch man in die Reale Welt gelangen kann. Zwar sind die Digimon, die im Moment diese Möglichkeit der Passage nutzen noch phasenverschoben, aber es schädigt das labile Gleichgewicht immer weiter. Wenn zu viele wechseln dann ...“ Sie vollendete den Satz wieder nicht. „Deshalb ist es ja auch so dringend, dass das alte System wieder aufgebaut wird, dass vor dem Russland-Vorfall existierte. Nicht nur zur Kontrolle, sondern auch zur Bewahrung der Welten.“ Aline blickte zu den Studenten auf und lächelte sie hoffnungsvoll an. „Ich hoffe ich habe euch jetzt nicht mit der Geschichte allen Mut genommen. Justiciamon wird euch eh noch vor die Wahl stellen. Es soll niemand zu etwas gezwungen werden.“ Aline schloss kurz die Augen. „Entschuldigt, dass ich euch so überfahre, aber ihr solltet Bescheid wissen und nicht im Dunkeln tappen, wenn ihr vor die Wahl gestellt werdet.“

Wieder folgte Schweigen doch diesmal wurde es nicht von einem der Anwesenden unterbrochen, sondern von scheppernden Schritten die rasch näher kamen. Die Augen richteten sich auf den Gang, durch den sie diesen Raum betreten hatten.

Eine laufende Ritterrüstung mit beachtlichem Schild auf dem Rücken und fremdartigen Insignien auf dem Brustpanzer betrat den Raum und strebte zielsicher auf Aline zu. „Was gibt es Knightmon?“

Der Ritter sagte etwas zu ihrer Führerin, jedoch so leise, dass es keiner der Studenten zu verstehen vermochte. „Ist gut. Haltet euch in Bereitschaft, wir kommen gleich nach.“ Sie nickte die Botschaft ab und der Ritter verschwand schneller wieder aus dem Raum, als man es ihm in seiner Rüstung zutrauen konnte.

„So, lassen wir die Geister der Vergangenheit für den Moment ruhen und widmen uns lieber Dingen in der jetzigen Zeit. Wenn ihr mir bitte folgen wollt. Wir müssen zum Trailmon-Bahnhof, denn es wird ein weiterer Gast erwartet.“ - „Quinn,“ entfuhr es Simone. Doch Aline zuckte nur mit den Schultern. „Unser Gast hat eine anstrengende Reise gehabt, um hierher zu gelangen. Im Moment soll er noch schlafen. Wollen wir einmal hoffen, dass er wach ist, wenn wir ihn begrüßen. Ihr wollt doch mitkommen, oder?“

Was für eine Frage. Allein die Möglichkeit, dass es sich um den Verschollen geglaubten handeln könnte, ließ Katrin und Simone die Geschwindigkeit vorgeben in der sie sich zum besagten Bahnhof bewegten.

Hermann warf einen bedauernden Blick in den Raum zurück. Nur zu gerne hätte er hier noch etwas länger veweilt und sich die Sachen näher angesehen. Hoffentlich ergab sich später noch eine Gelegenheit.

Ihm entging der Blick völlig, den Aline ihm zuwarf.

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„Wir verabreichen ihm einige Psychopharmaka, darunter auch ein Antidepressivum das dürfte reichen, um seinen Zustand wieder für den Moment zu normalisieren und ein paar weitere Tabletten um die Nebenwirkungen abzudämpfen.“ Der Wolf knurrte erneut und musterte den Mann im Arztkittel vor ihm. Wenn er ihm wenigstens in die Augen sehen könnte, doch dieses seltsame Ding davor, mit dem er den Wolf sehen konnte, hinderte ihn daran. „Versucht mich nicht zu hintergehen.“ - „Wie kann man nur so misstrauisch sein, oder möchtest du, dass er weiter leidet? Wir können es auch bleiben lassen.“ Der Wolf warf einen wehleidigen Blick auf den Jungen, der immer noch schlief. „Natürlich will ich das nicht. Leif soll wieder gesund werden.“

Die Verhandlung

Kettengerassel riss Quinn aus seinem Schlaf. Für einen Moment war er noch zu benommen um zu realisieren, was um ihn herum vor sich ging. Doch dann merkte er, dass der Zug stand und öffnete die Augen.

Noch im Halbschlaf schüttelte er den Kopf und versuchte die letzten Traumfetzen loszuwerden. Es war irgendwelcher Unsinn aus seiner Kindheit gewesen, doch er kümmerte sich nicht weiter darum, wenn man sich an jeden Traum erinnern würde, hätte man wohl nach kurzer Zeit den Verstand verloren.

Stattdessen war es für ihn eher interessanter zu erfahren, woher das Kettenrasseln und -schleifen kam, welches er nun zum wiederholten Male hörte. Er blinzelte und sah sich suchend um.

Gazimon war nicht mehr an seinem Platz. Stattdessen standen zwei große Rüstungen an genau dieser Stelle. Sie drehten Quinn den Rücken zu und waren mit etwas anderem beschäftigt, was der Student nicht erblicken konnte. Gähnend streckte er sich noch einmal und stand langsam auf, jedenfalls lebte er noch, dann waren sie ihm wohl nicht feindlich gesonnen. „Morgen?“

Die Rüstungen fuhren herum und kurz erhaschte Quinn einen Blick auf die Ursache des Kettengerassels. Quinn stockte kurz der Atem und er spürte Ärger in sich aufsteigen. „Was hat das zu bedeuten? Warum liegt Gazimon in Ketten?“ - „Viren dürfen sich in diesem Bereich nicht frei bewegen“, war die Antwort einer der Rüstungsträger. Doch Quinn hörte schon nicht mehr zu, sondern quetschte sich zwischen ihnen hindurch. „Wer hat das angeordnet?“ Erst jetzt fiel ihm auf, dass Gazimon am Boden kniete, den Blick gesenkt hatte und sich vollkommen still verhielt. Seine Hände waren nahe zusammengebunden und die Kette ließ ihm an den Beinen auch nur den nötigsten Spielraum zum Laufen. „Justiciamon. Wenn du damit ein Problem hast, dann wende dich an sie.“

Die Augen zusammengekniffen, wollte Quinn schon was erwidern, doch da griff Gazimon an sein Bein, zog daran, um die Aufmerksamkeit des Studenten zu erregen und schüttelte dann Wortlos den Kopf. Er schien seinen Kampfgeist vollkommen eingebüßt zu haben. Quinn fragte sich, was geschehen war, während er geschlafen hatte. Aber wie er nun so da kniete, gelegt in Eisen, den anderen vollkommen ausgeliefert, regte sich Mitleid bei dem Studenten. Zwar versuchte er sich wieder einzureden, wie die erste Begegnung gewesen war, doch mittlerweile hatten diese Erinnerungen an Schrecken eingebüßt, grade auch nachdem, was danach alles passiert war.

„Und was geschieht nun?“ Quinn waren die Blicke der beiden Ritter durchaus nicht entgangen mit denen sie die Beiden die ganze Zeit gemustert hatten und die sie sich nun auch gegenseitig, schweigend, kurz zuwarfen. „Wenn wir hier nicht erwünscht sind, dann sagt es gleich und ich nehme Gazimon und wir verschwinden. Ich möchte mich nirgendwo aufdrängen, wo ich nicht willkommen bin und ich denke Gazimon denkt genauso.“ - „Quinn!!“ Simones Stimme hallte durch den Waggon und ersparte den Rüstungen so für den Moment eine Antwort.

Simone kam in Windeseile durch das Großabteil geeilt und drückte den Studenten an sich, noch bevor dieser überhaupt reagieren konnte. „Thank God, that you are alive.“ Sie drückte Quinn so fest, dass ihm nicht nur sprichwörtlich die Luft weg blieb.

„Hilfe ... du erdrückst mich noch ...“ röchelte Quinn, während er versuchte, sich mit sanfter Gewalt aus dem Griff zu befreien.

Mittlerweile waren auch die Anderen heran. Erleichterung zeichnete sich mehr als deutlich in ihren Gesichtern ab doch die Blicke schweiften immer wieder zwischen ihm und Gazimon hin und her. „Quinn wie geht’s dir, und wer ist das?“ - „Wird schon passen,“ murmelte er leise.“ Das ist übrigens Gazimon." Vorerst verzichtete der Student auf weitere Erklärungen. Sein Blick war an derjenigen hängen geblieben, die, zusammen mit seinen Studi-Kollegen den Wagen betreten hatte.

„Das ist Aline. So etwas wie eine Bibliothekarin wohl“, flüsterte ihm Simone ins Ohr.

Das konnte bedeuten, dass sie hier vielleicht etwas zu sagen hatte? Quinn schöpfte wieder neue Hoffnung und wandte sich nun an Aline. „Entschuldige meine Frage, aber kannst du nicht vielleicht dafür sorgen, dass man Gazimon die Ketten abnimmt. Er ist doch ganz zahm...“ weiter kam Quinn nicht, als ihm Gazimon einen leichten Schlag in den Rücken verpasste und ihm so den Rest des Satzes vermasselte. Es war nicht schmerzhaft gewesen, nur ablenkend. „Nimm mir nicht auch noch meinen letzten Rest von Stolz“, zischte Gazimon ihm zu. „Ich bin alles, nur nicht harmlos“, verkündete er deshalb lautstark, erhob sich und sah die Rüstungen herausfordernd an. Für einen Moment sah es danach aus, dass die Stimmung kippen würde, doch dann ... die Rüstungen begannen schallend zu lachen. Gazimon knurrte, doch diesmal legte Quinn dem Digimon eine Hand auf die Schulter.

Die Blicke die sich die Ritter wieder zuwarfen sprachen Bände.

Aline hatte den Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst. „Ich glaube, ich gehe Justiciamon holen, das erscheint mir im Moment wohl das Vernünftigste“, mischte sie sich schließlich in die Szene ein. „Bis dahin möchte ich darum bitten, dass keine übereilten Aktionen gestartet werden.“ Sie nickte den Anwesenden kurz zu, drehte sich um und verließ das Trailmon.

Doch kaum, nachdem sie verschwunden war, mischte sich nun aber besagtes Trailmon ein. „Wärt ihr wohl bitte so höflich und würdet eure Probleme draußen klären? Ich habe noch eine weite Strecke vor mir und keine Lust hier noch länger aufgehalten zu werden.“

Die Ritter schienen der Bitte des Trailmon folge leisten zu wollen, denn einer beugte sich etwas vor, um nach Gazimons, eh schon kurzer Kette zu greifen, und ihn daran hoch zu heben, dass er mehr oder Minder herab hing ohne selbst noch Kontakt zum Boden zu haben. „Hey“, beschwerte es sich, „nicht so grob.“ Quinn wollte wieder zu ihm, doch Simone hielt ihn fest und zog ihn mit sich. So blieb es dabei, da Quinn den Rittern nur einen giftigen Blick zuwarf.

Kaum, dass sie die Anwesenden den Waggon verlassen hatten, dampfte Trailmon auch schon von dannen. „Der hat es aber eilig“, stellte Hermann verblüfft fest.

Erst jetzt hatte Quinn die Gelegenheit auf die Anderen zu reagieren, auch wenn es vielleicht anders ausfiel, als sie sich erhofften. „Sagt mal, was soll das Ganze? Kann mir da jetzt mal einer erklären?“ und zu den Rüstungen gewannt fluchte er weiter. „Könnt ihr Gazimon nicht runter lassen? Er hat euch nichts getan.“ - „Da komme ich wohl im richtigen Moment.“

Am einzigen Zugang des, zweckmäßig eingerichteten, Bahnsteiges, stand erneut die Person, die Katrin, Simone und Hermann bereits schon einmal kennen gelernt hatten.

„Wer ist das?“ fragte Quinn. „Justiciamon. Eine der Hohen“, zischte Gazimon zu Quinn und versuchte sich, trotz seiner misslichen Lage, irgendwie aus ihrem Gesichtsfeld zu bringen. Quinn war sich sicher, wäre Gazimon im Moment auf dem Boden gewesen, wäre es jetzt wohl verschwunden. Aber so wurde er gezwungen zu bleiben. Ob es wollte, oder nicht. Leicht verwundert über das Verhalten unterzog Quinn die Person einer genaueren Musterung. Irgendwie sah sie sehr ... menschlich aus. Außerdem erinnerte sie ihn an eine gewisse Statue die man öfters vor Gerichtsgebäuden erblicken konnte, nur dass sie deutlich lebendiger aussah, auch wenn etwas Farbe im Gesicht fehlte und man nur noch die Waage vermisste. Das Schwert trug sie gut sichtbar an der Seite. Noch immer wogen die Haare in einem unfühlbaren Wind.

„Aline hat mich davon unterrichtet, dass es etwas gibt, was meine Aufmerksamkeit bedürfe.“ - „Ja, Herrin“, meldete sich eine der Rüstungen zu Wort und zerrte Gazimon noch etwas nach vorne, was dieser mit einem Fauchen quittierte. Auch Quinn erhielt von hinten einen Stoß, er hatte gar nicht mitbekommen, dass die zweite Rüstung so dicht zu ihm aufschloss, und taumelte nach vorne. Mehr oder minder elegant gelang es dem Studenten grade noch die Balance zu halten und nicht den Boden zu küssen.

„Dieser junge Herr hier wurde eben von einem Trailmon abgeliefert. In seiner Begleitung befand sich dieses Gazimon, das ganz nach den Vorschriften behandelt wurde ...“ - „Und ich verlange, dass man ihm die Fesseln wieder abnimmt. Gazimon hat niemandem etwas getan“, fuhr Quinn in die Ausführungen.

„Quinn“, Katrin eilte zu ihm. „Was ist da draußen eigentlich passiert, dass du dich so für dieses Wesen einsetzt?“ Doch der Student winkte nur ab. „Zu viel, als das man es auf die Schnelle erzählen könnte.“

„Ihr seid aber keine Partner“, stellte Justiciamon fest, die dem Zwiegespräch stumm gelauscht hatte. „Würde es denn etwas daran ändern?“ platzte es aus Quinn heraus, noch bevor er sich der Worte richtig bewusst wurde. Justiciamon schmunzelte nur, ohne eine Silbe zu verlieren.

Dann zog sie in einer fließenden Bewegung ihr Schwert und deutete erst auf Quinn, dann auf Gazimon. „Es würde einiges ändern.“ Sie kam näher an Beide heran und stieß dann zwischen ihnen das Schwert plötzlich in den Boden. „Richtspruch!“ rief sie aus. Schlagartig wechselte die Szenerie.

Als Quinn wieder klar sehen konnte, fand er sich in einer Art Gerichtssaal wieder. Er selbst saß auf dem Zeugenstuhl, während das erstaunt drein blickende Gazimon auf der Anklagebank saß. Hinter ihm standen die beiden Rüstungen. Von seinen Freunden fehlte jede Spur.

„Was zum ...“ Nur mit Mühe verkniff sich Quinn die nächsten Worte, da er sich in diesem Moment Justiciamon gewahr wurde, die bereits am Richtertisch Platz genommen hatte. „Was soll das werden?“ rief der Student ihr zu.

„Ich eröffne hiermit die Sitzung in der über Gazimons Zukunft entschieden werden wird“, begann sie und Quinn verdrehte im Geiste die Augen. So eine Art von Show hatte ihm jetzt grade noch gefehlt. Nach den Reaktionen der Anderen zu urteilen stand das Ergebnis doch eh schon fest. „Muss ich mir diesen Showprozess jetzt echt noch einmal antun, oder können das weglassen. Das Urteil steht doch eh schon fest“, sprach er seine Gedanken laut aus.

Obwohl sie eine Augenbinde trug, kam es Quinn so vor, als werfe Justiciamon ihm in diesem Moment einen missbilligenden Blick zu. „In der Tat gibt es Erlasse für solche Fälle, doch dieses Gazimon hat es eigentlich nur dir zu verdanken, dass wir Verhandeln und nicht direkt vollstrecken und es wird auch an deinem Verhalten während des Prozesses liegen, wie später das Urteil ausfallen wird.“ Quinn stöhnte im Geiste. Warum beschlich ihn grade nur das Gefühl, dass sich die eigentliche Anklagebank nicht bei Gazimon, sondern bei ihm befand.

Justiciamon ließ eine Waage auf dem Richtertisch erscheinen und erhob sich, um zu Quinn zu treten. Unmittelbar vor ihm blieb sie stehen und sah ihn an. „Eines solltest du von vorne herein wissen. Auch hier gibt es Regeln an die man sich halten muss, und ich werde das, was nun folgt nur einmal erzählen. Auch die Fragen werde ich nur einmal stellen. Deshalb überlege dir gut, was du antwortest und wähle sie mit bedacht.“

Obwohl Quinn versuchte ihr Stand zu halten, nickte er dennoch leicht. „Gut.“ Trotz Augenbinde schien sie seine Reaktion zur Kenntnis genommen zu haben. „Siehst du diese Waage? Sie wird während der gesamten Verhandlung dort stehen und mir zeigen, ob du aufrichtig bist, oder etwas versuchst zu verschleiern.“

Quinn korrigierte sich im Geiste. Er saß definitiv auf der Anklagebank.

„Sie wird es auch sein, die mir am Ende der Verhandlung zeigen wird, welchen Weg dein Herz bereit ist zu gehen. Den der Digimon, oder den des Vergessens.“

Der Student hob eine Augenbraue. Er verstand grade nur Bahnhof.

„Nun stell dich nicht dämlicher als du bist“, fauchte Gazimon zu Quinn hinüber. „Die Olle will dich testen.“ Hastig ging das Digimon in Deckung als Justicamon herumwirbelte und auf die Anklagebank schaute. Sogar durch die Augenbinde wirkte ihr Blick strafend. „Halte deine freche Zunge im Zaum, bevor ich es für dich tue“, sprach sie mit sanftem, aber mit einem Tonfall, der keine Zweifel daran aufkommen ließ, das sie bereit war, den Worten Taten folgen zu lassen.

Aber wenigstens erzielten die Worte bei Quinn Wirkung. Der ganze Raum verlor etwas an Schrecken und langsam wandte er den Kopf zu Gazimon hinüber. „Na geht doch.“ stellte dieses mit selbstzufriedener Stimme fest, bevor es zusammen zuckte.

„Der Angeklagte sollte sich gebührend dem Gericht gegenüber verhalten und nur reden wenn er gefragt ist.“ Justiciamon wandte sich wieder Quinn zu. „Elektroschocks, pah, da hab ich schon schlimmeres durchgemacht“, grummelte Gazimon leise und rieb sich, soweit er es konnte, die Stellen, wo die Ketten anlagen.

Unter dem Tisch ballte Quinn eine Hand zur Faust. „Nun gut, bringen wir es hinter uns, teste mich.“ Doch auf Justiciamons Lippen zeichnete sich nur ein Lächeln ab. „Der Test ist schon längst gelaufen. Nur noch der krönende Abschluss fehlt.“

Um Quinn herum erschien eine Auswahl kurzer Szenen die er durchlebt hatte, seitdem er in die Digiwelt gekommen, und zum ersten Mal Gazimon begegnet war.

Gerade auf den Einblick in der Dunkelheit hätte er gerne verzichtet, doch ein Kichern von der Anklagebank bestätigte ihm nur, dass es der dort drüben immer noch witzig fand. Das Bild war zusätzlich aufgehellt wurden, dass er seinen Zusammenstoß in vollster Pracht miterleben konnte.

Der Student verzog das Gesicht zu einer Schnute. Darauf hätte er jetzt auch gerne verzichtet.

„Quinn. Vorsicht!“ schrie Gazimon im nächsten Moment und der Blick des Studenten riß sich vom Video los, nur um grade noch mitzubekommen, dass Justiciamon ihr Schwert gezogen hatte.

Hastig entsann er sich darauf, was Paul ihm gezeigt hatte. Einen Wimpernschlag lag ein langes, schmales Schwert in seiner Hand.

„Wie ich sehe, trägt Pauls Arbeit Früchte, aber bist du auch in der Lage zu kämpfen?“

Mit einer fließenden Bewegung warf Justiciamon den Tisch um. „Es gibt Situationen wo auch du bereit sein musst, alles zu geben.“ Sie stieß mit ihrem Schwert vor.

Nur mit Mühe gelang es Quinn die Klinge abzulenken. Er sprang zur Seite, stolperte über ein Stuhlbein und fiel hin. Das Schwert prellte aus seiner Hand und verschwand. Hastig rollte Quinn zur Seite, während knapp neben ihm die größere Klinge in den Boden schnitt. Wieder versuchte Quinn eine Waffe zu rufen, doch, bevor er den Gedanken ganz ausformuliert hatte, spürte er Metall am Hals. „Das war wohl nichts.“

Ungläubig sah Quinn, wie Justiciamon ausholte. Sie wollte doch nicht... sie würde doch nicht... sie... Der Junge schloss die Augen und zog die Hände schützend vors Gesicht.

„Idiot.“ Metall klirrte auf Metall, doch der erwartete Schmerz blieb aus. „Mach gefälligst die Augen auf und sieh deinem Gegner ins Gesicht.“ Quinn erhielt einen leichten Tritt dahin, wo es wirklich weh tat. Gepeinigt riß er die Augen auf.

Vor Quinn stand Gazimon und hielt mit seinen kurzen Ketten das Schwert von Justiciamon auf.

Seine Arme zitterten vor Anstrengung. „Jetzt hilf mir gefälligst.“

Langsam richtete Quinn sich auf. „Na wird’s bald?“ Doch noch bevor der Junge etwas tun konnte, zog Justiciamon ihr Schwert zurück. Sie lachte, doch Gazimon funkelte Quinn nur an. „Deine Reflexe sind ja echt lausig.“ Dann ließ er prüfend die Ketten rasseln und blickte dann zu Justiciamon. „Das sind keine normalen Fesseln“, stellte er mit trockener Stimme fest. „Sonst hätten sie das Schwert sicherlich nicht aufgehalten und dann ...“ Er vollendete den Satz nicht. „Das war auch ein Test, oder?“ Gazimon blickte ihre Gegenüber mit zusammengekniffenen Augen an.

Diese steckte in aller Seelenruhe ihr Schwert zurück und nickte dann.

Mit raschem Schritt ging Justiciamon zum Richtertisch nahm die Waage und kehrte zu den Beiden zurück. „Stellt den Tisch hin.“ forderte sie Diese auf und drapierte dann die Waage darauf. Während der gesamten Zeit war dem Studenten aufgefallen das sich die Waagschalen keinen Millimeter bewegt hatten.

„Bevor ich zu einem Urteil komme, lege jeder eine Hand in eine der Schalen.“ Quinn verstand nicht so recht, was das sollte und ein Seitenblick verriet ihm, dass es Gazimon ziemlich genauso ging, trotzdem taten sie das, worum Justiciamon sie gebeten hatte.

Er und Gazimon zuckten im gleichen Moment zusammen und rissen die Hand, beziehungsweise die Pfote, aus den Schalen. Beide fluchten leise und rieben sich das, in Mitleidenschaft gezogene, Körperteil.

Nun waren die Waagschalen jedoch nicht mehr leer. In der einen befand sich eine kleine Blutansammlung, in der anderen ein kleiner, blauer Datenball. Nun begannen sich auch die Schalen zu bewegen. Langsam wippten sie auf und nieder und dabei wechselte der Inhalt die Seiten. „Jetzt wieder“, forderte sie die Beiden auf.

Gazimon tippte den Tropfen mißtrauisch mit seiner Klaue an, roch daran und leckte sie sich anschließend wieder sauber. „Schmeckst gar nicht mal so schlecht“, meinte er mit einem schelmischen Grinsen.

Quinn warf Gazimon einen bösen Blick zu, griff dann selbst nach der blauen Kugel. Er klemmte sie zwischen zwei Finger und führte sie zum Gesicht, um sie besser betrachten zu können. Doch viel Zeit blieb ihm nicht, denn kaum, dass sie seine Haut berührte, begann sie mit dieser zu verschmelzen, bis nichts mehr von ihr zu sehen war. Ein leichtes Kribbeln durchfuhr seinen Körper und ließ seine Nackenhaare abstehen.

Im gleichen Moment fielen Gazimons Ketten und bevor jemand wusste, was hier eigentlich geschehen war, fanden sie sich erneut auf dem Bahnhof nieder.

„Das Urteil wurde vollstreckt. Gehabt euch wohl.“ Justiciamon drehte sich um und schritt würdig vondannen.

„Was war denn das jetzt?“ Fragend blickte die Anderen ihr hinterher, dann wieder zu Quinn und wieder zur Entschwindenden. „Das Urteil? Was für ein Urteil?“ Sie blickten Quinn an, doch dieser konnte diesbezüglich keine Antwort geben, denn er hatte nichts mitbekommen was darauf hindeuten könnte und zuckte nur mit den Schultern.

Mit einem Kopfschütteln sprang Gazimon plötzlich an ihm hoch, klammerte sich an seinem Rücken fest und angelte nach der Kette. „Hey, runter da. Du bist schwer.“ Quinn geriet ins Straucheln. Doch Gazimon ließ sich nicht beirren, sondern angelte weiter, bis er den Anhänger endlich aus dem Hemd hervor gezogen hatte.

Die Kugel war nicht mehr zu sehen, stattdessen zeigte er nun die Umrisse von Gazimon im Miniformat. Das Digimon grinste, als es die überraschten Gesichter der Anwesenden sah. „Na dann, auf gute Zusammenarbeit. PARTNER“, säuselte er mit leicht fiesem Unterton in Quinns Ohr.

Freak - Weather

Ein lautes Tuten kündigte die Ankunft eines weiteren Zuges – beziehungsweise Trailmons – an.

Kaum, das es gehalten hatte sprang ein total zerzauster Paul aus einem der Waggons. Er und Clockmon wirkten arg mitgenommen. Sein Blick fiel auf die Gruppe. „Quinn, geht es dir gut?“ Dann stutzte er. „Das ist jetzt aber nicht so, wie ich denke, oder?“

Der Student zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was du denkst, wenn du es uns nicht sagst. Das hier sind auf jeden Fall Katrin, Hermann und Simone meine Mitstudenten und Leidensgenossen, auch und das hier ist Gazimon, mein Partner.“ Scheinheilig blickte Quinn zu Paul.

Fassungslosigkeit war der Ausdruck mit dem man das Gesicht des Forschers am besten beschreiben konnte.

„Das ist doch das Gazimon, gegen das ich doch schon einmal gekämpft habe“, stellte Clockmon fest.

„Tja, so ändern sich die Dinge halt“, Gazimon grinste diebisch zu ihnen hinüber und kletterte langsam von Quinns Rücken hinunter.

Trotzdem spannte Clockmon sich sichtlich an und griff fester seinen Hammerstab. Er schien dem Frieden nicht so ganz zu trauen. „Na, na, wer wird denn gleich...“ stichelte Gazimon nach, dem die Reaktion natürlich nicht entgangen war und erntete auch prompt die Früchte seiner Arbeit. „Auch wenn sich jetzt die Zeiten geändert haben, wird es mich trotzdem nicht aufhalten dir eine kleine Lektion zu erteilen, wenn du es weiter darauf anlegst.“ Clockmon kniff die Augen zusammen.

„Hey, moment mal, Auszeit!“ fuhr Quinn dazwischen, bevor die Sache noch zu eskalieren drohte. „Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe für heute die Nase von Kämpfen gestrichen voll. Erstmal brauche ich eine Pause.“ Geistig verdrehte Quinn die Augen, als ihm bewusst wurde, dass er ungefähr genauso anfing zu sprechen wie Paul. Das fehlte jetzt noch.

„Och komm schon. So ein ganz kleines Scharmützel. Nichts Großes. Ich habe nur noch eine Rechnung mit Clockmon offen“, bettelte Gazimon leise zu Quinn.

Paul lachte. „Ich sehe schon, ihr beiden werdet noch eine Menge Spaß miteinander haben. Aber wenn er unbedingt so scharf darauf ist sich mit Clockmon zu messen, dann lass ihn doch. Ich passe schon auf, dass nichts passieren wird.“

Gazimon zupfte mittlerweile an Quinns Ärmel herum und den Studenten beschlich das Gefühl, dass er wohl keine Minute Ruhe haben würde, wenn er diesem unsäglichen Kämpfchen nicht zustimmen würde.

Er seufzte resignierend. „Bringen wirs hinter uns. Umso schneller ist es vorbei.“

Noch bevor Quinn den Satz beendet hatte, befand sich Gazimon schon wieder auf seinem Rücken.

„Hey“, protestierte Quinn leise. „Was soll das? Du bist schwer. Außerdem kratzen mich deine Klauen durch die Kleidung.“ Doch Gazimon ließ sich durch die Worte nicht dazu bringen von Quinns Rücken zu steigen.

„A little bit scary“, flüsterte Simone zu Katrin. Sie fühlte sich sichtlich fehl am Platze. „Wird schon. Solange wir zusammen sind stärken wir uns den Rücken, ja?“ Katrin trat zu Simone und griff nach ihre Hand um sie aufmunternd zu drücken. „Du kennst doch Quinn. Hast du etwas anderes erwartet?“

Simone schloss die Augen, dachte nach und schüttelte den Kopf. „Siehst du.“ Katrin grinste.

„Und mich fragt ja wohl mal wieder niemand.“ Hermann hatte sich auf eine der wenigen Bänke des Bahnsteiges niedergelassen und betrachtete das Schauspiel. Sein Gesicht war eine neutralen Maske geworden und man konnte nur schwer einschätzen, was er wohl gerade dachte, doch der Schmerz in den Augen war unübersehbar.

„Ich bin dann mal in der Bibliothek“, meinte Hermann schließlich und erhob sich. Zielsicher steuerte er den Ausgang an, achtete nicht auf die Worte der anderen, die sie ihm nachriefen, doch als er an Paul vorbei kam, griff der Forscher mit einer raschen Handbewegung nach seinem Handgelenk und drehte ihn zu sich.

„Lauf nicht davon“, meinte er leise, sodass es die anderen nicht hören konnten. „Ich sehe dir doch an, dass du nicht weißt, was du hier von halten sollst. Doch wenn du dich der ganzen Sache verschließt, wird es kein gutes Ende nehmen. Es hat schon seinen Grund, dass du hier bist. Gib dir selbst Zeit damit klar zu kommen und zwinge dich zu nichts. Irgendwann ergibt das Ganze einen Sinn. Frag mich bloß nicht, wie lange ich hier herum geirrt bin.“

Er ließ Hermann wieder los. „Es würde mich freuen, wenn du uns wenigstens noch kurz begleitest. Es wird sicherlich nicht lange dauern, aber vielleicht genauso lehrreich sein, wie ein Tag zwischen den 'Wälzern'.“ Paul betonte das letzte Wort mit einem Grinsen. “Tu mir den Gefallen. Danach kannst du dich noch lange genug mit den Dingern beschäftigen.“

Es dauerte eine ganze Weile, bis Hermann nickte.

Paul klopfte ihm auf die Schultern. „Dann kommt.“ Er sah zu den restlichen Studenten. „Und vergiss Gazimon nicht.“ - „Als ob er das zulassen würde.“ - „Träum weiter und lauf lieber.“

„Ziemlich besitzergreifend, findest du nicht auch?“ flüsterte Katrin Simone zu. Die Mädchen kicherten leise und tauschten flüsternd kleine Sticheleien gegen Quinn und Gazimon untereinander aus.
 

Zügig führte Paul sie durch mehrere Gänge, bis sie das Haus verließen und ein riesiges Gelände erblickten. „Das ist das Trainings- und Kampfareal“, klärte der Forscher sie auf. Hermann war, wie die anderen, stehen geblieben und sah sich wortlos um. Obwohl dieser Ort sicherlich schon lange nicht mehr genutzt wurde, wirkte er dennoch sehr gepflegt. Katrin pfiff leise durch die Zähne. „Das ist ja riesig. Gibt es einen Shuttle-Service, oder wie soll man das andere Ende erreichen?“- „Ich merke ihr habt noch keine richtig großen Digimon gesehen. Da braucht man diesen Platz.“ Paul grinste und drehte sich zu den anderen um. Hermann unterdessen verzog das Gesicht. Man konnte ihm ansehen, dass er nicht wirklich große Lust darauf verspürte, was ihm einen seltsamen Blick von Paul einbrachte. „So wie es hier aussieht, muss es wohl ziemlich viele Wächter gegeben haben“, wechselte Hermann das Thema. Paul nickte. „Aus den Archiven habe ich erfahren, dass hier früher rund um die Uhr trainiert wurde und das eigentlich nie Ruhe an diesem Ort herrschte, obwohl sich hier nie mehr als ein winziger Bruchteil der Wächter aufhielten.“

Nachdem Paul den Ort auf die anderen hatte wirken lassen, führte er sie ein ganzes Stück an den verschiedenen Flächen vorbei, bis er vor einem ebenen Kreis, etwa 10 x 10 Meter im Durchmesser, stehen blieb. „Ich denke, dieser Platz sollte für uns reichen.“ Paul winkte Quinn aufmunternd zu und deutete den übrigen Studenten an zurück zu bleiben. „Bleibt am besten auf Abstand, nicht das ihr noch von etwas getroffen und verletzt werdet. Wunden verheilen hier zwar schnell, aber die Schmerzen bleiben die gleichen“, rief Paul es ihnen noch einmal in Erinnerung.

Dann deutete er Quinn an, sich an eine bestimmte Stelle zu bewegen und dort zu warten. „Allein schon durch seine Erfahrung ist Clockmon deinem Gazimon weit überlegen. Deshalb werden wir langsamer arbeiten, aber von dir und Gazimon“, er sah Quinn mit scharfem Blick an, „erwarte ich, dass ihr alles gebt.“ Er stieß den Jungen mit einem Finger auf die Brust. „Zeige mir, dass du bei den letzten Kämpfen von mir aufgepasst hast.“

Gazimon fauchte kurz in Pauls Richtung und fixierte dann wieder Clockmon. „Dein Partner scheint es ja gar nicht abwarten zu können“, feixte Paul, während er zurück trat und Clockmon zunickte. „Bereit?“ Mehr als diese Einladung brauchte Gazimon nicht. Sofort sprang es von Quinns Rücken hinunter in den Ring. Der Junge strauchelte kurz.

„Dann los.“ - „Hey, moment mal...“ Quinn wollte noch etwas hervorbringen, aber da war Gazimon schon bei Clockmon angelangt und fing sich seine erste Ohrfeige ein.

Knurrend kam das Digimon wieder auf die Beine. Doch auch seine nächste Attacke brachte Clockmon nicht wirklich in Bedrängnis. Mit storadischer Ruhe parrierte es alles, was Gazimon ihm entgegen warf und schickte das gegnerische Digimon mehrmals zu Boden.

„Ist das eigentlich alles oder willst du deinem Partner nicht mal langsam helfen?“ wandte sich Paul schließlich an Quinn. Doch der Student hob nur die Schultern. „Wie?“

Im nächsten Moment wurde es dunkel um Quinn. Sofort ruckten seine Arme nach oben nur um festzustellen, das man ihm die Augen verbunden hatte. „Hey“, stieß er auf.“ - „Beruhige dich.“ Es war Pauls Stimme, die ihm da ins Ohr flüsterte. „Beruhigen? Wie denn? Ich dachte, du hälst dich aus diesem Kampf raus.“ - „Das tue ich auch. Ich will dir nur helfen.“ - „Das merke ich. Soll ich etwa nicht mehr mitbekommen, wie ihr Gazi fertigmacht?“ Dumpf hörte er in der Nähe einen Aufschlag.

Da ihm die Sicht genommen wurde, versuchte Quinn mit seinen anderen Sinnen in Erfahrung zu bringen, was vor sich ging.

„Was soll die Nummer?“ rief Hermann zu ihnen hinüber. „Bleibt zurück und mischt euch nicht ein. Das ist nicht euer Kampf“, fuhr Paul die anderen an, die offensichtlich näher gekommen waren. „Ich sagte euch doch, dass ich aufpassen werde. Doch manche Lektionen lernt man nicht so einfach und jetzt konzentriere dich gefälligst Quinn.“ Paul zog das Stück Stoff um die Augen des Studenten fester.

„Worauf denn“, stöhnte der Student und erhielt für diese Worte einen Stoß in den Rücken. „Na, worauf wohl. Deinen Partner. Sag mal hast du eigentlich gar nichts gespürt, als die Bande zwischen euch geknüpft wurden?“

Ein Schrei hallte durch die Arena, der Quinn eine Gänsehaut bescherte und die restlichen Studenten protestieren ließ. „Lass ihn... Lass ihn in Ruhe...“ presste Quinn hervor. „Lass Gazimon in Frieden.“ Der Student spürte unglaubliche Wut in sich aufsteigen. Wut über sich selbst und Wut darüber, dass er so unfähig war.

„Ja gut so, aber ... oh Sch... Wir brechen ab. Alle zurück in das Gebäude, los!“ Augenblicklich fiel Quinns Sichtschutz.

Als erstes erblickte er Gazimon, der von Clockmons Hammer auf den Boden genagelt wurde. Er sah übel aus und wieder wallte Wut in ihm auf. Doch dann bemerkte Quinn, dass deren Blicke nicht mehr den Gegner fixierten, sondern den Himmel.

Als der Student ebenfalls nach oben sah verschlug es ihm den Atem. Die Binärcodes erzitterten, so als schüttele man sie in einem gigantischen Shaker durch. Nach und nach veränderten sie die Farbe. „Freak-Wetter. LAUFT!“ rief der Forscher wieder. In der Stimme von Paul klang echte Furcht mit.

Ein fernes Donnergrollen hallte zu ihnen hinüber, während Gazimon sich ächzend aufrichtete, zu Quinn hinkte und irgendwie wieder seinen Weg auf dessen Rücken fand. „Darüber unterhalten wir uns später“, zischte er in dessen Ohr. Clockmon war bereits los gerannt und auch die anderen liefen den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Doch das Wetter änderte sich in Sekundenbruchteilen. Der Wind wurde stärker und stärker, riß Sand und leichteres Geröll in die Höhe, nahm ihnen die Sicht.

„Bleibt zusammen und fasst euch an den Händen“, erklang wieder Pauls Stimme irgendwo rechts von Quinn. Doch der Wind verwehte die Worte schon nach wenigen Metern.

Nun bekamen die Studenten am eigenen Leib zu spüren, wie schnell man zum Spielball von Naturgewalten werden konnte. Erst riß es Simone und Katrin davon, dann schrie Hermann auf, als er den Boden unter den Füßen verlor. Auch Quinn spürte, dass er immer mehr Mühe hatte vorwärts zu kommen ohne abzuheben. Durch seine Kleidung konnte er Gazimons Klauen spüren, die sich in seine Haut bohrten. „Lauf, lauf schneller“, zischte das Digimon und zum ersten Mal war Quinn über das zusätzliche Gewicht froh, auch wenn Gazimon ruhig etwas weniger fest klammern könnte. Er konnte spüren, wie sein Partner zitterte.

Nicht weit entfernt meinte Quinn das rettende Haus ausmachen zu können. Halbblind hielt er darauf zu, doch es war nur ein sehr großer Felsen. Der Student kniff die Augen zusammen. Das fehlte jetzt noch. War er überhaupt noch auf dem richtigen Weg? Er hatte die Orientierung verloren.

Der Student kauerte ich hinter den Felsen. Vielleicht konnte er hinter diesem den Sturm überstehen. Doch eine besonders starke Böe erwischte ihn, als er grade in die Hocke ging. Quinn verlor das Gleichgewicht, taumelte ein Stück vom Stein weg und wurde von der vollen Wucht des Sturmes getroffen. Fast augenblicklich fanden sie sich in der Luft wieder. Gazimon krallte sich noch enger an Quinn und heulte mit dem Wind um die Wette. Seine Angst übertrug sich auch auf den Studenten, der unwillkürlich Gazimons Arme ergriff und sich an diesen festhielt. Nicht, dass es ihnen irgendetwas gebracht hätte. Der Wind spielte mit ihnen, warf sie hin und her, nach oben und ließ sie wieder fallen. Irgendwann wurde Quinn gnadenvollerweise ohnmächtig.

##

„Du hast sie gehen lassen, obwohl du wusstest, dass dieser Sturm kommen würde?“ Aline nickte. Sie befand sich in einem, völlig abgedunkelten Raum. Die Frau wusste, dass ihre Gesprächspartnerin das Nicken mitbekommen würde.

„Ich kann dieses Verhalten nicht für gut befinden. Mag sein, dass man so etwas früher hin und wieder getan hat um sie zu testen, doch damals gab es überall Wächter, die im Notfall eingreifen konnten.“ Aline schwieg auch weiterhin.

Ihre Gesprächspartnerin seufzte. „Manchmal verstehe ich euch Menschen wirklich nicht. Trotz der langen Zeit.“

Schweigend verließ Aline das Zimmer und vergewisserte sich, dass es danach wieder verschlossen war.

Vom Winde verweht

Der Aufprall war hart und Hermann erwachte erst wieder, als ihm jemand einen feuchten Lappen auf die Stirn legte. Stöhnend richtete er sich ein Stück weit auf und wurde durch die Bewegung gleich mit einer Schwindelattacke belohnt. Er hielt die Augen geschlossen, da Hermann fürchtete, dass ihm andernfalls noch schlecht werden würde.

