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Das Leben in der Anderen

Und nichts ist, wie es einmal war. [Kaoru&Die]
von

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Es lebe das Leben

Es war an einem Tag wie jeder andere auf Tour, als Kaoru wie automatisch die Beine aus dem Bett schob und sich kurz nach sieben aufhievte. Er streckte sich langsam und ausgiebig, während er gähnte, bevor er seine morgendliche Dusche nahm. Fertig angezogen, rasiert und gekämmt, packte er seine Sachen in die Tasche und schnappte sich den Hotelzimmerschlüssel, um es dann einmal mehr zu verlassen - wie jeden Morgen.

Allein, ganz im Gegensatz zu seinem Bandkollegen Die. Als Kaoru den Flur betrat und die Tür hinter sich schloss, bekam er gerade noch eine Szene mit, wie sie sich äußerst oft bei Die abspielte.

"Bye," hauchte er auf ihre Lippen, lehnte lässig gegen den Türrahmen und hielt ihre Hand.

"Mach's gut, Die, und ruf mich an, wenn du magst." Zögerlich drehte sie sich um und Die schaute ihr noch lange mit einem sehnsüchtigen Blick hinterher. Solange, bis sie mit einem scheuen Lächeln und einem Winken im Aufzug verschwand. Dann entspannte sich sein Gesicht mit einem Seufzen der Erleichterung. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und verschwand in seinem Zimmer.

Kaoru stand da wie ein Depp. Weder die Frau, noch Die hatten ihm einen guten Morgen gewünscht. Lediglich eines kurzen Blickes würdigte sie ihn, als sie an ihm vorbei musste. Die dagegen grinste ihr noch blöde hinterher, keine Augen für die Realität. Nun mochte einer sagen, es sei normal, dass ein Mann nur Augen für seine hübsche Freundin hatte, doch erstens war diese Frau nur eine von vielen und zweitens war Die einfach darauf bedacht, dass sie von seinem kleinen Schauspiel nicht abgelenkt würde.

So gut kannte Kaoru nun schon seinen zweiten Gitarristen. Frauen kamen und gingen nächtlich. Der Bandleader nahm eine tiefen Atemzug und marschierte ebenfalls zum Aufzug. Normalerweise mischte er sich nicht ein in die privaten Angelegenheiten seiner Bandkollegen, ging ihn ja im Grunde auch nichts an, doch bei Die machte er sich langsam Sorgen. Oder vielmehr um Dies Weiberverschleiß. Wenn der so weitermachte, würde es in ganz Japan bald keine Frau mehr geben, mit der er nicht geschlafen hatte - und da rechnete er die Europäischen Hasen und Amerikanischen Girls noch nicht mal mit ein. Und weil Kaoru noch Single war, war das nicht akzeptabel. Er wollte eine von Die noch unbenutzte, danke.

Gut, vielleicht war Kaorus Grundgedanke doch etwas egoistisch. Dennoch wurmte es ihn auf eine ganz bescheuerte Art und Weise, die er sich selbst nicht erklären konnte. Er war gut erzogen und achtete Frauen. Was Die tat, war eindeutig unter deren Würde. Andererseits waren sie ja selber Schuld. Zumindest hatten die ihren Spaß und was hatte Kaoru? Nichts außer einem leeren Bett. Aber er war auch nicht der Typ für eine Nacht. Das war ja schön und gut, doch auf die Dauer keine Lösung. Er brauchte eine Frau, die zu ihm aufsah und die er respektieren konnte, eine richtige Freundin und keine Bumsmöglichkeit.

Da kam er wieder auf Die.

Warum wollte der nur ständig das Eine und niemals die wirkliche Nähe einer Frau? Eine, auf deren Schoß man seinen Kopf nach Feierabend legte und ihr von seinem Tag erzählte, während sie einem ihre zärtlichen Finger durch die Haare fuhr. Wenn Kaoru etwas haben wollte, worin er seinen Schwanz versenken konnte, dann müsse er nur mit offener Hose durch die Stadt laufen. So war das! Nein, er wollte eine, der er vertraute und vor allem sein Herz anvertraute.

Das zumindest bildete er sich ein. War er etwa doch nur neidisch? Ganz genau wusste er das nämlich nicht. Aber eines wusste er: dass er sich darüber viel zu viele Gedanken machte!
 

Im Foyer des Hotels angekommen, begrüßte ihn bereits der Tourmanager und nach einem kurzen Gespräch über die heutigen Termine, konnte sich Kaoru auch endlich an den Frühstückstisch setzen. Toshiya und Shinya saßen bereits und aßen, und erst lange nachdem Kaoru sich zu ihnen gesellt hatte, kamen auch der Sänger und das weiberverschlingende Strahlemännchen und beehrten die anderen mit ihrer Gegenwart.

"Guten Morgen!", sang Die und setzte sich gegenüber des Bandleaders, während sich Kyo mit einem Grummeln neben ihn schob.

Die gute Laune des Weiberhelden war schon fast nicht zu ertragen. Kaoru hustete und beschloss, den Gitarristen mit den rötlich blonden Haaren zu ignorieren. Leider stellte sich das als schwierig heraus dank des neugierigen Bassisten.

"Nette Nacht gehabt, wie?", grinste Toshi und kicherte dreckig, als Die mit einem strahlenden Lächeln nickte. "Man hat's vernommen."

"Aber wir waren gar nicht laut," protestierte Die mit vollem Mund, so dass Kaoru innerlich bereits in Deckung ging, bevor ihm Stückchen von Nutella und Croissant an den Kopf flogen.

"Deswegen stieß der Bettrahmen trotzdem gegen die Wand," meinte der Drummer plötzlich pikiert und stand auf, um sich, bewaffnet mit seinem Hund, nach draußen zur Morgentoilette des Tieres zu begeben.

"Was soll ich sagen? Sie war schon irgendwie wild. Mal was anderes," war Dies einziger Kommentar, den er mit einem Zucken seiner Schultern aus dem Ärmel schüttelte. "Warum sind die meisten Weiber nur so zaghaft?"

"Keine Ahnung. Ich stehe auch nicht drauf, wenn sie einen auf Amazone machen," schnarchte Toshiya und zündete sich eine Kippe an. "Du Kaoru?"

"Hm?" Er tat, als hätte er das Gespräch nicht verfolgt, dabei war der Älteste von allen bereits dabei, gedanklich durchzugehen, was für perverse Schweine doch in seiner Band waren. Die war der Allerschlimmste! Wie konnte man sich nur über Wesen der Gattung Frau so unterhalten? Nicht, dass Kaoru anders dachte. Das nicht, aber ein Gentleman schweigt und genießt, so war sein Motto.

"Stehst du mehr so auf Amazonenweiber, die dich reiten, bis der Tag anbricht?", wiederholte der Rotblonde geduldig die Frage des Bassisten. "Oder bist du eher an den zaghaften Jungfrauen interessiert?"

Der fragende Blick zu Kyo half Kaoru nicht einen Schritt weiter, da der Sänger gerade mehr oder weniger dabei war, auf dem Tisch einzuschlafen. Kaoru musste sich also mal wieder selbst aus der Lage befreien, legte eines seiner undurchschaubaren Lächeln auf und lehnte sich zurück. "Die Mischung macht's."

Unverfänglich und neutral. Der Bandleader war zufrieden mit seiner Antwort.

"Alte Sau, du. Wusste ich doch!", strahlte Die, nur um den Älteren zu ärgern, denn er wusste zu gut, dass Kaoru so gut wie kein Sexleben hatte. In seinen Augen war er ein Langweiler. "Du nimmst dir eine prüde Jungfrau und vögelst die solange, bis sie zur Nymphe wird, was?"

Schallendes Gelächter brach aus.

Kaoru kam fast das Kotzen. Erstens musste man so etwas nicht laut aussprechen und zweitens würde er ja gerne so handeln, wenn nur noch ein paar Jungfrauen da wären! Die hatte doch alles weibliche auf dieser Welt bereits defloriert!

"Wo sind Nymphen?", fragte Kyo verschlafen, nachdem er schlagartig aus seinem Halbschlaf erwacht war. "Gar keine Nymphen da. Nur ihr Trottel."

Ein kleines, fieses Grinsen bildete sich auf den Lippen des Sängers, als er sich vom Stuhl in eine aufrechte Position bugsierte und die anderen zurückließ.

"Wen nennst du hier Trottel?" Die Hände in die Hüften stemmend, rief Toshiya dem anderen nach. Doch als der keine Regung zeigte, lief ihm der Bassist empört nach, nachdem er einmal obligatorisch mit dem Fuß aufgestampft hatte.

Unschuldig aß Die weiter sein süßes Frühstück, während Kaoru nur mühsam seine herzhafte Morgenmahlzeit herunterschlang. Er machte sich zu viele Gedanken und zog sogar in Erwägung, sich langsam in eine Frau zu verwandeln. Unwillkürlich natürlich, aber möglicherweise aufgrund seines mangelnden Sexlebens.

Die hingegen spürte, wie sein Kumpel langsam in ernsthafte Depressionen zu verfallen schien. Dabei hatte er doch nur Spaß gemacht. "Hey Kao, das war nur'n Scherz, okay?"

"Was? Ja," lächelte der andere nervös, oder vielmehr ertappt. "Ja klar. Kein Thema."

Kein Wort glaubte ihm Die, aber er würde es mal so hinnehmen. "Hast du Lust heute Abend mitzukommen? Wir fahren doch heute nach Tokio und ich kenne richtig gute Locations in Shibuya."

Das war Die, wie man ihn kannte. Er kannte sie alle, Clubs und Stammgäste. Nur Kaoru kannte er wohl eher nicht, denn wenn, so würde er nicht fragen, ob er Lust hätte mitzukommen. Nur für das Protokoll: Kaoru Niikura war sicher kein partyverächtender Mensch, aber nicht geboren um in Nachtclubs Weibern seine Zunge in den Hals zu rammen. Er mochte die biederen, netten Mädchen. Eine von der Küste wäre gut. Die hatten so etwas Naives. Außerdem bestaunten sie einen erfolgreichen Mann vielmehr. Die Stadtgören wollten doch nur an seine Brieftasche. Außerdem konnte man sich bei denen sonst was einfangen.

Doch Kaoru kam vom Thema ab. Was war gleich die Frage? Ach ja, richtig, ob er mit Die ausgehen wollte. Klar doch. Gab ja auch so gar keine Arbeit zu erledigen!

"Ich denke nicht, Die. Nach der Show muss ich noch die Fotos für die nächste Ausgabe unseres Fanclubmagazins sichten," wehrte er entschuldigend ab und ließ Die aufseufzen.

"Man Alter, das kannst du doch auch später machen. Morgen früh im Bus ist doch auch Zeit für so Sachen," raunte der Jüngere verachtungsvoll und verbot sich insgeheim, die Augen zu verleiern.

So Sachen war das also für den! Das war ja mal wieder typisch! Nur irgendwie musste Kaoru auch eingestehen, dass Die Recht hatte. Er könnte ja auch einmal etwas liegen lassen und erst später machen, auch wenn das gar nicht seine Art war. Nur, die blöden Sprüche und all das hatten ihm so zugesetzt, dass selbst seine arbeitswütige Hirnhälfte auch mal der eigentlich wesentlicheren Hirnhälfte des Mannes, nämlich der mit dem sexuellen Drang, nachgeben musste. Verdammt, er brauchte schließlich auch mal was Nettes, Zierliches, vielleicht etwas Schüchternes in seinem Bett. Gut, vielleicht war das zuviel verlangt.

"Ich brauch 'ne Frau." Das war es! Ganz genau. Hatte er das laut gesagt? Er war sich nicht sicher, doch Dies fettes Grinsen schien darauf hin zu deuten.

"Sag ich doch, Kumpel!" Das atomare Strahlen seiner gebleckten Zähne machten Die in jenem Moment nicht unbedingt vertrauenserweckend gegenüber Kaoru. Dennoch zuckte der Kleinere mit den Schultern und gab nach.

"Also gut, wir gehen aus. Aber nur ein Club! Ich renne sicher nicht von einer Diskothek in die nächste Bar und von dort zum nächstbesten Schuppen." Das war die Bedingung.

"Kein Club-hopping, ich versprech's." Die war froh, dass sich sein Kumpel dazu ‚herabgelassen' hatte mitzukommen. Er war zwar bei gelegentlichen Sauftouren ein gerngesehener Gast, doch Clubs mit massig Frauen sahen Kaoru eher selten. Warum auch immer, denn verstehen konnte das Die nicht. Sie waren doch der Grund des männlichen Daseins, des lebenswerten Lebens.

Bevor sich sein Hirn noch mehr in seltsame Gedankengänge und Schlussfolgerungen verstrickte, schüttelte Die den Kopf und konzentrierte sich lieber auf das Schokoladencroissant in seiner Hand. Er war nicht geschaffen zum Denken, sondern musste Kraft tanken. Ein Tag war lang und die Nacht noch länger!

"Sag mal," begann Kaoru vorsichtig, denn er wusste selbst nicht genau, warum ihm das Thema so beschäftigte. "Warum hast du eigentlich nie eine feste Freundin? Jede Nacht eine andere muss doch stressig sein. Vergisst du nicht manchmal ihre Namen?"

Die musste lachen. "Nein, eigentlich nicht."

Wenigstens etwas, dachte Kaoru so bei sich selbst.

"Oftmals weiß ich deren Namen gar nicht," ergänzte Die und Kaoru nahm gedanklich zuvor Gemerktes zurück. "Aber ehrlich mal, was denkst du von mir? Das gehört zum Feingefühl eines Ladykillers, Kaoru. Zuhören, Nicken, Namen merken. Die drei wesentlichen Regeln."

"Du bist echt krank, Die." Kopfschüttelnd stand der Ältere auf und zündete sich eine Zigarette an. "Erzähl mir die anderen Regeln heute Abend."

Mit diesen Worten und einem Winken seiner Hand machte sich Kaoru auf zum Tourbus, während Die lediglich vor sich hin schmunzelte und die Einstellung des anderen mal wieder zum Schießen fand. Dabei konnte Kaoru doch echt so viele Mädels haben, stand sich nur selbst dabei im Weg.
 

Versucht hatte er es! Wirklich, er konnte es schwören! Kaoru hatte fest vorgehabt, den Tag ruhig anzugehen und keinen Stress zu verbreiten, obwohl er heute Abend ausgehen wollte. Doch mit genau diesem Gedanken im Hinterkopf hatte er gewissenhaft bereits heute Morgen die arme Crew verrückt gemacht, so dass ihm vorzeitig die neuen Fanclubmagazine vorgelegt werden konnten. Er hatte sogar seine Koffer selbst getragen, als er ins Hotel marschierte! Den Soundcheck hatte er in Absprache mit der Crew und den Veranstaltern auf heute vorverlegt und konnte so am Ende des Tages reinen Gewissens auch mal etwas Spaß haben. Dank eines netten Hinweises von Kyo, dessen Magen lauter knurrte, als das Waru schreien konnte, bestellte Kaoru auch etwas zu futtern. Sushi auf Rädern sozusagen.

Danach begann er, sich schick zu machen. Dabei fehlte es ihm an nichts, das musste man schon zugeben. Er zog sich eine seiner teuren Markenjeans an, ein schwarzes Hemd darüber und stutzte sogar mal den Bart. Perfekt, dachte er, als er sich noch einmal mit dem Knöchel der rechten Hand darüber strich und einseitig grinste.

Konnte die Post ja abgehen!

In gewisser Hinsicht würde er Die schon gerne mal zeigen, wer denn hier wirklich gefragt war, doch eigentlich hatte Kaoru viel zu viel Schiss davor, dass der Schuss nach hinten losgehen würde. Immer schön locker und cool, aber das war nun mal nur die äußere Fassade. So war das eben und daran konnte man nichts rütteln.

Als Kaoru den betreffenden Zweitgitarristen traf, stand dieser gerade an der Theke der Rezeption gelehnt und tauschte sich mit der nachtdiensthabenden Hotelangestellten aus. War ja auch nicht anders zu erwarten. Er nickte Die kurz zu und dieser wand sich auch gleich mit entschuldigendem Blick von der Frau ab und starrte den Bandleader an.

"Geh schon mal raus, Kao. Taxi wartet. Ich gebe der jungen Frau nur noch kurz meine Email," erklärte Die, denn seine Telefonnummer rückte er niemals raus. Das war auch schon allgemein bekannt.

Kaoru nickte lediglich und watschelte nach draußen, wo er sogleich ins Taxi stieg. "Moment noch. Es kommt noch jemand."

Der Fahrer nickte und schnaubte kurz. "Uhr zählt schon."
 

Nach etwa zehn Minuten kam auch endlich Die, freudestrahlend als hätte er Geburtstag, und pflanzte seinen nichtvorhandenen Hintern neben Kaoru. Er gab dem Fahrer an, wohin er sie bringen sollte und drehte sich um zum Bandleader, der mit verschränkten Armen dasaß und fast wegdöste. "Die Kleine hat den Schlüssel zum Pool."

"Hm? Was?" Viel zu oft kam sich Kaoru vor, als würde er einfach nur auf der Leitung stehen.

"Zum Pool. Schwimmen und so," erklärte Die und winkte mit der Hand, als wäre es sowieso nicht verständlich für Kaoru. "Oder vielmehr nackt baden mit der Süßen. Aber da musst du ja eh passen, was?"

"Hm." Der Leadgitarrist drehte sich weg und starrte zum Fenster hinaus. Wer sagte eigentlich, dass Nichtschwimmer nicht baden konnten? Wobei Die ja recht hatte ganz dummerweise, denn Kaoru machte sich bestimmt nicht zum Kasper und ließ sich vielleicht noch von einer Frau vorm Ertrinken retten. Ging ja gar nicht so was.
 

Als beide endlich angekommen waren und den Club betraten, hatte sich Kaorus gleichgültige Laune etwas gelegt und er nahm sich fest vor, dass er heute Nacht mal so richtig einen drauf machte. Natürlich nicht nur saufen, sondern vielmehr wollte er eine der schicken Ladys auch mal für sich abstauben. Unzählige Frauen soweit das Auge reichte und wenn da nicht auch mal eine für den kleinen Kao drin war, dann würde er sich aber ernsthaft Gedanken machen.

Die bestellte schon mal zwei Bier für die beiden Saufkumpanen und suchte auch sogleich ein nettes Plätzchen am Tresen raus, von dem aus man Sicht auf die Tanzfläche hatte und ebenso gut die vorbeilaufenden Schnecken abchecken konnte, wenn nötig auch gleich mit einem Drink protzen. So lief es nun mal und es schienen auch nicht Wenige abgeneigt zu sein. Bald schon stolzierte die erste Gutaussehende arschwackelnd an dem Rotblonden vorbei und als sie aufsah, schenkte er ihr lediglich ein beeindrucktes Lächeln mit atomarer Strahlkraft.

So schwierig schien die Sache jedenfalls nicht zu sein, dachte sich auch Kaoru und beobachtete das Ganze eine Weile lang, bis Die sogar mit einer von ihnen Emailadressen ausgetauscht hatte. Danach stupste er den Dunkelhaarigen an.

"Los, du bist dran." Mit einem Grinsen setzte Die sein Bier an und kippte es weg.

"Womit bin ich dran?" Falls sie beide hier ein Spiel spielten, von dem man vergessen hatte es bei Kaoru zu erwähnen, dann sollte man ihn jetzt bitte aufklären.

"Eine aufzureißen," lachte Die und stellte das leere Bierglas neben sich auf dem Tresen ab. "Du hast selbst gesagt, dass du eine Frau brauchst. Also los, zeig mal, was in dir steckt."

"Muss das sein? Das ist doch albern," verkündete der etwas eingeschüchterte Bandleader und gab sich nicht die Blöße zu zeigen, dass er eigentlich nur feige war.

"Nein, das ist nicht albern. Das ist zweckmäßig. Seit wann ist Weiberaufreißen albern? Nun mach schon," drängelte der Größere von beiden unbeirrt und bestellte mehr Bier.

Einen Moment lang zögerte Kaoru, während ihm ein genervtes Seufzen entkam. Was hatte er eigentlich zu verlieren? Er war ein Rockstar zum Himmel noch mal! Wer würde den von der Bettkante schubsen? Zumal es hierbei nicht darum ging, eine Frau fürs Leben zu finden, sondern eine, die ihn einfach daran erinnerte, dass er ein Mann war. Und das war Kaoru verdammt noch mal! Er visierte eine dunkelhaarige, großgewachsene Schönheit mit hochgestecktem Haar an, deren gazellenartiger Körper von einem Hauch von rotem Stoff bekleidet war. Ihre Beine waren fast länger als Dies und das sollte schon was heißen! Himmel, die Beine waren aber auch gut. Dann mal los.

Der Mann von Welt zeigte einfach ein selbstsicheres, doch nicht zu auffälliges Lächeln, hob sein Glas zum Zeichen des Wohlseins und zwinkerte der Schönheit ein paar Meter von ihm entfernt zu. Diese hob eine ihre perfekten, dünnen Augenbrauen, lächelte provokant zurück und nippte von ihrem Sektglas. Ging doch. Kaorus Lächeln wurde etwas breiter, lausbübisch verschmitzt, dennoch liebenswert. Oh, er hatte es schon drauf, wenn er wollte. Nicht? Also momentan fand er sich richtig gut, wenn auch etwas dumm. Doch es schlug an und die junge Dame kam näher, wodurch sie irgendwie etwas wuchtig wirkte. Waren es aber nur ihre langen Beine oder dass sie sogar breitere Schultern als er besaß, das wusste Kaoru nicht genau.

"Hey Süßer, wollen wir nicht irgendwo hingehen, wo es lauschiger ist als hier?" Die dunkle Männerstimme brachte Die dazu, dass er sein Bier fast ausspuckte, als er sich beim Lachen überschlug. Und was machte Kaoru? Er stand da und glotzte mit riesigen Augen auf den zum Kerl mutierten Traum seiner feuchten Nächte. Oder so ähnlich. Wieso hatte er das nicht gemerkt?

"Aah," stotterte er mit einem an den Zahnarzt erinnernden Laut. "Ich... bin hier mit einem Freund."

Das Ungetüm hob die Augenbrauen fragend an. "Ja, und?"

"Die," presste Kaoru durch seine Lippen und stieß dem jüngeren Gitarristen den Ellbogen in die Rippen, so dass noch mehr Bier durch seine Mundwinkel zu entkommen versuchte. "Also er ist... Ich kann nicht weg."

Was sollte denn das jetzt, fragte sich Die und stoppte einen Moment lang sein Gelächter. Existierte er etwa nur um Kaoru vor einer Transe zu retten? Schien ihm fast so. Aber Die war ja auch kein Unmensch und der kleine Bandleader konnte einem ja auch echt leid tun. Da grub er schon mal eine Tussi an, dann war sie nicht nur eine Tucke, sondern auch noch Drag-Queen. Und morgen würde sich Kao wundern, dass er Schmerzen im Arsch hatte und ihn Bartstoppeln beim Küssen kratzten - und zwar nicht seine eigenen! Das konnte man nicht zulassen.

"Na, na, Kao-Baby. Appetit holen kannste dir ja, aber gegessen wird Zuhause," raunte Die ihm entgegen als Hilfestellung und warf eine Arm um den etwas zierlicheren Mann, bevor er die Transe anstarrte. "Sorry, der ist nicht mehr zu haben."

Mürrisch verleierte das Transending seine/ihre Augen und warf sich das Haar nach hinten. "Ihr Kerle seid doch echt beschissen."

Und damit walzte das kleidtragende Etwas davor. Aber Moment mal... ihr Kerle?! Was war sie, nein, er denn bitte? Oh Mann, das Leben konnte schon hart sein. Im liebsten würde sich Kaoru gerade ein Loch schaufeln und sich darin für des Rest seines Rockstarlebens dort verstecken. Er ließ den Kopf hängen und hoffte darauf, dass es einen Gott gab, der ihn jetzt aufwachen ließ.

"Boah Kaoru!" Oh richtig, es gab vielleicht keinen Gott, aber dafür den Teufel in Gestalt eines menschgroßen Gitarristen mit Gesichtsentgleisung. Schenkelklopfend lachte sich Die einen Ast und zog den Arm wieder von Kaorus Schultern. "Das war ja so eine peinliche Nummer! Wie biste denn auf DAS DA gekommen? Du musst ja wirklich lange schon keine Frau mehr gehabt haben, wenn du schon nicht mehr weißt, welche Gattung einen Schwanz hat."

"Ja, ja, sehr witzig," murrt der andere ihm entgegen und drehte sich weg. Das hatte er doch nicht wissen können, oder? Es war doch eigentlich mal wieder typisch, dass gerade Kaoru in das erstbeste Fettnäpfchen trat. Was war aus dem einst so erfolgreichen Leader geworden? Ein bemitleidenswertes Würstchen! Genau. Zumindest so kam er sich nun vor und Die machte die Sache durch seine Witze nicht unbedingt leichter.

Kaoru drehte sich weg und bestellte ein neues Bier. Ob man sich in einem Literglas ertränken könnte? Chancen waren groß, denn er konnte ja nicht schwimmen. Nur so klein war Kaoru auch wieder nicht. Verdammt.

Während der Dunkelhaarige also vor sich hin trauerte, zog Die nur kopfschüttelnd die Augenbrauen hoch und seufzte lautlos. Auch er fragte sich, was eigentlich aus dem alten Kaoru geworden war, vom dem gerade nicht mehr als eine Emobeule übrig geblieben war. Vielleicht sollte Die ihn einfach mal ein bisschen in Ruhe lassen?

"Ich check mal kurz drüben die andere Bar ab," ließ er verlauten und machte sich samt seinem Bier auf den Weg. Freunde hin oder her, aber für Die war der Abend sicherlich noch NICHT gelaufen!
 

Kaoru konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, vielleicht eine Stunde, möglicherweise auch drei oder nur eine halbe, aber er hatte keinen Bock mehr rumzustehen und das für Nichts. Man hatte ja doch kein Interesse an ihm. Was natürlich an seiner allgemeinen Abwehrhaltung liegen könnte, aber das war mal so dahingestellt.

Sein Blick wanderte hin und wieder zu Die, der sich ständig angeregt zu unterhalten schien, mal mit einer Blonden, mal mit einer Brünetten. Und das kotzte Kaoru noch viel mehr an! Was hatte denn Die so Besonderes? Ein breites Grinsen und eine Kartoffelnase. War doch so! Und was hatte Kaoru? Schmale Schultern und einen Ziegenbart. Vielleicht war das ja auch nicht das Idealste auf der Welt, aber er konnte doch locker mit Die mithalten. Oder?

Kaorus Gedankenwelt ging mit ihm durch und versickerte im Nirwana. Sein letztes Bier bezahlte er mit viel zu viel Trinkgeld, bevor er auf seinen Freund zu wackelte, die Hand hob und ihn anschnaubte: "Ich geh jetzt."

Er hatte sich bereits dem Ausgang zugewandt, als ihm Die nachrief: "Warte doch mal."

Kaoru bliebt stehen und rollte mit den Augen.

"Warum willst du schon gehen?", fragte Die, der ihn eingeholt hatte und den Kopf schief legte, als wäre sein Kumpel eines dieser dummen Gören, die er ständig anbaggerte.

"Kein Bock mehr. Kannst doch allein hier bleiben. Kein Thema." So ganz egal war es Kaoru nicht, aber das lag vielmehr daran, dass er Dies Anblick und dessen Erfolge nicht länger miterleben wollte, es ihm nicht mehr gönnte. Darum ging er weg. Was er nicht sah, konnte ihn nicht anpissen.

"Schade. Ich hab grad ne Engländerin aufgegabelt. Ziemlich süß, aber da ist noch ne Thailänderin, die ich noch geiler find eigentlich. Ich dacht mir, du könntest doch die Engländerin-" Weiter kam Die nicht, als ihm der Kleinere ins Wort fiel.

"Was sollen ich mit ner Engländerin? Ich kann nicht mal Englisch!" Leicht entzürnt brüstete sich Kaoru auf und gaffte seinen Freund an, als hätte er nicht mehr alle Kugeln am Christbaum.

"Body language, Kao..." Dabei stieß Die dem anderen spielerisch den Ellbogen in die Rippen.

"Was?" Hohe Stirn in Falten gelegt, starrte Kaoru zurück, während seine linke Augenbraue zuckte.

"Körpersprache." Ein Seufzen entkam Die. Der Mann vor ihm stand aber auch auf dem Schlauch.

"Du hast sie nicht mehr alle," konterte der Bandleader und zeigte Die einen Vogel. "Ist doch ein Witz, oder?"

Mit einem leichten Zucken von Dies Schultern antwortete dieser: "Sex ist in jeder Sprache gleich."

"Maaaaan, ich such ne Frau, die nicht nur die Beine breit macht."

"Versteh ich nicht."

"Wie auch?!"

"Keine Ahnung, was du meinst."

"Arrgh." Nahe dran sich die Haare zu raufen, grollte Kaoru vor sich hin und zählte bis zehn, um sein Aggressionspotential wieder runterzufahren. "Ich fahr zurück ins Hotel. Mach doch mit beiden rum, wenn du willst."

"Hm... okay." Abermals mit den Schultern zuckend lächelte Die. An sich gefiel ihm die Idee und wenn Kaoru wirklich nichts dagegen hatte und lieber uns Hotel wollte, wer war Die, dass er ihm das verwehren würde? "Tja dann."

Uff. Irgendwie hatte Kaoru nicht damit gerechnet, obwohl es doch eindeutig ins Dies Verhaltensmuster passte. Die Hoffnung hatte Kaoru einmal mehr zur Verzweiflung getrieben. Klar würde der Rotblonde nicht Nein sagen zu solch einem Gedanken. Kein Zweifel. Doch irgendwie... niederschmetternd.

"Mach's gut." Damit kehrte Kaoru dem anderen den Rücken zu und marschierte geradewegs aus der Kneipe oder dem Club, was auch immer es sein mochte.

Noch eine Weile starrte Die seinem Freund verdutzt nach. Er kam noch immer nicht dahinter, was Kaoru wohl gemeint hatte. Frauen waren doch aber dazu da, dass sie sich mit Männern fortpflanzten. Nur dass man heutzutage dabei keine Kinder mehr machte. Warum auch? Störten ja nur.

Mit einem Seufzen drehte sich Die wieder um und lächelte, suchte dabei mit gestochen scharfem Blick seine zwei süßen Schneckchen. Dann erschrak Die. Die Thailänderin hatte ihre Zunge gerade im Mund eines kleinen Japaners mit blonden Haaren und die Engländerin war gänzlich verschwunden. Danke an Kaoru! Wenn der nicht gewesen wäre...

Mit neuem Bier in der Hand, welches sich Die schnell an der Bar geholt hatte, machte er sich also auf zur Mission Engländerin. Irgendwo musste die ja sein. Konnte sich doch nicht einfach in Luft auflösen...
 

Im Hotel angekommen ließ sich Kaoru aufs Bett sinken und zog sich langsam die Schuhe aus, einen nach dem anderen, bevor er sich die Jacke abstreifte und das Hemd über den Kopf zog. Es musste doch irgendeinen verdammten Grund haben, dass er sich so beschissen fühlte. Nur welchen? Es konnte ihm doch eigentlich egal sein, ob er nun Erfolg bei der Frauenjagd gehabt hatte oder nicht. Früher war das nie ein Problem gewesen.

Früher...

Früher war ja auch alles besser.

Früher ging Kaoru mit Die aus und sie hatten Spaß. Nur er und Die und vielleicht der Rest der Bande. Es spielte gar keine Rolle, ob man Frauen anbekam oder nicht, solange sie untereinander ihre Witze reißen konnten. Und jetzt? Sein erblondeter Mitgitarrist war nur noch aufs Vögeln aus. Wer weiß, ob ihm nicht schon egal war, was er eigentlich ins Bett schleppte, ob Mann oder Frau, Hund oder Katze, Mutter oder Tochter...?

Seine Gedanken gingen zu weit, ganz klar, doch Kaoru vermisste das einfach. Das Unbeschwerte. Heute, wo er nun 34 war und ein sogenannter ‚Übriggebliebener' ging es nur noch darum, ob man wen zum Ficken hatte oder nicht. Dabei wollte er doch nur wieder ein bisschen ausgeglichener sein und... glücklich. War denn das echt zuviel verlangt? Die Ausgeglichenheit, die Die hatte, wünschte er sich so manchmal. Einfach losziehen, was Nettes abschleppen und dadurch ausgeglichen werden. Nur konnte das Kaoru nicht! Er setzte sich selbst viel zu sehr unter Druck Tag ein Tag aus, so dass er am Ende des Tages keinen Charme mehr abzwacken konnte, um noch irgendwie oberflächlich zu flirten. Er wollte er selbst sein und trotzdem geliebt werden. Nur anscheinend hatte darauf außer ihm sonst keiner Bock.

Oh Mann, er sollte seine Gedanken echt abstellen. Es brachte ja nichts zu grübeln. Davon bekam man sicher Falten oder Krankheiten.

Ob Die wohl schon Geschlechtskrankheiten hatte?

"Bäh." Kaoru schüttelte den Kopf und zog die Hose aus, bevor er sich unter die Decke kuschelte. Geschissen aufs Zähneputzen. Das konnte er doch noch morgen machen. Lieber ein paar Bakterien mehr im Mund, als die Pest am Hals. Genau. So oder so ähnlich war es doch.

Zumindest aus seiner Sicht.
 

Vergebens hatte Die die schnuckelige Engländerin gesucht und nach ein paar Minuten gab er auf. Es waren schließlich noch andere Frauen da. Doch irgendwie schien keine mehr Interesse an ihm zu haben. Was verwunderlich war, denn so etwas war Die auch noch nie passiert. Es war wirklich merkwürdig, als wären plötzlich sämtliche Weiber bekehrt und hatten keine Augen mehr für ihn. Dass er dennoch nicht aufgab, ließ ihn nur noch mehr in sich einknicken.

Nicht eine hatte auf seine Anmachen überhaupt reagiert, seine Lächeln blieben unerwidert und sein Charme fand keine Resonanz. Das war doch... Irrwitz!

Kopfschüttelt fragte sich Die, ob vielleicht Kaorus Abwehrverhalten auf ihn abgefärbt hatte. Vielleicht hatte er sich zu lange bei ihm aufgehalten. Was Schwachsinn war. Aber woran sollte es denn liegen? Hatte er etwas im Gesicht? Nein, denn da hatte er bereits nachgesehen, als er auf Toilette war. Roch er unangenehm? Auch nicht möglich, denn er hatte ja sein neuestes extrateures Eau de Toilette dran. Hatte man ihm was an den Rücken gepinselt, wo drauf stand ‚ignorier mich'? Pah. Er wurde wohl eher langsam verrückt.

Die fand keine Lösung. Und wenn er zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, dass das nur die Spitze des Eisbergs war, so wäre er wohl noch länger geblieben und hätte sich ins Koma gesoffen aus lauter Frust. Doch stattdessen verließ er schulterzuckend den Club und nahm sich ein Taxi zurück zum Hotel. Vielleicht lagen ja die Sterne irgendwie nicht richtig. Zwar glaubte Die nicht an Horoskope, aber Frauen ja bekanntlich, und vielleicht stand was in der Zeitung von wegen, lassen sie die Finger von verboten gutaussehenden rotblonden Jünglingen.

Wie auch immer. Die schlappte in einer Seelenruhe auf sein Zimmer und streckte sich, bevor er alle Klamotten von sich warf und splitterfasernackt unter die Dusche kroch. Hygiene musste sein, denn ohne seine zarte Babyhaut zu schrubben, würde Die niemals ins Bett gehen. Es sei denn, er war nicht allein.

Kaoru hatte ihn sicher verhext. Der mit seinem Gebrabbel von Dingen, die Die sowieso nicht verstand, hatte ihn vielleicht irgendwie mit einem Fluch belegt. Musste ja so sein.

Obwohl es sicherlich Quatsch war. Wenn Kaoru zaubern könnte, würde er ganz andere Dinge tun, als Die zu verhexen. Wobei manchmal... Kam es Die nur so vor oder kamen sie wirklich nicht mehr ganz so prima zurecht miteinander?

Früher...

Früher konnte Kaoru noch über jeden von Dies dreckigen Witzen lachen und nicht nur das, sondern war es Kaoru, der meistens Die mit dreckigen Witzen die Schamesröte in die Wangen trieb, während sie sich beide halb tot lachten. Und jetzt erschien der kleine Dunkelhaarige, als würde er nicht mal mehr den Antrieb haben, sich überhaupt noch mit Die abzugeben, als wäre er irgendwie dumm und unnormal.

Natürlich! Kaoru fehlte eine Partnerin. Das konnte schon sein. Und es musste ja auch keine andere sein jede neue Nacht. Das konnte Die schon verstehen. Aber er konnte dem anderen auch keine herzaubern, wenn sich der feine Herr Leader nicht mal selbst anstrengen wollte. Was wenn die Engländerin sich als Kaorus große Liebe entpuppt hätte? Wie in einem billigen Kitschfilm hätten sie sicher beide einander Sprachen erlernt.

Für Die war das nichts. Aber jedem das seine. Also warum nicht auch Die seins gönnen? Er hatte eben nie das Gefühl, immer mit der gleichen Frau was haben zu wollen. Vielleicht waren es ja Bindungsängste, was wusste er schon? Solange er genoss, dass er ausgehen konnte, war es doch okay, oder? Und er hatte Sex. Männer brauchen das.

Gedanklich hatte Die das für sich geklärt und schlüpfte auch wieder aus der Dusche. Danach machte er sich einfach nur noch fertig fürs Bett, in das er ebenso nackt hüpfte und die Augen zu knipste. Heute war ein merkwürdiger Tag gewesen und umso komischer die Nacht. Er wollte nur noch schlafen. Grunzen bis zum Mittag... oder wenigstens zum Frühstück.
 

Leider graute der Morgen viel zu früh und während sich Dies Handy einen abrackerte um ihn wach zu bekommen, steckte er seine Nase nur noch tiefer ins Kissen und zog die Decke über den Kopf. Erst als er das laute Grölen der Musik nicht mehr ertragen konnte, ließ er ein Knurren verlauten und schaltete das dumme Ding ab. Seine Stimme klang noch etwas merkwürdig, viel rauer noch als sonst, als würde er versuchen auf einem Reibeisen eine Arie zu singen.

Er schob die Füße aus dem Bett und stieg langsam auf, streckte sich gähnend und warf sich das Haar hinter die Schultern. Zum Frisör müsste er auch mal wieder. Seine Haare schienen schneller zu wachsen als seine Bartstoppeln, denn als er sich das Kinn träge kratzte, spürte er nicht mal den Ansatz einer Gesichtsbehaarung. Doch darum konnte er sich später Gedanken machen, denn seine Blase drückte. Zuviel Bier am Vorabend machte sich eben schlecht am Morgen. Und so watschelte Die geschmeidig lahmarschig ins Badezimmer und hob den Klodeckel an, um sich gähnend zu erleichtern. Doch während er nach seinem besten Stück suchte, fiel ihm etwas auf:

Er konnte es nicht finden.

Nun gut, so dämlich konnte man schon mal sein, wenn man Die war. Doch als er an sich herab schaute, wuchsen seine Augen auf Tellergröße an und er stolperte etwa zwei Meter nach hinten gegen die kalten Fliesenwand. Fataler Schritt, denn so hatte er besten Ausblick auf den riesigen Badezimmerspiegel über dem Waschbecken. Die schnappte nach Luft.

Sein Körper... der war irgendwie... nicht seiner. Sondern der einer Frau.

Ein lauter Schrei dröhnte durch das Hotelzimmer.
 

Kaoru war bereits seit gut zwei Stunden wach, hatte sich seiner Morgenroutine unterzogen und war gerade im Begriff seine Zahnbürste zurück in den Kulturbeutel zu stecken, als der komaerweckende Schrei einer Frau seine empfindlichen Gehörgänge erreichte. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er gedacht, es kam aus Dies Zimmer. Nur normalerweise schrieen Dies Weiber irgendwie anders. Vielleicht hatte diese eine ja endlich mal erkannt, wie er wirklich war. Trotzdem war es doch ein sehr ehrfürchtiger Schrei.

"Hm." Schulterzuckend verschloss Kaoru seine Tasche und suchte nach seinen Zigaretten. Es ging ihn doch nichts an. Egal woher der Schrei nun drang. Obwohl es dennoch einen kleinen Film in seinem Hirn auslöste. Denn wenn die Frauenstimme nicht aus Dies Zimmer kam, sondern vielleicht aus einem der anderen, in dem sich rein zufällig gerade eine einsame, dennoch nette aber gutaussehende Frau befand, die gerade Hilfe brauchte, so könnte Kaoru doch der Retter in der Not sein. Das wäre doch mal wirklich romantisch. Und filmreif. Aber mehr romantisch. Wenn auch kitschig.

Seine Gedanken verliefen sich jedoch im Sumpf seiner Hirnzellen und er checkte noch einmal die Uhrzeit auf seiner Armbanduhr. Noch immer reichlich früh setzte sich Kaoru wieder aufs Bett und starrte aus dem Fenster. Er hatte ja nichts Besseres zu tun gerade.
 

Mit schreckenerfüllten Augen starrte Die noch immer gen Spiegel. Das war doch nicht er! Das musste doch ein Trick sein. Er hatte keine rückenlangen Haare, wenn sie auch noch so sehr in seiner höchstpersönlichen Farbe schimmerten. Und er hatte mit Sicherheit auch keine Brüste, selbst wenn diese Ausführung hier noch relativ gering ausfiel. Und er hatte - das wusste er mit höchster Sicherheit - keine weiblichen Geschlechtsteile. Wenn man das so nennen konnte. Denn da war ja nicht mehr viel Teil, sondern vielmehr ein Hauch von Nichts in einem kleinen Dickicht. Na herrlich! Und wo war sein bestes Stück geblieben? Das war doch im wahrsten Sinne des Ausdrucks SEIN Heiligtum! Das konnte doch nicht weg sein!

Einfach so...

Nur langsam nahm Die die Atmung wieder auf und begann stattdessen zu hyperventilieren. Man verarschte ihn gerade! Das musste es sein. Oder er träumte? Nicht gerade liebevoll zwickte er sich in die Seite, die sich irgendwie weicher anfühlte als sonst, doch außer Schmerz und einer hässlich roten Stelle hinterließ er nichts.

Dann überkam Die die Angst. Wenn das kein Traum war...

Es musste einer sein!

"Los, aufhören mit dem Mist!", brüllte er plötzlich seinem Spiegelbild entgegen und wurde wütend. Aus lauter Zorn stieß er sogar seine Faust gegen den Spiegel, so dass er entzwei sprang. Doch an dem Bild darin änderte es nichts.

Dies Unterlippe begann zu zittern. Nicht möglich. DAS war nicht möglich. Er und eine Frau?! Nie im Leben!

Was sollte er denn jetzt machen?

Zitternd schleifte er seinen neuen Körper zurück ins Zimmer und schaute sich um. Er musste doch bald zu den anderen. Das ging doch aber nicht so, wie er nun aussah. Und überhaupt...

Jemand musste doch etwas tun können. In Dies Kopf schrie alles nach HILFE. Doch wer sollte ihm schon helfen können?

Versunken in seinen panikartigen Gedanken zog sich Die eines seiner T-Shirts über und versuchte sich auch notdürftig eine Hose anzuziehen, auch wenn er den Gürtel um drei Löcher enger machen musste, so schmal wie seine Taille nun war. Er kam sich in seinen eigenen Sachen verloren vor. Doch das war nicht mal das Schlimmste, nahm er ja nicht mal richtig wahr, als er sich noch einmal im Spiegel über der Kommode betrachtete und langsam die Finger hob, um sein Gesicht zu betasten.

Alles fühlte sich echt an.

Genau das trieb ihm nicht nur das Wasser in die Augen, sondern auch pure, nackte Angst in sein ganzen Bewusstsein.

Hilfe.

Jemand.

Irgendwer.

"Kaoru." Der Name kam wie automatisch über Dies Lippen, bevor er sich wie in Trance gelenkt umdrehte und zur Tür ging.

Kaoru war seine letzte Hoffnung.
 


 

Mehr? Bitte sagt mir, ob ich mehr davon schreiben soll oder lieber nicht. Gerne auch Kritik oder anderes. Ich möchte zwar nicht viel verraten, aber es wird definitiv ne Yaoi fic werden. Leider hab ich nicht viel Zeit, aber ich würd bei entprechender Nachfrage ranklotzen.

Die Wege des Herrn...

Vielen Dank an alle, die kommentiert haben, besonders hier auf Mexx: Agokare, myamemo, Kao_Niikura, Kanoe, Zoisaito, _Domestic_Fucker_, in_monochrome, Matsu-_-Miss-Jely-_-, KatzeMorle, -Katsu, rollingthunder, DaidaisErdbeerchen, kyo_roshi, ninja-haku-niikura, DUnG_BeeTiE, Chokolade-Kat, Pi-Li, mog_fuyu, totchio_o, Jolli, Sakura_16, Sandalphon und Marraskuu.
 

Null Plan, ob das hier auch nur ansatzweise gut oder wenigstens interessant ist. Schreibt mal was auf der Achterbahn sitzend. Wie auch immer, es ist jetzt fertig - denk ich. Und wenn ich wieder so lang brauche, dann bitte verzeiht. Ist keine Absicht! Und ich hoffe, es gefällt trotzdem jemanden.
 


 

Kapitel 2
 

Das laute Klopfen gegen die Hotelzimmertür ließ Kaoru aufschrecken, als er gerade dabei war, seine Zigarette im Aschenbecher auszudrücken, so dass er sich beinahe die Fingerkuppe verbrannt hätte. Leise fluchend marschierte er zur Tür und verdammte wen auch immer, der sich dahinter zu verbergen traute. Er war doch nicht Kyo oder Die, die man aus ihrem komatösen Schlaf wecken musste, sondern der Leader höchstpersönlich, dessen zartes Gehör bereits seit Stunden auf Alarm war. Demzufolge betrachtete er das energische Klopfen simpel als Empörtheit!

Knurrend öffnete er die Tür und starrte verdutzt in zwei panisch erscheinende braune Augen, deren Besitzerin ihm völlig fremd war.

"Kaoru, hilf mir!" Die Frau sah ihn flehend an, als sie ganz aufgelöst versuchte, sich in sein Zimmer zu drängeln.

"Äh... kennen wir uns?" Dem Herren war Dank, dass Kaoru höflich war und nicht gleich davon ausging, dass es sich hierbei um eine verrückte Stalkerin handelte. Hatte er sie vielleicht schon mal getroffen? Ein bisschen bekannt erschien sie ihm ja, aber dennoch konnte er sich an keinen Augenblick entsinnen, in dem er mit ihr vielleicht schon einmal gesprochen hatte.

"Klar kennst du mich!", plärrte sie ihn harsch an und verzog die Brauen zu einem bösen Blick, der trotzdem schlichtweg nach Verzweiflung schrie. "Ich bin's. Lass mich rein!"

"Ich? Wer ist ich?" Verdattert versperrte Kaoru ihr den Weg und legte den Kopf schief. Vertrauen war hier nicht angebracht. Schlimm genug, dass sie es über die Schwelle geschafft hatte und die Tür hinter sich zudrückte, aber weiter durfte sie nicht kommen. "Ich kenn dich nicht."

"Oh Gott!", stieß sie lautstark hervor und presste ihren Rücken gegen die Tür. "Schau mich doch an! Ich bin's! Die! Kuck doch. Du musst mich doch erkennen. Sag, dass du mich erkennst, sonst dreh ich durch."

Einen Moment lang mustere Kaoru die Frau, die sich anscheinend genauso nannte wie sein zweiter Gitarrist. Sie trug Kleidung, die ihr eindeutig drei Nummern zu groß war und sah somit recht merkwürdig aus. Und wenn sie ihn nicht irgendwie an jemanden erinnern würde, an den sich Kaoru erinnern sollte, dann würde er sicher jetzt schon nach einem Menschen von der Security rufen.

"Tut mir leid. Ich wüsste nicht, dass ich dich kenne." Dies entsprach nun mal der Wahrheit, wenngleich die Frau nicht übel aussah, so dass Kaoru nur zu gerne behaupten würde, er kannte sie.

"Geh von der Leitung runter, Kaoru! Ich bin Die, der andere Gitarrist in unserer Band, verdammt! Schau mich doch mal an. Siehst du nicht die Ähnlichkeit?" Es war ein kläglicher Versuch und das wusste Die auch, denn er selbst hatte sich ja im Spiegel gesehen. Aber man konnte doch nicht abstreiten, dass er noch immer nicht ganz ein anderen Mensch war, obgleich er nun ein anderes Geschlecht hatte.

Zuerst musste Kaoru lachen, war das doch ein echt guter, wenn auch kranker Scherz. Es war auf jeden Fall mal was Neues, wenn ein Fangirl behauptete, sie wäre einer seiner Bandmitglieder. Trotzdem war der Scherz zu krank, um ihn wirklich amüsant zu finden. Und niemand gab Kaoru Befehle! "Ich ruf den Sicherheitsdienst."

"Bitte Kao..." Mit zwei schnellen Schritten packte die junge Frau den anderen am Hemd, krallte ihre Finger in den Stoff und sah mit Bettelblick in seine Augen. "Lass den Scheiß mit dem Sicherheitsdienst und schau mich mal richtig an. Ich bin wirklich Die. Ich schwöre es dir."

Doch der Bandleader bliebe stumm, starrte lediglich ins Gesicht der Frau. Gut, sie hatte Dies merkwürdige Kartoffelnase und volle Lippen, hochstehende Wangenknochen und den selben treudoofen Blick, aber mehr war da wirklich nicht, was an Die erinnerte. Vor allem nicht ihr Geschlecht, denn als Kaoru den anderen das letzte Mal gesehen hatte, war der immerhin noch ein Kerl und sie war eindeutig eine Frau. Ging also nicht.

"Ich würde es begrüßen, wenn du mich nicht antatscht, Kleine," sagte Kaoru, so ruhig und cool er nur konnte. Auf keinen Fall wollte er solch eine Verrückte noch zu Dummheiten bewegen, aber er wollte ihr auch zeigen, wer hier das Sagen hatte. "Bleib ganz ruhig und mach keinen Stress, ja? Dein Späßchen war ja witzig, aber nun ist's auch wieder gut, okay?"