„Der Mensch ist aufgewacht.“ Sofort setzte ein Murmeln ein. Der plötzlich ansteigende Lärmpegel ließ den Studenten gepeinigt erneut aufstöhnen. Er griff sich an den Kopf.

„Ruhig, jetzt seid doch mal ruhig!“ Zu Hermanns Erleichterung folgte man dieser Bitte und es wurde wieder etwas leiser.

Jetzt öffnete er die Augen doch ein wenig und musste mehrmals blinzeln, bevor er etwas erkennen konnte. Dann schloss der Student sie auch schon wieder um geistig erneut zu stören. Das war doch jetzt nicht alles wahr? Das musste ein schlechter Traum sein. Er war umringt von einer, scheinbar riesigen Anzahl, Wesenheiten die er größtenteils beim besten Willen nicht zuordnen konnte – zwar meinte er einige auf den Bildern gesehen zu haben, die Aline ihnen gezeigt hatte, aber das war nur relativ kurz gewesen, zudem ohne Namensnennungen - und fast alle sahen ihn an. Unwillkürlich spannte Hermann sich an, und ein unangenehmes Zwicken machte sich in seiner Bauchgegend breit.

„Ihr da hinten, raus hier. Es ist viel zu eng.“ wieder diese energische Stimme und ein Murren machte sich breit. Scharren, Schleifen und einige Schritte taten kund, dass einige von Ihnen den Raum verließen.

Als Hermann die Augen wieder öffnete, waren es nach seinem Geschmack trotzdem noch zu viele. Etwas zwickte an seiner Schulter und erst jetzt wurde Hermann sich der Verbände gewahr, die um seinen rechten Arm und die Brust geschlungen waren. Einen weiteren am Bein konnte er nur spüren, nicht sehen, da eine Decke darüber lag.

„Leg dich lieber wieder hin. Du siehst alles andere als gut aus.“ Wieder diese Stimme und als Hermann den Kopf etwas drehte sah er dessen Besitzer. Sie gehörte einem, größtenteils roten-blauen, mehrschwänzigen Wesens, irgendwo eine Mischung aus Grinsekatze und Fuchs, das langsam wieder auf Hermann zugelaufen kam und sich dann neben einer Schale nieder zu lassen. Vorsichtig zupfte es ihm den Lappen von der Stirn, tauchte diesen in die Schale, wrang ihn aus und positionierte das Stück Stoff erneut auf dem Kopf des Studenten und drückte ihn dann sanft zurück in eine liegende Haltung.

„Wo ... wo bin ich?“ stammelte Hermann leise. Sein Hals fühlte sich rauh an und er hustete. „Du bist in Acero, die Stadt des Stahls. Der Sturm hat dich hierher getragen und dich dann an einem Antennenmast hängen gelassen. Wenn du dich etwas erholt hast, kann ich dir gerne die Stelle zeigen.“ Hermann verzog das Gesicht und schüttelte nur den Kopf.

„Was ist mit meinen Freunden?“ - „Es gibt noch mehr Menschen?“ Allein schon die Gegenfrage brachte Hermann die Gewissheit, das die Anderen hier wohl nicht angekommen waren. „Ja.“ Er verkniff sich ein Nicken, um nicht noch weiteren Schwindel zu provozieren. Wo mochte der Sturm sie wohl nur hingetragen haben? Ein Raunen ging durch den Raum.

„Eigentlich waren wir zu fünft und zwei Digimon, als uns der Sturm überraschte“, gab Hermann zur Auskunft, als er danach gefragt wurde.Wieder war ein Raunen zu hören und jemand aus der Menge heraus fragte: „Bedeutet das etwa, dass noch nicht jeder von euch einen Partner hat?“

Für einen Moment war sich Hermann nicht sicher, ob er darauf eine Antwort geben sollte, doch dann flüsterte er ein leises Ja. Der Student hätte es auch rufen können. Bei der Frage war es so leise geworden, das man hätte eine Stecknadel fallen hören und plötzlich, stieg der Lärmpegel um einiges an, bis es dem Wesen, das Hermann umsorgte zu viel wurde, und es kurzerhand alle hinaus warf, die sich noch im Raum befanden.

„Oh weiha,“ murmelte es leise, während es die Tür schloss. „Was ist?“ - „Ich fürchte du willst gar nicht wissen, was für eine Lawine du mit deiner Aussage losgetreten hast. Schon seit gefühlten Ewigkeiten warten einige von uns darauf, das es wieder Anwärter gibt.“ Es kam zu ihm zurück und überprüfte vorsichtig die Verbände. „Am Besten bereitest du dich schon einmal darauf vor, dass einiges auf dich zukommen wird.“ - „Und was ist, wenn ich gar nicht möchte?“ Das Wesen hielt bei Hermanns Worte kurz inne und sah ihn an. Irritation schien für einen Moment in seinem Blick mitzuschwingen. Dann seufzte es und senkte den Blick. „In diesem Fall solltest du schleunigst Gesund werden und schauen, dass du diesen Ort verlässt, bevor sich die Freiwilligen einfinden. Ich bin mir sicher, es gibt auch, wie jedes Mal, einige, die sich mit einem einfachen Nein nicht abfinden wollen und manchmal können sie 'sehr' überzeugend sein.“ Es seufzte leise, als es die Schüssel wegräumte. „Ich frage mich dann aber, was dich in diesem Fall in unsere Welt verschlagen hat.“ Die Worte waren so leise, das Hermann sie kaum verstehen konnte. Doch, da er auch darauf keine wirklich Antwort besaß, schwieg er.

„Schlaf jetzt. Du solltest sehen, dass du zu Kräften kommst.“ Das Licht wurde gedämpft.

Doch Hermann konnte nicht einschlafen, jedenfalls nicht wieder so schnell. Zu viele Fragen gingen ihm durch den Kopf. Unruhig wälzte er sich auf dem Lager hin und her.

##

Katrin erwachte inmitten einer sehr hohen Wiese. Sanft bog sich das Chinaschilf im Wind. Ein Halm, der etwa auf halber Höhe abgeknickt war, kitzelte beharrlich ihre Nase. Niesend, und noch halb benommen richtete sie sich auf.

Das Gras stand ihr fast bis zur Brust und außer der Schneise, die ihr Auftreffen gerissen hatte, war weit und breit kein Ende abzusehen Hier und da unterbrachen einige Bäume die weite Ebene. Nichts deutete darauf hin, das hier etwas oder jemand leben könnte. Die Studentin seufzte. Sie hatte keinen Plan, wohin sie sich nun wenden sollte.

„Paul? Simone? Quinn? Hermann?“ rief sie, doch erhielt keine Antwort.

„Na toll“, seufzte sie leise und zu allem Überfluss meldete sich ausgerechnet jetzt ihre verfluchte Reisekrankheit wieder. Es war doch so schön ohne sie gewesen.
 

Erschöpft lehnte Katrin sich an einen Baum. Sie war schweißgebadet und hatte immer noch zitternde Knie.

„Hier, nimm das. Es kann dich zwar nicht heilen, aber die Symptome mildern.“

Sichtlich erschrocken, bei den Worten, zuckte die Studentin zusammen. Aus einem antrainierten Reflex heraus stieß sie sich ab und versuchte halbwegs in eine Verteidigungsstellung zu kommen, was im Moment alles andere als elegant aussah.

Prüfend schweifte ihr Blick durch die Umgebung. Eigentlich das perfekte Gebiet für einen Hinterhalt, aber dann sah sie den Verursacher der Laute. Er stand seitlich an den Baum gelehnt und sah Katrin abschätzend an. Das Wesen wies Ähnlichkeiten zu einem Adler auf dem man wohl nahe gelegt hatte Angehöriger in einem Indianerstamm zu werden, so zumindest könnte man die Zeichnungen im Gesicht erklären und den Umstand, dass er ein gürtelähnliches Stirnband trug, das eine Feder am Hinterkopf fixierte.

„Ich bin Hawkmon“, stellte es sich vor und löste sich vom Baum. Nun stellte es auch unter Beweis, dass hier nicht alles den bekannten Naturgesetzen unbedingt treu blieb.

Es schien einen ziemlich flexiblen Knochenbau in den oberen Extremitäten zu haben, denn es hielt einen seiner Flügel so, als wäre es eine Hand. Darauf präsentierte es Katrin einige Kräuter. „Kau sie, diese sind gut gegen die Übelkeit.“

Zögerlich nur löste Katrin ihre Verteidigungshaltung auf und kam näher heran, um sich die dargebotenen Dinge und den Überbringer skeptisch zu mustern.

Es dauerte einen kurzen Moment, bis sie schließlich die Vorsicht fallen ließ und vorsichtig nach einem der Kräuter griff um dieses aufmerksam zu mustern. Das Blättchen war bläulich.

„Keine Angst, sie sind nicht gefährlich. Früher waren diese Kräuter ziemlich oft im Einsatz."

Langsam schob Katrin sich das Blatt in den Mund und begann zu kauen. 'Oh mein Gott,' keuchte sie im Geiste und verzog das Gesicht. Tränen stiegen ihr in die Augen. Die Kräuter schmeckten bitter, richtig bitter. Sie musste sich überwinden das Blatt nicht sofort wieder auszuspucken. Doch nachdem sie ein paarmal den bitteren Speichel geschluckt hatte, klang die Übelkeit tatsächlich ab.

„Danke.“ Katrin lächelte das Digimon an und ließ sich wieder im Schneidersitz auf den Boden sinken. „Keine Ursache“, erwiderte Hawkmon. „Wie ich bereits sagte, bist du nicht die Erste, die darauf zurückgreifen muss. Aber sag mir bitte eines: Seit wann sind die Tore wieder offen?“ Katrin erhielt überhaupt keine Möglichkeit darauf zu antworten, denn das Digimon fuhr direkt fort: „Wir leben echt zu weit weg vom Geschehen. Ich muss unbedingt dem Dorfältesten Bericht erstatten...“ So ging es noch eine ganze Weile weiter, bis plötzlich eine andere Gestalt durch das hohe Gras brach und Hawkmon sofort mit dem Schnabel traktierte. „Warum erzählst du ihr nicht gleich, wo sich unser geheimes Dorf befindet?“ Hastig war Hawkmon ausgewichen und musterte nun ungläubig den, um einiges größeren Ankömmling, der vom Körperbau ziemliche Ähnlichkeit mit einem Vogel Strauß aufwies von dem buschigen Schwanz, der Schirmmütze und dem Schal mal abgesehen.

„Na, DAS brauch ich ja nun nicht mehr. Nachdem du es schon übernommen hast.“ Hawkmon verschränkte die Flügel vor der Brust. „Nein, habe ich nicht.“ - „Hast du wohl.“ - „Eben nicht.“

Innerhalb kürzester Zeit hatten die Beiden sich in ein Streitgespräch verstrickt, wer denn nun damit angefangen hätte.

Kartrin wurde es schnell zuviel. Noch während sich die beiden Streithähne sich gegenseitig angifteten schob sie sich die übrig gebliebenen Kräuter in die Hosentasche und stand auf.

„Danke nochmal für alles“, sagte sie leise in Hawkmons Richtung, bevor sie sich leicht verbeugte, umdrehte und einfach los lief. Wohin? Das war ihr im Moment relativ egal. Hauptsache sie würde irgendwann ihre Freunde wiederfinden. Wie mochte es nur Quinn gehen? Allein die Gedanken an ihn reichten schon, um ein warmes Gefühl in ihrer Brust zu erzeugen.

„Hey, wo willst du hin? Alleine ist doch viel zu gefährlich“, ertönte es plötzlich hinter Katrin zweistimmig. 'Alleine? Woher wussten sie?' Doch dann bemerkte Katrin, dass die Kette vor ihren Sachen baumelte. Das musste wohl eben passiert sein, als sie sich ihr letztes Essen, beziehungsweise auch Nichtessen, nochmal hatte durch den Kopf gehen lassen. Hastig schob sie diese wieder unter das T-Shirt.

„Ich muss meine Freunde suchen. Vielleicht sind sie hier auch irgendwo.“ - „Hier?“ Die beiden Vogeldigimon sahen sich an. „Also hier bestimmt nicht“, ergriff Hawkmon das Wort, „das wüssten wir. Allerdings können diese Stürme, die seit geraumer Zeit immer wieder über das Land fegen, einen so ziemlich überall in der Digiwelt abladen. Umso wichtiger ist es ja, das man die Anzeichen eines Sturmes richtig deutet, um nicht in seine Fänge zu geraten.“ - „Hey, das wollte ich jetzt sagen“, mischte sich das Straußenwesen in Hawkmons Ausführungen ein und erhielt dafür einen vernichtenden Blick von genau diesem. „Am Besten bringen wir dich wohl doch zum Dorfältesten. Er soll entscheiden, was weiter passiert. Dieses Gebiet im Alleingang zu Durchqueren ist auf jeden Fall glatter Selbstmord.“

„Ach ja Peckmon du Spatzenhirn und wie stellst du dir das vor? Dann müssen wir sie ja doch zu unserem Dorf bringen und dann ist dessen Standort doch kein Geheimnis mehr.“ Das große Wesen ging eindeutig in Kampfstellung. „Ist es wohl.“ - „Nein.“ - „HÖRT IHR BITTE AUF DAMIT!“ ging Katrin dazwischen, bevor eine neue Streiterei vom Zaun gebrochen werden konnte. Langsam bekam sie Kopfschmerzen.

Mit einer fließenden Bewegung hob Katrin die Hände und legte sie vor dem Körper zusammen. So als wolle sie beten. Wie hatte Paul das nochmal angestellt? Ein Seitenblick fiel auf das Halstuch von Peckmon.

Die Streithähne verstummten fast augenblicklich, als Katrin einen kleinen Jauchzer ausstieß und ein Duplikat von Peckmons Schal in der Hand hielt. „Was denn? Ich verbinde mir die Augen und ihr führt mich. Damit sollte doch allen gedient sein, oder?“ Sie hob den Schal in die Höhe und legte ihn sich zweimal um die Stirn, bevor sie diesen zusammenknotete, so das sie die Beiden im Moment noch sehen konnte. „Hoffendlich fingen sie jetzt nicht wieder an zu streiten.

Doch Peckmon nickte nur. „Kletter auf meinen Rücken, ich werde dich tragen.“ Damit gab sich auch Hawkmon zufrieden.

Jedoch war es ein Attentat auf Katrins Gesundheit. Ihr wurde schon flau, als Peckmon die ersten Schritte tat und die Dunkelheit vor den Augen verstärkte dieses Gefühl nur noch. Ein Kamelritt war Ponyreiten dagegen.

##

Der Wind pfiff um Simones Kopf, als sie langsam aufwachte. Sofort versuchte sie sich so zu drehen, dass sie ihre ihre Augen öffnen konnte, ohne das der scharfe Wind ihr Tränen in genau diese trieb.

Doch kaum, als sie sich regte, zog sich etwas um ihren Brustkorb stärker zusammen und verhinderte so, dass sie auf dem weichen Untergrund weiter kam.

„Bewege dich nicht zu viel, wenn du nicht von Hippogryphomons Rücken fallen willst“, schrie eine Stimme zu ihr hinüber, die jedoch vom Winde stark verzerrt wurde.

Simones Hand fuhr an ihre Brust und ertastete einige Seile, die man ihr umgelegt hatte. Dann machte sie den Fehler nach unten zu sehen und stellte fest, das es bis zum Boden ein verdammt weiter Weg war. „Holy Shit!“ entfuhr es ihr gepresst.

„Ist zwar hoch, aber man brauch nur ein paar Sekunden bis man unten angelangt ist.“ Simones Kopf ruckte soweit herum, dass sie in die Richtung des Sprechers schauen konnte. „Na, endlich ausgeschlafen?“ Die Studentin warf ihm einen giftigen Blick zu.

Auf einem Drachenähnlichen Wesen flogen neben ihr Paul und Clockmon vorbei, wobei man eigentlich beachten musste, dass sie weniger auf dem Drachen saßen, als das dieser sie in seinen Klauen trug. Paul schien das jedoch herzlich wenig zu stören, denn er stützte sich lässig mit dem Ellenbogen auf der Klaue ab und starrte zu Simone hoch, während seine Beine frei im Wind pendelten.

„Nette Aussicht, oder?“ - „You are strange.“ Der Forscher deutete so etwas wie eine Verbeugung ein, soweit es ihm möglich war. „Danke für die Blumen.“ Er schien den Unterton in Simones Worte bewußt zu ignorieren. „You know, that you can fall very easy?“ - „Klar, aber über so etwas mache ich mir dann Sorgen, wenn es eintritt.“ Simone verzog das Gesicht und drehte sich weg. Das hatte ihr jetzt wirklich noch zu ihrem Glück gefehlt. Unter ihnen zogen Wolken auf und nahmen die Sicht bis zum Grund.
 

Doch lange konnte Simone sich nicht über ihre Situation Gedanken machen, denn die Flügelschläge veränderten sich und sie begannen einen Sinkflug.

Unter ihnen riss die Wolkendecke ein Stück weit auf, das Simone einen Berggipfel erkennen konnte, dessen Spitze scheinbar sauber abgetrennt worden war um einer Siedlung Platz zu schaffen. Je näher sie kamen, desto mehr Einzelheiten konnte sie ausmachen.

Die Erbauer hatten es sich nicht nehmen lassen, dem Ganzen den Flair eines großen Vogelnestes zu verpassen, was auch dadurch verstärkt wurde, dass man jede Menge großer Baumstämme um den Rand herum drapiert und so verkeilt hatte, dass sie sich selbst stabilisierten und nicht in den Abgrund fielen.

Simone kam noch relativ weich auf, während Paul und Clockmon etwa 2 Meter über dem Boden einfach fallen gelassen wurden. Dies war der erste Moment wo sie Paul richtig fluchen hörte.

Die Seile fielen endlich und Simone glitt mit den Füßen voran auf den steinharten Untergrund hinab. Paul war herüber geeilt um sie fest zu halten. Er rieb sich noch immer den Steiß. „Where are we?“ - „Das ist Viento, das Dorf der Himmelswesen.“

Jetzt am Boden, fiel Simone auf, dass die Behausungen aus massivem Felsgestein bestanden, was die Theorie des grade abgetrennten Gipfels in alle Winde zerstreute.

Ihre Ankunft war nicht unbemerkt geblieben und langsam kam Leben auf.

Die paar Hütten ließen gar nicht vermuten, dass hier doch so viele Wesenheiten lebten. Die meisten besaßen Flügel oder ein Äquivalent davon. Aber es gab auch welche, die keine besaßen. Ohne fremde Hilfe war es ihnen sicherlich nicht möglich diesen Ort zu verlassen. So wie sie selbst auch nicht, wie es Simone langsam aber sicher bewusst wurde. „Shit,“ fluchte sie leise.

„Aber, aber, wer wird denn gleich? Kommt Zeit, kommt rat.“ Paul war an den Rand des 'Nestes' getreten und starrte in die Tiefe. Er kratzte sich am Kopf und pfiff leise durch die Zähne. „Da ist man lange unterwegs,“ stellte er trocken fest. Der Boden verbarg sich vor ihm in einem tiefliegenden Wolkenfeld.

„Seid ihr denn so darauf erpicht, diesen Ort schleunigst wieder zu verlassen?“ Paul und Simone wirbelten herum. Hinter ihnen war ein großer, blauer Drache aufgetaucht, der sie mit aufmerksamen Augen musterte. „AeroVeedramon“, Paul neigte kurz den Kopf als Zeichen seines Respekts. „Verzeiht, wir wollten nicht unhöflich erscheinen, aber für uns, die ohne fremde Hilfe hier oben gestrandet sind, ist es etwas unangenehm und zudem ist meine Begleitung zum ersten Mal hier.“ Das Drachendigimon nickte verstehend. „Lasst es mich nur wissen, wenn ihr abreisen wollt. Aber es wäre mir eine Freunde euch solange als Gäste begrüßen zu dürfen.“

Simone war dem Gespräch nur mit halbem Ohr gefolgt, denn ihrem Blick war nicht entgangen, dass sich etwas im Schatten des großen Drachens bewegte, das zwar einerseits versuchte möglichst nicht gesehen zu werden, aber andererseits die Neuankömmlinge aus seinem Versteck heraus musterte. Als es jedoch Simones Blick bemerkte, zog es sich hastig tiefer in den Schatten zurück. Für einen Moment hatte Simone den Eindruck dass das große Digimon leise seufzte, allerdings war sie sich jetzt nicht sicher, ob es wegen dem Gesprochenen gewesen war, oder wegen der anderen Sache.

Sie blickte fragend zu Paul, doch als dieser Simones fragenden Blick spürte zuckte er nur mit den Schultern, bevor er sich wieder AeroVeedramon zuwendete. „Natürlich nehmen wir das Angebot gerne an.“ Die Studentin schloss daraus, das er es nicht bemerkt hatte.

Als sich das große Drachendigimon umdrehte, versuchte Simone wieder einen Blick auf den kleinen Anhang zu bekommen, doch diesmal wurde ihr Suchen nicht belohnt.

„Was hast du eigentlich? Etwas, bei dem ich dir helfen kann?“ wollte Paul von Simone wissen. „I'm not sure. Aber ich dachte ich hätte da ein kleines Digimon in seinem Schatten gesehen. It seams it wana hide himself. I'm wondering why?“ - „Es wird schon seine Gründe haben.“ Paul zuckte mit den Schultern. „Vielleicht sind Menschen auf es genauso furchteinflößend wie einige Digimonarten auf uns.“
 

Als sie näher an die Bauten herantraten, konnte Simone auch wieder Clockmon erkennen, welches sich mit einigen anderen Digimon am unterhalten war. Worum es ging, verstand sie nicht, denn als sie näher kamen, verstummten die Gespräche schlagartig.

Paul schien das nichts auszumachen, während Simone den Digimon einen skeptischen Blick zuwarf. Doch diese beachteten sie überhaupt nicht.

Seufzend folgte die Studentin dem Forscher in das Innere des Gebäudes. Wie sie es schon erwartet hatte, war hier alles eher zweckmäßig eingerichtet. Die wenigen Möbelstücke die es gab, waren aus Stein gehauen. Leider auch die Sitzmöbel, die dadurch nur ein begrenztes Maß an Bequemlichkeit ausstrahlten. „Nehmt Platz.“ AeroVeedramon deutete auf genau diese. Simone seufzte im Geiste. Sie hatte es befürchtet.

„Geh nach draußen spielen. Ich habe hier etwas zu bereden.“ Für einen Moment war Simone irritiert von der Aussage, dann flitzte der kleine Schattenläufer auch schon zur Tür und war verschwunden.

„Bitte verzeiht, aber DemiVeemon ist etwas schüchtern Fremden gegenüber“, meinte AeroVeedramon entschuldigend. „Das macht doch nichts.“ Paul winkte ab. Doch bevor überhaupt ein weiteres Wort gesprochen werden konnte kamen weitere Digimon herein, die ihnen kleine Schälchen reichten und dann wieder verschwanden.

Vorsichtig nippte Simone an der klaren Flüssigkeit, stellte das Schälchen aber schnell wieder zur Seite. Sie hielt nicht viel von Alkohol. Jedoch schienen Paul und AeroVeedramon das nicht so zu sehen. Sie ließen es sich schmecken.

„Möchtest du etwas anderes?“ wurde sie plötzlich von der Seite angesprochen. Simone drehte ihren Kopf soweit herum, dass sie den kleinen Kerl erblicken konnte, der vollkommen aus Felsgestein zu bestehen schien das ungefähre humanoide Formen angenommen hatte.

„Water please“, kam ihre reflexartige Antwort.

Währenddessen hatten die anderen Beiden ein Gespräch begonnen, von dem Simone so gut wie gar nichts verstand. Irgend etwas von einer Bedrohung, Veränderungen und Verhaltensweisen von Viren. Grade, als Simone sich unter einem Vorwand versuchen wollte, abzuseilen, kam Clockmon herein.

„Paul, wir haben hier draußen ein kleines Problem.“

Ob es am Wortlaut lag oder an Clockmons Verhalten. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, unterbrach der Forscher augenblicklich das Gespräch, sprang auf und eilte zu Clockmon. AeroVeedramon folgte dicht auf. Simone bildete das Schlusslicht und blieb auch als einzigste in der Tür stehen, während die Anderen weiter hinaus eilten.

„Phantomon und Gefolge“, stöhnte Paul. „Das hat uns jetzt grade noch gefehlt. Simone du bleibst im Haus. Egal was passiert, du kommst erst raus, wenn die Luft rein ist.“

Ein heilloses Durcheinander war ausgebrochen, überall wurde gekämpft und Simone leistete Pauls Anweisung im Moment nur zu gerne Folge.

Dennoch spähte sie immer wieder hinaus. Es schien fast so, als seien die geisterhaften Wesen die Aggressoren und sie gingen nicht grade zimperlich vor. Zwei dieser Geister mit den seltsamen Hexenhüten und mit Zähnen die jeden Zahnarzt jubeln lassen würden, schwebten dicht an dem Gebäude vorbei und Simone wich ein Stück zurück.

Als sie vorbei waren, blickte Simone wieder aus einem Türspalt hinaus. Kurz konnte sie Aeroveedramon sehen, das im Kampf mit zwei Sicheltragenden Wesenheiten war. Von Paul fehlte jede Spur, doch dann hörte Simone einen leisen, hellen Schrei. Sie schielte zur Seite, woher sie das Geräusch vermutete, und erblickte DemiVeemon. Es wurde von zwei rundlichen Digimon attackiert, die anstelle Arme Flügel hatten und am rundlichen Körper als Beine und Füße scharfe Krallen. Sie spielten mit ihm. Ähnlich wie Katzen mit einer Maus.

Allein dieses Verhalten ließ bei Simone irgend etwas durchbrennen. Sie fühlte sich an eine alte Situation in der Heimat erinnert. Noch bevor sie sich der Konsequenz ihres Tuns richtig bewusst wurde, war sie bereits aus dem Haus raus und schaffte es irgendwie lebend zu DemiVeemon und den Gegnern hinüber. Das kleine Drachendigimon war von seinen Häschern auf eine der Baumstämme des Außenaufbaus getrieben worden.

„Hey, lasst ihn in Ruhe“, schrie Simone zu ihnen hinüber. Einer der Angreifer drehte sich zu ihr herum. Er trug ein Totenschädelsymbol auf der Stirn und kicherte, als er die Studentin erblickte. Es kam langsam auf sie zu, während der Andere weiterhin DemiVeemon weiter über den immer schmaler werdenden Stamm trieb, hinaus zum Abgrund. „Flieg du Drache, flieg doch davon“, kicherte einer der Angreifer und als Simone einen Schritt auf sie zumachen wollte, prallte die Attacke des Anderen unmittelbar vor ihr ins Holz. „Aber, aber. Einer nach dem Anderen.“ - „What you think, you are doing?“ - „Ach wir bringen ihm nur das fliegen bei, er sollte uns dankbar sein.“

DemiVeemon zitterte am ganzen Körper und war sichtlich bemüht das Gleichgewicht auf dem schmalen Holz zu halten, auf dem es sich mittlerweile befand.

Simone ballte die Hände zu Fäusten und sah dann plötzlich zur Seite. Aus den Augenwinkel konnte sie erkennen, dass ihr Gegner kurzzeitig irritiert war und ebenfalls dem Blick folgte. Diesen Moment nutzte sie, um ihm zu zeigen, dass sie auch schon mal zum Fußballteam ihrer Schule gehört hatte.

Der zweite Angreifer war von der Attacke Simones vollkommen irritiert, doch er stieß sich vom Holz ab, was ihn davor bewahrte das gleiche Schicksal seines Kumpans zu teilen.

Doch die Erschütterungen auf dem Holz waren zu stark. DemiVeemon geriet ins Straucheln und verlor den Halt.

Mit einem Hechtsprung griff Simone zwar nach ihm, erwischte seine Hand, doch sie lag nun flach auf dem dünnen Holz, was selbst für sie schon zu schmal war, um sich dort noch weiter groß zu regen, ohne selbst einen Absturz zu riskieren. „Na warte, das wirst du bereuen.“

„Simone!“ erklang in diesem Moment Pauls Stimme von weiter hinten. „Help me! Please“ rief sie zurück, doch die Studentin hörte das Holz bereits knacken und ihr Gegner tat sein übriges, indem er auf dem Stück vor ihnen sich nieder ließ, sie nur hämisch angrinste und auf das große Knacken wartete, das verkündete, dass der nächste Halt nun sehr, sehr weit Unten sein würde.

„Und ab dafür.“ Es flatterte in die Höhe, nur um im nächsten Moment von Andromons Attacke zu Geschichte zu werden.

Ein Schrei entwich Simones und DemiVeemons Lippen als sie in die Tiefe rauschten.

„Einen Fallschirm, oder etwas in der Art. Los mach schon. In den Aufzeichnungen stand dass die vor euch das auch konnten.“ - „Bitte?“ Die Studentin war zu geschockt um zu realisieren was DemiVeemon da sagte.

„Sehe ich aus, als könne ich fliegen? Denk nicht lange nach, tu es einfach!“ Das Digimon krallte sich an Simone fest. Kurz dachte Simone an die Aktion mit dem Boot und es erschauderte ihr. Doch es ging noch ganz weit runter. Weich würde es nicht werden und irgendwie hing sie doch noch ein wenig an ihrem Leben. Simone schloss die Augen und betete im Geiste, das es funktionieren würde.

Ein harter Ruck ging durch ihren Körper und DemiVeemon quietschte auf, als er abzurutschen drohte und hektisch nach Halt suchte.

Als die Studentin die Augen wieder öffnete konnte sie ein grünes Segel über sich erkennen. Es hatte funktioniert und sie fühlte sich zwar etwas komisch, aber bei weitem nicht so schlimm wie beim Boot. „Du hast es geschafft“, jauchzte DemiVeemon, hütete sich aber davor, auch nur eine Bewegung zu machen.

Zeitzeugen

„Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Mit diesen Worten ergriff Gazimon Quinns Hemd und zog ihn näher an das Wasser heran, bevor er sich hastig in Sicherheit brachte, ehe sich die nächste Welle am Strand brach und somit Quinns Kopf und Oberkörper kräftig durchnässte.

Der Student stieß einen leisen Schrei aus, der von der nächsten Welle gurgelnd verschluckt wurde. Hustend und spuckend durchbrach er die Oberfläche und krabbelte hastig schnell höher an den Strand.

„Na, auch schon wach?“ kommentierte Gazimon die Geschehnisse trocken. Er saß auf einem höhergelegenen Stein, wo ihn das Wasser bestimmt nicht erreichen konnte.

Seine Wunden hatten sich fast vollständig geschlossen, aber er war immer noch sauer, und das würde Quinn wohl noch eine ganze Weile zu spüren bekommen, hatte Gazimon für sich selbst beschlossen.

„Sag mal willst du mich ertränken?“ röchelte der Student, immer noch hustend. Gazimon zuckte mit den Schultern. „Sehe ich etwa danach aus, als würde ich so etwas tun?“ fragte er scheinheilig.

Mit wütendem Blick zog sich Quinn das T-Shirt über den Kopf und wrang es aus.

Wenigstens waren die Außentemperaturen nicht grade das, was man als kalt bezeichnen würde und so bereitete ihm das 'oben ohne' keine allzugroßen Probleme.

Unschlüssig blickte er zwischen sich und dem Wasser hin und her. Gefahr schien im Moment jedenfalls nicht in Verzug zu sein, denn Gazimon hatte sich auf dem Stein zusammengerollt und schien ein Nickerchen zu halten.

Quinn ließ seinen Blick schweifen, doch egal, wohin er sah es gab nur Sand zur linken, Wasser zur rechten und ein paar Steine dazwischen. Andere Digimon waren nirgendwo zu sehen.

Unterhalb von Gazimons Felsen gab es ein kleines natürliches Becken, in dem sich Meerwasser gesammelt hatte. Der Student nutzte es, um sein Hemd darin aufzuweichen, wenn es jetzt eh schon nass war, konnte er wenigstens versuchsten den gröbsten Schmutz heraus zu bekommen. Kurz darauf folgte seine Hose.

Seine Schuhe verzichtete Quinn zu waschen und stellte sie lieber auf einen Stein, so das sie nicht nass werden konnten.

„Ich sehe schon, ich entdecke jeden Tag neue Qualitäten an dir“, kam es auf einmal in einem süffisanten Tonfall von oben. „Wenn du damit fertig bist kannst du mir mein Fell in Ordnung bringen.“

Doch für diese Worte erntete Gazimon diesmal Quinns klatschnasses T-Shirt. „Ich bin doch nicht dein Diener.“ Kurz irritiert über die Attacke verlor Gazimon den Halt und fiel hinterrücks vom Stein. Ein Aufplatschen ließ erahnen wo er gelandet war.

Als jedoch danach weder ein Aufschrei noch sonst etwas zu hören war und Gazimon auch nicht wieder auf dem Stein auftauchte begann Quinn sich doch etwas Sorgen zu machen. Langsam lief er um den Wellenbrecher herum.

„Das gibt Rache! Ich sagte doch, ich hasse Wasser.“ Ein tropfnasses Gazimon stürzte sich, mit dem T-Shirt auf Quinn und diesmal versanken beide in den Fluten.

Zwei Dolphmon schwammen in der Nähe des Strandes entlang. Aufgeschreckt durch den Krach kamen sie ein Stück näher ans Land heran, als sie sahen, was dort stattfand, sahen sie sich an und schwammen vondannen.

Währenddessen kämpften die Beiden um die Vorherrschaft um das trockenere Gebiet. Bot Gazimon durch sein Fell viel Zupackfläche musste Quinn jedoch recht schnell erkennen, das dieser nicht gewillt war loszulassen, was er einmal geklammert hatte und so landete der Student auch immer wieder, getragen vom eigenen Schwung erneut unter Wasser. Durch das nasse Fell gewann Gazimon auch noch einen gewissen Gewichtsvorteil, den er geschickt zu nutzen wußte, wenn es darum ging Quinn zu tunken, oder ihm anderweitig das Leben schwer zu machen.

Nach einiger Zeit beruhigte sich die Szenerie ein wenig. Der Student lag völlig erschöpft im Sand und starrte in den Himmel. Gazimon war auf Nummer sicher gegangen und hatte sich den nächsten Felsen zu Quinn ausgesucht und versuchte nun die nervende Nässe aus seinem Fell zu bekommen. Zu allem Übel haftete der Sand dadurch auch noch besonders gut an den einzelnen Haaren. „Ich komme mir vor wie ein laufender Sandhaufen“, grummelte er leise.

Doch als von Quinn keine Reaktion erfolgte, hörte er in seinen Bemühungen auf und drehte sich zu dem Jungen um. Dieser schien überhaupt keine Notiz von ihm zu nehmen. Gazimon sprang von seinem Felsen und trat langsam zu ihm.

„Hallo? Jemand zu Hause?“ Er wedelte vor Quinns Augen auf und ab, doch der Student reagierte immer noch nicht.

„Hey.“ Ein Stoß in die Seite brachte endlich den gewünschten Erfolg. Quinn drehte sich zur Seite. „Sag mal spinnst du“, stöhnte er. „Das geht auch sanfter.“ - „Habe ich ja versucht. Aber der werte Herr schläft ja neuerdings mit offenen Augen.“ - „Ich habe nicht geschlafen. Nur nachgedacht.“ Gazimon schnaubte. „Ach, so nennt man das nun bei euch?“ Beleidigt drehte das Digimon sich um und sprang zurück auf den Felsen, wo es weiter mit dem Sand kämpfte.

Quinn sah ihm verdutzt nach. „Sag jetzt ja nicht, das du dir Sorgen gemacht hast.“ Er hielt sich immer noch die Seite.

„Wieso sollte ich?“ erwiderte Gazimon, das ihm immer noch den Rücken zudrehte und beschäftigt tat. „Ist doch alles bestens.“

##

Es war, als würde ihn etwas rufen. Hermann schreckte aus seinem unruhigen Schlaf auf, doch er war alleine. Niemand teilte sich den Raum mit ihm. Zwar drang gedämpfter Krach von Draußen herein, doch dieser 'Ruf' war vollkommen klar gewesen, nichts gedämpftes. Noch einmal ließ der Student seinen Blick schweifen, dann sank er, leicht genervt, wieder zurück. Doch noch bevor er seine Augen schließen konnte, erklang der 'Ruf' erneut. Es war jedoch weniger das rufen seines Namens, als mehr das Gefühl, als riefe man nach seiner Person. Wurde er jetzt ganz kirre? Ignorieren ließ sich diese Sache jedoch nicht, dazu war sie zu hartnäckig.

Schließlich traf er eine Entscheidung, angelte nach seinem Hemd und streifte dieses vorsichtig über seinen bandagierten Oberkörper. Es ziepste immer noch, war aber auszuhalten.

Leise verließ er die Behausung. Fast augenblicklich wurde der Student von Massen an unterschiedlichsten Digimon mitgerissen. Gegen die Vielen anzukämpfen war sinnlos, und so versuchte er sich nur am Rand zu halten und das was er sah halbwegs in, für ihn erträgliche, Bahnen zu denken. Hermann war sich durchaus bewusst, das zahlreiche Blicke auf ihm ruhten, was die Sache auch nicht grade angenehmer machte.

Sobald es ging, bog er in Seitenstraßen ab und lehnte sich an die Wand. Doch lange fand er dort auch keinen Frieden, denn einige Wesenheiten, die Simone sicherlich als große Goblins bezeichnen würde, verirrten sich auch hierher und begannen sich zu streiten, was nur wenige Sekunden später in eine wüste Prügelei gipfelte.

Hastig suchte Hermann das Weite und lief einfach immer weiter, bis er plötzlich vor einem großen, neumodischen Gebäude wiederfand. Ein Schild zeichnete es als 'Museum' aus. Warum auch immer, Hermann hatte das Gefühl, hier richtig zu sein.

Langsam schritt er die paar Stufen hinauf, die zum Eingang führten. Es gab so etwas wie ein Kartenhäuschen, aber dieses war verlassen. Jedoch verkündete ein Schild daneben, dass geöffnet sei. Eine weitere Tür trennte den Eingangsbereich vom Museumsteil ab.

Nachdem Hermann diese durchschritten hatte, fand er sich in einer großen Halle wieder. In der Mitte stand, als Blickfang, eine große Gruppenstatue. 8 Personen waren darauf abgebildet. 'Den Menschen gewidmet, die unsere Gemeinschaft auf so tragische Weise verlassen mussten.'

Am Sockel der Statue war eine Gedenktafel angebracht. Sie war so voller Namen, dass sie sich einmal komplett darum zog. Als Hermann einen der Namen berührte begann erst er zu leuchten, dann die daneben, und in einer Wellenbewegung setzte es sich fort, über die Gedenktafel hinaus, am Boden entlang, durch den ganzen Saal.

Der Student zuckte zurück. Sofort verlosch erst der Name den er berührt hatte, danach die Anderen. Das mussten hunderte Namen sein. Er schluckte schwer.

„Entsetzlich, nicht? Die Halle reichte fast nicht für alle Namen.“ Hermann zuckte zusammen und wirbelte herum. Doch da war niemand.

„Hier unten!“

Als der Junge den Blick senkte, konnte er etwas erkennen, was man vielleicht als 'älteres Hobbit-Ehepaar' bezeichnen konnte. Zumindest sahen die männliche Ausgabe ungefähr so aus. Auch wenn man bei dem 'Opa' kein wirkliches Gesicht, unter all den Kopf und Barthaaren sehen konnte. Er trug zerschlissene Kleidung und einen Stab den eine art Katzenklaue krönte. Die weibliche Ausgabe davon war schon mehr gepflegt, trug einen Besen mit sich herum, warum auch immer man ein Haushaltsgerät mit ins Museum nahm, und hatte die Haare zu einem Dutt hochgesteckt. Auch ihre Augen waren von Haaren verborgen, die spitzen Ohren und der Mund jedoch nicht.

„Niemand hat es verdient so zu sterben. Weder Digimon noch Mensch.“ Immernoch war Hermann sprachlos. Selbst nachdem er mehrmals geschluckt hatte, klang seine Stimme kratzig und leise. „So viele?“

Die Frage kam ihm im nachhinein selbst mehr als töricht vor. Langsam begann alles für ihn ein Bild zu ergeben. Der große Kampfplatz, die vielen Bilder ... bisher war Hermann immer noch von einer ganz kleinen Minderheit ausgegangen, und dann alle ausgelöscht an einem einzigen Tag.

Wie hatte man so etwas vertuschen können? Es hätte doch, zumindest in den Familien oder im engsten Freundeskreis auffallen müssen, wenn da plötzlich einer nicht mehr da war. Wer oder was besaß so große Macht, die Leute so zu manipulieren und zu beeinflussen? Und Quinn und Paul zogen einfach so drauf los...

„Alles in Ordnung?“

Hermann wurde aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich hastig von der Statue weg, dessen Anblick er auf einmal nicht mehr ertragen konnte. „Es... es geht schon.“ Er spürte, dass seine Wangen feucht waren. Hastig wischte Hermann es weg. Er zitterte leicht.

„Sicher?“ - „Jaah.“ Wie zum Zeichen, begann sich der Student nun die Vitrinen anzusehen, die man an den Wänden entlang aufgestellt hatte und die diverse Exponate enthielten die fast ausschließlich aus seiner Welt stammten. Die Dinge waren zwar durch die Bank veraltet, aber besser vertraut, als das Meiste hier. Es gab Bücher, aber auch Cassetten, Dinge die man früher so mit sich herumgetragen hatte, ein Mischpult mit Schallplatten, scheinbar war wenigstens einer der Leute DJ gewesen und sogar ein Gebiß, was auf ein hohes Alter des Besitzers schließen ließ. Als Hermann das Schild darunter las, einige der Dinge waren wohl noch Personen zuzuordnen gewesen, wurde er in seiner Vermutung bestätigt. 84 Jahre alt war die Frau geworden und ihr Partner war Myotismon gewesen. Auch wenn er sich unter diesem Namen nichts vorstellen konnte.

Doch die bedrückende Stimmung blieb, wurde mit jedem Gegenstand, der einen Besitzernamen trug, sogar noch belastender.

„Es war schon immer ein Privileg auserwählt zu werden. Viele wollten es, aber nur wenigen war es schlußendlich vergönnt.“ Das 'Ehepaar' war wieder näher zu ihm getreten und der 'Mann' sah ihn an. „Nur diejenigen, die ein reines, starkes Herz hatten, klare Vorstellungen, Opferbereitschaft und den Blick für die wirklich wichtigen Dinge im Leben konnten sich sicher sein, in ein engeres Auswahlverfahren zu gelangen, was noch nicht bedeutete, dass man dadurch auch schon automatisch weiterkam. Ein paar weitere Prüfungen musste jeder über sich ergehen lassen. Es gab früher viele, die das, wass dann passieren konnte, als 'Bund fürs Leben' bezeichneten.“
 

Etwa auf der Hälfte der Halle, genau gegenüber des Einganges, hörten die Vitrinen auf und machten einem runden Glaskasten Platz. Irgendwie wirkte er ein wenig, zwischen den ganzen eckigen Ausstellungsflächen, verloren. Auch wenn das, was es beinhaltete wieder eckig war.

Ein, etwa 2 Handteller großer Quader lag darin auf einer art Kissen gebettet. Die Außenwände waren durchsichtig und in der Höhe etwa 2 cm. Im unteren Fünftel befand sich eine dunkelblaue, glänzende Substanz in die ein ziemlich kompliziert anmutender Schaltkreis mit kleinen Prozessoreinheiten und Unterbrechern, sowie 6 Dioden am oberen Rand gebettet war. Die Lampen waren dunkel und auch sonst wirkte das Gerät ziemlich tot. Hermann konnte nichts erkennen, was auf Batterien oder sonst eine Art der Stromversorgung hindeutete. Als er jedoch sich mit einer Hand kurz am Glas abstützte, war es ihm, als höre er wieder dieses Rufen, diesmal aber mehr als ein Flüstern. Generell, fiel ihm jetzt erst auf, hatte er seitdem er diesen Raum betrat, nichts mehr diesbezügliches gehört. Trotzdem zog er hastig die Hand zurück. Fast augenblicklich verstummte das Flüstern.

„Ein schönes Exponat, oder?“ Diesmal war es die Frau, die das Wort ergriff. „Eins der wenigen Werke aus der Zusammenarbeit beider Welten, das heute noch existiert. Sie waren damals schon ziemlich selten, heute dürfte es wohl ein Unikat sein.“ - „Was ist das?“ Die Frage war Hermann herausgerutscht, bevor er es überhaupt bemerkte. Doch die Alte schien auf genau Diese gewartet zu haben. „Der Stein der Suchenden, oder auch Seeker-Stone, wurde er von euch genannt. Geschaffen aus Digimon- und Menschentechnologie. Ursprünglich dafür gedacht um Wächter zu finden, und sie in der ersten Zeit vor Gefahren zu schützen, bevor sie ihren Partner finden. Das ist ein Mitgrund, warum es nur Menschen möglich war, sie zu nutzen.“ Sie sah ihn plötzlich scharf an. „Aber nicht jeder ist dafür geeignet.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schritt sie davon.

Verwirrt sah der Student ihr nach. Irrte er sich, oder hatte sie ihm eben einen mitleidigen Blick zugeworfen? Er schüttelte den Kopf, um ihn wieder frei zu bekommen und wollte sich den weiteren Vitrinen zuwenden, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ein leiese Klacken war zu hören, dann befand sich das Gerät nicht mehr auf dem Kissen sondern schwebte knapp darüber. Es stieß leicht an die hintere Wölbung des Abdeckglases, was das Geräusch erklärte.

„Ähm, hallo?“ Suchend sah Hermann sich um, vielleicht konnten ihm diese zwei ja erklären, was da abgeht. Doch kaum, dass er sich ein Stück weit umgedreht hatte, explodierte das Glas hinter ihm förmlich. Scharfe Scherben flogen ihm um die Ohren und er ließ sich schnell fallen. Zur eigenen Überraschung verfehlten die meisten Glassplitter ihn jedoch, und das, obwohl er direkt davor gestanden hatte. Nur seine Hände und die Arme wurden leicht angerizt.

„Junge, was hast du angestellt!“ Die beiden Digimon waren hinter der Statue gewesen und kamen nun eiligst zu ihm.

„Das war ich nicht, ehrlich.“ beteuerte Hermann noch, doch dann bemerkte er, dass sie ihn gar nicht ansahen sondern zu einem Punkt über dem Studenten.

Als auch er den Blick hob schwebte dieses Gerät genau über ihm.

Hastig wollte Hermann das Ding zurücklegen, doch als sich seine Finger darum schlossen war es, als bräche eine Tsunami über ihn herein. Eine reißende Woge aus Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen und Eindrücken raste durch seinen Geist und hinterließ nichts als Schwärze.

List

Nachdem sie scheinbar eine Ewigkeit unterwegs gewesen waren, wobei sich die beiden Streithähne von Anfang an fast durchgehend gezofft hatten, blieb Peckmon plötzlich stehen. Katrin musste kurz um ihr Gleichgewicht kämpfen.

„Wir sind da“, meinte Hawkmon schließlich. „Du kannst absteigen und die Augenbinde abnehmen.“ Peckmon zischte etwas unverständliches. „Na soll sie denn die ganze Zeit damit rumlaufen? Nachher passiert ihr noch etwas. Willst du sie etwa führen?“

Katrin wurde es schließlich zu bunt und sie nahm sich die Augenbinde selbst ab. „Sagt mal, könnt ihr eigentlich auch noch etwas anderes, außer streiten“, murrte sie leise, während sie herabglitt.

Im ersten Moment dachte sie an einen schlechten Scherz, denn das, was sie da sah war eine saftig grüne Lichtung, durch die ein kleiner Fluss floss und wo man überhaupt keine Hinweise auf irgend eine Art von Zivilisation erkennen konnte.

Ratlos sah Katrin sich um, bevor Hawkmon nach oben deutete.

Mitten in den Bäumen, gut getarnt durch die unteren Äste und die daran hängenden Blätter konnte man die Unterseiten von Hütten erahnen, aber auch nur, wenn man ganz genau hinsah, oder zufällig eine der schmalen Brücken ausmachte. Einige Baumriesen dienten als Fundamente. Katrin hob eine Augenbraue.

Auf genau solch einen Baumriesen hielten die beiden schrägen Vögel nun zu. Nachdem Peckmon einen bestimmten Code gegen den Stamm gehack hatte, schwang ein Stück Rinde zur Seite. Katrin hätte schwören können, dass dort eben noch nichts zu sehen gewesen war, von der Tür, sondern nur massives Stammwerk.

Nachdem sie hindurchgeschritten waren, umfing sie Dunkelheit. Jedenfalls dachte die Studentin das zuerst, bevor sich ihre Augen langsam an die dunkle Zwielicht gewöhnt hatte. Einige Schatten huschten über sie hinweg. „Sei unbesorgt, das sind nur Ninjamon. Sie sind unsere erste Verteidigungslinie, falls es Unbefugten gelingen sollte, soweit vorzudringen. Am Besten verhällst du dich ruhig, dann wird dir schon nichts passieren“, schärfte Hawkmon ihr noch einmal ein. „Aha... sicher“, Katrin verzog das Gesicht zu einem gezwungenen Lächeln.

Zügig führten Hawkmon und Peckmon Katrin zu einer Treppe, die sich an den inneren Teil des Stammes schmiegte, der ziemlich glatt wirkte, und nach oben führte.

Nachdem sie etliche Stufen gestiegen waren, landeten sie in einem Lagerbaumhaus. An den Wänden waren Waren, Waffen und andere Dinge gestapelt, die man so für das tägliche Leben in einem größeren Dorf brauchte.

„Hier lang.“ Hawkmon führte sie aus dem Haus heraus, über eine Brücke hinweg, bevor sie vor einem einzelnen, größeren, Baumhaus stehen blieben.

Als sie die Brücke verließen hatte Katrin für einen Moment das Gefühl, als würden Vögel singen, doch als sie sich umsah, konnte sie nicht einen entdecken. Verwirrt blickte sie zu den Beiden. „Nachtigallenboden“, klärte Peckmon sie auf. „Kleine Stahlnägel im höhergelagerten Holz, die bei Belastung absinken und dabei über Metallplatten schaben. Das gibt den Ton. Eine gute Möglichkeit jemanden dezent anzukündigen. Du wirst es vor vielen bewohnten Gebäuden finden, also nicht wundern.“

„Halt! Was tut ihr da?“ Wie aus dem Nichts schnellte ein Wesen von den oberen Ästen zu ihnen hinunter. Es war ein stück weit größer, Den Kopf durch Kappe und Gesichtsschutz verdeckt, eine art Leinenkleidung, sowei zwei große, blattähnliche Umhangteile. Die Gliedmaßen waren merkwürdig verdreht und endeten in Wurfsternen. Auf dem Rücken trug es ein großes Shuriken.

„Wir bringen diesen Menschen zum Ältesten, Shurimon.“ Der Neuankömmling murmelte etwas unverständliches, verschwand dann aber genauso plötzlich wieder, wie es aufgetaucht war.

Hawkmon kratzte sich am Kopf. „Irgenwie hat Shurimon heute schlechte Laune.“

Wieder wandten sie sich der Tür zu, doch bevor sie eintreten konnten, wurde bereits geöffnet. Mehrere Digimon verließen das Innere, wobei einige demjenigen nahe kamen, dass sie in ihrem Dojo schon einmal gesehen hatte. Andere ähnelten gedrungenen, fast runden Ninjas.

Allesamt schienen sie Katrin beim vorbeigehen zu ignorieren. Doch hinterrücks spürte sie Blicke die auf ihr ruhten als sie eintraten.

Drinnen hingen einige Feuerkessel unter der Decke und spendeten genügend Licht, um den gesamten Innenraum auszuleuchten. Zudem gab es in der Decke einige Aussparungen durch die Sonnenlicht einfallen konnte, welche es durch die Blätter schaffte und der Rauch sich verzog.

Ein großer Körper saß im Schneidersitz am anderen Ende des Raumes. Das affenähnliche Wesen hatte goldenes Fell und im Moment waren seine Augen geschlossen. Es schien zu meditieren, jedenfalls deutete dies auch die Haltung der Hände an. Vor ihm lag ein großer Knochen.

Auf halbem Weg blieben die beiden Digimon stehen und geboten auch Katrin diesem folgen zu leisten. „Apemon-sama, verzeiht die Störung, aber wir haben Besuch aus der anderen Welt.“

Am Anfang passierte überhaupt nichts, dann öffnete der Angesprochene die Augen und erhob sich. Katrin musste den Kopf heben, um ihn weiter im Blick zu halten. Dieses Apemon war groß.

Langsam kam es auf sie zu und musterte die Studentin mit echtem Interesse.

„Sei gegrüßt in unserem Dorf. Mein Name ist Hanumon, beziehungsweise die meisten Wächter früher nannten mich Apemon.“ Katrin musste sich arg zusammenreißen. Es kannte also noch die Alten Zeiten!

Doch es schien sie nicht direkt aufklären zu wollen sondern deutet stattdessen an, das sie sich auf den Boden setzen sollten, bevor es sich ebenfalls wieder im Schneidersitz niederließ. Es wieß Peckmon und Hawkmon an zu erzählen, wie sie Katrin gefunden hatten, wobei es jedoch nicht verhindern konnte, dass sich die Beiden wieder in die Wolle bekamen, wer von ihnen zuerst die Studentin aus dem Sturm fallen sah. Erst eine harsche Handbewegung sorgte dafür, dass die beiden Streithähne verstummten, bevor es sich an Katrin wandte. „Du hast sicherlich viele Fragen, die eine Antwort verdienen, doch leider kann ich sie dir im Moment nicht beantworten, da es meine Zeit nicht zulässt. Vielleicht solltest du dir ein wenig das Dorf ansehen, bis ich meine Arbeiten erledigt habe. Danach werde ich nach dir schicken und deine Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantworten.“

Damit war Katrin entlassen, so zumindest machte er den Eindruck auf sie, was der Studentin nicht wirklich gefiel. Doch bevor sie sich erheben konnte, gebot Apemon ihnen mit einer weiteren Geste zu warten. Er winkte einem Ninjamon zu, das nahe der Tür stand, welches diese mit einem Ruck aufriß. Mehrere Digimon fielen fast in das Haus hinein.

„Scheint so, als habe sich deine Ankunft herumgesprochen“, meinte Apemon trocken, während die Lauscher hastig das Weite suchten. Einem davon fiel eine kleiner Button herunter. Hastig fischte er es auf und ließ es in seiner Rüstung verschwinden. Die Studentin kniff die Augen zusammen. Sie kannte das Logo darauf.

Doch bis Katrin vor der Tür stand, war von dem Digimon nichts mehr zu sehen. „Was ist los?“ wollte Hawkmon wissen. „Sag mal, waren von euch welche die letzten Tage in unserer Welt?“ Hawkmon zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich war im Wacheinsatz, da bekommt man nicht soviel mit, was im Dorf geschieht.“ Katrin seufzte. Wäre auch zu schön gewesen.

Einer der Ninjamon mischte sich ein. „Eines der Kotemon behauptet in der realen Welt gewesen zu sein.“ Es deutete in eine Richtung. „Wenn du mehr wissen willst, versuch es mal am Geysir.“ Noch bevor Katrin sich bedanken konnte, war das Ninjamon schon in einem der Bäume verschwunden. „Sag mal, sind die hier alle so?“ fragte sie Hawkmon leise und spielte damit auch auf das Verhalten von Shurimon an.

Doch der kleine Adler blieb ihr eine Antwort schuldig, denn auch Peckmon gesellte sich wieder zu ihnen. „Was machen wir nun?“ kam es von ihm und in Gedanken betete Katrin dass sie sich jetzt nicht wieder in die Wolle bekamen. „Ich möchte zu diesem Geysir, den es hier geben soll“, sagte sie deshalb schnell. Hawkmon wußte natürlich worum es ging, doch Peckmon schien für einen Moment erstaunt und verwirrt. „Ich bring sie hin,“ sagte Hawkmon schnell. „Nein, warte ich übernehme das, du hast sicherlich noch etwas anderes zu...“

Katrin lief einfach in die Richtung los, in die das Ninjamon gezeigt hatte und ließ die beiden Streithähne zurück.

Doch weit kam sie nicht. Schnell schlossen die Beiden wieder auf. „Du solltest nicht alleine hier herumlaufen.“ - „Bitte, seid nur einen Moment ruhig.“ Katrin musste sich kontrollieren, das ihre Stimme ruhig blieb. Aber die Anspannung war trotzdem zu hören.
 

Am Geysir angelangt, Hawkmon hatte ihr zwischendurch erklärt, dass mit dem heißen Wasser die ganze Baumsiedlung versorgt wurde, und das ohne, das sie sich zankten, erlebte Katrin eine positive Überraschung.

Dort unten gab es heiße Quellen. Sie waren zwar abgetrennt, das man sie nicht einsehen konnte, aber ein Schild wies darauf hin. Nur dummerweise konnte man durch den Sichtschutz auch das gesuchte Kotemon nirgendwo erblicken.

Seufzend stützte sie sich auf einigen Seilen ab, die die Brücke fixierten.

„Möchtest du auch ein Bad nehmen?“ fragte auf einmal Peckmon von hinten. „Ich denke, dass sich dies einrichten lassen könnte. Immerhin dauert es noch, bis Apemon wieder Zeit hat.“

Katrin nickte nur. Sie erhoffte sich eine Möglichkeit vielleicht dieses Kotemon wiederzufinden.

##

Ein Hustenreiz holte Simone wieder in das Reich der Lebenden zurück. Sie spuckte etwas Wasser aus und stöhnte. Vom Wasser rundgeschliffene Steine dienten im Moment als ihre Unterlage und waren alles andere als weich.

In einiger Entfernung rauschte ein Wasserfall und je länger Simone einfach nur dalag, dem Wasserrauschen zuhörte, desto mehr kehrten die Erinnerungen zurück.

Erinnerungen die nicht sehr schön waren. Die Nummer mit dem Fallschirm war zwar ganz nett gewesen, aber sie waren dem Grund, in diesem Falle der Wasseroberfläche eines Flusses, dennoch zu nahe gewesen. Der Aufprall war nicht von schlechten Eltern und dannach hatten sie am eigenen Leibe erfahren können, wie man sich beim Rafting fühlte. Nur das ihnen leider kein Boot zur Verfügung stand und bevor Simone etwas unternehmen konnte kamen die Felsen und dann nichts mehr. Irgendwann in der Zeit hatte sich auch der Fallschirm verabschiedet, wohl in dem Moment als sie ohnmächtig geworden war.

Langsam wurmte es Simone ziemlich. Das war schon das zweite Mal heute, das es sie aus den Socken gehauen hatte. Mit einem Ächzen stemmte sie sich in die Höhe und zog die Beine aus dem Wasser.

„DemVeemon?“ murmelte sie leise, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, das sich noch alles an seinem Platz befand.

Als Simone im ersten Moment keine Antwort erhielt, blickte sie sich suchend um. In einiger Entfernung, etwas weiter den Fluss hinab, lag etwas Blaues zusammengekauert. Es sah ziemlich ramponiert aus und Simone zweifelte keinen Moment daran das sie wahrscheinlich einen ähnlichen Anblick bot. Langsam taumelte sie zu ihrem Leidensgenossen hinüber, der noch nicht wieder bei Bewußtsein war.

Vorsichtig hob sie es hoch. Äußerlich schien DemiVeemon nicht stark verletzt zu sein, sah man von den Prellungen mal ab. Als Simone es berührte, klammerte sich das kleine Digimon an ihren Arm, ohne aufzuwachen.

Simone stutzte, dachte sich aber nichts weiter dabei und zog DemiVeemon vorsichtig in eine Position, in der sie es besser mit der Hand greifen konnte, an dem es sich festhielt. Dann sah die Studentin sich um. Ihre Klamotten klebten immer noch am Körper. Erst einmal wollte Simone sich einen Ort suchen, an der sie die Sachen trocknen konnte, bevor sie sich noch den Tod holte.

Nachdenklich blickte sie zurück. Der Wasserfall war verdammt hoch gewesen und die Berge dahinter verschwanden in den Wolken. Irgendwo dort oben war Viento. Sie seufzte leise und wanderte durch den Kies.

Das gesamte Gelände bestand aus großen und kleinen Fellsbrocken und es dauerte eine ganze Weile, bis die Studentin eine kleine Höhle gefunden hatte, in die man sich ein wenig zurückziehen konnte.

In der Nähe gab es sogar etwas Treibholz, aber es war so nass, dass Simone Zweifel daran hegte, ob sie das Zeug überhaupt zum brennen bekommen würde. Aber dadurch, dass sie auch nur eine Hand zur Verfügung hatte, wurde das Unterfangen zusätzlich erschwert.

DemiVeemon war unterdessen von der Ohnmacht in den Schlaf hinübergeglitten, ließ sie aber immer noch nicht los. So musst sie weitere Exkursionen wohl erstmal auf später aufschieben, denn bei diesem felsigen Gelände brauchte man beide Hände um für alle Tücken gerüstet zu sein.

Wie sie es schon geahnt hatte, wurde aus dem Feuer auch nichts, und Simone zog sich an die hinterste Ecke der Höhle zurück.

Nach gefühlten 5 Sekunden schreckte Simone hoch. Sie war langsam weggedämmert und fragte sich für einen Moment, ob ihre klappernden Zähne sie geweckt hatten. Doch dann bemerkte die Studentin, dass das Gewicht an ihrem Arm fehlte. DemiVeemon war verschwunden. War es etwa alleine aufgebrochen?

Suchend blickte Simone sich um, doch in der Höhle war das Digimon nicht.Langsam, um nicht abzurutschen, trat sie aus der Höhle. Im fahlen Licht und auf einem der Steine erblickte sie das kleine blaue Häufchen Elend. Sein Gesicht war zum Wasserfall gerichtet, doch der Blick verlor sich in der Weite dahinter.

„Heimweh?“ fragte Simone auf Deutsch. DemiVeemon nickte. „Danke, dass du mich vor DemiDevimon beschützt hast“, meinte es leise.

Da glitt ein Schatten über sie hinweg. DemiVeemon hob den Kopf. „Harpyhmon.“ In seinem Gesicht zeigte sich so etwas wie Hoffnung. „Bestimmt kann es mich nach Hause zurückbringen.“ Simone versetzten die Worte einen leichten Stich und sie blickte dem Wesen hinterher. Dann würden sich ihre Wege wohl trennen, denn Beide würde dieses Harphymon bestimmt nicht tragen können. Es flog gegen die Sonne, welche durch hohe Wolkenschichten schien, weshalb man nur Schatten erahnen konnte. Die Beine endeten in langen Krallen, während die Flügel die Arme verkörperten. Der Körper sah annähernd humanoid aus und es schien eine art Turban zu tragen. Zu mehr und dem Gesicht konnte sie, wegen der Sonne nichts sagen.

„Harpymon, kannst du mich bitte nach Hause bringen?“ rief DemiVeemon zu dem Wesen hinauf. Warum auch immer, sie hatte mit einem Mal ein schlechtes Gefühl in der Magengegend. „DemiVeemon ich weiß nicht...“ - „Es ist ein Freund“, versuchte das kleine Digimon sie zu beschwichtigen und lief lachend auf Harpymon zu, welches plötzlich eine Ausfall machte.

Die Klauen verfehlten DemiVeemon nur um wenige Millimeter, und das auch nur, weil das kleine Digimon auf einigen Steinen weggerutscht war. Aber allein schon wie sie über dem blauen Wesen zusammenschlugen zeigte Simone, dass Harpymon nicht auf freundlichem Besuch aus war. Schnell schraubte es sich wieder in die Höhe.

Schnell schloss Simone zu DemiVeemon auf, was sich sofort zwischen ihren Beinen zusammenkauerte und zitterte. „Warum? Es ist doch ein Freund...“ stammelte es leise. „Also eure Verständnis von Freundschaft ist merkwürdig.“

„Menschlein mach mir keinen Ärger und übergib mir den kleinen Snack, dann lasse ich dich ziehen.“ - „Dream on!“ rief Simone zu dem geflügelten Wesen hinauf. Sie stellte sich breitbeinig hin und suchte nach etwas, womit sie sich und DemiVeemon verteidigen konnte. Schließlich fand sie genügend Konzentration für einen metallenen Baseballschläger, doch Harpymon zeigte sich nicht wirklich beeindruckt. Stattdessen begann das geflügelte Wesen zu kichern. „Du bist ja noch feiger als gedacht. Lässt den Menschen an deiner Stelle kämpfen.“ Mit einem triumphalen Aufschrei stürzte es sich wieder in die Tiefe, wich dem Baseballschläger spielend aus und grub stattdessen seine Klauen ein Stück weit in Simones Arm. Ein erschreckter Schrei entfuhr der Studentin, während ihr der Schläger aus der Hand fiel und das fliegende Digimon wieder abdrehte und an Höhe gewann. Wütend sah Simone dem Flieger nach. „You think i give DemiVeemon so easy to you, after I saved him from DemiDevimon?“ Sie streckte ihm den Mittelfinger der gesunden Hand hinterher.

Die Wunde war nicht tief, anscheinend sollte es eine Art Warnschuss gewesen sein, aber sie blutete doch ziemlich.

„Mir solls recht sein, wenn du nicht drauf eingehen willst. Dann schalte ich dich zuerst aus und dann knöpfe ich mir dieses Weichei vor.“ Wieder stieß Harphymon auf sie herunter. Doch bevor es diesmal Simone erreichen konnte, sprang DemiVeemon an der Studentin hinauf. Doch es war zu langsam, um eine Gegenattacke starten zu können. Stattdessen kassierte es den vollen Angriff und wurde fortgeschleudert, irgendwohin in die Steinlandschaft. „Oh, du hast ja doch noch so etwas wie Mumm. Schade nur, dass es dir in deinem derzeitigen Zustand nicht hilft“, stichelte das geflügelte Wesen weiter.

Simone jedoch nutzte die Zeit, die das Wesen brauchte, um wieder an Höhe zu gewinnen, um selbst herumzuwirbeln, DemiVeemon im lauf zu greifen und zurück in die Höhle zu rennen. „Lauft nur, lauft. Versteckt euch nur, ich habe Zeit. Früher oder später müsst ihr da rauskommen und dann seid ihr mein“, scholl die Stimme durch den schmalen Eingang zu ihnen hinein.

Doch Simone beachtete sie kaum, stattdessen umwickelte sie ihre Wunde mit dem unteren Teil ihres T-Shirt provisorisch. Sie musste unbedingt etwas richtiges zum Verbinden finden. Doch um DemiVeemon machte sie sich im Moment mehr Sorgen. Die Wunde bei ihm war die Schulter und die linke Brust entlang so tief, dass man bläuliche Daten sehen konnte, die langsam auszufasern begannen.

„Entschuldige, das ich so feige war und das du dadurch verletzt wurdest“, sagte DemiVeemon flach. „Ich hätte mich weniger auf die Bücher, als auf das Kämpfen konzentrieren sollen.“ Es zuckte leicht mit der unverletzten Schulter. „Aber jetzt ist es für so eine Erkenntnis eh zu spät.“ - „What do you mean?“ - „Der Angriff eben hat mich bis in meine Grundstruktur verletzt.“ DemiVeemon hob den Kopf um die Wunde zu sehen. „Von so etwas erholt man sich nicht mehr. Mir bleiben höchstens noch Minuten.“ - „Can't I do something?“ Das Digimon schüttelte den Kopf. „Nein. Es gäbe zwar vielleicht eine Möglichkeit, doch du solltest dir einen stärkeren Partner suchen als mich. Ich bin unwürdig für so etwas.“ DemiVeemon erzitterte in Simones Armen.

„Don't talk such a bullshit.“ Simone ballte ihre unverletzte Hand zur Faust. Tränen stiegen ihr in die Augen. „Bitte weine nicht wegen mir.“ Doch diesmal schüttelte die Studentin den Kopf. „What should I do?“

Für einen Moment kam es Simeone vor in DemiVeemons Augen so etwas wie Hoffnung funkeln zu sehen.

„Eigentlich wird der Ritus von wenigen Bestimmten ausgeführt, aber es gibt alte Aufzeichnungen wie es früher vonstatten ging.“ DemiVeemon angelte nach Simones verletztem Arm und versuchte ihn, mit erlahmenden Kräften aus dem Shirt zu befreien. „What are you doing?“ - „Vertrau mir.“ Allein schon diese kleine Anstrengung ließ DemiVeemon erneut zittern und die Datenstränger zerfaserten stärker. Simone tat es selber. „And now?“ Sie schaute mißmutig auf ihre Wunde, die an den Rändern zwar schon zu verheilen begann, aber in der Mitte immer noch blutete. „Kürzen wirs ab und hoffen, das es klappt.“ DemiVeemon versuchte etwas, wie ein Lächeln zustande zu bringen. Es angelte nach Simones Hand und hielt sie fest. „Willst du mich als deinen Partner akzeptieren aber auch im gleichen Zug meiner werden, trotz meiner Macken? Bis zum Ende?“ Die Stimme des Digimons wurde immer schwächer. „Wenn ja, dann leg deine Wunde auf meine.“ DemiVeemon fielen die Augen zu. Simone tat wie geheißen. Sie verstand aber nicht, was es bringen sollte. Das einzige, was sie spürte war ein ziemliches prickeln.

„And now?“ DemiVeemon bewegte schwach die Lippen, so als ob es etwas sagen wollte, doch Simone verstand nichts und beugte sich herab.

Mit einem letzten Aufbäumen angelte DemiVeemon nach ihrer Kette und zog sich an ihren Hals. Dann ging alles ganz schnell. DemiVeemon begann zu glühen und Simone schloss geblendet die Augen, während sie mit der gesunden Hand nach dem Digimon greifen wollte.
 

„You are heavy...“ Das Erste, woran Simone merkte, dass sich etwas verändert hatte, war der Umstand, dass das Digimon auf einmal ein ganzes Stück größer und schwerer geworden war.

„Oh, entschuldige“, es ließ die Kette los und sprang auf den Boden. Erst jetzt wurde die Größe der Veränderung sichtbar. Sein Körper war nun deutlich ausgebauter. Neben richtigen Händen und Füßen mit 3 Klauen anstelle von Zehen und ihm wuchs ein kleines Horn auf der Nase. Zudem zierte nun ein gelbes V seine Stirn, knapp über den Augen. Von der Wunde fehlte jede Spur.

„DemiVeemon?“ fragte Simone irritiert. „Nein Veemon, dein Partner.“ Das Digimon lächelte Simone glücklich an. „Die alten Beschreibungen entsprachen also doch der Wahrheit“, seufzte es erleichert. „Das hat mich gerettet.“ Veemon kam zu Simone, die immer noch halb saß und umarmte sie leidenschaftlich. Man konnte ihm die Erleichterung anmerken.

„So, und jetzt fehlt eigentlich nur der zweite Teil“, verkündete Veemon ausgelassen. Simone stutzte. „The second part?“ - „Ja, die Namensgebung.“ - „But you have one.“ Veemon sah Verwirrung in Simones Gesicht. „Das war früher schon Tradition. Ich habe mir auch schon ein paar überlegt.“

Grade als Veemon anfangen wollte, wurde es auch schon von Harpymon unterbrochen. „Hallo? Ihr da drin lebt aber noch, oder?“ Simone seufzte. Ach stimmte ja, das Vieh war ja auch noch da. „Of course“, blaffte Simone nach Draußen. „Why such a hurry now? I thought you said that you have time.“ - „Schon aber die Warterei nervt“, maulte das Digimon von draußen herein. „Dann verzieh dich doch endlich“, rief nun auch Veemon, dem es sichtlich nicht gefiel, unterbrochen worden zu sein, doch Simone hob die Hand und legte einen Finger auf ihre Lippen. „The name-thing... Is it ok, when we do it later? More important is to stay alive, or?“ Sie sah Veemon bittend an, und nach einer knappen Sekunde nickte das Digimon.

Gemeinsam warfen sie einen kurzen Blick nach draußen, indem sie eine nahe Wasserpfütze als Spiegel gebrauchten. Harpymon saß immer noch über ihnen und sah gelangweilt in der Gegend herum. Dieses Digimon hatte eindeutig Zeit zuviel, massive Langeweile oder sehnte sich nach einem Erfolgserlebnis, wozu es die Beiden wohl auserkohren hatte. Gegner waren sie ja wirklich nicht.

Scheinbar hatte es die Geschehnisse nicht ganz mitbekommen. Ein Punkt für sie, den sie sicherlich noch nutzen konnten. Allerdings lag das Kräfteverhältnis im Moment noch zu ihren Ungunsten.

Veemon wandte den Blick ab und richtete ihn stattdessen nach unten. Es griff nach einigen runden Steinen und betrachtete sie genauer. „Ja, so müsste es gehen.“ Veemon schloss seine Hand darum und drehte sich zu Simone um. Dann erklärte es ihr den Plan.

Kurz darauf verließ die Studentin mit hängenden Schultern das Versteck. „Na, gebt ihr endlich auf?“ Simone nickte leicht, während sie dem Digimon weiterhin den Rücken zuwandte. Sie blieb etwas neben der Pfütze stehen. Lachend stieß sich Harpymon von seinem Sitzplatz ab und kam näher.

„Jetzt“, rief Veemon plötzlich aus. Simone wirbelte herum, hielt eine gespannte Zwille in den Händen und entließ den Stein Richtung des fliegenden Digimons.

Durch diese plötzliche Attacke irritiert, verlor Harpymon mit einem Schlag an Höhe, nur um im nächsten Moment mit Veemons Kopf Bekanntschaft zu machen. Benommen fiel Harpymon zu Boden, während die Beiden die Beine in die Hand nahmen und weiter abwärts liefen. Eine Klettertour konnten sie im Moment und unter diesen Bedingungen eh vergessen.

Home, sweet Home

Schon seit, gefühlten, Stunden gingen Quinn und Gazimon den Strand herab, beziehungsweise Quinn lief und Gazimon ließ sich tragen. Seidem war ihnen keine Seele, ob digital oder etwas anderes, begegnet. Dafür tauchte plötzlich eine Straße auf, die aus der Wüste kam und ins Wasser führte. Vom Aufbau her erinnerte sie an eine altbekannte, zweispurige Landstraße.

Etwas ratlos betrat Quinn den Asphalt, der unter der Hitze flimmerte, während Gazimon sich auf seinem Rücken bewegte, um einen besseren Blick zu bekommen, bevor es auf den Boden sprang und zur anderen Spur wechselte, wo es stehen blieb und prüfend über das Material kratzte. „Heiß“, meinte es, „aber wir scheinen Glück zu haben.“ - „Wieso? Das ist nur eine Straße, wir bräuchten ein...“ Noch bevor Quinn etwas sagen konnte, war Gazimon schon wieder herangesprungen, hastig an ihm heraufgeklettert und hielt dem Studenten den Mund zu. „Ssst, sag nichts, denke nichts und um deines Lebens willen wünsch dir grade bloß nichts“, zischte Gazimon ihm ins Ohr und deutet mit einer Hand in eine bestimmte Richtung. Ein kleines quadratisches Glitzerding flog in naher Entfernung an ihnen vorbei.

Erst als man von ihm nichts mehr sehen konnte, nahm Gazimon die Pfote weg. „Na das ist ja wohl grade nochmal gut gegangen,“ seufzte es. „Jetzt schuldest du mir erneut dein Leben.“ - „Wieso?“ brachte Quinn irritiert vor. „Du hättest dich grade fast ins Jenseits gewünscht. Das war ein Glich. Die Dinger geistern jetzt schon seit Jahren durch unsere Welt. Keiner weiß woher sie kamen, warum sie hier sind und wie man sie wieder loswird. Nur sollte man sich hüten in ihrer Nähe Wunschgedanken zu äußern. Die Dinger würden dir alles erfüllen, aber zu einer hohen Gegenleistung. Sie bedienen sich dazu der Kraft des Wünschenden und das über die Maßen. Wenn du dabei drauf gehst, hast du halt Pech gehabt.“ Gazimon zuckte mit den Schultern. „Glaub mir, es sieht nicht schön aus, wenn jemand durch einen Glich-Wunsch stirbt. Denn dann wird dem Digimon auch die Wiedergeburt verwehrt.“ Gazimon erschauderte allein bei der bloßen Erinnerung. „Dafür replizieren sich diese Gliches nach besonders großen Wünschen. Aber bis man das rausgefunden hat, haben einige, auch machthungrige, Digimon das Zeitliche gesegnet. Das mag zwar hin und wieder ganz nützlich sein, aber der Preis ist einfach zu hoch.“

Gazimon sprang wieder von Quinns Schultern herunter, nachdem er sich sicher war, dass der Glich nicht zurückkehrte und kehrte auf die andere Spur neben Quinn zurück. „Wir brauchen keine fahrbaren Untersätze um uns hier fortzubewegen.“ - „Glaub nicht, das ich noch einen Meter laufe.“ Gazimon winkte ab. „Stell dich einfach nur grade hin und lehn dich dann ein Stückchen weit vor.“ Quinn blickte Gazimon abschätzend an, bevor er es tat.

Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper, als sich der Asphalt unter seinen Füßen zu bewegen begann und Quinn fiel mit einem Aufschrei nach hinten. Sofort blieb der Boden wieder stehen. Lachend kam Gazimon neben ihm zum Stehen. „Oh, hatte ich etwa vergessen zu erwähnen, dass man die Beine am besten etwas hintereinander stellt und nicht nebeneinander? Das tut mir jetzt aber leid.“ Der Spott war nicht zu überhören und auch, dass der letzte Satz kaum ernst gemeint war. Als Quinn zurückblickte musste er erkennen, das sie sich, trotz der Kürze schon ein ganzes Stück vom Strand entfernt hatten. Mit einem mißbilligenden Blick richtete er sich wieder auf und stellte sich ungefähr so, wie ein Surfer, der eine Welle nehmen wollte.

„Was ist das?“ wollte er wissen. „Eine Landstraße, sieht man doch.“ erwiderte Gazimon. „Aber Straßen bewegen sich doch nicht und dann auch noch so schnell...“ - „Dann warte erstmal, bis wir auf eine Autobahn treffen.“ Gazimon lehnte sich einen Moment weit nach vorne und bremste sofort wieder ab, um nach Quinn zu sehen. „Kommst du jetzt? Ich möchte noch vor Anbruch der Nacht in einer Stadt sein.“

Es dauerte etwas, bis der Student ein Gefühl für die 'Straße' bekam, doch dann entwickelte sich recht schnell ein regelrechtes Duell, wer sich weiter vorlehnen konnte, ohne hinzufallen, um Geschwindigkeit aufzunehmen.

Obwohl sie ziemlich schnell in die Kurven gingen, bleiben die Beine immer genau mittig in der eigenen Fahrspur, von Fliehkräften war nichts zu spüren. Ebensowenig vom Gegenwind, der fast nicht existent war.

##

Er schlug die Augen auf, stöhnte, drehte sich auf die andere Seite, nur um das Kopfkissen zurecht zu zupfen und dann mitten in der Bewegung inne zu halten.Wieder zupfte er an dem Kissen und richtete sich dann mit einem Ruck auf. „Was zur Hölle?“

Hermann lag in einem Bett und es war nicht irgend ein Bett sondern seines. Ein Rundumblick bestätigte die Erkenntnis. Er war daheim. Aber wie war er hieher gekommen?

Noch ganz benommen fuhr sich Hermann durch das Gesicht und bemerkte, dass der Ring fort war. Überrascht blickte er auf seine Hand. War das etwa nur ein Traum gewesen? Ein sehr realistischer bisweilen.

Hastig stand er auf, mißachtete das leichte Ziepen an der Brust und rannte ins Bad, da sich dort der nächst größere Spiegel befand. Der Student zog das lange Schlafanzughemd nach oben und stöhnte im nächsten Moment auf. Die Kette war zwar ebenfalls verschwunden, aber die Verbände zeigten weiterhin Präsenz, ebenso wie der Ohrclip.

„Na, auch schon ausgeschlafen?“ Eine fremde Stimme erklang direkt hinter Hermann, doch im Spiegel war nichts zu sehen. Der Junge wirbelte herum, nur um mit dem Kopf etwas zurück zu schrecken. Überraschung war in seinen Augen zu lesen.

Etwa auf Kopfhöhe schwebte vor ihm eine kleine Plattform in etwa einer Armlänge Abstand. Auf dieser stand eine halb durchsichtige, kleine Gestalt, die eine schwarze Hose und einen blaue Jacke mit weißem Fellbesatz trug. Auf der linken Schulter war ein rundes schwarzes Logo zu sehen, in dessen Mitte ein rotes Caro war und darin wiedereum eine weiße 8.

Die Kapuze der Jacke war hochgschlagen, weshalb Hermann das Gesicht nicht sehen konnte. Die Gestalt stützte sich auf einen kleinen Stock.

An die Art und Weise der Haltung und das Erscheinen musste der Student unwillkürlich an eine kleine grünhäutige, spitzohrige Gestalt einer Space-Opera denken.

„Wage es ja nicht und vergleiche mich mit Yoda“, fauchte die Person bevor sie eine Hand vom Stock hob und die Kapuze zurück schlug. Darunter kam das Gesicht einer braunhaarigen Frau zutage, die ihn, aus dunklen Augen musterte. So zumindest kam es ihm vor. Aber auch er sah sie sich nun genauer an.

„Na, da bist du sprachlos“, meinte sie keck. „Hm, bin wohl abgetreten.“ Die Gestalt nahm eine Hand von dem Stab, streckte sie in Hermanns Richtung und drehte sie. „Jep, ich bin tot. Dann bist du mein Nachfolger. Ich bin Kerem, Ex-Seeker der Caro 8.“ Sie zuckte mit den Schultern und sah sich um.

Jedenfalls hatte Hermann den Eindruck. Aus seiner Fassungslosigkeit konnte er keinen Hehl machen.

„Jetzt zieh hier kein Gesicht, als hättest du einen Geist gesehen. Ich bin doch nur ein Gedächtnisengramm und dazu gedacht meinen Nachfolger in seine Aufgaben einzuweisen Du brauchst also keine Rücksicht zu nehmen und kannst alles fragen, was dir in den Sinn kommt. Es reicht übrigens wenn du die Fragen nur deutlich genug geistig formulierst, das sieht wahrscheinlich auch besser aus, als jemdand der mit sich selbst Gespräche führt ohne zu antworten..“ Die Liliputanerin grinste ihn an. „Hübsches Bad aber auch dein Zimmer ist nicht zu verachten, besonders das Zeug unter dem Bett“, wechselte sie sprunghaft das Thema, während Hermann erst sichtlich blass geworden war, dann rot.