"Nichts ist okay! Sieh mich doch nur an," flehte sie stattdessen und schüttelte ihren Gegenüber leicht, denn auch Dies Kraft hatte nachgelassen. Wie er soeben bemerken musste, war er auch in Größe geschrumpft, überragte den Bandleader nicht mehr, sondern war fast auf Augenhöhe mit ihm. "Ich bin eine Frau."

"Das seh ich auch." Langsam versuchte Kaoru ihre kleinen, dürren Finger aus dem Stoff seines Hemdes zu lösen, doch sie war hartnäckig.

"Ja, aber ich bin Die! Gestern war ich noch ein Mann. Und jetzt bin ich 'ne Frau. Und ich drehe gleich durch, weil mir jemand helfen muss. Sowas ist doch nicht möglich. Und wenn nicht mal du mir jetzt glaubst, dann such doch Die. Der ist nicht da. Nur ich. Weil ich jetzt 'nen verfluchten Frauenkörper hab und hier raus will, kapierst du das?"

Langsam wurde die Gute etwas hysterisch und zugegeben, ihre Stimme klang fast genauso peinlich wie Dies, wenn der abdrehte, aber trotzdem konnte Kaoru Verrückte noch nie ab und diese Variante hier raubte ihm wirklich den letzten Nerv. Er bekam so langsam auch Angst. Die spinnte doch wohl!

"Hör mal, Schätzchen---"

"Nenn mich nicht Schätzchen!", fuhr Die ihn an mit einem Fauchen.

"Schon gut, schon gut. Bleib auf dem Boden, ja? Ich hab's ja kapiert. Du bist Die, alles klar." Wenn Kaoru mitspielte, dann würde der dumme Scherz sicher schneller ein Ende finden und Die würde lachend irgendwo hervor kriechen. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er sich nicht mehr über das Debakel von letzter Nacht lustig machen würde. Nur ganz blöde war Kaoru nun auch nicht. Er wusste Männlein und Weiblein zu unterscheiden. Darum war dieser doofe Ulk auch so gar nicht witzig.

"Du glaubst mir?" Zweifelnd, doch erleichtert, schaute Die zu Kaoru auf, auch wenn er das Gefühl hatte, dass die Sache zu einfach gewesen war.

"Klar. Du bist Die und ich hab keine Ahnung, was Männlein und Weiblein ist," brummte Kaoru, riss sich von der Frau los und grapschte knurrend nach seiner Tasche. "Wenn du mich jetzt entschuldigst. Sag Die 'nen schönen Gruß von mir und dass ich ihm in seinen nichtvorhandenen Arsch treten werde."

Frustriert stöhnte die Frau auf, fuhr sich durch die rötlich blonden Haare und schlug dann mit der Faust gegen die Wand, so dass der Bandleader von der Tasche abließ und lieber nach seinem Telefon suchte. Leider erspähten es seine Adleraugen nicht.

"Kaoru, das ist kein Scherz. Ich wünschte, es wäre einer. Und ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Ich kann doch so nicht zu den anderen runter. Kuck doch mal. Ich als Frau!? Scheiße Mann, so etwas geht doch gar nicht." Die begann plötzlich durch das Zimmer zu laufen, als hätte man ihn am Schnürchen am Rücken aufgezogen, wedelte ungewohnt oft mit den Händen durch die Luft und plapperte schneller als der Transrapid fahren konnte. "Das muss doch ein Traum sein. Na klar, ich träume. Und gleich wache ich auf. Los, schlag mich. Dann wache ich schneller auf."

Je näher sich der andere die Sache betrachtete, umso mehr erinnerte die Frau ihn tatsächlich an Die, wie sie aufgeregt mit den Händen durch die Luft fuchtelte, sich das Haar aus dem Gesicht strich und letztlich Richtung Tisch marschierte, um sich eine Kippe zu klauen. Sie nahm einen tiefen Zug und sah Kaoru erwartungsvoll an. Was sollte er denn machen? Er konnte doch wohl kaum eine Frau schlagen, egal ob sie es nun verdiente oder nicht. Das ging zu weit.

"Ich werd dich ganz sicher nicht schlagen," beteuerte er ruhig und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. "Ich meine, ich weiß nicht, was nicht ganz rund läuft bei dir, nur dass du entweder ein total abgedrehter Fan bist oder eine von Dies verrückten Freundinnen. Mir egal. Ich muss gleich runter und du verschwindest besser aus meinem Zimmer."

"ICH BIN DIE, verflucht noch mal!", schrie sie ihn plötzlich an und ihre Unterlippe begann zu zittern, als würde sie jeden Moment anfangen zu heulen. Dann jedoch knurrte sie lautstark und zog wieder an der Zigarette. "Was soll ich denn machen, damit du das in deinen dicken Schädel bekommst? Soll ich dir erzählen, was wir beide gestern gemacht haben? Du hast 'ne Transe angebaggert. Na, wüsste ich das, wenn ich nicht dabei gewesen wäre?"

Die starrte Kaoru mit großen Augen an, der mit ebenso großen Augen zurückschaute, bevor er lässig mit den Schultern zuckte.

"Kann dir Die genauso gut erzählt haben," nuschelte Kaoru seelenruhig und grinste einseitig.

"Oh Mann, du bist so 'ne harte Nuss!", knurrte die Frau und stand auf um Kaoru ihre Hand vor das Gesicht zu halten. "Hier. Und was ist damit? Hätte ich dieses dumme Tattoo, wenn ich nicht Die wäre?"

Ihre Hände waren zwar kleiner und feiner als Dies, aber die Tätowierung war trotzdem da, genauso wie auf der Hand des Rhythmusgitarristen. Doch das allein war auch kein Beweis. "Ich bin mir sicher, dass dieses Tattoo auch andere haben. Haste dir vielleicht nachmachen lassen. Machen Fangirls."

"Joah, na sicher," fatzte Die und zog seine Hand weg, mit der er am liebsten an die Gurgel seines Freundes gegangen wäre. "Deswegen trag ich auch Dies übergroße Sachen. Weil ich ein Fangirl bin. Bin ich aber eben nicht! Ich bin Die. Wie soll ich es dir beweisen? Geschichten erzählen? Glaubste doch eh nicht. Dann gut, geh runter frühstücken. Warte auf Die. Der kommt nicht. Weil ich 'ne Frau bin, du Idiot."

So langsam wurde die Dreistigkeit der jungen Dame dem armen Bandleader zuviel und er fragte sich, ob sie nicht doch vielleicht zumindest mit Die verwandt war, denn kaum ein anderer traute sich Kaoru so dämlich anzumachen. Das war schon sehr beleidigend und von einer Fremden ließ er sich das auch nur ungern gefallen. Was daran lag, dass niemand die Frechheit besaß. Nun da sich jemand das erlaubte, was konnte Kaoru schon machen? Ziemlich bescheidene Situation. Doch glücklicherweise war er nicht umsonst das Hirn der Band, welches zwar qualitativ gesehen auch nicht sonderlich belastbar war, jedoch durch Quantität wettmachte, was sich andere Leute sparten.

"Hm." Er drehte sich um und griff nach der in einem Koffer verpackten Akustikgitarre, holte sie heraus und drückte sie ohne großes Gezeter in die Hände der Frau. "Hier. Spiel was."

"Jetzt?" Mit großen Augen starrte Die seinen Gegenüber an und stand mal wieder wie so oft auf der Leitung seines Denkvermögens. Woher sollte er auch wissen, warum er gerade jetzt ein Liedchen spielen sollte?

"Ja, jetzt. Und laber nicht rum. Bist du wirklich Die, müsstest du doch spielen wie er, oder?" Kaoru nickte ihr auffordernd zu und verzog keine Miene, verschränkte abermals die Arme und wartete. Nun würde sich herausstellen, dass die Frau nichts als eine Beknackte war, die höchstem Anschein nach aus einer Irrenanstalt geflohen war.

"Ach so!" Nun machte es auch bei Die mal Klick und er begriff, was der andere wirklich von ihm wollte. "Na gut, was soll ich spielen?" Er legte die Gitarre wie gewohnt auf seinen Schoß und griff mit den Fingern bereits um den Hals, als er merkte, dass seine Knochen ungewohnt kurz waren. "Jetzt weiß ich, wie's dir gehen muss...", brabbelte er und strich mit der anderen Hand über die Saiten.

"Irgendwas," murmelte Kaoru und zuckte mit den Schultern. "Nein! Warte. Spiel den Song, den wir noch nicht fertig haben. Den wir erst vor ein paar Tagen zusammen gejammt haben. Genau den will ich hören."

"Auf der Akustik? Wie soll das denn gehen? Dann klingt mein Part ja, als würde ich Darth Vaders Katze überfahren," meckerte Die und grunzte. Aber bitteschön! Wie der feine Herr Niikura wollte. Es waren ja seine Ohren, denen er das zumutete.

Allein die Tatsache, dass Die sich so darüber aufregte, ließ Kaoru innerlich erstarren und äußerlich erblassen. DAS war wirklich typisch für Andô Daisuke. Niemand außer ihnen beiden kannte das Lied bisher, nicht mal die anderen Mitglieder der Band, und es war tabu, jemandem außerhalb es auch nur ansatzweise vorzuspielen. Nur Die konnte den Song also spielen und das normalerweise auf seiner heißgeliebten roten ESP. Nun mutete Kaoru ihm eine schlichte Akustikgitarre zu, die noch nicht mal auf das Lied abgestimmt war. Darum war es auch kaum verwunderlich, dass Die zuerst begann, an den Knöpfen zu drehen, die Saiten zu spannen und verschiedene Töne anzuschlagen. Für Kaoru jedoch war es sehr erstaunlich, dass die fremde Frau es mit der gleichen Präzision tat, dasselbe Gestammel dabei machte und letztlich mit einem Aufseufzen zu spielen begann.

Das Stück war ein schnelles, für Die eigentlich ideales Lied um sein Können unter Beweis zu stellen und wenn er nicht kleinere Hände als sonst hätte, so würden wahrscheinlich bereits Kaorus Augäpfel rauskullern. Der gaffte nämlich mit offenem Mund. Einfach war es sicherlich nicht für ihn, denn so eine Information, die ihm sein Zweitgitarrist da versuchte zu vermitteln, konnte nicht mal das beste Hirn Asiens so schnell verarbeiten. Und damit war nicht Kaorus erbsengroßes Denkorgan gemeint!

Als Die fertig war, schaute er etwas unzufrieden und begann sofort das alltägliche Jammern. "Naja, wenn's keine Akustikgitarre gewesen wäre und ich hätte noch meine schönen langen Finger, - nichts gegen deine - hätte es natürlich besser geklungen als so..."

Seine Worte erreichten Kaorus Gehör nicht. Dieser blinzelte ihn nur dumm an. "Ich muss mich hinsetzen," stammelte er und nahm neben Die auf dem Bett Platz. Die Frau war sein Kumpel Die. Was nicht möglich war. Aber es war so. Irre war das. Und je mehr Kaoru sie ansah, umso mehr konnte er seinen Bandkollegen auch erkennen. Die Nase war echt nicht zu verwechseln. Eine Sache war da allerdings noch... "Hier," sagte Kaoru und stieß der Frau sanft mit dem Ellbogen in die Rippen. "Lach mal."

"Spinnst du?" Aus reinem Impuls stieß Dies Ellbogen zurück.

"Ich mein das ernst. Lach!" Wenn man den wahren Die an etwas erkennen konnte, dann doch wohl an seinem breiten Grinsen. Kaoru war schon ein Schlauer!

"Lach doch selbst. Mir ist nicht zum Lachen," fauchte Die zurück und war nahe dran, seinem Kumpel eins übern Schädel zu ziehen. So dämlich konnte doch ein Mann allein nicht sein! "Hör dir nur mal meine Stimme an. Gruselig..."

"Die war schon immer gruselig," erwiderte der Ältere ohne Zögern.

"Du weißt schon, dass man nicht mit Steinen werfen soll, wenn man im Glashaus sitzt?", schoss es von Die zurück.

"Wenigstens sitze ich nicht in der Scheiße." Jedenfalls nicht so tief wie der Rotblonde, fügte Kaoru gedanklich hinzu.

"Vielen Dank für die Unterstützung," zischte die schmale Frau neben ihm und funkelte ihn böse an. "Aber nur zu deiner Info. Wenn ich 'ne Frau bin, kann ich wohl kaum heute Abend auf irgendeiner Bühne stehen und ein Konzert mit euch geben. Ergo? Du SITZT in der Scheiße."

"Dann werd eben wieder zum Kerl." Also Kaoru hatte ja nicht so oft aufgepasst im Biologieunterricht, Naturwissenschaften waren nicht seine Stärke, aber er wusste, dass Menschen nicht einfach ihr Geschlecht wandelten. Die hatte das aber getan. Also musste er es rückgängig machen.

"Wie denn? Wenn ich könnte, hätte ich es schon längst getan!" Es war zum Haare raufen! Zwar war es erleichternd, dass Kaoru dem Mann in Frauengestalt endlich zu glauben schien, aber der Sache an sich half es gar nicht. Denn auch wenn der Leader so Einiges möglich machen konnte, zaubern konnte er nicht.

"Ja, wie biste denn zur Frau geworden?" Schon allein, dass sie über solch ein Thema redeten, machte Kaoru ganz nervös. Er fuchtelte sich eine Zigarette aus seiner halbzerdrückten Schachtel und zündete sie mit gespielter Gelassenheit an.

"Woher soll ich das wissen? Gestern war ich jedenfalls noch ein Kerl. Haste doch selbst gesehen. Und heute Morgen bin ich aufgewacht und da..." Die sah kläglich an sich herunter. "Jetzt hab ich Titten."

"Echt? Zeig mal." Normalerweise war Kaoru gar nicht so humorvoll, aber unter den gegebenen Umständen war schwarzer Humor doch alles, was einem noch blieb. Vielleicht träumte Die wirklich nicht, sondern Kaoru. Dann könnte er ebenso gut auch mal einen trockenen Scherz machen. Sein Kumpel hatte Brüste. Der Gedanke war so übel ja nun auch wieder nicht.

"Hättest du gern!", zischte Die zurück und zeigte dem anderen den Mittelfinger. "Du... das ist sicher deine Schuld. Du hast mich mit nem Fluch belegt oder so..."

"Schlimm genug, dass du so schon beknackten Müll redest. Jetzt wird's echt zuviel. Kann ich zaubern oder was?" Ob nun wirklich Die in der Frau war oder nicht, aber die Schuld nun Kaoru in die Schuhe schieben zu wollen, ging ja wohl gar nicht. Was sollte der Mist denn? Aber der Bandleader nahm es gelassen, war ja nur ein Sahnetüpfelchen mehr auf dem Berg des Wahnsinns.

"Weiß ich doch nicht. Du hast mich gestern vollgeblubbert mit Kram von Frauen, die nicht nur die Beine breit machen. Überhaupt warst du zickig. Und kaum warst du weg, waren alle Weiber schon ganz komisch, obwohl ich da noch mein gutaussehendes, männliches Ich war! Aber keine schaute mich mehr an oder nahm mich wahr. Da ging's schon los. Hätte ich gewusst, dass ich nach ner Mütze Schlaf so aufwache, wäre ich niemals ins Bett gegangen." Die redete wie ein Wasserfall, frustriert und ebenso mitleidsuchend. Seine Hysterie war vorübergehend vorbei, denn immerhin konnte er sich mit Kaoru nun darüber verständigen. Dass die Sache trotzdem mehr als nicht normal war, stand fest. Die - ein Zwitter? Igitt, nein. Er hatte ja keine zwei Geschlechter. Aber jetzt eben das Falsche.

"Ich hab jedenfalls nichts gemacht. Vielleicht biste selber schuld?" Es könnte ja die Rache Gottes sein für Dies dämliches Verhalten allen Frauen gegenüber. Aber das war zu weit hergeholt. Fast so weit wie die Tatsache, dass Die eine Frau war. Irgendwie erschien deshalb nichts mehr ganz so weit hergeholt und dennoch total verrückt.

"Und was hab ich verbrochen?" Dies Stimme wurde wieder etwas höher und das war jetzt noch viel schlimmer als früher. Eins war klar: es musste ihm oder ihr geholfen werden. Nur wie? "Naja... vielleicht hab ich ja doch etwas falsch gemacht und das hier ist so etwas wie ein Paralleluniversum, in dem ich etwas bereinigen muss, damit ich wieder zurückkehre und der männliche Die bin. Oh Mann, ich hab keinen Bock 'ne Frau zu sein. Was, wenn das für immer so bleibt?"

Ein kräftiger Schauder durchfuhr Kaorus Körper. "Mal den Teufel nicht an die Wand."

"Der ist schon an der Wand," erwiderte Die und knurrte leise vor sich hin.

"Und was machen wir jetzt?" Um ehrlich zu sein kam sich der Dunkelhaarige total bescheuert vor. Die Unsinnigkeit des Ganzen war im Allgemeinen so surreal, dass er glaubte, er wäre tatsächlich in irgendeinem dämlichen Schundfilm angelangt.

"Keine Ahnung. Ich dachte, du weißt vielleicht was." Die Chance war gering bis nicht vorhanden, aber so verzweifelt wie gerade jetzt war Die wirklich noch nie gewesen.

"Woher denn?" Mit fragendem Blick stand Kaoru auf und fuhr sich mit den Fingern kurz durchs Haar, bevor er sich über die Augen rieb. "Ich meine, du musst zugeben, dass das alles doch irgendwie verrückt ist. Und eigentlich gar nicht möglich. Also..." Er drehte sich um und schaute in das mitleiderweckende Gesicht der Frau, die Die war - oder zumindest das glaubte. Es konnte einem fast das Herz brechen, wenn sie nicht tatsächlich Ähnlichkeit mit der dummen Visage des Andô Daisuke hätte. Was Kaoru anging, so kam er zwar nicht umhin die Indizien zur Kenntnis zu nehmen, doch all seine Skepsis konnte man ihm nicht nehmen. Allerdings war er der Bandleader und hierbei ging es nicht nur um Die. Kaoru musste etwas tun, konnte nicht nur untätig hier sitzen und mit der Frau rumjammern. "Hör mal. Ich hol uns jetzt erst mal einen Kaffee. So wie du aussiehst, kannst du jedenfalls an keinen Tisch mit den anderen und sagen, dass du ihr guter alter Kumpel Die bist. Das wäre endgültig die Katastrophe."

"Ich hab auch gar keine Lust so unters Volk zu gehen." Einmal mehr schaute Die an sich herab und bedauerte, dass er nicht mal ordnungsgemäß attraktive Kleidung besaß wie die einer Frau. Vielleicht könnte er sich ja ein Hemdchen vom Bandleader klauen, denn der hatte wenigstens eine Kleidergröße weniger, was seine Oberteile anging.

"Sehr schön. Dann bleibst du brav hier und wartest auf mich. Ich bin gleich wieder da." Mit einem Lächeln, welches Vertrauen erwecken sollte, schritt Kaoru langsam auf die Tür zu und beäugte die Frau noch einen Augenblick lang. Für den Fall dessen, dass sie nun doch eine Verrückte war und sich nur über ihn lustig machte, so konnte er sich wohl kaum weiter weg als bis draußen auf den Gang bewegen. Wer wusste schon, ob sie ihn nicht ausrauben wollte? Vertrauen war gut, Kontrolle besser.

"Bring mir was zu essen mit. Einen Schoko-Donat, okay? Und Joghurt mit Früchten bitte. Ich muss auf ausgewogene Ernährung achten, ohne dass ich zu viele Kalorien ansammle." Vom Geschlecht ganz unabhängig knurrte Dies Magen.

"Uuh...mah." Das war nun wirklich nicht Kaorus Plan gewesen. Er war doch nicht vom Zimmerservice. Doch für Diskussion war jetzt keine Zeit. "Geht klar. Gib mir deine Keycard. Da wird das Essen draufgebucht, weißt schon." Früh lügt sich, wer ein Meister werden will. So oder so ähnlich kam Kaoru das jedenfalls in den Sinn, als er der Dame die Karte abluchste unter dem bescheidenen Vorwand des Essens. Es war natürlich absoluter Bullshit und eigentlich hätte Die darauf kommen müssen, aber wog er sich doch so in Sicherheit mit dem anderen, dass er ohne Fragen zu stellen tat, was dieser wollte. Zumal Dies kleines Bäuchlein nun wirklich begann zu rumoren und er schon die Tasche des Älteren mit den Augen fixierte in der Hoffnung, dass dieser wieder seine Schokoriegel darin versteckte.
 

Kaum im Gang und die Tür sicher hinter sich verschlossen, machte sich Kaoru schnurstracks in Richtung Dies Zimmer auf, zog die Keycard durch das Schloss und betrat den Saustall aus Klamotten und Kippen. Nicht dass Die unbedingt als unsauberer Mensch angesehen wurde, aber offenbar hatte er sich bei der Wahl seiner Kleidung heute mal richtig ausgetobt und die stets dicht gefüllten Aschenbecher waren kaum ein seltener Anblick. Worauf Kaoru allerdings gehofft hatte, war Die. Doch kein Die war hier, was dazu beitrug, dass sich ein ganz flaues Gefühl in Kaorus Magengrube breit machte. Es sah ganz danach aus, dass er tatsächlich eine Frau geworden war.

Seufzend setzte er sich an den Bettrand und wählte die Nummer des Zimmerservice. Er konnte nicht nach unten gehen, auch wenn er noch so gerne wollte. Denn selbst wenn er das Unmögliche glaubte, so wollte er doch Zeuge sein, falls sich Die wieder zurückverwandelte. Man konnte ja nie wissen.

"Zwei Kaffee, einen Schoko-Donat und Früchtejogurt bitte," bestellte er auf sein Zimmer und fügte nach kurzer Überlegung hinzu: "Und ein Stück von ihrem Erdbeerkuchen, danke. Ja, mit Sahne. Extradick bitte."

Nach diesem nicht sehr ausgiebigen Gespräch verließ er das Zimmer und ging wieder nach drüben. Die Frau saß mittlerweile im Sessel, Beine breit gespreizt, den Kopf auf die Hand gestützt, dessen Ellbogen auf der Lehne ruhte, und in der anderen Hand hielt sie ein Bier.

"Schon zurück?", fragte Die verdutzt und hob eine faule Augenbraue. "Wo ist mein Essen?"

"Die bringen es gleich hoch," erwiderte Kaoru und setzte sich wieder aufs Bett. "Auch den Kaffee. Ich wollte nicht warten."

"Hast du die anderen getroffen?" Nur aus reiner Neugierde konnte Die nicht anders, als die Frage zu stellen.

"Nein. Ich bin auch nicht scharf drauf, denen jetzt was zu erklären. Du musst unbedingt wieder Die sein, also der richtige Die. Wenn wir die Show heute nicht spielen können, bringen mich ein paar unserer Sponsoren um. Das weißt du hoffentlich." Vielleicht könnte man ihm oder ihr ja ins Gewissen reden und alles würde ein Ende haben, sie sich entweder zurückverwandeln und Die endlich aus seinem Versteck springen mit den Worten: "VERARSCHT!". Dann würde Kaoru ihn zwar töten, aber lieber er geht vor die Hunde als der Leader selbst. Schließlich hatte er ja nichts verbrochen.

"Hey," begann Die und lehnte sich vor, so dass seine Ellbogen auf den Knien lagen. "Wenn ich könnte, würde ich gern wieder ich sein. Klar? Die werden dich schon nicht killen. Außerdem bete ich, dass ich bis zum Abend wieder ein Kerl bin. Das wäre sonst schon die zweite Nacht am Stück ohne Sex."

"Wenn du sonst keine Sorgen hast," brummte Kaoru und zog sich eine Zigarette aus der Schachtel. Eigentlich hatte er darüber nachgedacht mit dem Rauchen aufzuhören, aber wann denn? Stets brauchte er das nervenberuhigende Mittel namens Nikotin, da man ihm ganz einfach keine andere Chance gab als sich aufzuregen. Nach außen hin konnte er noch so abgeklärt wirken, doch innerlich drehten sich seine Gedanken wie auf einem Karussell mit Überschlag. "Seit wann säufst du morgens eigentlich schon Bier?"

"Nervennahrung. Außerdem, was soll ich denn sonst machen? Durchdrehen? Nahe dran bin ich jedenfalls. Himmel, ich darf gar nicht in den Spiegel schauen. Gott sei Dank ist die Hose weit, sonst müsste ich ständig in meinen Schritt starren und NICHTS sehen." Aufgedreht durch seine freigelegten, sensiblen Nerven plapperte Die wie ein Wasserfall. Wenn man den männlichen Die mal so gehört hatte, dann wusste man, dass das schon eine mittelschwere Katastrophe war, dem zu lauschen. Doch als Frau!? Da war es, als würde man seiner frustrierten Ehefrau zuhören, mit der man seit fünfundzwanzig Jahren das Bett teilte, vier Kinder, zwei Hunde und seit dem letzten Krieg keinen Sex mehr hatte.

"Dann sauf eben. Wegen mir." Kaoru zuckte mit den Schultern und schaute auf die Uhr. Es war noch früh, also noch genug Zeit, dass Die sich wieder zu dem entwickelte, was er ursprünglich einmal zu sein schien: ein Mann.
 

Die Minuten vergingen, das Frühstück kam aufs Zimmer und während Die sein Essen mit Bier runterspülte, saß Kaoru nur da und trank kipperauchend seinen Kaffee. Doch Minuten verwandelten sich schnell in Stunden und die eisige Stille zehrte an Kaorus Verstand, als seine Finger unruhig über die Lehne des Sessels trommelten.

Die hatte es sich auf dem Bett bequem gemacht, schien von dort aus Fernsehen zu gucken, obwohl man bei genauerer Betrachtung sehen konnte, dass seine Gedanken nicht wirklich bei den Talk-Shows waren. Hin und wieder seufzte er leise vor sich hin und schaute auf die Uhr oder an sich herab, doch keine Veränderung trat ein.

"Hast du letzte Nacht geduscht?", fragte der Ältere plötzlich mit einer verwegen hochgezogenen Braue, die ihn leicht schief aussehen ließ.

"Ja, wieso? Stink ich?" Die warf seine Bierdose neben das Bett und rülpste leise, da der Alkohol so langsam sein Benehmen im Keim zu ersticken schien.

"Nein. Ich dachte nur, dass du vielleicht noch mal duschen solltest dann. Möglicherweise war etwas im Wasser, dass dich in eine Frau verwandelt hat?" Dass sich Kaoru wie immer äußerst dämlich vorkam, musste man an dieser Stelle kaum erwähnen.

"Hä?" Im ersten Moment wollte die Frau protestieren, aber dann dachte Die noch einmal darüber nach und eigentlich war ihm alles recht, solange es vielleicht helfen könnte. "Ich mach alles - okay, fast alles - solange es nur was bringt. Ich glaub aber nicht, dass es am Wasser liegt, denn sonst wärst du auch 'ne Frau jetzt."

"Oh." Das stimmte natürlich.
 

Wieder kehrte Stille ein, doch sie hielt kaum an, bevor beide von einem lauten Klopfen an der Tür aufgeschreckt wurden. Kaoru schaute zu Die, der ihn nur anstarrte wie ein Reh im Wald.

"Äh... wer ist da?" Guter Anfang, dachte sich der Bandleader, denn es war schließlich logisch, dass man als Rockstar erst mal nachhakte. Nicht dass jetzt Toshiya dastand und auch eine Frau war.

"Kyo," antwortete die Stimme fest, dennoch nicht zu laut. "Mach auf."

Wieder wanderten Kaorus Augen zu der Frau in seinem Bett, die Die sein sollte. Der schaute ihn beinahe noch erschrockener an als vorher.

"Scheiße," murmelte der Bandleader leise und mit kratziger Stimme.

"Was machen wir?", fragte dann auch Die, der eigentlich keinen Bock hatte, schon wieder jemanden erklären zu müssen, dass er kein Kerl mehr war. Man glaubte ihm doch eh nicht.

"Los, ins Bad. Schließ die Tür ab. Kyo muss dich nicht sehen," grollte Kaoru befehlend und machte eine dazugehörige Kopfbewegung. Würde Kyo die Frau jetzt sehen, könnten sie zwar lügen, aber was sollte Kaoru denn sagen? Dass die Frau ohne Namen seine Geliebte war? Dass sie rein zufällig Die hieß und ihm ähnlich sah? Zuviel Stress.

Ohne weitere Gedanken zu verschwenden, folgte Die der Order des Chefs und begab sich leise auf ins Badezimmer. In Krisensituationen wurden Leute wie er sich wieder ihrer Stellung bewusst und vertrauten dem Bandleader, der sich oft genug wünschte, dass dies immer so wäre.

Als Die verschwunden war, räusperte sich Kaoru kurz und öffnete endlich die Tür.

"Man Alter, was brauchst du so lang?", fragte Kyo eher gelangweilt als gestresst.

"Ich... ich war noch im Bad," antwortete der Dunkelhaarige kurzerhand und schaute Kyo fragend an. "Was ist?"

"Kurz angebunden, was? Bist wohl nicht allein?" Der kleiner Sänger versuchte einen Blick ins Zimmerinnere zu erhaschen, doch zum Teil nahm ihm der Gitarrist die Sicht und so konnte der Blonde nichts erkennen.

"Was? Wieso? Wie kommst du darauf?" Sofort schienen kleine Käfer durch Kaorus Venen zu krabbeln, die seinen Blutdruck hochschraubten und ihn zu einem nervösen Wrack mutieren ließen. Doch er riss sich zusammen mit all seiner Macht, knallte die Backenzähne zusammen und hob eine Augenbraue, als wäre Kyo von einem anderen Stern.

"Ich dachte, ich hätte jemanden reden hören," meinte der Kleine danach verdutzt.

"War der Fernseher." Kaorus Hinkzellen schlugen Salto.

"Achso, naja, auch egal." Er hätte schwören können, dass es nicht vom Fernseher kam, zumal der ganz leise zu sein schien und der Bandleader angeblich im Bad war, aber es ging den Blonden ja auch nichts an eigentlich. "Toshiya kam auch die Idee, dass wir in die Stadt gehen und ich soll nur fragen, ob du mitkommst." Es war klar, dass die Band nicht alleine durch die Straßen gehen konnten und wenn die Crew eine Begleitung stellte, bedeutet dies unwillkürlich eine Einschränkung für eventuelle Aktivitäten derer, die nicht mit wollten.

"Äh... nein. Ich blieb hier, danke." Keinesfalls konnte sich Kaoru nun aus dem Staub machen und Die zurücklassen. Wobei er das nur zu gern getan hätte. Es war schließlich ein Problem, dem sich keiner gerne stellen würde.

"Nicht gut drauf heute, was?" Irgendwie kam Kyo der Ältere ein wenig merkwürdig vor, nicht nur kurz angebunden, sondern auch neben der Mütze. "Ist alles in Ordnung?"

"Klar doch. Alles bestens." Kaoru zwang sich ein klägliches Lächeln ab und nickte mehrmals, um seine Aussage zu bekräftigen. "Viel Spaß dann in der Stadt."

"Danke," sagte Kyo recht monoton und war im Begriff sich umzudrehen, als er noch mal stoppte und den Größeren mit einem Stirnrunzeln betrachtete. "Sag mal, du weißt nicht zufällig, wo Die steckt? Ich hab an seine Tür geklopft, war aber vergebens und ans Handy geht er auch nicht."

Der Ältere räusperte sich aus Angst, seine Stimme würde verraten, wie das einmal mehr Panik in ihm hervorrief. "Keine Ahnung. Vielleicht ist er mal mit zu einer seiner Weiber diesmal. Kann ich nicht sagen."

"Naja, da du uns den Tag so freigeschaufelt hast mit dem ganzen Stress gestern, hat er ja auch den ganzen Tag Zeit. Schlaues Kerlchen, unser Die." Der Sarkasmus tropfe nur so aus Kyos Stimme und er zwinkerte dem Bandleader leicht zu, da er um dessen Meinung wohl wusste.

"Scheint so." Obwohl sich Kaoru gerne darüber ausließ, was Die doch für ein Schwein geworden ist, so hatte er jetzt wirklich keine Zeit dafür. "Na dann. Passt auf euch auf. Wenn Die kommt, sag ich ihm, dass ihr in die Stadt seid. Dann wird er sich schon ärgern." Er presste noch ein Lächeln auf seine Lippen, was ihm diesmal gar nicht so schwer fiel beim Gedanken an einen sich grün ärgernden Die. Nur wenn Die auch noch eine grüne Frau wäre, könnte Kaoru nicht mehr darüber lachen.
 

Ein erleichtertes Seufzen entkam dem Dunkelhaarigen, nachdem er die Tür geschlossen hatte, gefolgt von einem leisen Grummeln, bevor er seine Faust gegen die Badezimmertür schlug. Die hatte die ganze Zeit über brav im Bad gewartet und sich lediglich die langen Haare gerichtet, bevor er mit betretenem Gesicht nach draußen wackelte und den Bandleader ansah. "Vielleicht gehe ich mal mein Handy holen, wenn die dann weg sind."

"Mach das," brummte Kaoru und setzte sich aufs Bett, als er noch eine weitere Zigarette anzündete. "Rangehen kannste zwar eh nicht, aber vielleicht 'ne SMS schicken falls nötig."

Nickend setzte sich die Frau neben den anderen und verzog die Lippen zu einem kleinen Schmollmund. "Krieg ich noch 'ne Kippe?"

"Haste keine eigenen?"

"Nicht mehr."

"Dann nimm." Kaoru reichte seine Schachtel hinüber und sah sich das Wesen noch einmal aus den Augenwinkeln genauer an. Sie hatte schon Ähnlichkeit mit Die, nur war sie viel attraktiver, so sehr sogar, dass man anzweifeln musste, dass sie mal der dumme Zweitgitarrist gewesen sein soll. Auf den Kaoru ja nun wirklich nicht stand! Sie war aber eigentlich ganz süß mit der Stupsnase und den vollen Lippen, auch wenn sie nicht gerade viel Holz vor der Hütte hatte und etwas schlaksig ausgefallen war.

"Was glotzt du so?", fragte sie ruppig und sah den anderen mit abfälligem Blick an. Normalerweise war es Die, der Kaoru mit etwas aufziehen konnte, aber heute fühlte er sich irgendwie im Nachteil und war so gar nicht gut drauf. Woran das wohl lag...?

Kaoru drehte sich lediglich weg und grunzte leise. Mindestens genauso wenig nett wie Die war die Frau allerdings auch. Schließlich hatte der Dunkelhaarige ihr nichts getan, oder? Er war doch einer von den Guten!
 

Und so vergingen weitere Minuten, die sich schließlich in Stunden verwandelten. Diesmal war es Kaoru, der auf dem Bett lag und mehr oder weniger dem Fernsehprogramm zusah, wenn er nicht gerade geistesabwesend an die Decke starrte.

Die hingegen rutschte unruhig über den Sessel und zog plötzlich scharf die Luft ein, was den anderen Mann verdächtig aufschauen ließ.

"Merkst du was?" Er machte eine Geste mit der Hand, die wohl dazu dienen sollte, Die auf die Sprünge zu helfen, aber letztlich mehr aussah, als wisse Kaoru selbst nicht, was er da tat. "Wirst du wieder ein Kerl?"

"Nee," gab die Frau leicht betreten zurück und biss sich auf die Unterlippe. "Ich... ich muss mal schiffen."

Unbegreifend zogen sich Kaorus Augenbrauen nach oben. "Und? Dann geh."

"Ja, aber..." Die druckste herum und wand sich abermals auf dem Sessel, schlug die Beine übereinander und schaute mir wässrigen Augen auf seine Hände. "Ich bin doch... ich hab doch... also, ich hab noch nie als Frau. Du weißt schon."

"Gepinkelt?", fragte Kaoru unbeeindruckt, jedoch mit Spott in der Stimme.

"Ja, Mann. Gepinkelt." Sie schnaubte verächtlich und stand auf.

"Soll ich helfen oder was?" Nicht, dass er das glaubte, aber wenigstens fragen konnte man doch.

"Nein, du Spast. Ich kenne manche Körperstellen von mir noch nicht mal, da wirst du sie schon gar nicht kennen lernen!", fauchte die etwa Kaorus Körpergröße entsprechende Frau mit dem flachen Hintern, pustete theatralisch Luft aus den Backen und stapfte los ins Badezimmer. Warum sagte er so etwas dem Idioten von Bandleader eigentlich? Als ob der nachempfinden könnte, was in Die vorgeht?! Niemand konnte das! Gut, vielleicht ein paar Transen, die sich umoperieren haben lassen, aber sonst keine Sau!

An der Toilette angekommen und nachdem er die Tür sicher verriegelt hatte, öffnete Die zunächst einmal den Gürtel, was zur Folge hatte, dass ihm die Hose ganz von alleine den Hüften hinab rutschte. Prima, und die Shorts waren auch in Windeseile unten und Die nahm auf dem Toilettensitz Platz, nahm tief Luft und ließ es einfach kommen. Wie er feststellen musste, war es eigentlich ganz einfach.
 

Kaoru starrte indessen auf die Uhr, denn draußen begann es bereits zu dämmern und als Die sich wieder aus dem Badezimmer schlich, sah er diesen unwillkürlich an. "Und? Ging's?"

"Sitzen ist eigentlich voll bequem," meinte die Frau trocken und pflanzte sich neben den Dunkelhaarigen aufs Bett.

"Gut zu wissen. Und wie sieht's unten rum aus? Keine Veränderung?" Kaoru wollte sicher nicht indiskret werden, aber kam wohl nicht umhin.

"Nichts," grummelte Die leise und suchte sich erneut eine Zigarette. "Und ich krieg Hunger."

"Okay," sagte Kaoru, um vielmehr seine Gedanken zu sammeln, als auf Dies Bedürfnisäußerung einzugehen. Er setzte sich auf und suchte nach seinem Handy. "Wir haben kurz nach sechs. Eigentlich müssten wir noch vor dem Essen zur Halle. Wird wohl nichts draus."

"Was heißt das jetzt?" Die klang kläglich. Seine normale Stimme war schon durchaus hoch in gewissen Momenten, aber als Frau klang er einfach wie ein Mimöschen.

"Ich muss das Konzert absagen. Was glaubst du denn?" Schon eine Weile lang hatte sich Kaoru auf dem Bett mit dem Gedanken befasst und da sich scheinbar an ihrer Situation nichts zu ändern schien, gab es wohl keine andere Lösung für heute.

Die schwieg. Was sollte er auch tun? Wenn er etwas falsch gemacht hatte, tat es ihm leid. Nur was hatte er denn getan? Er konnte doch auch nichts für die Umstände.

"Schon gut. Ich werde denen sagen, dass du krank bist." Ohne Zögern wählte Kaoru dann die Nummer von Nora, welcher er genug vertraute, so dass sie sich der Sache annehmen würde, den anderen Bescheid geben und eventuell einen Gig für die Support Band organisierte, so dass am Ende wenigstens die Fans vor der Halle etwas bekamen, wenn auch nicht Dir en grey. Kaum einmal, dass es klingelte und sie ging bereits ans Telefon. "Hey, hier ist Kaoru. Ich hab schlechte Neuigkeiten. Die ist krank geworden. Wir können nicht spielen. Nicht ohne ihn."

Der zur Frau gewordene Zweitgitarrist lauschte besorgt dem Gespräch und seufzte leise. Er kam sich trotz allem schuldig vor.

"Wir spielen definitiv NICHT ohne Die. Dir en grey sind zu fünft und ohne ihn treten wir nicht auf. Sag bitte allen bescheid. Er..." So souverän Kaoru auch bisher war, nun kam er dennoch kurz ins Stocken und brauchte einen Moment, bevor ihm etwas Passendes einfiel. "Die ist im Krankenhaus mit diesem Virus, du weißt schon... ja, genau der. Jedenfalls ist die Station wohl in Quarantäne und man kann ihn nicht besuchen. Er konnte deshalb auch nicht früher anrufen." Wie schlau der Leader doch sein konnte, wenn er denn wollte. Doch Nora schien nicht genug Fragen gestellt zu haben, denn sie hakte nach. Hatte wohl Interesse an Die? Nicht auch noch sie. Sie war doch die letzte normale Frau hier im Umkreis von zehn Meilen, die Die-Frau eingeschlossen. "Letzte Nacht ging es ihm wohl schon schlecht und ist allein mit 'nem Taxi ins Krankenhaus, keine Ahnung. Wir dürfen jedenfalls nicht hin, aber wenn Besserung eintrifft, meldet er sich wieder."

Damit gab Nora vorerst Ruhe und Kaoru legte auf.

"Was sagt sie?", kam es von der anderen Seite des Bettes.

"Sie wird alles in die Wege leiten und ich soll dir Gute Besserung wünschen," sagte der Leader, den letzten Teil leicht sarkastisch anspitzend, und drehte sich zu Die um. "Sie sagt die Show ab und informiert die Organisatoren. Ich hoffe jetzt nur, dass sich die anderen nicht hier anschleichen, um nach dir zu fragen."

"Vielleicht gehe ich einfach auf mein Zimmer?", schlug Die ratlos vor.

"Naja, ist vielleicht nicht das Übelste. Von deinem Zimmer kann ich sie fernhalten, besser als von meinem." Nickend stand Kaoru auf und schaute nachdenklich aus dem Fenster. "Mir kommt das alles vor wie ein Film."

"Schlechteste Komödie des Jahres," bestätigte Die und stand ebenso auf. "Schaust du mal auf den Flur, ob die Luft rein ist?"

Wieder nickte der Bandleader stumm und ging zur Tür, warf einen Blick hinaus und bestätigte Die, dass niemand zu sehen war. "Hey, Kopf hoch, vielleicht bist du ja morgen wieder ein Kerl."

"Wäre zu schön," brummte die Frau und machte sich auf über den Gang zu Dies Zimmer.
 

Nachdem Kaoru die Tür hinter sich geschlossen hatte, quälte sich ein langes Seufzen aus seiner Kehle. Es war eine Katastrophe, aber er wollte keine Panik verbreiten. Dass sie nicht spielen konnten, bedeutete wahnsinnige Einbußen. Es kam vor, aber es sollte nicht passieren.

Er betrachtete die leeren Bierdosen auf dem Boden, warf sich auf das Bett und schrie laut ins Kissen, bevor er den lieben Gott anflehte ihn zu erlösen.
 

Im Zimmer gegenüber hatte es sich Die ebenso bequem gemacht, öffnete eine weitere Dose Bier und nahm einen Schluck. Er war eine verdammte Frau! Es war zum Heulen, aber wenigstens hatte er Kaoru einweihen können, der ihm zu glauben schien. Kaoru fand doch für alles Lösungen - warum nicht diesmal? Keinesfalls durften es die anderen erfahren oder gar die Medien. Dann würde Die sterben vor Scham!

Apropos Scham...

Die entleerte die Dose und öffnete den Gürtel erneut, so dass er den Hosenbund über die Hüften streifen konnte. Langsam, sehr langsam, drangen seine Finger vorwärst ins Dickicht seiner unteren Regionen. Eigentlich bevorzugte er ja rasierte Weiber, aber an sich selbst machte er da mal eine Ausnahme, da er ja vor hatte, wieder ein Kerl zu werden und sich nicht versehentlich mit abmähte, was bald wieder dran sein sollte.

Das... war so weich. Nicht, dass er das nicht schon einmal anfasst hätte, also so im Allgemeinen, aber an einem selbst erschien es ihm doch recht merkwürdig. Aber sonst, wenn er mal ein weniger forscher wurde mit den Fingerlein, konnte er nicht viel spüren außer Fleisch an Fleisch. Das war vielleicht auch besser so.

Schnell zog er seine Hand heraus und grunzte. "Verfickter Mist ey..."
 

Wie bereits erahnt, kamen einige Anrufe, die Kaoru dann beantworten musste und nicht zuletzt standen auch alle drei anderen Bandkollegen vor der Tür, um sich nach Die zu erkundigen. Doch er gab nur das von sich, was er bereits Nora erzählt hatte und stellte sich dumm, so dass er irgendwann glücklicherweise seine Ruhe hatte. Toshiya fand Urlaub gar nicht so übel, er wollte sowieso ausgehen und Shinya brauchte mal wieder etwas Wellness, wie er verlauten lief. Und Kyo... der wollte in sein Bett.

Kaoru wollte nur noch aufwachen, aber dazu musste er erst einmal einschlafen, was sich als schwierig herausstellen sollte, als er da so in seinem Bett lag und nachdachte. Was, wenn Die nie mehr zum Kerl werden würde? Ging nicht. Er MUSSTE wieder normal werden. Er wurde gebraucht. Es gab kein Dir en grey ohne den Mistbock von Daisuke.

Seufzend schloss Kaoru die Augen. Er hätte ihm Vieles an den Hals gewünscht, so wie er manchmal drauf war, aber nicht so etwas! Dazu liebte er den Idioten zu sehr. Wie einen Bruder eben. Von allen in der Band war er zwar der Unmöglichlichste, aber auch der, der Kaoru am nächsten stand, ob man es nun glaubte oder nicht.

Und Kaoru wollte seinen Die zurück.
 


 

Ende Kapitel 2.
 


 

Aus zahlreichen Gründen, wie lustige Kommentare im Internet oder aber interessante Menschen (angeblich?) von Animexx, kam ich auf eine Idee, wofür ich mich bei der BitchBrigade gerne bedanken möchte! <3

Wenn also noch jemand keinen Bock mehr hat auf Leute, die ihr eigenes Versagen kompensieren, indem sie andere runtermachen, tretet bei: http://community.livejournal.com/diru_germanffs/ Ihr seid herzlich willkommen!

Die brandneue Die

Joah, da isse mah widda. Hab lange gebraucht, war aber auch in Urlaub. Zum letzten Kapi möchte ich mich bedanken, auf Mexx bei Kaos_Shina, Kanoe, in_monochrome, Chokolade-Kat, Fresel, Sandalphon, KatzeMorle, Miss_Jely, myamemo, Zoisaito, Marraskuu, Kissa_Sininen, DaidaisErdbeerchen, ni-yas_dogmacat_ruka, streunertomate, kyo_roshi, _Domestic_Fucker_, Serena_Yoshida und Kao_Niikura, sowohl bei allen, die auf Livejournal kommentiert haben! Bitte mehr davon! *_* <3
 

Zu diesem Kapitel sage ich nur, dass es eigentlich mal wieder hätte länger werden sollen gemäß des Plots, aber da ich manches (Unnötige) gerne lange ausführe und Die mit Kaoru doofe Konversationen haben lasse, werden meinen meine Kapis auch ohne Fortschreiten des Plottes schnell lang und länger. Aaalso, hab ich schon erwähnt, dass ich erst ab 20 Kommis pro Pitel update? */Spaß*
 


 

Kapitel Drei: Die brandneue Die
 


 

Mit einem Schrecken erwachte Kaoru plötzlich, schlug die Augen auf und blinzelte mit den Lidern gegen das grelle Licht des angebrochenen Tages. Wieso ihm das Herz so gegen die Brust pochte, konnte er gar nicht sagen. Er wusste lediglich, dass er sich fühlte, als hätte er kaum geschlafen und dabei noch die allerschrägsten Träume gehabt, in denen immer wieder diese Frau auftauchte und lachte wie Die, mit dieser leicht ätzenden bis zum Mitmachen auffordernden Stimme, zu der nur der Klang einer Kopfnuss passte, die man dem Zweitgitarristen liebevoll verabreichte.

Schräg. Vor allem, weil Die und Kaoru gemeinsam immer wieder vor etwas wegzurennen schienen, seien es die eigenen Bandkollegen oder ganz und gar fremde Menschen, manchmal sogar andere Frauen. Den Kopf schüttelnd versuchte der Bandleader den Gedanken daran innerlich abzuwerfen und richtete sich auf, als er bemerkte, wie das Display seines Handys mehrmals aufblinkte. Drei nicht angenommene Anrufe, zweimal Shinya und einmal Nora, dazu mehrere SMS, die Kaoru sich nun langsam zu Gemüte führte.

Wann, denkst du, ist Die wieder fit? Morgen bestimmt noch nicht, oder? Der Nachricht vom Drummer konnte man also entnehmen, dass Die wohl krank war. Und so langsam dämmerte es auch bei Kaoru...

Wie viele Shows müssen wir absagen? Gib mir bitte bescheid, sobald du mehr weißt. Nora. Oh Gott, sie hatten das gestrige Konzert absagen müssen. Nun erinnerte er sich wieder. Und das wegen Die. Nicht weil er krank war, bzw. doch, aber seine Krankheit konnte kein Arzt nicht heilen.

Noch immer war der Gedanke so absurd, dass er kaum Platz in Kaorus Kopf fand, auch wenn er Beweise hierfür schwarz auf weiß lesen konnte. Wie auch immer, er musste sich selbst davon überzeugen und vielleicht hatten er und Die ja auch Glück, der Rotblonde wäre wieder ein ganzer Kerl und das alles könnte schnell vergessen werden. Es musste doch so sein. Wenn man mal davon absah, dass dies hier alles gar nicht möglich war, aber dennoch geschah, dann wäre eine logische Erklärung, dass es einen Gott oder Schöpfer gibt, der Die dazu verdonnert hatte, einen Tag lang eine Frau zu sein. Das hatte sich doch dann erledigt. Oder?

Mit Paralleluniversen kannte sich Kaoru weniger aus, aber wenn sie sich in einem solchen aufhalten sollten, dann müsste er nicht lügen, sondern man würde Die als Frau kennen. Es war kompliziert, aber eigentlich auch nicht unlogisch, wenn man mal darüber nachdachte. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass man davon einen Dachschaden bekam, aber Kaoru fühlte sich eben verantwortlich und so musste er die lockeren Schrauben riskieren, ob er nun wollte oder nicht.

In seine Jeans geschlüpft und mit einem dünnen Pulli stakste er in ein paar Sneakers und verließ das Zimmer mit nichts außer seinem Telefon, den restlichen Zigaretten, welche ein weiterer Beweis waren, dass Die ihm tatsächlich fast alle weggeraucht hatte, und dem Zimmerschlüssel in Kreditkartenformat. Leise klopfte er dann an Dies Tür, denn auf dem Flur herrschte kaum Bewegung, fast null Geräusche waren zu hören und es erschien Kaoru umso merkwürdiger. Waren wohl alle noch im Bett.