Langsam schwebte sie um den, immer noch sprachlosen, Hermann herum und betrachtete die Bandagen, bevor der Junge hastig das Shirt wieder herunterfallen ließ.

„Hm, vielleicht hätte ich dich doch nicht sofort wieder hierher bringen sollen, sondern abwarten, bis die Verletzungen ausgeheilt sind. Hier dauert so etwas ja wieder normal lang“, führte sie ihren Monolog fort.

„Wie?“ fand Hermann seine Stimme wieder. „Ja, wir sind gewechselt. Alle Seeker können das. Es gibt ...“ Sie hielt kurz inne, stockte, sah dann zu Boden und wieder zu Hermann. „... gab ja die dauerhafte Verbindung, aber uns stand das Privileg zu, selbst Übergänge erschaffen und nutzen zu können. Manchmal musste es halt schnell gehen und dann konnte man nicht an den ausgewiesenen Punkten ewig lange anstehen und warten.“ Die Fröhlichkeit in ihrer Stimme und das Lächeln waren fast vollkommen verschwunden. „Heute sind wahrscheinlich nur einige sehr wenige hochentwickelte Digimon noch dazu in der Lage so etwas zu erschaffen und für kurze Zeit zu halten.“ Dann schwieg sie.

Aber auch Hermann schwieg, was auch daran lag dass er erstmal das verarbeiten musste, was er gerade gehört hatte. Er ließ sich etwas Wasser in das Waschbecken laufen und klatschte es sich anschließend in das Gesicht.

„Womit habe ich das verdient?“ Hermann meinte diese Frage nicht im positiven Sinne, doch Kerem schien das zu überhören. „Nenn es Schicksal oder Bestimmung, ganz wie du willst.“ Sie zuckte mit den Schultern und grinste Hermann wieder an.

„Na toll,“ stöhnte dieser. „Am besten fangen wir mit dem Training sofort an. Immerhin haben wir 20 Jahre aufzuholen.“ - „Wie?“ - „Hier oben.“ Sie tippte sich an die Schläfe und dann auf Hermanns Kopf. „Was? Raus aus meinen Gedanken“, fauchte er, dem plötzlich bewußt wurde, dass sie diese Dinge nur wissen konnte, wenn sie Zugriff auf seine Erinnerungen hatte.

„Keine Panik“, Kerem lächelte weiterhin geheimnisvoll. „Privates bleibt Privat. Da lass ich schon die Finger von. Musste nur wissen, was die letzten Jahre passiert ist. Das ist arg, dass alles vergessen wurde. Wenn ich die Typen, die dafür verantwortlich sind, in die Finger bekomme und wenn ich noch leben würde ... Die würden sich wünschen niemals geboren worden zu sein, wenn ich mit denen fertig wäre.“ Das Hologramm schlug die Fäuste zusammen, während sie den Stock auf dem Arm zwischenlagerte. „Und ich wette sie behaupten es wäre alles zum Wohle der Menschheit geschehen. Ich pfeif drauf.“ Zorn zeigte sich in ihrem Gesicht nur um von Trauer abgelöst zu werden. „Diese Statue ... das waren wir ...unser Team.“ Ihre Stimme erstarb. „Sie sind also auch tot.“ Die kleine Gestalt auf der Plattform war sichtlich um Haltung bemüht. „Umso wichtiger ist unserer Arbeit.“

„Hermann?“ Es klopfte an der Tür. Beide Köpfe ruckten herum. „Meine Mutter“, flüsterte der Student. Doch Kerem deutete an die Stirn. „Bist du das?“ - „Jaaah?“- „Was machst du hier? Ich dachte, du hättst Vorlesungen und wärst in deiner Wohnung.“ - „Ups,“ kam es von Kerem. „Da habe ich wohl etwas falsch gedeutete.“ - 'Was heißt hier falsch gedeutet? Weißt du in was für Schwierigkeiten ich jetzt stecke?' - „Entschuldigung.“ - „Nein, einer meiner Profs ist Krank geworden. Ich dachte ich nutze die Zeit und komme euch mal wieder besuchen“, rief Hermann in Richtung Tür. „Du schwindelst deine Mutter an?“ - 'Lässt du mir denn eine Wahl?' - „Gut, ich mache grade Frühstück. Kommst du?“ - „Ja. Gib mir bitte noch 2 Minuten.“

Draußen entfernten sich Schritte und Hermann ließ sich seufzend auf den geschlossenen Klodeckel niedersinken. „Na toll und wie erkläre ich ihnen das jetzt?“ Er hob sein Hemd kurz an, so das die Bandagen sichtbar wurden. Seine Verletzungen zwickten mittlerweile wieder bei jeder Bewegung. „Dir fällt schon was ein. Da bin ich mir sicher.“ - 'Na danke auch. Über die Sache mit dem Ausgewählt sein und diesem Training sprechen wir noch.' Mit einem Stöhnen erhob Hermann sich wieder und ging zurück in sein Zimmer, um sich umzuziehen.
 

„Und die können dich nicht sehen?“ - „Ja“, bestätigte Kerem. „Du bist der einzige, der mich sehen oder hören kann.“ - „Na wie tröstlich. Die einen haben einen Vogel und ich habe ein Gedächtnisengramm. Super Aussicht“, meinte Hermann sarkastisch, während er sich das Hemd über den Kopf zog und dann kurz stutzte, als es hängen blieb. An seinem rechten Arm fand sich ein dickeres dunkelblaues Lederarmband, das da voher garantiert nicht gewesen, ihm aber auch wegen den langen Ärmeln nicht aufgefallen war. Es wog auch irgendwie scheinbar garnichts. „Na erwartest du, dass der Seekerstone nur ein Aussehen hat? Das ist so eine Art Tarnung. Außerdem ist er so leichter zu transportieren.“ - „Aha?“ Hermann drehte den Arm und suchte nach einem Verschluss, den es jedoch nicht gab. „Und wie ziehe ich das Ding aus?“ - „Gar nicht“, verkündete Kerem fröhlich.

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Hier spricht Posten 7. Bestätige Zielperson befindet sich bei den angegebenen Koordinaten. Sie scheint verletzt zu sein. Sichtung eines Begleiters Negativ. Ich beobachte weiter.“

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Mit einem Gähnen kam Hermann die Treppen hinunter und ließ sich an dem Küchentisch nieder. Das Zwicken versuchte der Student zu ignorieren. „Morgen“, grüßte er, während Kerem um ihn herumschwebte und die Sachen auf dem Tisch begutachtete.

„Gesund ist etwas anderes“, kommentierte sie als Hermann zu einer Nuss-Nougat-Creme griff. 'Ach halt den Rand.' Fast provokativ strich er sich eine dicke Schicht auf sein Brot und bereute es schon beim ersten Biß.

Die Liliputanerin lachte. „Geschieht dir nur recht“, neckte sie. Hermann erwiderte nichts, zusehr kämpfte er mit der Süße des Brotaufstriches.

„Schatz, was gibt es eigentlich neues von der Uni?“ Genau auf diese Frage hatte der Student gehofft nicht angesprochen zu werden.

Entscheidung

Hallo,

tut mir leid, das es so lange gedauert hat und ich hoffe, dass es euch trotzdem noch gefällt. Arbeitnehmer haben es nicht immer leicht ;)
 

MfG

Selma
 

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Langsam stieg Katrin aus dem Onsen heraus. Es war für den Moment einfach nur schön gewesen mal abschalten zu können. Sie war sogar soweit gewesen, dass sie schon langsam geglaubt hatte, wieder daheim zu sein.

Doch dann hatten die Nachbarn im angrenzenden Onsen angefangen eine Wasserschlacht zu veranstalten, so war es mit der Ruhe dann recht schnell vorbei. Mit einem leisen Seufzen griff sie nach einem, in einem Bambusschrank gelagerten, Handtuch, um sich abzutrocknen.

Katrin hob überrascht eine Augenbraue, als sie feststellte, das man ihre Sachen gereinigt, gebügelt und zusammengefaltet an den Eingang des Onsenbereichs gelegt hatte. Schnell kleidete sie sich wieder ein und trat hinaus.

Wenn man jetzt nicht wusste, wo man suchen musste, konnte man dies hier echt für einen sehr ungestörten Ort halten.

'In der Ruhe liegt die Kraft. Du musst sie nur zulassen', pflegte ihr Meister stets zu sagen, mit ein Grund, warum Katrin sich hatte dazu überreden lassen.

„Meister Hanumon ist bereit euch wieder zu empfangen“, wurde Katrin aus ihren Gedanken gerissen. Hinter einer tragbaren Bambuswand war der Sprecher verborgen, die man zum Sichtschutz aufgestellt hatte. „Danke, ich komme.“ Katrin drehte sich noch einmal um, zog die Sandalen an, die hier wohl breite Anwendung fanden und ging dann in die Richtung, aus der sie vormals gekommen war. Draußen wartete schon Peckmon auf sie. Von Hawkmon war weit und breit nichts zu sehen. Vielleicht auch mal ganz gut, sicherlich förderlich für ihre Ohren und die Nerven.

Noch während sie dahin schritt, und den Nachtigallenböden auswich, wo sie deren Standpunkte schon kannte, musste Katrin sich eingestehen, dass so ein Bad ziemlich gut getan hatte.

Als sie um eine Ecke bogen passierte es, aus einem Reflex heraus zuckte Katrin zurück. Vor ihr hatte sich ein Kotemon aufgebaut und richtete sein Bambusschwert auf die Studentin.

„Kotemon, was soll das? Sie ist ein Gast“, fauchte Peckmon aufgebracht. Doch das andere Digimon zeigte sich wenig beeindruckt. „Ich möchte sehen, wie stark du bist.“ sagte es stattdessen.

Nun hatte sich auch Katrin wieder soweit gefangen, dass sie ein „Was?“ hervorbringen konnte.

„Vergiss es. Meister Hanumon wartet bereits und du solltest selbst wissen, dass man ihn nicht warten lässt.“

Doch Kotemon blieb unbeirrt stehen. „Ich lasse euch erst passieren, wenn du mir deine Stärke gezeigt hast.“ Wieder wollte Peckmon etwas sagen, doch eine Geste von Katrin ließ ihn verstummen. „Gut,“ Katrin nickte. „Ich nehme die Herausforderung an.“ Da ihre Muskeln noch durch das Bad im warmen Wasser geschmeidig waren, konnte Katrin auf Aufwärmübungen verzichten. Sofort ging sie in Verteidigungshaltung.

„Aber...“ stammelte Peckmon, als er feststellen musste, das die Entscheidung schon längst gefällt worden war. Trotzdem versuchte er es erneut. „Das geht doch nicht. Ihr...“ Doch er wurde unterbrochen, als er einen sanften, aber bestimmten Schlag auf den Hinterkopf erhielt.

Schnell wirbelte Peckmon herum und musste feststellen, das Hanumon eingetroffen war. „Natürlich können sie und jetzt schau zu und lerne.“

Je länger die Beiden so standen, desto mehr Digimon versammelten sich um sie herum um zuzusehen.
 

Minuten vergingen, ohne das sich einer der Kontrahenten bewegte. Auch die Zuschauer verharrten in Bewegungslosigkeit und man konnte den Eindruck erhalten, dass der ein oder Andere sogar den Atem anhielt.

Dann ging alles ganz schnell. Kotemon sprang vor, sauste an Katrin vorbei und sie blieben etwa zwei Meter voneinander Rücken an Rücken stehen.

Erst passierte gar nichts, dann fasste sich Kotemon an seinen Helm und drehte sich langsam um. „Ein guter Schlag“, meinte er anerkennend.

Auch Katrin drehte sich um. „Deiner war aber auch nicht von schlechten Eltern.“ Sie deutete auf einen schmalen Riss in ihrem T-Shirt, knapp über dem Bauch.

„Ist deine Frage damit beantwortet?“ erscholl es plötzlich von oben und Kotemon sowie Katrin mussten den Kopf in den Nacken legen, um etwas zu erkennen. Genau über ihnen stand, auf einem Seil, Hanumon und blickte auf sie herab.

„Ja“, antwortete Kotemon.

„Gut, dann geht jetzt alle.“Kaum, das Hanumon diese Worte verlauten ließ, lösten sich die Riegen der Schaulustigen auf.

Zurück blieben nur noch Hanumon, Peckmon, Hawkmon, Kotemon und eine verwirrte Katrin.

„Würde mir bitte mal jemand erklären, was das zu bedeuten hat?“

„Ehrenwerte Katrin-San“, Kotemon hatte sein Schwert weg gesteckt und verbeugte sich vor ihr. „Würdet ihr mir die Ehre erweisen, mich zu eurem Partner zu machen?“ Die Verbeugung wurde ein Stückchen tiefer, während Katrin rot anlief. Sie war jetzt 'etwas' überrumpelt, während Kotemon offensichtlich auf eine Antwort wartete.
 

„Ich wette unter seiner Maske ist er genauso rot wie sie...Aua!“ Peckmon zuckte zusammen, als Hanumon ihm mit seinem Knochen auf den Kopf schlug. „Wieso dass denn?“ fragte er beleidigt. „Sei still und störe den Moment nicht mit deinem unbedachten Geschwätz. Hawkmon, der etwas sagen wollte, machte ebenfalls Bekanntschaft mit der Knochenkeule. So blieb er dann doch lieber ruhig.
 

Wieder schien die Zeit still zu stehen und nicht wenige Fragen rauschten Katrin durch den Kopf, auf die sie so einfach keine Antwort finden konnte.

„Es tut mir leid“, meinte sie schließlich. „Das kommt etwas plötzlich für mich und ich weiß nicht, ob ich mit dem derzeitigen Wissen überhaupt in der Lage bin eine Entscheidung zu treffen, die für alle gerecht wäre. Deshalb möchte ich darum bitten, das man mir Zeit für solch eine Entscheidung lässt.“ Erst jetzt bemerkte Katrin, dass sie bei ihren Worten noch etwas röter geworden war. Doch zumindest Hanumon schien sie zu verstehen. „Ein weiser Entschluss“, meinte er nur. „Wenn man sich nicht sicher ist, soll man lieber noch einmal darüber nachdenken, bevor man eine Entscheidung trifft, die alle Beteiligten unglücklich macht.“

Trotzdem hatte Katrin das Gefühl, das Kotemon geknickt war, auch wenn er es nicht offen zeigte. „Sei mir bitte nicht böse“, meinte sie deshalb leise und beugte sich zu ihm hinab. „Lass uns einfach erstmal genauer kennen lernen.“

Kotemon seufzte leise, doch nickte dann.

Mittlerweile hatte der Himmel begonnen sich zu verdunkeln. Noch deutlicher sah man nun die Binärcodes.

„Bitte sei Gast in unserem Heim für diese Nacht“, meinte Hanumon und kletterte zu den Beiden herunter. „Diese Gebiete hier beherbergen in der Nacht einige sehr unangenehme Überraschungen.“

##

Ihr Entkommen schien geglückt zu sein, denn als Veemon und Simone völlig entkräftet eine Pause einlegten war weit und breit nichts mehr von ihrem Jäger zu sehen.

Erschöpft lehnte sich Simone an einen Felsen um dann langsam daran herab zu rutschen, während Veemon sich einfach fallen ließ und dann in den Himmel starrte. „Scheint so, als haben wir sie abgehängt.“ - „Seams so. I'm so exhausted, I can't move any further.“ Die Studentin schloss die Augen und war nur wenige Sekunden später eingeschlafen. Obwohl Veemon ebenfalls gerne etwas geruht hätte, gönnte er sich diesen Luxus nicht. Jemand musste aufpassen. Obwohl er deutlich gezeichnet war, rappelte das Digimon sich auf und erkundete die nähere Umgebung, nur um kurz darauf zurückgeeilt zu kommen und Simone an der Schulter zu rütteln. „Hey, wach auf, ich habe eine Straße gefunden.“ - „Hmmm?“ kam es verschlafen von der Studentin, die Veemon durch kleine Augen anblinzelte. „Whats so important on a street, that you woke me up?“

Veemon grinste. „Warte es ab, aber wir werden eine größere Chance haben die Anderen zu finden.“ Das wirkte in soweit, dass Simone noch ein letztes Mal ihre Müdigkeit zur Seite schob und sich aufraffte. Sie gähnte und streckte sich ausgiebig. „I hope, you found something to move.“ - „Das brauchen wir nicht“, entgegnete Veemon.

Verwirrt blickte die Studentin ihn an. „Warte einfach ab“, Veemon grinste sie geheimnisvoll an und begann in eine bestimmte Richtung zu laufen.

Leicht schwankend folgte Simone ihm nach und musste höllisch aufpassen, auf dem felsigen Untergrund nicht auszugleiten.

Die Straße war eher ein besserer Trampelpfad und mochte vielleicht einem Bewirtschaftungsweg Konkurrenz machen, nur das sie an den Rändern im Zerfall begriffen war.

„And now?“ Simone ließ ihren Blick schweifen. „Stell dich einfach in die Mitte, oder setz dich, aber halt dich auf jedem Fall an mir fest.“ Veemon nahm Simone an die Hand und zog sie mit sich auf die Mitte der Straße. Dann stellte er seine Beine etwas versetzt, während Simone sich auf den Allerwertesten sinken ließ.

Ohne Simone los zulassen, lehnte sich Veemon etwas nach vorne und die Studentin quietschte leise auf, als sich der der Untergrund plötzlich in Bewegung setzte. Doch die Beschleunigung war eher gemächlich. So ungefähr wie ein schnellerer Läufer. „Amazing,“ entfuhr es der Studentin.

„Das ist noch gar nichts“, grinste Veemon. „Warte erstmal wenn wir größere Straßen erreicht haben.“ Er wandte das Gesicht jedoch so, das Simone es nicht sehen konnte und musterte die Ränder mit leichter Sorge.

Auch nach einigen Minuten hatte sich nichts verändert. Die Ränder wurden eher schlechter als besser. Doch Veemon hielt es für besser Simone noch nichts davon zu sagen.

Doch nach einer weiteren Stunde, Simone war leicht weggedämmert und Veemon musste ihre Hand halten, das diese nicht herunterrutschte, wies die Straße erste Löcher auf und sie wurden langsamer, bis sich nichts mehr tat.

Ein letzter Ruck weckte auch Simone aus ihrem Halbschlaf. Verwirrt sah sie sich um. „What is now? Here is no city“, stellte sie fest.

„Scheint so, als hätten wir eine der 'alten' Straßen gefunden,“ seufzte Veemon resignierend. „Wir haben heute wohl das Glück gepachtet,“ seufzte er, als dann auch noch die Nacht über sie herein brach.

Wieder schlugen sie, zwangsweise, ein provisorisches Lager auf, da die Nächte in diesem Gebiet so dunkel wurden und man außer der Binärcodes keine 'Sterne' ausmachen konnte, an denen man sich hätte orientieren können.

Doch kaum, dass es finster war, begann sich etwas zu regen. Simone zuckte zusammen, doch entspannte sich wieder, als sie Veemons Nähe spürte. Faszinierend, was für eine beruhigende Wirkung der kleine Kerl doch auf sie hatte.

Keine Minute verging, da flogen kleine Leuchtpunkte in ihrer Nähe umher. Sie schienen aus allen möglichen Richtungen zu kommen und zogen langsam und gemächlich aufeinander zu.

„Gliches,“ fauchte Veemon und stellte sich direkt vor Simone. „Versuche an nichts zu denken und wünsche dir um deines Lebens willen die nächste Zeit nichts.“ Er ergriff Simones Hand fester. Doch auch ohne Veemons Warnung waren Simones Gedanken wie leer gefegt. Allein die leuchtende Form hatte ausgereicht um sie an den ersten Tag in dieser Welt zu erinnern und das, was passiert war.

Unaufhaltsam kamen einige der Gliches näher und passierten die Beiden dann, so als hätten sie keinerlei Notiz von ihnen genommen.

In etwa 50 Metern Entfernung trafen sie dann aufeinander. Es mochten an die Hundert sein, die erst ziellos in einem engen Radius herum flogen bevor sie sich langsam im Kreis bewegten.

Eine leere Mitte wurde gebildet, in die 5 von ihnen flogen und begannen einen humanoiden Körper nachzuzeichnen, der an den Kanten zu leuchten schien. Je länger es dauerte, desto feiner wurden die Konturen, bis man sich wirklich so etwas wie einen Menschen vorstellen konnte.

Die Gestalt mochte so an die 50 sein, sich lichtendes Haar zu haben und trug eine Brille. Forscherkittel und Klemmbrett vervollständigten das Bild.

Die fünf zeichnenden Gliches verschwanden in der Gestalt, während die Anderen immer noch einen Tanz darum aufführten.

Schließlich nahm die, seltsam transparente, Gestalt einen ebenso unwirklichen Stift und begann etwas auf das Klemmbrett zu zeichnen.

Simone keuchte leicht auf, als sie die Zeichnung erkannte Es war das Logo von KERN. Doch sie schien zu laut gewesen zu sein, oder ihre Gedanken hatten sie verraten, denn die Gliches verharrten auf der Stelle und die Lichtgestalt zerfiel.

Einige der leuchtenden Dinger nahmen Kurs auf Simones und Veemons Versteck und ehe sie sich versahen, waren sie erneut auf der Flucht. Wobei sie jedoch diesmal nicht sehen konnten, wohin sie ihren Schritt setzten. Simone wagte es nicht den Kopf zu drehen und hoffte das Veemon wusste wohin sie liefen.

KERN I

Die Tür wurde geöffnet. Müde hob Dice ein Augenlid und war im nächsten Moment hellwach, als fremde Leute den Raum betraten und sich Leifs Bett näherten. Er knurrte leise. Doch die Fremden, wovon 2 irgenwelchen feinen Zwirn und 3 fremdartige Uniformen trugen, zeigten sich nicht wirklich beeindruckt. Doch das konnte durchaus daran liegen, dass sie Dice überhaupt nicht wahr nahmen, denn keiner von ihnen trug diese merkwürdigen Augengläser. Nur ein einzelner Kittelträger machte einen Bogen um die Stelle, wo er das Digimon vermutete und erntete deswegen den ein oder anderen merkwürdigen Blick, bevor er hastig an das Bett trat.

„Dieser ... Junge hier ist ein ganz besonderes Objekt“, begann er und Dice knurrte wieder, diesmal lauter, während er sich langsam erhob. „Was wir bisher herausfinden konnten ist, dass er sich für eine sehr lange Zeit in einem abgeschlossenen System befunden hat. Jahre um genau zu sein.“

Er zog eine kleine Spritze heraus und injizierte den Inhalt in den Tropf, der in Leifs Arm endete.

Ein ratschendes Geräusch war zu hören, als ein Stück seines Kittels weiter unten Risse bekam.

„Oh, scheint, das ich wo hängen geblieben bin“, meinte der Mann mit einem Achsenzucken. „Aber jetzt sollte er gleich aufwachen.“

Auch Dice ließ von dem Forscher ab, als er die Worte hörte und wandte seinen Kopf. Langsam schritt er zu der einzigen freien Seite des Bettes und legte seinen Kopf auf die Matratze. Er wartete auf irgend eine Reaktion. Doch im ersten Moment passierte gar nichts.

Nach einer gewissen Zeit begannen die Männer unruhig zu werden, doch da vernahm Dice eine leise Stimme. Eine sehr leise Stimme. Sie murmelte zusammenhangloses Zeug und dann begann sie zu lachen, ein heiseres, kaltes Lachen, das Dice eine Gänsehaut in seinem Unterfell bescherte, bevor das Lachen zu einem Schreien wurde. Doch der Schrei währte nur kurz, dann begann Leif zu weinen.

Sofort versuchte sich Dice näher zu dem Jungen zu schieben, doch die Männer traten näher und er musste zurückweichen. Nun knurrte der Wolf richtig laut und fletschte die Zähne. Er wollte nicht, dass die Leute Leif in so einen Zustand sahen.

In diesem Moment ging die Tür wieder auf und diesmal trat jemand ein, der diese komische Nachtsichtbrille und ein kleines Gerät in der Hand hielt.

„Was soll das?“ Wollte der Forscher wissen, der Leif indirekt die Spritze gegeben hatte.

„Nur eine Vorsichtsmaßnahme weiter nichts“, erwiderte der Nachtsichtbrillenträger. „Sein Geist ist unruhig und wir wollen doch keine Verzögerungen.“

Der Forscher nickte verstehend und drehte sich wieder den Anderen zu.

Mittlerweile hatte sich auch Leif wieder etwas beruhigt, trotzdem liefen ihm noch Tränen die geschlossenen Augenlider herunter. Dice drückte sich an den Männern vorbei um wenigstens einige von Leifs Gesicht ablecken zu können. Er hoffte, dass der Junge seine Anwesenheit spüren konnte, auch wenn er ihm gerade nicht so nah kam, wie er es gerne würde.

„Es ist noch ein weiter Weg bis zu seiner Genesung doch wir sind äußerst zuversichtlich das wir es schaffen können seine Geist wieder vollkommen herzustellen. Einige Kollegen aus Übersee haben ein bemerkenswertes Präparat entwickelt, was uns eine große Hilfe ist.“ - „Schön und gut, aber was soll uns das Ganze jetzt bringen? Ich sehe hier nur einen kranken Jungen der eindeutig nicht hierher gehört“, warf einer der Uniformierten ein.

Der Forscher nickte nur beflissen und machte dann ein, kaum sichtbares, Handzeichen, woraufhin die Tür erneut geöffnet wurde und eine weitere Person mehrere der Nachtsichtbrillen herein brachte. „Wenn die Herren diese Geräte bitte aufsetzen würden und dann...“ Der Forscher schaute kurz zu dem anderen Brillenträger, der daraufhin auf Dice deutete, „...genau dorthin sehen?“

Die Brillen waren schmaler, sie ähnelten richtigen Sonnenbrillen und hatten ein integriertes Ear-Piece.

Einige der Besucher sogen laut hörbar die Luft ein. „Was ist das?“ fragte ein anderer Uniformträger der die 'Brille' nur so trug, das sie ein Auge verdeckte. „Das, meine Herren,“ verkündete der Forscher feierlich, „ist ein Digimon. Um genau zu sein, der Partner des Jungen, der hier liegt.“ Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen.

„Ein Digi...Was?“ Vielleicht hätte sich Dice durch den Anblick der vielen ungläubigen Gesichter amüsiert, wenn sie sich in einer anderen Situation befunden würden. So blickte er nur weiter knurrend zu den Menschen auf, die stellenweise nicht so recht zu glauben schienen, was sie da zu sehen bekamen.

„Was soll das Schauspiel? Wir haben Computer die so etwas noch viel lebensechter simulieren können. Und dafür hat man uns hergerufen? Für solche Kindereien?“ Der erste Uniformierte sah überheblich auf Leif herab. „Haben sie so etwas so dringend nötig?“ - „Ich versichere ihnen, hierbei handelt es sich weder um eine Simulation noch sonstige Computertricks.“

Der Forscher hob beschwichtigend seinen Kittel an. „Sehen sie nicht wie gleichmäßig die Einrisse sind? Das eben war nur so daher gesagt, um nicht vor zugreifen.“ Er deutete auf einen Monitor an der Wand. „Aber vielleicht sollten sie sich noch diese Bilder ansehen, wenn sie mir immer noch nicht glauben.“

Dice nutzte die Gunst der Stunde, wo keiner hinsah und sprang auf das Bett, wo er sich neben Leif zusammen kauerte. Er musste dabei äußerst behutsam vorgehen um nichts wichtiges zu beschädigen. Sollten diese Menschen doch denken was sie wollten.

Mit gespitzten Ohren konnte er hören, wie Leif immer noch leise Worte vor sich hin stammelte. Sie waren zusammenhanglos aber trotzdem tröstend für das Digimon. Zeigten sie doch dass es eine Veränderung im Zustand seines Partners gab. Hoffentlich zum guten.

##

Etwa eine Woche war nun schon vergangen, seitdem die Studenten unsanft von einander getrennt worden waren. Während Quinn und Gazimon doch noch zwei geschlagene Tage gebraucht hatten, bis sie eine Stadt erreichten, irrten Simone und Veemon durch eine unwirkliche Nebelgegend. Auch wenn es hieß, Moos wachse immer in Nordwestliche Richtung an Bäumen kam es ihnen so vor, als liefen sie im Kreis.

Da war es nur ein schwacher Trost, das sie sich wenigstens nicht auch noch um die Essenssuche kümmern mussten, denn essbar war das, was sie die ganze Zeit über zu sehen bekamen garantiert nicht.

Hermann war an die Uni zurückgekehrt und musste sich einige Fragen von Mitstudenten gefallen lassen, was denn eigentlich aus seinen anderen Freunden geworden war und warum sie nicht mehr die Vorlesungen besuchten. Währenddessen lief sein Training mit Kerem weiter.

Paul unterrichtete Aline davon dass er nun auch noch Simone verloren hatte und begab sich zusammen mit Clockmon auf die Suche. Jetzt bereute er es, dass er die anderen nicht noch besser unterwiesen hatte.

Quinn war der einzige, von dem er ein brauchbares Signal bekam, doch der war auch derjenige dem Paul am ehesten zutraute, dass dieser und Gazimon hier alleine klar kamen. Immerhin waren diese ja schon Partner und Gazimon hatte auf den Forscher schon den Eindruck gemacht, das er durchaus erfahrener war.

Die Mädchen waren da schon bedeutend schlechter dran.

AeroVeedramon hatte sich nach der Sache ebenfalls auf die Suche gemacht, weniger wegen der Menschen, eher wegen DemiVeemon. Er versprach Paul vor seiner Abreise jedoch, ihm Bescheid zu geben, wenn er auf einen Menschen treffen würde.

Fundsache

Katrin lernte eine ganz andere Kampfkunstkultur kennen. Es war mehr oder minder ein bunter Mix aus allem, was sie gelesen, gelernt oder mal irgendwo gesehen hatte.

Obwohl man ihr relativ viel Freiraum ließ, spürte Katrin schon, dass man ihr eine 'Begleitung' im Verborgenen mitgab. Nur wenn Kotemon bei ihr war, verschwand das Gefühl beobachtet zu werden.

Am Anfang hatte sie darauf etwas gereizt reagiert, doch es dann hingenommen, war dieser Ort doch zu interessant, als das man es sich mit dessen Bewohnern verscherzen sollte.

Sie bekam sogar Gewissensbisse, dass die sich nicht aufmachte, die Anderen zu suchen. Doch als sie Apemon davon erzählte, meinte dieser, das es besser wäre, hier zu warten, das die Chancen größer waren, wenn sie an einem Ort blieb. Zudem hatte er versprochen, dass er seine Schattenkrieger nach Menschen Ausschau lassen würden, die auf Katrins Beschreibungen passten. Mit diesem Netzwerk an Spähern waren ihre Chancen garantiert größer, als alleine.
 

Gerade als die Zeit der Morgenmeditation vorbei war und die Studentin ihre Kleidung gewechselt hatte erhielt sie davon, dass man einen Menschen gesehen hätte, der sich einem der versteckten Vorposten nähere.

„Wenn du es wünschst können unsere Posten ihn aufhalten und zu uns bringen.“ Doch Katrin schüttelte den Kopf. „Wäre es möglich, das man mich in dessen Nähe führt?“ fragte sie stattdessen als sie wieder in der Siedlung des Ältesten war. „Selbstverständlich nur, wenn das nicht gegen irgendwelche Regeln verstößt.“

Apemon nickte nur. „Das sollte nicht das Problem sein.“

Als Katrin anbot, das man ihr wieder die Augen verbinden konnte, schüttelte dieser den Kopf. „Das wird nicht mehr nötig sein,“ meinte er stattdessen. „Kotemon wird dich hinbringen.“

„Danke für das in mich gesetzte Vertrauen,“ entgegnete Katrin und war durchaus darauf erpicht ihn nicht zu enttäuschen. Apemon nickte nur und damit war sie erneut entlassen.

Draußen warteten Peckmon und Hawkmon und... wie nicht anders zu erwarten, waren sie sich schon wieder nicht einig was sie tun sollten und diskutierten es lautstark aus.

Katrin stöhnte im Geiste. In den letzten Tagen hatte sie zwar Peckmon und Hawkon nicht zu Gesicht bekommen, aber gewisse Streitigkeiten waren manchmal deutlich in der Siedlung zu hören gewesen.

Doch die Beiden verstummten, als sie bemerkten, dass sie nicht mehr alleine waren.

Noch ehe Katrin sich versah, hatte man sie mit Kotemon auf den Rücken von Peckmon verfrachtet und sie waren unterwegs. Die Studentin war beeindruckt darüber das dieses Digimon sie tragen konnte und dabei keine Schwierigkeiten zu haben schien ein ordentliches Tempo vorzulegen.

Es dauerte nicht lange und sie hatten die Siedlung so weit hinter sich gelassen, das es Katrin unmöglich war zu sagen wo Wald und wo die Häuser waren. Dennoch wurde Peckmon keinen Deut langsamer, während Hawkmon über den Baumwipfeln dahinglitt. Wenigstens konnten sie sich so nicht wieder streiten. Ein schwacher Trost.
 

Nach etwa einer Stunde wurde Peckmon langsamer und hielt schließlich ganz an. Sofort war Kotemon von ihm herunter geglitten und pirschte sich in eine bestimmte Richtung vor. Katrin folgte ihm dicht auf, allerdings nur in geduckter Haltung. Doch als sie den kleinen Hügel überwunden hatten, der ihnen die Sicht versperrte, wobei sie gar nicht mitbekamen das die beiden anderen Digimon zurückblieben, erlebten sie eine 'böse' Überraschung.

„Numemon. Katrin lauf ...“ Die besagten Digimon schienen jedoch nicht sonderlich überrascht zu sein, sie zu sehen, sondern eröffneten gleich das Feuer auf sie mit Geschossen, die einem festen, gedrehten Stuhlgang sehr nahe kamen.

„Boa, wie ekelig,“ rief Katrin aus, hielt dann aber lieber den Mund als so ein Haufen ihr Gesicht nur um Haaresbreite verfehlte. Hastig und überstürzt traten die Beiden den Rückzug an, denn unter diesen Bedingungen war niemand zu einem Kampf bereit.

Doch da verließ Katrin plötzlich das Fluchtglück. Sie blieb mit dem Fuß in einer hochstehenden Wurzel stecken und schlug der Länge nach hin.

Mit Mühe befreite Katrin ihr Bein aus der Wurzel, doch als sie es belastete schoss ein scharfer Schmerz hindurch.

„Alles in Ordnung?“ rief Kotemon zu ihr, der gerade am Aufholen war. Doch die Studentin schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaucht,“ murrte sie bitter und sah sich um. Erst jetzt registrierte sie, dass sie nur noch mit Kotemon allein war und hinter ihnen die Horde Numemon. Von Peckmon und Hawkmon fehlte jegliche Spur.

Kotemon schien es auch bemerkt zu haben und wußte, dass das Mädchen ohne fremde Hilfe nicht schnell genug fort kam. Das Digimon war zu klein um ihr in dieser Art und Weise behilflich zu sein, so blieb Kotemon Katrin stehen, drehte sich langsam um und zog sein Bambusschwert. „Dann werde ich Kämpfen.“ Unerschütterlich blickte Kotemon zu der zahlenmäßig weit überlegenen Gegnerschar.

„Nein Kotemon, bring dich in Sicherheit.“ Doch das Digimon hörte nicht auf Katrins Worte. Stattdessen wehrte es die ersten Geschosse ab und mit einem Mal fiel es der Studentin wie Schuppen von den Augen. Wie konnte sie eigentlich so blind gewesen sein? Kotemon hatte es schon viel früher erkannt, aber sie war nicht dazu in der Lage gewesen. Dabei hatte es sogar ihr Sensei oft genug gepredigt. Zudem hatte er einmal im Scherz gemeint, dass der Mensch nicht dazu bestimmt sei, seinen Weg auf ewig allein zu gehen.

„Kotemon, ich nehme an. Tut mir Leid, das ich vernagelt war.“ Kaum waren diese Worte über ihre Lippen, nickte das Digimon leicht und stürzte sich in die Schlacht.

Kotemon stellte sich den Numemon in den Weg, doch bevor er zuschlagen konnte, mischte eine andere Stimme mit. „Ich denke, es ist Zeit, den Gong für eine zweite Runde zu schlagen. Bist du bereit Clockmon?“

Mehrere Augenpaare ruckten zur Seite. Auch Katrin sah dorthin. „Paul!“ entfuhr es ihr mit leicht strafenden Unterton. Das war bestimmt kein Zufall, das sie sich ausgerechnet JETZT erst blicken ließen, darin war sich die Studentin sicher.

„Stets zu Diensten, Mylady.“ Der Forscher trat aus einer Senke heraus und verbeugte sich leicht, während er wissend grinste.

„Clockmon, ich sagte doch, das du es nicht nehmen solltest.“ Etwas verwirrt hielt das Digimon kurz in seinem Kampf inne und warf Paul einen fragenden Blick zu, bevor er etwas zutage förderte, und es den Numemon im hohen Bogen zuwarf, welche sich sofort darauf stürzten.

Einige von ihnen machten sich mit dem glänzenden Gegenstand sofort aus dem Staub, während andere zurück blieben um etwaige Verfolger davon abzuhalten es ihnen wieder abzujagen. „Strafe muss sein,“ verkündeten sie trotzig und Paul seufzte. „Ihr habt das Ding einfach offen wo rumliegen lassen, das es sich jeder nehmen könnte und jetzt habt ihr es zurück. Das muss doch genug sein, oder? Spart uns allen viel unnötige Zeit.“

Doch die Numemons hielten nichts davon und antworten Paul mit einem großen Stapel ihrer Haufen.

„Das ist ekelig. Meine Sachen...“ Paul stemmte die Hände in die Hüften und blickte auf die anderen Digimon mit strengem Blick herab. „Ihr...“ weiter kam der Forscher nicht, als mehrere Shuriken vor den gegnerischen Digimon einschlugen.

Wie aus dem Nichts waren Peckmon und Hawkmon aufgetaucht, zusammen mit einigen Ninjamon, die die Umgebung als Deckung ausnutzen und nur zu erahnen waren.

Dieses Kräfteungleichgewicht ließ den Mut der Numemon ins Bodenlose fallen und sie traten hastig den Rückzug an.

Nachdem die Gefahr erstmal gebannt zu sein schien, versuchte Katrin erneut aufzustehen. Sofort war Kotemon an ihrer Seite. „Puuuh, du riechst,“ murmelte sie leise, während sie auf einem Bein zum Stehen kam und das Verletzte sofort entlastete, bis Paul da war, der sie stützte. Bei seiner Größe war dies sinnvoller und so ließ Kotemon ihnen etwas Freiraum, sie besser bewegen zu können, während er zu Peckmon blickte. „Kannst du sie bitte tragen?“ Doch Peckmon schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Wie nein?“ Paul drehte den Kopf, und bekam im nächsten Moment eine Ladung Wasser ins Gesicht. „Hey,“ beschwerte er sich. Clockmon begann zu lachen und war der nächste, der eine ordentliche Ladung Wasser aus mehreren Seiten abbekam, während auch die Menschen, sowie Kotemon regelrecht geduscht wurden.
 

Überracht sah Katrin sich um, als sie die Augen halbwegs wieder frei hatte. Sie konnte nirgendwo einen See, einen Bach oder etwas ähnliches entdecken, wo die ganze Flüssigkeit hergekommen sein konnte. Eine weitere Wasserladung traf sie und Katrin protestierte.

„Komprimierte Wasserkugeln. Praktisch für jede Gelegenheit.“ - „Du hättest mich vorwarnen können, bevor ihr uns damit bewerft, beschwerte sich Hawkmon. „Jetzt sind meine Federn klatschnass.“ Das Vogeldigimon schüttelte sich ausgiebig, mit dem Erfolg, das seine zerzausten Federn nun teilweise abstanden. Hawkmon schnaubte, während Peckmon kicherte. „Jetzt habe ich das Zeug im Gefieder, auch nicht besser.“

„Soviel Wasser wäre nun auch wieder nicht nötig gewesen.“ Paul wrang seinen Kittel aus, was relativ wenig Sinn machte, da auch der Rest seiner Kleidung an allen Ecken tropfte, ebenso wie seine Haare. Katrin bezweifelte keine Sekunde, das sie ein ähnliches Bild bot. Hoffentlich holte sie sich keine Erkältung.

Peckmon trat näher an Katrin heran und musterte das triefende Elend. „Steig auf, dann bringe ich euch schneller ins Dorf zurück. Auf euch wartet eine Verabredung mit den Quellen.“ Das Digimon ließ den Blick schweifen. „Auf euch alle.“

Mit Pauls Hilfe gelangte Katrin auf Peckmons Rücken. Doch Kotemon wollte nicht aufsteigen. Er schüttelte den behelmten Kopf und griff dann unter die Rüstung. Mit einem Mal hatte er ein kleines eckiges Gerät in der Hand, das er in die Mitte der Versammlung warf.
 

Katrin spürte ein Ziehen und als sie wieder etwas sehen konnte, befanden sie sich im Dorf.

„Was?“ entfuhr es ihr. Doch Paul lachte. „Ein Warpfeld, wußte gar nicht, das es überhaupt noch welche davon gibt.“

Während Katrin noch verwirrt war, grinsten die Anderen wissend.

„Selten sind sie. In der Tat,“ meinte Kotemon, „doch Apemon wollte, dass ich eines der Geräte mit auf die Reise nahm. So eine große Gruppe 'Nichteingeweihter' ist schwer auf normalem Wege hierher zu bringen. Aber jetzt sollten wir wirklich die Quellen aufsuchen.“

Vom Suchen und Finden

Mit zielgerichteten Schritten eilte der Colonel zu einer der etwas besseren Baracken. Der Lieutenant am Empfang winkte ihn durch, noch bevor er sein Anliegen hatte vorbringen können. Er wurde bereits also erwartet?

Innerlich überrascht, aber äußerlich vollkommen ruhig betrat der Colonel das Büro des Stützpunktcommanders, blieb stehen und nahm Haltung an.

Das Lampen waren ausgeschaltet, so das nur durch das große Fenster am Kopfende des Raumes Licht einfallen konnte. Durch die halb geschlossenen Lamellen malten sie ein gleichmäßiges Schattenmuster auf den Schreibtisch und den Stuhl, der sich dazwischen befand. Doch allein die Umrisse und der Umstand, dass die Person 2 Sterne auf den Schulterklappen trug machten deutlich, dass es sich nicht um den Basiscommandanten handeln konnte.

„Ma'am?“

„Stehen sie bequem.“ Die fremde Frau blickte auf, wobei sich das Sonnenlicht an den Rändern ihrer Brille brach. „Colonel Hudson.“ Es war eher eine Feststellung, als eine Frage. „Ja, Ma'am.“

Ihre schmale Hand fuhr über das, in den Schreibtisch eingelassene Display und verschob einige maskierten Dateien, bis seine Akte sichtbar wurde. Colonel Hudson versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als er sah, was sonst noch geöffnet war.

„Sicherlich sind sie hier um zu fragen, warum sie auf einmal so einen Bonus erhalten haben.“ - „Ja, Ma'am.“ - „Gut. Zu ihrer Information. Es handelt sich um eine Anzahlung auf das, was in ihrer neuen Geheimhaltungsstufe angemessen ist.“

Nun gelang es dem Colonel nicht seine Überraschung zu verbergen. Doch bevor er etwas fragen konnte, hob die Frau warnend die Hand. „Wir haben einen Spezialauftrag für sie. Um 0800 geht ihr Flugzeug nach Ramstein. Dort werden sie neue Instruktionen erhalten. Sie können wegtreten.“

Man konnte sehen, wie es im Colonel arbeitete, als er sich mit militärischem Gruß verabschiedete und umdrehte.

„Meint ihr, er ist der Richtige?“ meinte eine Stimme aus dem Schatten.

Die General verschränkte die Hände vor dem Gesicht. „Es wird sich zeigen.“
 

Draußen blieb der Colonel stehen und sah mit zusammengekniffenen Augen in die sonne. Was war da los? Was hatte seine Tochter damit zu tun? Denn ohne Grund war ihre Akte da eben bestimmt nicht aufgerufen gewesen.

Aber so sehr er sich auch das Hirn zermarterte, er fand keine Antwort darauf. Anrufen und sie fragen konnte er, wegen der verhängten Kontaktsperre, die mit Spezialaufträgen einher ging, auch nicht. Seufzend schritt er zurück zu seiner Baracke.

##

„Was ist denn mit dir los? Bist du auf einem Trip? In einer Sekte? Balla balla? Spätschäden von unserer Exkursion?“ Das war nur ein kleiner Auszug aus dem, was Hermann zu hören bekam, als er wieder zur Uni ging.

Kerem hatte darauf bestanden, das er sein soziales Umfeld nicht vernachlässigen sollte. Außerdem sei es ein sehr gutes Training. Denn das erste, was Kerem von ihm verlangte war, das er in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahren sollte. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen, wenn er zeitgleich während jeder möglichen Gelegenheit zu meditieren versuchte.

Da konnte es schon passieren, das er, wenn die Zeit es erlaubte, unter einem Campusbaum saß, oder auf einem Stein, oder einfach am Rad von Versammlungsplätzen. Immer mit über kreuzten Beinen und geschlossenen Augen.

Daheim war es ein leichtes zur Ruhe zu finden, doch in der Uni betrachtete man ihn stellenweise mit schrägem Blick, so als wäre er eine exotische Pflanze oder halt ein Durchgeknallter.

„Muss das unbedingt auch hier sein,“ murrte Hermann zum wiederholten Male, obwohl er die Antwort bereits kannte. Kerem lachte leise. „Gerade hier ist es wichtig. Was bringt es dir, wenn du in größter Not einen kühlen Kopf brauchst und es nicht hin bekommst, weil zu laut und irritierend ist?“

Trotzdem war es schwierig, wenn nicht sogar fast unmöglich, wenn man wusste, dass immer wieder Menschen stehen blieben, ihn musterten und Kommentare ab ließen.

Hermann brauchte jede Menge Selbstbeherrschung. Mehr als einmal brach er die Übungen ab. Kerem hingegen war die Ruhe selbst. Kunststück, wenn sie für alle Anderen unsichtbar war.

Sie wartete einfach ab bis er sich wieder etwas beruhigt hatte, bevor sie ihn erneut ermutigte es wieder zu versuchen.

So würde sich zwar das Training in die Länge ziehen, aber Kerem wollte unbedingt verhindern, dass er später Fehler machte, nur weil er auf Schnelligkeit gedrängt und sie ihm nachgegeben hatte.
 

Doch kaum, das Hermann an diesem Abend nach Hause kam, fand er, zwischen all der Wurfwerbung, einen Brief in seinem Postfach. Auf dem Umschlag war das Logo von KERN aufgebracht.

Der Student schluckte und öffnete den Brief in seinem Zimmer mit klammen Fingern. Was wollten die schon wieder von ihm?
 

„Sehr geehrte Herr Lomban,“ na das fing ja schon mal gut an. „Bezüglich ihres Besuches unseres Instituts im vergangenen Monat haben sich einige neue Erkenntnisse ergeben. Wir würden uns freuen, wenn wir Sie deshalb erneut als Gast unserer Institution begrüßen zu können, um diese Entwicklungen mit Ihnen zu besprechen. Anbei finden Sie ein unbefristetes Bahnticket, wenn Sie es vorziehen sollten, nicht mit ihrem Fahrzeug an zu reisen.“
 

Eine Einladung in die Höhle des Löwen. Für wie Dumm hielten die ihn eigentlich? Nachdenklich drehte Hermann die Fahrkarte und den Brief zwischen den Fingern, bevor er alles in den Papierkorb warf.

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Lange hielten es weder Quinn noch Gazimon in der Stadt aus. Nachdem sie sich etwas erholt hatten, versuchten sie Informationen einzuholen, ob zufällig einer der Anderen irgendwo gesichtet worden war.

Dabei erfuhren sie von einem Jungen, der in einer anderen Stadt im Westen leben sollte und für die Auswahl als Wächter in Frage käme.

Die Fahrt alleine, diesmal mit einem Trailmon, hatte geschlagene 3 Tage gedauert. Doch als Quinn und Gazimon die Stadt Acero erreichten, kamen sie nur in den zweifelhaften Genuss der Information, dass der Junge auf unerklärliche Weise verschwunden war. Zuletzt hatte man ihn in einem Museum gesehen, das zu Ehren der alten Zeiten errichtet worden war.

Als die Beiden endlich dort ankamen waren jedoch sämtliche Hinweise auf den Vorfall beseitigt worden. Die Auslage, wo der Seekerstone gewesen war, fehlte vollständig. Gefrustet blieb Quinn in dem Raum stehen, bevor sein Blick auf die große Statue fiel.

„Jahrzehntelange Abstinenz und jetzt ist es uns sogar vergönnt den zweiten von euch innerhalb einer Woche zu begrüßen.“ Quinn fuhr herum, als er die Worte hörte und Gazimon zuckte zusammen.

„Hoffen wir nur, dass dieser Besuch nicht wieder verlustreich endet.“

„Babamon und Jijimon,“ kam es von Gazimon.

„Die sind wir, in der Tat.“ Die beiden alten Digimon waren hinter sie getreten und musterten den Studenten mit unverhohlenem Interesse.

„Du bist jetzt schon der zweite Junge. Gibt es dieses Mal keine Mädchen?“ kam die Frage von Jijimon.

„Doch, aber die suchen wir gerade,“ kam es von Gazimon, bevor er von Quinn gebremst werden konnte.

„Du bist doch sonst nicht so gesprächig, anderen Digimon gegenüber,“ flüsterte der Student Gazimon zu. „Ich zolle nur denen Respekt, die es verdienen,“ Gazimon verschränkte die Arme vor der Brust und blieb Quinn eine Antwort schuldig, was er genau mit dieser Aussage gemeint hatte.

Jijimon lächelte, was jedoch hinter dem Bartwuchs kaum sichtbar wurde.

Quinn schüttelte den Kopf. Dieses Verhalten war total untypisch für Gazimon. „Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?“ Gazimon schüttelte den Kopf. Etwas zu schnell für Quinns Geschmack. Aber er beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. „Der Zweite? Was ist mit ihm? Wo steckt er?

„Es sah so aus, als habe sich unter ihm ein Tor geöffnet. Nur wohin, das wissen wir nicht. Dadurch leider auch nicht, wie es ihm nun geht.“ Die beiden alten Digimon zuckten mit den Schultern. „Wenn der Seekerstone richtig gearbeitet, ihn anerkannt hat und sein Wunsch groß genug war, vielleicht ist er nach Hause. Wenn nicht...“ Sie ließen den Satz offen stehen.

„Bitte was?“ Quinn sah sie fassungslos an. „Und was ist dieser Seekerstone?“ Quinn konnte sich nur mit Mühe beherrschten. Hermann, davon ging er jetzt schwer aus, war einfach so verschwunden, und die beiden Digimon da vor ihm schien das überhaupt nicht zu beunruhigen.

Gazimon schien zu bemerken, dass es in dem Studenten brodelte, denn er bohrte ihm eine seiner Hinterklauen in den Rücken. „Mach keine Dummheiten,“ zischte er ihm leise zu. „Das ist nicht eure Welt. Manche Dinge laufen hier halt anders.“

Die beiden älteren Digimon schienen nichts von der kleinen Belehrung mitbekommen zu haben, da sie sich am beratschlagen waren, bevor Jijimon andeutete, dass sie ihm folgen sollte.

Er trat auf die Stelle zu, welche jetzt leer war und klopfte mit dem Stab 2 Mal auf den Boden.

Die Luft begann zu flimmern und dann schälte sich langsam das schemenhafte Abbild des Seekerstones heraus, welches nun völlig frei in der Luft schwebte. „Das hier ist ein Abbild aus dem Gedächtnis des Gebäudes. So sah er aus, bevor dein Freund kam,“ verkündete Jijimon.

Nachdenklich besah sich Quinn den Quader. „Sieht ja nicht besonders aus,“ meinte er nachdenklich. Doch durch sein Studium wusste er, das man sich nie auf auf den ersten Blick verlassen sollte.

„Natürlich ist er schlicht, aber er sollte ja auch zweckmäßig sein.“ Jijimon Stimme klang etwas beleidigt und dem Studenten fiel jetzt erst auf, dass er wohl einen Fehler gemacht hatte.

Plötzlich wurde es lauter hinter ihnen und Quinn realisierte, dass sich Gazimon nicht mehr auf seinem Rücken befand. Er hatte sich schon so daran gewöhnt ihn durch die Gegend zu tragen, das es ihm gar nicht aufgefallen war.

„Sofort runter da,“ kam es von Babamon, die Gazimon im nächsten Moment mit dem Besen vom großen Gruppendenkmal geholt wurde. Ja, das war schon eher sein Partner.

„Was fällt dir eigentlich ein?“ Gazimon rettete sich zurück auf Quinns Schultern und im nächsten Moment bekam der Student zu spüren, dass die alte Dame den Besen nicht nur zum Hausputz einsetzte.

Dieser Reisig schmeckte genauso bescheiden, wie in seiner Welt. Quinn spuckte einige Halme aus, die in seinem Mund ein neues zuhause gefunden hatten.

„Oh, entschuldige, aber das wollte ich nicht,“ entschuldigte sich Babamon bei Quinn, während sie Gazimon einen warnenden Blick zuwarf.

Der Student seufzte resignierend und wischte sich auch den Rest aus dem Gesicht. „Ich sollte mich langsam daran gewöhnt haben,“ murrte er leise, als er daran dachte was ihm in der ersten Stadt widerfahren war, in der sie sich aufgehalten hatten und Gazimon gar kein Halten fand.

Das Essen, was sein Partner in einem unbeobachteten Moment stibitzt hatte, der anschließende Wettlauf mit dem Ladenbesitzer, die Mauer, welche für Gazimon nicht wirklich ein Hindernis war, für Quinn aber schon und die anschließende Bemerkung das er mehr Sport treiben sollte, während Gazimon in aller Ruhe fast die gesamte Beute verputzte und Quinn 'gnadenvollerweise' eine Süßkartoffel übrig ließ. Eigentlich ein schwacher Trost, für die Prügel, die er bezogen hatte.

Mit einem leisen seufzten versuchte Quinn diese Erinnerungen lieber wieder zu verbannen und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

„Ihr habt euch nicht untereinander 'kurzgeschlossen'?“ fragte Jijimon plötzlich. „Bitte?“ erwiderte Quinn und das alte Digimon seufzte. „Dann wird mir so einiges klar. Komm mal mit.“ Mit seinem Pfotenstock deutete er an, das sie ihm folgen sollten, als er sich von der Abbildung abwandte.
 

Jijimon führte sie bis kurz vor eine Wand, dann berührte er einen der Namen, die sich dort ebenfalls noch entlang zogen. Augenblicklich verschwand ein Teil der Wand und gab einen bogenartigen Durchgang frei.

Das alten Digimon schritten weiter, während Quinn noch einen Moment zögerte und dann von Babamon einen sanften Stoß mit dem Besen in den Rücken erhielt, wobei sich Gazimon ein Stück höher zog.

Der Raum dahinter glich einem riesigen Lager. Er war angefüllt mit Statuen, Büchern und den blauen Blöcken.

„Es gab Wächter, die das Papier unseren 'Büchern' gegenüber vorgezogen haben.“ Jijimon begann in einem der Regale zu wühlen. „Wo ist es denn noch gleich...“ murmelte er dabei leise und zog dann ein ziemlich großes, ledereingebundenes Buch heraus und hielt es Quinn hin. Der Student musste fest zugreifen. Das Buch war erstaunlich schwer.

„Lies es, und du wirst mehr verstehen,“ meinten die beiden Digimon, bevor sie sich zurückzogen und Quinn mit Gazimon allein ließen.

„Halt deine Krallen an dir, wenn du nicht möchtest das ich sie dir später stutze,“ zischte Babamon Gazimon zu, welcher es daraufhin vorzog lieber von Quinns Rücken zu springen, sich einen freien Platz in einem der Regale zu suchen und sich dann zusammen zu rollen. Er schloss die Augen.

„Was sollte die Aktion eben eigentlich?“ wollte Quinn wissen, als die anderen Digimon verschwunden waren. „Nichts. Ich dachte, ich hätte was gesehen,“ murmelte sein Partner leise, bevor er schwieg und scheinbar eingeschlafen war.

Quinn seufzte leise und widmete sich dem Buch.

Verspätungen

Sie hatten wohl mehr Glück als Verstand gehabt, das sie sich nicht alle Gräten brachen. Außer ein paar Schürfwunden und einem geprellten Knie auf Simones Seite, gewannen sie den Wettlauf gegen die Gliches.

„ Remember me, that I will make more Sports in my next life.“ keuchte die Studentin, als sie vorsichtig ihr Knie abtastete, welches Veemon zuvor mit einem Kräuterverband versorgt hatte, um die Schmerzen etwas zu lindern. Sie konnten sich eigentlich im Moment solche behindernden Verletzungen nicht erlauben.

Seufzend erwischte sich Simone dabei, wie sie sich wünschte, dass wenigstens einer der Anderen noch hier wäre. Die Kontakte zu menschlichen Wesen fehlten Simone, je länger sie beide auf sich allein gestellt waren.

„Tut es noch sehr weh,“ fragte Veemon besorgt, der den gequälten Gesichtsausdruck anscheinend eher auf die Schmerzen bezog.

„No. You did a great job.“ Simone versuchte zu lächeln, was jedoch gründlich misslang. Veemon ließ sich direkt neben ihr nieder. Er lehnte sich gegen sie und schloss die Augen. Fast schon aus einem, in den letzten Tagen entstandenen, Reflex heraus, legte die Studentin eine Hand auf den Kopf, was dieser mit einem Lächeln quittierte.

„Veemon?“

„Hm?“

„You told me, that some Guardians gave their Partners names. Did you know the reason?“

Veemon löste sich von ihr, drehte den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Aber ich vermute es als ein Zeichen, das sie halt zeigen wollen, das ihnen die Partnerschaft etwas ganz besonderes bedeutet.“

„I see the shine in your eyes, when you talked about it and I made a decision. What you think about Albert, from Albert Einstein?“

Veemon sagte nichts, aber kuschelte sich wieder an Simone.

Nachdenklich ließ die Studentin ihren Blick über die Landschaft schweifen. Was wohl die Anderen gerade machten? Diese Welt hatte sich, bis auf wenige Ausnahmen, bisher nur von ihrer ziemlich unfreundlichen Seite gezeigt. Ohne Veemons Wissensschatz hätte sie bestimmt schon weitaus größere Probleme als ein geprelltes Knie.

„Du machst dir Sorgen um deine Freunde?“ riss Veemon sie aus ihren Gedanken. Simone sah zu ihm.

„Ich bin mir sicher, du brauchst das nicht. Wenn sie auch nur halb so aufgeweckte Partner haben, werden sie wohl kaum Probleme bekommen. Außerdem bleibt die Anwesenheit von Menschen in unserer Welt nie lange ein 'Geheimnis'. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass wir in nächster Zeit auf erste Hinweise über sie stoßen werden. Wir müssen nur erstmal eine Stadt aufsuchen. Denn dort verbreiten sich Informationen mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit.“ Albert lächelte Simone aufmunternd an.

Das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten war, das Simone die Hoffnung verlor und auch die Konzentration, denn dann das machte sie Beide angreifbar.

„Kannst du mir sagen, warum dich diese Zeichnung so beunruhigt hat?“ fragte Veemon interessiert nach.

Simone schluckte und schien im ersten Moment nicht gewillt mit der Sprache herauszurücken, doch dann begann sie langsam zu erzählen.
 

Schweigend lauschte Albert und sah sie dann nachdenklich an.

„Zwei Sachen machen mich stutzig. Zum einen, was veranstalten die Leute von KERN da wirklich und zum Anderen, warum der Dämonenfürst Beelzebumon für euch Partei ergriffen hat und euch sogar hierher schickte. Denn gerade die Fürsten gehören zu denjenigen, die Einmischungen von Außen nicht tolerieren und auch schon damals alles dafür taten, den Wächtern das Leben so unangenehm wie möglich zu gestalten.“

Doch bevor sie diese Gedanken weiter ausführen konnten hörten sie das vertraute Geräusch einer Dampflok.

Sofort sprang Veemon auf und lief in die Richtung, aus der das Geräusch ertönte. Simone stemmte sich etwas umständlicher in die Höhe, bevor sie ihm folgte.
 

Unweit von ihrer letzten Position stand doch tatsächlich ein Trailmon und unmittelbar vor ihm Veemon, das die Arme ausgebreitet hatte und mitten auf der Schiene schritt.

“Hey du da vorne, runter vom Gleis. Ich bekomme Verspätung.“

Wow, an dem Zug sollten sich mal die Bahn in Deutschland ein Beispiel nehmen. Pünktlichkeit …

„Nein ich kann euch nicht mitnehmen. Das ist kein ausgewiesener Bahnhof und wo kämen wir denn hin, wenn ich jedes mal auf freier Strecke halten würde, wenn jemand mit will. Ich habe Zeiten an den ich mich halten muss.“ - „Aber es ist wichtig, das wir mitfahren müssen. Bitte.“ - „Wichtig? Wichtig ist nur mein Fahrplan... Weißt du wie viel Schaden mein Räumer nehmen würde, wenn ich dich … Hey, aussteigen. Sofort.“

Simone war während des Streitgespräches einfach zu einer der Waggontüren gegangen und schon fast im Abteil verschwunden, bevor sie ihren Kopf wieder herausstreckte. „It is your decision. You can take us with, or Veemon will continue discussion and your timetable will completely fail.”

Es dauerte einen kurzen Moment, in dem das Trailmon schwieg und dann etwas undefinierbares vor sich hinbrummelte, was alles andere als freundlich klang. Kaum war Veemon eingestiegen, flog hinter ihm auch schon die Tür zu und das Trailmon setzte sich mit einem scharfen Ruck in Bewegung, welche das Digimon etwas durch das dahinter liegende Abteil schliddern lies.

„What you think, which city is the destination of that Trailmon ?“ Albert ließ sich von Simone auf die Beine helfen, zuckte dann aber mit den Armen. „Ich habe keine Ahnung.“

Das Trailmon jedenfalls schwieg sich über sein Ziel aus, als Veemon es fragte. So blieb ihnen wohl nichts übrig, als abzuwarten.

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Nach einem rauschenden Fest erwachten Paul und Clockmon am nächsten Tag erst gegen Mittag. Stöhnend hielt der Forscher sich den Kopf. Das war doch nie im Leben normaler Sake gewesen. Er ließ die Hand langsam tiefer sinken, als Katrin eintrat. „Paul nicht!“ Doch die Warnung kam zur spät. Pauls Hand streifte den Verband, der seinen Hals und die Hälfte der rechten Wange bedeckte.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“ kam es fragend von Kotemon, der hinter der Studentin sand und so nicht sehen konnte, was im Raum vor sich ging.

„Nein, alles bestens. Ich glaube er wurde nur etwas unsanft an seine gestrige Aktivität erinnert.“ Die Studentin kicherte, während der Forscher immer noch schmerzhaft das Gesicht verzog. „Eindeutig zuviel Sake,“ kicherte sie immer noch. „Und als nächstes willst du mir jetzt weismachen, dass du dich nicht daran erinnerst, das du dich gestern Abend an eine der Tänzerinnen herangemacht hast, die dir eine ziemliche Abfuhr erteilt hat.“ Katrin deutete auf den Verband. „Bastemons Krallen sind ziemlich scharf.“

Unglaube lag im Gesicht von Paul, als er sich hastig begann von dem Gewickels um seinen Hals zu befreien. Wenn es wirklich die letzte Nacht gewesen war, musste man doch eigentlich nichts mehr davon sehen. Auch wenn es noch empfindlich war. Eigentlich. Drei gleichmäßige, hellrote Striemen ließen immer noch die Art der Abfuhr erahnen.

Paul kniff die Augen zusammen, als er versuchte sich daran zu erinnern, was am letzten Tag allse passiert war.
 

Nachdem sie erst mal einen geschlagenen Tag flach gelegen hatten, mit einer Abart von Erkältung, den Wasserspielen sei dank, war am zweiten Tag das Ritus durchgeführt worden, das aus Katrin und Kotemon Partner machte. Danach wurde gefeiert und man hatte zur Feier des Tages dieses Teufelszeug ausgeschenkt, was sie im Dorf selber brauten und als Sake bezeichneten. Komischerweise war seine Schale nie leer geworden. Irgendwann tauchte dann diese Gauklertruppe auf und ab da besaß Paul einen Filmriss.
 

Er zuckte zusammen, wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die wunden Stellen ziepten. „Halt still,“ sprach Katrin mit strenger Stimme, während sie die Wunden mit einer Kräutermixtur abtupfte. „Wer trinken kann, muss auch leiden können.“ Sie legte den Tupfer zur Seite und verband die Wunden erneut.

Paul wartete noch, bis sie fertig war, bevor er beschämt den Kopf senkte, denn ihm war gerade noch etwas schmerzlich klar geworden. „Entschuldige, das ich deinen wichtigsten Tag so ruiniert habe,“ murmelte er leise.

„Es muss dir nicht Leid tun,“ winkte Katrin ab, während sie Kotemon die gebrauchten Sachen wieder auf ein Tablett legte, damit dieser sie fort bringen konnte. Sie lächelte ihn an, zumindest versuchte sie es. „Wir waren beide noch durch die Krankheit geschwächt und hatten gemeinsam einen sitzen, sonst wäre es wahrscheinlich gar nicht so weit gekommen. So wie ich deinen Partner kenn, passt der schon auf, das du keine zu großen Dummheiten anstellst.“ Paul schnaubte beleidigt, während Katrin zu kichern begann. Clockmon zog es vor, sich lieber bedeckt zu halten.

„Aber jetzt zu einer anderen Sache.“ Katrins Stimme war wieder ernst geworden. „Ich war heute morgen bei Apemon um ihm mitzuteilen, dass wir die Anderen suchen gehen werden. Zu lange schon schlagen wir hier Wurzeln und ich möchte schon wissen wie es ihnen geht.“

„Wenn es dir etwas hilft, kann ich dir sagen, wo Quinn ist.“ Paul hob die Ringhand und hielt sie etwa in Bauchhöhe, so das etwa in Brusthöhe etwas wie eine Karte erschien, die das Dorf darstellte. Doch sie war irgendwie unscharf. „Blöde Kopfschmerzen,“ knurrte der Forscher und versuchte sich mehr auf die Karte zu konzentrieren, das die Umrisse schärfer würden.

Dann bewegte er die Hand, so dass das Dorf verblasste. „Ich weiß nicht genau, wo wir gerade sind, deshalb werde ich unseren Standpunkt jetzt mal auslassen. So, Quinn mein Junge, wo steckst du.“ Paul pitschte die Augen zusammen, während die Karte sich wandelte. „Ah, da.“ Das Wechselspiel war zu einem Ende gekommen und zeigte so etwas wie Umrisse einer Stadt. „Er steckt in Acero.“

„Woher weißt du das?“ fragte Katrin fassungslos. „Nun ja.“ Paul griff sich mit der anderen Hand an den Hinterkopf und tat leicht verlegen, „ich habe ihm bei unserem ersten Treffen ein paar Informationen zugespielt und das ist der Grund, warum ich ihn nun orten kann.“

Die Karte brach zusammen, als Paul die Hand drehte und sie Katrin hin streckte. „Ich denke, es ist das beste, wenn wir unsere auch miteinander abstimmen, für den Fall, das wir getrennte werden. Dann fällt es uns auch nicht sonderlich schwer wiederzufinden. Eigentlich hätte ich das schon in Justiciamons Palast machen sollen, aber dann kam ja dieser Sturm.“ Er zuckte kurz mit den Schultern. „Und das mit Simone hab ich dann auch noch versaut, als wir angegriffen wurden...“ Bei diesem Gedanken verzog Paul das Gesicht. „Ein Angriff? Von wem? Und warum erfahre ich erst jetzt davon?“ Katrin griff mit fragendem Blick nach seiner Hand und zuckte zusammen, als Paul das mit ihr tat, was er schon mit Quinn durchgezogen hatte.

„Die Kopfschmerzen hättest du behalten können,“ murrte sie leise, als Paul zu erzählen begann.

Botendienst

Dunkel war es, staubig und beengt. Seine Beine und Hände waren fest verschnürt und er hüpfte ein Stück weit über den Boden, als eine Unebenheit dafür sorgte, dass sein Körper etwas in die Höhe wanderte. Hermann stöhnte auf. Was zur Hölle sollte das?

„Selber schuld,“ sprach eine fremde Stimme von außerhalb seines nicht vorhandenen Sichtfeldes und jemand drückte ihn zurück in eine sitzende Position in einer Ecke des Gefährts, mit dem sie sich gerade bewegten.

„Du bist entführt worden,“ stellte Kerems Stimme trocken fest. Sie selbst war jedoch nirgendwo zu sehen. 'Ach ne, wie kommst du nur darauf,' dachte der Student mürrisch und versuchte sich an das letzte zu erinnern was ihm noch einfiel. Was war passiert, nachdem er das Haus verlassen hatte?

Der blaue Van der Telefongesellschaft... die Hände... dann Dunkelheit.

Hermann ruckte mit den Händen, doch die Fesseln gaben keinen Millimeter nach.

„Versuch es erst gar nicht. Du würdest dich nur selbst verletzen,“ ertönte die Stimme eines der Entführers erneut.

„Was kümmerst du dich so um den. Betäub ihn einfach,“ warf eine zweite Stimme ein.

Hermann spürte noch, wie etwas feuchtes auf seinen Handrücken geklebt wurde, dann kehrte die Bewusstlosigkeit zurück, ohne das er etwas dagegen tun konnte.

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Seufzend saß Quinn auf den Stufen, die zum Museum hinaufführten. Die Finger seiner rechten Hand wanderten gedankenverloren an den Kettengliedern entlang. Die letzten Stunden hatten ihm viel Zeit zum Nachdenken gegeben.

„Alles in Ordnung?“ Die Stimme von Jijimon riss den Jungen aus seinen Gedanken. Der Student nickte, blieb aber stumm. Dennoch schien das alte Digimon hinter seine Fassade blicken zu können.

„Dir fehlen deine Freunde, nicht wahr?“ Wieder folgte ein nicken. Jijimon schüttelte den Kopf. „Ich bin mir sicher, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wenn sie auch nur halbwegs fit sind, und du hast bisher ja nur Gutes über sie berichtet, dann findet ihr sicherlich bald wieder zueinander. Komm, lass uns rein gehen und eine Tasse Tee trinken. Das bringt dich bestimmt auf andere Gedanken.“ Jijimon hielt Quinn die Hand hin.

Für einen kurzen Moment zögerte der Junge, bevor er dann jedoch die dargebotene Hand ergriff, sich erhob und dem alten Digimon zurück in das Gebäude folgte.

Sicher lotste Jijimon ihn zu ihren Privaträumen. Babamon war gerade dabei am Tisch mehrere Tassen mit dampfendem Tee zu füllen. Mitten auf dem Tisch befand sich eine Schale mit Gebäck. Von Gazimon fehlte jede Spur. Fragend blickte Quinn sich um. „Dein Partner schläft noch,“ meinte sie lapidar und stellte die Kanne zur Seite. „Wenn du dich dann bitte setzen möchtest,“ Sie deutete auf einen der freien Plätze am niedrigen Tisch und ließ sich ebenfalls nieder.
 

In einer Beziehung hatten sie Recht gehabt, Quinn entspannte sich tatsächlich etwas, und die Gedanken an seine Freunde wurden durch die Gespräche mit seinen Gastgebern fürs Erste abgelenkt. Doch dann erschien plötzlich aus dem Nichts ein kleiner Origami-Kranich, der sich auf Jijimons Schoß niederließ.

Als die Hand des Digimons danach griff, entfaltete sich dieser und wurde zu einem Stück Papier. Quinn konnte von seiner Position aus nicht sehen, was darauf geschrieben stand.

Es dauerte nicht lange, bis das Digimon die Zeilen studiert hatte. Jijimon verzog das Gesicht, was Babamon und Quinn veranlassten ihn fragend anzusehen.

„Ich warte auf eine Lieferung die mit dem nächsten Trailmon kommen sollte,“ klärte er auf. „Aber dummerweise kann ich gerade nicht fort.“ Sein Blick wanderte zu Quinn. „Würde es dir etwas ausmachen, sie an meiner Stelle abzuholen?“

Quinn brauchte nicht lange zu überlegen, bevor er nickte. Jijimon lächelte unter seinem Bart. „Das ist sehr nett von dir. Dann solltest du mit deinem Partner aber bald aufbrechen.“ Überraschung schlich sich in Quinns Gesicht.

„Ja du solltest ihn mitnehmen, sonst ist er nachher nur sauer auf dich, dass du ihm vorenthalten hast, mal hier weg zukommen. Außerdem wollen wir doch noch, dass, wenn du zurückkommst, das Museum noch steht.“ Babamon lächelte ebenfalls.

Der ehemalige Kranich begann sich aufzulösen, da seine ursprüngliche Aufgabe nun erfüllt war. Ganz unter den wachsamen Augen des Studenten.

„Noch nie einen Botenkranich gesehen?“ Quinn nickte. „Oh, dann zeige ich dir wohl am besten, wenn ihr zurück seid, wie man mit ihnen arbeitet.“ Jijimon blickte seine Partnerin an.

Quinn fluchte im Geiste. Warum hatten die Verfasser der Bücher es nicht für nötig befunden so etwas wichtiges aufzuschreiben. Er hätte so wohl wahrscheinlich schon längst mit den Anderen wieder in Kontakt treten können.

Schlecht gelaunt durch diese Erkenntnis suchte er Gazimon auf, der immer noch friedlich vor sich hinschlummerte.

„Hey, aufstehen. Wir haben einen Auftrag.“

Genervt und übermüdet blickte Gazimon ihn an, bevor er gähnte.

Ausgiebig wurde sich gestreckt, denn soviel Zeit musste noch sein, bevor Gazimon langsam auf Quinns Rücken stieg wo er, erneut gähnend, die Arme über dessen Schultern baumeln ließ, um kurz darauf wieder eingeschlafen zu sein.

Quinn seufzte und machte sich auf den Rückweg zu den beiden alten Digimon.

Diese schienen etwas amüsiert zu sein über die Art und Weise, wie sich Gazimon transportieren ließ, zeigten aber in soweit Taktgefühl, das sie darüber schwiegen. Stattdessen reichten sie Quinn eine Karte und einen Zettel, damit er wusste wohin er sollte.

„Verlauf dich nicht,“ rief Babamon Quinn hinterher. „und nimm dich etwas in Acht. Es gibt auch sicherlich enttäuschte Angereiste, die vielleicht versuchen könnten, an Gazimons Stelle zu treten.“

Tolle Aussichten. Quinn verdrehte die Augen. Das hieß also die Seitenstraßen meiden, die eigentlich willkommene Abkürzungen versprachen und mitten durch das Gewühl der Hauptwege.

Schon nach wenigen Schritten außerhalb des Museums musste Quinn sich eingestehen, das er immer noch das Gefühl hatte, das alles und jeder ihn anzustarren schien. Seine Nervosität schien sich auf Gazimon zu übertragen, denn dessen Schlaf wurde unruhiger, je länger sie liefen, bis er schließlich mit einem Murren wach wurde.

„Sind wir schon da?“

Quinn schüttelte den Kopf. Sie befanden sich in unmittelbarer Sichtweite des Bahnhofes, doch ein riesiges Tyrannomon schien es für nötig befunden zu haben einen Durchgang zu nutzen, welcher viel zu klein für es war und steckte nun ziemlich fest.

An diesem Punkt zeigte sich auch, dass es eine Marotte der Menschen auch in die Digiwelt geschafft hatte. Viele der anwesenden Digimon waren einfach stehen geblieben und gafften, statt dem Tyrannomon aus seiner mißlichen Lage herauszuhelfen und das Gebäude dadurch vor größeren Schäden zu bewahren. Denn das Tyrannomon hielt immer weniger still, je länger es feststeckte.

„Wie der Korken auf einer Flasche,“ kommentierte Gazimon das Schauspiel und hatte damit gar nicht mal so Unrecht. Denn die Digimon, die sich unmittelbar bei Tyrannomon befanden, versuchten wegzukommen, während andere näher heran wollten um die Szene besser zu beobachten. So baute sich immer mehr Druck auf.

Quinn seufzte, als er sich einen Weg suchte um zu den Gleisen zu gelangen. Auf normalem Weg war da gar nichts mehr zu machen, aber wenn dieser Bahnhof auch nur ungefähr den normalen menschlichen Bauvorschriften entsprach, musste es mehr als nur den einen Zugang geben. Nun galt es nur, genau diesen zu finden.

Quinn kämpfte sich durch die, immer zahlreicher, werdenden Digimon an den Rand der Straße und seufzte erleichtert, als der Druck auf seinen Körper nachließ und er sich auch wieder halbwegs normal bewegen konnte. Also doch weiter über eine Nebenstraße.

Erschöpft lehnte sich Quinn an eine Wand. Einige der Digimon, die er als letztes passiert hatte, waren der etwas heißeren Gruppe zuzuordnen gewesen. Der Junge wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Gazimon jedoch war nicht mehr auf seiner Schulter, sondern kletterte an der Wand etwas hinauf, bis er auf einem Vorsprung liegen blieb. Sein Fell war gesträubt und er blickte sich wachsam um.

Fragend sah Quinn nach oben. „Wir sind nicht allein,“ war die Antwort daraufhin und Gazimon knurrte.

„Natürlich nicht. Wir sind in einer Stadt und die Hauptstraße ist mehr als verstopft...“ - „Das meine ich nicht,“ knurrte Gazimon weiter und sprang wieder auf Quinns Schultern hinab, was den Studenten veranlasste schmerzhaft das Gesicht zu verziehen. Ein Fliegengewicht war sein Partner nun wirklich nicht. Doch bevor er sich diesbezüglich beschweren konnte, ruckte Gazimons Kopf herum.

„Deckung,“ er stieß sich von Quinns Rücken ab, was den Studenten nach vorne taumeln ließ und verhinderte, das dieser Bekanntschaft mit einem großen Holzprügel machte.

Entsetzt suchte der Junge nach seinem Gleichgewicht und erblickte drei Wesenheiten, die wieder aus der Gruppe von Fantasywesen entsprungen schienen. Mit den kurzen Hauern, dem Irokesenhaarschnitt, den spitzen, grünen Ohren und der gedrungenen mannshohen Gestalt hatten sie ziemliche Ähnlichkeit mit … „Goblimon,“ fauchte Gazimon.

„Sucht ihr Streit?“ Die drei Goblinverschnitte blickten Gazimon nur überheblich an.

„Du der Junge seien?“ sehr gut sprechen konnte der Wortführer der drei jedenfalls nicht, während er Quinn ansah, der den Blick fragend erwiderte. „Du mitkommen. Du ausgewählt zu sein Partner von Meister Ogremon.“ - „Träumt weiter,“ fuhr Gazimon dazwischen. „Der Junge gehört mir und niemand anderem, schon lange nicht so drei dahergelaufenen Gestalten wie ihr es seid.“ Die Blicke der Digimon trafen sich. „Dann wir holen ihn mit Gewalt.“

Mit erhobenen Keulen stürzten die drei Goblimon auf Quinn und seinen Partner zu. Quinn wirbelte herum, der so etwas schon geahnt hatte und musste feststellen, dass die Straße plötzlich vollkommen befreit von jeglicher Art von Leben war.

Mit einer Hand fixierte Quinn Gazimon, welcher wieder zurück auf seinen Lieblingsschulterplatz geklettert war, bevor er losrannte.

Doch schon nach ein paar Abzweigungen musste Quinn feststellen, das sie in einer Sackgasse gelandet waren. Er konnte gerade mal zu einer Wand zurückweichen, die viel zu hoch war, als das er hätte darüber klettern können und zurück ging es ebenfalls nicht mehr, da ihre Verfolger den einzigen Ausweg versperrten und siegesgewiss grinsten.

„Drei gegen einen, das ist ja wohl mehr als unfair,“ grummelte Quinn, während er immer weiter zurückschritt, bis er den Stein im Rücken spürte. Doch die Goblimon schienen nicht sonderlich interessiert.

Quinn sah sich nach einer Möglichkeit um hier doch noch irgendwie zu verschwinden, doch außer Dreck und Unrat, gab es keine verborgenen Gänge, durch die man hätte entkommen können.

Als der Student nach einer herumliegenden Holzstange greifen wollte zischte Gazimon auf und sprang von seiner Schulter herunter. „Das ist mein Kampf.“ Dann rannte er auch schon den Goblimon entgegen.

Dem ersten Keulenschlag wich Gazimon aus, indem er einfach darüber hinwegsprang und dem Goblimon dabei mit den Krallen quer durch das Gesicht fuhr. Auch den zweiten und dritten Schlägen entging er, wenn auch stellenweise um Haaresbreite. Nun zeigte sich mehr als deutlich, das er vor der Zeit mit Quinn schon mehr als einmal gekämpft hatte, denn Gazimon bewegte sich scheinbar wie ein Tänzer zwischen den, plump anmutenden Goblimon und führte sie sogar ein wenig vor.

Doch die Gegner hatten die Stärke auf ihrer Seite und die Menge. Auch wenn es Gazimon kurzzeitig gelang einen von ihnen zu entwaffnen wurde er sichtlich müde und die Bewegungen büßten sichtlich an Eleganz ein. Obwohl Gazimon fleißig austeilte musste er auch einstecken und so kam es, das er einer Keule nicht mehr ausweichen konnte.

Sie traf ihn mitten auf den Leib und schleuderte ihn neben Quinn an die Wand, Langsam rutschte Gazimon an dem Mauer herab und blieb benommen liegen. Die Goblimon lachten.

„Was für ein Schwächling,“ gaben sie plötzlich in perfekter Sprache von sich. „Du solltest froh sein, das wir dich von solch unnötigem Ballast befreien. Du mit Ogremon ein besseres Team seien.“ Soviel wieder zur perfekten Aussprache.