Er klopfte abermals und lehnte sich nahe an die Tür, um mit ebenmäßiger Stimme zu sagen: "Ich bin's, Kaoru." Dies Namen erwähnte er lieber nicht, da er doch den anderen Glauben gemacht hatte, Die wäre im Krankenhaus. Es war nur zu hoffen, dass, wenn sich die Tür nun öffnete, ihn diese miese Kröte von Frauenheld wieder angrinsen würde und keine Frau.

Schritte waren im Zimmer zu hören.
 

Die hatte eigentlich fast gar nicht geschlafen, hatte solche Panik innerlich, dass er sich an einem Fangeschenk vergriffen hatte. Es war eine Flasche Jägermeister gewesen. Die im Körper und schon verfiel die junge Frau einem komatösen Schlaf. Leider wachte sie dann mit einem üblen Brechreiz in den frühen Morgenstunden auf, machte Bekanntschaft mit dem Porzellan und nahm anschließend lieber eine Dusche. Und nun hatte Die Hunger.

Er hatte sich leicht erschreckt, als es an der Tür klopfte, sein Herz wummerte in ungewohnten Takten, doch als er Kaorus Stimme hörte, seufzte Die erleichtert auf. Ohne Worte ließ er den Bandleader ins Zimmer und schloss die Tür wieder, bevor er sich traute, etwas zu äußern. "Kao, ich hab Hunger."

Die Hoffnungen des Dunkelhaarigen sanken in die Gefilde des tiefsten Kellerlochs, als die rotblonde Frau ihn eintreten ließ, doch Kaoru ließ es sich nicht anmerken. Sicherlich ging es Die viel übler als ihm. Oder auch nicht, wenn man bedachte, dass sein einziges Problem Hunger war. "Merkt man, wenn du schon meinen Namen abkürzt."

"Hab ich?" Die hatte es gar nicht mitbekommen.

"Tust du immer, wenn du was willst." Es war auch nicht der Rede wert, auch wenn es Kaoru schon aufgefallen war. "Ist auch egal. Ich wollt nur schauen, ob du noch..." An dieser Stelle stockte der Bandleader, wedelte seine Hand gewohnt typisch vor sich herum, und winkte schließlich ab. "Du weißt schon."

"Ja, ja, ich bin noch. Siehste doch." Harsch kamen die Worte, wenngleich fast monoton. Es war immerhin nicht die angenehmste Sache, wenn man Hoffnung begraben musste und dennoch nicht in Verzweiflung ausbrechen wollte. Also nahm man Fakten hin und den nächsten Schritt mit neuen Kenntnissen. Doch vorher brauchte Die Nahrung, sonst ging gar nichts. "Rückwärts essen ist scheiße, ich brauch was Festes im Magen und wenn du mir nichts beschaffst, ruf ich den Zimmerservice, mir egal, was die dann denken, wer oder was ich bin..."

"Wieso rückwärts essen?" Nicht ganz klar, warum Die anscheinend hatte kotzen müssen, verzog sich Kaorus Miene skeptisch. "Und halt den Ball flach. Ich geh ja gleich und hol was Essbares."

"Ein Glück!" Mit einem Grunzen pflanzte sich Die auf das Bett und strich sich die langen Haare zurück hinters Ohr. "Und rückwärst essen ist, weil ich nicht schlafen konnte."

"Ah... darum kotzt du?"

"Nee, weil ich was getrunken hatte zwecks Schlafen."

"Hättest mich fragen können. Ich hab Baldrian."

"Wozu hast du Baldrian? Du pennst doch auch so im Stehen."

"Ach... fick dich doch und ruf den Zimmerservice. Viel Spaß beim Erklären und so..." Kaoru zuckte mit den Schultern und drehte sich um. "Was kratzt mich das eigentlich?"

"Jetzt warte doch!" Mit einem Satz sprang Die auf und flog nahezu auf den anderen zu, so dass er sich an dessen schmales Kreuz heften konnte. "Sei doch nicht immer gleich eingeschnappt. Ich mein's doch nicht so."

Erstarrt von der Frau, die ihm am Rücken klebte, musste Kaoru schlucken. "Ich bin nicht eingeschnappt. Du solltest dir nur jemand anderen suchen, über den du Witze machen kannst. Ich bin nicht der Typ mit Brüsten hier."

"Naja..." Sanft streichelten Dies Handflächen über die Hänflingsbrust des Dunkelhaarigen und ein lahmes, doch breites Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht.

Ein lautes Knurren jedoch drang aus Kaorus Kehle, als der sich langsam umdrehte.

"Schon gut, tut mir leid," rief Die und ließ von seinem Kumpel ab. "Ich hör auf, Witze zu machen. Heißt zwar eigentlich, was sich neckt, das liebt sich, aber drauf geschissen. Ich hab zu großen Hunger und ja, ich stecke in einem Körper mit Titten fest, also Kao, bitte, biiiiiiiiitte..."

"Bitte was?", grunzte der Leader zurück.

"Bitte verzeih mir und bring mir Futter." Mit großen, bettelnden Augen und die Lippen zu einem kleinen Schmollmund gezogen, schaute Die den Älteren an.

Abermals schluckte Kaoru. War das echt Die? Nicht, dass dieser niemals gebettelt hatte, das schon, aber bisher niemals als Frau. Und welche Frau bettelte schon Kaoru an, mal abgesehen von unattraktiven Fangirls oder den billigen Schlampen? Hui, das war ungewohnt. Ohne Worte drehte sich der nicht allzu großgewachsene Mann um und verließ das Zimmer wieder, während er ein paar letzte Anweisungen murmelte. "Bleib hier und warte."
 

Dies Strahlen hielt nicht lange an. Zwar liebte er es, Kaoru zu manipulieren - nein, falsch! - Die liebte es zu manipulieren, doch angesichts seines neuen Körpers kam er nicht umhin, sich einmal mehr beschissen zu fühlen. Die Tatsache an sich konnte er nicht ändern und lediglich hinnehmen, aber dass ihm auch noch seine Sachen nicht richtig passten, kotzte ihn umso mehr an. Seine Brüste waren nicht gerade groß, er selbst hatte da schon mehr in den Händen gehalten, aber ohne einen angemessenen BH war Die die ganze Sache trotzdem etwas zu unausgeglichen, um es mal nicht wabbelig zu nennen. Als hätte er Fettpolster, die man bändigen musste.

Seufzend zog er sich ein weiteres Shirt über und strich es mit den Händen glatt. Auf Dauer ging das so auf keinen Fall, das stand fest. Und seine Hosen waren vor allem zu lang, auch zu weit, und da es mit den Schuhen nicht sehr anders war, würde er in solchen Hosen noch auf die Schnauze fallen und den Fußboden vermessen.

Was Die bisher ganz gut gefiel, waren seine langen Haare. Die waren ganz weich und seidig, genauso wie er seine Haare liebte, nur waren sie länger und rochen irgendwie fraulicher. Sie glänzten richtig goldig. Wäre er also nicht in diesem Körper, doch es wäre eine echte Frau in diesem seinen Spiegelbild, so würde er sich mit Sicherheit angraben.

Gut, ein bisschen Make-Up würde nicht schaden. Zarter Lidstrich vielleicht...
 

Während sich Die also Gedanken machte über sein Erscheinungsbild, hatte sich Kaoru nach unten durchgeschlagen und setzte sich an den Frühstückstisch. Kaffee und Kippe brauchte er erst einmal ganz allein und ungestört. Gott sei Dank waren seine anderen Bandkollegen noch nirgends zu sehen. Gähnend begann die Bandmutti also, seinem fraugewordenen Kumpel ein Brötchen zu schmieren, belegte es auch liebevoll mit Käse und einer Gurkenscheibe, besorgte noch einen Jogurt und suchte das Büffet nach Früchten ab. Nebenbei schlang er auch ein Knäckebrot runter, haute sich ein paar Rühreier hinter die Backen und schlürfte einen Orangensaft. Tat gut. Musste sein.

Nach kaum mehr als zwanzig Minuten schnappte er das Essen und verließ schnurstracks den Frühstücksraum, so dass man ihn nicht erst darauf hinweisen konnte, dass man nichts mit nach oben nehmen durfte. Was in seinen Augen auch Schwachsinn war, denn bestellen durfte man doch auch auf das Zimmer, aber Regeln waren Regeln und obwohl sich Kaoru an all diese hielt, war nun eine Zeit gekommen, wo er solche auch mal brechen musste. Er fühlte sich richtig rebellisch, als er im Aufzug stand und nach oben fuhr.

Als sich die Türen öffneten, starrte ihn ein verschlafenes Gesicht an. "Uuh Kaoru, du bist aber früh wach. Und so nen Hunger, wow."

"Um, ja." Dumme Antwort, aber was wollte man einem schlaftrunkenen Bassisten schon sagen, wenn der einen so zublubberte.

"Was von Die gehört? Muss ja echt krass sein, wenn er unter Quarantäne steht." Toshiya machte freundlicherweise Platz, um Kaoru aus dem Aufzug zu helfen.

"Ja, nein, ich hab nichts gehört seit gestern. Aber nachher, da ruf ich mal an dort. Ich sag euch später bescheid, okay? Ich muss los. Hab Hunger und so..." Plappern konnte Kaoru schon immer, allerdings äußerte es sich in nur halbverständlichem Nuscheln wie immer. Ohne eines Blickes zurück marschierte der Bandleader in Richtung seines Zimmer und lugte erst dann über seine Schulter zurück, als er das Geräusch der sich schließenden Aufzugstüren vernahm. Toshiya war weg. Gut so.

Nun konnte Kaoru getrost in Dies Zimmer gehen. Vielleicht sollten sie ein Klopfzeichen ausmachen. Andererseits war es mit dem Klopfen sowieso nicht möglich, da er alle Hände voll hatte. Also nuschelte er abermals gegen die Tür: "Mach auf, Die. Ich hab Frühstück."

Kaum ein paar Sekunden später öffnete sich die Tür und das Essen wurde den Händen des Bandleaders sogleich entrissen. "Endlich. Ich hab so Knast. Ich glaub, Frauen brauchen mehr Futter. Ich fühl mich merkwürdig."

Wortlos folgte Kaoru seinem Freund, der es sich mit seinem Frühstück auf dem Bett bequem machte. Dass der sich merkwürdig fühlte, war dem anderen schon irgendwie klar. Steckte schließlich in einer Frau fest und das nicht mit wünschenswerten Körperteilen. Er war die Frau. Hoffentlich würde er nicht auch zickig werden, wenn Die an Menstruationsbeschwerden litt. Würde er überhaupt so etwas haben? War er jetzt ganz durch und durch eine Frau? Und was würde aus der Band werden? Nein, nein, nein. So ging das nicht. Die musste wieder zum Mann werden!

"Äh Kaoru, ich brauch was zum Anziehen," murmelte Die in sein Brötchen und stopfte ein Stückchen Apfel nach.

"Hast doch was an." Kaoru verstand wie so oft nicht.

"Ja, schon. Aber merkste was? Es sieht beschissen aus." Klugscheißerchen Daisuke war einmal mehr zurück auf den Planeten Erde gekehrt.

"Na und? Wie lange haste denn vor, ne Frau zu bleiben, wenn ich fragen darf?" Aber Kaoru stand ihm in nichts nach, was das Besserwissen anging.

"Oh ja, danke, streu dem Die Salz in die Wunde. Aber nur zu deiner Info, ich will überhaupt keine Frau sein. Mich hat man nur nicht gefragt hierbei und wenn ich schon eine sein muss, dann wenigstens eine gut gekleidete!" Und was war schlimmer als ein klugscheißender Die? Richtig, ein eitler Die und das war er ohne Frage.

"Andere Sorgen haste nicht? Frag dich lieber mal, was wir machen. Letzter Stand der Dinge ist, dass du auch Verpflichtungen hast, die du ja offensichtlich nicht wahrnehmen kannst so. Und ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Noch ne Show absagen? Und dann? Die ganze Tour? Das können wir doch nicht bringen. Ist doch alles für'n Arsch, nur wegen dem Mist hier. Ich dreh noch ab." Frustriert seufzend pflanzte sich der Dunkelhaarige in einen der Sessel am Fenster und zündete sich eine Zigarette an, von der er einen tiefen Zug nahm. Lungenkrebs war in seinem Fall nicht das Schlechteste. So brauchte er sich keine Sorgen mehr um Die machen und würde langsam vor sich hin vegetieren. Voll emo.

"Darum hab ich mir überlegt, wir gehen einkaufen." Dies strahlendes Lächeln verursachte schlimmere Karies, als wenn er ein Mann war. "Wir können doch eh nichts machen. Und glaub mir, wenn hier einer abdreht, dann bin ich das. Wir sollten uns ablenken." Außerdem wollte Die mal raus aus diesem Hotelzimmer, in dem er ja nichts anderes machen konnte, als ständig daran zu denken, dass er gefangen war im Körper eines Weibs. Was ihn dazu brachte, dass er sich entweder mit Alkohol zulaufen ließ oder tatsächlich psychologisch in den Keller seiner Emotionen sank. Und auf Alkohol setzte er immer so an - das war nicht gut.

"Und was mach ich wegen der Konzerte?" Im Grund hätte Kaoru wirklich nichts dagegen, mal was anderes zu machen, als hier zu verzweifeln. Aber er konnte sich ja nicht einfach seiner Pflichten entziehen.

"Hast du nicht gesagt, ich stehe unter Quarantäne? Ich meine, wenn dem wirklich so wäre, dann wäre ich doch sicher auch nicht von heute auf morgen wieder gesund, oder? Und so blöd sind Nora und die anderen auch nicht. Die denken sich das sicher schon." Die hatte wirklich viel Zeit zum Nachdenken gehabt und trotz Alkohol und Reiherweltmeisterschaften im Anbrüllen der Toilette kam ihm in den Sinn, dass vielleicht, wenn er Glück hatte, eine ganze Woche frei für ihn rausspringen würde. Besser wäre das natürlich als Kerl, aber sollte er sich in einen solchen zurückverwandeln, konnte er ja so tun, als wäre er noch ein bisschen krank oder so... Jedenfalls, dazu musste man sich bei Kaoru einkratzen. War wichtig!

"Ja, schon. Ich fühl mich halt unwohl bei der Lügerei und wenn möglich, würde ich lieber auftreten... Geht ja aber nicht," murmelte Kaoru in seinen Bart und schniefte leise vor sich hin. "Was das uns an Einbußen kostet..."

"Denk doch nicht immer an Kohle! Ich kann es doch nicht ändern, Mann! Wie wäre es, wenn du mal nicht mehr maulst, sondern mich ein wenig aufmunterst? Ey, ich hab ne Muschi! Das wäre eigentlich ein Grund auszurasten." Erbost hob Die seinen Jogurtlöffel, als wäre er die Freiheitsstatue der Vereinigten Staaten, nur um damit ein wenig herumzuwedeln, bevor er lieber noch etwas von dem Erdbeerzeug in seinen Rachen schob.

"Mah." Kaoru fehlten die Worte. Irgendwo hatte Die ja durchaus recht mit dem, was er sagte, dass er umso näher dran war durchzudrehen, sollte er zumindest, und dass er dabei halbwegs ruhig bleiben konnte, grenzte an ein Wunder. Klar brachte die Situation nur Negatives mit sich, aber wenn man bis zum Hals in der Scheiße steckte, sollte man nicht nach unten schauen, richtig? Also war die Flucht vielleicht das einzige, was sie tun konnten. Zumal man Kaoru die Fragen stellen würde und nicht der jungen Dame auf dem Bett. Doch genau die galt es hierbei zu schützen, sprich Die zur Seite zu stehen, ihm helfen, denn er war Kaorus Freund. Glaubte er. "Hm. Ich sag halt noch mal bescheid wegen dir und dass wir, grob geschätzt, die nächsten zwei Shows absagen müssen. Gibt uns Zeit bis... übermorgen. Hoffen wir, dass unsere Situation bis dahin weniger bescheiden ist."

"Du bist so weise, mein Freund." Es war seltsam, dass Die so scherzen konnte, aber was blieb ihm auch anderes übrig als schwarzer Humor und die Ablenkung, die ihm Kaoru gewillt war zu geben? Das allein machte ihn in jenem Moment überglücklich, zu wissen, dass er mal weg konnte von all dem hier, obgleich er sich nun als Frau auf die Straße trauen musste. Denn wie auch immer, er wollte keineswegs hier rumgammeln und langsam gaga werden, geschweige denn seine eigenen Band- und Crewmitglieder treffen. Wenn er so auf sein Handy sah und die vielen Nachrichten mit Genesungswünschen, dann wurde ihm ganz schlecht. Nicht nur Kaoru spielte den anderen etwas vor. Es war vor allem Die, der seine eigene Identität mit einem Schlag verloren zu haben schien, und er musste nun damit klarkommen. Egal wie.

Großherzig abwinkend, hievte sich Kaoru nun also von seinem Platz hoch und machte sich auf den Weg in sein Hotelzimmer, denn er musste sich unauffällig kleiden. Sie konnten niemanden als Begleitung mitnehmen unter den Umständen. "Ich zieh mich kurz um, mach den Anruf und hol dich wieder ab."

"Gebongt!", rief Die ihm nach und lächelte.
 

Keine halbe Stunde später stand Kaoru bereits wieder auf der Matte, eine riesige Sonnenbrille zierte seine kleine Nase und eine nicht unbedingt schicke Mütze, aber er war ja auch Inkognito unterwegs. "Fertig, Die? Machen wir uns lieber los, bevor außer Toshi noch mehr Leute wach werden."

"Bin fertig!", rief Die und schlurfte aus dem Zimmer mit einer unwesentlich kleineren Brille und in seinen viel zu großen Klamotten. "Gibt's hier nen Hinterausgang?"

"Keine Ahnung. Wir machen uns einfach schnell hier raus, würde ich sagen," antwortete der Chef mit gesetzter Stimme und lief schnurstracks zur Treppe. "Lift fällt aus. Kann man nie wissen, wen man da trifft."

"Okay..." War Die nur recht. "Hast du die Konzerte abgesagt?"

"Wohl oder übel, aber die gingen wirklich schon von aus. Hattest recht."

"Bin eben ein schlaues Kerlchen!"

"Naja... Kerl würde ich nicht gerade sagen..."

"Hmpf."

"Ist doch halt nun mal so," erwiderte Kaoru, als sie gemeinsam die Treppen hinunter schlenderten, oder vielmehr schlichen, stets einen Blick voraus.

"Mit deinem ehrlichen Charme kriegste nie eine ab, Ka-o-ru." Den Namen bevormundend betonend pflasterte Die ein Grinsen in sein Gesicht.

"Mund halten!", befahl der andere wiederum, als sie unten angekommen waren, schickte seinen Adlerblick noch einmal nach rechts, einmal links, dann wieder geradeaus, den Ausgang fokussierend. "Luft ist rein. Jetzt aber fix!"

Mit einer nicht zu missverstehenden Handgeste huschte der Leader seinen treuen Freund im Frauenkörper hinaus auf die Straße, ihm dicht auf den Fersen folgend, bis sie entlang der Straße liefen.

"Und jetzt?" Klar hatte Die rausgehen wollen, aber inmitten der Menschen fühlte er sich nicht unbedingt sicher und anscheinend war sowieso Kaoru derjenige, der einen Plan hatte. Wie immer, und so musste das ja auch sein, sonst verlor er seinen Rang als Obermacker.

"Jetzt... gehen wir zwei Blocks zum Taxistand, klettern in eines davon und lassen uns in die Einkaufsmeile kutschieren. Klar soweit? Gut." Zwischen dem Umziehen und seinem Telefonat hatte Kaoru genügend Zeit gehabt, schon mal zu planen, wie sie beide ihr Ziel am schnellsten und unauffälligsten erreichen würden.

Die nickte lediglich. Auf Kaoru war eben Verlass. Das stand fest.

Da war es auch kaum verwunderlich, dass sie sich schon bald in einem der Taxis in Richtung Stadtzentrum befanden. Und natürlich, ganz ohne Frage, machte sich Kaoru Sorgen. Er wäre ja auch nicht er selbst, wenn er sorglos durch die Gegend fahren würde. Sie beide waren allein ohne jeglichen Schutz ihrer Crew und sie würden nicht als Die und Kaoru gesehen werden, nein, sondern als Bandleader mit einer sehr schlampig gekleideten Frau. Was nicht an Dies Designerjeans lag, sondern an deren Größe.

Zwar hatten sie vertraglich geregelt, dass man sich bei Interviews mit der Band auf musikalische und inhaltliche Fragen reduzierte, statt sie mit Dingen über ihr Privatleben zu bedrängen, dennoch konnte Kaoru auf Fotos im Internet verzichten. Wegen Die. Natürlich wegen Die. Würde der es denn verkraften, wenn man ihn als Frau im Internet sah? Wie weit würde das alles noch gehen? Nicht auszudenken, sollten Fans Die erkennen.

"Kaoru, hallo, träumst du? Wir sind da," säuselte die viel zu laute Stimme neben dem Dunkelhaarigen und riss ihn damit aus seinen Gedanken. "Bezahl mal das Taxi."

"Oh, ja klar." Ohne überhaupt nachzudenken, zückte der Bandleader seine Brieftasche und reichte dem Fahrer genügend Geld. Dieser schenkte ihm durch den Rückspiegel einen bemitleidenden Blick und ein spöttisches Schmunzeln, bevor er Kaoru das Restgeld reichte. Was das nun schon wieder sollte?! Wo auf Erden wurde man noch mit Respekt behandelt? Leise schnaubend stieg Kaoru hinter Die her aus dem Taxi und warf die Tür zu, während er die riesige Shopping Mall betrachtete. "Dann mal los. Ich brauch eh noch Socken."

Die Augen verdrehend seufzte Die und ging neben dem anderen entlang in das Einkaufzentrum. Irgendwie war Kaoru schon knuffig in seiner Art. So dämlich konnte fast niemand sein, ohne es zu bemerken. Von Socken redete der. Für jede Frau zu viel Info. Die war zwar keine, aber wäre er eine, also eine richtige, dann würde er nichts über Kaorus Socken wissen wollen. Vielleicht sollte sich Die revanchieren und dem kleinen Bandleader helfen, ein wenig attraktiver in den Augen der weiblichen Bevölkerung zu werden? Nicht, dass er äußerlich nicht gut aussah, doch man konnte manche Züge durchaus noch unterstreichen, und andere wiederum etwas vertuscheln.

"Magst du hier rein?", fragte Kaoru plötzlich und drehte sich zu Die um, als sie vor einem Bekleidungsgeschäft standen.

"Sicher doch. Die werden schon was haben, schaut ja schon mal gut aus von hier," bemerkte die recht schlaksige Frau und lief nickend in den Laden, direkt auf die Herrenabteilung zu, bis sie durch ein nicht identifizierbares Zerren am Shirt aufgehalten wurde.

"Die! Du musst dort drüben hin." Aha. Es war also Kaoru, der Die unsanft aufhielt und in Richtung der Damenbekleidung deutete.

"Das wusste ich! War nur ein Test," kicherte dieser dämlich in seiner noch ungewohnten Stimme und machte sich relativ unsicher auf zu den Oberteilen an den einzelnen Ständern. War gar nicht mal so übel, was die hier hatten. Und Die hatte eine nette Figur, so für eine Frau. Konnte ja nicht schaden, davon mal ein paar Teile anzuprobieren...
 

Nach einer Zeit, die Kaoru vorkam wie die Ewigkeit multipliziert mit der Unendlichkeit, hatte es sich der Dunkelhaarige auf einem kleinen Sofa innerhalb des Geschäftes mit einem Becher Kaffee aus dem Automaten bequem gemacht. Er hatte sich kurz umgesehen, die erwünschten Socken gefunden, gewartet, versucht Die Tipps zu geben, wieder gewartet und letztlich entschieden, dass er Koffein brauchte.

Es war nun kurz nach Mittag und offensichtlich fand Die doch das ein oder andere passende Oberteil und dazu sogar ein paar nette Jeans. Dass er allerdings auch in Erwägung zog, einen Rock zu kaufen, fand Kaoru etwas merkwürdig. Als würde ihm Frausein sogar gefallen. Tat es das? Oder wollte Die nur mit seinen ellenlangen Beinen angeben? Die waren schon sehr lang und schlank so als Frau... Nicht übel.

"Hey Kao, schau mal!", rief Besagter plötzlich und zog damit die Aufmerksamkeit seines Freundes auf sich. "Ich hab Stiefel gefunden. Nur wie man drin laufen soll..."

Und so stakste Die auf hochhackigen Stiefeln mit Pfennigabsätzen durch den Laden, wackelte wie ein Schiff in Seenot und nach nur ein paar Metern fiel er mit einem kleinen Schrei zu Boden. Kaoru schlug sich die Hand vor das Gesicht, während eine Mitarbeiterin zu Die eilte und versuchte, ihm wieder auf die Beine zu helfen. Klappte nur nicht.

Was blieb dem Mann also anderes übrig, als sich aufzuraffen und dem armen Mädel am Boden seine Hilfe anzubieten. Das alles machte Kaoru langsam. Er hatte ja Zeit, während Die auf dem Boden strampelte und nun die Mitarbeiterin bat, ihn einfach liegen zu lassen.

"Hier Kao, zieh die Stiefel von meinen Füßen, bitte. Die sind ja mörderisch!", wimmerte Die und streckte seine Beinchen dem Bandleader entgegen.

Ohne mit der Wimper zu zucken, packte Kaoru an und zog das weiße Leder von den dürren Beinen, bevor er die Stiefel der Verkäuferin in die Hände drückte. Diese schien etwas peinlich berührt auf Dies Beine zu starren, kaute sich schräg auf der Unterlippe herum und hoppelte leicht merkwürdig von einem Bein auf das andere, schlug dann aber die Augen nieder. "Ich könnte Ihnen andere Stiefel anbieten," holte sie aus und betrachtete diesmal Kaoru. "Wir haben sehr schöne weiße Wildlederstiefel, zwar mit spitzen Absätzen, aber nicht sehr hoch. Wenn sie möchten, hole ich sie mal?"

Kaoru schaute verdutzt. Was fragte sie ihn? Sah er aus, als würde er weiße Stiefelchen aus Wildleder anziehen? Den Blick auf Die richtend, zuckte er mit den Schultern.

"Klar doch," bestätigte Die, der sich ohnehin vielmehr angesprochen fühlte. "Ich warte hier und..." Sein Blick schweifte durch den Laden. "Setz mich dort drüben hin." Nickend stemmte sich Die auf die Füße und sah der Frau noch einen Moment lang nach, bevor er sich zu seinem Kumpel wandte. "Hast du gemerkt, wie sie mich angeschaut hat? Komisch das."

"Hm. Beeil dich halt eben. Bevor sie was checkt." Mit den kurzen Worten ging Kaoru wieder zu seinem Sofa und lehnte sich darin zurück. Einkaufen mit Die war so schon immer ein Erlebnis gewesen. Jetzt dauerte es allerdings die doppelte Anzahl an Stunden als vorher. Aber sie hatten ja sowieso nichts Besseres zu tun.
 

Nach einer weiteren Stunde hatte sich Die ebenso genug Unterwäsche herausgesucht, hatte sich nach langem Protest von Kaoru auch gegen die teure Spitzenkorsage entschieden, obwohl er sie richtig heiß gefunden hatte. Aber sein Freund hatte schon recht - Die hatte ja nicht vor, jemanden zu verführen. Zunächst einmal waren andere Kleidungsstücke wichtiger und einen Teil davon hatte Die bereits anbehalten, zum Beispielt Unterwäsche und die süße Hüftjeans, die sich so eng um seine Beine schmiegte. Ebenso das schwarzgelbe Oberteil mit den Spagettiträgern, das ihm so gut gefallen hatte. Leger nannte man so was. Das gefiel Die ganz gut für den Anfang!

Am Kleidungsberg an der Kasse angekommen weiteten sich die dunklen Augen des Älteren. "So viel Zeug?"

"Naja, ich brauche das eben. Ist gar nicht mal so viel, nur das Nötigste," erklärte Die und reichte der freundlichen Mitarbeiterin seine Kreditkarte. "Wir müssen dringend noch in eine Drogerie, ich-"

"Entschuldigung, Fräulein. Leider kann ich Ihre Karte nicht akzeptieren." Mit einem verzeihlichen Lächeln reichte die junge Dame hinter Kasse die Kreditkarte an Die zurück.

"Wieso nicht?" Ohne großes Theater hakte dieser nach.

"Weil sie offensichtlich nicht Inhaber sind, sondern ein Andô Daisuke. Vielleicht gehört er ja zur Familie oder ist Ihr Mann, aber ich darf Kreditkarten nur vom Inhaber akzeptieren, tut mir sehr leid." Freundlich war sie ja - das war aber auch schon alles.

"Fuck." Da hatte man nun Kohle auf dem Konto und was konnte man damit anfangen? Nichts, sofern man im falschen Körper gefangen war. Jetzt auch noch seinen Ausweis auspacken konnte Die auch nicht. War ein Kerl drauf, keine Frau. Am Ende kam Die, also sie, die Die-Frau, noch als Taschenräuber rüber. Vielen Dank auch. Da blieb ihm ja nur noch eine Chance. "Kao...? Kannst du mal eben...? Ich geb's dir wieder, sobald- ich kann. Hm?"

Grummelnd zückte Kaoru also seine Karte. So einen Berg musste er zahlen und dabei hatte er ja eigentlich nur Socken gekauft! Wunderbar war das. Und so sah er zu, wie die Frau hinter der Kasse so langsam alles einscannte und mit jedem Mal ein leises Piepsen bei Kaoru Herzschmerzen auslöste. "Was? Du hast auch die Stiefel genommen?"

"Was denn? Die sehen doch schick aus!" Die Einstellung konnte er vielleicht ab! Wenn Die schon mal einkaufte, konnte er sich auch gleich richtig für alle Eventualitäten einkleiden. Er war doch kein armer Penner! Und Kaoru musste nicht so knauserig tun. Der hatte auch Bares im Sparstrumpf.

"Vielen Dank für Ihren Einkauf," sagte die Frau, während sie die Sachen in mehrere Tüten packte und Kaoru die Kreditkarte wiedergab. "Sie haben wirklich einen großzügigen Freund," lächelte sie Die an und schob noch einen bunten Zettel in die kleinste der Plastiktüten.

Kaoru schnaubte lediglich.

Und Die grinste doof. Als ob er mit Kaoru ausgehen würde, wenn er wirklich eine echte Frau wäre?! Idiotisch. Dann würde er sich mit coolen Jungs einlassen - nicht mit dem Geizhals, der Socken kaufte.

"Ich gebe Ihnen noch einen Gutschein mit. Der ist für einen Laden, der gleich hier um die Ecke aufgemacht hat. Dort bekommt man alles rund um Körperpflege. Haarschnitte, Massagen, Kosmetik, Enthaarungen..." Sie ließ das letzte Wort mal so ausklingen, als sie wieder ein Lächeln aufsetzte. "Die haben jedenfalls Angebotswochen. Zwei Haarschnitte zum Preis von einem und mehr. So, bitteschön."

Die Tüten drückte sie Kaoru in die Hände und reichte nur die kleinste der jungen Frau daneben, die ziemlich dämlich aus der Wäsche blickte. Wie... Enthaarungen? Hatte sie deshalb auf Dies graziöse Beine geschaut? Klar waren die unrasiert! Die war ja auch in Wahrheit ein Kerl! Grunzend schnappte er sich die Tüte und verließ den Laden mit einem Grunzen.

"Auf Wiedersehen," verabschiedete sich auch der Maulesel Kaoru und latschte in Zeitlupe aus dem Geschäft. "Können wir jetzt wieder zurück?"

"Nein, können wir nicht," zickte die Diva neben ihm.

"Warum nicht?" Kaoru musste erst mal die Taschen abstellen. Puh, die waren schwer.

"Hast du die nicht gehört? Was denkste wohl, warum die mir den Gutschein gibt? Das war ein Wink, Kaoru, einer mit dem Zaunpfahl, aber ein wirklich fieser! Nur weil sie meine Beine gesehen hat, die kleine Kröte. Darum krieg ich nen dummen Gutschein! Die spinnt doch." Man konnte sehen, wie dunkle Rauchwolken aus Dies hübschen Köpfchen drangen.

"Was ist denn mit deinen Beinen?" Also für Kaoru waren die vollkommen in Ordnung.

"Unrasiert. Darum die Anspielung wegen der Enthaarungen...", grunzte Die nur und zog sich eine Zigarette aus Kaorus Brusttasche.

"Na und? Die weiß es halt nicht besser..." Ups. Und Kaoru war das gar nicht aufgefallen. Er hatte ja auch schon länger keine RICHTIGEN Frauenbeine mehr gesehen. "Reg dich doch nicht so auf darüber."

"Tu ich aber!"

"Und wieso?"

"Weil sie recht hat!" Leider.

"Ja, na und?", wiederholte sich Kaoru abermals. "Dann haste eben Haare am Bein. Hab ich auch."

"Du bist ja auch ein Kerl! Und ich steck fest in einer Frau! Und nach meinem letzten Stand sollten die keine Haare an den Beinen haben." Wieder schnaubte Die, zog an der angesteckten Zigarette und blies den Rauch aus. "Wir gehen da jetzt hin und ich lass die entfernen."

Mit offenem Mund starrte Kaoru die Die-Frau an. "Wie jetzt? Spinnst du jetzt ganz?"

"Nein, ich mag nur nicht dumm angemacht werden. Außerdem hab ich den Rock da gekauft und, na ja, ich käme mir eben dämlich vor, wenn mich Leute auslachen und so..." Ein Schulterzucken begleitete Dies Ausführungen. "Außerdem könnten die mir auch gleich die Haare schneiden. Ich hab nicht mal ne richtige Frisur. Halt nur lange Haare ohne Form. Und wir haben doch nichts vor, oder?"

Kaoru holte tief Luft. Was sprach dagegen? Ihm fiel nichts ein. Verdammt. Wo waren seine Argumente, wenn er denn mal welche brauchte? Das flaue Gefühl in seiner Magengrube hielt ihn vom Denken ab. "Ich hab aber Hunger."

"Also gut, dann gehen wir eben vorher schnell was essen und dann in diesen Körperdingensladen," gab Die als Kompromiss zum Ausdruck und nickte. Für ihn war das mal glatt beschlossen.

Schulterzuckend hievte der Leader also die Taschen wieder auf. "Dann lass uns ne Fressbude suchen."
 

Nach einem dicken Burger fand es Kaoru gar nicht mehr so schlimm, dass sich Die die Haare entfernen lassen wollte. Das ging doch eigentlich ganz schnell. Nur dass er auch noch eine neue Frisur wollte, pisste den Dunkelhaarigen ein bisschen an.

In dem Laden, der sich angemessener Weise ‚Bodyguard' nannte, stellte Kaoru erst einmal die Taschen zur Seite und sah zu, wie eine junge Frau Die mit in ein Hinterzimmer nahm. Er hatte sich für Wachs entschieden, denn das hielt wohl am längsten an und ersparte unnötiges Nachrasieren oder Epilieren. Von solchen Sachen verstand Kaoru nichts, also war ihm das auch egal, wie sich Die nun seine ach so schlimmen Härchen entfernen lassen wollte. Solange man Kaoru mit so einem Zeug in Ruhe ließ, war alles in bester Ordnung.

Er bekam auch noch einen Kaffee von einem anderen jungen Fräulein und schaute sich ein paar Bilder an, die hier so an den Wänden hingen. Schick. Erst als aus dem Hinterzimmer ein grauenerregender Frauenschrei drang, zuckte der Bandleader zusammen und fuhr mit großen Augen herum. War das Die gewesen? So genau vermochte Kaoru das nicht zu sagen, da er Dies neue Stimme noch nicht so genau kannte, schon gar nicht, wenn die in den schrillsten Tönen durchs ganze Mall drang, als hätte man einen Verstärker angeschlossen.

Totenstille herrschte dann plötzlich.

"Ihre Freundin geht wohl nicht so oft zum Wachsen?", quatschte ihn plötzlich die andere Tante von der Seite an und lächelte freundlich.

"Öhm... nö." War doch die Wahrheit.

"Ist eben ein bisschen unangenehm, aber das Resultat lässt sich zeigen. Sie werden sehen." Sie schenkte ihm noch ein weiteres vertrauenswürdiges Lächeln und nickte.

"Na, das freut mich." Nicht wirklich, denn eigentlich war es Kaoru ziemlich egal, aber nett konnte er schon sein, wenn er nur wollte. Darum zeigte er sich auch mal von der Schokoladenseite und grinste kurz. Er wollte gerade fragen, wie lange denn so etwas dauerte, als er bereits Dies Stimme vernahm.

"Junge, das ziept." Mit leicht angespanntem Gesichtsausdruck ächzte Die in Richtung des Stuhls vor dem großen Frisierspiegel. "Voll pervers, aber schön glatt. Willst mal sehen, Kaoru?"

"Nee, lass gut sein." Leider war der Kaffee auch schon alle und Kaoru war es langsam leid, hier nur rumzustehen und auf seine angebliche Freundin zu warten. Das schien doch jedenfalls jeder zu denken, oder nicht? Es war ja auch kein Problem für Kaoru, nur wenn seine Freundin dann solche Sachen sagte wie "Voll pervers.", dann war es ihm eben nicht einerlei. Er mochte biedere Mädchen. Hatte er das schon mal erwähnt? Sie durften dann ruhig auch ein bisschen wortkarg sein und prüde.

"Ja, dann eben nicht. Also gut, konzentrieren wir uns lieber auf meine Haare auf dem Kopf. Was meinste, was mir steht?" Da Die darauf von Kaoru keine Antwort erhielt, wandte er sich an die Frisöse. "Was, denken Sie, steht mir?"

"Nun gut, ich würde zuerst mal ein Stückchen abschneiden, die Seiten etwas stufig und vielleicht einen Pony. Dann Farbe. Wie wäre es mit Farbe?" Vorstellungen hatten diese Leute ja immer, womit Die bereits gerechnet hatte.

"Ja, okay, aber Farbe eher nicht. Ich find meine Farbe cool. Solange hab ich die noch nicht." Er mochte seine rötlich blonden Haare sehr gerne. Sie waren wie Herbstlaub, romantisch, aber nicht übertrieben wie so ein wasserstoffverblendetes Blond.

Und somit fing die Frisöse an zu schneiden.

Kaoru stand etwas weiter abseits, Arme vor der Brust verschränkt, Mütze in einer Tüte verstaut, denn es war schon sehr warm hier drinnen, und die Sonnenbrille an die Halskette gesteckt. Ihm war arschlangweilig. Er gähnte, starrte dabei Die an, wie seine Haare zu Boden fielen, wie man ihn zurechtstutzte. Langweilig, genau!

"So den Schnitt haben wir. Wirklich keine Farbe?"

"Na, vielleicht ein paar Strähnchen..." So ein paar hauchzarte rote Strähnchen würden sich bestimmt gut machen in Dies langem Haar. Und dann würde ihn auch garantiert niemand mit sich selbst verwechseln. "Dünne Strähnchen in rot wären ganz nett."

Ein missbilligendes Grunzen ertönte von hinten links. Durch den Spiegel schaute Die den Betroffenen an, zog eine Augenbraue nach oben und grinste plötzlich. Dann zog er die Frisöse näher an sich heran.

Was tuschelten die jetzt? Wie Kaoru Die kannte, konnte nichts Gutes dabei rauskommen. Noch könnte Kaoru flüchten. Aber wovor denn? Sie waren in einem Laden namens ‚Bodyguard'. Da würde schon nicht viel passieren können.

Doch da richtete sich die Frisöse auch schon auf, trug ein scheinbar unschuldiges Lächeln auf den Lippen und sah Kaoru direkt in die Augen. Der schnallte allerdings gar nichts, vor allem nicht weil Die dasselbe dumme Grinsen im Gesicht hatte. Die gute Frau, also nicht Die, kam auf Kaoru zu und schob ihn ein Stückchen zur Seite.

"Kommen Sie," forderte sie ihn so freundlich auf, dass er ihrer Bitte nachkam, denn er wollte nicht im Weg stehen, und befand sich, früher als erhofft, vor einem weiteren Frisierspiegel. "Nehmen Sie Platz."

Da die Frau nicht mehr als das von sich gab, tat Kaoru auch diesmal wie ihm geheißen. Was sollte es auch? Möglicherweise wollte sie ihm nur einen Platz anbieten und brachte ihm gleich wieder einen Becher Kaffee. Sie rannte jedenfalls schon mal weg, Die grinste noch immer doof vor sich hin und Kaoru zuckte mit den Schultern, als ihm ein leises Brummen über die Lippen kam.

Schon bald kehrte die Frisöse zurück - mit Verstärkung. Die andere Frau sagte Kaoru kurz Guten Tag, packte ihm am Schädel und zog ihn rückwärts, bis sich sein langes dunkles Haar in einem Waschbassin befand. Da dämmerte es auch Kaoru, was hier gespielt wurde, aber leider waren da seine Haare schon nass und als er sich aus dem Bassin kämpfte, zog man ihn einfach wieder zurück und seifte ihm die Haare ein.

"Ich wollt doch aber keine Haarwäsche," maulte er leise auf.

"Sonst kann ich ihre Haare aber nicht ordentlich schneiden," erwiderte die etwas unsanfte Frisiertante und rieb ihre Fingerkuppen über Kaorus zarte Schädeldecke.

"Ich wollt doch auch keinen Haa-"

"Ist schon gut so!", plapperte plötzlich Die und ein dritte Person setzte sich neben ihn. "Schneiden Sie einfach hinten was ab und machen sie Haare in seine Stirn. Sieht unmöglich aus so."

"Die, was sollen das jetzt? Ich kann selbst bestimmen," grummelte Kaoru und kam sich saublöd vor, denn nun saß er ja wohl schon hier und man hatte ihn überrumpelt, da kam auch noch Die und fuhr ihm über den Mund.

"Kannst du ja auch. Ich finde nur, dass du den Gratishaarschnitt nehmen solltest. Warst schon länger nicht mehr und ich finde, nimm's mir nicht übel, aber deine langen Haare sehen furchtbar aus. Kein Schnitt drin. Ich mein's nur gut. Vertrau mir."

Nun sprach Die auch noch mit dieser süßen Säuselstimme, als wäre er wirklich Kaorus Frau.

Seufzend gab Kaoru nach. "Wegen mir..."

"Schön!" Und damit streckte Die seine Fingerchen aus und die dritte Frau machte sich an die Maniküre, volles Programm, Feilen und Lackieren.

Darauf konnte sich Kaoru allerdings kaum konzentrieren, während er sich mental von seinen langen Rockerhaaren verabschiedete. Klar, Die hatte ja recht. Das wusste der Leader auch. Aber ihm gefielen diese langen Haare halt so. Also wehe die Tussi hinter ihm versaute den Schnitt! Dann war aber was los!
 

Kaoru hatte aufgehört mitzurechnen, wie viel Zeit nun wieder vergangen war, aber er hatte bereits an der Theke für die Dienstleistungen bezahlt und wartete nur noch auf Die, der noch schnell seine Augenbrauen gezupft bekommen wollte.

Als dieser endlich anmarschierte, hatte er wässrige Augen. "Hab vergessen, wie scheißweh das immer tat. Aber hey, dein Haarschnitt..."

"Ja?"

"Sieht gut aus."

"Hm. Danke."

"Findest du nicht?"

"Ist kalt im Nacken."

"Wehe du setzt diese hässliche Mütze jetzt auf."

"Ist gut, Mutti. Lass uns jetzt zurück gehen. Ich kann nicht mehr." Damit schnappte sich Kaoru wieder die Taschen, gab diesmal auch genug davon an Die ab, grinste schief und lief hinaus.

"Hey! Es wäre nett gewesen, wenn du nun auch gesagt hättest, wie schön ich bin!", fluchte Die ihm nach und eilte dem anderen hinterher. "Tsk. Männer!?"
 


 

Ende Kapitel Drei.
 


 

Die Werbung:

Die Commu für deutsche Dir en grey Fanfics: http://community.livejournal.com/diru_germanffs/

Mein Fanfic Account: http://sangha_ff.livejournal.com/, auf dem ALLE meiner Fanfics sind, als Erinnerung daran, dass ich mich mal bald von Mexx verabschieden möchte.

Fanfic Challenge @ Die x Kaoru: http://animexx.onlinewelten.com/community.php/deadlysins/tafel/?seite=2

Darf ich vorstellen?

Endlich mal wieder ein Update. Tja, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, so viel zu schreiben und so wenig Zeit. Aber erst einmal vielen Dank an die Leute, die beim letzten Kapi kommentiert haben, namentlich: KyOs_DiE, myameno, Marraskuu, Chokolade-Kat, KatzeMorle, _Domestic_Fucker_, Shivi, Serena_Yoshida, kyo_roshi, Kanoe, ni-yas_flower_sakito, Maulwuerfchen, Fresel, GacktJR, Streunertomate, Sandalphon, Miss_Jely, rollingthunder, PrinzessinAki & Sakura_16! An euch alle ganz besonderen Dank! Ihr seid so lieb, dass ihr richtig tolle, lange Kommis hinterlasst! *___*

Was Kapi 4 angeht, sagt mir bitte, was ihr denkt. Ich hab null Plan, was für Zeugs ich da eigentlich geschrieben habe, nur dass es extremst lang ist.
 


 

Kapitel Vier: Darf ich vorstellen?
 


 

Trotz dass Kaoru ohne Umwege zurück ins Hotel gewollt hatte, kam er nicht um einen Zwischenstopp bei der Drogerie herum. Da hatte Die nun schon French Nails und einen schicken Haarschnitt, da wollte er keinesfalls ohne Make-up weiter durch die Stadt laufen. Verständlich, wie er fand, dennoch total unverständlich für Kaoru. Klar, Die war eben eitel. Aber nur weil er kurzfristig mal kein Kerl mehr war, musste er sich doch nicht aufstylen wie ein Model. War doch sinnlos in Anbetracht dessen, dass er wieder ein Mann werden musste.

Zum Glück dauerte der Drogeriebesuch nicht ganz so lange und sie befanden sich beide bald im Taxi zurück zum Hotel. Nun konnte wirklich keiner mehr sagen, wer sich hinter dem hübschen Fräulein an Kaorus Seite wirklich verbarg. Das musste man Die schon lassen. Er sah richtig gut aus so.

"Was guckst du so blöd?" Eine der frisch gezupften Augenbrauen schob sich nach oben, als Die seinen Gegenüber skeptisch anschaute.

"Eh? Was?" Ertappt. Hustend drehte Kaoru den Kopf zur Seite und legte sein nichtvorhandenes Pokerface auf. "Oh, wir sind gleich da." Er konnte schon das Hotel sehen.

Die beließ es bei der Äußerung, schüttelte kurz den Kopf und schnappte sich sein kleines pinkfarbenes Drogerietütchen, welches er aus dem Laden hatte.

Vor dem Hotel bezahlte Kaoru das Taxi und er und Die nahmen kurzerhand die Tüten, die Kaoru gleichmäßig auf sie beide verteilte. "Lass uns schnell reingehen. Wer weiß, wo die anderen sind."

"Sag mal, Kaoru," begann Die vorsichtig, denn er wollte nicht, dass sein Kumpel das in den falschen Hals bekam. "Findest du mich eigentlich attraktiv?"

Nun gut, das war wohl doch mit der Tür ins Haus. Die Frage brannte Die unter den Nägeln, denn schließlich war er es gewohnt, dass man ihn anquatschte, ihm Komplimente machte, zu einem Cocktail einlud und so weiter. Als Kerl war das! Und nun, da er eine doch recht schnittige junge Dame war, da merkte er aber wohl, dass ihn niemand richtig angraben wollte. Nicht, dass Die das wollte, aber ein bisschen Resonanz wäre ja nun mal nicht schlecht. Nur war er mit Kaoru unterwegs und wie allgemein bekannt war, sah der Leader den Wald vor lauter Bäumen nicht.

"Häää?" Der stoppte natürlich erst einmal und musste sich sammeln.

"Na, so als Frau..."

"Umm..." Das war doch sicher wieder eine Fangfrage. Käme sie von einer Frau, dann würde Kaoru sofort Ja sagen, so viel wusste er schon. Aber kam die Frage von Die, wie sollte er nun schon wieder reagieren?

Die wartete geduldig, während er ins Innere des Hotels watete.

"N~ja, schon." Oh Gott. Kaoru betete, dass das als Aussage reichen würde. Oder war es vielleicht schon mehr Aussage als gut für ihn? Er war ja bekannt für die Fettnäpfchen, die er mitnahm.

"Geil!" Auf Dies Gesicht breitete sich ein überdimensionales Lächeln aus. "Du findest mich heiß!"

Kaoru schnaubte. "So hab ich das nicht gesagt."

"Aber gedacht!", konterte Die erfreut. "Komm schon, ich weiß, ich sehe gut aus. Und als Frau bin ich eine richtig scharfe Granate!"

"Bei der man nur drauf warten muss, bis sie in die Luft geht," murmelte Kaoru unterdessen und vergaß Dank ihrer - wie er fand - dämlichen Diskussion sich im Hotelfoyer umzusehen, bevor sie beide hereinmarschierten. Was lenkte ihn Die auch so ab? Reichte schon, dass sich eine Führungskraft wie der Herr Niikura mit Einkaufstüten rumplagen musste, da kam auch noch seine geistig minderbemittelte Begleiterin mit dummen Fangfragen. Das war sehr ärgerlich!

Und da war es auch schon zu spät. Kaorus grauer Star erkannte Toshiya an der Rezeption stehen, doch bevor man auch nur hätte ausweichen können, drehte dieser sich um und betrachtete sich das ihm gebotene Bild. Logisch, dass der sich durchaus wunderte, wen sein manchmal etwas trotteliger Bandkollege da anschleppte. Und mit was für viel Gepäck! Dem musste der Bassist auf den Grund gehen!

Als Die den langen Dunkelhaarigen erblickte, erstarrte er. In seinem Egowahn hatte er ganz vergessen, dass ja noch immer niemand wusste, wer er wirklich war. Und das sollte auch so bleiben...