Eines der Goblimon trat näher, stieß Quinn einfach zur Seite und hob seine Keule um damit Gazimon zu erledigen. Doch er kam gar nicht zum Schlag, denn er wurde gerammt und die Keule landete, ohne den Besitzer, auf dem Boden.

Quinn rieb sich die schmerzende Hand, während er sich erneut vor Gazimon aufbaute. In der Hand hielt er das, nun abgebrochene Holzstück. „Träumt weiter. Gazimon ist mein Partner und niemand anderes.“

Verdutzt sahen sich die Goblimon sich an um sich dann am Kopf zu kratzen und dann synchron mit den Schultern zuckten, bevor sie wieder zu Quinn und Gazimon blickten. „Dann du sterben.“

„Verschwinde, das sind zuviele,“ murmelte Gazimon leise, doch Quinn schüttelte den Kopf. Er nahm das Holz in beide Hände. „Kommt doch, wenn ihr euch traut.“

Gazimon knurrte bei soviel Leichtfertigkeit und sammelte seine letzten Kräfte um sich wieder in die Höhe zu stemmen. Er schwankte zu Quinn und musste fast augenblicklich einstecken, als die Goblimon begannen auszuteilen.

Auch Quinn kam nicht wirklich glimpflich davon. Eine hässliche Platzwunde zierte schon recht schnell seine Stirn. Doch irgendwie sah es so aus, als könnten sie sich kurzzeitig behaupten.

So etwa fünf Sekunden, dann passierte etwas, dass das Blatt zum kippen brachte.

Plötzlich erstrahlt das Goblimon auf, welches die Sprecherrolle gehabt hatte und als der Schein verflog stand da ein völlig anderes Wesen.

„Ogremon,“ stöhnte Gazimon auf. „Lauf,“ rief er dem ramponierten Studenten zu. Doch diese Aufforderung brauchte dieser gar nicht. Denn dieser hatte sich schneller von der Sache erholt, als die verbliebenen Goblimon und schlängelte sich nun an ihnen vorbei, hinaus aus der Sackgasse. Doch bevor er noch vollkommen vorbei war, stellte einer der Goblimon Quinn ein Bein, so das er der Länge nach hinschlug.

Sofort war auch das zweite Goblimon wieder da und beide grinsten, bevor sie zum Dritten im Bunde blickten. „Meister Ogremon wo auf einmal herkommen?“ Die Goblimon schienen wohl nicht ganz zu realisieren, was da passiert war.

Gazimon stürzte sich schreiend mehr schlecht als recht auf Ogremon, sicherlich auch um von Quinn abzulenken, doch er machte nur Bekanntschaft mit der Knochenkeule, welche ihn zurück schleuderte, geradewegs in den Rücken des sich aufrappelnden Studenten. Erneut ging Quinn zu Boden.

Erschöpft zog sich Gazimon an ihm herauf, bis er halb auf Quinns Kopf und Schultern lag. „Ich kann so nicht mehr weiter kämpfen und uns beschützen. Leih mir deine Kraft.“ In seiner Stimme lag plötzlich kaum mehr Schwäche, eher etwas forderndes.

Gazimons Klaue schloss sich um Quinns Kette und er zog leicht daran.

Der Student keuchte und schloss die Augen. Er versuchte sich daran zu erinnern, was Paul ihm versucht hatte diesbezüglich zu vermitteln.

Hinter ihnen holte Ogremon wieder zum Schlag aus.

Acero I

Simone war eingeschlafen und schreckte zusammen, als das Trailmon ziemlich abrupt abbremste und sie so fast von der Sitzbank fielen.

„Acero. Endstation. Alle aussteigen und damit mein ich auch die zwei blinden Passagiere.“ Die Stimme des Trailmon klang immer noch sehr verärgert.

„Dabei sind wir doch nur...“ Simone hielt Veemon lieber den Mund zu und brachte ihn so zum schweigen. Vielleicht war es besser, das Trailmon nicht unnötig weiter zu verärgern.

Immerhin waren sie jetzt endlich wieder in bewohntem Gebiet und vielleicht fanden sie hier auch endlich Hinweise auf die Anderen.
 

Der Bahnsteig war gerammelt voll und die Beiden zogen es vor etwas zu warten, bevor sie versuchten den Bahnhof zu verlassen. Sie standen ziemlich am Ende des Bahnsteiges, als sie plötzlich jemand von hinten antippte.

Erschrocken fuhr die Studentin herum und sah im ersten Moment nichts.

„Hier unten.“

„Babamon,“ entfuhr es Veemon verwundert aber auch fasziniert.

„In der Tat, die bin ich,“ nickte das Digimon breit grinsend. Dann sah sie sich um. „Hm, scheint so, als habe unser Bote den Weg hierher nicht geschafft.“ Gespielt seufzte sie.“ „Es gibt echt kaum noch zuverlässiges Personal,“ meinte sie im Scherz und erntete einen fragenden Blick von Simone.

„Sagmal bist du die Babamon die zusammen mit Jijimon das große Museum bewacht?“ mischte sich Veemon ein, bevor Simone überhaupt eine Frage stellen konnte.

Babamon nickte und ab diesem Moment kam Simone nicht mehr dazu überhaupt etwas zu fragen, denn Veemon wollte tausende Dinge wissen. So machte die Studentin erst einmal gute Miene zum bösen Spiel und folgte den beiden Digimon irgendwie aus dem Bahnhof heraus.
 

Ziemlich zügig erreichten sie das Museum und Jijimon winkte sie schon fast ungeduldig weiter in den Wohnbereich.

„Quinn!“

Der Student mit dem großen Kopfverband grinste sie aus einem, viel zu kurzen, Bett an.

„Die solltest du übrigens für uns am Bahnhof abholen,“ meinte Jijimon zu Quinn mit leicht tadelndem Unterton. „Aber der junge Herr hat ja nichts besseres zu tun, als sich mit streitsüchtigen Digimon in einer Seitenstraße anzulegen.“

„Hey, aber wir haben gewonnen,“ meldete sich plötzlich ein ziemlich gerupft aussehendes Gazimon zu Wort. Doch dann stockten die Gespräche.

„Alles in Ordnung?“ Veemon blickte besorgt zu Simone, der Tränen über die Wangen liefen. Dann stürzte sie plötzlich vor und umarmte Quinn, der schmerzhaft das Gesicht verzog. Blaue Flecken und Prellungen konnten nunmal mörderisch wehtun.

„Simone?“ vorsichtig legte er der schluchzenden Studentin eine gepflasterte Hand auf den Kopf. „I... i was … so … scared,“ nuschelte sie die Worte in Quinns Kleidung.

Langsam fuhr Quinns Hand durch ihre Haare. Er blickte bedauernd zu Boden.

Veemon blickte ziemlich bedröppelt aus der Wäsche. Er verstand nicht so recht, was mit Simone los war. „Habe ich etwas falsch gemacht?“ fragte er deshalb nach einer Weile, wo ihr Schluchzen etwas verklungen war.

„Du gar nichts,“ gähnte Gazimon. „und fang jetzt ja nicht auch noch an so zu flennen. Eine reicht schon.“ Dafür erhielt Gazimon einen Besenschlag auf den Kopf. Wenigstens schien er langsam wieder zur alten Form zurückzufinden.
 

„Willst du uns vielleicht nicht mal vorstellen?“ versuchte Quinn Simone auf andere Gedanken zu bringen. Zögerlich nickte die Angesprochene, bevor sie sich die letzten Tränen aus den Augen wischte und sich von dem Studenten löste. Obwohl Simone zu lächeln versuchte, machte sie einen ziemlich angespannten Eindruck. Die Sache schien sie mehr zu belasten, als sie bereit war zuzugeben.

Sie drehte den Kopf und blickte zu Veemon. „That is Veemon, my fellowship. You can call him also Albert.“ Sie lächelte schwach, bevor er dann auf Quinn deutete. „And that is Quinn. A student and friend. I think you know Gazimon.“ Veemon nickte.

Gazimons Kopf war wieder hochgezuckt. „Albert?“ Er begann schallend zu lachen. „Du hast ihm einen Namen gegeben? Und dann auch noch so einen albernen?“

Dafür holte sich Gazimon wieder eine Kopfnuss ab, diesmal jedoch von Quinn. „Sei nicht so unverschämt,“ zischte der Student ihm zu.

Gazimon brummte etwas unverständliches und rieb sich den Kopf. „Wenn du so weitermachst nenn ich dich Lausbub oder Struwwelpeter.“

Gazimon schürzte beleidigt die Lippen.
 

„Was ist mit dir? Warum weinst du?“ ratlos sah Veemon Simone an, die sich zu im herabbeugte und dann über seinen Kopf strich. Sie versuchte zu lächeln, was aber gründlich in die Hose ging. „I'm sorry, that I worry you . I was so scared, when I lost the others. And now I'm so glad that I found Quinn again. Those Tears are tears of luck not of sorrow.“ Sie blickte zu Quinn und dann zu Veemon zurück. Dann zog sie ihren Partner näher zu sich. „And you Gazimon. Don't think about something to annoy Veemon. You will regret it. I swear.“

Das Lächeln, was nun folgte, war ehrlich und ließ aber auch keinen Zweifel daran, wie ernst sie diese Worte meinte. Dann musterte sie den Verband. „What happened?“

Quinn lächelte schief.

„Wie gesagt, er sollte euch abholen und hat sich von seiner Aufgabe ablenken lassen.“ Jijimon trat näher zu ihnen heran. Er hatte mit Babamon das Ganze schweigend verfolgt. „Aber zu seiner Ehrenrettung sollte gesagt sein, das sie sich recht wacker geschlagen haben.“ - „Und kräftig kassiert,“ kommentierte Quinn das ganze.

Gazimon knuffte ihn erneut. „Jetzt hör aber auf. Immerhin ist es uns gelungen auf die nächste Stufe zu digitieren.“ - „Really?“ - „Ja,“ meinte gazimon mit stolzgeschwellter Brust. „und dann habe ich sie das fürchten gelehrt.“

Jijimon hielt sich vornehm zurück. Ihm war da eine ganz andere Art der Geschichte im Gedächtnis hängen geblieben.

„Jemand Tee?“ fragte Babamon plötzlich.

##

„Acero,“ murrte Paul, während er das Kartenhologramm musterte, das sich vor ihm aufgebaut hatte. „Jetzt wissen wir zwar, wo sich Quinn befindet, aber nicht Simone und Hermann.“

Katrin seufzte. „Das wäre ja jetzt wohl auch zu einfach gewesen, wenn wir uns so schnell wiedergefunden hätten.“

„Wäre es dann nicht logisch, dass ihr dann aufbrecht und euren Freund aufsucht, bevor er wieder in den Weiten unserer Welt verschwindet?“ Apemon war in den Raum getreten. „Es gibt Regionen, wo ihr untereinander keinen Kontakt halten könnt und ihn dann auch verlieren würdet, bis er von dort wieder hervorkommt.“ Der Affe kratzte sich kurz am Kopf. „Wenn er von dort wieder hervorkommen sollte. Diese Gebiete waren schon früher für ihre extreme Lebensfeindlichkeit berühmt und berüchtigt.“

Die beiden Menschen sahen sich bei den Worten an.

„Man lernt doch nie aus,“ kommentierte Paul die Worte trocken, während er an seinen Ohrclip griff. „Ich dachte eigentlich, es gäbe nichts was die unterbrechen könnte.“

Apemon zuckte mit den Schultern. „Macht euch fertig. In einer halben Stunde werden euch ein paar Ninjamon abholen kommen.“

##

Mehrere monitorartige Dinge schwebten in einem dunklen Raum und zeigten diverse Szenen, die für den normalen Betrachter scheinbar ohne Zusammenhang waren.

„Wann werden sie aufeinandertreffen?“ - „In etwa zwei Tagen.“ - „Gut. Bereitet alles vor. Sie sollen einen würdigen Empfang erhalten.“ - „Verstanden.“

Dice

Schmerzen. Seine Welt schien nur aus Schmerzen zu bestehen. Wenigstens schien er nicht mehr gefesselt.

Stöhnend richtete Hermann sich auf. Es fühlte sich komisch an. Die Oberfläche, auf die er lag war schwamming und das erste, was er tat, als er merkte, dass seine Hände nicht mehr gebunden waren, war, sich diesen lästigen Sack vom Kopf zu ziehen, der ihm die Sicht nahm. Der Student bereute es sofort, denn eine neue Welle Schmerz war der Lohn. Seine Augen wurden vom Licht geblendet.

Es dauerte etwas, bis er einen erneuten Versuch wagte und stöhnte auf, als Hermann bewusst wurde wo er sich befand. Dieser Raum war zwar leicht verändert, aber vom Grundaufbau der gleiche.

Hermann fluchte im Geiste. Nun wusste er, wer ihn entführt hatte. Letztendlich bekamen die von KERN doch was sie begehrten.

Mit einer schnellen Handbewegung wollte Hermann nach seinem Handy greifen, doch wie schon zuvor, war dieses, zusammen mit seiner Kleidung verschwunden und durch diesen lästigen und hässlichen Overall ersetzt worden.

Langsam schob er den rechten Hemdsärmel zurück, dann grinste Hermann leicht, bevor er den Stoff wieder zurückfallen ließ. Sie hatten ihm nicht alles nehmen können. Nur wunderte er sich nun wieder, warum von Kerem jegliche Spur fehlte.

Seufzend erhob sich Hermann endgültig und sah zur Tür. Bei ihren Gesprächen erzählten die Mädels doch, das es ihnen fast gelungen war, das Türschloss zu knacken.

Sorgfältig untersuchte Hermann die Umgebung der Tür und stieß auf eine frische Klebespur. Offensichtlich hatten die Leute hier aus ihrem letzten Fehler gelernt und nun alle möglichen Zugänge mit Silikon verfugt, so das Hermann erst gar keine Chance erhielt sich an irgendwelchen elektronischen Innenleben zu Schaffen zu machen. Vom Türschloss mal ganz zu schweigen.

Nachdem er sich eine ganze Weile erfolglos an dem Panel versuchte, kehrte Hermann frustriert zum Bett zurück und ließ sich darauf fallen.

'Kerem?' Doch Hernann erhielt keiner Antwort. Seine Situation war ziemlich bescheiden.

Zischend öffnete sich die Tür und Hermann konnte nicht verhindern das er zusammenzuckte. Als mehrere Personen den Raum betraten rief er sich geistig zur Ordnung. Er versuchte sich Kerems Lektionen ins Gedächtnis zu rufen und zu nutzen. Sollten sie sich doch an ihm gleich die Zähne ausbeißen. Er würde schweigen und schon einen Weg hier herausfinden. Ewig konnten die ihn nicht festhalten, wenn er ihnen keine Beweise lieferte.

„Was wollen sie?“ trotzdem musste Hermann sich zusammenreißen kühl zu bleiben.

„Sie wissen, warum sie hierher gebracht wurden?“ Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten zollte nicht wirklich davon, das man ihm viel Respekt entgegenbrachte, oder überhaupt Höflichkeit.

„Ja. Warum?“ gab Hermann erneut zur Antwort.

„Du hast etwas, das du nicht haben solltest,“ meinte die einzige Frau, die eben mit hereingekommen war.

„Was denn?“ fragte Hermann leicht ungeduldig. „Ein X anstelle eines Y-Chromosoms?“ Jemand lachte leise, verstummte aber sofort wieder.

„Für eine solche Art der Scherze haben wir keine Zeit,“ kam es schneidend von der ersten Stimme, welche einem Forscher gehörte, jedenfalls trug dieser einen Kittel und keine Uniform, wie die zwei anderen Männer im Raum.

„Bringt ihn rein.“ forderte er eine Person auf, die nahe der Tür stand und die daraufhin kurz verschwand.

Nun gestattete Hermann sich doch die Augen etwas weiter aufzumachen und sich auch einmal die Gesichter der Personen anzusehen mit denen er es gerade zu tun hatte.

Erst jetzt fiel Hermann auch auf, das sie allesamt Sonnenbrillen trugen, deren Bügel sich aufteilten und in Ohrsteckern endeten.

„Bin ich so eine leuchtende Erscheinung?“ meinte er mit triefendem Sarkasmus in der Stimme. Doch dann verstummte der Student, als ein Wolfsartiges Wesen den Raum betrat. Von der Aufmachung her musste es ein Digimon sein, denn er kannte keinen Wolf der Klingenklauen besaß oder solche Flügelartigen Aufsätze am Hals und seitlich vor den Augen.

Innerlich rasten Hermanns Gedanken während er äußerlich scheinbar gelassen blieb.

„Heißt das etwa, ich kann gehen?“ provokativ schwang Hermann die Beine über die Bettkante und machte Anstalten aufzustehen.

„Träum weiter,“ murrte der Forscher und drückte ihn zurück. „Du bleibst hier liegen, bis wir mir dir fertig sind. Danach darfst du vielleicht gehen. Also... es liegt nur an dir, wie lange du unser 'Gast' bist.“

Unterdessen war der 'Wolf' neben dem Bett angelangt und hatte sich dort niedergelassen um den Studenten auf dem Bett aufmerksam zu mustern.

Hermann musste sich echt zusammenreißen, denn das Wesen wirkte, obwohl es sich gerade nicht bewegte, nicht sonderlich friedfertig und ohne sein Training von Kerem wäre Hermann wohl spätestens jetzt aufgeflogen. So schluckte er nur einmal leicht, versuchte weiterhin ihn zu ignorieren und ließ sich zurück vollständig auf das Bett sinken.

„Warum wird dann die Tür geöffnet, wenn ich doch nicht raus darf?“ fragte der Student seelenruhig. „Oder warten sie auf etwas?“

„Überspann den Bogen nicht Junge,“ meinte einer der Militärs plötzlich.

Das war das Zeichen auch für Hermann seine gespielte Freundlichkeit fallen zu lassen. Er fixierte den Militär wütend. „Was soll das Ganze hier? Erst werde ich irgend etwas ausgesetzt, dann eingesperrt, wieder freigelassen, beschattet, entführt und erneut eingesperrt. Ich bin ein freier Mensch, ich habe auch Rechte.“

„Träum weiter,“ murrte der Militärs daraufhin. „Niemand weiß das du hier bist und selbst wenn, uns stehen Möglichkeiten offen das so zu drehen, von denen Leute wie du keine Ahnung haben.“ Er grinste und Hermann schluckte erneut. Das war eine offene Drohung gewesen.

Das wolfsähnliche Digimon hatte sich von dem Disput zwischen den Menschen nicht sonderlich beeindrucken lassen sondern weiterhin den Jungen gemustert und soweit er konnte, sogar abgeschnüffelt. Kurz hielt er über dem rechten Arm an, schnupperte dann aber weiter hoch. Hermann wusste, das die Anderen ihn weiter beobachteten, weshalb er auch weiterhin die Maske aufbehalten musste.

Eigentlich tat dieser Junge genau das richtige. Sangloupmon mochte den Grund seines Hierseins nicht. Er wollte nicht das die Menschen, die Leif behandelten, noch einen Auserwählten in die Hände bekamen.

Das Digimon grinste zufrieden, indem er seine Lefzen kurz hochzog. Ein bekannter Geruch war in seine Nase gestiegen. Einen, den er schon lange nicht mehr gewittert hatte. Jemand aus seiner alten Gruppe. Sangloupmon wusste genug und zog sich wieder zurück. Wahrlich diesen Jungen durften sie nicht bekommen.

„Kerem.“

Der Atem des Studenten stockte für einen Moment und bekräftigte das Digimon in seiner Annahme. Für einen kurzen Moment schien der Wolf erneut zu grinsen, bevor er sich zu den Forschern umdrehte und die Tür anstrebte. Vielleicht gab es für Leif und ihn ja doch noch Hoffnung.

„Und?“ fragte der Forscher. „Und was?“ kam es von Hermann zurück, wobei er genau wusste, dass dieser eigentlich mit dem Digimon gesprochen hatte. Er musste Kerem im Stillen Respekt zollen. Ohne ihr beharrliches Training wäre er wohl mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Aber er hatte trotzdem einige kleine Unstimmigkeiten drin gehabt. Hoffentlich waren diese nicht aufgefallen.

Der Forscher schnaubte. „Wer ist Kerem.“

Hermann blickte ihn unschuldig an. „Keine Ahnung. Ich höre das jetzt zum ersten Mal. Ist das ein Name oder eine Sache?“

„Hör auf uns anzulügen Junge, bevor ich das Verhör übernehme.“ Der Militär schien nach außen hin beherrscht, aber eine pochende Ader an der Stirn zeigte, wie es in ihm arbeitete. Ein Blick reichte um zu wissen, das dieser Hermanns Maskerade durchschaut hatte.

Trotzdem zuckte der Student mit den Schultern.

„Ich glaube du hast noch nicht verstanden in welcher Situation du dich befindest, du...“ Der Militär wurde von seiner Begleitung ergriffen und aus dem Raum gezogen, bevor er etwas sagen konnte, was bestimmt nicht freundlich gewesen wäre.

Aber das war auch ein Zeichen für die Anderen gewesen sich zurückzuziehen. Kurz bevor das Digimon den Raum verlassen konnte, wurde ihm vor der Schnauze die Tür zugeschlagen.

Sehr wahrscheinlich war diese Handlung Absicht. Es gab in diesem Raum eine Kamera die sichtbar war. Hermann zweifelte keine Sekunde daran das wahrscheinlich noch mehrere existierten. Die wollten wahrscheinlich austesten ob er sich auf diesem Wege verraten würde.

Das Digimon sah erst unentschlossen zur Tür, prüfte, ob sie sich nicht doch noch einmal für ihn öffnen würde und kehrte dann zum Bett zurück, wobei es etwas ausstieß, was man durchaus als ein Seufzen deuten konnte.

„Kannst du uns fort bringen?“

Fragend blickte Hermann zu dem Digimon. „Wenn ich das könnte wäre ich bestimmt schon nicht mehr hier. Aber was meinst du mit wir?“ nuschelte er leise, während er sich erneut fort drehte und erneut zur Decke blickte.

„Meinen Partner und mich.“

Der Student schloss die Augen. „Ihr seid Wächter? Warum hat man uns gesagt, wir wären die ersten seit über 20 Jahren.“

„Weil dies der Wahrheit entspricht. Wir waren diese Zeit im Raum zwischen den Welten gefangen und meinem Partner ist dieser Aufenthalt nicht sehr gut bekommen.“ Sangloupmon ließ sich erneut auf dem Boden nieder und blickte zum Bett. „Zwar haben diese Leute hier gesagt, das sie meinem Partner helfen, doch seit einer Woche hat sich sein Zustand nicht verbessert, eher verschlechtert, egal was sie taten. Kerem war ein Seeker. Du bist ein Seeker. Bring uns fort von hier, wenn es sein muss, zurück in die Digiwelt.“

Nachdenklich hob Hermann die rechte Hand und starrte auf den Arm. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst und wie das funktionieren soll.“ Langsam ließ er den Arm wieder sinken. „Ohne Kerem, die mich anleitet bin ich ziemlich aufgeschmissen,“ gab Hermann mit verzogenem Gesicht zu.

Das Digimon ließ die Ohren hängen. „Du bist noch am Anfang?“ stellte er fest. „Dann haben wir schon verloren.“ Sangloupmon rollte sich zusammen. Außer an seiner Stimme konnte man die Traurigkeit sichtbar nicht erahnen.

„Hm?“ meinte Hermann. Doch das Digimon schwieg weiterhin.

So drehte der Junge sich auf die Seite und schloss die Augen. Eigentlich hatte er noch soviele Fragen, aber hier konnten sie wohl nicht beantwortet werden. Wie gemein war das doch. Da lag die Möglichkeit direkt vor ihm, aber wenn er jetzt weitermachte würde er sich nur noch mehr verraten.

Hermann versuchte sich vorzustellen, was sie tun würden, wenn man sie nicht beobachten könnte.

„Die Kameras hier funktionieren über Kabel, vergiss es,“ murrte das Digimon, so als hätte er die Gedanken des Studenten gelesen.

Hermann stöhnte leise.

Plötzlich richtete Sangloupmon sich auf. Das Digimon hatte einen eigenen Entschluss getroffen. „Auf den Bauch,“ grollte er.

„Hm?“ entgegnete Hermann.

„Ich sag du sollst dich umdrehen.“ Das Digimon kam näher und stieß ihn mit der Schnauze an, was ein komisches Gefühl bei Hermann auslöste und ihm eine Gänsehaut bescherte. Dennoch tat er wie geheißen und musste hinnehmen, dass das Digimon seinen Rücken ausgiebig musterte.

„Das ist nicht gerade unauffällig,“ nuschelte Hermann in das Kissen.

„Egal,“ war die Antwort. „Dachte ich es mir.“

Ein Hauch fuhr über seinen Nacken, begleitet von einer weiteren Gänsehaut.

„Zieh das Pflaster ab.“ - „Wie?“ - „Stell keine dummen Fragen, zieh das Pflaster ab.“

Hermann griff sich in den Nacken und war überrascht dort besagtes vorzufinden. Er hatte sich doch gar nicht dort verletzt. Jedenfalls fehlten entsprechende Erinnerungen.

Als er es abzog zog ein scharfer Schmerz durch seine Nerven und er stöhnte in das Kissen hinein, bevor er seinen Kopf zur Seite drehte um sich das Pflaster genauer anzusehen.

Die Fläche, die sonst auf die Wunde kam, war grünlich und drei spitze kleine Nadeln stachen ein Stück weit hervor.

„Blocker,“ murrte Sangloupmon nur. „Böses Zeug. Scheinbar haben sie es 'verbessert'. Denn du kannst mich sehen, wohl aber Kerem nicht.“

Angewidert klebte Hermann es unter das Bett und hoffte, das die jetzt nicht gleich wieder herein kamen und ihm ein Neues verpassten.

„Jetzt heißt es warten.“ Das Digimon sprang zurück auf den Boden und legte sich wieder hin. Diesmal fixierte er jedoch Hermann auf eine Art und Weise, als suche er bei dem Jungen etwas.

Irgendwie machte Hermann dieser Blick nervös, weshalb er sich wieder in das Kissen fallen ließ und versuchte diesen zu ignorieren.

Eine Zugfahrt, die ist ... lustig

Paul und Katrin saßen im angehangenen Speisewagen und verzehrten ein paar brötchenartige Kugeln, während ihre Partner noch immer im Schlafwagen um die Wette schnarchten.

Nachdenklich blickte Katrin aus dem Fenster. Seit mehreren Stunden schienen sie durch einen riesigen, lilafarbenen Ozean zu fahren und es war weit und breit kein Land in Sicht. Wenigstens wurden sie diesmal jedoch nicht angegriffen.

„Wasch isch?“ fragte Paul kauend.

„Ich vermisse die Anderen, mein altes Leben und einfach nur Studentin sein können,“ seufzt Katrin und griff nach der Tasse mit giftgrüner Flüssigkeit die hier eine Art Kaffeeersatz darstellte, jedenfalls von der Wirkung her.

Der Forscher ließ sich auf seinem Sitz zurück sinken. Auf einmal wirkte sein Gesicht nachdenklich und ernst. „Dieses Gefühl ist mir nicht unbekannt,“ begann er. „Doch du wirst dich daran gewöhnen … gewöhnen müssen, denn vorläufig gibt es noch keinen Weg zurück.“

Er verschwieg, das er schon mal in den Büchern gelesen hatte, was mit den Leuten passiert war, die es nicht geschafft hatten mit der Last dieser Aufgabe klar zu kommen. Mortemon – der Seelenfänger – war bei solchen dann eine gefragte Person.

Unglücklich stellte Katrin die Tasse zurück.

„Aber du glaubst gar nicht, was für Dinge es hier zu entdecken gibt. Wenn du es zulässt wird es ein einziges, großes Abenteuer. Dagegen ist doch die Arbeit an der Uni und da wo ich herkomme total langweilig und für all das hier brauch man keinen Abschluss, sondern einfach nur den Mut sich auf diese Welt einzulassen.“

„Nette Rede aber im Gegensatz zu mir hast du ja schon einen besseren Abschluss und ich habe nicht vor unsere Welt so schnell abzuschreiben.“ Katrin verschränkte die Hände und blickte Paul abschätzend an. „Und ich bin mir sicher, den Anderen wird es genauso gehen.“

Der Forscher seufzte gespielt und zuckte mit den Schultern. Er setzte zu einem weiteren Satz an, als plötzlich ein heftiger Ruck durch den Waggon ging, der für ein ziemliches Durcheinander sorgte.

Für einen kurzen Moment blickte Paul und Katrin sich schweigend an, dann rappelte der Forscher sich auf und strich sich leise fluchend über seinen Kittel.

Bei dem abrupten Abbremsen auf Halt war Katrins Becher auf seine Kleidung gerauscht und nun zierte ein, nicht zu verachtender, grüner Fleck das ehemalige Weiß. Die Gesetze der Trägheit waren in diesem Falle zu seinem Nachteil ausgefallen.

„Trailmon, was ist los, warum halten wir?“

Doch Paul erhielt auf seine Frage keine Antwort.

Das Transportdigimon blieb stumm.

„Alles in Ordnung?“ fragte er nun stattdessen Katrin, die sich die Seite hielt, mit der sie eben noch Bekanntschaft mit dem Tisch geschlossen hatte .

„Geht so,“ murrte die Studentin und stand mit verkniffenem Blick ebenfalls auf.

Auf dem Boden herrschte ein heilloses Chaos und sie mussten nicht aufpassen auf den nassen Stellen auszurutschen.

An der Tür brauchte Paul einen Moment, bis er den Schließmechanismus außer Kraft gesetzt hatte und sie öffnen konnte.

„Aussteigen verboten!“ kam es plötzlich von dem Trailmon, das scheinbar, auf so wundersame Art und Weise die Stimme wiedergefunden hatte. „Außer ihr seid scharf darauf Schwimmen zu gehen.“

Doch der Forscher ließ sich davon wenige beeindrucken und spähte hinaus.

Katrin öffnete das Fenster neben der Tür um auch etwas sehen zu können.

Doch so sehr sie suchten, sie konnten keinen Grund für den Halt fanden. Der Zug stand mitten im Ozean.

Plötzlich verließ Paul den Waggon und ging etwas von ihnen weg, so als wolle er sich einen Überblick aus einer anderen Perspektive verschaffen. Das er dabei nicht über festen Untergrund schritt, schien ihn überhaupt nicht zu stören. Eher drehte er sich um, als er Katrins fragenden Blick bemerkte und grinste. „Nenn mich Jesus,“ wobei er die Hände ausbreitete.

„Sorry, aber du trägst die falschen Schuhe,“ meinte Katrin daraufhin gespielt kühl und zog den Kopf zurück in das Innere des Waggons, wo gerade ein ziemliches Knäul auf sie zugelaufen kam. Kotemon und Clockmon hatten sich bei der abrupten Bremsung wohl noch in den Betten befunden und nun kämpften sie mit den Decken, was zwar zum einen sehr komisch aussah, aber auch zum Anderen erklärte, warum sie erst jetzt auftauchten.

Paul drehte den Kopf um zur Spitze des Zuges zu schauen. Doch auch von hier aus war nicht erklärbar, weshalb ihre Fahrt gestoppt worden war.

„Nun spann uns nicht so auf die Folter. Worum geht es nicht weiter.“

Er schritt nach vorne und blieb neben dem Trailmon stehen um dann den Untergrund genauer in Augenschein nehmen zu können.

Scheinbar bildete das Wasser eine Art Wellenschiene, auf der das Digimon fahren konnte. Doch genau vor ihnen war diese 'Schiene' auf gut 10 Meter Länge verschwunden. Nun wurde auch klar, weshalb sie gehalten hatten.

„Na wenn das alles ist,“ meinte Paul großspurig und schob die Ärmel seines Kittels nach oben, fast so als wolle er das zugähnliche Digimon anheben und hinüber tragen.

Doch stattdessen beugte er sich hinunter zu dem 'Gleis' und legte eine Hand darauf, bevor er sich zu konzentrieren begann.

„Sie verletzen militärisches Sperrgebiet,“ erscholl es plötzlich.

„Och nee. Nicht schon wieder.“ sichtlich gestört in seiner Konzentration sah der Forscher nach oben und blickte in das holografische Antlitz eines Soldaten, dessen Aufzeichnung schon stark gelitten hatte, denn das Bild am Rand zerfaserte immer wieder.

„Was ist denn da vorne los?“ kam Katrins Frage plötzlich von weiter hinten. Sie konnte von ihrer Position aus nicht sehen was Paul tat oder was sich da gerade ausgelöst hatte.

„Nichts weiter,“ murrte der Forscher nach hinten, während er das Abbild kühl musterte. „Kannst du dir nicht ein andere Trasse suchen und nach dort ausweichen?“ Noch bevor er etwas weiteres hinzufügen konnte, gab es einen leisen Knall und der hinterste Waggon verschwand in den Wellen.

„Was tut ihr da?“ kam es von Katrin sichtlich ängstlich nach vorne. Sie schien allerdings noch nicht beunruhigt genug, um sich selbst auf das Wasser zu trauen.

„Ich muss Ballast loswerden. Ihr tätet gut daran, in den ersten Waggon zu wechseln,“ antwortete Trailman, bevor es sich wieder Paul zuwandte.

„Unmöglich. Dieser Weg ist vorgegeben. Ich kann im Moment nur dem Gleisverlauf folgen.“

„Und was ist, wenn wir einfach bis zur nächsten Weiche zurücksetzen?“ fragte Paul wieder.

„Das ist ebenfalls unmöglich,“ bekam er die Antwort von Trailmon zu hören. „Die Gleise existieren nur so lange wie wir sie benötigen, um zum Ziel zu gelangen. Hinter uns befindet sich nur noch Ozean.“

Der Forscher kniff die Augen zusammen. Das gefiel ihm ganz und gar nicht und trotz seiner Erfahrung wollte ihm einfach nichts gescheites einfallen, wie sie aus dieser Zwickmühle wieder herauskämen. „Dann sind wir hier jetzt also praktisch eingeklemmt.“ murmelte er leise vor sich hin.

Doch kaum, das er diese Worte laut ausgesprochen hatte, meldete sich das Trailmon erneut zu Wort. „Nicht wirklich. Ich hoffe, ihr könnt schwimmen.“

„Was?“

„Die Wassergleise halten nicht ewig. In ein paar Minuten werden auch diejenigen aufhören zu existieren, auf denen wir uns gerade befinden. So soll eine dauerhafte Behinderung vermieden werden. Das ist in allen Wassergebieten so.“

Na, das waren ja 'großartige' Nachrichten. Wenn ihm jetzt nicht schnell etwas einfiel, brauchte sich Paul wohl bald keine Sorgen mehr über die Reinigung seines Kittels zu machen. Dem Forscher war durchaus bewusst, dass er ein komplettes Trailmon selbst mit seinen Fähigkeiten hier nicht über Wasser halten konnte. Bei aller Liebe, er war nicht Superman.
 

Katrin sah Paul iritiert an, als er wieder in den Waggon stieg und einige Sachen zusammenpackte. Darunter waren auch die Geschenke, die man ihnen aus dem Ninjadorf mitgegeben hatte.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte die Studentin, die sich hastig ebenfalls ein paar Dinge packte, aus denen sie zuvor Clockmon und Kotemon erfolgreich befreit hatte.

„Das Gleis hinter uns verschwindet nach und nach und ich habe keinen gesteigerten Bedarf darauf Baden zu gehen.“

In diesem Moment ging ein erneuter Ruck durch den Zug und ein weiterer Wagen folgte dem Ersten hinunter auf den Meeresgrund.

Kotemon und Clockmon sahen sich gegenseitig an. Es war mehr als ersichtlich, das sie Beide nicht die ausgemacht guten Langzeitschwimmer waren.

„Hey, ich dachte, uns bleiben noch Minuten,“ knurrte Paul, während er sich wieder aufrappelte und auch Katrin auf die Füße half.

„Ich habe wohl vergessen zu sagen, das wir hier auf der Express-Route sind, da kann das mit dem Gleisverlust auch mal schneller gehen.“

Paul verdrehte die Augen. „Alle sofort raus her,“ murrte er und stand auch als erster am Ausgang um die Hände vor der Brust zu verschränken.

Katrin knotete sich das Tuch auf den Rücken und sah nach den beiden Digimon, die vor ihr schon an der Tür waren und hindurchtraten.

Sie musste sich erneut festhalten, als ein weiterer Waggon den Fluten zum Opfer fiel, dann hatte die Studentin endlich die Tür erreicht und war entsetzt. „Kleiner ging nimmer?“ murrte sie, als sie die Nussschale von einem Rettungsboot erblickte, in der sich die Drei befanden und wo jetzt schon kaum noch Platz für eine weitere Person war.

„Tut mir leid, aber ich haushalte lieber etwas mit meinen Kräften,“ entgegnete Paul und deutete auf den letzten freien Platz. „Jetzt komm schon. Dieser Waggon ist der letzte.“

Murrend wollte Katrin den Sprung machen, als mehrere Dinge auf einmal passierten.

Der Waggon löste sich vom Trailmon, was dafür sorgte, das Katrin unkontrolliert nach vorne taumelte und mit einem Schrei in den Fluten begann, während sich unter dem Zugdigimon eine Art Luftkissen aufbaute, welches verhinderte dass dieses Wesen dem Weg der eigenen Waggons folgte.

Sofort war Kotmeon aufgesprungen und nur das beherzte Eingreifen von Clockmon verhinderte, das sie wohl im nächsten Moment gekentert wären.

Hustend und mit den Händen nach Halt suchend, kam Katrin wieder an die Oberfläche. Sie war von dem sinkenden Waggon ein Stück weit mit in die Tiefe gezogen worden, bevor es ihr gelungen war, wieder an Höhe zu gewinnen.

Sofort griff Paul nach ihrer Hand und mit der Hilfe der beiden Digimon gelang es ihm, sie an Bord zu ziehen.

Keuchend und nach Luft schnappend blieb die Studentin auf dem Boden des Bootes liegen. Von dem Bündel, was sie eben noch getragen hatte, fehlte nun jede Spur.

„Siehst du, alles bestens,“ versuchte Paul Kotemon zu beruhigen, welcher vollkommen aufgebracht war. „Jetzt setz dich hin, bevor wir noch umkippen und sie wieder ins Wasser geht.“

Das schien zu wirken, denn das Digimon ließ sich fast augenblicklich bei Katrin nieder und musterte die Anderen scharf.

Paul seufzte leise und sah dann zu Trailmon hinüber, das seelenruhig vor sich hinschwamm und dann langsam begann die Position zu wechseln.

„Hey, was soll denn das jetzt?“

„Nun, jetzt bin ich ein richtiger Seezug,“ entgegnete Trailmon, so als sei es das normalste der Welt. „Und das heißt, ich bin nicht mehr ans Gleis gebunden und kann meine eigene Route wählen.“

Dem Forscher fiel fast die Kinnlade herunter. „Konntest du uns das nicht früher sagen?“

„Ihr habt nicht gefragt und außerdem habe ich bestimmt keine große Lust meinen Waggons auf den Grund zu folgen.“

Der Forscher schnaubte. „Und was wird jetzt aus uns?“

„Tut mir leid, aber ich darf keine Passagiere auf der Lok mitbefördern. Das ist Vorschrift. Ihr werdet euch ein anderes Beförderungsmittel suchen müssen.“

„Sicher?“ kam es mit warnendem Unterton von Paul.

„Ganz sicher.“

##

„Was hat das zu bedeuten?“ - „Eine unwesentliche Verzögerung.“ - „Das will ich für sie hoffen.“

KERN II

Jetzt war schon wieder ein weiterer Tag vergangen. Doch außer einem Pfleger, der ihm hin und wieder das Essen brachte, hatte Hermann keine weitere Menschenseele zu Gesicht bekommen. Das Digimon hatte bis zum Mittagessen noch zu seinen Füßen geruht, dann war der Pfleger einen Moment unaufmerksam gewesen und Sangloupmon schlüpfte durch den Spalt nach draußen. Fluchend hatte der Pfleger das Tablett in der Nähe der Tür abgestellt, während Hermann alles daran setzte überrascht dreinzublicken. „Ist was?“

Jedenfalls war der Fremde ihm eine Antwort schuldig geblieben und die Tür wurde sehr geräuschvoll wieder geschlossen.

Der Student wartete daraufhin noch kurz ab. Als aber nach fünf Minuten niemand auftauchte seufzte er im Geiste, erhob sich und holte sich das, mittlerweile gut abgekühlte, Essen von der Tür ab und betrachtete es Misstrauisch. Einerseits konnte man sich ja nicht sicher sein, das die Leute, welche ihm das Souvenir am Hals verpasst hatten, nicht noch weitere Vorsichtsmaßnahmen treffen konnten, aber andererseits verspürte Hermann Hunger und es wäre wohl mehr als auffällig, wenn er plötzlich das Essen verschmähte. Im Moment befand sich der Junge in einer echten Zwickmühle. Aber außer abwarten, essen und schlafen konnte er nicht wirklich etwas tun. Sein Zimmer konnte er nur zum duschen oder zu einer Befragung verlassen und dann war immer irgend jemand vom Personal dabei. Wenigstens hielten sie nicht noch auf dem Klo Händchen. Ein schwacher Trost.

„Dummkopf.“

„Hm?“ fragend sah Hermann sich um.

„Dummkopf.“ Wieder erscholl die Stimme und langsam begannen sich erste Umrisse eines gewissen, kleinen Körpers vor seinen Augen abzuzeichnen. „Solch einen blauäugigen Seeker habe ich ja noch nie erlebt,“ schimpfte die halbdurchsichtige Gestalt weiter. „Jeder von uns hätte schneller reagiert und ihnen dann die lange Nase gezeigt. Und was machst du? Lässt dich fangen, betäuben und noch mit Drogen vollpumpen, das du auch ja nicht flüchtest. Schämst du dich denn überhaupt nicht?“

Hermann hob erstaunt eine Augenbraue. So aufgebracht hatte er Kerem noch nie erlebt. Eine ganz neue Seite an der alten Seekerin. Eine, die dem Studenten nicht so wirklich gefiel, auch wenn es irgendwie niedlich aussah, wie sie sich da so in Kleinformat auf ihrer Plattform aufregte und mit dem Stock herumwirbelte.

Nachdem die ehemalige Seekerin sich etwas auf diese Art und Weise abreagiert hatte, sah sie Hermann abschätzend an.

„Nun, wie es scheint, haben wir nicht die Zeit mit dem normalen Lehrplan fortzufahren,“ meinte sie plötzlich mit gefährlich ruhiger Stimme. „Ich kann nicht das Risiko eingehen, dass sie bemerken, das du nicht mehr unter ihrer Kontrolle stehst und dies ändern. Das könnte schwerwiegende Folgen für uns alle haben.

Sie setzte sich im Schneidersitz auf die Plattform und sah Hermann auffordernd an. „Sie überwachen uns, deshalb wirst du deinen ersten Ortswechsel nicht normal durchführen, sondern unter erschwerten Bedingungen.“ Sie verzog das Gesicht. „Ausgerechnet...“ fügte sie sehr leise hinzu, während es dem Studenten heiß und kalt den Rücken herunterlief. Sie hatte das doch schon bei ihrem ersten Treffen erwähnt. Blöd nur, dass er damals beim Wechsel ohnmächtig gewesen war. Dieser war doch damals von Kerem herbeigeführt worden. Warum tat sie es eigentlich jetzt nicht erneut? Das wäre doch für alle einfacher.

Doch plötzlich nahm der Student ihre forschenden Blicke wahr. „Ich kann es nicht mehr durchführen, weil der Seekerstone dich als neuen Besitzer akzeptiert hat. In diesem Falle musst du es also selbst zustande bringen.“

Sie hatte mal wieder in seinen Gedanken gelauscht, stellte Hermann verdrossen fest. „Nein, das habe ich nicht, aber deine Gesichtszüge sind für jemanden wie ein offenes Buch, der in der Lage ist, diese richtig zu deuten. Du musst noch viel mehr an dir arbeiten.“ Jetzt hatte sie es definitiv getan!

„Also gut. Zurück zum Thema,“ wechselte Kerem plötzlich das Gesprächsthema. Normalerweise machen Anfänger zu Beginn mehrere kleine Sprünge, im Abstand von wenigen Metern. Einfach um ihnen mal zu vermitteln wie es sich anfühlt und was sie beachten müssen. Ein jeder Seeker muss ein Gespür für seine Umwelt entwickeln und auch für dorthin, wo er hin möchte. Außerdem ist diese Fähigkeit sehr Kräftezehrend. Wer sich überschätzt kann zwischen den Welten hängen bleiben, oder am Ziel vor Entkräftung sterben.“ Sie hob mahnend einen Zeigefinger. „Dummerweise können wir hier nicht trainieren und so deinen Körper wenigstens etwas darauf vorbereiten. „Ein Sprung zu dir nach hause wäre zum einen zu weit und zu riskant und es würde mich nicht wundern, wenn deine 'Gastgeber' diesen Ort nicht immer noch überwachen. Einfach um das Risiko zu minimieren. Du währst wahrscheinlich nicht in der Lage ihnen von dort aus noch entkommen zu können. Außerdem wollen wir deine Familie doch nicht unnötig dort mit hineinziehen, oder?“

Sie sah nachdenklich auf eine der Betonwände.

„Bliebe wohl nur noch die Digiwelt. Aber selbst das wird eine gefährliche Sache.“ Kerems Blick musterte Hermann. „Du kennst viel zu wenige Orte und wir wissen nicht in welcher Position sie sich derzeit im Verhältnis zu diesem Ort befinden. Und das Gespür, dass zu 'ertasten' hast du noch nicht. Ich selbst habe dafür fast ein halbes Jahr gebraucht, bis ich es nur ungefähr einschätzen konnte. Aber mit diesem Körper,“ sie hob bedauernd die Arme, „ kann ich es wieder nicht.“

Nachdenklich blickte Kerem sich um. „Du hast echt die Gabe jemandem Kopfschmerzen zu bereiten, der schon gar keinen normalen Körper mehr hat.“

Wie zur Verdeutlichung begann sie sich mit einer Hand die Stirn zu massieren. „Verdammt,“ fluchte sie leise dabei. Es war mehr als offensichtlich, dass sie in einer gewaltigen Zwickmühle steckten.

„Also das wichtigste ist,“ sie sah ihn scharf an, „das du dich auf einen Ort konzentrierst, an dem du schon einmal warst und dessen Gegebenheiten du kennst. Nichts ist unangenehmer, als Bekanntschaft mit einem Hindernis zu schließen, da die wenigsten freiwillig zur Seite gehen werden. Was zuerst dort ist, bleibt auch da. Was das zu bedeuten hat, kannst du dir sicherlich auch ohne weitere Ausführungen vorstellen, oder?“

Hermann nickte und schluckte trocken, als er es sich bildlich vorstellte und diesen Gedanken dann doch lieber schnell wieder verdrängte.

„Deshalb bevorzugen wir für die ersten Sprünge normalerweise glatte, weite Ebenen, ohne Bäume, Steine oder sonstige außergewöhnliche Beschaffenheiten.“ Kerem kniff die Augen zusammen. „Später, wenn du erst mal ein Gefühl dafür entwickelt hast, wirst du es schon vor dem Sprung merken können ob da ein Hindernis ist, oder nicht. Aber für den Anfang würde ich dir empfehlen etwas Höhenversetzt zu wechseln, es sei denn du legst Wert auf Steine IN deinen Füßen.“

Ihre Plattform schwebte etwas näher heran und dann berührte sie mit den halb durchsichtigen Fingern seine Stirn. „Schließe deine Augen und versuche dir vorzustellen wo du hin könntest.“

Sie tat es ihm gleich. „Hm, das Schloss von Justiciamon und...“ Kerem zögerte kurz, „das Museum erscheinen mir als die klügsten Auswahlmöglichkeiten. Dort sollte es genügend Platz geben.“

Langsam öffnete sie die Augen wieder und entfernte sich etwas von Hermann.

Der Student schluckte. „Aber... wenn ich jetzt wirklich springe... was ist mit Leif?“ Er hatte von Sangloupmon noch mehr über dessen Existenz erfahren.

Die kleine Seekerin versteifte sich auf ihrer Plattform. „Zu gefährlich. Es ist schon riskant wenn du alleine springst. Aber noch jemanden mitzunehmen, wo du überhaupt keine Erfahrung hast... das wäre unverantwortlich.“

Sie presste die Fingerspritzen aneinander. „Versteh mich jetzt bitte nicht falsch. Ich bin die letzte, die möchte, dass sich unser Anführer noch länger in den Fängen dieser Leute befindet. Jetzt wo ich weiß, das wenigstens einer von uns noch lebt. Aber du musst es auch logisch sehen. Zum einen, du weißt nicht wo er ist, zum anderen werden sie dich bestimmt auch nicht zu ihm lassen.“ Kerem verstummte und blickte zu Boden. „Erst musst du lernen deine Kräfte zu kontrollieren. Dann können wir versuchen ihn zu holen.“ - 'Wenn es dann nicht zu spät ist,' fügte Kerem in düsteren Gedanken hinzu, behielt es aber für sich, stattdessen hob sie wieder den Blick. Im gleichen Augenblick machte sich draußen jemand an der Tür zu schaffen.

„Es wird Zeit für dich zu gehen.“ Sie kam wieder näher. „Entscheide dich schnell und dann versuche deinen Geist auszuschicken und die Kräfte des Seekerstones zu erspüren und nach deinem Willen zu formen.“ Sie knurrte die letzten Worte schon fast. „Du brauchst einen Durchgang dorthin. Zwing ihn dir einen zu erstellen.“

Unter Hermanns Füßen schien der Boden kurz zu erzittern, aber ansonsten passierte nichts.

„Na los. Stärker.“ feuerte Kerem ihn an, während die Tür sich langsam öffnete.

„Ich versuchs ja,“ presste Hermann zwischen zusammengekniffenen Zähnen hervor. Schweiß trat auf seine Stirn. Er konnte zwar etwas spüren, aber das Formen und der Weg stellten ihn vor große Probleme.

Zwei Pfleger betraten den Raum. Sie wirkten ziemlich überrascht, als sie den Jungen in solch einer angestrengten Haltung sahen. „Is was?“ fragte der eine, doch dann bemerkte er, das sich der Boden unter Hermann veränderte. Der andere Pfleger eilte hinaus und schrie etwas, dann verlor Hermann sprichwörtlich den Boden unter den Füßen und stürzte in Dunkelheit. Er bekam das kurze Aufglühen seines 'Armbandes' gar nicht mit.

##

Langsam ließ sich Sangloupmon wieder neben dem blassen Jungen nieder. Das wolfsähnliche Digimon musterte seinen Partner seufzend und fiepste leise.

Doch von dem Jungen gab es keine Reaktion.

Vorsichtig schob er seine Schnauze unter die Hand und murrte zufrieden, als er ein kurzes Zucken erspürte. Auch wenn Leif nicht in der Lage war mit ihm zu reden. Allein diese kleine Reaktion zeigte, dass er noch bei ihm war.

„Keine Sorge, er ist bald wieder auf dem Damm,“ meinte plötzlich ein Arzt, der den Raum betrat.

Das Digimon zog die Schnauze zurück und knurrte warnend, während er sich langsam aufrichtete und zu dem Kittelträger drehte.

„Sachte mein Großer, du musst mich schon zu ihm lassen, oder wie sollen wir ihm sonst helfen?“ Er winkte mit einer aufgezogenen Spritze.

Am liebsten hätte Sangloupmon etwas erwidert, aber da dieser Mann nur eine Brille und keinen Ohrstecker trug, schenkte er sich einen Kommentar, den der Andere eh nicht verstand.

Stattdessen trat er langsam zur Seite.

„Braver Wolf.“

Was würde wohl passieren, wenn er diesen Menschen mal kurz das Bein ankaute?

Acero II

„Willkommen in Acero, der Stadt des Stahls“ So stand es am Eingang des Bahnhofes zu lesen. Doch Katrin und Paul, nebst ihren Partnern, hatten weder die Zeit noch die Muße, das Schild zu lesen.

Stattdessen lagen sie immer noch vollkommen erledigt auf dem Bahnsteig, wo sie das wütende Trailmon sprichwörtlich abgeworfen hatte, bevor es sich schimpfend und schnaufend auf und davon machte.

Einige Digimon waren stehen geblieben und begafften die Neuankömmlinge unverhohlen und ständig wurden es mehr.

Als Paul die Augen öffnete blickte er in das Gesicht eines vorwitzigen Dogmons, das sich über ihn gebeugt hatte und gerade Anstalten machte, seine Taschen zu durchwühlen, wohl auf der Suche nach etwas brauchbarem.

Als das Digimon bemerkte, dass der Fremde ihn ansah kicherte es frech, zog seinen Arm langsam zurück, so als sei es das normalste der Welt, drehte sich langsam um und verschwand dann schleunigst in der Menge, wobei sein Lachen noch eine ganze Weile die Richtung verriet, in die es sich entfernte.

Fluchend und noch reichlich benommen richtete der ehemalige Forscher sich auf und tastete seinen Kittel ab. Jedoch schien nichts zu fehlen. Er war wohl gerade noch rechtzeitig wieder wach geworden. Seine Lippen zogen sich etwas nach oben, bevor ein Kichern seiner Kehle entfuhr.

Einige Digimon sahen den Menschen entgeistert an, als dieser dann auch plötzlich anfing zu lachen. Nicht wenige machten Gesten, die man durchaus leicht interpretieren konnte.

Die komische Reaktion des Menschen hatte aber auch zur Folge das einige Digimon entschieden, dass es jetzt doch wieder an der Zeit wäre ihrem Tagewerk nachzukommen.

Schließlich waren es Clockmon und Kotemon die die Initiative ergriffen, sich zu ihren menschlichen Partnern durchboxten und sich ein Bild von der Lage machten.

Während Clockmon Paul fragend musterte weckte Kotemon Katrin vorsichtig und deutete ihr an, das es jetzt besser wäre, das sie verschwinden sollten.

Dennoch bedurfte es Pauls und Clockmons Hilfe, damit sie auf die Beine kam, da ihre Benommenheit ebenfalls sehr stark war. Gestützt von den Beiden verließen sie den Bahnsteig, wobei die Schaulustigen größtenteils anstandslos Platz machten und wenn es etwas länger dauerte sorgte Kotemon dafür.

„Lasst uns erstmal aus diesem Gewühl hier verschwinden, und dann sehen wir weiter,“ meinte Paul leise zu Katrin. Der Forscher versuchte wieder leicht zu lächeln, doch die vorangegangene Anstrengung und Entbehrung hatte ihn sichtlich gezeichnet.

Kaum, das sie das Gebäude verlassen hatten, steuerte Paul eine Seitenstraße an, um sich dort, mit einem ächzen, auf eine herumstehende Kiste niedersinken zu lassen. Er wollte schon vor Erleichterung seufzten, als diese jedoch unter seinem Gewicht mit einem deutlichen Knacken nachgab und der überraschte Forscher plötzlich auf dem Boden saß.

Unter ihm breitete sich ein Saft aus zerdrückten Früchten aus.

Fluchend fand Paul noch einmal die Kraft sich nach oben zu stemmen und die neuen Farben seiner Hose und dem unteren Teil seines Kittels gebührend zu würden, im negativen Sinne.

„Und wer ersetzt mir jetzt den Schaden?“

Katrin stöhnte auf. Nicht schon wieder. Auch Paul schien zu dem gleichen Schluss zu kommen, während er sich recht langsam zu Katrin bewegte. „Bei 3,“ flüsterte er ihr zu.

„Hey, hier wird nicht geflüstert,“ brummte das Digitamamon und sah sie misstrauisch an. Dann stutzte es plötzlich. „Hey, bist du nicht der, der unsere Lager ge...“ - „Drei,“ schrie Paul und im gleichen Moment waren er und Clockmon auch schon an Katrin und Kotemon vorbei Richtung Hauptstraße und Gedränge.

Katrin und Kotemon brauchten nur unbedeutend länger, wurden dafür aber fast von dem eiartigen Wesen gerammt. Verdammt, irgendwie waren sie, seitdem sie aus dem Ninjadorf fort waren, ständig auf der Flucht.

Wiedervereinigung

Quinn hatte es schließlich nicht länger ausgehalten und sich mit den Worten: „Ich bin mir mal eine Runde die Beine vertreten,“ von dannen gemacht.

Nun stand er vor diesem Museum und blickte auf das Treiben unterhalb der Treppen hinab, bevor er sich langsam hinsetzte und den Kopf mit den Händen abstütze.

Er versuchte seine Umwelt und seine Gedanken auszublenden, was gar nicht so einfach war. Wieder überkam ihn dieser hartnäckige Wunsch einfach nur daheim zu sein. Nur zu studieren und diese ganzen Stimmen da, die sich hartnäckig aufdrängten, kämen nicht von irgendwelchen Wesen, sondern von Studenten auf dem Campus.

Für einen Moment gelang es ihm sogar diese Illusion aufrecht zu erhalten, doch dann mischten sich Stimmen anderer Personen hinzu. Personen, die er kannte, nämlich die von Paul und Katrin.

Quinn verzog das Gesicht. Jetzt bildete er sich schon etwas ein, ohne das er es versuchte.

Langsam hob er den Kopf und schüttelte ihn leicht um ihn dann wieder sinken zu lassen. Die vertrauten Stimmen waren verstummt. Also war es sicherlich nur eine Einbildung gewesen.

Der Student seufzte schon erleichtert, doch da wurden die Stimmen erneut laut.

Nein, diesmal war er sich sicher, das er es sich nicht einbildete. Ruckartig erhob Quinn sich und sah sich suchend um. Konnte es sein?

Mit schnellen Schritten war er die Stufen hinab. Der Lautstärke der Stimmen nach, mussten sie doch ganz in der Nähe gewesen sein.
 

Doch ausgerechnet jetzt schwiegen sie und Quinn war gezwungen stehen zu bleiben. So verharrte er kurz, bis ihm wieder siedendtheiß einfiel, das er Paul doch lokalisieren konnte. Langsam begann er sich zu konzentrieren.

„Hast du eigentlich überhaupt etwas von mir gelernt,“ Im nächsten Moment erhielt der Student mit der flachen Hand einen Schlag auf den Hinterkopf.

„Hey,“ er wirbelte herum und blickte im nächsten Moment aus nächster Nähe in Pauls Gesicht. Es war etwas ungepflegter und durchaus ramponierter, als der Junge es noch in Erinnerung hatte.

„Kleine Schläge auf den Hinterkopf sollen doch bekanntlich das Denkvermögen erhöhen,“ ließ der Forscher sich daraufhin hinreißen zu sagen.

Quinn war für einen kurzen Moment baff, bevor sich ein Lächeln auf seine Lippen schlich und ehe Katrin sich versah, hing er auch schon an ihrem Hals.

„Na sachte, du erdrückst sie doch noch,“ meinte Paul und trat näher. „Ich möchte eure Wiedersehensfreude nicht trüben, aber vergiss nicht, dass wir noch einen Anhang haben,“ brummte er leise zu Katrin.

Erst da wurde sich Quinn ihrer Abwehrbewegungen bewusst und wich etwas von ihr ab, so das Katrin japsend nach Luft schnappen konnte.

Im nächsten Moment bekam der Junge noch etwas zwischen die Beine und er fiel nach hinten auf den Allerwertesten.

Verwirrt sah Quinn nach unten und erblickte ein Bambusschwert zwischen seinen Füßen, das gerade von einem Kotemon wieder an sich genommen wurde.

„Darf ich vorstellen? Kotemon, Katrins Partner,“ übernahm der Forscher die Vorstellung für die Studentin, die immer noch leicht am Husten war. Jedoch schien Paul nicht ganz bei der Sache, denn er blickte sich immer wieder um.

Verdattert sah Quinn zwischen Katrin und Kotemon hin und her, dann lächelte er leicht. „Freut mich das du auch einen Begleiter gefunden hast und vor allem, das es euch gut geht,“ meinte er aufrichtig.

Doch in diesem Moment wurde es wieder lauter und Paul seufzte. „Ich denke, wir sollten dieses Gespräch jetzt an einem anderen Ort fortsetzen.“ Er zog den Studenten mit diesen Worten zurück auf die Beine und deutete in die Richtung des Museums.

„Da seid ihr ja,“ rief eine, Katrin und Paul nur zu gut bekannte Stimme und im nächsten Moment bekam Quinn fast Digitamamons geballte Eierschalenmacht zu spüren. Das Ding sauste nur wenige Zentimeter an ihm vorbei, schlug in die Wand dahinter ein und verschwand in einem Loch.

„Na, ihr habt aber eine komische Art euch schnell Freunde zu machen,“ brummte Quinn, während sie zum Museum rannten.

Andere Digimon waren stehen geblieben und sahen erstaunt zu, wie die Menschen, nebst Partner über die Straße rannten, das wütende Digitamamon immer noch im Schlepptau.
 

„Hier wird nicht gerannt,“ kam es plötzlich von Babamon, kaum das sie die Eingangstüren passiert hatten. Gespielt drohend schwenkte sie ihren Besen, doch dann stutzte sie, als sie neben Quinn auch noch jemand anderen erkannte.

„So, so, traut ihr euch also auch endlich mal hier her?“ fuhr sie Paul an. „Haben ja lange genug auf euch warten müssen.“

„Öhm, ich denke, dass im Moment gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist. Wir haben hier gerade wichtigere Probleme, als das wir uns mit Vorstellungen aufhalten sollten,“ versuchte Paul die Situation zu erklären.

Doch Babamon musterte ihn nur durchdringend. „Glaube nicht Jungchen deine Eskapaden hätten sich nicht schon bis hier durchgesprochen. Was ist es diesmal?“ Sie griff nach seinem Kittel und roch daran.

„Ihr wartet hier. Rührt euch nicht von der Stelle und was noch viel wichtiger ist,“ sie sah Paul direkt an. „Stellt nichts an.“ Dann schritt sie in Richtung Tür, auf die auch gerade Digitamamon zusteuerte. Scheinbar hatten ihn die Stufen etwas aufgehalten.

„Digitamamon, was soll die Aufregung...“ Die restlichen Worte verschluckte die Tür, als sie sich wieder schloss und die Stimmen der Außenwelt abschnitt.

Nachdenklich blickte Quinn Babamon hinterher und zuckte dann mit den Schultern. „Ich interpretiere das jetzt einfach mal so, das wir nicht im Eingang sondern im Gebäude warten sollen. Nutzen wir doch die Zeit um Simone zu überraschen. Jemand irgendwelche Einwände?“

Paul und Katrin schüttelten den Kopf.

„Gut, dann mir nach,“ grinste Quinn und führte sie zur großen Halle, gespannt auf die Reaktion der Anderen und er wurde nicht enttäuscht. Kaum, dass die Statuen in Sichtweite kamen bleiben die Neuankömmlinge stehen.

„Was ist das denn?“ fragte Katrin, während sie die dargestellten Personen näher in Augenschein nehmen.

„Die nannten sich Caro 8, wenn ich mich richtig erinne. Sie waren wohl auch so Leute wie wir, sogenannte Wächter oder so ähnlich.“ Der Junge verzog das Gesicht, als er merkte, das er mal wieder bestens zur Schau stellte, wie 'leicht' es ihm doch fiel Führungen zu lauschen und sich das was da erzählt wurde, auch zu merken.

„Nein,“ unterbrach Katrin ihn, bevor es vielleicht noch peinlicher geworden wäre, „ich frage mich nur warum Hermann hinter den Statuen auf dem Boden pennt. Haben die hier keine Betten?“

„Was?“ Quinn riss die Augen auf und rannte förmlich um die Statuen herum, um sich dann bei Hermann niederzulassen.

„Hey, wo kommst du denn her?“ Er schüttelte den Liegenden an der Schulter. Eben war Hermann doch noch gar nicht hier gewesen.

Doch außer einem Brummen und einer halbherzigen Handbewegung bekam Quinn kein Ergebnis auf seine Versuche ihn zu wecken.

Paul kniff die Augen zusammen. „Hast du dir mal seine Kleidung angesehen? Hattet ihr nicht gesagt, ihr arbeitet nicht für KERN?“

Befremdet saß Quinn Hermann an, als er ihn umgedreht hatte und er murrte leise. „Nein tun wir auch nicht, aber ich fürchte mal das die ihn wohl wieder in die Finger bekommen haben.“

Der Forscher seufzte, als er dem Jungen zuhörte und schüttelte dann leicht den Kopf. Er schloss die Augen und dachte nach: „Mich würde es langsam nicht mehr wundern, wenn sie etwas versuchen ihr Projekt zu beschleunigen. Schließlich verschlingt so etwas auch Unsummen an Geld. Aber das sie so weit gehen würden?“ Paul öffnete die Augen wieder und sah zu Hermann hinunter. „Ich frage mich nur, wie er hierher gekommen ist? Ob sie mittlerweile einen Weg gefunden haben selbst den Transit durchzuführen, doch warum ist der Junge dann alleine?“

„Viele laute Fragen,“ kam es plötzlich und Veemon schlenderte zu der Gruppe hinüber. Er sah sie abschätzend an. „Ui, noch mehr Menschen.“ Er lächelte flüchtig, auch wenn man sehen konnte, das Veemon auch einen Schritt wieder zurück machte. Er hatte halt immer noch leichte Probleme mit vielen Personen. „Darf ich euch bitte freundlich daran erinnern, das Simone und Gazimon im Hinterzimmer am schlafen sind?“ Er warf besonders Quinn einen vielsagenden Blick zu, denn sie wussten beide wie unangenehm Gazimon werden konnte, wenn er aus dem Schlaf gerissen wurde.

Doch dann sah das kleine, blaue Drachendigimon fragend in die Runde. „Wo kommt ihr eigentlich alle her?“

Noch bevor jemand etwas sagen könnte räusperte sich hinter Veemon jemand. Jijimon war nun ebenfalls, angelockt durch den Krach, aus dem Hinterzimmer gekommen und sah die Neuankömmlinge an. „Sicherlich ist es eine gute Idee herazufinden woher sie kommen, aber ich bin mir sicher, das lässt sich bei einer Tasse Tee viel leichter klären und bis dahin...“ Er deutete mit seinem Stab auf den schlafenden Hermann, „sollte der da wach sein und eine gute Ausrede parat haben, wohin er mit dem Seekerstone verschwunden ist.“ Jijimon lächelte kurz unter seinem Bart, bevor er mit dem Stab auf Quinn zeigte. „Du, hilf mir mal den großen Tisch raus zu tragen. Das Hinterzimmer ist jetzt eindeutig zu klein und ich denke für heute kommt auch keiner mehr.“ In dieser Richtung musste Quinn Jijimon Recht geben. In der Zeit, seitdem sie hier waren hatten sich gerade mal drei Digimon in das Museum verirrt. Scheinbar war dieser Ort nicht mehr ganz so populär.
 

Nur mit einem Glas Wasser, das größtenteils nicht im Mund von Hermann landete, gelang es ihnen schließlich besagten wach zu bekommen, ehe Quinn und Jijimon den Tisch, sowie einige Sitzkissen aufgestellt hatten. Während das alte Digimon das Teewasser aufsetzte wirkte Hermann mehr als verwirrt

„Was? Wie komm ich hier her?“ murmelte er immer wieder leise und sah sich ungläubig um, bevor er das Gesicht verzog und dann den Hemdsärmel hochzog.

„Netter Armschmuck,“ kommentierte Katrin es. „Trägt man das als Junge heute?“ Hermann schnaubte und sah sie pikiert an. Doch Paul interessierte sich weniger für das Aussehen, sondern eher für das, was man darauf erkennen konnte. Noch bevor der Student protestieren konnte, hatte der Forscher seinen Arm ergriffen und nahm das Armband genauer in Augenschein. Wenn man genauer hinsah, konnte man feine Leiterbahnen in dem Leder erahnen, und es gab 4 Vertiefungen, die mit einer Art Glasähnlichen Substanz ausgefüllt waren, sich farblich jedoch fast nicht vom Band unterschieden. Mehr war so nicht zu erkennen. Dennoch versuchte Paul das Ding weiter zu erkunden, bis es Hermann zu bunt wurde, und er es einfach fort zog.

Diesen Grund nutzte der Forscher allerdings um Hermann direkt auf die Pelle zu rücken. „Kein Ring, keine Kette mehr, aber dafür dieses Armband...“ Er schien kurz nachzudenken, um sich dann zu erheben und zu dem Hologramm zu gehen, das ja den Seekerstone nachahmte.

„Ich denke, ich weiß, warum er wieder hier ist und warum er geschlafen hat,“ verkündete Paul schließlich. „Wem gehörte er?“

Fragend sahen die Anderen zu dem Forscher hinüber, bis Hermann schließlich nur knapp Kerems Namen nannte.

„Also doch. Ein Seeker.“ Er lachte leise und die Blicke der Studenten wurden verständnislos. „Wenn sie nur geahnt hätten, das sie den Schlüssel bereits in Händen gehalten hatten.“ Langsam schritt Paul zurück zu Hermann. „Dein wievielter Wechsel war das?“

„Mein zweiter,“ brummte Hermann und stand langsam auf. Er schwankte bedrohlich.

„Dann geh es lieber langsam an.“ Der Forscher sah zur Statue. „Kannst wohl von Glück sagen, das du nicht 2 Meter weiter hinten raus gekommen bist.“

„Ich habe ihn ja gewarnt, aber er wollte ja nicht auf mich hören und Trainiert hat er auch nicht genug. Wir können von purem Glück sprechen, das dir nichts passiert ist,“ zeterte Kerem vor Hermanns Gesicht und stieß den Stock auf seinen Sockel, doch der Student ignorierte das Engramm gekonnt. Stattdessen brummte nur etwas unverständliches und ließ sich von Katrin zu einem der Kissen helfen, wo er sich schwer niederfallen ließ.

Dann sah er sich um und lächelte kurz darauf. „Freut mich wenigstens, das euch nichts passiert ist.“

Katrin, die von Kotemon begleitet wurde, ließ sich direkt neben Hermann nieder und nickte leicht. Dann registrierte sie, das auch Babamon mittlerweile wieder aufgetaucht war und mit Jijimon Tee und Gebäck zum Tisch brachten.

Hinter ihnen folgten Simone, Veemon und Quinn, der ein total verschlafenes Gazimon tragen mußte, der mal wieder seinen Lieblingsort auf dem Kopf des Studenten eingenommen hatte.

Clockman war zwar auch zu Paul getreten, doch hielt er sich vornehm zurück und wartete lieber ab, bis jeder Platz genommen hatte, bevor es sich auch niederließ.

Erst, als jeder etwas zu essen und zu trinken vor sich hatte veränderte sich die Stimmung am Tisch etwas und wich gespannter Erwartung. Natürlich wollte jeder wissen, wie es den anderen ergangen war und so wurde aus dem gemeinsamen Tee auch ein gemeinsames Abendessen, zu umfangreich waren die Erzählungen als das man es innerhalb kurzer Zeit ausgetauscht haben könnte. Katrins Ausführungen waren, aufgrund des Versprechens, das sie abgelegt hatte, etwas schwammiger, aber die Anderen verstanden schon das sie sich an das Versprechen gebunden fühlte und akzeptierten es. Nur als Hermann von seiner Zeit erzählte und das was ihm bei Kern widerfahren war, wurde die Stimmung etwas gedrückter. Allein der Umstand, das KERN scheinbar alles daran setzte ihrer habhaft zu werden ließ die Studenten am Tisch schlucken.

Als Hermann von Leif und Sangloupmon erzählte, die sich immer noch in der Gewalt dieser Institution befanden wurden nicht nur die alten Digimon hellhörig.

„Der Anführer der Caro 8 lebt noch?“ hakte Babamon irritiert nach.

„Ja,“ nickte Hermann. Aber laut Sangloupmon waren sie lange zwischen den Welten gefangen und das muss ihm nicht gut bekommen sein.“ Hermann machte eine Pause. „Ich kann jetzt nicht mehr darüber sagen, denn man hat mich nicht zu ihm gelassen und ich musste auch schon aufpassen, das sie nicht merkten, das ich Sangloupmon sehen und mit ihm sprechen konnte.“ Hermann senkte den Kopf kurz. Er bedauerte es, den Anderen nicht hatte mitnehmen zu können.

„Jetzt mach dir keine Vorwürfe. Du kannst es nicht wissen,“ meinte Paul. „Wenn es schon heißt, das ihm die Zeit nicht gut bekommen ist, dann wäre es eher wahrscheinlich, sogar falsch gewesen ihn hierher zu bringen. Hier gibt es keine Ärzte.“ Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Trainier lieber deine Fähigkeiten und dann versuchen wir herauszufinden wann es Leif wieder so gut geht, das wir ihn hierher holen können.“ Aufmunternd klopfte der Forscher Hermann auf die Schulter, während Jijimon zu dem Jungen trat und seinerseits das Armband in Augenschein nahm.

„Jetzt iss erst mal.“ Dem Digimon war nicht entgangen das Hermann, nachdem er mit seinem Bericht angefangen hatte, nichts mehr zu sich nahm. „Gerade du solltest nicht vom Fleisch fallen, sonst passiert dir wieder das gleiche wie eben.“ Er deutete Richtung der Statuen. „Das kommt nur davon weil du nicht bei Kräften bist.“

Fragend sah Hermann das alte Digimon an. „Warum wissen sie soviel?“ Der Alte begann zu lachen. „Sonst wäre ich doch ein schlechter Museumsverwalter wenn ich so etwas nicht wissen würde.“ Dann klopfte auch er Hermann auf die Schulter. „Pass gut auf dich aus Jüngelchen. Du hast wohl den letzten Seekerstone den es noch gibt, wäre doch schade wen ihm oder dir etwas zustoßen würde, weil jemand leichtsinnig wird.“ Eine deutliche Warnung steckte in seinen Worten enthalten, während er sich neben Babamon wieder nieder ließ.

Der Student verzog das Gesicht und lockerte seine Schultern etwas. Das Digimon war zwar klein aber hatte ziemlich Kraft in der Hand.

Doch auch Paul wirkte nachdenklich. Simones Ausführungen, über das was sie bei den Gliches gesehen hatte und Hermanns Erzählungen wie die bei KERN mit ihm umgegangen waren, beunruhigten ihn sehr.

Paul

Schweren Herzens hatten sich die Studenten damit abgefunden, dass sie dieses Semester wohl so ziemlich vergessen konnten. Hermann war zwar ein Seeker und wenn es hieß, er könne theoretisch zwischen den Welten wechseln, war er noch lange nicht dazu in der Lage es auch wirklich zu tun. Aus Ermangelung anderer Optionen waren sie deshalb hier erst einmal gestrandet.

Jijimon und Babamon hatten ihnen Unterkünfte besorgt und ihnen eingeschärft das sie trainieren sollten. Viel trainieren. Damit sie in dieser Welt bestehen konnten.

Seitdem Hermann von den Machenschaften von KERN berichtet hatte, war Paul verschlossener als früher. Stattdessen trainierte er in dem kleinen Hinterhof unablässig. Fast noch intensiver als Quinn und Gazimon. Wobei das Training bei denen ungünstiger für Quinn ausfiel.

Katrin hockte mit Kotemon auf einem der zwei Bäume am Rande des Platzes und blickte auf die Jungen hinunter. Ihre Lippen waren zu einem leichten Lächeln verzogen, als sie sah, wie Gazimon wieder Quinn über den Platz scheuchte. Seiner Meinung nach war der Mensch zu langsam, zu unflexibel und ermüdete zu schnell, vom Kämpfen wollte er noch gar nicht reden.

Nach einer Weile verkündete Clockmon das er eine Pause brauchte und Paul nickte.

Während das Digimon sich in den Raum zurück zog, den er sich mit dem Forscher teilte, machte sich Paul wieder auf den Weg zum Museum. Dort las er in jeder freien Minute, wobei jedoch seine eigene Erholung teilweise auf der Strecke blieb.

So kam es, wie es kommen musste. Ein paar Tage später, als Clockmon wieder, in seiner Weiterentwicklung Andromon einige Übungen absolvierte, verdrehte Paul ohne Vorwarnung die Augen und brach zusammen. Jedoch waren die Anderen zu diesem Zeitpunkt in der Stadt unterwegs um Besorgungen für Jijimon und Babamon zu erledigen.

So erfuhren sie erst am Nachmittag von dem Vorfall.

Paul lag auf einer Pritsche im Hinterzimmer des Museums. Er war immer noch ohne Bewusstsein und kreidebleich. Clockmon sah sich gezwungen seinen Partner, nachdem er ihn nicht mehr wach bekommen hatte, dorthin zu schleifen. Doch auch die beiden alten Digimon waren nicht in der Lage den Forscher zu wecken.

Besorgt hatten sie sich um das Bett des Forschers gruppiert und lauschten Clockmons Ausführungen nur um zu überlegen, wie sie Paul helfen konnten und vermieden, das noch einmal jemand so etwas widerfahren würde.

Gazimon nutzte den Gedankenaustausch um auf das Bett zu klettern und den bleichen Forscher zu mustern. „Und, hat es wenigstens etwas gebracht?“ brummte er und griff nach der Kette von Paul, ehe es jemand verhindern konnte.

„Hey, lass das.“ Quinn griff nach Gazimon und wollte ihn eigentlich herunter ziehen, was aber im Moment nicht ging.

Gazimon drehte seinen Kopf ein Stück weit, das er Quinn ansehen konnte. „Na, traust du dich?“ Er hielt die Kette immer noch fest und schloss die Krallen darum. Ein spöttisches Lächeln lag auf seinem Gesicht.

Sofort kniff Clockmon die Augen zusammen und hob seinen Hammerstab. Wenn die so weiter machten, würde er ihn auch benutzen, denn niemand sollte Paul verletzen.

Insgeheim gab sich das Digimon für Pauls Zustand auch ein wenig selbst die Schuld.

„Jungs, lasst das,“ brummte Simone und schüttelte fassungslos den Kopf, wodurch sie Clockmons Gedankengänge kurz unterbrach. „Ihr benehmt euch wie Kinder.“

„He is totally exhausted,“ brummte Veemon nachdenklich und trat langsam an das Kopfende des Bettes. „To much training.“ Veemons Blick war ein wenig sträflich, als er zu Clockmon blickte. „He needs to recover. You should better help him.“

Etwas unverständlich sah Clockmon Veemon an.

Das kleine Drachendigimon seufzte leise. Manchmal verstand er nicht, wie andere so schwer von Begriff sein sollten. „Books. Knowledge...“ brummte er ungeduldig. „Paul gives you the power to hold your current Level. Stop using it.“

Das andere Digimon sah Veemon fragend an. „Du willst, das ich zurückdigitiere? Und du meinst, das es ihm hilft?“

„Yes.“ Veemon nickte bekräftigend. „He's not the first one. In the past, others had the same problems. Too much ambitions. If he can't, you'll have to cut back.“

Clockmon sah noch einmal skeptisch zu zu Veemon, dann mit einem eher traurigen Blick zu Paul.

Früher hatten sie sie beide besser aufgepasst und da wäre es nie so weit gekommen. Auch damals war es nötig gewesen, sich ihrer Haut zu erwehren, doch es gab immer Zeit für einen Ausgleich. Vor allem auch, da sie sich beide nie wirklich aus den Augen gelassen hatten. Das war hier vielleicht der Fehler? Und außerdem, Paul verhielt sich erst so, seitdem die Anderen zu ihnen gestoßen waren. Besonders nach dem Bericht dieses Hermanns über KERN war das Verhalten seines Partners so verändert. Clockmon nahm sich vor, dass er, wenn Paul wieder wach war, einige Worte mit ihm wechseln musste um ihn besser verstehen zu können und nicht vielleicht falsche Rückschlüsse zu ziehen. Er scholt sich selber, nicht auf die Zeichen geachtet zu haben. Immerhin waren sie doch Partner und sollten aufeinander aufpassen. Noch einmal würde ihm dieser Fehler nicht unterlaufen, dass beschloss das Digimon für sich selbst.

Das Digimon schloss seine Augen bevor es aufleuchtete und zusammenschnurrte.

Hagurumon schwebte zu Paul und betrachtete ihn aufmerksam, so als erwarte er, das es dem Anderen jetzt schon besser gehen müsste.

Gazimon knurrte nur, als er es sah und ließ die Kette los, bevor er sich zurückzog. Man konnte in dessen Gesicht ablesen, das dieser wohl nicht so einfach zurückgesteckt hätte.

Veemon blickte zu den Beiden. „It will take some time.“

Dann ging er wieder zu den Bücherschränken hinüber. Mehr konnte Veemon im Moment auch nicht tun.

Hermann verließ den Raum als erster, während die Anderen noch blieben.

Jijimon und Babamon, die in der Halle gewartet hatten, sahen ihm nach, wie er dem Ausgang zustrebte.

„Wo gehst du hin?“ fragte Jijimon, als er die Hand auf die Tür legte.

„Raus,“ meinte Hermann. „Es tut mir leid, aber ich brauche jetzt etwas Zeit für mich. Sagt den Anderen bitte, das ich zu unserer Unterkunft zurück bin.“

Das war jedoch gelogen und er beeilte sich durch die Tür zu sein, bevor die beiden alten Digimon noch einmal nachfragen konnten. Hermann wollte jetzt erst einmal für sich alleine sein. Er brauchte Zeit zum nachdenken.

„Du solltest nicht versuchen davon zu laufen. Damit löst du deine Probleme nicht,“ Kerems Engramm schwebte knapp neben seinem rechten Ohr. Sie deutete mit ihrem Stock in die Ferne. „Siehst du es?“

„Was?“ fragte Hermann. Er verstand nicht was die andeutete. Dort war immer noch die Stadt, dahinter ein ordentlicher Berg.

„Der Berg.“ Kerem seufzte.

„Und?“

„Die Stadt musste aufhören am Fuße des Berges zu wachsen, da dieser ein Hindernis darstellte und damit auch ein Problem.“

Noch immer hatte Hermann einen fragenden Blick in den Augen.