Toshiyas Gesichtsausdruck konnte man entnehmen, dass er die beiden nicht einfach so entkommen lassen würde, als er auf sie zusteuerte. Kaoru konnte so etwas leicht abschätzen, wenn es um seine Bandfreude ging und eine Sache gefiel dem Leader ganz besonders nicht, nämlich dieses leichte, unglaublich freundliche Lächeln auf den Lippen des Bassisten.

Dies Fingernägel krallten sich unbewusst in das Handgelenkt des Bandleaders. "Mach was," fauchte er leise, doch Kaoru zog seinen Arm frei und schaute ihn böse an.

"Was denn? Sei einfach still und bleib ruhig. Der erkennt dich schon nicht," flüsterte er, darauf hoffend, dass seine Worte auch Wahrheit sein würden.
 

"Hallo Kaoru," nickte der Bassist ihm zu und lächelte. "Wir haben uns schon gefragt, wo du bist. Weißt du was Neues von Die?" Bedacht gab er dem Bandleader Zeit zur Antwort und ließ seine Augen auf der Schönheit daneben nieder. "Hey," hauchte er tiefer, als er normal sprach und Die hätte ihm am liebsten vor das Schienbein getreten.

Andererseits sagte Toshiyas Reaktion doch auch aus, dass er Die nicht erkannte, oder?

"Ich... ich war bei Die im Krankenhaus... oder hab versucht, zu ihm durchzudringen... ist aber nicht!" Genau, denn er war schließlich in Quarantäne, woran sich Kaoru gerade noch rechtzeitig erinnerte. "Naja, jedenfalls rufen die mich an, wenn er wieder virenfrei ist."

"Aha." Und nun, in jenem Moment, wunderte sich Toshiya über die Manieren seines Freundes. Wollte er seine Begleitung nicht vorstellen?" "Und dann? Warst shoppen, hm?"

"Äh, joah." Sah man ja an den Taschen.

"Und nicht allein, wie ich sehe?" Wieder lächelte Toshi die junge Frau an, jedoch war ihm mittlerweile egal, ob Kaoru nun mal aus dem Arsch kam. Dann würde der Bassist es eben selbst in die Hände nehmen sich vorzustellen. "Ich bin Toshiya," er streckte die Flosse vor, "und du?"

"Na, Die-" Es kam dem Rhythmusgitarristen so dämlich vor, wie sich sein Gegenüber benahm, dass er schlichtweg vergessen hatte, dass er wohl kaum Die oder Daisuke heißen konnte. Nicht als Frau jedenfalls.

Gott sei dank fiel ihm Kaoru ins Wort. "DAIYANA!", stieß er hervor und hätte sich am liebsten selbst eine runtergeklatscht, um seine Blödheit einzudämmen, gleich nachdem er zuerst Die verprügelt hatte, wenn er denn keine Frau wäre. Die schlägt man ja bekanntlich nicht, egal ob sie in Wahrheit geistesschwache Bandkollegen waren. "Ihr Name ist Daiyana. Nicht wahr, Daiyana?"

"Daiyana? Äh..." Verdutzt starrten Dies Augen zu seinem Bandpapa rüber, der ihn teils starr, teils flehend ansah, und dabei lächelte, was eine komische Mischung erzeugte, die dem Jüngeren ein wenig Angst machte. Dann schaute er wieder zu Toshiya, der ihn fragend, jedoch mit dümmlichem Grinsen anschaute. Irgendetwas sollte das Die sagen... Ach ja! Er war ja eine Frau! Klar, die hießen in Japan nicht Daisuke. Aber Daiyana? Hätte Kaoru nicht mit etwas Coolerem auffahren können? Na egal, Die warf sich ein süßes Grinsen ins Gesicht und schüttelte Toshis große Flosse. Jetzt würde sich zeigen, ob man Dies wahres Ich wirklich nicht erkannte - was Vor- und Nachteile hatte, auf die einzugehen, Dies Hirn gerade nicht in Stimmung war. "Ja, der Name kommt eigentlich aus dem Englischen, aber meine Eltern dachten, es wäre besser, die Schreibweise zu ändern, damit ich in Japan keine Probleme habe."

"Dann spricht man es Daiyena? Oder doch Daiyana?" Noch nie gehört hatte Toshiya so einen Namen in Japan, aber das mit dem Englischen erklärte Einiges.

"Wie man gerne möchte," versicherte Die und konnte kaum noch an sich halten nicht zu lachen, so geil war es festzustellen, dass man ihm wirklich jeden Scheiß abnahm als Frau. "Oder du sagst einfach Die."

"Die? Wie in Dai? Wie in unserem Gitarristen Die?" Das konnte der Bassist ja kaum fassen. Warum er wahrscheinlich auch zu folgender Annahme kam: "Bist du ein Fan?"

"Nein, tut mir leid. Fan bin ich nicht," faselte Die schulterzuckend, doch so lieblich, dass Kaoru fast die Kotze hochkam.

"Hm, dann bist du wohl...?" Absichtlich ließ Toshi die Frage erst einmal offen stehen in der Hoffnung, die junge Frau wäre so klug und beantwortete das auch ohne Rätselraten, wobei man wiederum bei Kaoru so etwas gar nicht erst versuchen musste. Entweder schnallte er das nie oder wollte nicht. Genau sagen konnte man das auch nie.

Leider wusste Die in jenem Moment gar nichts zu sagen, genauso wenig wie der Bandleader.

"Dann bist du wohl Kaorus Freundin?", fragte Toshi also diesmal ganz direkt ohne Hemmungen. Ihm kam das schon komisch vor, dass man den beiden alles aus der Nase ziehen musste, aber dagegen kannte er Maßnahmen.

"Nein!", erhob Die sofort das Wort und schüttelte heftigst sein Haupt. "Um Gottes Willen, nein! Wir sind nur... nur..." Konnte man Kumpels sagen, wenn man eine Frau war?

"Nur?" Freundlich lächelnd bohrte Toshiya weiter nach und wusste zu gut, dass er die junge Frau gerade in die Enge trieb. "Bist du verwandt mit ihm oder wie jetzt? Irgendwoher müsst ihr euch doch kennen."

"Verwandt?" Die schaute fragend zu Kaoru, schüttelte aber bereits den Kopf. "Nein, verwandt sind wir nicht, nein. Ich... ich bin..."

"Sie ist verwandt mit Die," nickte der Bandleader dann selbstzufrieden, als er dies ganz ruhig erzählte. Während sich Schweiß auf seiner Stirn gebildet hatte bei jedem Wort, welches Dies Mund verlassen hatte, und Kaoru nur darauf warten musste, dass dieser dank seines Geblubbers bald am Ende seines Lateins sein würde, hatte sich der kluge Bandchef bereits eine Geschichte zusammengesponnen. "Daiyana ist Dies Cousine aus... Yokohama, genau. Da lebt sie und ja, weil sie gehört hat, dass Die im Krankenhaus ist, kam sie heute Morgen mit der Bahn und... ich hab sie eben abgeholt. Alles klar soweit?"

Verwundert starrte der schlanke Bassist einen Moment lang auf Kaoru, nicht ganz sicher, aus welchem Buch er das gerade vorgestottert hatte, denn sonst hätte er das auch gleich sagen können. Dass Die ebenso verblüfft glotzte, bemerkte Toshiya zum Glück nicht.

"Ist das so?", fragte Toshiya also die angebliche Cousine von Die.

Dieser nickte lediglich.

"Yokohama, aha. Die hat gar nie erwähnt, dass er eine Cousine dort hat. Wir sind schließlich oft in Tokyo, da hätte er seine hübsche Cousine doch mal einladen können." Warum Toshiya stutzig war? Ganz einfach. Die Frau war geil und wenn die beiden ihm einen Bären aufbinden wollten, nur um geheim zu halten, dass Kaoru sie vielleicht schon nagelte, dann würde der Bassmeister der Sache schon auf den Grund gehen!

"Ich wohne erst seit Kurzem da." Wenigstens stand Die diesmal nicht auf der Leitung.

"Aber Kaoru kennst du länger, nehme ich an?" Schließlich hatte der sie angeblich vom Bahnhof abgeholt.

"Äh...mm...mjoah...?" Schwierig, dann Fakt war, wenn Die ihn schon länger kannte, dann brauchte auch diese Tatsache wieder eine Hintergrundgeschichte, kannte er ihn aber erst kürzlich, warum sollte Kaoru ihn dann irgendwo abholen?

"Wir kennen uns nur flüchtig," mischte sich selbiger auch gleich wieder ein und nickte bekräftigend. "Es ist so, dass ich Dies Eltern natürlich angerufen habe und du weißt ja, wie groß seine Familie ist. Seine Mutter wollte natürlich gleich herkommen, aber es ist doch unnötig weit von Zuhause aus bis hierher, also hat sie mich zurückgerufen und gebeten, Daiyana vom Bahnhof abzuholen. Reicht doch, wenn sie mal nach Die schaut. Wohnt ja quasi um die Ecke, ne?"

Die nickte brav und auch Toshiyas Kopf bewegte sich von Klarheit erleuchtet.

"Ganz genau," brabbelte Die auch schon wieder drauf los. "Ist natürlich Ehrensache, dass ich nach ihm schaue und seine Eltern und Geschwister informiere, ohne dass die erst hierher düsen müssen, nur weil Die mal im Krankenhaus liegt. Er hat doch mich!"

"Steht euch wohl sehr nahe, wie?" Kaum zu fassen, aber jetzt, wo Daiyana so sinnlos drauf los plapperte, erinnerte sie Toshiya wirklich ein wenig an Die.

"Ja. Ja, sehr. Wir sind... so dicke!" Die kreuzte die Finger und grinste.

"Und? Dann wart ihr gemeinsam bei Die?" So langsam machte alles Sinn für Toshiya, auch wenn Kaoru es kaum fassen konnte, dass er ihnen die Geschichte tatsächlich abnahm.

"N~ja, waren wir. Also... nicht direkt, weil Quarantäne. Hat Kao ja schon gesagt, ne. Also sind wir lieber was futtern gegangen und shoppen. Ich hatte kaum Gepäck dabei und wie es aussieht, muss ich ne Weile bleiben." So langsam begann die Sache recht entspannt zu werden für Die. Trotz Frausein benahm er sich relativ normal und doch schien niemand zu checken, dass er gar keine Frau war, sondern ein Kerl, nur halt im Frauenkörper.

Nicht entgangen war Toshiya jedoch, dass Daiyana ihren Bandleader mit einem Kürzel seines Namens bezeichnete, was wiederum darauf schließen ließ, dass sie doch vertrauter sein könnten, als sie zugaben. Andererseits, sie war eine Frau und diese liebten bekanntlich Kosenamen für alles und jeden. Und noch was bemerkte Toshiya: "Kaorus Matte ist ab."

Ein Grummeln war von dem ehemals Langhaarigen zu hören, bevor er leise brummte: "Mjoah. Wann hat man schon mal Zeit für Frisör..."

"Sieht schick aus, oder?" Die war noch immer total zufrieden mit dem neuen Haarschnitt auf des Bandleaders Kopf. "Ich finde, so kann er sich endlich mal eine Freundin angeln, oder Toshi?"

Verwirrt wurde der Bassist. Eigentlich wollte er nur andeuten, dass er gemerkt hatte, dass die beiden anderen noch mehr gemeinsamen Freizeitbeschäftigungen nachgingen. Doch DAMIT hatte Toshiya nicht gerechnet! Dass Daiyana jetzt einfach mal lossprudelte mit Details, als kannte sie Kaorus Beziehungsleid. Und nicht nur das! Sie nannte ihn Toshi! Also gut, vielleicht war sie ja wirklich nur sehr offen. Wie auch immer, Toshiya lächelte nur und nickte freundlich, während Kaorus Augen sich am Boden festklebten.

"Na gut äh... wir gehen dann mal, der Kaoru und ich, ne?" Und an dieser Stelle fiel Die auch mal auf, dass er eigentlich keine Ahnung hatte, wohin sie gehen könnten, ohne dass es erneut zu Fragen kam.

Der Bandleader hustete kurz, um seine trockene Kehle zum Reden zu bringen. "Ja, äh, Daiyana kann ja erst mal in Dies Zimmer und so, dacht ich. Weil, sie muss eh mal seine Sachen durchschauen. Danach, was er noch brauchen könnte, so fürs Krankenhaus. So ne Sachen eben."

Beeindruckt war Die von der so simplen Logik von Kaorus Erklärung. So sehr, dass er selbst noch einmal darüber nachdenken musste.

"Oh ja, ist klar. Dann macht das mal." Plötzlich hatte der Bassist eine Idee, denn so leicht würde er beide nicht entkommen lassen. "Hey, ähm, Dai? Dann sehen wir uns vielleicht zum Abendessen? Bist recht herzlich eingeladen."

"Ähjoah, warum nicht. Danke!", strahlte Die, blöd wie er war, und stupste Kaoru Richtung Fahrstuhl. Die Einschätzung über Dies Intelligenz unterlag natürlich dem Ermessen des Bandältesten, sozusagen dem Yoda der Gruppe.

"Bye," winkte Toshi dem süßen Hintern noch nach und seufzte. Wow, so einen heißen Feger hatte er schon lange nicht mehr gesehen, schon gar nicht an Kaorus Seite! Es war wichtig, nun Schritt für Schritt vorzugehen, damit sich in kürzester Zeit herausstellte, welche Rolle A) sie für den Bandpaps und B) der Olle für sie spielte. Klare Sache das. Und sollten sie wirklich nicht mehr sein als flüchtige Bekannte...

Ein sabberiges Grinsen erstrahlte auf Toshiya Gesicht, als seine Zahnspange gefährlich aufblitzte.
 

"Ganz toll. Wolltest du nicht lieber noch ein bisschen mit Toshiya plaudern?", murrte Kaoru den Jüngeren an, als sie endlich im Aufzug standen.

"Was denn? Es war doch nicht auffällig oder so. Und außerdem hat er nichts gemerkt! Verstehst du, was ich meine? Niemand checkt, dass ich ich bin. Alle denken echt, ich wäre irgendeine Frau," lachte Die verblüfft und sah dadurch ein wenig wie ein Geisteskranker aus, aber das sei ihm zugestanden in seiner neuen Haut. "Lass mich korrigieren. Nicht irgendeine Frau, sondern Dies Cousine aus Yokohama. Mit dem schicken Namen Daiyana."

Kaoru verrollte nur die Augen. "Hattest du eine bessere Idee? Dir wäre wahrscheinlich nicht mal eingefallen, dass Frauen keine Namen haben wie Daisuke."

"Ja. Ja, du hast recht," gab Die ganz offen zu. "Behaupte auch nichts Gegenteiliges, sondern nur, dass du das mit Bravur gemeistert hast."

Für einen Moment blieb Kaoru dabei die Spucke weg. Nicht, weil Die nett war. Nein, weil es dreist war. Und dämlich, nicht zu vergessen. "Danke...?"

Er schüttelte nur den Kopf und machte sich auf zum Hotelzimmer vom guten, alten Daisuke. Es brachte ja doch nichts, wenn man sich darüber den Kopf zerbrach, mit welcher Überheblichkeit dieser durch die Welt ging, obwohl er doch eigentlich am Boden zerstört sein müsste.

"Hauptsache, wir vergessen nicht, was wir ihm aufgebunden haben," mahnte Kaoru aber doch noch an.

"Ich heiße Daiyana, komme aus Yokohama und bin Dies Cousine. Nein, sehr gut aussehende Cousine," korrigierte Die, nachdem er am Spiegel im Flur vorbeigelaufen war und vor der Tür Halt machte, damit Kaoru mal aufschloss. "Ich wohne erst seit Kurzem da und bin hier, um nach meinem Cousin zu schauen. Passt doch prima. Und was machen wir, wenn wirklich meine Mutter anruft?"

"Wann ruft denn mal deine Mutter an?" Der Gedanke war zwar nicht unbedeutend, aber dennoch weit hergeholt.

"Ab und zu eben." Die zuckte mit den Schultern und streckte seinen grazilen Körper.

"Dann nimmst du eben ab, sagst, du bist Dies neueste Bettgefährtin und dass er im Badezimmer sei oder sonst wo. Ich glaube kaum, dass man in den Nachrichten berichtet, wenn einer von uns krank wird. Soweit kommt's wohl eher nicht." Kaoru stellte endlich die schweren Taschen im Raum ab und setzte sich aufs Bett, um zunächst einmal den Schweiß von der Stirn zu wischen und sich eine Zigarette zu gönnen.

Beim Wort Bettgefährtin legte Die skeptisch den Kopf schief. War das eine Anspielung gewesen? Wenn ja, war sie ihm nun auch egal, da er dem Rest von Kaorus Monolog zu folgen versucht hatte. "Gut, gut. Kein Die in den Nachrichten. Wie immer," faselte er dumm und kramte in den Taschen. "Wie spät ist es?"

"Viertel vor vier," erwiderte Kaoru brav und schloss für einen Moment die Augen. Endlich Ruhe. Vielleicht sollte er sich ein Bad einlassen?

"Hier, hör mal. Ich geh duschen und mach mich schick, ne. Dann können wir von mir aus runter zum Abendessen," ließ Die verlauten und machte sich mit einem kleinen Wäscheberg, seinem neuen Make-up und dem Kulturbeutel auf ins Badezimmer.

Kaorus Augenbrauen wanderten langsam nach oben, bis seine ganze Stirn in Falten lag. Dann zuckte er kurz zusammen, als die Tür des Bads ins Schloss fiel. Das war Die. Womit hatte man das verdient?

"Meinst du echt, es ist eine gute Idee, wenn du unten mit Abendessen isst?", bellte Kaoru lautstark Richtung des anderen Zimmers, damit Die ihn auch verstand.

Da öffnete sich die Tür erneut, Dies hübscher-denn er war ja eine Frau-Kopf schaute um den Türrahmen und sein Schmollmund lächelte. "Ja, schon. Ich hab es satt, mich hier zu verstecken und außerdem schnallt doch keiner, wer ich wirklich bin. Und wenn, dann kann ich es auch nicht ändern. Ich mach mich doch nicht zum Affen hier, nur weil Buddha beschlossen hat, es sei weiser, wenn er mir den Schwanz wegnimmt. Nicht mit mir, das kann ich dir sagen!"

Und schwups, war die Tür wieder zu. Na dann, dachte sich Kaoru und holte schon mal tief Luft. Am besten er dachte gar nicht darüber nach. Klar, wenn Die hier auch mal raus konnte, dann würde er dem Bandleader nicht die ganze Zeit auf die Eier gehen und der müsste nicht Kindergärtner spielen. Nur wenn Die da draußen alleine war in diesem neuen Körper, warum man seine wahre Identität besser nicht erfuhr, dann erschien es durchaus Sinn zu machen, an Dies Seite zu bleiben. Er würde sich sonst nur wieder verquatschen.

Aber war das Kaorus Problem? Ja, doch, weil er der Bandleader war und kam heraus, dass sein Rhythmusgitarrist jetzt eine Gitarristin war, so würde es vorbei sein mit der coolen Underground-Rock-Band, deren Genre man nicht zu bezeichnen vermochte. Goodbye Dir en grey hieß es dann.

"Die?", rief Kaoru abermals ins Badezimmer und klopfte sogar vorsichtig mit dem Finger daran, als er mit Rauchen fertig war. "Ich geh rüber und... komm nachher wieder."

"Ist gut!", kam es von drinnen zurück.

Recht so, dachte der Ältere. Er brauchte erst einmal ein paar Minuten für sich.
 

Auf dem eigenen Zimmer nutzte Kaoru die Zeit um sich selbst ein wenig seiner Eitelkeit zu überlassen. Die schönen, langen Haare waren ab! Ihm ward das Herz gebrochen. Ziemlich luftig im Nacken. Er zog sich um und versuchte, sich keine Gedanken weiter zu machen, von einer Minute zur nächsten zu leben und nur keinen Stress. Dann würde er nur wieder hohen Blutdruck bekommen und sein Arzt sagte ja bereits, dass es kein Wunder ist bei den Herzkranzgefäßen. Raucher eben. Nur wenn man mit Leuten wie Die die meiste Zeit verbrachte, hatte man eben auch keine Angst mehr vor dem Tod.

Fies war er. Na und? Er gönnte zwar niemanden das, was mit Die gerade los war-besonders nicht sich selbst-, aber trotzdem war es schon ein wenig ironisch, dass es gerade den Büchsenöffner höchstpersönlich getroffen hatte. Vielleicht war die Welt doch fairer, als Kaoru immer gedacht hatte? Bloß nicht, sonst müssten sie die Musikrichtung wechseln.

Nach einer knappen dreiviertel Stunde schlenderte Kaoru zurück zu Dies Zimmer und trat ungebeten hinein. Er behielt einfach die Schlüsselkarte-sicher ist sicher.

"Kao?" Oh je, es war die freundliche Abkürung, die das Fräulein benutzte, deren Stimme aus dem Badezimmer drang.

"Ja," murmelte eine Antwort aus Kaorus Mund, als er durch das Zimmer schlenderte. "Wer auch sonst..."

"Sag mal," begann Die, als er frisch geschminkt aus dem Badezimmer trat und sich das Haar nach hinten warf. "Findest du, ich sehe zu schlicht aus? Ich meine, muss ich mich noch mehr auftakeln oder bin ich so heiß genug? Ich möchte nämlich nicht als Durchschnittsweib durch die Gegend rennen, verstehst du?"

Kaorus Augen wuchsen kurze Zeit auf Tellergröße, bevor seine Augäpfel nach hinten rollten. Es durfte doch alles nicht wahr sein. Aber so war eben Die! Der war als Kerl schon schlimm, aber als Frau eine echte Herausforderung. "Nein, zu schlicht siehst du nicht aus," erwiderte Kaoru also brav, als er sich so ansah, was Die zu bieten hatte. Kurzer, weißer Rock und darüber ein rotbuntes Oberteil mit Goldschrift, was auch immer darauf stand und Kaoru sowieso nicht lesen konnte, dazu ein das Paar weiße Stiefel. Kurz gesagt: wie eine von Dies Flittchen, die er immer abschleppte. "Du siehst gut aus."

"Hm, ja, aber reicht gut?" Die marschierte zu seinen auf dem Bett verteilten Sachen und hielt noch ein weiteres Oberteil nach oben. "Mit gut habe ich mich bisher noch nie zufrieden gegeben, also fang ich damit gar nicht erst an."

Und so streifte sich Die das rote Teil vom Körper und drückte es seinem Kumpel in die Hand, "Hier, halt mal.", bevor er sich ein anderes, schwarzes Stück Stoff über den Leib zog und sich vorm Spiegel breit machte. "Ich weiß auch nicht..."

Kaoru musste schwer schlucken. Lange her, dass er mal so einen halbnackten Frauenkörper aus der Nähe gesehen hatte. Wenigstens hatte Die einen BH an mittlerweile! Aber kam es Kaoru nur so vor oder waren Dies Brüste gewachsen? Als der Ältere merkte, dass er starrte, drehte er den Kopf weg und verfluchte seine leicht in rote Farbe getränkten Wangen.

"Naja, nee. Gib mal wieder das andere Top," forderte Die auf und streckte die Hand danach aus, die allerdings ins Leere griff. "Ehhh! Niikura! Her mit dem Top!"

So kam ein Mann, der fast Mitte Dreißig war, auch zum Herzkasper! Einfach mit schriller Frauenstimme anbrüllen, was zartes Gemüt sich hinter dem rau aussenden Kaoru verbarg. Er war doch sensibel! Blitzschnell reichte er seiner Majestät das Oberteil, während sein Körper noch immer versuchte, sich vom Schock zu erholen.

"Danke," grunzte Die ihm entgegen und zog sich wieder sein rotes Lieblingsteilchen an. Ja, das gefiel ihm doch schon viel besser!

War doch nur Die, sagte sich Kaoru. Nur Die. Alles wird gut, versprach er sich selbst. Es war nur Die-keine echte Frau, bei der man hätte zu Recht Ehrfurcht zeigen müsste. Es war halt auch tückisch! Man wurde optisch verwirrt, vor allem, wenn eine Frau kaum etwas an hatte.

"Kao?"

"Hm?" Merke: Kürzel. "Welchen Gefallen kann ich dir nun schon wieder tun?" Wenn man die Frau nicht ansah, musste man auch nicht freundlich sein, weil man optisch nicht so in Mitleidenschaft gezogen wurde.

"Ich hätte dringend noch eine Handtasche kaufen müssen."

"Wha-häh?"

"Na egal. Ich merk schon. Du interessierst dich nicht die Bohne dafür, wie ich aussehe. Da sorgt man sich um deine Zottelhaare und verhilft dir zu besserem Aussehen und was machst du? Du schaust einen kaum richtig an. Kein Wunder, dass du keine Freundin hast... Ich meine, wenn du dein Geld auch zum Fenster rauswirfst für riesige Tätowierungen, da bleibt ja auch nichts übrig für eine Frau. Manche brauchen das eben, nicht wahr, Kaoru?"

Während Die redete, fing Kaorus Hirn langsam an sich abzuschalten. Tatsächlich. Dies war der letzte Beweis. Die war eine Frau. Nur Frauen konnten so viel Müll labern und dabei noch gut aussehen. Verdammter Rock! Da fiel noch nicht mal Dies nicht vorhandener Arsch drin auf, sondern nur seine-ihre?-langen, schlanken und nun auch noch enthaarten Beine.

"Los, lass uns gehen." Dies Handrücken krachte unsanft gegen Kaorus rechte Schulter zum Zeichen des Aufmarsch. Und mehr brauchte es nicht. Der Leader folgte gehorsamst. Es war ein Widerspruch in sich, aber so war Kaoru eben. Das Wort Leader sollte mit Trottel vom Dienst ersetzt werden.
 

Wenn man sich das Klackern Dies weißer Stiefelchen wegdachte, ihn nicht neben sich in Gestalt einer Frau herlaufen sah und er ebenso nicht gerade dummen Mist erzählte, so war es eigentlich wie immer. Es kam nicht selten vor, dass Kaoru und Die zum Abendessen trotteten, auch wenn sie sich in letzter Zeit kaum etwas zu sagen hatten.

Früher war das anders gewesen... Früher eben.

Und heute? Heute war sowieso alles komisch, denn nicht mehr der Angeber-Die lief schweigsam neben Kaoru her, sondern ein aufgetakeltes Plappermaul. Schön, dass sich Die so viele Gedanken machte darüber, wie er aussah und ob er sich die Haare hätte hochbinden sollen. Kaoru machte sich eher Gedanken über die Fragen, die seine anderen Bandmitglieder haben würden bezüglich ‚Daiyana'.

Unten angekommen wäre Kaoru am liebsten wieder umgekehrt, als er in die erwartungsvollen Gesichter seiner Mitmenschen schaute. War doch klar, dass Toshiya bereits alle über Dies Cousine informiert hatte und sogar die männliche Crew nun mit dämlichen Grinsen auf sie warteten. Toshiya sprang sofort auf, als er die beiden hereinmarschieren sah, zog einen Stuhl vom Tisch und bat Daiyana, darauf Platz zu nehmen.

Wie höflich, dachte Kaoru sarkastisch, und musste sich ein paar Plätze weiter hinten neben seinen Roadie setzen, weil sonst nichts mehr frei war. Sogleich stellten sich alle der Reihe nach der jungen Frau vor und erkundigten sich nach Die.

"Man weiß ja nicht viel, außer dass es so ein ansteckender Grippevirus ist," ließ Daiyana verlauten und empfing betretenes Nicken als Resonanz. "Ich war jedenfalls ganz schön in Sorge, denn Daisuke ist wirklich mein absoluter Lieblingscousin. Wir waren als Kinder wie Brüder... ich meine, Schwestern... äh, Geschwister halt. Zwillinge! Genau, wir waren wie Zwillinge, Daisuke und ich. Er ist ja auch toll, nicht wahr? So ein lieber Kerl..."

Und auch an dieser Stelle ging das Nicken reihum durch die Bänke, außer bei Kaorus Kopf, da tat sich nichts. Für ihn war das ganz unbegreiflich. Während er sich Sorgen machte, WAS KONKRET man den anderen erzählen könnte und was nicht, da sprudelte nur Müll aus Die heraus, als wäre er nur hier um die Werbetrommel für sich selbst zu rühren. Und Kyo sah Kaoru-ausgerechnet!-auch noch an, als würde der ein Kriegsverbrechen begehen, nur weil er nicht auch brav sein Köpfchen auf und ab bewegte. Was war hier los verdammt noch mal? Waren dann jetzt alle verrückt? So ein heißes Teil war ‚Daiyana' ja nun auch wieder nicht! Oder sah das Kaoru falsch?

Wie auch immer, er lehnte sich zurück und stürzte sich auf das Essen. Sollte Die doch palavern und der Rest der Gruppe zuhören, Fragen stellen oder sich mit Finger im Arsch drehen, das war Kaoru jetzt mal schön egal. Dann hatte er wenigstens Zeit und Ruhe zum Futtern!
 

"Sag mal, Dai. Wie lange bleibst du jetzt hier?", fragte Shinya und stützte sich auf seine offene Handfläche, nachdem er den Ellenbogen auf den Tisch gestellt hatte.

"Solange bis Die eben wieder fit ist," hieß darauf die Antwort. So gern Die über sich selbst redete, so hatte er auch viel Durst, griff sich eine Flasche Bier und öffnete sie, bevor er einen großen Schluck daraus trank.

Anscheinend merkte er nicht mal, wie man ihn mit großen Augen anstarrte. Konnte ja keiner wissen, dass die Schnapsdrossel Die in dieser Frau steckte, sonst wären seine Manieren ja auch erklärbar.

"Echt eine Familie," schnarchte der Roadie neben Kaoru leise und brachte ihn damit zum Grinsen.

"Eine Brut halt," flüsterte dieser zurück und erhielt zum Dank auch noch einen bösen Blick. Das sollte einer verstehen! Er gab dem Roadie recht und was passierte? Kein Verständnis. Nur das Gegenteil. Am besten Kaoru würde den Mund halten für den Rest des Tages.

"Und was machst du sonst so?" Fragen auf Fragen überquerten die Lippen der anderen, während sie Daiyana schöne Augen machten und ihr buchstäblich den Hintern dabei puderten, indem sie ihr jeden Wunsch von den Lippen ablasen. Diesmal war wieder Kyo an der Reihe, der ganz einen auf liebenswürdig machte.

"Ich? Also ähm..." Dabei stellte sich Die nicht mal sonderlich feminin an, war einfach sein dümmlich arrogantes Selbst und drehte Haarsträhnen über seinen Zeigefinger. "Nicht viel. Keine Ahnung, was ich mal machen will, also später. Ist auch nicht so wichtig. Bis dahin genieße ich einfach das Leben."

"Aha, und wie kommst du dabei über die Runden? Bist du so alt wie Daisuke?" Toshiya würde sich jedoch das Ruder nicht aus der Hand nehmen lassen. Er war schließlich zuerst da gewesen, mal abgesehen von Kaoru, aber den behandelte man ja eh bereits wie einen Aussätzigen.

"Na, na. So etwas fragt man aber keine Dame," entgegnete Die gekonnt mit einem Lächeln und einem Winken seiner Hand. Schlau war er nicht, aber wenn man etwas seine Profession nennen konnte, dann war es das Flirten. Anscheinend spielte sein Geschlecht keine Rolle dabei, denn in jedem Fall konnte er so all seine Tricks und Kniffe anwenden.

Wenn Kaoru mal aufpassen würde, hätte er vielleicht auch noch etwas gelernt.

"Entschuldige," bat Toshi dann ganz verlegen und senkte sogar den Kopf.

"Ist ja nicht schlimm," beruhigte ihn daraufhin Daiyana und ließ ihre Augenlider auf- und zuflattern. "Lass uns lieber über nette Dinge reden."

"Ja, echt mal," nickte Kyo dann bekräftigend und strafte Toshiya mit einem missbilligenden Scharfblick. "Du genießt das Leben, Dai, hast du gesagt. Und wie machst du das?"

"Naja," begann Die also einmal mehr und betrachtete prüfend seine French Nails. "Wie jeder andere eigentlich auch. Ich gehe viel aus. In Bars oder Clubs. Zum Tanzen und um nette Bekanntschaften zu machen."

Eigentlich musste Die gar nicht so arg viel lügen.

"Cool. Hey, wenn du Lust hast, geh doch mit uns heute Abend in die Hotelbar. Ist zwar kein Club, aber besser als nichts," schlug der Bassist vor und strahlte die junge Frau an. "Wir wissen eh nichts mit uns anzufangen, wenn wir keine Show haben, sonst hätten wir dich natürlich dazu eingeladen. Und selten haben wir so einen netten Gast!"

"Genau! Du solltest echt was mit uns trinken gehen!", stimmte sogar Shinya mit ein.

Nun, DAS konnte Kaoru nicht überhören, hätte sich beinahe auch noch an seinem Hühnchen verschluckt, als er begann mit dem Kopf zu schütteln. "Ich glaube nicht, dass Die, also Daiyana darauf Bock hat!"

Drei Paare entgeisterter Augen schauten ihn an. Oh nein, es waren vier Paare, denn Die sah ebenso aus, als würde er Kaoru gleich seine Essstäbchen in die Ohren stecken.

"Meinst du nicht, Daiyana kann für sich selbst reden?", knurrte Kyo rüber.

"Ja, ehrlich, und für sich selbst entscheiden!", blaffte Shinya den Bandleader an.

"Komm mal runter, Kaoru," bat Toshi dann nickend, als wäre der Ältere ein Kleinkind. "Du meinst es bestimmt gut, wissen wir alle, aber momentan sind wie off duty. Vergessen?"

Was hieß noch gleich OFF DUTY? Kaoru wusste es nicht, stand sowieso gerade auf der Leitung, duckte lieber den Kopf und knurrte leise vor sich hin. Die nahm es mit einem selbstgefälligen Lächeln, hatte jedoch ein wenig Mitleid, wenn auch nicht viel, und warf ein bezauberndes Lächeln in die Runde.

"Hey, alles easy, Jungs," begann er lieblichst zu reden, "ihr habt ja alle recht, auch Kaoru. Er macht sich bestimmt nur Sorgen. Die geht's nicht gut und wir waren den ganzen Tag lang unterwegs." Die Lächeln auf den Lippen verschwanden. Nur Kaorus Gesicht hellte sich auf, leicht, nicht zu stark. "Dennoch kann ich für mich selbst entscheiden, da habt ihr auch recht. Und reden kann ich ebenso selbst." Das merkte man, dachte der Leader, als sich sein Gesichtsausdruck wieder skeptisch verfinsterte.

Erwartungsvoll starrten die anderen auf Daiyana.

"Ich zieh mich einen Moment lang zurück für süße Ladies," kicherte diese und stand auf. "Ich muss meinen Lidstrich nachziehen. Dann sag ich euch bescheid."

Grazil stolzierte Die in Richtung der Toiletten, grinste noch gewinnend vor sich hin, bevor er siegessicher in die Herrentoilette marschierte. Natürlich hatten die Blicke der libidogesteuerten Männer jeden ihrer Schritte verfolgt, starrten nun mit großen Augen und offenen Mündern und wussten wahrscheinlich nur nicht, ob es ein Wink mit dem Zaunpfahl war ihr nachzugehen.

Nachgehen klang jedenfalls gut, Stuhlbeine krachten hart über den Boden, als ihre Nutzer die Sitze zurückschoben, bereit zum Sprint. Doch gerade als dies geschah, erstarrten die jungen Wilden erneut. Da kam Daiyana mit leicht angesäuerter Miene wieder herausspaziert und ging geduckten Kopfes in die Damentoilette.

Glück gehabt, dachte Kaoru. Er hätte dennoch schwören können, dass Die gerade Flüche vor sich hin gebrabbelt hatte. Egal, er war ja jetzt im richtigen Abteil. Und wahrscheinlich noch froh darüber! Denn man musste ihm durchaus zutrauen, dass er es genoss, andere Weiber beim Pinkeln zu belauschen.
 

Stattdessen vollzog sich in der Damentoilette nur der normale Akt, denn Bier drückte Die noch immer stark auf die Blase. Komisch, und er hatte immer gedacht, dass Frauen länger durchhalten könnten. Er schien auch ganz alleine zu sein, selbst als er sich am Spiegel noch einmal Lippenstift auftrug, die Haare legte und sein Dekolletee zurechtrückte. Der Push-up tat Wunder!

Peinlich war nur die Nummer gewesen, als er in die Männertoilette gegangen war. Nicht, dass ihn das sonderlich gestört hätte, auch nicht der ältere Herr, der gerade seinen Schwanz über einem Urinal ausrang. Kein Thema.

Allerdings störten Die die perversen Bemerkungen wie "Kommst du zum Halten, Süße?" und Blicke, bei denen ihm echt die Kotze hochkam. Er war doch nicht schwul! Machte wirklich Spaß, seinen Bandkollegen alles aus den Rippen zu leiern, wenn man mit ihnen als Frau ein bisschen herumshakerte. Sofern er heute Abend mit ihnen etwas trinken ging, würde er jedenfalls nicht dafür bezahlen müssen! Cool war das schon. Und lustig, vor allem lustig. Aber darum wollte Die ja nicht gleich anderer Kerle Schwänze halten - oder sah er so aus?!

Völlig absurd. Er war ja eine richtig scharfe Braut als Weib, aber dennoch steckte ein echter Kerl in ihm! Dass das mal klar war!

Humorvoll war er auch und nur darum flirtete er mit den anderen. Jawohl, so war das. Weil es total witzig war zu sehen, wie dämlich sie waren. Die selbst, also er als Kerl, würde natürlich niemals auf so etwas hereinfallen. Schade war eigentlich, dass Kaoru über ihn bescheid wusste. Der würde sich bestimmt am meisten zum Klops machen. Oder aber auch nicht. Bei dem wusste man ja nie. Unter Umständen konnte man dem auch mit Pamela Anderson kommen und er würde nur was an ihrer Nationalität zu meckern haben, weil er eigentlich immer einen Haken fand. Das war jedenfalls Dies Meinung zu dem Thema!
 

"Hey Kaoru!", rief Toshi in Dies Abwesenheit dem Bandleader zu und fuchtele mit der Hand wie wild umher. "Komm mal her."

Lust hatte Kaoru dazu nicht, aber da der Bassist nicht aufhörte zu winken und nun auch Kyo und Shinya der Meinung waren ihn zu rufen, gab er sich letztlich geschlagen und stand auf, nur um ein paar Plätze weiter zu tapsen und sich auf Dies Stuhl niederzulassen.

Kyo und Shinya tauschten mit Toshiya wissende Blicke aus, der letztlich seinen langen Arm um Kaorus schmale Schultern legte und ihn näher heran zog, so dass sie ihre Köpfe zusammenstecken konnten. Dann nickte er Kyo zu, der wie ein Abklatsch des Paten seine Finger wie betend faltete und Kaoru durchdringend ansah, bevor er mit der Sprache herausrückte.

"Ich will nicht lang um den heißen Brei herum reden. Bist du scharf auf Daiyana?"

Da blieb Kaoru erst einmal die Spucke weg und seine Augen weiteten sich auf europäischen Standard heran. "Was?" Mehr fiel ihm dazu nicht ein.

"Na, willst du was von Daiyana?", fauchte Kyo ungeduldig.

"Wieso das denn? Wie kommst du auf so was?" Woher nahm Kyo diese Idee, fragte sich Kaoru nur und schüttelte den Kopf, als wäre der Sänger nicht ganz dicht. Hatte er jemals Andeutungen gemacht? Die stürzten sich doch auf ‚Daiyana' und nicht er!

Dass er offensichtlich auf der Leitung stand, bemerkte der gute Kaoru nicht.

"Wir wollen ja nur sicher gehen!", beteuerte Kyo, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. "Du kennst sie halt schon länger als wir und Die zählen wir mal raus."

"Ja, und? Ich will ganz sicher nichts von ihr. Ganz sicher nicht. Glaubt mir!" Warum sollte auch Kaoru was mit Die anfangen wollen? Waren die beknackt? Gut, sie wussten nichts von Diayanas wahrer Identität. Trotzdem. Ne, also Kaoru wollte sicher nichts von ihr.

"Gut, sehr gut. War halt Ehrensache, dass wir dich zuerst gefragt haben," meinte Kyo dann zum Verständnis und sein Gesichtsausdruck wurde wieder freundlicher.

Zuerst?! Wen wollten sie denn noch fragen? Oder was hatten sie vor? Langsam, ganz allmählich, verzogen sich die Wolken aus Kaorus Hirn und es dämmerte ihm eine böse Vorahnung.

"Bevor was?", fragte er also mal ganz unsicher in den Raum.

"Bevor sie einer von uns klarmacht," kicherte Toshiya und trank sein Glas Jack-Cola leer. "Ist doch logisch. Hast du mal gecheckt, wie geil sie aussieht?"

"W...was?", stotterte der Bandleader und fing im Nu an zu schwitzen. "Wie? Klarmachen... Ich... ich mein, ihr habt doch nicht vor...?"

"Großer Gott, Kaoru! Jetzt stell dich nicht an wie ein Eunuch! Hast du Eier oder nicht? Die Frau ist megascharf!" Da könnte einem wie Toshiya glatt die Hutschnur platzen. Normalerweise machte er sich ja nicht über Kaorus merkwürdiges Verhalten lustig, das war Dies Job, aber in diesem Moment war es ja geradezu grotesk, wie der Ältere reagierte. "Es wäre ein Verbrechen, sie nicht anzugraben!"

"Ja, aber..." Das ging doch nicht! Sie könnten doch nicht ihren eigenen Bandkollegen anbaggern!

Andererseits... Tat Die nicht dasselbe? Und er würde doch sicher keinen von ihnen richtig ranlassen, oder? Würde er nicht. Und doch hatte Kaoru ein schlechtes Gefühl bei der Sache.

"Nichts aber. Jetzt sei still. Sie kommt," huschte Toshiya den anderen leise und legte schon mal ein freundliches Grinsen auf, bei dem man möglichst nicht seine Zahnspange sah.
 

Frisch geschminkt verließ Die die Damentoilette, ging wie ein Model über den Laufsteg in Richtung des Tisches und stellte sich ohne Worte, jedoch mit Lächeln auf den vollen, blutroten Lippen, daneben, da der Bandleader nun seinen Stuhl belegte. War aber auch egal für Die.

Man konnte diesen Deppen von Bandfreunden echt schon ansehen, dass sie nur darauf warteten, dass er-also sie-ihnen zusagte, etwas mit ihnen zu trinken. Na klar doch.

Nur Kaoru... Der war mal wieder wie ein apathischer Klotz. Saß da, zurückgelehnt, Arme verschränkt und starrte auf den Tisch. Er sah Die nicht mal an. Drohte nicht mal mit Blicken, dass er besser wieder sein zartes Pöchen ins Hotelzimmer schwang.

Na gut, Niikura. Dir mach ich einen Strich durch die Rechnung, dachte sich Die und leckte sich über die Lippen. "Also Jungs, wenn ihr wirklich wollt, dann komm ich heute Abend mit. Aber wirklich nur, wenn ich euch nicht störe." Höflichkeit war wichtig, um die anderen in Sicherheit zu wiegen, dass man sie nicht an der Nase entlang führte. Sofort freuten sie sich auch wie Kinder vor dem Süßwarenladen. Perfekt. Und Kaoru hob sein Köpfchen seufzend und schaute Die mit einem Schmollmund und Runzeln auf der Stirn an. "Und unter der Bedingung, dass Kaoru mitkommt. Eigentlich hatte ich ihm versprochen, dass wir uns abends ein wenig unterhalten, also..."

Mit einer Handgeste und flehenden Augen bat Die die anderen um Verständnis, schaute dann hoffnungsvoll zu Kaoru herunter und konnte sich kaum das fiese Grinsen verkneifen.

Kaoru jedoch musste aufpassen, dass er nicht vom Stuhl fiel. WTF. Mal ehrlich jetzt. WTF. Was sollte das denn jetzt? Die war ja so ein manipulativer Spinner! Er sollte bloß aufpassen, dass der Herr Leader nicht einfach aufstand und die Bombe platzen ließ! Was dazu führen würde, dass man ihn auslachte und als krank abstempelte, so wie Kaoru es beinahe mit Die getan hätte. Und wenn er ihm nicht half, würde Kaoru auch nicht beweisen können, dass Daiyana in Wahrheit ein verrücktes Mitglied dieser Band war. Ein Kerl also.

Kaoru musste fast selbst lachen bei dem Gedanken, denn nichts an Die erinnerte auch nur im Geringsten an den alten Die.

Er vermisste ihn. So bescheuert er auch war.

"Kao?" Dies Säuselstimme unterbrach seine Gedankengänge.

Ein Blick in die Runde verriet dem Ältesten, dass er geliefert wäre, wenn er nicht zustimmte. "Also gut," grunzte er leise hervor, geschlagen. "Wegen mir."

"Danke!", strahlte Die und blickte gespannt in die Runde. "Wie denn jetzt, Jungs? Gehen wir oder was?"

Mit einem Satz sprang so gut wie der ganze Tisch auf, Gläser fielen um, Besteck klirrte, doch Die warf nur seine langen Haare nach hinten über die Schulter und lachte leise vor sich hin. Wenn das Leben ihm einen Streich spielte, dann spielte er eben den anderen einen! So einfach war das.

Nur Kaoru saß noch da und betete heimlich zu welcher höheren Macht auch immer. Gläubig war er nicht, aber das beängstigende Gefühl, welches seinen ganzen Körper durchfuhr, sein Blut rauschen ließ und sein Hirn vor Sorge betäubte, ließ ihn gedanklich auf die Knie fallen.

Bitte lass mich dies hier ohne Schäden überstehen!
 


 

Ende Kapitel Vier.
 


 

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Überdosis Die für alle!

Zuerst der Dank an alle Kommi-Schreiber vom letzten Kapitel: Serena_Yoshida, Kanoe, Kaiyou, Fresel, Alice9, streunertomate, Maulwuerfchen, KatzeMorle, SaKiTo_AkIra, Chocolate-Kat, Kao-, Sakura_16, myamemo, ni-yas_flower_sakito, -Kaoru-, Aya-chan60, KyOs_Die, zuzanaka, BlackLightning & eine ganz schöne ENS. ;)

Gomen fürs lange Warten. Ich bin lahm, oft nicht da und dauernd unter Stoff. Schreibt man nicht gut, wenn man die Tasten nicht trifft. XD

Mal eine Frage am Rande: Wären euch kürzere Kapitel lieber? Bin da nur mal neugierig.

Zum aktuellen Kapitel: ich mag es nicht. Zieht sich halt ein bisschen, aber kürzer kann ich es nicht machen, sonst macht es keinen Sinn am Ende. Und es werden noch viele Kapitel werden, befürchte ich. Na, mal viel Spaß...
 


 

Kapitel Fünf: Überdosis Die für alle!
 


 

Wenn man wie Kaoru dachte, so musste man zugeben, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. Und darauf erhob er sein Bier und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas, welches er soeben an der Hotelbar erhalten hatte.
 

Nachdem sie alle eingetrudelt waren, hatten sie sich ein lauschiges Plätzchen in einer bequemen Sitzgruppe gesucht. Doch auch hier musste der Bandleader schnell feststellen, dass man ihn auf einen der äußeren Sessel verfrachtet hatte, damit die restlichen Bandmitglieder um die große Unbekannte herum auf dem kleinen rundlichen Sofa Platz hatten. Es sollte Kaoru ja recht sein, eigentlich, denn er hatte schon eine Die-Überdosis gehabt seit dem vorigen Tag, aber er fand das Benehmen seiner Freunde allgemein ziemlich affig.

Kyo tat ganz verständnisvoll, lieb und versuchte mit einem gewissen Intellekt bei ‚Daiyana' zu punkten, die aber doch sowieso über alles kicherte und ihre ganz eigene Meinung hatte. Dabei war sie nicht mal intelligent und trotzdem bekam sie von allen Seiten Zustimmung, auch von Kyo.

Shinya beäugte sie ruhig, lächelte so süß er konnte, wann immer sie in seine Richtung schaute und er sorgte ganz unauffällig für den nötigen Nachschub an Alkohol. Den Eindruck zu erwecken, er sei sorgsam, das lag dem Trommler eben. Doch eigentlich wollte er ebenso nur unter den Rock von Dies angeblicher Cousine wie alle anderen. Traurig, aber wahr.

Und Toshiya konnte das alles schlicht und einfach durch Dreistigkeit wett machen. Gegenüber Kyo war er keine Konkurrenz in Wortgewandtheit oder Rhetorik, und im Vergleich zu Shinya schien dieser ihm stets taktisch überlegen. Doch Toshiya war einfach, seine Witze geradeaus, seine Denkweise bescheiden und sein Gesicht süß, wenn man nach den Aussagen der weiblichen Fans ging. Darum also hatte er körperlich die Nase vorn, indem er ohne Nachzudenken seinen Arm zunächst auf der Lehne hinter Die, dann ab und zu auf ‚ihren' Schultern oder dem Rücken ablegte, sie wie durch Zufall immer wieder berührte, wenn man gemeinsam lachte, oder aber einfach nur direkt anzumachen versuchte.

Die schien das an sich gar nicht zu stören. Er grinste dumm vor sich hin und ließ sich einen Drink nach dem anderen spendieren, faselte über Gott und die Welt, nur nicht über sich, und hatte anscheinend tatsächlich Spaß.

Nur Kaoru saß da und wusste nicht genau, ob er den Drang verspürte, Die nicht eine Maulschelle zu verpassen, falls er ihn auch nur noch ein einziges Mal frech anzwinkern würde. Das tat er nämlich ab und zu aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht weil er dachte, Kaoru sei so etwas wie sein Komplize, oder aber weil Die glaubte, er müsste vor ihm prahlen, wie gut er schauspielern konnte.

Wie auch immer, es war ein Alptraum mit an zuschauen, wie sich Kaorus Kollegen zu Idioten vor ihrem eigenen Rhythmusgitarristen machten. Wie blöde musste man eigentlich sein? Denn mal ehrlich, so geil sah die sogenannte Daiyana ja nun auch wieder nicht aus. Sie war eher schlaksig, ein bisschen zu groß, ein bisschen zu dünn und weniger rundlich an den dafür eigentlich vorgesehenen Stellen. Das einzige, was selbst Kaoru ihr zugestehen musste, waren die langen Beine. Und vielleicht noch der samtig aussehende Teint. Okay, und die Lippen. Aber das war es dann auch!

Was Die natürlich gekonnt ausspielte, war der ihm von Gott gegebene natürliche Charme, seine positive Ausstrahlung, das Zahnpastalächeln und, leider musste man es hier erwähnen, seine nicht allzu quantitativ vorhandene Intelligenz. So ein markantes Zeichen konnten Männer auf hundert Meter gegen den Wind riechen. Eine dumme Frau fiel in das Beuteschema eines jeden Mannes, da im Zweifelsfall das Geschlechtsorgan regierte und die Befehle gab, welches bekanntlich auch nicht im Denkzentrum einen Platz hatte.

Sprich, der Penis wusste, dumm fickt gut.
 

Doch Kaoru hatte niemals so gedacht. Nicht, nachdem er seinen ersten Groupie gehabt hatte und mit Verdacht auf eine Chlamydieninfektion einen europäischen Urologen konsultieren musste. Schrecklich war das gewesen. Allein schon beim Gedanken an damals stehen Kaorus Nackenhaare zu Berge, auch wenn das schon viele Jahre her ist. Er hatte den Mann nicht einmal verstanden und war sich sicher, dass er den damaligen Dolmetscher nach seiner sexuellen Orientierung befragt hat.

Angst, pure Angst, hatte Kaoru damals um seinen kleinen Freund gehabt. Doch wie sich herausstellte, konnte man so etwas heutzutage schon mit Medikamenten behandeln und so ging der ekelige Juckreiz schnell vorbei. Der Bandleader allerdings hatte den Groupies von da an abgeschworen. Sein Glück schien eben allgemein nicht groß zu sein, wenn es um Frauen ging. Darum konnten sie auch so gut ficken, wie sie wollten. Wichtig war nur, dass sie bakterien- und keimfrei waren.

Wobei sich Kaoru da bei Die nicht sicher war. Bei dem Verschleiß an fremden Weibern. Ob sich Geschlechtskrankheiten übertragen haben, als sich Die von einem Mann in eine Frau verwandelt hatte? Wenn er denn wirklich welche hatte, denn auf der anderen Seite war Die auch ein sehr reinlicher Mensch, für dessen Arsenal an Hygienemitteln man einen zweiten Tourbus chartern sollte. Er rasierte sich manchmal zweimal täglich! Kein Wunder, dass er als Frau mehr und mehr erkannte, dass er so glücklicher ist! Ob er sich auch bald das Schamhaar abrasieren würde? Hatte er überhaupt noch welches?

Das alles fragte sich Kaoru auch nur, weil er sonst nichts Besseres zu tun hatte, dort, so ganz einsam an seiner Bar. Nachdem er es nicht mehr hatte hören können, die Flirterei zwischen Die und den anderen Jungs ihm zuwider geworden war, hatte sich der kleine Bärtchenträger lieber aus dem Staub gemacht auf einen der abgesondert stehenden Barhocker. Lieber alleine als gar keinen Spaß!
 

Die allerdings spürte an der anderen Seite das Raumes, wie ihm der Alkohol langsam zu Kopf stieg. Vielleicht vertrug sein neuer Körper nicht so viel? Nicht, dass der alte das getan hatte. Doch gerade jetzt und hier hatte Die Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, um nicht womöglich auch noch etwas zu sagen, das er später bereuen könnte.

Des Weiteren kam ihm Toshiya langsam wirklich zu nahe. Das bisschen Getätschel war ja schön und gut, denn Die als Mann - ja, sein Hirn war noch männlich genug das einschätzen zu können - konnte nur über Toshis lahme Versuche lachen. Anfänger. Langsam aber waren seine Schultergriffe etwas zu nervig, wenn er seine schwitziges Basspfoten an Dies Top abwischte.

Leider nahm der Alkoholkonsum seiner Freunde ebenso stetig zu und damit verloren sie alle auch ihre Hemmungen. Und dank Shinya war Dies Glas immer voll, wie er mit der Zeit zufrieden feststellte.

"Ich geh mal Nachschub holen," meinte der Drummer einmal mehr mit einem Auge zwinkernd und lächelte Die an, bevor er aufstand und Richtung Bar wackelte.

"Verdammt. Ich muss pissen," nuschelte Toshiya und hatte selbst beim Nuscheln noch zu kämpfen, denn sein Kopf erschien wie seekrank, schwankend. Dennoch mühte er sich nach oben und torkelte sich aus der Sitzgruppe frei. "Lauf nicht weg, Dai. Bin gleich wieder da."

Winkend verließ er die beiden Übriggebliebenen und schaute noch einmal nach hinten über seine Schulter, um Dai einen Luftkuss zu schicken, was allerdings beinahe darin endete, dass er über einen der anderen Tische gefallen wäre.

Ziemlich hacke, dachte sich Die und fühlte plötzlich eine Hand auf seinem nackten Knie.

Kyo.

Kyo?!

"Hey, lass uns tanzen gehen." Kyo??? Er streichelte sachte über Dais seidenweiches Knie und versuchte die Frau mit seinen Kulleraugen zu hypnotisieren.

Doch Die kannte diese Augen schon viel zu lange, als dass er auch nur irgendETWAS empfand beim Anblick der Psychoglupschen. Viel mehr Angst machte ihm, dass Kyo, der sich bisher wirklich noch zurückgehalten hatte, plötzlich tanzen wollte. TANZEN. Kyo!

"Ich muss mal!", platze es panisch aus Die heraus, bevor er von seinem Platz aufstakste und den Sänger entschuldigend ansah. "Meinen Lippenstift auffrischen und so Sachen..."

Mit Runzeln auf der Stirn nahm der Sänger dies zur Kenntnis und seufzte.
 

Uuh, was war das denn? Den Kopf starr nach unten gepresst, setzte Die schön einen weißen Stiefel vor den anderen, immer in Richtung Toilette. Dort würde er sich in Sicherheit wiegen können. Und nur dort!

Doch genau dort sollte er so schnell nicht ankommen, denn etwas packte ihn plötzlich um die Hüfte und drehte ihm im Kreis, so dass ihm schon ganz schwindelig war. Übermut tut selten gut und Die kannte eigentlich nur einen, der immer übermütig war. Genau dieser grinste ihn freudig an, als er endlich stoppte und seine Riesenhände natürlich nicht von der schönen, schmalen Taille nahm.

Bah, Die war noch ganz übel vom vielen Drehen und so ein bisschen war es ja auch gut, dass er sich in Toshiyas festem Griff befand, sonst wäre Die höchstwahrscheinlich zu Boden gesackt. Nichtsdestotrotz befand sich sein Gesicht nach seinem Geschmack gerade etwas zu nah an dem des Bassisten und darum drückte Die ihn auch von sich. Das darauffolgende Schmollen war ihm egal und so langsam verlor Die echt die Lust an der ganzen Sache hier.

"Komm zurück, Dai."

Ignorieren! Einfach ignorieren, dachte sich Die jedoch.

Und nebenbei bemerkt, wo zum Teufel war eigentlich Kaoru?

Zunächst einmal bog Die tatsächlich zur Toilette ein, richtete sich die Haare und schaute, ob sein Lidstrich noch in Ordnung war. Dann machte er sich auf Leadersuche. Der musste ja auch noch hier irgendwo sein, denn Die könnte schwören, er hatte ihn vor Kurzem erst noch irgendwo gesehen. Nur wo war das noch gleich wieder gewesen?

An der Bar! Genau. Jetzt, wo er ihn dort sitzen sah, fiel es auch Die wieder ein. Glücklicherweise schien Shinya mit den Drinks jetzt wieder am Tisch zu sitzen neben Kyo, der ein wenig schmollte, weil Dai nicht mir ihm tanzen wollte, und Toshi versuchte wohl einfach nur seine Aura wirken zu lassen, als er der hübschen Frau zuwinkte. Nun ja.

Lieber ging diese aber den Bandältesten aufsuchen. "Eh Kao."

Man(n) beachtete an dieser Stelle wieder das Namenskürzel. "Mmh?"

Der Ältere sah auf und legte den Kopf schräg, ein wenig müde wirkend, vielleicht leicht genervt oder aber einfach nur gelangweilt. Die konnte es nicht einschätzen, also machte er sich darüber auch keine Sorgen weiter. Wäre ja auch neu.

"Können wir zurück aufs Zimmer?"

Die Fragestellung an sich verstand Kaoru nicht ganz. Logisch konnten sie aufs Zimmer, nur auf welches? Sie teilten ja keins. Das Wir deutete in jedem Fall auf Die und Kaoru, sie beide, und nicht nur einen allein. Verwunderlich, denn Die konnte doch sonst alles so gut allein! Warum ließ er sich nicht einfach von den anderen aufs Zimmer bringen? Er war doch so ultracool, dass er sich unbedingt den ganzen Abend lang von ihnen aushalten lassen musste. Wieso also den guten alten Kaoru fragen, ob er die feine Dame nun aufs Zimmer bringen würde?

Eifersüchtig? Kaoru? Nie!

"Mjah." Brav nickend entschloss er sich jedoch vorerst den Wünschen von Die zu entsprechen, denn es brachte ja doch nichts, wenn sie sich nun streiten würden. Oder schlimmer: Die würde tatsächlich einen der anderen bitten, ihn nach oben zu bringen. Musste ja nicht sein, denn es war einfach zu gefährlich und wenn es um Gefahr ging, da war nun mal der Leader der Mann, den es zu holen galt!

"Trink halt aus. Ich sag den anderen Tschüss," lächelte Die breit und schlenderte zurück zu den restlichen Mitgliedern von Dir en grey.

Gott, in manchen Situationen war es doch wirklich nicht schwer, keine Frau mehr zu sehen, sondern den alten Die von früher! So ging es jedenfalls Kaoru, wenn er das Atomgrinsen des Rhythmusgitarristen sah. Das war dann so was von Die! Das war noch viel Die-er!

Seufzend begab er sich auf den Weg um seinem Lieblingskollegen hinterher zu trotten und bekam im typischen Leaderhalbschlaf auch noch etwas von dessen AbschiedsAUSrede mit.

"Ich muss dann jetzt gehen, Jungs. Ihr wisst ja, dass ich eigentlich Kaoru versprochen hatte, mich ein wenig mit ihm zu unterhalten. Na, und jetzt sieht er halt eben schon ein bisschen geknickt aus, ihr versteht?" Mit einem Winken der Hand und einem passenden Augenverdreher lächelte Die seine kleine Lüge charmant und klapperte ein wenig mit den Wimpern den schmollenden Mündern zu. "Ihr kennt ihn ja. Besser als ich sogar, ne? Also... da sind halt so organisatorische Dinge und blah, das will er mit mir absprechen. Egal. Wir sehen uns morgen!"

Damit drehte sich Die um und lief winkend zur Tür.

"Niikura, du alte Spaßbremse!", warf Toshiya dem Bandoberhaupt dann auch gleich mal an die Birne und schaute ihn missbilligend an.

"Echt mal. Danke für die Unterstützung!", schnaubte Shinya ihm von hinten sarkastisch in den Nacken und verzog böse das Gesicht.

"Was denn? Die Zeit ist halt um und Ende. Ist doch nicht mein Bier, wenn ihr nicht schnell genug seid." Patzig streckte Kaoru ihnen den Mittelfinger entgegen und drehte sich um, damit er mal fix hinter Die hermachen konnte.

Richtig mutig war er gewesen! Und so was von schlagfertig, dass er noch immer mit stolzem Grinsen dastand, als er und Die bereits im Fahrstuhl standen.

"Und? Hat dir der Abend gefallen mit den Jungs, ja?" Hoffnungsvoll sarkastisch blickte Kaoru rüber zu der Frau, die gerade prüfend ihre Fingernägel beäugte. Hören wollte der Leader nur mal einen Satz wie ‚Nein Kao, das war alles furchtbar anstrengend und ich will nur noch ins Bett. Tut mir leid, dass ich dich so lange allein gelassen habe.', aber es schien ihm vergönnt zu sein. War es nun darum, weil es schon zwei Sätze gewesen wären, die sich in Kaorus Hirn zu Worten formten, oder weil es einfach niemals über Dies Lippen käme.

"Ja, doch. War nett. Sie werden nur langsam aufdringlich und schwul bin ich Gott sei Dank nicht." Schulterzuckend verzog Die sein Schnäuzchen noch einmal zu einem kleinen Lächeln und verließ den Lift, als sie ihre Etage erreicht hatten.

"Die wissen ja auch nicht, dass du ein Kerl bist." Das war irgendwie auch nicht ganz fair ihnen gegenüber, wie Kaoru fand, aber es war dennoch besser so.

"Darum musst du mich ja auch hochbringen. Du bist ungefährlich," gab Die verständnisvoll nickend zurück und machte an seiner Zimmertür halt. "Also dann. Ich geh pennen. Bis morgen."

Ohne einen weiteren Blick zurück hob Die die Hand und öffnete mit der anderen die Tür, so dass er wenige Sekunden später in dem Raum verschwand. Zurück blieb wie immer nur Kaoru, seufzend. Aber der konnte eigentlich nur froh sein, dass Die sicher in seinem Zimmer verstaut nun schlafen gehen würde. So war es am besten und beruhigt ging auch Kaoru auf sein Hotelzimmer, schloss die Tür hinter sich ab und entledigte sich langsam seiner Sachen.

Endlich schlafen! Das war vielleicht ein Tag gewesen, fast so irre wie der davor. Sich um Die zu kümmern war fast anstrengender, als Chef einer coolen japanischen Untergrundrockband zu sein.
 

"Wollt ihr wissen, was ich denke?", fragte Kyo die anderen zwei Verbliebenen, während er mit verschränkten Armen noch immer bis jetzt still an seinem Platz saß. Shinya war bereits dabei seine Jacke anzuziehen und Toshiya spielte mit dem Bierdeckel vor sich auf dem Tisch.

"Sag," meinte er nur kurz und schnaubte noch einmal. Die ganze Stimmung war hinüber, seitdem Daiyana weg war und er hatte so einen unbeschreiblichen Hass auf Kaoru im Moment, dass er ihn am liebsten gegen das Schienbein treten wollte.

"Dass Kaoru versucht uns vorzuführen. Er hat ja so angeblich null Interesse an Daiyana! Und integriert sich null bei uns hier am Tisch! Aber kaum kriegt sie Mitleid mit unserem Spalter, kriecht er vor ihr auf dem Zahnfleisch." Eigentlich führte Kyo nur Fakten auf - oder war das etwa schon die Begründung für seine Theorie?

"Und was sagt uns das?", fragte dann letztlich Shinya, der ebenso darauf wartete, dass Kyo seine Gedanken weiter ausführte und nicht nur dasaß wie der allwissende Messias.

"Ja, spuck es aus!", forderte Toshiya lallend und zündete sich noch eine Zigarette an.

"Na, ganz einfach, ihr Nasen! Entweder haben sie schon was miteinander und versuchen es zu verheimlichen ODER - und die Variante wäre mir lieber - Kaoru ist doch scharf auf sie und hey, ihr kennt ihn. Klar, er mag es nicht draufhaben mit den Weibern, aber Tricksen und Manipulieren, das liegt dem. So blöd ist der nicht, wie er immer tut." Kyo war sich 100 Prozent sicher. Schon oft hatte er gesehen, wenn Kaoru Gespräche so lenkte, wie er sie wollte, ohne dass seine Gesprächspartner davon etwas mitbekamen. Oder aber er stellte sich unwissend bei manchen Dingen, so dass ihnen allen niemand was konnte, wenn sie doch mal Mist verzapft hatten. Nein, Kaoru war kein Dummer und sollte er wirklich ein ernsthaftes Interesse an Daiyana hegen, so würde er sich auch reinknien, so viel war sicher.

"Wir haben ihn doch aber gefragt." Es konnte ja sein, dass Toshiya das zu blauäugig sah, aber wenn der Leader die hübsche Daiyana hätte haben wollen, so hätte er das doch zugeben können. Darum wurde er schließlich gefragt!

"Und was hättest du gemacht, wenn er gesagt hätte, er hat nichts mir ihr, aber er würde sie gerne flachlegen wie wir alle? Ist vielleicht sogar ein bisschen verknallt, der Gute, um es mal spannend zu machen," gab Kyo zum Vorschlag und Shinya musste bereits grinsen, da er wusste, worauf Kyo hinauswollte.

"Angenommen?" War das jetzt reine Spekulation? So etwas musste man einem angetrunkenen Toshiya schließlich sagen. Das Nicken von Kyos Kopf bestätigte jedoch die Frage alsbald. "Weiß nicht. Ich hätte ihm gesagt, er soll es versuchen, aber kommt er nicht an, sein Pech. Dann sind wir an der Reihe."

"Ha! Und wie lange hättest du ihm Zeit gegeben?" Kyo ließ nicht locker, bearbeitete die Situation beharrlich weiter.

"Wie? Zeit? Einen Versuch eben." Man macht sich ran und startet eine Attacke und kriegt man einen Korb, ist die Sache rum. So sah das jedenfalls Toshiya.

"Genau da haben wir den Punkt. Kaorus Versuche bei Weibern scheitern doch alle und sollte er ernsthaft an ihr interessiert sein, will er mit anderen Taktiken durchdringen. Er macht sich Dies Krankheit zu Nutze, so dass sie gezwungen ist, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Mann, er geht sogar shoppen mit ihr! Merkt ihr das nicht? Damit erhofft er sich, dass sie sich in ihn verliebt, weil er keinen Arsch in der Hose hat, um sie zum Beispiel einfach mal anständig anzugraben!" Mit der Faust auf den Tisch knallend, verschaffte sich Kyo Gehör wie ein Anwalt, der zu seinem berühmten Endplädoyer ansetzte.

Toshiya jedenfalls musste die Worte noch einmal überdenken, während Shinya die Sache jedoch schneller überblickte.

"Könntest recht haben. Kaoru spielt halt mal wieder die Leaderkarte aus. Macht auf verantwortungsbewussten Chef und sie fühlt sich in der Pflicht, sich mit ihm zusammen wegen Die Sorgen zu machen. Voll in seinem Element so, der gute Kao."

"Ja," bestätigte nun auch Toshiya. "Kao nennt sie ihn auch schon. Richtig dicke werden die, wenn wir nichts unternehmen."

"Und was sollen wir machen, um Kaoru aufzuhalten? Ist ja normalerweise nicht schwer auf dem Gebiet der Frauenwelt, aber beim Chefspielen ist er uns eben eins voraus." Hilflos blickte Shinya nun wieder zu Kyo, denn der erschien ihm momentan am kompetentesten.

"Überwachen sag ich." Das war seine Art der Problemlösung.

"Überwachen? Kaoru?" Nicht gerade Toshiyas Lieblingsgebiet.

"Und wie sollen wir das genau machen?" Shinya mochte die Idee auch wenig, aber vielleicht würde sich das dann ändern, wenn er ein paar mehr Details bekam.

"Weiß ich auch noch nicht so genau, aber ich denk mir was aus." Leider war Kyo noch nicht so weit gekommen in seinem ultimativen Plan, was das Aufhalten von Kaoru anging. Doch beim Schlafen hatte er meistens die besten Ideen. "Ich geh erst mal pennen."

"Gute Idee." Shinya hatte echt sämtliche gute Laune verloren und obgleich er nun Kyo zustimmte oder nicht, Daiyana war weg und der Abend im Arsch. Der Drummer wollte nur noch duschen und morgen wieder Angriff nehmen. War einfach das Beste. "Bis morgen dann."

Nickend stand auch Kyo auf mit der Absicht, es dem Schlagzeuger gleich zu tun. Natürlich war er nicht ganz so blöd, wie er sich stellte, denn einen Plan hatte er bereits, doch auch da waren die beiden anderen genau wie Kaoru Konkurrenten und sie würden sich schon selbst etwas überlegen müssen. Überwachen war gut und das würde Kyo auch tun, sobald er am nächsten Morgen wach war. Zu diesem Zweck würde er sich ausnahmsweise auch den Wecker stellen und zwar auf um Sieben! Da stand bekanntlich der Leadgitarrist auf, weil der ein Kaffeejunkie und Workaholic war, dem fünf Stunden Schlaf am Tag wohl reichten, um sein Leben als Oberleutnant der Band anzugehen. Wegen Kyo, gern. Nur Morgen würde auch der Sänger mal eine Ausnahme machen!

"Nacht Toshi."

"Mmh," war die einzige Resonanz des Bassisten, als er zusah, wie der kleine Gesangsprophet langsam verschwand. Alle waren weg, waren allein auf ihren Zimmern, um die Nachruhe anzugehen.

Vollkommen allein.

Genau wie Toshiya.

Kaum merklich war es für das bloße Auge, als die kleine Zahnspange wieder einmal aufblitzte, bevor sich Toshiya langsam und gemächlich von seinem Platz erhob und die Jacke überzog. Dumm war auch er nicht. Ein bisschen angetrunken vielleicht, aber sicherlich nicht so blöd wie seine Bandkollegen, was das Angraben von Weibern anging.

Auf Kaoru musste er keine Rücksicht mehr nehmen, denn es war bereits bewiesen, dass der auch nur an die Wäsche der heißen Daiyana wollte. Und das mit nicht ganz fairen Mitteln! Also warum sollte sich Toshiya das nicht auch gönnen? Angriff war noch immer die beste Verteidigung.

Was Kyo und Shinya anging, das war weniger interessant für Toshiya. Sie saßen alle im selben Boot und wer zuerst kommt, der mahlt bekanntermaßen zuerst.

Und heute Nacht würde es der große Bassmeister sein!
 

Bevor Die auch nur ernsthaft ans Schlafengehen dachte, zog er seine Stiefel aus, knallte sich in voller Montur aufs Bett und zündete sich eine Zigarette an. Himmlisch wie sich das Nikotin in seine Lunge bohrte. Frausein fand er durchaus interessant. Wie ein Blick hinter die Kulissen. Oder unter den Rock. Er könnte hierauf seine späteren Versuche bei Weibern zu landen vielleicht noch aufbauen. Wobei das nicht wirklich nötig war, denn seine Freunde aus der Band stellten sich seiner Meinung nach einfach nur dämlich an.

Fast aufgeraucht hatte er, als es an der Tür klopfte und im ersten Moment fiel ihm da eigentlich auch nur Kaoru ein, der wahrscheinlich noch dreihundert Fragen und Sorgen hatte, die er noch mit ihm teilen wollte. Hatte Die ja so gar keinen Bock drauf, aber als gutes Mädchen öffnete er brav die Tür und glotzte in das verzahnspangte Gesicht des Bassisten.

"Was... ist denn?" Er sah schon irgendwie merkwürdig aus, als würde Toshiya den Boden anschauen. Doch täuschte das, denn eigentlich schauten nur seine Pupillen unter den Lidern nach oben. War das sein Schlafzimmerblick? Wenn ja, dann übte er besser noch mal wieder.

"Wollt nur mal schauen, ob du gut angekommen bist," gab Toshiya zurück und stieß sich vom Türrahmen ab, an dem er mit der Schulter lehnte. "War ja nicht so lang, dein Gespräch mit Kaoru, hm?"

"Eh... nö." War ganz offensichtlich, irgendwie. Oder?

Mit einem halbseitigen Lächeln warf Toshiya eine Pranke an die Tür, drückte sie weiter auf und ging ins Zimmer. Automatisch ging Die drei Schritte zurück, leicht genervt, dass er nun auch noch Besuch hatte.

"Umso besser. So können wir uns noch ein bisschen... amüsieren." Das aufgesetzte Lächeln täuschte Die jedoch nicht darüber hinweg, dass Toshiya gerade ein Wort wie ‚amüsieren' benutzt hatte. Was konnte der Bassist eigentlich? Macht der auch mal was richtig? So ging man doch nichts an, was Frauen betraf, wenn man sie flachlegen wollte!

Flachlegen?

Da kam plötzlich so ein Gedanke in Dies Hirn hoch.

Toshiya hingegen kam nicht hoch, sondern nur nah. Einen weiteren Schritt nach hinten konnte Die allerdings auch nicht machen, denn da war die Wand. Wer baute so etwas auch in Hotelzimmern ein?

"Ah, das würde ich gern, aber ich bin todmüde." Schnell schauspielerte Die noch ein Gähnen ins Gesicht, auch wenn sich bereits Sorgenfalten auf seiner Stirn abzeichneten. Ach du Scheiße. Hier kam nichts Gutes bei raus.

"Ach, komm schon. So müde siehst du gar nicht aus," ließ Toshiya verlauten in einer süßlich klingenden Stimme, die Die wohl eher die Zehennägel nach oben rollten.

"Aber- aber-" Panik stieg hoch dem Rotblonden. Wie nah wollte Toshiya denn noch rankommen? Flucht nach vorn war unmöglich und hinter ihm noch immer die Wand. Er konnte sogar schon die Poren in Toshis Gesicht erkennen. Er würde ihn doch nicht...?

"Ich muss weg!", platzte es letztlich heraus, als sich ein Paar feindliche Lippen in Richtung Dies Gesicht bewegten. Zur Seite kam er raus! Warum war Die nicht gleich darauf gekommen? Einmal kurz ducken und unter Toshiyas langen Greten durch. Dann schnell ab zur Tür!

"Wo willst du denn hin?", fragte der Bassist schmollend und verzog beleidigt das Gesicht.

Gute Frage für Die, denn das wusste er auch nicht. Weg hier eben! Denn auf Toshiya hatte er echt keine Lust, schon gar nicht auf eine Begegnung sexueller Natur. Nur wie sagte man es einem Kerl, ohne ihn dabei zu sehr vor den Kopf zu stoßen? Nicht, dass sich Die sehr darüber Sorgen machen würde, aber dann hätte vielleicht der ganze Spaß ein Ende und er bekäme nichts mehr spendiert, wenn seine Abfuhr die Runde machte.

Oder was, wenn Toshi ihn auslachen würde? Das wäre ja noch schlimmer! Und ihm die Wahrheit zu sagen, war schon mal gar keine Option. Nie im Leben würde Toshiya ihm JETZT noch glauben, dass Die gar keine Frau war, sondern eben einfach nur Die, der zweite Gitarrenonkel in der Band.

"Ach äh, ich muss nur kurz weg." Raus eben.

"Gut, ich warte hier," rief Toshiya mit einem Lächeln nach und setzte sich aufs Bett. So einfach würde er sich hier nicht verdrängen lassen! Dass das mal klar war. Daiyana würde schon noch einsehen, dass sie sich um nichts anderes kümmern musste, als dass sie und Toshi eine schöne gemeinsame Nacht verbringen.

Kaum Sekunden später stand Die bereits auf dem Gang. Hinter ihm die Tür war sicher zu. Doch er war auf dem Flur und Toshiya im Zimmer. Wohin jetzt? Zurück ins Zimmer auf gar keinen Fall.

Zu Kaoru. Genau! Der allwissende Kao würde ihm helfen - wie immer.
 

Was konnte nach einem anstrengenden Tag schöner sein als eine heiße Dusche vorm Schlafengehen? Sex! Aber den hatte Kaoru das letzte Mal an seinem dreiunddreißigsten Geburtstag und das nur, weil er zu betrunken war, um das fremde Mädchen von ihm runter zu jagen. Wo die hergekommen war, konnte Kaoru heute noch nicht sagen, geschweige denn ihren Namen. Und dass sie wohl Sex gehabt hatten, wusste der Bandleader auch nur von ihrer Freundin, die ihm in Zusammenhang mit einer Ohrfeige verdeutlicht hatte, dass er besser die Finger von der jungen Dame ließ.

Das Leben ging schon merkwürdige Wege. Was machten unbekannte Frauen überhaupt auf seiner Geburtstagsfeier? Er wollte doch gar keinen Sex mit Fremden. Wegen der Chlamydiengefahr verstand sich. Da kam so eine wolllustige Lesbe über ihn und am Ende war er noch der Dumme. Aber jetzt war nicht die Zeit um darüber nachzudenken, denn Kaorus Ohren vernahmen vehementes Klopfen an seiner Zimmertür.

Schnell wickelte er das Handtuch um seine Hüften und versuchte, sein frisch geföntes Haar zu legen, bevor er zaghaft einen Blick durch den Türspalt wagte.

"Die?" Die Frage war nicht wirklich, ob er es war, sondern warum schon wieder.

"Ja, wer sonst? Schnell, lass mich rein." Leicht hibbelnd schob sich das rotblonde Geschöpf ins Innere des Zimmers direkt in Kaorus Arme, blickte zwei Sekunden lang in dessen Augen und stieß sich dann innerhalb einer Drehung wieder ab, um so an ihm vorbei zu den Zigaretten auf dem Tisch zu gelangen. Erst mal rauchen!

"Was denn los?", nuschelte Kaoru bereits seinen Automatiksatz, während er den Kopf schüttelte, um seine Trance zu verlassen, in die ihn Die vorübergehend geschickt hatte. Hatte der schon immer so haselnussbraune Augen gehabt? Auf jeden Fall benutzte er nicht mehr dasselbe Aftershave. Mehr so ein süßlich leichtes Damenparfüm.

"Toshiya ist los! Ich glaub, der will mich flachlegen." Die nahm einen hastigen Zug und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

"Ach nee." War Die so dämlich oder tat er nur so? Klar wollte Toshiya ihn flachlegen. Alle wollten das. Mal abgesehen von Kaoru, denn der wusste ja, dass Die eigentlich ein Kerl war. Nur wenn er es nicht wüsste...

"Doch! Kannst dich gerne selbst von überzeugen. Toshiya sitzt drüben in meinem Zimmer auf dem Bett und... boah Kao! Ich geh da nimmer rein, das sag ich dir!" Allein der Gedanke mit Toshiya eine Nacht zu verbringen löste Brechreiz aus in Die.

"Aber-" Weiter kam Kaoru nicht, dann brauchte er eine Denkpause. Warum konnte sein Freund auch nie etwas von Vorne erklären? "Was macht der denn dort überhaupt? Als ich dich hochgebracht hab, war er jedenfalls noch nicht da."

"Ja Mann!" Als wäre der Herr Niikura brothohl, schaute Die ihn an und schüttelte den Kopf. "Es hat geklopft, ich mach auf und schon war er drin. Und nun geht er nimmer raus! Und ich geh nimmer rein, solange der da ist. Ne, echt mal, Kao. Du musst was tun. Der... der wollt mich küssen und so." Allein der Teil, Kaoru das mit dem Küssen zu erzählen, kostete Die viel Überwindung. Passieren konnte so etwas, aber man(n) sprach es nie aus. Selbst wenn es gar nicht wirklich passiert war.

"Und was soll ich machen? Sag ihm doch einfach, dass du keinen Bock hast, ihn zu küssen... und so." In diesem Punkt waren sie sich einig. ‚Und so' war genug Bezeichnung dafür, was nach dem Küssen alles so passieren konnte.

"Nee, das geht nicht. Ich will da nicht mehr rein. Der ist doch angetrunken. Stell dir mal vor, ich sag dem das und er macht sich nichts draus? Oh Gott, ich krieg jetzt schon Ausschlag!" Vorsichtig fingerte sich Die übers Gesicht. "Sag, hab ich da Flecken?"

"Ja... nee!" Ganz durcheinander wurde Kaoru von dem Gelaber. Verstehen konnte er den anderen ja durchaus, aber darum wusste Kaoru dennoch nicht, was genau er nun machen sollte. "Und jetzt soll ich es ihm sagen oder wie? Meinst du, mir glaubt er das?"

"Zumindest wird er nicht versuchen dich abzuknutschen!" Das war doch mal ein Argument. "Schmeiß ihn halt raus."

"Haha. Sehr witzig." Soweit sich Kaoru erinnern konnte, war Toshiya acht Zentimeter größer als er, kräftiger gebaut und notgeil. Die Geilheit eines Mannes trug wesentlich dazu bei, Kräfte zu mobilisieren, wie man sie sonst nur in Todesangst hervorbrachte.

"Schön, dann eben nicht." Damit setzte sich Die aufs Bett, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme. "Bleib ich eben hier."

Sich die Stirn reibend dachte Kaoru nach. Blieb ihm wohl auch nichts anderes übrig. Rauschmiss war keine Lösung, aber Die hier zu behalten auch nicht wirklich. Wo sollte denn Kaoru dann bitte hin? Wohl kaum konnte er in Dies Zimmer schlafen, wo doch Toshiya dort war. Und Toshiyas Zimmer fiel auch aus, da es gut möglich sein konnte, dass der auf die Idee kam, sein eigenes Zimmer doch noch zu nutzen. Wie sah das dann wohl aus, wenn plötzlich Kaoru sein Lager dort aufgeschlagen hatte?

"Ich red halt mal mit ihm." Was auch sonst konnte er tun? Einen Versuch war es wert. Seufzend angelte er sich etwas zum Anziehen aus seiner Tasche und kehrte Die den Rücken, während er das Handtuch fallen ließ, um in die Unterhose zu klettern.

"Boah Niikura, kannst du deinen Arsch nicht woanders hin entblößen?" Eigentlich war Die das egal, aber sich einen Spruch zu verkneifen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Er liebte es eben, den Älteren zu piesacken, wusste er doch um dessen Hang zur Unbehaglichkeit bei Nacktheit, um es mal formell auszudrücken.

"Hast du was gegen meinen Arsch? Glotz halt nicht hin!" Knurrend strampelte sich Kaoru in eine Hose und vermied Augenkontakt zu Die. Ihm war schon klar, was der da versuchte, aber momentan hatte der Leader so rein gar keinen Sinn für verbale Spielchen.

"Ich versuche es, aber dein Teint STRAHLT mich an. Du bist schuld, wenn ich blind werde." Es machte Die einfach viel zu großen Spaß mit dem kleinen Kao. Da vergaß man glattweg seine eigenen Probleme, wie riesige Bassmänner, die einem im eigenen Zimmer auflauern wollten.

"Ach, halt doch den Mund." Nachdem sich Kaoru auch ein T-Shirt übergeworfen hatte, verließ er schleunigst das Zimmer. Die konnte ihn mal kreuzweise! Kam um Hilfe bettelnd hier an und machte sich noch über den Leaderhintern lustig. War das zu fassen? Schließlich kam es von Die, der nicht mal so etwas wie ein Hinterteil besaß.

Sprach der Neid aus ihm? Höchstwahrscheinlich schon.
 

Wenig später stand Kaoru vor Dies Zimmertür und klopfte, bis dass ein skeptisch schauender Bassist die Tür öffnete.

"Endlich! Das hat aber-" Sein Blick verfinsterte sich, als er seinen neuen Erzrivalen anstarrte. "Ach. Was willst du denn hier? Daiyana ist nicht da."

Einen Augenblick lang brauchte der Gitarrist um sich zu sammeln auf die Begrüßung hin.

"Wo ist sie denn?" Zunächst versuchte er Toshiya lieber zu entlocken, ob der überhaupt wusste, wo sich Die gerade aufhielt.

"Geht dich das was an?", schoss der andere zurück und grinste einseitig fies, ohne die Tür auch nur einen Millimeter weiter zu öffnen. Kaoru sollte mal schön draußen bleiben! "Aber bevor du an Neugierde stirbst, will ich mal nicht so sein. Daiyana ist nur kurz weg um etwas zu besorgen, verstehst schon, und ich warte hier auf sie. Kannst dir vielleicht vorstellen, was wir noch vorhaben. Also wenn's dir nichts ausmacht...?"

Verpiss dich. Damit würde der Satz enden, wenn Toshi nicht so ein freundlicher Zeitgenosse wäre. Da er aber seinen alten Kumpel und Vorgesetzten nicht beleidigen wollte, appellierte er an dessen Verstand und Einsicht.

Am liebsten jedoch hätte sich Kaoru den Kopf gegen die Wand gerammt.

"Ich glaub ja nicht, dass sie wiederkommt," warf er darum mal so ganz trocken zwischen sich und den Größeren.

"Warum nicht, hm, Kaoru?", fauchte Toshiya zurück und genoss das innere Kopfkino, in dem er das Hirn des Bandleaders yakuza-slashig durch die Luft wirbelte.

"Naja, vielleicht... möchte sie nichts von dir?" Bei aller Menschenliebe, aber war es eigentlich möglich, dem anderen klarzumachen, dass es keinen Sinn haben würde, hier auszuharren und auf Daiyana zu warten? Der war doch so voll verblendet, dass alles, was Kaoru sagte, für ihn eh nur Schwachsinn war. Leider aber konnte Kaoru so Vieles nicht erwähnen, was Toshi wirklich von seinem Trip runterbringen würde. Es war ein Teufelskreis.

"Aber von dir, was? Hör mal zu, Kaoru. Meinst du, es checkt keiner, was du hier machst? Ich hab dich schon lange durchschaut! Wenn du aber zu dämlich bist, bei ihr zu landen, dann zieh keine Show ab, sondern verpiss dich einfach und lass die richtigen Männer ran. Von wegen, du willst nichts von ihr... Da lachen ja die Hühner." Am Ende der Rede grunzte Toshiya überlegen und seine Lippen zogen sich zusammen zu einer schmalen Linie.

Das ließ den Bandleader allerdings erst mal schlucken.

"Ich will auch nichts von ihr." Wie auch? Sie war ein er und zwar Die! Und was zur Hölle meinte Toshiya damit, dass er ihn durchschaut hätte? Dass Daiyana eigentlich Die war, konnte Toshi wohl kaum wissen. Glaubte der wirklich ernsthaft, Kaoru würde versuchen ihn auszuspielen, um selbst zum Zug zu kommen? Aber-

Die! Es war doch Die! Hilfe, so ging das ja mal gar nicht.

"Ich finde nur, dass wir sie nicht so überfallen sollten. Keiner von uns... euch. Also weil... Sie ist doch hier wegen Die und alles, an das ihr denkt, ist, sie flachlegen."

"Schon klar, Kaoru. Du willst nichts von ihr und wir sollen die Finger von ihr lassen. Passt doch perfekt." Toshiya war felsenfest überzeugt, dass auch diesmal der andere nur versuchte sich herauszuwinden. Aber auch er war kein Engel, das war klar.

"Oh Mann, Toshiya. Glaubst du doch wohl selber nicht. Ich..." Und hier verließen sie ihn. Was sollte Kaoru seinem Gegenüber denn noch sagen, ohne schlichtweg die Wahrheit in Umlauf zu bringen?

"Du, was? Immer nur du, ganz genau. Nur jetzt bin ich an der Reihe und du-" Die Tür einen größeren Spalt weit öffnend, trat der Jüngere einen Schritt vor und schob den Bandleader leicht zurück. "-verpisst dich jetzt besser. Daiyana ist schon erwachsen, Kaoru, und darum entscheidet SIE auch, mit wem sie das Bett teilt - und nicht DU."

Da blieb einem die Spucke weg! Nur andererseits war dem Leader auch so ein bisschen zum Lachen zumute. Ironie? Denn Toshiya jedenfalls schien der Letzte zu sein, mit dem Die sein Bett teilen würde und umgekehrt wäre es wohl auch so, wenn Toshi nur die Wahrheit kennen würde.

"Und jetzt entschuldige mich." Damit knallte er ihm die Tür vor den Nase zu und ging wieder zurück zu Daiyanas Bett. Leider lagen hier aber nur Sachen von Die, ein paar Einkaufstüten und Zigaretten. Wenigstens Letzteres versüßte Toshiya die Wartezeit.
 

So ging der allwissende Bandälteste unverrichteter Dinge wieder zurück in sein Zimmer. Es war doch zwecklos. Er könnte dem Bassisten sonst was erzählen und er würde Kaoru kein Wort glauben. Nur Die konnte die Sache richtig stellen, ihm sagen, dass er keine Lust hatte, sich mit jemanden von ihnen einzulassen, und somit wäre doch alles geklärt, oder?

"Und? Ist er weg?", fragte Die hoffnungsvoll vom Bett aus, auf dem er es sich bequem gemacht hatte, um seine Füße zu entspannen. Stiefeltragen sah gut aus, war aber anstrengend.

Kaoru schüttelte jedoch leider den Kopf. "Kannste knicken. Er glaubt stattdessen, dass ich was von dir will und neidisch bin."

"Was? Wieso das denn? Sag mal, was erzählst du dem denn? Oder willst du echt was von mir?" Da vertraute man Kaoru und der ritt einen noch tiefer in die Scheiße.

"Nein!" Allein der Gedanke war schrecklich, auch wenn die Frau da auf dem Bett wirklich heiß aussah. "Ich hab ihm doch nur versucht zu erklären, dass du nichts von ihm willst. Aber er glaubt wohl, ich sag das aus Neid. Wie auch immer, wenn du willst, dass er abhaut, musst du ihm wohl schon selber sagen, dass du nicht auf ihn abfährst."

Langsam setzte sich Kaoru auf die andere Seite des Bettes, Handflächen auf den Knien, in ihm eine seltsame Ruhe, als hätte er den Punkt bereits überschritten, an dem jeder andere übergeschnappt wäre. Stattdessen tobten die Wellen der wilden See gerade woanders, aber sicherlich nicht in ihm. War er vielleicht einfach nur erledigt und müde?

"Vergiss es," war Dies erster Impuls. "Ich hab... Angst."

Wie in Zeitlupe drehte sich der Ältere nach ihm um und schaute fragend. "Angst?"

"Ja, Angst. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie ich mich fühle? Als Kerl bin ich anderen überlegen in Größe und allem, ja? Nur als Frau... Mann, ich bin so klein und... zierlich irgendwie. Das ist voll ätzend. Ich hatte echt Panik, als Toshiya da vor mir stand. Der war so riesig und ich irgendwie nur so... schwach. Also ja, schau ruhig blöd, aber ich hab Angst. Darum geh ich da nicht mehr rein, mir egal, was du denkst." Mal tatsächlich auch zuzugeben, dass man auf Kaoru wirklich angewiesen war, weil sich Die schlichtweg nur bei ihm zum jetzigen Zeitpunkt sicher fühlte, das war schon nicht unbedingt das Angenehmste. Scherze über Kaoru zu machen, das war Dies Welt. So drückte er eben seine Bruderliebe aus. Nur jetzt war alles so anders und Die, der war eine Frau und die hatte eben echt Schiss, wenn riesige Bassisten mit ihr Knutschen wollten.

Nein, vorstellen konnte Kaoru sich das nicht. Wer hatte denn schon Angst vor Toshi? Der war ein riesiger Tollpatsch, aber... mehr auch nicht.

Andererseits kannte Kaoru nicht die Seiten am Bassisten, wenn es ums Flachlegen von Weibern ging und eigentlich wollte er das auch gar nicht wissen. Hatte Die echt Angst, dass er ihn vergewaltigen könnte? Doch nicht Toshiya.

Dennoch war er eine dreiste Sau. Erst machen, dann denken. Darum waren Dies Ängste vielleicht doch nicht ganz unbegründet. Woher sollte aber Kaoru wissen, wie der sich im Frauenkörper fühlte?

"Und was wird jetzt? Willst du hier bleiben?" Viel zu erschöpft war er eigentlich um Die weg zu jagen, doch das bedeutete ja nicht, dass Die auch nur solch geringe Ansprüche an Kaoru und deren Nachtlager stellte.

"Ich geh jedenfalls nicht rüber." Mehr als diese eine Bedingung stellte dieser jedoch nicht.

"Dann musst du dir wohl oder übel das Bett mit mir teilen." Kaoru war nämlich müde. Er wollte nur noch schlafen. Liegen und Augen zu machen. Hier und jetzt. Darum stand er auch auf, zog sich die Hose wieder aus, nur um kurz darauf unter die Bettdecke zu klettern.

"Nicht das Problem," erwiderte Die, denn auf engerem Raum zusammen mit Kaoru zu pennen war nicht das erste Mal, kam schon zwei- bis dreimal im Vollsuff vor, und war von daher auch nicht wichtig. Allerdings war sich Die dessen bewusst, dass er diesmal in einem anderen Körper steckte, der sich die Decke mit Kaoru teilen sollte. "Nur, ähm, kann ich ein T-Shirt von dir borgen? In dem Top kann ich nicht pennen."

Würde ja auch zerknittern und das wäre sehr schade.

"Such dir was aus." Aufstehen würde der Bandleader nämlich jetzt nicht extra noch mal. "Nimm aber ein Helles. Die dunklen brauch ich noch."

"Ja, schon gut," winkte Die ab, kletterte vom Bett und warf schon mal das rote Top von sich, bevor er sich nach unten Richtung Kaorus Tasche bückte. Wo waren da denn bitte helle Sachen? Wollte man Die verarschen?

Verarscht kam sich allerdings nur einer vor gerade. Trug Die einen Stringtanga? Oh Mann! So tiefe Einblicke hatte Kaoru doch gar nicht haben wollen. Gott sei Dank war es schnell vorbei und Die tauchte mit einem weißen T-Shirt wieder auf, welches Kaoru zwar auch gerne trug, aber es war eben doch nur weiß.

"Shit! Wie kriegt man diese verdammten Dinger auf?" Auf welche Art Die in den BH gekommen war, sollte er lieber niemanden erzählen. Doch die Haken am Rücken mussten doch auch irgendwie aufgehen, ohne dass man akrobatische Meisterleistungen hinlegen musste. Hatte er eine Frau vor sich, ging das wie geschmiert, aber doch nicht, wenn er die Frau war! "Och menno! Kao, hilf mir mal."

Flupp, da saß Die auch schon auf dem Bettrand, raffte sich das lange Haar nach vor und wartete darauf, dass Kaoru ihm den BH öffnete. Dieser schluckte schwer, brachte seine zittrigen Finger an den Verschluss und fummelte so gut er konnte daran herum, so dass das Ding endlich aufgehen würde.

"Boah, hast du raue Finger." Das jagte Die ja glatt eine Gänsehaut über den Rücken. Ob er auch so raue Fingerkuppen vom Gitarrespielen hatte? Eigentlich fühlten sich seine noch ganz nett an, anders als Kaorus, die waren wirklich wie Leder.

Endlich lösten sich die Haken und Kaoru fiel ein Stein vom Herzen. Das letzte Mal BH-Öffnen war noch länger her als der letzte Sex. Waren seine Finger echt so rau? Ihm hatte das bisher noch nie jemand gesagt, auch wenn er es sich schon hatte denken können. Mochten Frauen das nicht? War es unangenehm?

Seinen besten Bandkumpel als Frau zu haben, wäre vielleicht doch noch erleuchtungsbringend.

"Auch schon ein bisschen aus der Übung, was?", neckte Die und entledigte sich endgültig seines BHs. War ja eigentlich ganz süß, dass Kaoru so ewig brauchte. Er war halt doch ein liebenswerter Trottel. Kaum verständlich, dass es nicht doch hin und wieder Frauen gab, die auf so etwas standen und nicht auf Souveränität beim sexuellen Intermezzo achteten.

Zum Antworten kam Kaoru eigentlich gar nicht, da die Information an sich schon nicht sein Hirn erreichte. Darin spielte nämlich gerade jemand billige Pornomusik ab, während sich Dies nackter Oberkörper nur noch in Zeitlupe bewegte.

Tittenalarm würde der wohl jetzt denken. Soweit kam es bei Kaoru nicht. Wäre zuviel Denksport. Er sah nur nackte Brüste. Und er sah sie noch vorm geistigen Auge, als sie bereits unter dem weißen T-Shirt verschwanden. Warum tat Die ihm das an? Vor Toshiya hatte er Angst und Kaoru scharfmachen galt? Ach ja, richtig, der war ungefährlich.

Stimmte so auch, aber dennoch! Unfair war das!

"Nacht Kao. Heh, wer weiß. Vielleicht wach ich morgen ja schon wieder als Kerl auf." Die jedenfalls war da zuversichtlich. "Und wenn nicht, hast du wenigstens mal ne Nacht mit einer heißen Braut verbracht."

Sich mit dem Gesicht in sein Kissen drehend, Rücken zu Die, grunzte Kaoru eine Antwort und kniff die Augen zu.

Das hatte er doch wirklich nicht verdient, oder?
 


 

Ende Kapitel Fünf.
 


 

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Ohne Plan A - aber viel Plan B!

Zuerst der Dank an die Schreiber der Kommis, besonders die letzten fünf. XD Ich nenne mal nicht namentlich alle, weil faulo desu. >D
 

Zum aktuellen Kapitel:

Kaoru und Die brillieren diesmal mit Logik - Achtung! Ich wollte es auch echt kürzer machen, aber es geht nicht. Ich schreib eben nicht so. :3 Eigentlich passiert auch gar nicht viel, aber kürzer wäre einfach nicht mein Stil und jah. X_x
 

Stattdessen...

Preview aufs nächste Kapitel: Die wird es sehr, sehr schlecht gehen und Kaoru macht zudem einen fatalen Fehler, für den er richtig dolle büßen muss. ;)
 


 

Kapitel Sechs: Ohne Plan A - aber viel Plan B!
 


 

Herzrhythmusstörung waren sicher angenehm im Vergleich zu dem, was Kaoru gerade durchmachte, während sich ein 12-Zylinder gegen seinen Brustkorb zu rammen schien. Im Grunde war er hundemüde, noch genauso wie kurz zuvor, als er auch tatsächlich gleich eingeschlafen war, nachdem Die es sich neben ihm bequem gemacht hatte.

Doch einmal mehr nahmen die Dinge ihren eigenen Verlauf. Kaoru hatte versucht, sich des nachts schlichtweg umzudrehen und öffnete auch nur kurz die Augen, da sich sein Versuch als schwierig herausstellte. Und was musste er da bemerken?

Jemand hatte ein Gesicht zwischen Kaorus Schulterblätter gepresst, nackte glatte Haut berührte seine Wade und ein Paar zierliche Hände hatten es sich scheinbar lustig vorgestellt, am Bund seiner Shorts zu verweilen. War ja auch keine große Sache, wenn auch einfach nur unangenehm. Vor allem aber der heiße Atem, der sich stetig seiner Wirbelsäule hinauf und hinunter bahnte, ohne vorher gefragt zu haben! Die Wade war lediglich ein zusätzliches Übel, denn gerade da ließ er sich ungern von jedem X-beliebigen berühren.

So lag er also da und starrte die Wand vor sich an. Viel erkennen konnte man nicht dank der Dunkelheit, aber es würde sicher auch keinen Unterschied machen, denn auch tagsüber war Wand nur Wand und so dermaßen langweilig anzustarren, dass man davon eigentlich Grauen Star bekommen müsste. Natürlich war es okay, dass Die hier bei ihm übernachtete, egal ob Mann oder Frau, es machte nicht so großen Unterschied. Kaoru war schließlich kein notgeiler Idiot wie manch anderer seiner Freunde.