„Probleme sind dazu da, das man sie angeht und beseitigt. Das gilt auch für dich. Theoretisch könnten sie die Stadt auch drum herum bauen, das wäre ein Ausweichen, so wie du es auch gerade versuchst, oder man stellt sich der Aufgabe und beginnt, ihn abzutragen, auch wenn es noch so groß erscheint. Das Problem also zu lösen.“

Hermann schnaubte. „Das sagt sich so leicht.“

„Und es ist auch leicht einfach aufzugeben. Aber dann wird man nie was erreichen.“ Man konnte dem Engramm ansehen, das sie äußerst verstimmt war. Außerdem setzte sie sich direkt vor ihn, so das er aus einem Reflex heraus stehen blieb. Wieder stieß sie ihren Stab auf die Plattform. „Ich hätte nicht gedacht, dass mein Seeker-Stone so jemand auswählen würde,“ schnaubte sie.

„So jemand?“ brummte Hermann fragend.

„Ja! Einen Feigling, der zurückschreckt, wenn es ernst wird. Verdammt nochmal. Wann begreifst du es endlich. Wir Seeker sind etwas besonderes. Wir sind eigentlich sogar noch wichtiger als die Wächter. Wir sind das Bindeglied zwischen den Welten. Ohne uns gäbe es nur Chaos. Wir können uns keine Feiglinge in unseren Reihen erlauben.“ Ihre Finger hatten sich eng um den Stock geschlungen, während sie immer näher gekommen war.

Unwillkürlich wich Hermann etwas zurück, bis sein Fuß an etwas hängen blieb und er das Gleichgewicht verlor.

Kerem verzog das Gesicht, bevor das Engramm verschwand, ebenso wie Hermanns Bewusstsein.

Mainframe I

Etwas stach in Hermanns Augen. Etwas das in vielen Farben zu leuchten schien.

Langsam hob er einen Arm um mit der Hand seine Augen abschirmen zu können. Irgendwie fühlte er sich seltsam. Sollte er sich vielleicht eben eine Gehirnerschütterung zugezogen haben? Aber warum hatte er dann keine Kopfschmerzen?

Vorsichtig fasste er mit der anderen Hand an seinen Hinterkopf und bemerkte nun, was nicht so ganz in Ordnung war.

Irgendwie stießen seine Hände nicht auf Widerstand, der von einem Boden ausgehen sollte. Dummerweise blendete dieses vielfarbige Licht immer noch zu stark, als das er irgend etwas erkennen konnte. Doch als er mit seiner freien Hand herum tastete konnte er kein Hindernis oder einen Widerstand erfühlen.

Langsam sickerte in seinem Geist die Erkenntnis durch, dass er wohl schweben musste, denn das war die einzig logischer Erklärung dafür.

„Mann...“ brummte er leicht sauer und richtete sich auf, jedenfalls versuchte er es und kniff die Augen zusammen. Doch es blieb nur das bunte Farbenspiel, das von überall her zu kommen schien, egal wie er den Kopf drehte.

„Ist da wer?“ fragte er, in der Hoffnung vielleicht eine Antwort zu erhalten, doch niemand antwortete.

Angefressen versuchte Hermann mehr zu erkennen um so möglicherweise einen Ausweg aus dieser misslichen Lage zu finden. Diese Welt hatte ja schon genügend andere Überraschungen für sie bereit gehalten, das hier schien wieder etwas neues zu sein. Etwas, auf das der Student liebend gern verzichtet hätte.

„Ja wir?“ kam die Antwort plötzlich aus mehreren Richtungen und veranlassten den Jungen sich umzusehen, jedoch ohne Ergebnis.

„Wer wir?“ hakte er deshalb nach.

„Menschen, wie du, und ich“ entgegneten wieder einige Stimmen und langsam begannen sich Schatten aus dem Licht heraus zu bilden, oder schwächte sich das Licht ab? Jedenfalls veränderte sich die Umgebung und plötzlich stand Hermann auf so etwas wie einem Boden, nur dass dieser immer wieder, in unregelmäßigen Abständen, erleuchtet wurde, wie Lichtsignale die in eine bestimmte Richtung strebten und dabei das Material, durch das sie sich bewegten, in verschiedenen Farben aufleuchten ließen.

„Hey?“ flüsterte plötzlich eine einzelne Stimme an seinem rechten Ohr und Hermanns Blick ruckte hoch.

Nein, er hatte sich wahrlich nicht getäuscht. Seine Umgebung hatte sich wirklich verändert. Der 'Himmel' war nun dunkel und schien von bunten Sternen durchsetzt, während links und rechts so etwas wie Häuser erschienen. Jedoch hatten sie scheinbar keine Türen und nur kleine Fenster, in denen sich etwas abzuspielen schien.

„Hey?“ ertönte die Stimme erneut und eine grazile Hand fuhr langsam zu Hermanns Kinn und zog es leicht nach rechts, das er sich umdrehen musste um sehen zu können, was, oder besser gesagt, wer ihn da berührte.

Doch da trafen seine Lippen auch schon auf die der anderen Person.

Hermann riss die Augen auf und wich hastig zurück, was seiner Gegenüber ein helles Lachen entlockte. „Na, fühlt sich das echt genug an?“

„Echt genug für was?“ irritiert sah der Student die schlanke Frau mit den langen dunkelbraunen Haaren an.

„Echt genug um zu wissen, dass du nicht träumst.“

Der Student verzog das Gesicht. Eine seltsame Art von Humor schien diese Person da zu haben.

„Oder ist dir das lieber?“ Sie trat schnell näher und noch ehe er reagieren konnte zierte seine linke Wange der Abdruck ihrer 5 Finger der rechten Hand.

„Was soll das denn jetzt?“ fauchte er und hielt sich die Wange.

„Das ist dafür, dass du es hast so weit kommen lassen.“

„Wie bitte?“ langsam dämmerte Hermann etwas. „Ke... Kerem?“ fragte er vorsichtig. „Aber... aber du bist doch...“ Er musterte sie von oben bis unten. Diese grazile Figur, das konnte doch nicht sein, oder? Sie sah aus wie ein Model.

„Viel kleiner? Und?“ beendete sie seinen Satz und schnaubte, während sie sich mit einer Hand durch die Haare fuhr. „Mag sein, dass das in unserer Welt der Wahrheit entspricht, aber das hier ist nicht die Welt wie du sie kennst. Hier kann jeder das sein, was er möchte.“ Sie verschränkte die Hände vor der Brust und wirkte leicht angesäuert. „Das hier ist der Mainframe der Seeker und du hast kein Recht an diesem Ort zu sein.“

„Kerem, du solltest dich nicht im Ton vergreifen. Du weißt was wir beschlossen haben und auch du hast dich daran zu halten.“

Schnaubend drehte sie sich um und blickte zu der Stimmte, die einem älteren Mann gehörte, dessen Haare zwar noch voll aber vollkommen Weiß waren. Er trug einen gut gestutzten Vollbart und einen eleganten Anzug. An der rechten Hand ruhten einige Ringe und seine Finger waren um einen Stock geschlossen. Einen, den Hermann meinte auch schon bei Kerem gesehen zu haben. Was hatte denn das zu bedeuten?

Weitere Personen tauchten nun mit jedem Lichtstrahl auf, der unter Hermanns Füßen hindurch glitt und ließen die Verwirrung des Studenten weiter ansteigen.

„Kann mir einer mal sagen, was hier los ist?“ brachte er schließlich hervor, nachdem gefühlte 50 weitere Leute um ihn herum standen und er sich langsam ein wenig in die Enge getrieben fühlte.

„Wie ich schon sagte,“ brummte Kerem, ein wenig Lustlos, „befindest du dich im Mainframe der Seeker und die Leute, die du um dich herum siehst sind alles ebenfalls Seeker aus vergangenen Tagen. Zusammen bilden sie den Rat. Und das übrigens ist der erste Seeker. Dr. Hyden.“

Der alte Mann nickte, als Kerem redete, immer wieder leicht. Doch dann machte Kerem eine Pause, die ihn dazu erwog sie nachdenklich anzusehen und dann das Wort zu ergreifen.

„Bitte verzeih ihr Benehmen,“ Kerem schnaubte erneut. „Aber du solltest wissen, dass sie darum gebeten hat, dich von den Pflichten eines Seekers zu entbinden.“

„Geht das denn so einfach?“ fragte Hermann irritiert.

„Möchtest du es denn?“ kam die Gegenfrage des Mannes, der nun beide Hände auf den Stab stützte, wie es Kerem auch schon so viele Male vorher getan hatte.

„J...“ - „Antworte jetzt nicht vorschnell,“ fiel ihm der Mann in das Wort und trat langsam auf Hermann zu.

„Darf ich?“ er hob seine Hand ein wenig und verharrte vor Hermanns Gesicht.

Erst jetzt bemerkte der Student, dass der Blick des Anderen seltsam starr wirkte. Fast so, als wäre er Blind.

Für einen Moment schien es, als könne der Andere seine Gedanken lesen, denn der Mundwinkel zuckte leicht.

„Ja, du hast recht. Ich bin Blind, und auch wenn dies hier ein Ort ist, an dem ich sehen könnte, wenn ich es wollte, habe ich es von jeher vorgezogen darauf zu verzichten. Denn es kann sehr hilfreich sein, das wahre Ansinnen und Wesen einer Person zu erkennen, wenn man sich nicht von den Informationen die einem die Augen liefern, abgelenkt wird.

Langsam näherte sich die Hand des Mannes Hermann und der Junge schloss kurz die Augen, als die Finger sein Gesicht abtasteten.

„Du bist noch sehr jung,“ meinte der Mann nachdenklich, der nun ebenfalls die Augen geschlossen hatte und Hermann zögerte kurz. „Ich werde dieses Jahr noch 20,“ kam es dann aus seinem Mund und der Mann lächelte wieder leicht. „Meinen Glückwunsch. Runde Geburtstage sind etwas schönes.“

Doch dann wurde sein Blick wieder ernster. „Du hast viel durchgemacht in letzter Zeit.“

Fragend sah Hermann ihn an.

„Deine Gesichtszüge sind hart. Härter als sie es sein sollten. Und außerdem...“ Er drehte seinen Kopf in Kerems Richtung, „weiß ich auch ein wenig was vorgefallen ist. Immerhin musste sie uns Rechenschaft ablegen und ihre Empfehlung begründen.“

Langsam ließ der alte Mann seine Hand sinken. „Es tut mir leid dass dir so etwas widerfahren ist. Normalerweise sollte eine Erwählung ein freudiges Ereignis sein.“ Nun zeichnete sich wirklich so etwas wie Traurigkeit und Betroffenheit auf seinem Gesicht ab. „Wir können es verstehen, wenn du nicht mehr möchtest, wobei das wohl das erste Mal wäre, seitdem es die Seeker gibt, wo jemand vor Ablauf seiner Zeit entbunden wird. Dennoch solltest du es dir wirklich gut überlegen.“

Dr. Hyden drehte sich um und ging zurück zu den Anderen. „Vielleicht solltest du das Wissen der Seeker nutzen um die richtige Entscheidung zu treffen.“

„Aber...“ setzte Kerem an, doch der alte Mann schüttelte den Kopf.

„Er hat ein Recht dazu und sollte erfahren, wie wichtig unsere Aufgabe ist und das sie nicht nur Leid bedeutet. Sondern etwas schönes, erfüllendes, wenn man bereit ist sich seiner Aufgabe zu öffnen.“

Baby

Natürlich hatte Hermanns plötzliches Verschwinden für Unmut in der Gruppe gesorgt, denn sie hatten sich gerade erst wieder gefunden, nur um sich erneut aus den Augen zu verlieren.

„Immer das gleiche,“ brummte Katrin. „Man könnte langsam meinen, diese Welt habe etwas dagegen, dass wir längere Zeit zusammen verbringen. Kaum treffen wir uns endlich alle wieder, verschwindet auch schon jemand erneut.“

„Sure?“ fragte Simone.

„Wie willst du das sonst nennen?“ entgegnete Katrin nachdenklich. „Seitdem wir hier sind, kann ich die Tage, wo wir mal alle zusammen waren an einer Hand abzählen.“

Doch Simone zuckte nur mit den Schultern. Sie hielt es mehr für Zufall, immerhin waren sie sonst daheim doch auch nur an der Uni zusammen gewesen, außer wenn sie vielleicht Abends was unternommen hatten und dann war es auch noch nicht mal die derzeitige Gruppe gewesen. Zu verschieden waren doch die eigentlichen Interessen.

Stattdessen versuchte sie das Thema anders anzugehen. „But what we can do?“ Beim letzten Mal waren sie ja in einer großen Gruppe gewesen und trotzdem hatte niemand verhindern können, das sie getrennt wurden. Wenn es passierte, dann passierte es halt. Sie mussten wohl lernen, das beste daraus zu machen?

Quinn seufzte und stützte den Kopf auf die Hände. So richtig viel an Ideen konnte er nicht beisteuern und auch Paul war wirklich nicht in der Verfassung dazu.

„Gar nichts,“ brummte er nach einer Weile und stand auf. „Ist mir egal, ob ihr jetzt hier rumsitzt und euch über ungelegte Eier den Kopf zerbrecht, aber ich gehe Hermann suchen.“

Ein wenig geschickt sahen die Mädchen ihn an, als er wirklich Anstalten machte aufzustehen und dann kurz zu seinem Partner zu blicken, der Wortlos auf dessen Schulter sprang, was bei Gazimon schon etwas ungewöhnlich war, so kommentarlos zu agieren.

„Really?“ knurrte Simone, nun etwas aufgebrachter.

„Ja, wirklich. Immerhin ist er alleine los und ihr macht noch nicht mal Anstalten nachzusehen, ob er hier überhaupt zurecht kommt. Immerhin sind wir jetzt schon länger hier als er.“ Quinns Blick war hart, als er zu ihnen sah und dann trat aus durch die Tür hinaus.

„Quinn, warte..“ rief Katrin ihm hinterher, doch dieses wurde ignoriert.

Seufzend blickte die Studentin zu Paul und Katrin. Warum musste es nur immer so kompliziert sein?
 

Langsam schritt Quinn die Stufen hinab und ging ein paar Schritte an der Hauswand entlang, bevor er mit einer Hand dagegen schlug. „Verdammt,“ knurrte er und fasste sich an die Stirn. Er hatte es sich vor den Anderen nicht anmerken lassen wollen, aber auch er knabberte an ihrer Situation. Nur so, wie es im Moment lief, konnte es nicht weitergehen. Und dummerweise war Hermann wohl der Schlüssel.

„Was verziehst du Menschlein dein Gesicht so hässlich?“ brummte Gazimon und zog ihn an den Haaren, weshalb Quinns Augen nach oben wanderten.

„Ich denke nach.“

„Ach ja, hast du das nicht eben den Anderen vorgeworfen?“ Gazimon kicherte leicht, lies dann aber wieder locker, als ein Windstoß durch sein Fell fuhr.

Fragend blickte das Digimon sich um, bekam aber nur ein wenig Sand ab, der von einem Dach herab geweht worden war.

Gazimon schüttelte sich, wobei er von Quinn nicht abließ und ihn auch so mit einer kleinen Sandladung bedachte, die auch teilweise unter die Kleidung rutschte. Geteiltes Leid war halbes Leid.

Leise kichernd machte es sich Gazimon wieder gemütlich, während nun Quinn fluchte und versuchte den Sand loszuwerden.

„Das war jetzt nicht nötig gewesen.“

Doch Gazimon war immer noch belustigt darüber, auch wenn er sich erneut umblickte.

Es war immer noch leicht windig und einige Händler begannen ihre Dinge zusammenzupacken. Freak Weather schien es jedenfalls nicht zu sein, denn der Wind flaute ein wenig ab.

Quinn blickte sich um. „Suchen wir Hermann,“ meinte er und ging los, wobei er nur am Rande die Digimon beobachtete, denen sie begegneten.

Sie waren zwar etwas mehr in Eile, als sonst, aber für sie schien bisher nichts ungewöhnliches stattzufinden, außer das sich die Straßen mehr und mehr leerten und Fenster verrammelt wurden.

Der Student fluchte. So konnte er niemanden fragen, ob jemand vielleicht einen Menschen gesehen hatte. Die Aussicht, die ganze Stadt zu durchsuchen war nicht sonderlich erbaulich, denn Hermann ließ sich nicht lokalisieren.
 

Als der Wind immer weiter zunahm, und auch schon erste kleine Dinge vor sich hertrieb, bog Quinn von der Hauptstraße ab und begann in den Nebenstraßen zu suchen, da man hier auch etwas geschützter war. Weit konnte Hermann doch noch nicht gekommen sein.

Nun wünschte er sich doch, dass die Anderen ihm bei der Suche helfen würden. So war es doch eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen bei aufkommendem Wind.

Gazimon verschwand plötzlich ohne Quinn etwas zu sagen. Der Student glaubte nicht wirklich daran, dass sich sein Partner bei der Suche auf diese Art und Weise beteiligen würde, wahrscheinlich würde er sich wohin verkriechen, wo er geschützter war.

Umso überraschter war er dann doch, als Gazimon kurz darauf zurückkehrte und Quinn ein Stück Stoff anbot, ebenso eines, wie er sich selbst vors Gesicht gebunden hatte.

Überrascht streckte Quinn die Hände danach aus und stöhnte im nächsten Moment. Denn in seinen Händen war etwas anderes gelandet. Etwas das von „Rettet meinen Schatz,“ begleitet wurde.

Eintgeistert blickte der Student auf das braun-grüne Ei, das nun in seinen Armen ruhte. Am Anfang sah es noch so aus, als habe das Ei den Sturz unbeschadet überstanden, doch dann zeigten sich plötzlich erste Risse.

„Stell es ab. Stell es sofort ab und weg davon...“ fauchte Gazimon noch, doch da war es schon zu spät. Das Ei brach auf und etwas Rotes, kugeliges lag plötzlich in den Armen des Studenten. Ein Etwas, das nichts besseres zu tun hatte, als Quinn zu mustern und dann auf Schmusekurs zu gehen und sich heftig an ihn zu schmiegen.

„Das ist mein Menschlein. Such dir selbst einen anderen“, fauchte Gazimon los.

„Eifersüchtig?“ stichelte Quinn, doch Gazimon schnaubte nur und drehte beleidigt den Kopf zur Seite, ohne sie aber nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

Jedoch führte es dazu, dass das frischgeschlüpfte Wesen Gazimon entgeistert anblickte und dann hemmungslos zu weinen begann.

Entgeistert verdrehte das Virusdigimon die Augen. Das hatte ihm jetzt noch gefehlt.

Quinn seufzte und überlegte, was er jetzt am besten tun sollte, um das Ding zu beruhigen und die Situation zu entschärfen. Hektisch sah er sich nach der Besitzerin der Stimme um, welche doch eben noch gerufen hatte. Aber von diesem Digimon war weit und breit nichts zu entdecken.

Stattdessen wurden seine Sachen weiter durchnässt, seine Ohren überstrapaziert und der Wind nahm auch immer mehr an Kraft zu.

Gazimon war ebenso alles andere als begeistert. Denn er lief aufgebracht von seinem Standpunkt aus hin und her und suchte jemandem der ihnen dieses schreiende Ding abnahm, damit sie endlich weiter konnten.

Der Sturm ließ einige lose Stoffe im Wind knacken und hatte dafür gesorgt, dass mittlerweile selbst die Seitenstraßen verlassen waren. Schlechte Aussichten also, um es loszuwerden.

Gazimon sprang von seiner Position herab und blickte Quinn genervt an. „Lass uns einen Unterschlupf suchen.“

„Hier rein...“ plötzlich erklang hinter Quinn die Stimme wieder.

Ein Palmon streckte sich nach dem kleinen Blob aus, der jedoch keine Anstalten machte, zu ihr zu kommen. Stattdessen vergrub es sich in Quinns Armen der wieder entsetzt drein blickte. Nein, damit hatte er wahrlich nicht gerechnet und das hatte ihm jetzt auch noch gefehlt. Immerhin war Quinn immer noch auf der Suche nach Hermann und hatte für so etwas im Moment nicht wirklich Zeit.

„Du solltest zu ihr gehen,“ versuchte er das kleine Digimon loszuwerden, doch das schien sich mehr oder weniger an ihm festzusaugen.

Als Gazimon es auf seine, unübertroffen charmante Art, nämlich mit dem Zeigen seiner Krallen, vom Umziehen überzeugen wollte, begann es sofort wieder zu jammern und loszuheulen. Quinn verdrehte die Augen.

Palmon seufzte leise und deutete stattdessen an, das sie eintreten sollten um dort dann auf ein kleines Bettchen zu deuten, in dem vorher wahrscheinlich das Ei gelegen hatte. Jedenfalls wenn man nach der Kuhle ging.

Kurz sah Quinn zu seinem schmollenden Partner und ging zu dem Bettchen hinüber. Diesmal schien es jedoch, als sei das kleine Wesen durch die ganze Aufregung erschöpft, denn es glitt ohne weiteren Widerstand hinein.

„Ein guter Zeitpunkt abzuhauen,“ brummte Gazimon, doch Palmon sah sie entsetzt an. „Da raus? Bitte wartet doch, bis sich der Sturm wieder gelegt hat und erlaubt mir mich für die Rettung meines Kleinen erkenntlich zu zeigen.“

Wieder konnte man in Gazimons Gesicht ablesen, was er davon hielt, doch als sie nach draußen blickten, sahen sie, dass der Wind weiter zugenommen hatte und das Digimon verspürte nicht wirklich Lust darauf sich sein Fell zerzausen zu lassen... zumindest solange die Heulboje da drüben ruhig blieb.

Quinn jedoch war unruhig. Hoffentlich hatte auch Hermann einen Unterschlupf gefunden. Ansonsten würde es für ihn wohl ziemlich ungemütlich werden. Diese Welt war alles andere als ein Spaziergang.

Palmon setzte bereits Wasser in einem Topf auf.

Mainframe II

Es war schon merkwürdig. Hermann fand sich an diesem seltsamen Ort wieder und wurde mit einer Vergangenheit konfrontiert, die eigentlich nicht die Seine war und doch verlangte man von ihm, das er sie annahm und sich mit ihr auseinander setzte.

Dieser Dr. Hyden hatte ihm eine ganz neue Ansicht eröffnet, eine die wirklich anders war als das, was er bisher erlebt hatte. Aber genau das machte die Sache jetzt auch so unglaublich kompliziert.

Hermann wusste nicht, ob er sich erfreut oder eher erschlagen fühlen sollte von dem großen Wissen und auch der Verantwortung, die man mit dieser Verpflichtung auf sich nahm.

Er schloss die Augen und und massierte sich die Nasenwurzel, während er weiter nachdachte. Eine, nicht zum verstummen bringende, Stimme forderte ihn immer wieder auf, das Ganze sausen zu lassen, und so Kerem recht zu geben, das er sich der Sache nicht gewachsen fühlte.

Doch war das nichts anderes, als weglaufen? Und was passierte dann mit den Anderen?

Sie waren doch genau so wenig gefragt worden.

Wobei, war das nicht bei ihnen anders, diese Digimonpartnerschaft?

Von der ganzen Grübelei bekam er langsam Kopfweh und es brachte ihn keinen Schritt weiter.

So ging Hermann leiser durch dieses Gebiet, das sich Mainframe nannte und versuchte mit den Bildern und kleinen Geschichten, mit denen er konfrontiert wurde, klar zu kommen.

Doch nach einer Weile stellte sich sich ihm jemand in den Weg. Im ersten Moment stutze Hermann, denn er war noch nie zuvor einem Albino begegnet und dann auch nicht einem so jungen.

Kerem hatte ihm zwar gesagt, das man alles und jeder sein konnte hier, aber diese Person war die erste junge Person, auf die er traf.

„Schau nicht so überrascht,“ meinte sein Gegenüber, als Hermann ihn immer noch musterte. „Dr. Hyden meinte, es wäre wohl besser für dich, wenn du mal mit jemandem gleichaltrigen reden würdest.“

Er grinste. „Und hier bin ich.“

Hermann blieb weiter skeptisch. „Kerem hat mich gewarnt, hier kann jeder alles sein.“

Der Andere blickte den Student überrascht an, dann begann er zu lachen. „Ein gesundes Misstrauen hast du da,“ meinte er während er Hermann weiter musterte. „Doch du kannst dir sicher sein, als ich meine Aufgabe vollendete.“ Er war bei den Worten sehr ernst geworden. „Und bevor du jetzt falsche Schlüsse ziehst, nein es war eine Krankheit.“

Er presste die Lippen zusammen und Hermann spürte, das er jetzt besser nicht nachhaken sollte auch wenn er neugierig war.

„Sag mal, was willst du über uns eigentlich wissen?“ Sein Gegenüber hatte den Kopf leicht schräg gelegt und blickte Hermann nun nachdenklich an, bevor er wieder das Gesicht verzog: „Und komm mir jetzt bitte nicht mit der Frage: Warum ich? Denn das kann ich dir nur bedingt beantworten. Die Antwort darauf musst du selber finden.“

Plötzlich veränderte sich die Umgebung und sie standen in einer rötlichen Sanddüne.

Unwillkürlich fühlte Hermann sich an Afrika erinnert und auch die Temperatur hatte sich angepasst. Er schluckte leicht und hatte das Gefühl jetzt schon zu schwitzen, obwohl sie einfach nur dastanden.

Ein dunkelhäutiges Mädchen rannte, in Begleitung eines Armadillomon in Richtung einer aus Lehmhütten bestehenden Siedlung. War das jetzt eine weitere Simulation oder eine Erinnerung?

„Das ist meine Heimat,“ fügte sein Gegenüber ein, so als hätte er Hermanns Gedanken gelesen. „Mein Dorf,“ er lächelte flüchtig, als er zu dem Mädchen blickte. „Und meine liebe Schwester.“ Der Blick des Albinos wurde wehleidiger, während er die Lippen zusammenpresste.

Es kostete ihn sichtlich Überwindung, der Sache nicht auszuweichen, beziehungsweise sie abzubrechen.

„Ich fragte mich damals auch immer wieder, warum ausgerechnet ich der Seeker geworden bin und nicht sie.“ Die Szene fror ein. „Sie konnte viel besser mit Menschen und Digimon umgehen als ich. Doch dann merkte ich, das ihr etwas fehlte, nämlich das Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeit in schwierigen Momenten die richtige Entscheidung zu treffen.“ Kurz schwieg er erneut und schien zu überlegen, wie er fortfahren sollte.

„Wenn es ging, ging sie den Problemen lieber aus dem Weg, statt sich ihnen zu stellen, wobei ich sagen muss, das sie schon kämpfte, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Aber sie zog es lieber vor, sich dann in brenzligen Situationen im Hintergrund zu halten. Als Seeker ist das nicht wirklich möglich. Wenn es nötig ist, musst du Entscheidungen treffen und dazu stehen, selbst wenn es Konsequenzen hat, die dir wohl möglich missfallen.“

Er zuckte mit den Schultern, während das Bild verblasste und damit auch den Sand und die Hitze mit sich nahm.

Hermann spürte, dass sein Gegenüber ihm immer noch etwas verheimlichte, aber er traute sich nicht so recht nachzufragen, immerhin hatte der Andere ihm schon was von seiner Geschichte gezeigt.

Doch nach einer Weile merkte er, das er wieder beobachtet wurde.

„Du musst mutiger werden,“ meinte der Albino. „Dein Mienenspiel verrät dich. Du hast Fragen, traust dich aber nicht, diese zu stellen und das ist nicht gut. Je mehr du weißt oder in Erfahrung bringst, desto besser kannst du Situationen einschätzen und dementsprechend eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung die du dann bestimmt auch nicht bereuen wirst.“

Dann lächelte er wieder leicht.

„Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, aber als Seeker bist du der Anführer der Gruppe. Und wenn du erwählt wurdest, dann hast du wohl auch das Zeug dazu. Du musst es nur verstehen und annehmen. Aber jetzt... lass uns ein wenig spazieren gehen... Mein Name ist übrigens Taio.“

Paul II

Hagurumon hatte es sich etwas abseits von Paul halbwegs bequem gemacht, was jedoch nicht bedeutete, dass er nicht auch weiterhin ein wachsames Auge auf seinen Partner hatte.

In der Vergangenheit konnte es sich nicht wirklich daran erinnern, dass der andere so lange ohne Bewusstsein verblieben war.

Dass sie gerade alleine waren, nutzte das Digimon um von seinem Platz abzuheben und nach oben zu schweben, dass er auf Kopfhöhe mit Paul nun war.

„Verzeih mir,“ flüsterte es leise. „Das ich nicht besser auf dich aufgepasst habe, aber bitte, wach doch auf.“ Dann kuschelte es sich kurz an ihn.

„Du weißt schon, dass du nicht sonderlich anschmiegsam bist, oder?“ kam es stöhnend plötzlich aus dem Bett, was das Digimon veranlasste, fast einen Satz nach oben zu machen.

„Du bist... wach?“ stotterte es und Paul stöhnte zum zweiten Mal, als es sich auf seinem Bauch niederließ.

Seit wann war sein Partner denn so kuschel bedürftig?

„Hey langsam,“ brummte Paul und versuchte Hagurumon mit seinen Händen zu greifen, bevor er sich umblickte.

Das Museum also. Paul seufzte und blickte seinen Partner an. „Haben wir es ein wenig übertrieben?“ fragte er leicht geknickt.

„Ich kann mich ja kaum noch an die Zeit erinnern, wo es soweit kommen konnte, während wir alleine durch die Digiwelt gezogen sind.“ Er wurde leicht rot, so beschämt war er.

Doch Hagurumon sah das nicht so negativ wie Paul. „Manchmal muss man die Zeit auch mal zurück drehen, um vorwärts zu kommen,“ meinte das Digimon altklug und veranlasste den Forscher dazu ein wenig zu schmunzeln.

„Du bist unmöglich, weißt du das?“ brummte er und setzte sich langsam auf. „Junge, wie lange habe ich überhaupt geschlafen?“ fragte Paul sich selbst, und roch an seiner Kleidung, nur um das Gesicht zu verziehen. Lange genug, dafür auf jeden Fall.

Auch wenn seine Sachen gerne mal ramponiert und dreckig waren, das hier war jetzt eindeutig grenzwertig.

„Du weißt nicht zufällig, ob die Anderen noch da sind?“ fragte er seinen Partner, da er sich im Moment nicht erheben konnte und auch seine Kräfte nicht überstrapazieren wollte. Denn Paul war schon klar, warum sein Partner derzeit so aussah, wie er aussah.

Hagurumon blickte ihn an und seufzte leise. „Lange hast du geschlafen,“ meinte es, jedoch ohne eine Uhrzeit zu nennen, was für seinen Partner auch ein wenig untypisch war und den Forscher etwas hellhörig machte.

„Was ist los?“ fragte er deshalb nach, doch Hagurumon schien am Anfang nicht so ganz gewillt ihm zu antworten und blickte zur Seite.

„Gibst du dir etwa die Schuld, das ich zusammengebrochen bin, ohne das du die Warnzeichen bemerkt hast?!“ schlussfolgerte Paul daraus und schüttelte den Kopf, was ihm jedoch nicht ganz so gut bekam und er schnell wieder aufhörte.

„Du solltest mich eigentlich besser kennen,“ sagte er stattdessen und griff nach seinem Partner um ihn näher zu sich zu ziehen, denn Hagurumon war ein wenig auf Abstand gegangen.

„Nicht du, sondern ich bin schuld.“ Er fasste sich mit der freien Hand an die Kette und hielt sie mit einem leichten Lächeln fest.

„Die Aussicht, dass es wieder weitere Wächter gibt und ich sie mit meinem Wissen anleiten könnte, hat mich unvorsichtig werden lassen. Ich habe selbst nicht auf mich gehört, und das ist der Preis, den ich dafür nun zahlen muss.“

Die andere Hand ruhte immer noch auf Hagurumon. „Wir sollten uns beide mehr Zeit nehmen und es jetzt langsamer angehen lassen, ja?“

Er lächelte seinen Partner auch weiterhin an. „Ich werde schon wieder zu Kräften kommen und ich danke dir dafür, dass du dieses Opfer nun für mich gebracht hast, das es mir wieder besser geht.“

Doch der Blick, den Hagurumon ihm daraufhin angedeihen ließ, machte Paul schon klar, dass sich etwas verändert hatte. Ob zum guten oder schlechten wusste er jedoch nicht.

Der Forscher schluckte und schloss resigniert die Augen.
 

Als Katrin und Simone mit Essen zurückkehrten war Paul erneut eingeschlafen. Hagurumon lag am Bettende und verhielt sich still.

„Was he awake?“ fragte Simone das Digimon leise, woraufhin Hagurumon kurz die Augen öffnete, sie ansah und dann wieder schloss, ohne ihr eine Antwort gegeben zu haben.

Simone seufzte leise und kehrte zu Katrin zurück.

„Wohl nicht,“ brummte diese daraufhin und begann die zwei Suppenterrinen zu öffnen, die sie sich besorgt hatten.

Eine davon reichte sie Simone und begann dann selbst die andere Nudelsuppe zu essen. „Ich hoffe die Jungs haben wenigstens einen sicheren Unterschlupf, so sehr wie das da draußen stürmt...“ brummte Katrin leise und blickte in Richtung der Türen. „Sauwetter.“

Simone sah zu ihr und vollführte dann das Kartenmanöver, das Paul sie gelehrt hatte. „It seams Quinn is OK. When I see it correct he is in a house.“ Sie lächelte schwach und aß dann weiter, während die Holokarte langsam erlosch.

An ihrer Haltung jedoch konnte man aber erkennen, das sie schon noch sauer war.
 

„Ach und die Kranken bekommen nichts?“ ertönte es plötzlich von Pauls Bettstatt aus, wobei die Mädchen zusammenzuckten und Simone etwas von der heißen Flüssigkeit auf die Beine tropfte. Sie fluchte leise, während sie die Suppe hastig zur Seite stellte, damit kein weiteres Malheur passierte.

„You are awake?“ fragte sie überrascht, während Katrin imer noch am Husten war und nach Luft schnappte.

„Verdammt, das war unfair,“ protestierte sie während sie versuchte die scharfe Gewürzsauce aus ihrer Nase los zu werden, von ihren feuchten Klamotten mal ganz zu schweigen.

Paul richtete sich unterdessen langsam auf und sah sie an, so als wäre nichts gewesen. „Und? Bekommen Kranke hier Verpflegung oder müssen wir elendig verhungern?“ meinte er gespielt leidend, während sein Blick auf den Suppen ruhte.

Schließlich war es Simone, die mit ihm ein Einsehen hatte und ihm ihre reichte, während sie sich umziehen ging.

Paul machte sich sofort über das Essen her.
 

Nachdem sie gegessen hatten, legte Paul eine Hand auf den Kopf seines Partners.

„Das war schlechtes Timing,“ meinte er und ballte die andere Hand zur Faust. Er erntete dafür nur fragende Blicke von den Studentinnen.

„Wir brauchen Fortschritte, keine Rückschritte und vor allem einen klaren Kopf. Wir müssen alle stärker werden.“ brummte er.

„But why so quick?“

Paul brummte erneut leise. „Uns läuft die Zeit davon,“ womit er eigentlich die Worte schon wieder widerrief, die mit Hagurumon zuvor besprochen hatte. Aber seine Gedanken glitten gerade wieder zurück durch das Jahr, seitdem sie sich schon kannten und was er in der ganzen Zeit noch erfahren hatten.

Ihm war klar, dass es Gruppen gab, die nicht still dasitzen und abwarten würden, das alles wieder vor Tschernobyl wurde, und wenn es bedeutete, eine Welt zu riskieren.

Doch noch schien keine der Gruppen gewillt, ihr wahres Gesicht zu zeigen und Paul war sich sicher, wenn sie es taten, würde es zu spät sein, etwas dagegen zu unternehmen.

Als er sich erheben wollte, blickte Katrin ihn scharf an. „Was wird das jetzt?“ fragte sie skeptisch.

„Ich stehe auf, sieht man doch.“

Der Blick der Studentin blieb jedoch misstrauisch, besonders da Hagurumon seine Augen mittlerweile wieder geöffnet hatte und seinen Partner fragend anblickte.

„Ich muss mal wohin, ok?“ konterte Paul und machte sich davon, bevor es zu spät war. War ja noch schöner, dass er sich noch vor Leuten rechtfertigte, die seine Schüler sein konnten und es gewissermaßen auch waren.

Er brauchte sich nicht umzusehen um zu wissen, dass Hagurumon ihm gefolgt war.

„Warum hast du das eben gesagt? Du hast doch etwas anderes vor,“ brummte Hagurumon als sie außer Hörreichweite der Anderen waren.

Paul nickte stumm.

„Und was?“

„Alles zu seiner Zeit.“

Der Forscher blickte zurück, so als wolle er sich vergewissern, dass sie nicht noch nach ihm sahen, ehe er im Bad verschwand.

Doch seine Idee, sich durch das Fenster dort abzusetzen wurde durch das Wetter vereitelt.

Missmutig sah er nach draußen, doch sein Partner schien nicht so ganz verstimmt zu sein, ob der Lage. Immerhin hatten sie schon ganz andere Dinge durchgestanden. Im Gegenteil, dadurch war Paul gezwungen sich noch ein wenig länger auszuruhen und wieder Kräfte zu schöpfen.

Doch die nächsten Worte trafen Hagurumon unvorbereitet.

„Verzeih mir, aber habe ich einen Fehler gemacht?“

Das Digimon sah ihn etwas ratlos an. „Wobei?“

„Hätte ich anders handeln sollen? Damals schon, als es mich hierher verschlug und als ich zum ersten Mal auf die Anderen traf?“

„Warum stellst du solche Fragen?“ kam es von Hagurumon. „Du kannst die Vergangenheit doch nicht ändern, warum darum jetzt sinnlose Gedanken machen?“

Das Digimon schwebte näher zu dem Forscher, der seine Finger um die Ränder des Waschbeckens gelegt hatte, so dass die Knöchel hell unter der Haut hervor traten.

„Das einzige, was wir verändern können ist unsere Zukunft,“ meinte das Digimon. „Aber selbst das kann große Opfer von uns verlangen, wenn wir vor ihr die Augen verschließen oder uns selbst belügen,“ sprach es und verließ den Waschraum mit einem grübelnden Paul. Was sollte denn das jetzt heißen? Irgendwie hatte er das Gefühl, das Hagurumon gerade mehr gemeint hatte, als er offen sagte. Seltsam, sonst hatten sie doch keine Geheimnisse voreinander.



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Von:  fahnm
2015-08-04T21:34:32+00:00 04.08.2015 23:34
Spitze Kapitel
Von:  fahnm
2015-08-04T21:34:20+00:00 04.08.2015 23:34
Hammer Kapitel
Es geht weiter ^^
Von:  fahnm
2014-11-23T00:02:22+00:00 23.11.2014 01:02
Spitzen Kapitel^^
Von:  fahnm
2013-04-18T20:31:00+00:00 18.04.2013 22:31
Super Kapi^^
Von:  fahnm
2013-01-20T23:40:44+00:00 21.01.2013 00:40
Spitzen kapi^^
Von:  fahnm
2011-10-05T19:24:43+00:00 05.10.2011 21:24
Klasse Kapi^^
Von:  fahnm
2011-09-25T20:26:18+00:00 25.09.2011 22:26
Klasse Kapi^^
Von:  DigiDestined
2010-01-12T10:46:49+00:00 12.01.2010 11:46
Huhu,

so, nun habe ich diese Geschichte auch mal gelesen. Zumindest die ersten beiden Kappis XD

Ich find die prima gelungen und lese weiter, sobald ich heute Abend zu Hause bin :)

Mach weiter so!

Grüße, Digi
Von:  Heruvim
2009-12-21T23:47:16+00:00 22.12.2009 00:47
Hallo Selma :D
Ich habe es doch noch geschaft heute... Okay es ist bei mir 01:38 Dienstag, aber fuer mich ist's immer noch Montag xP
Jedenfalls habe ich gerade eben meine "Frontier-Analyse" abgeschlossen und plane ab morgen an der neuen FF.
Trotzdem wollte ich mein Versprechen einhalten und ab heute anfangen zu kommentieren ;)

Ich finde, dass das ein toller Einstieg fuer deine Geschichte ist. Du hast eine tolle Wortwahl und einen ausgewachsenen Schreibstil. Der bisschen pikante Unterton deines Schreibstils bringt mich zwar nicht zum lachen, aber narrativ bringst du mich staendig zum laecheln, was ich sehr angenehm finde.
Toll fand ich den Prof, der, fuer diesen Prolog, ja schonmal genug Screentime hatte. Ich stelle ihn mir mit uebergrossem, braun-gruenem Blaser vor und weissem Hemd. Dazu eine Kravate in streifen, steinalte, retro Pantoffeln der spaeten '60er Jahre, wo wir alle noch Hippies waren, und natuerlich noch die passende dunkelbraune Hose, die eigentlich nur noch eine Ansammlung an Fuseln ist <3
"Bloss nicht aus der Reihe tanzen, Kinderlein, sonst gibt's die Scheinchen erst zu Weihnachten >3 "

Joa, ansonsten freue ich mich auf die naechsten Kapitel und noch mehr wuerzigem Schreibstil ;3

The Heruvimonster~
Von: abgemeldet
2009-01-19T22:28:59+00:00 19.01.2009 23:28
Also der Anfang gefällt mir ja schonmal richtig gut :D Ich versuche heute noch ein wenig weiterzukommen, aber ich denke, ich werde noch einigen Spaß mit der FF haben!


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