Trotzdem war es... beunruhigend. Wieso wusste er auch nicht genau, aber es wühlte ihn innerlich auf und er hasste es, wenn man ihn beim Schlafen störte. Da war er sensibel.

Machen konnte er aber auch nichts dran und so versuchte er sich mit aller Kraft einfach daran zu gewöhnen. Vielleicht würde er es ja ganz nett finden, wenn Die seine Freundin wäre. Also wenn Die nicht Die wäre, sondern eine andere Frau, eine nette, die sich nachts an ihn schmiegen würde. Ja doch, das wäre sicher schön.

Aber musste es gerade Die sein?

Positive Gedanken, die brauchte Kaoru. Nur leider war das schwer für einen Schwarzmaler wie ihn. Obwohl er sich nie als solchen empfunden hatte. Andere teilten ihm jedoch hin und wieder mit, dass er Dinge zu negativ sah. Ob die Recht hatten, wusste er auch nicht. Er wusste überhaupt nur noch recht wenig, kam sich ständig ziemlich dumm vor, verwirrt und wie auch immer er Dinge drehte, damit sie in normalen Bahnen liefen, alles schien aus dem Ruder zu laufen.

Vielleicht war es Schicksal. Und wenn jeder ein solches hatte, dann wenigstens hatte Kaoru nicht das von Die. Die arme Sau. Frausein wäre nichts für Kaoru. Das stand fest.
 

Seit etwa einer Stunde und dreiundzwanzig Minuten versuchte Kyos Handy bereits, den schlafenden Mann zu wecken und als er den Song zum hundertsten Mal hörte, gab der kleine Sänger auch endlich auf und schlurfte grummelnd aus dem Bett. Es war schon nach acht und eigentlich hatte Kyo sich vorgenommen, doch bereits ab um Sieben seinen Bandleader zu überwachen. Gut, dann kam er zum ersten Missionstag eben zu spät.

Schnell unterzog er sich dem Allernötigsten innerhalb des Badezimmers, schlüpfte in angemessene Kleidung und kämmte sich das Haar so, dass er ansehnlich war. Nicht zu protzig durfte er wirken, aber dennoch gepflegt. Vielleicht könnte man sich hier Die als Beispiel nehmen, auch wenn Kyo eigentlich nicht so ein japanischer Beckham war. Konnte ja aber sein, Daiyana fand das gut.

Da noch alles ruhig war auf den Fluren des Hotels, lief der Blonde zunächst einmal zum Zimmer der Angebeteten. Sofern sie noch anwesend war, gab es keinen Grund zur Beunruhigung. Er klopfte dreimal an, aber laut, damit sie ihn auch hörte, und legte dann ein freundliches Gesicht auf. Selten genug, aber zu manchen Anlässen sollte man es durchaus zeigen.

Der Schock stand ihm jedoch sogleich ins Gesicht geschrieben, als ihn ein verschlafener Bassist anblinzelte und sich dabei noch die Augen rieb.

"Kyo?", gähnte Toshiya ihn an und war echt froh, dass er endlich einen Verbündetren traf, dem er die Tragik seiner vergangen Nacht beichten konnte.

"Was zur Hölle machst du hier? Hast du etwa...?" Kyos Augen wuchsen auf Tellergröße heran, bevor sie sich zu dünnen Schlitzen formten, die Feuer und Eis zugleich zu versprühen vermochten. "Gott, ich bring dich um, wenn du..."

"Was? Wovon redest du denn? Ich hab hier die ganze Nacht lang auf Daiyana gewartet, aber sie kam nicht wieder." Er öffnete die Tür weit genug, damit sein Bandkumpel ins Innere schauen konnte, bevor Toshiya seufzte und die Arme verschränkte. "Ich war letzte Nacht noch oben und da war sie schon allein, also nichts mit Kaoru und unterhalten und so. Ne-ne. Nur sie meinte dann, sie geht mal kurz weg, also hab ich gewartet, aber sie kam nicht zurück. Stell dir mal vor, lässt mich einfach hier sitzen. Am Ende bin ich wohl eingepennt."

"Na toll." Trocken kamen diese beiden Worte aus Kyos Mund, wohlgleich ihm schon klar war, was Toshiya vorgehabt haben musste. Schlimmer war jedoch, dass er sie damit offensichtlich auch noch verjagt hatte.

"Meinst du, ihr ist etwas zugestoßen?", fragt der Bassist mit leicht wässrigen Augen, die wohl eine Mischung aus noch vorhandenem Restschlaf und Sorge waren.

"Quatsch nicht." Dass der Trottel sie verscheucht hatte, schluckte Kyo herunter, sprach es nicht aus, denn womöglich brauchte er den Bassmann noch. "Ich denke da eher an..."

"Ja?" Toshiya streckte den Kopf näher an Kyo und sperrte die Ohren auf um zu hören, was sein weiser Kumpel denn nun sagen würde.

"Kaoru."

"Kaoru?"

"Ja, natürlich Kaoru. Wohin sollte sie denn sonst gegangen sein?"

Was sollte sie denn bei Kaoru? Da kam sie doch erst her letzte Nacht. Toshiya verstand nicht ganz. Andererseits hatte auch Kyo recht. Wohin sollte sie sonst gehen? Es war ja immer Kaoru, der sich einmischte und wichtig machte. Stelle sich einer vor, der hatte sie vom Gang geschnappt und eingesperrt? Möglich war alles.

"Los, den machen wir fertig."
 

Aufgeschreckt von dem Geräusch rauschenden Wassers blickte sich Kaoru im Raum um. Offensichtlich war er doch wieder eingeschlafen, denn das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war die Dämmerung des Morgens, bevor ihn wohl doch endlich die Müdigkeit übermannt hatte. Nicht im Bett war Die, was auch das Wasserrauschen erklärte, welches von nebenan aus dem Badezimmer kam.

Wie spät war es? Kurz nach Neun. Das bedeutete dann wohl sowieso, dass es allerhöchste Zeit war aufzustehen. Er hatte es gerade mal in eine sitzende Position geschafft, als die Badezimmertür aufplatzte und eine in ein riesiges Badetuch - Kaorus - eingewickelte Frau ihn mit Schmollmund ansah.

"Du musst mir helfen. Da drin ist echt nur das Billigzeugs vom Hotel und ich brauch meinen Kulturbeutel aus meinem Zimmer. Zumal ich nicht wieder die Sachen von letzter Nacht anziehe."

Gerade erst ausgeschlafen kam aber Kaoru noch nicht ganz mit bei dem, was Die da faselte. Anscheinend meckerte sie - ne, er - über das Shampoo oder Duschbad, für das sich Kaoru nicht erst die Mühe machte, auch noch extra welches zu kaufen. Das aus dem Hotel tat es doch für ihn. Nur warum duschte Die nicht gleich in seinem eigenen Bad?

"Und?"

"Ja, wie und? Geh halt mal rüber und schau, ob Toshiya noch drüben ist." Die konnte kaum fassen, wie dämlich sich sein Kumpel da mal wieder anstellte.

"Meine Güte, der wird schon nimmer da sein." Mit der Hand fuhr sich Kaoru durchs Haar und stand auf, leicht genervt, dass er am frühen Morgen schon wieder von seiner neuen besten Rhythmusgitarristin herumkommandiert wurde.

Frustriert stöhnte Die auf und klammerte die Hand um den Knoten vor seiner Brust, der das Handtuch zusammenhielt. "So wie ich jetzt aussehe? Nass und im Badetuch?"

Wie schön, dass Kaoru daran erinnert wurde. Er hatte ja einen halbnackten, nassen Die im Badetuch vor sich, der ihn die halbe Nacht lang wachgehalten hatte. Schön wäre, wenn man solche Erfahrungen einfach wieder vergessen könnte.

Aber was wollte Kaoru schon machen? Erst einmal zog er sich ein paar Sachen an, dann würde er sich um Die kümmern und danach hätte er vielleicht auch noch Zeit für sich selbst, wäre ja sonst schade, wenn er wie ein Asozialer durch die Gegend laufen müsste.

"Danke," grunzte Die von sich, als er erkannte, dass er gewonnen hatte, und ging zurück ins Badezimmer, wo er sich auf ein Neues im Spiegel betrachtete. Heißer Feger, der er war. Früher schon und jetzt noch mehr.

Eigentlich hatte Kaoru vorgehabt, dem anderen nun noch zu sagen, was für ein Quälgeist er war, aber das schenkte er sich, als er lautes Klopfen an der Tür zu hören war. Nicht viele Leute trauten sich, so wild an Kaorus Tür zu hämmern. Eigentlich nur seine Bandkollegen, allen voran Die, aber der war ja schon hier. Was bedeutete, dass es nur einer der anderen sein konnte.

"Bleib da drin!", sprach er leise zu Die, schloss die Badezimmertür und öffnete vorsichtig die zum Flur, nur um die leicht angespannten Gesichter von Toshiya und Kyo zu sehen. "Was gibt's denn, dass ihr die Tür einschlagt?"

"Wo ist sie?", fragte Kyo mit Nachdruck in seiner Stimme und verschränkte die Arme.

"Wer?" Dummstellen war so ziemlich das einzige, was Kaoru tun konnte. Klar, er könnte auch zugeben, dass ihre Daiyana bei ihm geschlafen hatte, weil sie Angst vor Toshi hatte. Was aber zum Schluss führen würde, dass Kaoru und Daiyana etwas miteinander hatten, was nicht so war. Verzwickt.

"Stell dich nicht dumm. Daiyana natürlich. Sie ist hier, oder?" Toshiya überließ dem Sänger das Reden, denn eigentlich kam er sich ziemlich doof vor, sollte sie wirklich bei Kaoru sein.

Die Art und Weise, wie Kyo fragte, deutete auf Unsicherheit. Genau wusste der nämlich gar nichts und Kaoru wäre schön blöd, wenn er jetzt einfach die Wahrheit ausplaudern würde. "Nein, sie ist nicht hier. Tut mir leid, Jungs. Ist sie nicht in Dies Zimmer?"

"Nein, ist sie nicht und ich hab die ganze Nacht dort gewartet!", platzte es nun doch aus Toshiya heraus, als er sich seinem eigenen Frust geschlagen geben musste.

"Soso," antwortete der Bandleader gelassen und nickte. "Tja, bei mir ist sie jedenfalls nicht. Aber ich hab dir ja gleich gesagt, die will nichts von dir."

"Wieso bist du dir da so sicher?", mischte sich nun Kyo wieder ein.

Gute Frage, die zu beantworten Kaoru eigentlich gar nicht imstande war. Aber irgendetwas musste er sich ja nun doch aus den Fingern saugen, egal was. "Na, mit einem Cousin wie Die, warum sollte sie da überhaupt an Musikern interessiert sein? Sie denkt doch bestimmt, dass wir alle die gleichen Anwandlungen haben wie Die. Meint ihr nicht?"

"Kam nicht so rüber," entgegnete Toshiya mit einem leichten Schmollen, während abermals Kyos Spürsinn zum Vorschein drang.

"Hat sie dir was gesagt, was in die Richtung deutet?"

"Nicht direkt." Und damit wäre Kaoru so gut wie am Anfang seiner unbedeutenden Ausführungen, aber da das Angebot an Ausreden nicht gerade breit fächerte, blieb es bei dieser undurchsichtigen Aussage.

"Na schön." Das brachte Kyo auch deutlich mit einem Gesichtausdruck zur Geltung, der zeigte, was er von Kaorus Worten hielt: nichts. "Und wo kann Daiyana dann sonst bitteschön sein, wenn sie nicht bei dir ist?"

"Weiß nicht. Bei Die vielleicht?" Womit Kaoru wieder beim Dummstellen war.

"Sie geht doch wohl nicht nachts zu Die und verbringt dort die ganze Nacht. Wo sie ja nicht mal wirklich in seine Nähe darf." Das leuchtete sogar Toshiya ein.

"Kein Plan." Schulterzuckend seufzte Kaoru, wohlwissentlich, dass das den Eindruck erweckte, er sei von Inkompetenz umgeben. "Echt nicht. Bei Shinya vielleicht? Oder womöglich ganz woanders. Ich hab sie an Dies Zimmer abgesetzt und es ist sicher nicht meine Schuld, wenn sie jetzt weg ist. Andererseits ist sie ja auch ein freier Mensch und uns keiner Rechenschaft schuldig."

Das stimmte wohl und sogar Kyo musste das einsehen. Seine Beschattungsmission lief nicht gut an und er konnte anscheinend auch niemanden mehr trauen.

"Los, checken wir Shinya ab." Mit einer Kopfbewegung machte er deutlich, dass ihm der Bassist folgen sollte, während ein Kopfnicken der Abschiedsgruß für Kaoru war.

Dieser schloss die Tür und holte erst einmal tief Luft.

Da streckte sich auch schon ein langer Hals um den Türrahmen zum Badezimmer und Die sah ihn erwartungsvoll an. "Und meine Sachen?"

"Lass mich doch erst mal warten, bis die beiden weg sind." Leicht entnervt ging der Bandleader zu seinen Zigaretten, steckte sich eine an und knurrte leise vor sich hin. Es war aber auch zum Schießen und er hatte absolut keine Lösung.

"Ich will ja geduldig sein, aber ich steh hier schon seit ner halben Stunde im Handtuch rum und stinke." Es war ja nicht so, dass Die die Sache so ganz egal war. Zumal er heute Morgen erwacht war, ganz dicht an seinen guten, alten Freund Kaoru geheftet. Passierte eben mal. Die war es schließlich nicht gewohnt, alleine zu schlafen oder sich ganz und gar das Bett mit jemanden zu teilen, mit dem er nicht auch körperlichen Kontakt hatte. Darum roch er jetzt trotzdem irgendwie nach Leadgitarrist. Was komisch war. Nicht unbedingt angewidert, aber dennoch merkwürdig. Musste doch nicht sein so etwas.
 

Kaoru jedoch ignorierte Die, rauchte seine Zigarette weiter und beschloss dann, die besagten Sachen aus Dies Zimmer zu holen. Zu seinem Glück war niemand auf dem Gang und er schloss daraus, dass Kyo und Toshiya entweder in Shinyas Zimmer Krisensitzung abhielten oder aber nach draußen auf Daiyana-Suche gegangen waren.

Während Die dann endlich genüsslich duschen durfte, kam dem Bandleader dann doch die entscheidende Idee. Eigentlich war es nämlich ganz einfach, aber dazu musste er mit Die sprechen, was erst dann möglich war, als dieser nach zirka einer Stunde endlich fertig war, angezogen und mit trockenem Haar.

"Dusche ist frei," trällerte dieser fröhlich und kramte sein Make-up hervor.

"Weißt du, Die, um dir die anderen vom Leib zu halten, wäre es das Einfachste, wenn du einfach sagst, ich sei dein Freund. Ich meine, ist ja nicht wirklich so, aber das muss doch keiner wissen. Solange sie denken, wir sind zusammen, lassen sie die Finger von dir." Leuchtete doch ein, oder? Kaoru würde es jedenfalls meinen.

Die jedoch fiel beinahe das Gesicht auseinander. "Spinnst du? Kommt gar nicht in die Tüte!"

Natürlich war nicht abzustreiten, dass Kaoru da ein Argument hatte, aber- iieh! Der Gedanke allein, mit Kaoru zusammen, einem Kerl, das war doch so etwas von abartig, das konnte Die niemals spielen. Was, wenn Kaoru ihn in der Öffentlichkeit anfasste, die Hand zum Beispiel oder- an Küssen durfte Die nicht mal denken! Da bekam er doch schon Pusteln am Arsch!

"Warum nicht? Was soll ich mir den Mund dauernd fusselig reden, weil du anscheinend zu feige bist, Klartext zu reden, wenn es doch im Grunde so einen simplen Weg gibt, sie dir vom Hals zu halten? Und zwar durch Lügen!" Es war ja nicht so, als hätte Kaoru so gar kein Verständnis für Dies Miesere, aber sich ständig um Kopf und Kragen faseln zu müssen, war auch nicht gerade angenehm. "Wir sind doch nicht wirklich ein Paar. Wir sagen denen einfach, dass wir eins sind und Ende."

"Ja, na sicher," spottete Die und zeigte Kaoru gleich mal einen fetten Vogel. "Und die wundern sich bestimmt auch so gar nicht, wenn wir nicht knutschen und so Sachen. Und eins kann ich dir sagen, ich knutsch dich nicht. Ich knutsch gar keine Kerle. Damit das klar ist!"

"Musst du doch gar nicht!", protestierte der Ältere daraufhin mit Unverständnis. "Oder meinst du, ich hätte große Lust, deine Mandeln zu suchen?" War doch lächerlich.

"Hahaha. Und das ist ja auch so gar nicht auffällig dann, wenn wir uns nicht küssen und so..." Da wurde doch selig, wer das glaubte. "Oder Händchen halten, was ist damit? Ich will deine Flosse nicht ständig an mir haben, nur damit es wirkt, als wären wir ein Paar."

Kaorus was? Das war aber doch dreist! Leicht ärgerlich pustete er den anderen an, als würde ein Drache schnauben. "Mann ey, dann lässt du es bleiben. War nur ein Angebot, aber vielleicht ist es dir ja lieber, wenn die Finger der andern an dir sind. Was weiß ich."

Damit zog der angesäuerte Bandleader ab ins Badezimmer und überließ Die sich seiner selbst. Wie sich Die benahm, war doch dämlich. Einerseits schlief er die Nacht hier und klebte förmlich an Kaoru, aber andererseits beleidigte er die schönen Händchen des anderen, die, soweit sich Kaoru erinnerte, noch nicht versucht hatten, unter Dies Rock zu kommen!

Frech war das einfach.
 

Seufzend betrachtete sich Die im Spiegel. Er und Kaoru?! Pah. Als Frau mochte er sich vielleicht neben dem zeigen lassen können, aber darum war Die nun mal in Wahrheit noch immer ein Mann und... nee! Allein schon die Tatsache, dass man ihn Fragen über den anderen stellen könnte, was deren Sexualleben anging. Nicht, dass sich das jemand traute, aber umgekehrt war es denkbar. Die anderen würden sicherlich Kaoru fragen und selbst bei dem war die Möglichkeit immerhin gegeben, dass er dummen Mist erzählte.

Scheißgedanke.

Aber man musste sich die Kerle doch auch anders vom Leib halten können. Nur wie? Wie machte Die denn das immer mit den Mädels? Es kam schließlich ab und zu vor, dass er sich eine wieder vom Hals schaffen musste, entweder wenn sie dachte, er wäre ihn fester Freund - aus welchem Grund auch immer sie darauf kamen - oder aber, wenn er ein schnuckeligeres Modell aufgespürt hatte.

Seine Taktik in beiden Fällen war, das schnuckeligere Wesen einfach anzubaggern und abzuschleppen. Jede normale Frau checkte dann schon, dass Die zum einen niemanden fester Freund war und zum anderen, dass die weniger Süße abgemeldet war. Wie jedoch sollte er das bei Männern umsetzen, ohne mit Kaoru eine Show abziehen zu müssen?

In den Sinn kam Die nur eines: ein Fremder. Angenommen, er würde mit einem fremden Kerl shakern, würden die anderen doch merken, dass ‚Daiyana' kein Interesse an ihnen hatte - richtig? Und den fremden Typen würde er nicht an sich ran lassen, nur soweit, dass es den Eindruck erweckte, sie schleppt ihn ab. Ohne Küssen, ohne Anfassen, ohne im Nachgang stattfindende Männergespräche. An der Umsetzung würde Die natürlich noch feilen müssen, aber womöglich war es eine bessere Alternative als Kaorus ursprüngliche Idee.
 

"Was machen wir heute?", fragte Die gelangweilt, als Kaoru endlich aus dem Badezimmer kam.

"Wie, was machen wir heute? Willst du etwa raus?" Nach Dies Gesichtausdruck zu urteilen, Ja. Kam aber Kaoru so gar nicht in Frage. "Wir waren doch gestern schon den ganzen Tag draußen und ich finde, du solltest vielleicht nicht unbedingt in der Öffentlichkeit rumspringen so. Zudem sind auch noch Kyo und Toshiya da, die mit Sicherheit auch Shinya bearbeitet haben jetzt. Hast du es eilig, die wieder am Arsch kleben zu haben?"

Die verrollte lediglich die Augen und seufzte tief. "Es ist eben langweilig hier im Zimmer." Es war doch nicht so, als würde er unbedingt die Gesellschaft der anderen suchen oder durch die Gegend rennen wollen im Frauenkörper, aber im Hotel war es eben, als säße Die im Gefängnis. "Kannst du mir nicht wenigstens ein paar Filme holen?"

Dass er verständnisvoll reagierte, hatte Kaoru gar nicht erwartet. Umso mehr freute es ihn. "Sicher. Ich muss mal bei Nora vorbei, da wir wohl noch mehr Shows absagen müssen, wenn ich dich so ansehe." Was kein übler Anblick war, doch Unwohlsein in Kaorus Magen verursachte, da ihr ganzer Tourplan im Eimer war, weil sein Kumpel keinen Penis mehr hatte. Wie auch immer. "Bestimmte Wünsche, was du sehen willst?"

Schulterzuckend schüttelte Die langsam den Kopf. "Eigentlich nicht. Schau eben mal, was du kriegen kannst." Selbst er wusste, dass es nicht ganz einfach sein würde, gezielt an bestimmte Filme heranzukommen. "Bringst du auch was Essbares mit?"

Nickend schnappte sich der Bandleader seine Zigaretten, das Handy und den Geldbeutel, bevor er das Zimmer verließ mit der Mission, einen minimalen Prozentteil von dem Chaos in seinem Leben zu regeln. Zuerst Essen und Filme, dann Nora. Oder doch erst Nora? Nein, lieber Die ruhigstellen und dann die geschäftlichen Dinge klären.
 

Eigentlich verlief der restliche Tag recht ruhig. Während Kaoru Essen und DVDs rankarrte, genoss Die es bedient zu werden. Auch nicht übel, selbst wenn die Mischung der Filme relativ eigenartig war. Anscheinend hatte Kaoru wirklich nur das Erstbeste auftreiben können, aber so schlecht fand Die am Ende die Auswahl dann doch nicht. Er war gerade dabei, sich eine japanische Liebesschnulze reinzuziehen, als der Ältere wieder den Raum betrat und sich neben Die aufs Bett setzte. Er hob eine skeptische Augenbraue, den Film betrachtend, dann Die.

"Gefällt dir der Stuss?"

"Ist gar nicht so schlecht. Die Ärmste leidet richtig, weil ihr Typ fremdgegangen ist. Aber sie lieben sich halt doch und so..." Sehr interessiert schaute Kaoru nicht, also wechselte Die das Thema. "Und bei dir? Alles geklärt?"

"Kann man so sagen. Erst mal fallen mehr Konzerte flach und eigentlich wollte unser Management, dass wir Heim fahren. Macht aber auch keinen Sinn, sagte ich denen. Immerhin bist du offiziell hier im Krankenhaus und falls du wieder ein Kerl wirst, setzen wir die Tour fort." Da gab es gar keine Frage für den Bandpaps, auch wenn der ‚Urlaub' nicht so übel war, wenn man sich den Teil mit Die als Frau wegdachte. Ging halt nur nicht.

"Können wir heute Abend wenigstens mal weg?"

"Wohin denn?"

"Irgendwo hin. Was trinken, aber nicht wieder in die Hotelbar. Um die Ecke hier ist auch eine Tanzbar oder so was. Komm schon, ich muss mal raus hier." Mit Dackelaugen blickte Die auf seinen Freund und hoffte darauf, dass seine Weiblichkeit dem natürlichen Charme noch erhöhte.

Kaoru zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht." Leider jedoch hatte das Augengeklimper von Die doch Wirkung. "Na, von mir aus."

Zumindest Kaoru konnte echt ein Bier gebrauchen.
 

Leider war es dann doch eine Karaoke-Bar, aber in dem Fall konzentrierte sich Kaoru einfach mehr auf den Teil mit der Bar, als sich das Gesinge von anderen anzutun. Er hatte gerade zwei Bier bestellt, eins für sich und eins für seine Begleitung, da waren auch schon die anderen drei Jungs im Anmarsch. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sie Kaoru und Daiyana nicht gefunden hätten.

Tief seufzend sah Die sein Schicksal ein, legte ein Lächeln auf und erklärte den anderen, dass sie nicht hatte schlafen können vor Sorge, noch einmal im Krankenhaus angerufen hatte, danach einen Spaziergang gemacht habe und zuletzt gleich sehr früh am Morgen zu Die ins Krankenhaus gefahren wäre, wo man sie dann doch nicht zu ihm gelassen hatte wegen der Quarantäne. Bei Toshiya entschuldigte sie sich noch einmal extra freundlich und erfuhr sogar von allen Dreien viel Verständnis. Was zu erwarten war, denn sie waren schlichtweg weniger angriffslustig, wenn Kaoru in der Nähe war.

Männer sollte einer verstehen. Als Die noch einer war, so war er immer zum Angriff bereit, nicht wie die. Hatte Kaoru vielleicht doch abschreckende Wirkung? Funktionierte der etwa nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern? Der Gedanke ließ Die leise kichern.

Doch noch immer hatte sich ein Plan in seinem Hirn verankert, so dass er auch zukünftig nicht mehr von seinen Bandkumpels belästigt wurde und spätestens, als Toshiya zum Karaoke anlegte, war es Zeit für Die, Plan B auch in die Tat umzusetzen.

Pünktlich zu Beginn der Performance des Bassisten stand Die auf und machte sich auf in die Menge, Hüften sanft von rechts nacht links schwingend, darauf bedacht, dass man ihn wahrnahm. Der zu verbuchende Erfolg war, dass er schon bald von einer Meute fremder Männer umzingelt war, die sich jedoch untereinander wohl noch einigen mussten, welcher von ihnen das Alphatierchen war. Umso besser für Die, der hin und wieder einen Blick zurück riskierte um sicherzustellen, dass man ihn von den Plätzen der anderen auch sehen konnte.
 

"Die Frau ist ein harter Brocken," murmelte Kyo andächtig und blickte hilfesuchend auf Kaoru.

"Sag ich doch. Vielleicht liegt es in der Familie," gab dieser zurück, bevor er sich erhob und in Richtung Bar wanderte. Zu sehr suchte er nämlich nicht das Gespräch zu Kyo oder den anderen. Eigentlich zu niemanden. Ruhe wäre mal schön.

"Vielleicht muss man sie aber nur mit anderen Dingen beeindrucken." Welche auch immer das waren, konnte der Sänger zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen.

"Karaoke ist es jedenfalls nicht," fügte Shinya mit einem Seitenblick auf den noch immer singenden Toshiya hinzu.

"Sag mir bescheid, wenn du herausgefunden hast, was es dann ist." Damit schnappte sich Kyo seine Jacke, zog sie über und beschloss, die Heimreise anzutreten. "Hier kann ich heute wohl nichts mehr ausrichten. Ich muss mich konzentrieren, dann find ich auch eine Möglichkeit."

"Meinst du? Und wenn Toshiya wieder einen Angriff startet?" Shinya gefiel die Idee noch nicht wirklich gut und es wunderte ihn, dass Kyo an diesem Abend bereits das Handtuch warf.

"Wenn sie an ihm interessiert wäre, hätte sie ihre Chance letzte Nacht genutzt." Das war Fakt und darum machte sich Kyo über den Bassisten weniger Gedanken. Shinya jedoch war ihm noch ein Dorn im Auge, was sich allerdings von selbst erledigen sollte.

Denn der Trommler hatte eine Idee. Die er nicht gewillt war, Kyo preiszugeben. Er lächelte nur leicht und wünschte ihm eine gute Nacht. "Dann mach dir mal einen Kopf."

"Ja, ja." Was soviel hieß wie ‚Leck mich am Arsch'. Denn im Grunde wusste der Sänger bereits, was genau er versuchen würde. Immerhin war er ein Poet und was konnte er besser als Poesie schreiben? Dazu brauchte er aber einen ruhigen Ort, sein Hotelzimmer am besten, dann konnte er seinen Gedanken freien Lauf lassen. Mit diesem Ziel verschwand er.

Was Shinya anging, so musste er eingestehen, dass Kyo recht hatte. Toshiya war nicht wirklich noch eine Gefahr und sein Geträller tat wohl eher das Gegenteil, als Daiyana zu verführen. Es verjagte die Gute. So konnte auch der Drummer guten Gewissens zurück ins Hotel gehen, um dort eine Tat zu verrichten, die Daiyana hoffentlich zu würdigen wusste.

Gerade als Kaoru zurück an den Tisch kam, verabschiedete sich Shinya und wünschte ihm ebenfalls eine angenehme Nachruhe. Das Komische war, wenn er jemanden nicht als Konkurrenz ansah, so war es der Bandleader. Daiyana verbrachte genug Zeit mit ihm, so dass etwas laufen könnte. Tat es aber nicht. Das sah man doch schon daran, dass sie sich ständig mit anderen Kerlen unterhielt. Kaoru fiel also von Vornherein durchs Raster.

Wahrscheinlich war es wirklich so, wie er sagte, dass sie sich unter Musikern gar nicht umschaute. Sie kannte schließlich Die und auch wenn sie ihn wohl sehr gern hatte, wusste sie wahrscheinlich wohl doch, wie er beschaffen war. Darum musste Shinya ihr genau das Gegenteil beweisen! Dass er ein anständiger Kerl war, mit dem man mehr teilen konnte als nur das Bett. Gut, das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber Shinya war immerhin nicht abgeneigt, längere Zeit mit Daiyana zusammen zu sein. Wie ein Paar. Ja, das wäre schön.

Darum hatte er einen Plan. Um den zu erfüllen, er allerdings a) den Zimmerschlüssel von Die brauchte und b) einen Blumenladen finden musste mitten in der Nacht. Doch das hier war Japan, es war Tokio, es war die Stadt, in der alles möglich war.

Oder so ähnlich...
 

Mit einem Blick zurück an den Tisch konnte also auch Die keine direkte Gefahr mehr erkennen, nur einen vor sich hin gähnenden Kaoru, der bald über seinem Bier einzuschlafen drohte. Typisch! Und so wollte der eine Frau finden. Wollte er das überhaupt? Wenn es nach dem ginge, kam die wahrscheinlich einfach angeflogen und klatschte ihm als Elfe vors Gesicht. Oh Mann, dabei war er doch eigentlich nicht das schlechteste Modell Mann. Oftmals hätte sich Die gewünscht, dass bei ihm mehr als nur drei Zacken über jedem Mundwinkel wuchsen, sondern mehr so richtig dichte Bartstoppeln wie bei Kaoru. Kinnbärtchen machen Weiber doch an, oder?

Tief in den Gedanken versunken, vergaß Die doch glatt, dass er eigentlich zu Kaoru an den Tisch wollte, wo außer ihm höchstens Toshiya auftauchen könnte. Und der war seit Stunden schwer beschäftigt, sich immer wieder in der Schlange für die Karaoke-Maschine einzureihen.

Eine plötzliche Berührung holte Die jedoch in die brutale Realität zurück. Da war etwas an seinem Hinterteil. Und zwar unter dem Rock! Innerlich gingen alle Sirenen an, unkontrollierte Panik ließ Die allerdings nicht zu, denn wer auch immer ihn da antatschte, der würde jetzt gleich seine Handtasche quer im Maul wiederfinden. Leider nur war er umzingelt von so vielen und alle lachten so dreckig und... ach! Das war doch zum Verzweifeln!

Und wo war die Rettung? Weg war sie! Denn den halbwegs pennenden Kaoru konnte Die nicht mehr sehen. Gerade eben hatte der doch noch dort drüber gesessen und sich eins abgegähnt. Da half nur eines: Flucht nach vorn! Beine in die Hand und zwar fix!
 

Nachdem Kaorus Stirn beinahe Bekanntschaft mit dem vor ihm stehenden Bierglas gemacht hätte, fiel ihm auf, dass ein letzter Toilettenbesuch von Vorteil wäre, denn beim Gehen würde er vielleicht wieder etwas wacher werden. Er hatte das auch recht fix erledigt und drängelte sich erneut durch die Menge, mit einem Auge nach Die suchend, denn anscheinend war der nicht mehr in der Männerhorde.

Die Suche hatte sogleich ein Ende, als Kaoru mehr oder weniger mit einer hübschen Rotblonden zusammenstieß. Welch ein Zufall. Um ein Haar hätte er eine Bemerkung gemacht und sich entschuldigt bei dem schönen Wesen, doch in letzter Sekunde erkannte er dann doch Die. Der irgendwie einen panischen Eindruck machte, vor allem in jedem Moment, in dem er sich an Kaorus Jacke krallte und ihm ganz nah auf die Pelle rückte, so dass sie beinahe mit der Nase aneinander klebten.

"Kaoru! Gott sei Dank! Wo warst du denn?" Stimme klang auch irgendwie nach Panik.

"Pinkeln. Was...?" Weiter kam der Ältere nicht, da er von Die praktisch mitgeschleift wurde.

"Los! Komm mit. Wir tanzen." Alle früheren Bedenken spielten plötzlich keine Rolle mehr, solange es nur den Anschein hatte, Daiyana und Kaoru wären aneinander interessiert. Wie konnte man das besser zum Ausdruck bringen, als durch simples tanzen?

"Was? Wie...?" Ganz durcheinander brachte das den anderen. Wieso wollte Die denn gerade jetzt und mit ihm tanzen? Da steckte doch mehr dahinter! Nichtsdestotrotz hatte Kaoru echt keine Lust dazu, denn, wenn er etwas nicht war, dann ein guter Tänzer. "Ich... nicht tanzen."

"Doch, du tanzen!", protestierte Die und ließ endlich mal von Kaorus Jacke ab, um ihm stattdessen am Handgelenk zu packen und auf die Tanzfläche zu ziehen. "Bitte Kao! Jetzt lass mich nicht hängen. Nur einen Tanz oder zwei, ja? Bitte."

Die Augen verdrehend seufzte Kaoru genervt. "Ich kann so was aber nicht. Tanzen. Das liegt mir nicht. Schon gar nicht bei der Musik." Dieses nervige Bumm-Bumm und Uffta-Uffta war nun wirklich nicht gerade das, was Kaoru für angenehme Musik hielt, zu der man sich hätte einigermaßen vernünftig bewegen können.

"Jetzt stell dich nicht so an!", maulte Die und klammerte seine Fingerchen an Kaorus Hüften, zog ihn dabei etwas näher.

"Maaah." Leise knurrend ergab sich der Ältere seinem Schicksal und suchte an seiner Tanzpartnerin eine geeignete Stelle, an die er die Hände legen konnte. Die fand er allerdings so nicht und er wusste auch warum! Kopfschüttelnd umschlang er diesmal Dies Handgelenke und legte dessen Pfötchen auf den eigenen Schultern ab, bevor Kaorus Hände die Hüften der Frau fanden. "So geht das."

"Ja, wegen mir, auch gut. Ist das erste Mal für mich als Frau, du Trottel," zickte Die zurück und drückte sich noch etwas näher an Kaoru, zumal gerade in diesem Moment das Lied zu etwas Ruhigerem wechselte.

Heilige Scheiße. Musste das denn auch noch sein? Die Menschheit hatte es doch auf Kaoru abgesehen, oder? Wie auch immer, er spielte halt mit. Wie so oft. Schnaubte jedoch missmutig, während er leise weiter vor sich hin maulte. "Warst du es nicht immer, der gesagt hat, ‚Wer tanzt, hat bloß kein Geld zum Saufen'?"

"Nein, das war mal dein Motto, ganz früher. Damals, als du noch cool warst," argumentierte Die schlagfertig wie eh und je. "Meins war ‚Wer nicht kotzt, trinkt nicht am Limit'."

"Ach ja, richtig. Ich vergaß." Und das musste Kaoru auch irgendwie einsehen, denn sein Kumpel hatte da nicht unrecht. Nicht mit dem Inhalt ihrer Sprüche, sondern dass es früher mal Kaorus Motto war. Ein bescheuertes Motto eigentlich, wie er fand, heute. Nur damals hatten er und Die sich immerhin richtig gut verstanden, jede Bar unsicher gemacht und es war auch gar nicht wichtig, ob sie am Ende mit oder ohne Mädel an der Hand hinausgingen.

Und nun?

Jetzt tanzte Kaoru mit seinem Kumpel, der eng an ihm geschmiegt, seine Hüften an seinen kreiste. Im Körper einer Frau! Junge, war es denn plötzlich so heiß hier drinnen oder täuschte das? Schweißperlen arbeiteten sich auf die Stirn des Bandleaders.

Zumindest fanden sie so einander wieder, wenn es auch Die war, der auf die Hilfe des anderen angewiesen war. In den letzten fünf Jahren hatten sie wohl nicht mehr so viel Zeit miteinander verbracht wie in den vergangenen 48 Stunden. Es war schon merkwürdig.

So merkwürdig wie die Tatsache, dass Kaoru seine eigenen Hände an der Taille des anderen ganz nervös machten. Sie fingen an zu schwitzen. Es wurde heiß und unangenehm unter den Handflächen, was mit Sicherheit auch nicht unbedingt das geilste Gefühl für Die sein musste. Doch wohin sollte Kaoru denn mit seinen Fingern? Rutschte er sie weiter vor, sah es dämlich aus. Schob er sie weiter nach hinten, würde er Dies kleinen süßen Po berühren, was Kaoru doch mit Sicherheit keine Komplimente einbringen würde. Nach oben ging auch nicht, dann würden sie am Ende noch unter Dies Top enden. Und nach unten würde wirklich bescheuert aussehen.

Es war ausweglos und der Gedanke allein trug dazu bei, dass Kaoru noch mehr als zuvor schwitzte. Warum hatte er auch ausgerechnet die Lederjacke angezogen? Die sah cool aus, war aber alles andere als das.

Sich über die Oberlippe leckend, schmeckte er bereits den salzigen Geschmack auf seiner Haut. Na doll, Die konnte sich gern schon mal einen Spruch überlegen, um sich über den anderen lustig zu machen. War halt Kaorus Schicksal.

Doch ganz im Gegenteil dachte der andere daran gar nicht. Als endlich so etwas wie Ruhe zwischen ihnen eingekehrt war, lugte er sogleich über die Schulter des Bandleaders hinweg, ob die Männermeute noch da war, ob sie ihn erkannten und ob sie von Kaoru eingeschüchtert waren. Einige hatten bereits das Feld geräumt. Andere beäugten die Tanzenden böse.

Einer schmollte. Doch der zählte nicht, denn das war offensichtlich Toshiya. Den konnte man ignorieren, wie Die fand.

Und wie sein Näschen da so an Kaorus Schulter lauerte, so kam Die nicht umhin sich zu fragen, ob sein Freund eigentlich Aftershave oder ein Eau de Toilette trug? So etwas hatte Die nämlich gar nicht bei ihm stehen sehen! Dennoch roch die Halsgegend nicht übel. Ausgesprochen nett sogar. Was wohl eher nicht Kaorus Eigengeruch war, oder?

Indem träumte Die auch fast weg, wenn nicht plötzlich jemand an seine Schulter getippt hätte.

"Hey, Partnerwechsel," schnaubte ein glatzköpfiger Kompaktjapaner plötzlich. "Ich würde auch gern mal eine Runde mit der Lady..."

Was sollte das denn jetzt? Diese Frage stellten sich Kaoru und Die wohl gleichzeitig, als sie sich ansahen, als würde eine Kuh durch die Bar fliegen.

Nach einem kurzen Moment der Verwirrung schüttelte Kaoru jedoch den Kopf. "Tut mir leid, Meister. Das ist meine Kleine. Die tanzt nur mit mir."

"Sah aber vor ein paar Minuten noch nicht so aus," erwiderte der Glatzkopf und verschränkte seine kurzen, dicken Arme. "Wirst sie mir doch mal für'n Sekündchen borgen können."

"Nah, das sieht schlecht aus, ganz schlecht." Mit diesen Worten ergriff Kaoru ‚Daiyanas' Taille noch einmal fest, rückte sie näher an sich heran und legte einen Arm um sie. "Wir haben nämlich noch Pläne, du verstehst?"

Damit sandte der kleine Dicke einen fragenden Blick an Daiyana. "Jop. Tut mir leid, so sieht das aus."

Grummelnd drehte sich das leicht missratene Modell Mann um und verzog sich.

"Wow Kao, du kannst ja richtig Macho sein, wenn du willst!", grinste Die frech und haute dem anderen freundschaftlich die Hand gegen die Schulter.

"Das war nicht Macho. Ich hab nur..."

"Nur?"

"Ja, nee. Ich... Hätte ich ihn lassen sollen?" Das verstand noch einer. Kaoru hatte Die doch nur beschützen wollen. Nur leider hätte das so gar nicht cool geklungen, wenn er das nun auch so gesagt hätte.

"Natürlich nicht! Ich bin doch auch ganz stolz auf dich," kicherte Die und nickte in Richtung Ausgang. "Nur ‚Kleine' lässt du zukünftig besser stecken, mein Süßer. Jetzt lass uns gehen. Ich hab genug."

"Schon klar," murmelte Kaoru, als sie beide Richtung Ausgang liefen. Er war auch recht froh darüber, dass sie nun gingen. Es wurde Zeit! Noch immer war er ganz müde und wenigstens meckerte Die nicht darüber, dass Kaoru so sehr angefangen hatte zu schwitzen.

Schon komisch, dass er so reagieren konnte, obwohl er doch wusste, dass es Die war, der sich nur in einen geilen Körper verirrt hatte.
 

Auf dem Weg ins Hotel kam Die nicht umhin, immer wieder mal einen kleinen Seitenblick auf Kaoru zu erhaschen, während sie sich mehr oder minder anschwiegen. Der war schon ulkig, der Kao. Jedenfalls wenn man Die fragte. Irgendwie empfand er seinen Bandkumpel als höchst seltenes Exemplar von Mensch, der zwar durchaus verquere Denkweisen hatte und die meiste Zeit über, sofern nicht im Dienst, von keinem richtig ernst genommen wurde, dennoch aber Seiten hatte, die beeindruckend waren. Wäre Die also tatsächlich eine Frau, dann würde er mit Sicherheit lieber einen Mann wie ihn haben wollen als sich selbst. Mal ehrlich, Die war nicht geschaffen für feste Beziehungen und das Verteidigen seiner Schnallen vor anderen Männern lag ihm auch nicht. Das war aber wohl schon Kaorus Ding und es imponierte ohne jeden Zweifel!

Tja, wer Kaoru nicht kannte, der konnte schon durchaus Angst bekommen, wenn er so trüb drein schaute, ein paar coole Worte blubberte und einfach nur so da stand, als würde er nicht nur den Yakuza angehören, sondern wäre ihr Anführer. Von Vorteil war dann aber, DASS Die den anderen kannte und darum war er in seinen Augen auch schon manchmal recht... putzig. Süß eigentlich, Kaorus Art.

"Kommst du klar?", unterbrach genau dieser Dies Gedankenfluss, als sie im Hotelflur angekommen waren.

"Hm? Ja, ich denk schon," nickte Die zustimmend und schloss seine Tür auf, während Kaoru ebenso kurz mit dem Kopf nickte und sich dann in Richtung seines eigenen Zimmer umdrehte. Weit kam er allerdings nicht. "Äh Kao." Kurzform. "Warte mal. Ich..." Da blieb einem die Spucke weg. "Sieh dir das mal an."

Kaoru machte auf dem Absatz kehrt, trat in Dies Zimmer und betrachtete den Grund von Dies Schock. Der Raum war voll von roten Rosen, ein Strauß am anderen, einzelne sogar auf dem Bett, so dass es ein Bild des Wahnsinns ergab. Nicht mal Stalker waren dermaßen schlimm. "Da ist auch ne Karte."

"Na und? Ich mach die nicht auf. Wer weiß, was für ein Psycho das war." Also echt mal, jemand war offensichtlich in Dies Zimmer gewesen und das allein war ihm schon unheimlich genug.

"Und wenn es von irgendwelchen Fans kam? Für Die, also dich, weil du so unsagbar krank bist." Vor Sarkasmus strotzend öffnete Kaoru die Karte und las leise, bevor er sie dem anderen gab. "Ist nicht von Fans."

"Von wem denn dann?" Irgendwie nervte Die das ganze und das nicht wenig! "Oh mein Gott! Shinya!"

Kaoru kicherte dreckig.

"Hör auf so blöd zu lachen, Niikura. Die drehen doch alle frei hier!" Empört warf Die die Karte wieder aufs Bett und nahm sich ein paar seiner Sachen.

"Was hast du vor?", fragte Kaoru verdutzt, auch wenn ihm schon etwas schwante.

"Bei dir pennen. Du glaubst wohl kaum, dass ich in einem Zimmer schlafe, für das Shinya einen Schlüssel hat. Vielleicht ist er ja auch eingebrochen, wer weiß. Aber es ist beängstigend, weißt du? Ich meine, selbst der kleine Shin-chan! Und die Methoden, guck nur." Mit einer letzten Handbewegung deutet Die noch einmal auf die Hunderte von Rosen, bevor er kopfschüttelnd aus dem Raum marschierte. "Die haben's doch echt nötig..."

Tief durchatmend, nickte Kaoru abermals und folgte Die leise. Was sollte er auch machen mit ihm? Oder ihr. Wirklich nachvollziehen konnte der Ältere nicht, wie es sein musste, wenn plötzlich die eigenen Bandleute hinter einem her waren. Doch den Grund, warum sie es waren, kapierte er dennoch. Und es war verdammt schade, dass es Die sein musste, der sich in ihrem Körper versteckte. Denn bei ‚Daiyana' könnte glatt sogar Kaoru seine Prinzipien vergessen...
 


 

Ende Kapitel Sechs.
 


 

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Angenervt und aufgeklärt!

Zuerst der Dank an meine lieben Kommischreiber, wie Maulwuerfchen, MYM, KatzeMorle, kyo_roshi, GacktJR, streunertomate, -Kaoru-, myamemo, SaKiTo_AkIra, ni-yas_flower_sakito, Kanoe, Sakura_16, KyOs_DiE, kikiyaku, Kao-, Fresel, Zoisaito, Jukiko, zuzanaka und Aya-chan60. <3 Ick libbe euch. Die FF hatte allein in einer Woche 59 Seitenaufrufe - woah.
 

Zum aktuellen Kapitel: 6.447 Wörter sind es geworden und ich hab nur zehn Tage gebraucht. Das ist gut für meine Verhältnisse, aber bitte nicht dran gewöhnen, da ich in nächster Zeit ebenso viel mit meiner anderen FF zu tun haben werde. Wie versprochen erkennt Die diesmal die Nachteile des Frauseins am eigenen Leib. Und Kaoru verliert die Nerven... Wie das aussieht? Nachlesen!
 

Preview aufs nächste Kapitel: Die und Kaoru einigen sich auf eine Lösung, die Die insgeheim eher ulkig findet. Doch muss er sich eines Besseren belehren lassen und kann dies nicht so ganz akzeptieren... Wir kommen der Sache näher.
 


 

Kapitel Sieben: Angenervt und aufgeklärt!
 


 

Eigentlich war so ein Kaoru voll praktisch. Vor allem, wenn es nachts kalt war, denn Kaoru war voll warm und in seiner recht kompakten Form doch auch verhältnismäßig kuschelig. So hatte das Die nie zuvor gesehen, aber da er gezwungenermaßen sowieso schon wieder das Bett mit ihm teilte, dann konnte er sich auch ein bisschen Kaoruwärme holen.

Das Einzige, was ein bisschen nervte, war, wenn der schnarchte. Tat er selten, aber dann hielt Die ihm umgehend die Nase zu, Kaoru schnappte schlafend nach Luft, schmatzte dümmlichst und schlief dann ruhig weiter. Der schien aber auch einen tiefen Schlaf zu haben. Hatte wohl nicht genug davon in letzter Zeit?

Blöd war nur, dass ausgerechnet Die nicht sonderlich gut schlafen konnte. Irgendwie fühlte er sich merkwürdig und so, als läge ihm etwas quer im Magen. Als bahne sich eine Grippe an. Oder vielleicht war das Laufen in den hohen Schuhen einfach nichts mehr für ihn, denn auch von der Wirbelsäule her zog es leicht und er konnte sich drehen und wenden, wirklich bequem wurde es nicht. Nur wenn er ein bisschen näher an Kaoru geschmuggelt da lag, ging es einigermaßen, da dieser offenbar eine einschläfernde Wirkung hatte.

Doch gut schlafen war heute Nacht einfach nicht, so schien es, und als Die am Morgen aufwachte, spürte er einen seltsamen Schmerz im Bauch. Wie ein Ziehen. So ähnlich wie damals, als er Reizung am Blinddarm hatte. Kriegte er vielleicht wirklich eine Erkältung? Dann hatte er auch immer seltsame Schmerzen Gott weiß wo im Körper. Auszuhalten war das jedenfalls nicht mehr und er wunderte sich, ob er sich vielleicht zurück in einen Mann verwandelte. Das würde es doch auch erklären!

Mit einem Seufzen löste er sich von Kaoru, kroch aus dem Bett und schlurfte mit nackten Füßen ins Badezimmer. Ein Blick in den Spiegel und alles war klar. Er war noch immer eine Frau, zwar eine ziemlich zerzauste, aber dennoch hübsche. Egal, da er nun einmal hier war, erledigte er sogleich seine Morgentoilette.

Doch mit Schrecken wurde diese beendet.
 

Leicht frierend hatte Kaoru gerade die Decke über sich gezogen, da wurde er plötzlich unsanft von einem panischen Schrei geweckt.

"KAORU! KAOOO! Kao~ruuu! Hilf mir, Kao!"

Selbstredend, dass dieser bei dem Lärm nahezu im Bett stand und sich wunderte, wer und wo die Bedrohung war und was sie von ihm wollten. Er war doch noch zu jung zum Sterben.

Doch er merkte schon schnell, dass es Die war, der nach ihm rief, und zwar aus dem Badezimmer.

"Kaaaaaoooru! Jetzt mach doch mal und komm her! Hier ist was ganz Schlimmes!"

Frau in Not? Da muss man den Herrn Leader doch nicht erst zweimal bitten. Natürlich stapfte er sofort in die Spur und öffnete die Badezimmertür nichtsahnend, dass ihn dort ein Bild des Schreckens erwarten würde.

Die saß auf der Toilette, Beine seltsam gespreizt, so dass er, als er sich vorn über beugte, durch sie hindurch in die Toilette schauen konnte.

"Oh scheiße!" Umgehend drehte sich Kaoru um und ging wieder raus.

"Wart doch mal! Lass mich hier nicht allein! Kaooo!" Dies Stimme hielt mittlerweile etwas flehend Weinerliches in sich und lautlos seufzend blieb der Ältere vor der Tür stehen.

"Was ist denn?"

"Da ist Blut im Klo!"

Kaoru schwieg.

"Kuck doch!"

"Ich will aber nicht," entgegnete Kaoru. "Wieso... wieso ist denn da Blut?" Was man sich als Bandleader nicht alles so geben musste, war schon faszinierend.

"Ich weiß doch nicht! Aber das kam voll aus mir raus und... ich hab Angst!"

Kaoru schloss die Augen. "Es kam aus dir?"

"Ja, jetzt auch noch. Gott, was mache ich denn, wenn ich krank bin? Ich hab doch gar keinen Krankenschein oder wenigstens einen Perso, das weißt du doch. Ich hab ja gedacht, vielleicht liegt es daran, dass ich mich zurückverwandele, aber siehst ja, ich bin noch immer eine Frau. Aber nur ist da jetzt Blut und... ich hab Bauchschmerzen! Ich kann doch nicht schwanger sein, oder? Ich meine, ich hab doch noch nie mit einem Kerl... also so halt. Aber woher soll ich denn wissen, ob der Körper nicht vielleicht schon benutzt war. Das tut so weh, Kao, mach was. Ich will nicht sterben! Ich bin doch viel zu schön und selbst, wenn ich Frau bleiben sollte-"

"Die." Nun hatte Kaoru aber die Nase voll. Das Geplapper konnte sich ja keiner mehr ziehen und wenn Die nicht bald die Fresse hielt, würde Kaoru Kopfschmerzen bekommen. "Die, hör zu."

"Ja?", schallte es aus dem Bad.

"Möglicherweise hast du einfach nur deine Periode bekommen." Klang dämlich, war aber das einzig Logische aus Kaorus Sicht.

"Periode?"

"Ja, du weißt schon. Menstruation, Regelblutung, Periode eben. So etwas bekommen Frauen halt und dann bluten sie. Wäre für mich eine logische Erklärung." Vor langer Zeit hatte Kaoru mal eine Freundin, die hatte auch regelmäßig das Bluten. Was ja auch gut so war, sonst wäre sie schwanger gewesen und der Stress hätte angefangen. Nur hatte die niemals so ein Gezeter betrieben.

"Meinst du echt?" Ganz langsam dämmert es auch Die, wenn er sich die Soße da so anschaute. "Und was mache ich jetzt?"

"Tja." An dieser Stelle war auch Kaoru ratlos. Wie war das noch gleich bei seiner Ex gewesen? "Du brauchst halt was, um die Blutung... abzufangen." Stoppen konnte man es ja doch nicht.

"Ja, dann hol mir was!", feuerte Die nach, mit Krokodiltränchen in den Augen auf die Tür starrend. Für ihn war das wirklich kein Spaß. So konnte er doch nicht aufstehen und von der Toilette runter, höchstes mal Zwischenspülen, damit das Rot für eine Weile verschwand. Das roch irgendwie komisch und es war unheimlich peinlich, dass er damit ungelogen seine Unterwäsche versaut hatte. Ihm war wirklich zum Heulen jetzt.

Kaoru blickte nur stumm die Wand gegenüber an und lehnte sich mit dem Kopf zurück gegen die Tür, so dass es einen dumpfen Laut gab. "Muss das sein?"

Schluchzen von drinnen. "Du bist voll gemein, weißt du das? Ja, es muss sein, sonst würde ich dich nicht darum bitten. Kao!"

Das Gewimmer von Die konnte sich doch keine Sau geben auf Dauer! Und so seufzte Kaoru erneut und stützte sich von der Tür ab, um ins Zimmerinnere zu gehen und etwas anzuziehen. Morgenhygiene entfiel, denn zu Die wollte er nun wirklich nicht rein.

"Schon gut. Ich geh ja," nuschelte er vor sich hin und durchkämmte sein Haar mit den Fingern, setzte dann doch eine Mütze auf und dekorierte sein Gesicht mit einer Sonnenbrille.

"Danke," schniefte Die und das hätte sich Kaoru echt mal im Kalender anstreichen sollen, denn viel zu selten bekam er auch mal Dank für seine Heldentaten. "Beeil dich aber, ja? Das ist voll blöd hier."

Extrem peinlich berührt und oberdoof, so kam sich Die vor. Nur um das mal klarzustellen. Doch Gott sei Dank war Kaoru bereits nach kürzester Zeit unterwegs und Die fing schon mal an zu spülen. Ob er wenigstens solange duschen konnte oder saute er sich dann erst mal recht ein? Ach Mann, er hatte doch keine Ahnung!
 

Nicht unbedingt mit der besten Laune marschierte Kaoru los um eine Drogerie zu finden. Was nun auch verständlich war mit bisher noch nichts im Magen, wo doch Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages war. Darum hielt er auch zuerst beim Bäcker an und kaufte sich zwei Quarktaschen, die er unterwegs niedermachte. So ließ sich die Suche angenehmer gestalten.

Nach gut einer halben Stunde, gerechnet in Kaorus kurzbeiniger Zeit, wurde er zum Glück auch fündig und betrat den Laden mit Bedacht. Wo zur Hölle fand er denn nun bitte die Damenhygiene-Abteilung? Nach Haarfarben, Putzmitteln und sogar Babynahrung stand Kaoru endlich vor einem Regal mit zellstoffartigen Utensilien. Gut, was also nahm die Frau von heute?

Es gab eine ganze Auswahl an verschiedenen Produkten und er griff einfach mal wahllos zu einer weißen Packung.

"Zum Gebrauch bei Inkontinenz." Nein, das war wohl das Falsche, oder? So ganz sicher war sich Kaoru zwar nicht, aber er packte es wieder ins Regal, als ihm eine Mutti mit Kind einen merkwürdigen Seitenblick zukommen ließ.

Dann eben die pinkfarbene Packung. "Für ein gutes Gefühl an unangenehmen Tagen."

Das klang aber auch eher nach Antidepressiva. Schon komisch, was es alles für Sachen gab. Da sollte jemand wissen, was Die gerne hätte. Als Frau war der einfach unberechenbar! Was hatte denn Kaorus Ex damals immer im Bad? Das waren doch nicht solche windelähnlichen Einlagen. Mehr so...

"Ah ja!" Da hatte er doch was! Tampons. Genau, so hießen diese Wattestöpsel. "Sicher und geschützt mit hohem Tragekomfort."

Das war doch perfekt für Die, denn der liebte Komfort. Konnte man da etwas falsch machen? Wohl eher nicht.

"Die sind gut. Ich nehme die auch," mischte sich die Mutti unvermittelt ein, so dass Kaoru das Herz fast in die Hose rutschte.

Wo kam die denn her auf einmal? Er hatte gedacht, die sei weg. Und da erschien sie ihm plötzlich aus dem Nichts und haute so einen Spruch raus! Gott, war das peinlich!

"Öhm... gut." Was sollte er auch sagen, während ihm allmählich Farbe ins Gesicht stieg? Schnell drehte sich Kaoru um und machte sich auf zur Kasse. Am besten er bezahlte die Dinger einfach schnell und machte sich aus dem Staub!

Was für ein Glück, dass er die Bäckertüte noch hatte und darin die Teile verstecken konnte.
 

"Kaoru?", schallte es aus dem Badezimmer, sobald der andere das Hotelzimmer wieder betrat und sich die Schuhe abstreifte.

"Ja, ja. Wer sonst?", brabbelte er vor sich hin und kramte Dies Tampons aus der Tüte, um sie ihm ohne hinzuschauen zu reichen, bevor er auf dem Bett Platz nahm. Wow, nicht mal für eine Freundin hatte er bisher so Sachen kaufen müssen. Aber dann kam Die...

"Was ist das denn bitte?" Apropos Die. Der schien wohl doch nicht so glücklich, während er die Packung in Händen hielt und mehrfach drehte. "Tampons?!"

"Was hast du denn nun daran wieder auszusetzen? Du entwickelst dich langsam zur Diva, ist dir das klar?" Mit Vernunft und Sachlichkeit versuchte Kaoru das Thema anzugehen, auch wenn er von Vornherein wusste, dass es zwecklos war.

"Und du bist ein fieses Arschloch, weißt du das? Jetzt darf ich mir diese Teile da reinpopeln! Ganz toll ist das. Als würde ich mir gern Zeug da unten reinstecken wollen!" Kopfschüttelnd öffnete er die Packung und betrachtete skeptisch einen der kleinen Pfropfen. "Wie geht das überhaupt?"

"Woher soll ich das wissen? Ist da keine Beschreibung dabei?" Großzügig sah Kaoru darüber hinweg, dass er ein Arschloch genannt wurde, da es ganz im Gegenteil nur ein Schuldgefühl auslöste, wenn er Die nicht ernst nahm. Ganz so einfach hatte der es wohl wirklich nicht und um keinen Preis der Welt würde Kaoru mit ihm tauschen wollen.

"Doch, schon." Langsam faltete Die das Blättchen auf, wobei ihm fast die Packung runtergefallen wäre, da er noch immer einen der Tampons zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. "Kannst du mal vorlesen?"

Das Seufzen wurde unterdrückt, als Doktor Kaoru aufstand und die Hand ins Badezimmer strecke, in die ihm sogleich der Zettel gedrückt wurde. Dann nahm er die Sache in Betracht. "Also, hier steht: um einen Tampon einzuführen, müssen Sie den Tampon schräg nach oben und hinten in die Scheide hineinschieben. Probieren Sie behutsam und mit viel Fingerspitzengefühl, wie und in welche Richtung sich der Tampon am leichtesten einführen lässt. Mit Ruhe und Zeit werden Sie bald herausfinden, wie Sie den Tampon am besten einführen können."

"Oh Mann! Womit hab ich das verdient?", jammerte Die und entfernte zunächst einmal die Folie des kleinen Scheißers.

"Jetzt mach nicht so ein Geschrei. Wo oft hast du Weibern dein Ding da schon rein gesteckt? Dann kriegst du doch wohl auch das Wattepäuschchen da rein!" Kaoru konnte fast den Anschein erwecken, als hätte er heute weniger Geduld als sonst. Lag daran, dass er keine Lust hatte, das alles zu lesen und mit Die zu besprechen, da es Bilder in seinem Kopf kreierte, die nicht unbedingt die schönsten waren. Sie waren eher... abstoßend.

"Wattepäuschchen. Daran sieht man, dass du null Plan hast, Niikura." Spottend machte sich Die jedoch an die Arbeit und presste das kleine Teil gezielt in sich. "Lies mal weiter."

"Ein Tampon sitzt dann richtig, wenn Sie ihn nicht mehr spüren. Er sitzt dann im mittleren Teil der Scheide, wo es kaum Empfindungsnerven gibt und wo er durch die Muskeln des Beckenbodens an der richtigen Stelle gehalten wird. Dort schmiegt sich der Tampon den Scheidenwänden auch ganz natürlich an, indem er sich gleichmäßig rund ausdehnt." In Kaorus Hirn löste das jedoch mehr Fragen aus, als dass es ihm Antworten gab. Im Mittelteil gab es kaum Empfindungsnerven? Wozu brauchte ein Kerl dann überhaupt noch einen großen Penis? Wo genau war denn der Mittelteil eigentlich? Am besten er las einfach weiter und dachte nicht darüber nach. "Tampons müssen regelmäßig gewechselt werden. Wie oft Sie Ihren Tampon wechseln müssen, hängt ganz von der Stärke Ihrer Blutung ab. Sie brauchen nur vorsichtig am Rückholbändchen zu ziehen: Gibt der Tampon unter einem leichten Zug nach, wechseln Sie ihn. Tut er es nicht, ist es noch zu früh."

Das reichte aber jetzt! Kaoru hatte nun wirklich keine Lust mehr. Das klang alles so mechanisch und das im Bezug auf ein weibliches Geschlechtsteil, das ihn früher mal hart hätte werden lassen beim bloßen Gedanken daran.

"Okay, ich glaub, er sitzt so richtig," meinte Die unterbewusst, während er sich angewidert seine Hand betrachtete, an der eindeutig Blut klebte. "Ich geh mich jetzt duschen." Bevor er umfallen würde, da Die ungern Blut sah. Echtes verstand sich.

Ohne weitere Worte legte Kaoru den Beipackzettel fort und ließ sich bäuchlings aufs Bett fallen. Was für ein Morgen!
 

Natürlich dauerte es nicht sehr lange, bis Die aus dem Badezimmer gekrochen kam, als wäre er Quasimodo im Badetuch. "Mou, Kao. Mir geht's gar nicht gut," wimmerte er und legte sich in gekrümmter Haltung neben den anderen. "Ich hab Hunger. Auf Schokolade."

Die und Schokolade? Freiwillig? Da hob Kaoru erschrocken den Kopf aus dem Kissen. "Nicht dein ernst."

"Doch," heulte er weiter. "Holst du mir welche? Bitte! Hab doch noch nichts im Magen und so. Aber mir ist wirklich nicht gut und ach."

Zugegeben, Die sah schon ein wenig blass aus. "Und du bist dir sicher, dass du Schokolade willst? Nicht lieber deinen üblichen Jogurt mit Früchten?"

"Nein!" Der Rotblonde verzog das Gesicht und rümpfte sein kleines Näschen. "Das ist doch eklig. Ich möchte was Süßes und zwar Schokolade. Bitte Kao."

Langsam fragte sich Kaoru, ob Die als Frau den Traum ausmachte, der ihn an der Realität der Ereignisse zweifeln ließ, oder doch das ständige Flehen seinerseits. Wörter wie Bitte und Danke waren nicht gerade oft in Gebrauch gewesen, schienen aber das neue Leitbild des Rhythmusgitarristen zu sein. "Also gut. Dann kriegst du eben Schokolade."

"Danke, Kao. Du bist ein Schatz," lächelte Die gequält von Schmerz und Unwohlsein.
 

Man hätte ja meinen können, dass es einfacher war in einem Hotel Schokolade zu finden, aber kaum zu fassen war, dass die echt keine hatten! Gott sei Dank war ganz in der Nähe eine Tankstelle und dort fand man nicht nur Tampons, was Kaoru doch mal einer vor zwei Stunden hätte sagen können, sondern auch Schokolade. Das wusste er genau!

Er kaufte von jeder Sorte eine, nahm noch zwei Packungen Zigaretten mit und zur Sicherheit ein Verpflegungsbeutel der zugehörigen Backstube, bevor er wieder ins Hotel marschierte und aus dem Aufzug raus direkt in Kyos Arme rannte.

"Aha!", meinte dieser.

"Was aha?", gab Kaoru gelangweilt zurück und tat, als könnte ihn kein Wässerchen trüben.

"Dich hab ich gesucht. Also nicht wirklich dich, sondern Daiyana, nur ist sie nicht da und es hätte ja sein können, du weißt, wo sie ist." Mit dem Fuß tapsend schaute der kleine Sänger fragend nach oben. "Und? Weißt du es?"

Kaoru schüttelte den Kopf. "Nö. Bei Die vielleicht? Oder einkaufen? Keine Ahnung."

"Verdammt," murrte der Blonde. "Na gut. Wenn du sie sehen solltest, sag ihr, ich hab was für sie. Oder nein, sag einfach, dass ich mir ihr reden möchte."

"Joah, mach ich," nickte der Bandleader brav und lief zu seinem Zimmer, während Kyo in den Fahrstuhl verschwand. Was das war, fragte sich Kaoru nicht mal mehr. Vielleicht hatte Kyo ja jetzt auch noch einen Strauss Rosen für Die. Kaoru war das egal, solange es keine Pralinen waren, denn die hätte er wenigstens gebrauchen können.

Aber nur um auf Nummer sicher zu gehen, ließ er Folgendes verlauten, als er zurück ins Zimmer zu Die kam: "Du bleibst heute hier. Kyo flitzt rum und sucht dich. Jede Wette Shinya auch in Anbetracht seiner Aktion mit den Rosen."

"Okay," schniefte Die mit trüben Augen und sah hoffnungsvoll auf Kaorus Einkaufstasche. "Hast du meine Schokolade?"

"Hab ich. Außerdem noch ein bisschen Gebäck und Brot und so Zeug, falls du doch noch Hunger kriegst." Er reichte dem anderen die Auswahl an süßen Tafeln und musste wirklich feststellen, heute sah Die einfach nicht gut aus. Fieber hatte er doch wohl keins, oder?

Mittlerweile hatte Die sich umgezogen und war in eines seiner (also Männermode!) T-Shirts geschlüpft und trug dazu eine dunkle Jeans, denn man wusste ja nie, wie lange so ein Tampon durchhielt. Er nahm sich sogleich die Schokolade vor und blieb seitlich auf dem Bett liegen. "Kann ich fernsehen?"

Ein bisschen skeptisch schaute Kaoru bei dieser Frage, denn eigentlich fragte man so etwas nicht, sondern tat es einfach. Das machte ihm nun aber doch ein wenig Sorgen. Die äußerte er jedoch nicht, machte einfach die Glotze an und legte sich auf seine Seite des Bettes.

Es war ziemlich ruhig, während sie so da lagen und sich dumme Sendungen ansahen, bis auf ein paar tiefe Seufzer seitens Die, der im Laufe der Zeit die Schokolade auf dem ganzen Bett verteilte, während er sich hin und wieder krümmte.

Einen Rat hierzu hatte Kaoru jedoch auch nicht, schaute nur ab und zu besorgt zu seinem Kumpel in Frauengestalt und wartete ab. Selbst als Die sich langsam mehr oder weniger mit schmerzgequälten Augen an ihn kuschelte, sagte Kaoru nichts, legte stattdessen sogar einmal kurz den Arm um Die und tätschelte ihm den Rücken. Ihm kam das alles sehr eigenartig vor und mehr und mehr zeichneten sich auf seinem Gesicht Sorgenfalten ab. Das war doch nicht normal, dass Die solche Schmerzen hatte. Der Arme.
 

"Kao, es tut so weh," wimmerte Die in Kaorus linke Schulter hinein, während er noch immer leicht gekrümmt versuchte, den Schmerz einfach wegzudenken. Ging aber nicht.

"Ich weiß," seufzte der andere und streichelte kurz über Dies Bein. Möglicherweise waren es unbewusste Vatergene oder so etwas Ähnliches, das ihn dazu bewegte, aber es tat ihm im Herzen weh, wenn es Die so unsagbar dreckig erging. "Halt durch. Es geht bestimmt wieder weg."

"Du hast gut Reden. Kannst du mir nichts gegen die Schmerzen holen?" Es musste doch ein Mittel geben, das auch diese Art von Krankheit bezwingen konnte. Morphium vielleicht?

"Meinst du, da gibt's was?" Kaoru war sich jedenfalls nicht sicher, denn hierzu hatte er null Erfahrungsberichte. Seine Ex hatte nie so gejammert.

"Bestimmt. Muss es doch. Zur Not nehme ich alles. Ist mir egal, nur mach, dass es aufhört." Das Geheule war kaum noch zu Ertragen, aber Die konnte sich auch nicht helfen. So etwas hatte er als Kerl nie erlebt. Da ging es ihm doch immer gut und bluten musste er auch nie! So ein Scheißleben als Frau!

"Also gut, ich such was." Es musste doch auch in dieser Stadt eine Apotheke geben und es wäre doch gelacht, wenn Kaoru die nicht finden würde! Selbst wenn er sich nun schon zum dritten Mal aufquälen musste, er tat es diesmal fast schon gerne. Armes, kleines Die-chan litt ja so sehr.

"Danke." Here we go again.

Dass Kaoru das mal erleben durfte!
 

Wieder hatte er sich schnell Schuhe angezogen, seine Mütze aufgesetzt und sich in die Stadt begeben, nachdem er die nette Frau an der Rezeption nach dem Weg zu einer Apotheke gefragte hatte. Der Weg war gar nicht mal so weit und als Kaoru das Arzneimittelfachgeschäft betrat, begrüßte ihn bereits eine freundliche Mitarbeiterin hinter dem Schalter.

"Ich brauche etwas gegen Bauchschmerzen."

"Wo sind denn die Beschwerden genau?", wollte die junge Frau wissen und lächelte ein wenig nervös, weil, wie Kaoru erahnte, sie ihn vielleicht erkannte. "Sind es eher Schmerzen in der Magengegend oder Darmbeschwerden?"

"Mehr so... Schmerzen, wenn eine Frau ihre Tage hat. Sie verstehen?" Eigentlich war das ziemlich peinlich, merkte Kaoru auch schon und holte tief Luft, während er mit der Nase schniefte.

"Sie meinen Menstruationsbeschwerden? Krämpfe während der Periode?", hakte die kleine, nicht allzu zierliche Person nach und Kaoru nickte.

So etwas hatte Die also! Na bitte! "Glaub schon."

Und schon zog das Fräulein ab hinter ein paar Regale, wo Kaoru auch noch ein paar ihrer Kolleginnen erspähte, die dämlich begannen zu kichern, als sie ihn sahen. Entweder das oder weil gerade er auch noch Pillen gegen Bauchkrämpfe wegen der Tage wollte. Klasse! Ziemlich peinlich war die ganze Show und je mehr sie kicherten, umso mehr kotzte es Kaoru an. Was sollte das? Konnte ein erwachsener Mann keine Schmerzmittel kaufen? Immerhin kam er nicht mit einem Rezept für Viagra! Kaoru war nämlich verdammt potent! Nämlich.

"Also hier hätte ich ein Produkt," erläuterte die Kleine, die sich offensichtlich ein Grinsen verbot. "Das ist auf pflanzlicher Basis und hat keine Nebenwirkungen. Man sollte aber zwei nehmen, damit es hilft. Das käme dann auf 1.149 Yen."

Grummelnd zog Kaoru seine Geldbörse hervor, als erneut das Kichern der Weiber hinter den Regalen erklang und sich selbst die Frau vor ihm kaum noch das Grinsen verkneifen konnte.

"Ich nehme dann noch eine Packung Kondome." Nur so, damit die wussten, Rockstars kaufen nicht nur Mittel gegen Bauchweh, sondern sie haben Sex! Viel Sex.

Die junge Frau hustete und lief leicht rot an. Na bitte. Ziel erreicht. "Welche hätten Sie denn gerne? Wir haben hautfreundliche, extragroße oder welche mit Rillen."

"Groß, bitte. Und auch eine große Packung, danke." Haha! Da konnten sie mal sehen, wie cool ein Kaoru war! Diese kleinen miesen Kicherkröten konnten ihm doch nicht die Show stehlen.

Wortlos legte die Kleine die Kondome zu den Pillen und gab erneut den Preis in die Kasse ein. "Macht dann zusammen 2.689 Yen."

"Hier, bitte sehr." Kaoru reichte ihr großzügig ein paar Scheinchen ohne die Miene zu verziehen. "Stimmt so. Auf wiedersehen."

Lässig stopfte er den Geldbeutel wieder in seine Hosentasche und nahm die kleine Tüte mit den Tabletten und den Kondomen, um aus dem Laden zu schlendern.

Einen Block weiter zündete er sich eine Kippe an.

Was blödes Volk doch auf der Welt war! Dachten die allen Ernstes, er, der Bandleader von Dir en grey, hatte keinen Sex? Dass er nicht vielleicht eine Freundin hatte, die vielleicht diese Tabletten brauchte?

Gut, wenn sie so dachten, dann hatten sie recht. Aber es gab ihnen noch lange nicht das Recht so zu denken. Mit diesem Gedanken stapfte Kaoru zurück ins Hotel.
 

Was ein Glück lief er diesmal auch nur Shinya in die Arme.

"Sag mal, Kaoru. Hast du Daiyana irgendwo gesehen?" Keine Resonanz auf seine Blumen und Shinya war traurig, ehrlich.

"Nein, hab ich nicht! Und lasst mich in Ruhe!", fuhr er den jungen Drummer an und marschierte geradewegs auf sein Zimmer. Langsam reichte es Kaoru, der Depp der Nation zu sein und für alle und jeden nur den Idioten zu machen. Auch er hatte mal den Punkt erreicht, wo er nicht mehr konnte.

"Kao?", schniefte Die ihm sogleich entgegen, Tränen in den Augen und sich den Bauch haltend.

"Hier, bitte." Dieses verdammte Bild machte Kaoru mitleidig! Doch noch immer war er zu genervt, als dass er hätte wirklich freundlich sein wollen. So legte er die Tüte aufs Bett und ging sich noch eine Kippe anzünden.

Umgehend ergriff Die die kleine Tüte und erforschte deren Inhalt. "Kondome? Wozu brauchst du denn-? Kao! Was soll das denn?"

"Was?", fauchte der Dunkelhaarige zurück und sah Die scharf an. "Die gehen dich nichts an. Das sind meine. Nimm deine Tabletten."

"Ist ja schon gut," winselte der Jüngere und nahm die Packung Pillen hastig auseinander. "Aber mal ehrlich, Kao. Du? Kondome? Wofür?"

War der ehrlich so dämlich oder wollte Die ihn jetzt auch mal wieder verarschen? "Wofür braucht man denn Kondome, hm? Jetzt gib sie her." Kaoru schnappte sich die Packung und warf sie kurzerhand in seine Reisetasche. "Die gab es gratis dazu."

"Ja, na klar." Die glaubte Kaoru natürlich kein Wort, holte sich stattdessen ein Glas Wasser und schluckte sicherheitshalber gleich drei von den Pillen. "Willst du Sex haben? Hast du was in Aussicht? Ich meine, du kannst doch jetzt nicht los und rumvögeln, während ich hier leide."

Die Augen nach hinten rollend, drückte Kaoru die Zigarette aus und legte sich wieder aufs Bett. "Ich hab's nicht eilig, keine Sorge."

"Gut." Und das meinte Die ernst, schließlich wollte er dabei sein, wenn Kaoru tatsächlich eine abschleppen sollte. Das durfte man doch nicht verpassen. "Hoffentlich wirkt das Zeugs schnell. Ich hab das Gefühl, ich sterbe, wenn ich das noch länger ertragen muss."

Kaoru auch, Kaoru auch! Nur hatte das nichts mit Dies Bauchschmerzen zu tun.
 

Während also Die mit Kaoru gemeinsam Fernsehen schaute, reagierte sich der Ältere wieder ab und Die begann zu frieren, zog die Decke ein Stück über sich und kroch näher an seinen Kumpel ran. Das Komische war, wenn man eine Frau war mit dem entsprechend zierlichen Frauenkörper, - nicht dass Die dick wäre - dann war ein Kuschelkao eigentlich ganz praktisch. Er war wie ein fetter, flauschiger Teddy, den man an sich drückte, wenn es einem nicht gut ging.

Benahm sich Die echt schon wie ein Mädchen? Oder war er schon immer so gewesen? Wie auch immer es war, er achtete dennoch darauf, Kaoru nicht zu erdrücken.

Dem war es angenehmer, als er sich es jemals hätte vorstellen können, während sie so lagen und nichts taten außer sinnlose Shows zu schauen. Bis die Nachrichten kamen und sich ihre Hirne verabschiedeten, da diese Themen viel zu ernst waren.

"Hey!" Die sah auf.

"Was?" Kaoru zog die Brauen hoch.

"Ich hab keine Schmerzen mehr! Halt nur noch so kaum."

"Echt? Was geil!"

"Yep!", lachte Die dumm und wurde dann urplötzlich wieder ernst. "Hier, ich geh trotzdem mal nach dem Dingsda gucken. Weißt schon."

"Tampon, Die. Gewöhn dich dran," grinste Kaoru dämlich und bekam die Zunge rausgestreckt. Also entweder war Die nun auf Drogen oder es hatte sich einfach so aus dem Nichts eine recht gute Laune zwischen ihnen entwickelt. Vom Kuscheln kam es wohl nicht, oder? Das war... abgefahren.

Als Die zurück ins Zimmer kam, nachdem er seinen Toilettenbesuch beendet hatte, musste er jedoch etwas Unschönes entdecken. "Ey du Sau! Du frisst ja meine Schokolade!"

"Na und? Ich hab sie auch gekauft." Genüsslich schob Kaoru noch ein Stückchen nach, schmatzte und grinste leicht. "Schmeckt gut."

"Gib meine Schoki!" Blitzschnell krabbelte die Monsterfrau aufs Bett und langte nach der Tafel, doch Kaoru war schneller und zog sie weg.

"Zu langsam!", lachte Kaoru laut.

"Musst du gerade sagen!", zischte Die und kletterte auf Kaoru, denn der lag auf dem Rücken und es wäre doch gelacht, wenn er ihm nicht unterlag in dieser Position.

"Was soll das denn heißen?", tat der Ältere schockiert.

Dass Die jedoch für Kaoru geradezu ein Fliegengewicht war in der neuen Form, war dem Jüngeren nicht ganz klar gewesen, vor allem nicht, als Kaoru sich aufsetzte, die Arme um Die legte und so die Schokolade hinter seinem Rücken bunkerte.

"Dass du lahm bist!", fatzte der Rotblonde und versuchte zugleich an die Schokolade zu kommen. Er gab jedoch auf, da er sich eindeutig zum Kasper machen würde, wenn er noch länger mit den Händen hinter dem Rücken rumfuchteln würde. Stattdessen presste er seine Hände gegen Kaorus Schultern und drückte ihn nach unten. "Selbst als Weib mach ich dich noch locker platt!"

"Glaubst du!", erwiderte Kaoru, warf die Schokolade zur Seite und schnappte Die an der Hüfte, so dass er sie beide herumrollen konnte und Die nun auf dem Rücken lag. "Schwächling."

"Pah! Ich bin nicht schwach!" Strampelnd versuchte Die nun den anderen loszuwerden, doch schon bald verließen ihn die Kräfte und er musste sich ergeben.

Kaoru fand das alles insgesamt äußerst amüsant. Richtig niedlich eigentlich, wie Die versuchte, da unter ihm hervor zu kommen. Die Haare fielen ihm dabei wild ins Gesicht und seine kleine Nase rümpfte sich göttlich süß, so dass man glatt vergessen könnte, wer er eigentlich war.

Das war wohl auch, was Ausschlag gab, dass Kaoru ihn auf einmal wie in Trance ansah. Wer würde nicht eine Frau wie Daiyana haben wollen? Der rote Schmollmund war schlichtweg zu einladend und ihre zierlichen Hände kitzelten Kaoru mehr, als dass sie etwas bewirkten um ihn wegzustoßen. Man konnte sich glatt vergessen.

Was Kaoru in jenem Moment tat, als er sich hinab beugte um diese süßen Lippen zu küssen.

Die Zeit hielt an.

Nicht nur für Kaoru, sondern auch für Die, der dies mit Schock zur Kenntnis nehmen musste. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er apathisch vor sich hin, jedoch durch Kaoru hindurch, während er versuchte, klare Gedanken zu fassen.

Kaoru küsste ihn! Was sollte der Scheiß? Eine leichte Panik so wie damals bei Toshiya ergriff Die, doch er konnte sich anfangs nicht bewegen. Er war wie eingefroren. Was sollte er denn machen? Kaoru! Um Himmels Willen! Gerade der! Der Schock saß tief.

Runter! Kaoru sollte aufhören! Mehr ging schlagartig nicht mehr durch Dies Kopf und einem Impuls folgend tat er das, was jede Frau getan hätte, die geistig auf der Höhe war, um sich zu wehren. Er richtete gezielt und mit Kraft sein Knie nach oben.

"Uuuuh!" Der hatte gesessen!

Der Kuss war unterbrochen und diesmal war es Kaoru, der sich nun krümmte und vor Schock direkt vom Bett fiel. "Autsch."

Und wie das zwiebelte! Da stiegen einem ja fast die Tränen in die Augen! Nicht nur der Schritt tat ihm nun weh, sondern auch das Gesäß. Aber zwischen den Beinen war es eindeutig schlimmer und darum heulte Kaoru auch leidend auf dem Fußboden rum, während sich seine Hände in Schutzhaltung vor dem Hosenstall befanden.

"Geschieht dir recht," maulte Die nur und krabbelte vom Bett. Was zum Henker hatte sich Kaoru dabei gedacht? Wem zur Hölle sollte er denn noch vertrauen, wenn nicht mal Kaoru imstande war sich zu beherrschen.

"Du bist so... gemein." Das war das treffende Wort.

"Gemein?! Du spinnst doch wohl. Was sollte das?" Da konnte man sich doch echt nur noch wundern.

"Weiß nicht." Mehr war da nicht zu sagen, denn Kaoru wusste es doch wirklich nicht. Er war halt auch nur ein Mann. Darum jammerte er auch weiter schmollend auf dem Fußboden.

"Merke ich. Jedenfalls hast du es nicht besser verdient." Es war ja nicht so, als könnte Die nicht nachvollziehen, wie doll das weh getan haben musste, aber dennoch war es nur gerecht, selbst wenn Kaoru einem schon Leid tun konnte, wenn er da so mit wässrigen Augen herum lag.

"Oh Mann, es tut mir ja auch leid, aber... hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut?" Keine gute Verteidigung, aber eine bessere hatte er nicht.

Die seufzte nur gereizt. "Mann, wie blöd bist du eigentlich? Nicht mal die anderen kämen auf so eine bescheuerte Idee, wenn sie wüssten, dass ich ich bin."

"Ich weiß ja," schluchzte Kaoru und setzte sich auf, damit er die Beine an sich heran ziehen konnte. "Ich bin halt doof und nicht wie die anderen."

Systematisch versank Kaoru in Selbstmitleid, was nicht mal Die mit ansehen konnte, selbst wenn ihn so etwas normalerweise erheiterte. Was für ein Häufchen Elend war dieser Mann?

Bevor er jedenfalls zu weinen anfing, ging Die mal lieber an den Eisschrank in der Minibar und wickelte ein wenig Eis in ein kleines Tuch, welches er dann Kaoru mehr oder weniger unfreundlich in die Hand presste. "Hier, du Volldepp."

Wie viel Würde konnte man noch verlieren, wenn man Kaoru war? Eigentlich keine, oder? Darum nahm er auch den Eisbeutel und legte ihn sich in den Schritt, während Die nur mit dem Kopf schütteln konnte.

"Am besten ich lass dich mal ne Weile allein," sprach er dann ruhig und nahm sich ein paar seiner Sachen, um damit auf sein eigentliches Zimmer zu gehen. "Vielleicht wird es einfach ein bisschen viel. Wir kleben ja praktisch aneinander. Und, naja, ich bin schon geil, das ist halt so. Darum verzeih ich dir auch. Aber kühl dich ab."

Mit einem letzten Winken verschwand Die aus dem Zimmer und ließ einen bemitleidenswert blickenden Kaoru zurück, der sich den Schritt mit einem Eisbeutel kühlte und laut seufzte.
 

Was hatte er denn nun jetzt angestellt? Nie im Leben hatte er Die küssen wollen. Er hatte ja nicht mal darüber nachgedacht und dann... vroom! Hatte er es doch gemacht. Warum nur? Ihm war das alles genauso wenig klar, wie warum Die überhaupt eine Frau war. Das war doch Die!

Es musste eine Erklärung geben. Frust vielleicht? Gut, damit lebte Kaoru eigentlich ständig. Ebenso wie mit sexuellem Frust. Lag es daran? Er hatte wirklich schon ewig keine Frau mehr gehabt. Es war halt langweilig geworden und so emotionslos, wenn man immer nur Groupies hatte und eine feste Freundin war schwer zu finden. Dann war da eine gutaussehende Rotblonde unter ihm, mit der er schon den ganzen Tag lang im Bett gelegen und gekuschelt hatte, da war es doch kein Wunder, dass er schwach wurde! Nur dass die Rotblonde leider in Wahrheit ein Kerl war, der Die hieß und sein Bandkollege war.

Vielleicht... nein, der Gedanke war absurd. Obwohl...

Kaoru hatte auch schon ewig nicht mehr Hand an sich angelegt und wenn er sich selbst ein wenig Druck nehmen würde, dann passierte so etwas sicher nicht wieder.

Wobei sein kleiner Freund möglicherweise gerade etwas lädiert war. Am besten Kaoru schaute mal nach. Er hievte sich aufs Bett, öffnete die Hose und schob sie ein Stückchen weiter nach unten. Selbiges betraf die Unterhose. Also blau war das gute Stück nicht und sah auch noch recht unversehrt aus. Lag auch noch gut in der Hand.

So lange würde Kaoru schon nicht brauchen und der Moment war günstig, da Die gerade weg war. Also fing er mal an, seine Hand langsam an dem kleinen Mann auf und ab zu bewegen, schloss dabei die Augen und versuchte an etwas Schönes zu denken. Eine sexy Frau am besten, nur nicht an Die. Irgendeine, ganz egal welche.

Oder vielleicht an ein sexuell aktives Paar, das es gerade wie wild im Park trieb...
 

Indes hatte sich Die auf sein Zimmer begeben und fragte sich noch immer, was wohl in Kaorus Schädel vorging. Eigentlich war es ja zu bemitleiden, dass er urplötzlich Weib von Mann nicht mehr unterscheiden konnte, nur weil Die ihm mal ein klein wenig auf die Pelle gerückt war. Eine echte Lachnummer!

Aber was konnte Die auch dafür, dass er ausgesprochen gut aussah, natürlichen Charme besaß und als Frau nahezu Modelmaße an den Tag legte? Klar wurde Mann da schwach und zwar jeder. Obertrottel Kao konnte man in der Hinsicht doch keinesfalls ernst nehmen, da es schon an ein Wunder grenzen würde, wenn er mal eine richtige Frau anbaggern würde - keine Kumpels oder Transen! Es ward Kaoru verziehen, dachte sich Die innerlich grinsend und wollte gerade seine Sachen wechseln, als es an der Tür klopfte.

War ziemlich früh für eine Entschuldigung von Kaoru. Oder war es etwa Shinya wegen seiner dämlichen Rosen, die hier überall verstreut lagen, so dass Die sich nicht mal aufs Bett legen konnte?

Nein, wie er feststellen musste, war es Kyo.

"Hey, wie geht's?", fraglich der süß lächelnd, was ihn wohl zum Fluchen gebracht hätte, wenn er sich selbst sehen könnte. "Kann ich rein kommen?" Und flutsch war das kleine Kraftpaket auch schon drinnen im Zimmer und Die konnte nur mit offenem Mund staunen. "Von wem sind die Rosen?"

"Lies doch," sagte Daiyana auf die Karte deutend und zuckte mit den Schultern.

"Shinya," knurrte Kyo leise und zog ein kleines, rotes Büchlein hervor, welches eine Schleife um hatte. "Dabei fällt mir ein. Ich habe auch etwas für dich." Er reichte es seinem Zielobjekt und strich unsanft die Rosen vom Bett. "Zum Lesen in ruhigen Minuten, zum Abschalten und Träumen."

"Danke," stammelte Daiyana monoton und öffnete die Schleife auf gestikuliertes Drängen des Sängers. "Gedichte..."

Na schön auch, denn wenn Die etwas nicht verstand, dann war es Poesie! Für so Rotz hatte er ja nun gar keine Ader! Was waren schon Worte? Taten waren wichtig und er sollte nun langsam mal tätig werden, sonst würde er Kyo noch den ganzen Tag lang hier sitzen haben.

"Magst du Poesie?" Kyo lehnte sich zurück und stützte sich auf seine Handflächen.

"Äh... klar doch. Danke. Wirklich schön, also, das Buch. Werde ich mir mal durchlesen, wenn ich Zeit hab. Jetzt..." Bisher kam Daiyana nicht wirklich weit, aber das musste sich dringend ändern. "Jetzt muss ich erst mal weg. Tschüssi!"

Und raus aus dem Zimmer. Warum verkackte er das auch immer wieder so übelst? Er bekam keine so guten Ausreden hin wie Kaoru; Die war nur gut im Verführen und Einschleimen, aber kein sehr guter Lügner. Wohin sollte er also nun gehen, wenn nicht zu Kaoru, bei dem er sowieso noch etwas gut hatte für die Aktion von vorhin? Da konnte der Bandleader doch gleich mal wiedergutmachen, was er vorhin vergeigt hatte!

Auf also zu Kaoru!
 

Mit dem Bild vor Augen, wie er selbst gerade Sex mit drei Weibern gleichzeitig hatte, war Kaoru auch richtig gut voran gekommen beim Onanieren. Er hatte einen Ständer fast auf Armlänge und war so nahe...

Als plötzlich die Tür aufging.

"Hey Kao, hilf mir ma---AHHHH!! Was zum-?!" So sehr Die auch wollte, aber abwenden konnte er die Augen nicht, sondern nur starren! "Heilige Scheiße!"

"Fuck!", fiepte Kaoru erschrocken auf, zuckte dermaßen zusammen, dass er vom Bett abhob und direkt wieder daneben landete. Wo zur Hölle kam Die denn plötzlich her?

Im Grunde war es noch bemitleidenswerter als alles andere bisher. Kaoru kaufte Kondome und holte sich selbst einen runter - machte das Sinn? Nein. Eigentlich, und nun konnte Die nicht mehr anders, als er endlich den Schock überwunden hatte, konnte man nur noch loslachen. Was er auch tat und zwar laut. Gott, wie köstlich!

Knallrot wie eine Tomate lief Kaoru an, während er versuchte sein bestes Stück wieder einzupacken, welches sich in hartem Zustand weigerte.

Warum er? Warum er? Warum er? WARUM IMMER ER?

"Ich kann nicht mehr, Kao. Scheiße, bist du erbärmlich! Ich muss hier raus," lachte Die unter Tränen und Bauchkrämpfen, die allerdings nun vom Lachflash kamen. "Sonst lach ich mich noch tot über dich. Herrlich. Ich hoffe, ich war wenigstens die Wichsvorlage!"

Armselig war Kaoru, aber schon lange hatte Die nicht mehr so gelacht, während er das Zimmer wieder verließ und sich auf nach unten machte. Er brauchte jetzt einen kleinen Umtrunk zur Feier des Tages.

Der Ältere blieb stattdessen auf dem Fußboden sitzen und vergrub sein Gesicht in den Händen. Die letzten Tage waren nicht schlimm gewesen, nein, dieser heute war es! Ein einziger Alptraum, aus dem Kaoru schnellstmöglich erwachen musste.

Sonst würde er sich einen Strick kaufen...!
 


 

Ende Kapitel Sieben.
 


 

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Die Verzweiflung der Schuld

Zuerst der Dank an die Schreiber der geilo Kommis: kyo_roshi, Kanoe, Alice9, Sakura_16, Maulwuerfchen, rukas_crevasse, Jukiko, Kao-, KyOs_DiE, MYM, DiEs_KyO, -Kaoru-, Bebechan, KatzeMorle, DEADBORN, myamemo, Marraskuu, Fresel, kikiyaku, SaKiTo_AkIra, Aya-chan60, streunertomate & zuzanaka! Daisuki da yo!
 

Zum aktuellen Kapitel: Gewidmet meinem Kao - dem besten Kao seit Balisto Keksriegel. ^^ Thx fürs Pushen! Eeto... 6.540 Wörter! Blah und blubb. Ick hab einen Soundtrack zum folgenden Kapi: http://www.imeem.com/sanghamyers/playlist/F6kJmuPz/das_leben_in_der_anderen_music_playlist/ XD Viel Spaß beim Lesen!
 

Preview aufs nächste Kapitel: Muss ich das jetzt echt erklären? Die hat einen Anfall von Reue, Kaoru wird von allen Seiten überrascht und der Rest der Bande will, dass Daiyana endlich Farbe bekennt.
 


 

Kapitel Acht: Die Verzweiflung der Schuld
 


 

Tief seufzend freute sich Die innerlich bereits auf Zuhause, was gleichbedeutend war mit Kaorus Zimmer. Der war hoffentlich nun fertig mit allen körperlichen Eingriffen an sich selbst und wartete schon auf Die! Der hatte den Abend nämlich mehr oder weniger unfreiwillig mit Toshiya verbracht.

Zurück auf sein eigenes Zimmer hatte Die nicht gekonnt, weil er dort noch immer Kyo erwartet hätte. Also war Die in die Hotelbar geschlendert und hatte sich einen kleinen Martini als Auffrischung bestellt, als besagter Bassist antrabte und ihm Small Talk ans Bein klebte. Das hatte Die zwar nicht unbedingt gebuttert, aber die Einladung zum Essen kam ihm gerade recht, da er das wohl dank seiner Bauchschmerzen vernachlässig hatte.

"Hab dich den ganzen Tag noch nicht gesehen," hatte Toshiya beiläufig bemerkt. "Nachdem du letzte Nacht doch mit Kaoru getanzt hast und so..."

"Ja und?", hatte Daiyana unschuldig gefragt. "Der Ärmste hat doch sonst niemand, die sich mal mit ihm abgibt, so wie ich die Sache sehe."

Daraufhin hatte Toshiya nur gegrinst und genickt.

Hätte er des späteren Abends nicht noch mit irgendwelchen Heiratsanträgen zwischen seinen Zeilen angefangen, so würde Die jetzt auch nicht daran denken, wie gern er wieder bei Kaoru sein wollte. Der hatte zwar versucht ihn zu knutschen, aber war es ihm zu verdenken? Er stand doch sexuell gesehen ziemlich auf dem Schlauch und Die war eben heiß. Zumal Kaoru nach seiner Abreibung wohl nicht wieder auf solch einen dummen Gedanken kommen würde.

Im Gegensatz zu Toshiya, der irgendwann unerträglich wurde, bis Die es nicht mehr aushielt. Es war zwar recht amüsant gewesen, aber er entschuldigte sich dann doch mit der Ausrede eine starke Migräne zu haben. Was gar nicht so gelogen war bei dem Gesülze, was der Bassmann so von sich gab.
 

Gähnend schloss Die die Tür zu Kaorus Zimmer auf und knipste das Licht an. Da lag die Pflaume von Bandleader und schlief. Was ein armer Tropf, dachte Die und besuchte erst einmal das Badezimmer. Die Sache mit den Tampons ging ganz gut an, wie er meinte, auch wenn er noch immer einen starken Ekel empfand.

Nach der üblichen Hygieneroutine schlüpfte Die dann in eines von Kaorus T-Shirts und kroch neben ihm ins Bett, denn leider hatte Die noch immer eine Abneigung gegen sein eigenes Zimmer, in dem sich seine Sachen befanden. Dort schien nämlich immer jemand aufzutauchen, dem man nicht unbedingt begegnen wollte und gerade jetzt war zumindest Toshiya einmal mehr angetrunken genug, schwachköpfiges Zeug zu versuchen.

Ne, da war man mit Kaoru schon besser bedient und der pennte auch schon. Was gut war für Die, der noch immer ein schiefes Lächeln im Gesicht trug, wenn er sich den schlafenden Einfaltspinsel so ansah. Der konnte doch nun wirklich keinem Angst einjagen, nicht einmal nach dem Kuss-Unfall.

Gerade beim Schlafen sah Kaoru immer wie ein kleiner Junge aus - trotz des Bartes - und einen Blick auf ihn hätte Die sicherlich noch gewagt, wenn er ihm beim Schlafen nicht den Rücken kehren würde. Sich das Kissen aufklopfend, legte sich Die ebenfalls hin, schmatzte zufrieden und schloss die Augen. So ein Tag voller Schmerz war eben sehr anstrengend und es dauerte nicht lange, da war Die auch schon im Land der Träume.
 

Dass Kaoru neben Die aufwachen würde, hätte er wohl eher nicht erwartet nach dem, was am Vorabend geschehen war. Die Nerven hatte Kaoru verloren. In Gegenwart einer schönen Frau wurden seine Sinne geschwächt und er hatte sie geküsst. Das Problem war nur, dass diese Frau eigentlich ein Mann war und zwar Daisuke Andô, sein Kumpel und Mitgitarrist.

Schicksal? Das war strittig, aber es durfte keinesfalls noch einmal vorkommen. Blöd war nur gewesen, dass es Kaoru nicht geschafft hatte sich anderweitig Erleichterung zu verschaffen, da es wiederum Die war, der währenddessen unaufgefordert ins Zimmer platzte. Danach war natürlich Schicht in Kaorus Schacht und ihm war nicht nur die Lust vergangen, sondern sein kleiner Freund hatte sich auch geweigert. War ihm auch nicht zu verdenken nach der Misere.

Wenn sich Kaoru also an diesem Morgen Die so anschaute, dann wusste er nicht, ob er ihn hassen sollte oder lieber beschützen. Am besten beides, denn Schutz bedufte er nun nicht mehr nur vor den anderen, sondern auch vor Kaoru höchstpersönlich.

Vor sich selbst graute dem Älteren nun schon und dagegen musste er etwas tun, bevor noch einmal so ein Unheil passierte wie die Sache mit dem Kuss. Dazu hatte sich bereits vergangene Nacht vorm Schlafen ein Plan gebildet und das Gute an diesem war, dass auch Die Augen machen würde, wie Kaoru denn sein konnte, ja, wenn er denn nur wollte.

Hoffentlich jedenfalls.

Mit Die konnte er zumindest so nicht weiterleben. Darum entfernte Kaoru zunächst einmal seinen Blick von der schlafenden Schönheit neben ihm und setzte sich auf um eine Zigarette anzuzünden. Schon lange nicht mehr hatte er so einen Tag begonnen. Jegliche Gedanken ans Aufhören waren wie weggeblasen. Wie sich die Zeiten doch ändern konnten.

Mit einem leisen Grunzen erwachte kurz darauf auch Die und blinzelte gegen das einfallende Licht, in dem sich eindeutig ein Schatten befand, welcher auf die Größe von Kaorus Rücken passte.

"Morgen Kao," nuschelte Die leise und lieblich, was man sich eigentlich nur hätte wünschen können, dass eine solche Frau am Morgen den Namen des Mannes, mit dem sie ihr Bett geteilt hatte, süß hauchend von sich gab.

Nur leider wusste Kaoru allzu gut, dass das einfach Dies neu erworbene Morgenstimme war, die nichts Romantisches in sich trug. Also grummelte er zurück: "Morgen."

Die verzog seine Schnute und streckte sich quietschend, bevor er ein Seufzen von sich gab. "Du bist ja jetzt schon ganz brummig. Dabei hab ich dich heute noch gar nicht geärgert."

"Mmh," war Kaorus kurze Antwort, als er abermals an der Kippe zog.

"Bist du sauer wegen gestern?" So schwer war es für Die nicht zu erraten, welche Laus dem anderen über die Leber gelaufen sein musste. "Tut mir leid, dass ich gelacht hab, weil du dir einen runtergeholt hast. Ist doch okay. Macht doch jeder. Naja, ich nicht, weil ich immer Weiber hatte, aber früher so als Teenager schon."

Und damit ließ Kaoru seinen Kopf in seine Handfläche gleiten. Ging eine Entschuldigung noch eingebildeter auszudrücken? Schon klar, was Die sagen wollte. Er hatte Selbstbefriedigung nicht nötig. Kaoru schon. Na und? Dass da nichts dabei war, wusste Kaoru auch selbst.

"Was denn? Bist du wegen was anderem sauer auf mich? Hätte ich nicht hier schlafen dürfen? Oder weil ich dich gestern in die Weichteile getreten hab? Du weißt warum. Sonst hätte ich das auch nicht gemacht und... und..." Was wollte er gleich wieder sagen? Die hatte es vergessen. Aber egal warum Kaoru nun bockte, es tat Die leid. Bockiger Kaoru war doof. Den wollte er nicht. Ob sich Die anders einkratzen konnte? Vielleicht mit einer Umarmung? Einen Versuch war es wert und deshalb krabbelte er schnell zu dem anderen hinüber und legte ihm von hinten die Arme um die Schultern. "Sei nimmer böse, Kao."

Und da verließen selben auch schon die Nerven. Wie von der Tarantel gestochen löste Kaoru die Arme, die um ihn gelegt waren, und schnellte hoch um ein paar Meter Sicherheitsabstand zwischen sich und Die zu bringen.

"Das geht so nicht," brach es aus ihm heraus, als er sich Die zuwand. "Ich bin nicht sauer auf dich. Es ist nur so, dass ich-ich..."

"Ja?" Was war denn nur los mit Kaoru? Die verstand echt nur Bahnhof.

Wieder seufzte der Leader lautlos. "Ich bin halt auch nur ein Kerl und ich brauche eben auch Dinge wie Sex. Solange du aber dauernd bei mir bist, kann ich den nicht haben."

Ziemlich dumm schaute Die nun aus der Wäsche, während er versuchte das zu verarbeiten, was Kaoru gerade von sich gegeben hatte. Erst dann konnte er etwas erwidern. "Als ob du den sonst haben würdest..."

"Umso schlimmer!" Das kam impulsiv heraus.

"Ach so, du meinst...?" Systemüberlastung also.

"Na, sieh mal. Das ist schwer da NICHT zu reagieren, wenn man eine Frau wie dich um sich hat. Schon gar nicht, wenn man seit Monaten nichts Weibliches mehr in seiner Nähe hatte." Ups, hatte er Letzteres jetzt laut zugegeben? Gut, darauf kam es jetzt auch nicht mehr an.

"Und was soll das heißen? Dass ich nicht mehr bei dir sein darf?" Was dann bedeuten würde, dass Die alleine übernachten musste und auf sich alleine gestellt war im Kampf gegen notgeile Bandkollegen und andere Bedürftige, denen sich Die doch niemals alleine erwehren konnte. Diese Gedanken erklärten in jenem Moment Dies verzweifelten Blick.

"Nein. Ja. Ich meine... Nein. Du darfst bei mir sein und das sollst du ja auch. Ich bin dein Kumpel Kaoru und das will ich auch bleiben, selbst wenn das hier-", wobei Kaoru wild mit der Hand auf Die zeigte, "noch länger andauert."

"Und was dann?" Je länger dieses Gespräch anhielt, umso mehr Falten bildeten sich auf Dies Stirn. Das war nicht gut. Außerdem hatte er ein mulmiges Gefühl im Bauch. "Sag nicht, ich muss es den anderen auch sagen. Die werden uns nicht glauben und Kao, das... das ist auch peinlich."

"Ja, ich weiß. Sie würden es eh nie glauben und es ist auch nach wie vor besser so, dass es so wenig Leute wie möglich wissen. Nur du und ich, das ist schon genug. Ich dachte mehr so daran, naja, dass ich mir, also..." Es war ja so gar nicht Kaorus Art und schon den Gedanken auszusprechen fiel ihm schwer. Doch es musste sein! "Ich werde mir eine Frau suchen."

"Hä?" Die hatte gedacht, das tut Kaoru schon sein Leben lang. "Wie jetzt?"

"Na, eine zum... Du weißt schon." Die merkwürdigen Kopfbewegungen, die Kaoru machte, ließen ihn eher behindert wirken, aber halfen Die nicht auf die Sprünge. "Sex."

"Oh. Du willst eine zum Ficken?" Das konnte man doch sagen. Man war doch erwachsen.

"Quasi." Da war es raus.

Diesmal schaffte es Die sogar nicht laut los zu lachen. Denn Kaoru machte ein verdammt ernstes Gesicht. Es war eigentlich gar nicht des Bandleaders Art solche Dinge zu tun und irgendetwas an der Ernsthaftigkeit der Aussage störte Die. "Für heute Nacht?"

"Ja." Kurz und bündig antwortete Kaoru.

"Muss ich da ganz allein bei mir drüben schlafen?"

"Wäre empfehlenswert."

"Hast du dafür die Kondome gekauft?" Warum Die gerade DAS nun jetzt in den Sinn kam, wusste er nicht. Doch er wusste, dass es ihn erleichtern würde, wenn Kaoru sie nicht in Zusammenhang mit sexuellen Vorhaben gekauft hatte, an denen Die hätte beteiligt sein müssen.

"Nein. Das war wegen der Apothekerin. Lange Geschichte. Ist egal. Ich werde die Kondome heute Nacht aber benutzen. Also wenn du nichts dagegen hast, würde ich dich bitten in deinem Zimmer zu schlafen." Klare Ansage. Ja, ein Leader konnte eben auch anders.

"Du meinst das ernst?"

"Todernst."

"Hmmm," überlegte Die kurz und grinste dann. "Geht klar."

"Danke." Wohlgleich es selbstverständlich hätte sein müssen.

"Wo willste denn eine abschleppen? Die Groupies sind weg wegen der ausgefallenen Shows." So war das mit den Mädels. Ohne Musik gab es auch keine Bandnutten.

"Denen hab ich eh abgeschworen. Ich dachte mehr so an einen Club oder eine Bar." In dieser Stadt hatte Kaoru schon mehr Läden gefunden als Zuhause in seinem Heimatdorf. Also würde er doch auch noch eine nette Dame zum Flachlegen aufspüren können! So schwer konnte es auch wieder nicht sein.

"Kann ich mit?" Alleine im Hotel warten wollte Die nämlich auch nicht.

"Wegen mir. Aber halt Abstand." Der Typ machte Kaoru eben einfach nervös.

"Alles klar!", strahlte Die und sah dem Abend entgegen. Wenigstens bekam er so wieder etwas Unterhaltung geboten. Und wen Kaoru dort klarmachte, konnte ihm doch eigentlich egal sein.

Eigentlich...
 

Sorgfältig bereitete sich Kaoru vor und Die ließ es sich nicht nehmen ihn dabei zu unterstützen. Gemeinsam steckten sie den Älteren in eine Hose, die nach Meinung von Trendsetter Die des Leaders Figur betonte. Ebenso wählte er ein Hemd, welches Kaorus Tattoos nicht gleich alle zum Vorschein brachte, da sie verschreckende Wirkung zeigen konnten. Nur als Die ihm auch die Haare ‚machen' wollte, weigerte sich Kaoru dann doch, ließ sich stattdessen von dem anderen gut eindieseln und den Bart stutzen.

"Perfekt." Zumindest Die war zufrieden mit dem Endergebnis, als er Kaoru vor den Spiegel rückte.

"Ja, gut. Dann können wir ja endlich los." Dass so ein Aufwand betrieben werden musste, störte Kaoru ein wenig, aber was das Abfangen von Mädels anging, so hatte nun mal Die die Nase vorn.

Eine knappe Stunde später betraten sie einen Club mitten in Shibuya und aus den Lautsprechern dröhnte bereits Dies guter, alter Kumpel Fifty Cent, zu dem er die in seinen Lieblingsrock gekleideten Hüften bewegte.

"Der Mann kennt dich," lachte er und stupste Kaoru an. "Go Shorty. Hol sie dir."

"Die." Ein unbeeindruckter Blick heftete sich an die Frau neben ihm. "Wolltest du mich nicht alleine lassen, hm? Wie wär's? Jetzt wäre der richtige Moment."

"Schon gut," schnaufte Die und zuckte mit den Schultern, bevor er seine Hüften in Richtung eines anderen Floors tänzelte und lieblich trällerte: "Ich sehe dich später, Ladykiller."

Dass Die dies mit Spott sagte, musste man an dieser Stelle eigentlich nicht erwähnen.
 

Sein Leben war grausam. Doch Kaoru fand sich damit ab, holte sich ein Bier an der Bar und nahm Stellung an der Tanzfläche ein. Nicht dass er tanzen wollte, nein, aber die besten Mädchen, die leichten, nicht die biederen, tanzten nun mal und zeigten ihre Reize. Schon nach ein paar Minuten fiel sein Augenmerk auf eine leicht blondierte Frau mit kurzem Rock und Tanktop. Sie hatte sogar Tattoos am Arm! Sie war perfekt. Wie sie ihren kleinen runden Hintern zur Musik bewegte, war besser als sich einen Porno anzuschauen.

"Na, schon was gefunden?"

Wo kam Die denn schon wieder her? Kaoru würde sich ja nun beschweren, wenn er denn die Augen von dem Tanzwunder hätte abwenden können. Er deutete lediglich mit der Bierflasche auf sie und grinste nickend.

"Die da?", krächzte Die und hob eine Augenbraue. Sie würde eindeutig in sein Beuteschema fallen, aber war sie auch eine Frau für Kaoru? Der stand doch nicht auf solche Tanzmäuschen, oder etwa doch? Und wieso sah es so aus, als ob die Frau ihm heiße Blicke zusandte? Kaoru stand doch eigentlich nur da und machte eine coole Figur. Er flirtete doch nicht mal richtig, wenn man mal von seinem leicht debilen Lächeln und diesem verwegenen Blick da absah. War das wirklich Kaoru, der hier neben Die stand?

"Die, verpiss dich," murmelte Kaoru zwischen den Zähnen hindurch und trank von seinem Bier. Die Augen blieben an die Frau geheftet und so ein bisschen gemein fand Die das ja schon. Nur weil die dort ihren dicken Hintern durch die Geografie im Rhythmus zu Usher schwenkte, musste man doch nicht so mit seinem liebsten Lieblingsfreund umgehen!

Machte Die so etwas?

"Pff." Na, wegen ihm. Dann ging Die eben und suchte sich andere Freunde.

Kaoru merkte das gar nicht, während er Augenkontakt mit der sexy Lady hielt, die sobald das Lied vorüber war, auf ihn zukam und lächelte.

"Du schaust wohl lieber zu, hm?", fragte sie, den Kopf schief legend.

Eigentlich war er jetzt schon hin und weg. "Kannst du es mir verübeln?" Kichernd schüttelte sie den Kopf und im gleichen Moment wusste Kaoru, dass er es noch draufhatte. Es war eben alles Einstellungssache. Er verriet gerade sein Vaterland, wurde seinen Prinzipien untreu und spielte Die-sein, aber welche Wahl hatte er als Mann mit Bedürfnissen? Richtig. Keine. "Magst du was trinken?"

Natürlich mochte sie. Tanzen war immerhin anstrengend, also nickte sie. "Ein Bier wäre nett."

Und Bier mochte sie auch! Was für ein Glück er doch hatte! Dabei sah sie nicht aus, als würde sie kalorienhaltige Getränke zu sich nehmen. Ihr Bauch war flach und durchtrainiert, soweit man das von dem kurzen Top her beurteilen konnte. Ihre Haut schimmerte leicht gebräunt und ein Hauch von Schweiß bedeckte ihn, ließ ihren kleinen Nabel noch anziehender wirken, als er sicher so schon aussah.

Umgehend bekam sie ihr Bier serviert und Kaoru erhob seines. "Prost."
 

Aus sicherer Entfernung beäugte Die dich Sache skeptisch. Also auf so eine stand Kaoru? Die hatte doch null Stil, geschweige denn Eleganz. Ihre Haare waren so billig aufblondiert, dass sie fast rot wirkten, und ihre Stiefel hatte sie bestimmt im Schlussverkauf geklaut. Am schlimmsten war das Top, welches sie trug, wodurch man klar und deutlich ihre Nippel sehen konnte. Wie nuttig war das denn?

Und die wollte Kaoru also flachlegen, nur weil sie ein bisschen mit dem Hintern wackelte? Pah. Das konnte Die auch! Und er konnte es noch geiler, noch heißer und noch wirkungsvoller, wenngleich er sich auf das Niveau dieser Schlampe herunterlassen müsste. Aber das war es Die wert, nur um dieser billigen Tussi zu zeigen, wie so etwas richtig aussehen sollte!

Dies bedufte jedoch der richtigen Musik, welche er sich beim DJ höchstpersönlich bestellte. Man bekam fast alles für ein Augenzwinkern heutzutage.

Kaoru, pass auf! Hier kommt der Grund deiner feuchten Träume!

Bei den ersten Klängen von Dies Xtina-Lieblingsscheibe schlug er auf der Tanzfläche auf, eroberte sich die Mitte und vertrieb damit gleich noch ein paar der hässlicheren Exemplare, die ihn eh nur störten. Und dann ging es los! Ja, der Trick war eben, die Hüften nicht nur nach links oder rechts zu bewegen, sondern auch nach vorn und hinten, so dass man einen handfesten Eindruck hinterließ. Die Arme waren entweder leicht hinter dem Rücken oder oberhalb des Kopfes zu schwingen, so dass das Dekolletee in Erscheinung trat. Mit den Haaren durfte man spielerisch improvisieren.

Eigentlich macht es ziemlich viel Spaß und alle Augen richteten sich nach und nach auf Daiyana.
 

Im Grunde hatte Kaoru Besseres zu tun als mit anzusehen, was Die gerade veranstaltete, doch als bereits der halbe Club auf die Tanzfläche stierte, schauten sogar Kaoru und dessen neue Bekanntschaft hin. Damit kamen aber auch Zweifel an seiner Wahrnehmungskraft, denn unklar war, ob die Verrückte dort wirklich Die war. Doch leider stellte sich dies nicht als Trugschluss heraus und Kaoru hatte alle Mühe, seine Augäpfel in den dafür vorgesehenen Höhlen zu halten. Es stellten sich ihm drei Fragen. Was zur Hölle trieb Die dort? Hatte der noch alle Tassen im Schrank? Und warum sah es so verdammt geil aus, was er da tat? Hier schuftete ein armer Bandleader hart, um seinen tropfenden Zahn zu stoppen und was tat die dafür verantwortliche Person? Dirty Dancing. Scheiße, war das heiß.

"Kennst du sie?", fragte die junge Frau neben ihm und runzelte die Stirn.

"Ne," flutschte es aus Kaorus Mund heraus, der sowieso gerade offen dastand.

"Sicher nicht?", hakte sie nach und ließ ihren Blick immer wieder zwischen Kaoru und der Tänzerin schweifen. "Sie schaut dich doch dauernd an beim Tanzen."

Aha. So einfach war das also. Nun gut, da hatte sie wohl recht und schweren Herzens wandte er den Blick von Die ab und zuckte mit den Schultern. Klar kannte er ‚sie', aber doch nicht so!

"Ich kenn sie flüchtig. Sie ist Dies Cousine." Ganz cool also erwähnte er es fast beiläufig und versuchte noch einen Blick auf Daiyana zu erhaschen.

"Die?" Sie kannte niemand, der so hieß.

"Ja, einer meiner Bandkollegen." Sie kannte Die nicht? Wer kannte schon Die nicht? Das war doch mal was! Wenn sie Die nicht kannte, war sie ja fast schon anzusehen wie eine Jungfrau.

"Ach so." Und damit war die Sache wohl gegessen, wie schön. "Sie legt sich aber ins Zeug, muss ich sagen. Steht sie auf dich?"

Oder vielleicht war das Thema doch noch nicht vom Tisch. Trotzdem absurd. "Nicht, dass ich wüsste." Das wäre ja auch lächerlich. "Du musst halt wissen, sie ist ein bisschen durchgeknallt. Aber sie ist nun mal Dies Cousine und da zeigt man eben etwas mehr Verständnis."

Und wieder einmal hatte sich Kaoru erfolgreich die Schlinge vom Hals gelogen. Darauf sollte er eigentlich einen trinken. Aber nicht hier, denn da wurde man von Leuten wie Die nur abgelenkt und unnötig unterbrochen. "Wie wär's, wenn wir woanders hin gehen? Wo wir uns besser unterhalten können."

Es waren doch im Grunde wirklich dämliche Standardsätze, die Weiberhelden wie Die normalerweise benutzten. Solche, wie sie Kaoru eigentlich zu blöd waren, um sie selbst anzuwenden. Doch alles in allem konnte man nicht sagen, dass sie nicht auch zogen.

"Klar. Und wohin? Wohnst du in der Gegend?" Das hätte man in Fachkreisen wohl Schritt Zwei genannt. Der Rest des Gespräches war eine Abfolge von Dingen, die man eben sagte, damit man sich letztlich wieder gemeinsam vorzugsweise in einem Bett wiederfand.

"Wir sind im Hotel."

"Cool. Dort kann man bestimmt netter reden als hier."

"Sicher und was zu trinken gibt's dort auch."

"Wie schön. Ich lass uns ein Taxi rufen."

"Geht klar. Ich hol meine Jacke."

Und so weiter.
 

Gerade hatte sich Die nach dem Finale beim Publikum für den Applaus bedankt, als er plötzlich feststellen musste, dass er Kaoru und das Flittchen aus den Augen verloren hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich grün geärgert vor Neid um Dies geilen Körper und wie seine Feinmotorik auf der Tanzfläche wirkte. Darum hatte sie die Kurve gekratzt und Kaoru mitgenommen! Verdammtes Miststück aber auch, dachte sich Die und drängelte sich aus der Menge heraus, um den Club nach den beiden Verschollenen zu durchsuchen.

Der Erfolg der Suche blieb jedoch aus und so langsam wurde er panisch. Es konnte doch nicht sein, dass sie beide gemeinsam gegangen waren! Das würde dann bedeuten, dass Kaoru es tatsächlich gemeistert hatte, eine Frau von sich zu überzeugen. Und DAMIT hatte Die verdammt noch mal überhaupt nicht gerechnet!

Er hatte doch gedacht, dies hier wird ein lustiger Abend, an dem Kaoru wieder nur Pech haben würde und am Ende lägen sie beide wieder im Bett und Die müsste den anderen trösten. Mit den entsprechenden Witzen zwar, aber dennoch!

Zu verstehen war das eben schwer, aber Die und Kaoru hatten doch so ein Ding miteinander, wo man halt einfach Vorrechte hatte. Nicht? Und am Ende kam Dies Spaß doch immer vor dem des anderen. Das war Gesetz. Jedenfalls hatte Die das geglaubt. Welchen Teddybären sollte er denn bitteschön knuddeln heute Nacht?

So nicht, mein Freund. Bevor der eine Frau nagelte, wollte Die wenigstens noch wissen, ob sie es denn wert sein würde. Darum rief er sich schnellstmöglich ein Taxi und trat den Weg ins Hotel an. Was für ein Glück, dass er mittlerweile Kaorus zweite Keycard hatte und somit null Probleme, um ins Zimmer zu kommen.

Was dort abging, erschreckte Die jedoch.
 

Kaoru hatte es geschafft!

Miki - so hieß die gute Frau - und er hatten im Hotelzimmer sogleich das Reden eingestellt und waren auf die Suche nach ihrer beider Mandeln gegangen. Umhin kam er nicht zu denken, dass das durchaus sehr nett war. Klar, sie würden jetzt wirklich nur Sex haben, das war von Vornherein klar, denn sonst hätte man sich VORHER näher kennen gelernt. Trotzdem beflügelte sie seine Hormone nicht auf die übelste Weise.

Das Schöne an ihr war ihre Eigeninitiative, die sie ergriff, indem sie ihn rückwärts aufs Bett drückte, wenngleich sie dies auch sanft tat. Sie knabberte neckend an seinen Lippen und griente ihn verführerisch an, während sie ihm langsam die Hemdknöpfe öffnete. Ja, schlecht war so ein Leben nicht.

Doch leider ging im nächsten Moment die Tür auf.

"Hallo ihr beiden! Ich hole mir mal ein paar Sachen, gelle? Lasst euch nicht stören."

Also mit so einem aufgesperrten Mund sah Miki nicht mehr ganz so sexy aus, aber wer im Glashaus sitzt... Kaoru fiel das Gesicht nämlich auch auseinander. Was zur Hölle tat Die da? Das war doch... die Höhe war das!

"Bin gleich wieder weg, keine Bange!", plapperte Die fröhlich und kramte in seinen paar Sachen, die noch bei Kaoru herumlagen. Dass das fies war, wusste Die nur allzu gut. Vor allem, weil sich jede normale Frau nun fragen würde, was eigentlich die Sachen einer anderen bei Kaoru zu suchen hatten. Das gehörte aber alles zu Dies Spielchen. Wenn die Gute mit Kaoru ficken wollte, dann sollte sie wenigstens vorher fragen und zwar Die! Der hatte auf Zeit des Frauseins nämlich ein Anrecht auf die gesetzliche Vormundschaft des Super-Bandleaders!

"Ja, das wäre schön." Kaoru jedenfalls schoss Die einen Blick zu, als wollte er ihn töten.

Pah, und so wurde man behandelt als die Frau, die Kaoru letzte Nacht noch geküsst hatte. Ganz toll war das. Aber wenn er meinte, dann ging Die eben wieder und zwar in sein Zimmer, wo er sich aufs Bett fallen ließ und die Kissen verkloppte. Dieser Arsch würde es tatsächlich heute Nacht treiben und zwar in ihrem Bett! War das die Möglichkeit?
 

"Tut mir leid." Entschuldigend schaute Kaoru zu Miki auf, die wenig begeistert aussah. "Ich sagte ja, sie ist nicht ganz dicht." Zur bildlichen Darstellung kreise er den Zeigefinger an der Seite seines Kopfes.

"Hat sie darum ihre Sachen bei dir?" Ganz verstehen konnte Miki das nämlich nicht.

"Sie verstreut eben alles überall. Frag mal die anderen. Daiyana ist total krank im Kopf, glaub mir." Oh, das war böse und so ein bisschen hatte er auch ein schlechtes Gewissen darum. Doch der Zweck heiligte bekanntlich die Mittel und wenn es auch Die zugute kommen würde, wäre er schließlich nicht mit einer anderen Frau hier.

Mal abgesehen davon war Miki wirklich eine ganz Süße. Ihr skeptisches Schmollen gefiel Kaoru allerdings nicht ganz so sehr und er begann zur Entspannung der jungen Frau einfach mal ihren Rücken zu streicheln.

"Hey, denk nicht drüber nach. Mir geht's doch genauso wie dir. Nur steigt mir Die echt aufs Dach, wenn ich nicht nett zu seiner Lieblingscousine bin. Komm schon," probierte es Kaoru mit einem Lächeln und einem kleinen Kuss. "Sie ist doch jetzt weg. Wäre schade drum, wenn wir uns die Stimmung versauen ließen."

Endlich fruchteten seine Worte. Warum sie dies nie bei seinen Freunden taten, war unklar. Glücklicherweise erwiderte Miki den Kuss, suchte mit ihrer Zunge nach seiner und streifte ihm das Hemd von den Schultern. Ihre Hände auf seiner Brust fühlten sich wahnsinnig gut an, erhitzten ihn von Innen heraus und er wollte ihre samtige Haut an seiner spüren. Dazu befreite Kaoru sie von ihrem Top und freute sich, als sie doch tatsächlich keinen BH darunter trug.

Oh ja, endlich wieder Brüste.
 

Im Zimmer gegenüber lief Die jedoch nervös auf und ab. Warum störte ihn das nur so, dass Kaoru da drüben mit einer Frau rummachte? Schön war sie doch nun wirklich nicht. Nicht so schön wie Daiyana jedenfalls, oder? Prüfend schaute Die in den Spiegel. Waren seine Brüste etwa zu klein oder warum konnte Kaoru einfach so von einer Frau zur nächsten springen?

Das Ding war halt, dass er gestern noch Die geküsst hatte. Und warum? Weil er so eine extrem geile Frau war, auf die man eben nun mal scharf war. Nur warum kam Kaoru da so schnell darüber hinweg, hm? Er schwang doch immer so große Reden von wegen, dass er eine feste Freundin haben wollte und keine Fickgelegenheit. Er war doch der, der hier gerade all seine Grundsätze für ein Flittchen über Bord warf. Und das alles weil er auf Die scharf war? Sollte das nun Die ein schlechtes Gewissen machen oder was?

Was erwartete Kaoru denn von ihm? Dass er mit ihm ins Bett ging? Sicher, als Frau würde Die schon lieber Kaoru haben wollen als einen der anderen, aber es ging trotzdem nicht. Zumal Die gerade seine Periode hatte und dabei fiel ihm ein, dass ein Badezimmerbesuch von Nöten war.

Und die Tampons waren auch noch bei Kaoru.

Welch Zufall aber auch.

Als Die abermals ins Zimmer der beiden Turteltäubchen schritt, musste er schon aufpassen, dass ihm nicht die Kinnlade herunterfiel. Wohl zu deutlich konnte man sehen, über welchem Kaorus Körperteile sich die Gute gerade befand und versuchte, ihn aus der guten Jeans, - die Die ausgesucht hatte! - zu befreien. Ging es der noch gut?

Kaoru gefiel das natürlich, so wie er auf die Ellenbogen gestützt die Sache betrachtete. Gott verdammt, Die begann die beiden zu hassen. Doch abermals legte er ein Lächeln auf und schlüpfte winkend ins Badezimmer.

"Sorry! Hab meine Tampons hier vergessen!"

Das war dann schon nicht mehr so ganz gut zu verdauern für Miki, die hoch schreckte und versuchte, ihre halbnackte Blöße zu bedecken. Als ob Die daran interessiert wäre!? Dennoch war es Miki unheimlich peinlich vor der anderen Frau und sie wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Gott sei Dank bemerkte dies auch gleich Kaoru, der Miki auf sich zog, um ihr leise ins Ohr zu flüstern. "Beachte sie gar nicht. Sie geht gleich wieder."

Das wäre zumindest ersehnenswert für den Lead-Gitarristen. Was sollte er auch tun? Dass Die nun seine dämlichen Tampons hier vergessen hatte, war halt Pech. Verweigern konnte Kaoru ihm die nicht. Immerhin brauchte Die die Wattepfropfen und da biss die Maus keinen Faden ab. Geduldig wartete Kaoru also ab, bis Die fertig war, welcher sich extralange Zeit gelassen hatte im Badezimmer, dann aber doch einsehen musste, dass dies auch nicht weiterhalf.

Niedergeschlagen verließ Daiyana das Zimmer, ein Lächeln den anderen zuwerfend und mit der Packung Tampons winkend. Ehre war zu bewahren.

"Tampons? In deinem Badezimmer?" Miki war diesmal ein wenig mehr verärgert und das war auch verständlich.

"Das... also..." Lügen war seine Spezialität, wenn es darauf ankam, aber irgendwann kam selbst Kaoru mal ins Stocken. "Klingt blöd, ich weiß. Ich hätte ihr nicht erlauben sollen, mein Badezimmer zu benutzen." Vielleicht bekam er es aber mit einem mitleiderregenden Blick wieder hin.

"Geht sie hier ständig ein und aus?" Ein wenig schien es ja zu helfen Mikis Tonfall nach zu urteilen, aber Kaoru wäre es dennoch lieber, wenn sie das Thema einfach vergessen würden. Morgen dann würde er Die einfach töten und gut.

"Nein. Sie ist ja normalerweise gar nicht da, aber Die hat sie eingeladen und..." Theatralisch seufzte er und ließ sich in die Federn sinken. Dann fuhr er eben die Emoschiene. "Er kümmert sich eher schlecht um sie und dann steht sie da und ich denke immer, ist schon okay. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass ich dich treffe..."

"Dann?" Erkannte er da ein Lächeln auf ihren Lippen?

"Dann hätte ich ihr vorher den Schlüssel fürs Zimmer abgenommen." Daran hätte er zwar auch so mal denken können, aber wer ahnte schon, dass Die solche Anwandlungen bekam? Nun gut, es war für Kaoru an der Zeit die Dinge hier wieder klar zu rücken, die Dominanz zurück zu erobern und zu zeigen, wer (leider noch immer) die Hosen anhatte.

Grinsend drehte er sie beide um, beförderte Miki somit auf dem Rücken und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. "Lass uns nicht mehr über sie reden." Er nagte sachte an ihrem zarten Hals und raunte mit tiefer Stimme: "Lass uns lieber unanständige Dinge tun."

Das erregte immerhin ein leiser Kichern von ihr. Die Stimmung war wieder aufgebessert und bevor sie noch mehr Zeit mit Reden verplempern würden, küsste Kaoru sie lieber schnell. Seine Hand fuhr ihrem schlanken Körper hinunter zu ihren Schenkeln, schob ihren Rock ein Stück nach oben, während sein Bein sich zwischen ihre drückte.

Jetzt würde ihn nichts mehr aufhalten können.
 

Da saßen sie nun auf dem Bett, Die und seine Tampons. Ganz alleine und verlassen. Das machte keinen Spaß. Spaß machte eigentlich nur, wenn man Kaoru und diese Frau beim Rummachen störte. Das war fein und es machte Freude, auch wenn Die hinterher jedes Mal ein wenig angesäuert war, weil er anscheinend nicht viel erreichte.

Doch vielleicht war gerade das auch ein Trugschluss, denn je öfter Die in Erscheinung trat, umso langsamer kamen die beiden voran. Das war schon witzig. Besser als hier zu sitzen und Kaoru seinen Spaß haben zu lassen, war es allemal. Nicht, dass Die es ihm nicht gönnte, aber... er gönnte es ihm einfach nicht.

Warum? Das wusste Die nicht, aber es war eben nun einmal so. Es pisste ihn an, dass Kaoru heute hier und morgen da rumknutschte und am Ende musste sich Die auch noch verkrümeln, nur weil Kaoru seinen Penis nicht unter Kontrolle hatte? Wo kamen sie denn da hin?

Die war da ja vollkommen anders!

Er behielt auch immer den Blick für die Realität, wie man erkannte.

Nichts desto trotz wollte er nun mehr von dem Spaß und so ging er los um Kaorus Zimmer erneut aufzusuchen. Er musste nicht mal was sagen, als sich bereits der Kopf des Älteren hob und sich zu ihm umdrehte. Urgh, hing der ihr gerade über den Titten? Wie ekelig.

"Ähm, also ich hab noch eine Kleinigkeit vergessen."

Das schlug dem Fass den Boden aus! Kaoru reichte es nun aber! Was zur Hölle wollte Die denn nun schon wieder hier? Sie hatten eine Vereinbarung gehabt und irgendwann einmal war Kaorus Toleranzgrenze erreicht war. Also sprang er von seiner Lady ab, knöpfte sich die Hose zu und baute sich vor dem Mann im Frauenkörper auf.

Das war der Moment, als sogar Dies Augen auf Tellergröße wuchsen. Oh oh. Was ging den jetzt ab? Kaoru war doch wohl nicht ernsthaft sauer, oder? War doch alles nur Spaß.

Schnaubend schnappt Kaoru die angeblich verrückte Cousine von Die am Arm, zog sie aus dem Zimmer und stellte sie im Gang ab, bevor er sie anknurrte.

"Was soll das dauernd? Geht's dir nicht gut? Bleib endlich auf deinem Zimmer! Das ist doch krank, was du hier machst. Versuchst du mich zu boykottieren? Bist du eifersüchtig?" Letzteres kam Kaoru nur so in den Sinn, weil er eben wusste, dass Die als Frau nicht mehr zum Zug kam. Vielleicht hatte er einfach auch ein sexuelles Defizit so ganz ohne Penis. Es konnte ja sein.

Doch Eifersucht erschien Die nun wirklich als das Dümmste, was er jemals gehört hatte. Sein Blick verfinsterte sich. "Ich bin nicht eifersüchtig!"

"Was soll das denn sonst? Bist du noch ganz dicht in deiner Birne?", fauchte der Dunkelhaarige.

Aua, das tat weh. "Mann, ist doch nur Spaß."

"Spaß?!" Wenn Die so weitermachte, würde Kaoru ihm glatt eine pfeffern. "Tickst du noch ganz? Sieh endlich zu, dass du dich auf dein Zimmer verpisst und lass mich in Ruhe!"

"Och Kao." Hörte sich das quengelig an?

"Lass stecken. Wenn du noch einmal dort drinnen aufkreuzt, hau ich dir eine rein. Ich schwör's!" Das war nun vielleicht wirklich etwas übertrieben, aber es stand Kaoru nun wirklich bis oben und darüber hinaus. Außerdem redete man unter Männern doch so! Da konnte Die aussehen, wie er wollte. Er war doch im Inneren einer und darum sprach Kaoru nun auch so mit ihm!

Dem blieb übrigens gerade die Spucke weg. Das meinte Kaoru doch nicht ernst, oder? Doch das Nachfragen verlief im Sande, als dieser sich umdrehte und wieder auf sein Zimmer marschierte, die Tür hinter sich zu donnernd. Nach kurzem Zucken vor Schreck blieb Die also nichts anderes übrig, als sich seinem Schicksal zu ergeben und gesenkten Hauptes wieder in sein Zimmer zu schleichen. Fair war dieses Leben nicht.
 

Es hatte sein müssen, dachte Kaoru gerade noch, als er zurück ins Zimmerinnere lief, denn was auch immer Die sich einbildete, Kaoru existierte doch nicht zu seiner Belustigung. Er hatte ihm doch die ganze Zeit geholfen und ja, es tat ihm durchaus leid, dass er sich vergessen hatte bei dem Kuss von gestern, aber eigentlich war das doch bereits geklärt, oder? Zahlte Die ihm das jetzt so Heim, indem er sie ständig unterbrach?

Und apropos Unterbrechung...

"Was ist denn...?" Mehr Worte kamen leider nicht aus Kaorus Mund heraus, als er Miki sah, wie sie sich wieder anzog, was gar keiner Fragerei bedufte. Sie hatte offensichtlich keinen Bock mehr.

"Hör mal, Kaoru. Du bist echt nett und bestimmt wäre es auch eine richtig schöne Nacht geworden, aber ich sehe doch auch, was hier abgeht. Und das ist mir ehrlich zu blöd. Schade um den Sex, aber unter den Umständen nicht." Das sagte sie klar und direkt, dennoch nicht zu barsch, und machte es somit zur freundlichsten Abfuhr, die Kaoru jemals bekommen hatte.

"Was denn für Umstände? Die, äh, ich meine, Daiyana kommt nicht mehr. Das hab ich ihr klar gemacht." Sie kannten sich keine drei Stunden und hatten die erste Auseinandersetzung. Das allein machte die Sache schon zunichte, bevor sie eigentlich richtig anfing. Trotzdem war Kaoru nun am Ende, stark verzweifelt und verstand die Welt nicht mehr.

"Und wozu hast du das nötig? Ich weiß nicht, was zwischen euch läuft, aber klärt das unter euch." Sie lächelte fast traurig und küsste Kaoru, den ihre Worte mehr verstörten als diese Geste, zum Abschied. "Mach's gut."

Dank seiner Verblüffung sagte Kaoru hingegen gar nichts, als sie das Zimmer verließ.

Was zwischen euch läuft.

Ja, nichts! Das ist doch der Punkt. Zwischen Kaoru und Daiyana KANN nichts laufen! Das wussten sie doch beide und darum gab es auch eigentlich nichts zu klären. Seufzend setzte sich Kaoru aufs Bett und ließ den Kopf in die Handflächen sinken.

Warum nur musste alles so kompliziert sein? Kaoru würde doch noch nicht einmal auf eine Frau wie Daiyana stehen, wenn sie nicht Dies dämlichen Charakter hätte und er sie deshalb sympathisch fand. Darum verbrachte er Zeit mit ihr. Darum kam er in unangenehme Situationen. Darum versuchte er, sie zu beschützen.

Doch es nützte alles nichts. Es war nicht zu ändern und auch wenn Kaoru diese Nacht keinen Sex haben würde, so könnte er sie vielleicht wenigstens allein und in Ruhe verbringen. Das war auch mal schön. Das hatte er lange nicht. Er vermisste Die auch nur ein ganz kleines Bisschen, weil sich Kaoru wohl schon zu sehr daran gewöhnt hatte, seine dumme Kartoffelnase morgens im Nacken oder der Brust stecken zu haben.

Verdammte Gewohnheit.
 

"Verdammte Gewohnheit," murmelte Die, als er sich abermals über sein Bett wälzte und einfach keine Position fand, in der er selig schlafen konnte. Überhaupt konnte er nicht schlafen, während er wusste, dass Kaoru es wahrscheinlich gerade mit dieser Schlampe trieb. Wenigstens konnte man nichts hören. Trotzdem lagerten sich Bilder in Dies Kopf ein, wie die beiden es sich gegenseitig besorgten. Abartig war das.

Diese Frau hatte Kaoru verdorben. Er war wie ein Jogurt, dessen Haltbarkeitsdatum vor drei Jahren abgelaufen war. Schon klar, dass Kaoru auch vor ihr nicht mehr ganz frisch war, aber seitdem Die eine Frau war, zählte die Zeit eben neu. Da gab es Die und Kaoru - so wie früher halt. Bis auf den Unterschied, dass sie keine Weiber mehr abschleppten, weil die weder scharf auf Daiyana waren noch auf Kaoru. Das hatte Die jedenfalls gedacht, aber doch nicht, dass der es tatsächlich drauf hatte, wirklich eine erfolgreich klarzumachen!

Wie hatte diese Katastrophe nur passieren können? Er war doch einer von den Guten gewesen. Zwar ein unglückseliger Tropf manchmal, aber doch jemand, der nicht so verdorben war wie Daisuke. Kaoru hatte Prinzipien und eine feste Meinung. Er war ein Held; Dies Held.

Und jetzt? Es war Dies Schuld, dass Kaoru nun sich selbst und seine Überzeugung verkaufte. Weil er ihn getreten hatte. Und weil er ihn ausgelacht hatte. Vielleicht auch weil er ihn immerzu herum gescheucht hatte.

Doch verstanden hatte es Kaoru wohl nicht, warum Die das machte. Er mochte den ollen Gnom eben. Warum sonst würde er ihn dauernd ärgern? Er war halt nicht so wie die anderen, die einem ständig auf den Keks gingen. Kaoru war etwas Besonderes.

Seufzend steckte Die sein Gesicht ins Kopfkissen. Was für merkwürdige Gedanken er doch hatte. Wo sollte das noch hinführen? Warum nur wollte er nicht akzeptieren, dass sein Kuschelteddy nun womöglich gerade in einer anderen steckte? Wieso machte Die das alles so viel Kummer?

Die Antworten lagen praktisch auf der Hand, doch Dies Hirn beschloss die Information vorerst nicht zu be- oder verarbeiten. Dies würde nämlich das Desaster komplett machen.
 


 

Ende Kapitel Acht.
 


 

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Wenn nicht du, wer dann?

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Ene Mene Mu, raus bist du!

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Lehrstunden in Sexualkunde

Dank geht diesmal an SaKiTo_AkIra, Kaiyou, Marraskuu, Shivi, Kanoe, Maulwuerfchen, reika80, -Zombie-, rukas-crevasse, Pi-Li, -Kaoru-, MYM, Fresel, myamemo, bulma72, Aya-chan60, sinner, Serpentia, Chosuki und natürlich KaoSaftigeSchnitzel(chen)! Danke für all die Kommis, besonders die mir treuen Leser, als auch die neu dazu gekommenen.
 

Zum aktuellen Kapitel: 6.564 Wörter und es wäre furchtbar nett, wenn sich manch andere 'Autoren' eine eigene Identität anschaffen würden. » Amen. Zum Kapitel muss ich sagen, das es nicht sehr lang und vielleicht auch nicht so lustig ist wie die anderen, aber ich sah im Thema eine Notwendigkeit, die aus der Sicht von Kaoru und Die zu erfahren einfach schreibenswert erschien. Außerdem wollte ich nicht schon wieder ein Adult Kapi machen. .___.
 

Vorschau aufs nächste Kapitel: Eh? Das könnt ihr euch selbst ausmalen. Emosex.
 


 

Kapitel Elf: Lehrstunden in Sexualkunde
 


 

In festen Händen aufzuwachen hätte sich Kaoru vor einiger Zeit irgendwie noch anders vorgestellt - nicht so wörtlich. Fakt war allerdings, dass Dies Arme fest um den Körper des anderen Mannes geschlungen waren, als dieser langsam die Augen öffnete und mehrfach blinzelte. Der Kopf des Großen lag noch immer selig auf Kaorus Brust gekuschelt und einer seiner Arme lag so besitzergreifend um ihn, dass der Ältere nur träge vor sich hin lächeln konnte.

Ganz klar war ihm noch in Erinnerung, was letzte Nacht gewesen war. Für ihn war Die gekommen, hier aufs Zimmer, weil er ihn vermisst hatte. Doch leider ging ihr sexuelles Intermezzo vollkommen daneben und Kaoru tat es jetzt noch leid, dass er seinem Freund weh getan hatte. Wie konnte so etwas auch passieren?

Nicht, dass Kaoru ein großer Freund gewesen wäre, wenn es um Analverkehr ging. Aber es war auch nicht so, als hätte er das nicht schon probiert. Damals zwar mit einer Frau, aber das ging ziemlich einfach, soweit er sich erinnern konnte. Sie hatten das volle Programm und dann sagte sie nur, er solle ihren Hintern nehmen. Hatte er glatt gemacht. Hatte ihr auch gefallen.

Woran lag es also bei Die?

Aufgefallen war Kaoru nur, dass es nicht so einfach ‚flutschte', wie man so schön sagte. Es war verdammt eng gewesen und... trocken. Na klar! Daran lag es wohl sicher, aber dass das allein soviel ausmachen konnte, machte ihn ein dennoch stutzig. Eigentlich gab es nur eine Variante um seinen Überlegungen und sich selbst Kenntnis zu verschaffen. Er musste recherchieren, sich richtig schlau machen und dann würde es auch mit Sex klappen, ganz bestimmt!

Es blieb dann nur zu hoffen, dass Die ein zärtlicher Liebhaber war. Denn immerhin hatte Kaoru zugesagt, dass er sich von ihm nehmen lassen würde. Natürlich bereitete ihm der Gedanke ein wenig Bauchschmerzen. Es wäre wohl auch merkwürdig wenn nicht, denn das würde für ihn ganz eindeutig eine Premiere sein. Doch Die hatte sich ihm dargeboten, obgleich es sicher auch für ihn das erste Mal gewesen war, und dass der normalerweise alles andere als schwul oder im geringsten Maße unterwürfig war, wäre Kaoru auch neu.

Nein, Die hatte es für Kaoru gemacht. Weil er mit ihm hatte schlafen wollen, egal was es kostete. Ebenso erging es dem Älteren, also warum sollte er es auch nicht tun? Er wollte Die lieben und von ihm geliebt werden. Darauf kam es an. Nichts anderes zählte.

Sanft strich Kaorus rechte Hand durch Dies Haar und seinem Rücken hinab. Zweifellos gab es nichts mehr an ihm, was einem Frauenkörper ähnelte und trotzdem empfand Kaoru gerade diesen männlichen Körper als begehrenswert. Woher kam das bloß? Allerdings war es auch sinnlos sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn nachdem das Unmögliche bereits einmal geschehen war, indem Die zu einer Frau wurde, so sollte wohl auch dies hier plötzlich möglich sein.

Kaoru begehrte einen Mann.

Krass.

Nach einer guten halben Stunde hatte sich Die noch immer nicht bewegt, atmete weiterhin tief und fest, während er manchmal ganz leise in sein Kao-Kissen hinein seufzte. Anscheinend träumte er wohl etwas recht Nettes und sein Freund gönnte es ihm auch durchaus, aber so langsam musste er mal zur Toilette. Die aufzuwecken brachte er allerdings auch nicht übers Herz und so begann Kaoru nach einer Weile sich einfach aus den Armen und Beinen - seine Wade wurde von Dies umzingelt - freizukämpfen. Was nicht einfach war, wenn man den anderen nicht wecken wollte!

Aber es gab nichts, was ein japanischer Chuck Norris nicht schaffte und darum stand Kaoru bald schon siegreich neben dem Bett. Dies Nase vergrub sich gerade dort, wo Kaoru bis eben noch gelegen hatte, aber er schlief tief und fest weiter. So einer, dachte der Ältere mit einem Lächeln, kratzte sich am Bauch und ging dann auf die Suche nach etwas zum Anziehen.

Frisch geduscht stand er auch schon bald vorm Spiegel und föhnte sich das Haar.
 

Als Die seine Augen aufschlug, blinzelte er verwundert durch das Zimmer. Ihm war völlig klar, wo er sich befand, aber wo war denn sein Kuschel-Kao? Gähnend streckte sich Die quer durchs Bett und vernahm dann auch das Geräusch des brummenden Föhns. Aha! Also machte sich Kaoru wohl schick? Ein dümmlich-glückliches Lächeln erschien auf Dies noch recht zerknautschtem Gesicht, als er unweigerlich daran denken musste, wie die vergangene Nacht ihr Ende fand.

Nein, die Panne im Bett war damit nicht gemeint, denn daran wollte er nicht mal mehr denken. Missgeschicke beim Sex hatte es bei Die im letzten Jahrzehnt seines Lebens nicht mehr gegeben und an einem Punkt, wo sein Ärger riesig und sein Stolz mickrig war, hatte Kaoru einfach die Arme geöffnet und Die gebeten einfach nur bei ihm zu sein. Obwohl er jetzt ein Mann war!

So sehr viele Gedanken hatte sich Die gestern nicht gemacht, ganz ehrlich. Er dachte eben, dass, wenn er schon Kaorus Küsse vermisste, er doch sein Glück probieren könnte. Alles oder nichts. Ob es nun rein sexuell gewesen war oder nicht, das konnte Die ebenso wenig einschätzen. Davon verstand er nicht viel, wusste nur, dass er verdammt scharf darauf gewesen war, Kaoru zu spüren und wenn nicht in ihm, dann wenigstens außen herum! Ganz gleich, solange es der Bandleader war!

Was genau Die jetzt aber empfand, analysierte er nicht. Die Mühe hatte er sich noch nie gemacht und würde auch nicht damit anfangen. Es ging ihm doch gut! Seine Laune war in Anbetracht der Tageszeit nicht schlecht und der Gedanke ab Kaorus Versprechen für ihren nächsten Versuch steigerte diese Stimmung noch beträchtlich.

Jedenfalls schob Die mal lieber die müden Knochen aus dem Bett und machte sich auf die Suche nach dem anderen, den er mit Rasierschaum im Gesicht vor dem Badezimmerspiegel vorfand. Sorgfältig schwang er die Klinge um das markante Kinn und ließ fein säuberlich das Bärtchen am Südpol aus, welches er nicht mal eingeschäumt hatte. Das sah irgendwie lustig aus und Die konnte gar nicht anders, als leise zu lachen.

Kaoru hatte ihn gehört, auch im Spiegel gesehen, aber mit Rasierklinge am Hals machte es sich schlecht, sich nach jemanden umzudrehen. "Was lachst du denn?"

"Nur so," schmunzelte Die und lehnte sich gegen den Türrahmen. Er musste ja nicht alles preisgeben und von hier aus Kaoru zu mustern, wie er höchstkonzentriert seiner Gesichtshygiene nachging, war auch recht unterhaltsam. Vor allem stellte Die erst jetzt dabei fest, dass sein Freund wohl geduscht hatte, denn um seine Hüften war lediglich eines der weißen Handtücher gewickelt. Seine Haut war schon getrocknet, schimmerte jedoch vom heißen Dampf des Wassers stellenweise feucht glänzend, zum Beispiel die Partie am unteren Rücken und der Bauch. Der lud außerdem auch zum Antatschen ein, aber Die unterdrückte dieses Verlangen erst einmal.

Wenn alles gut verlaufen würde, hätte er noch genug Zeit Kaoru überall zu befummeln, wo auch immer Die wollte. Dazu hatte er sich auch gestern bereits einen Plan ausgedacht und den würde er gleich nach dem Frühstück verfolgen. Solange schaute er Kaoru noch ein bisschen an, der immerhin echt ein schöner Mann war, wie Die feststellte. Es gab im Grunde zwar nichts, was ihn besonders heiß auf Kaoru machte und trotzdem war es, als wäre der Ältere ein Schokoladenhase, der nur darauf wartete vernascht zu werden.

Wahrscheinlich stand dies auch gerade in Dies Augen geschrieben, denn nachdem sich Kaoru fertig rasiert und das Gesicht gewaschen hatte, schaute er auf und bemerkte, wie des anderen Blick auf ihm haftete. Das fühlte sich zwar im ersten Moment auch ziemlich seltsam an, aber es war gut zu wissen, dass der Große alles andere als das Interesse verloren hatte.

Ein wenig unsicher lächelnd ging der Bandleader einen Schritt auf ihn zu. "Möchtest du auch duschen?"

Was? Wo? Zuerst einmal musste Die aus seinen Tagträumen erwachen. "Nein, ich geh drüben. Ich muss mich auch noch umziehen."

Er begann dennoch zu strahlen, wischte Kaoru eine Haarsträhne von der Stirn und nutzte die Gelegenheit mit dem Finger über die glatte, weiche Wange zu streicheln. So einfach war es eben doch nicht mit dem Träumen aufzuhören, wenn in einem so ein wollig warmes Gefühl ausgelöst wurde. Das war so ungewohnt.

"Eigentlich haben wir den ganzen Morgen noch frei," begann Kaoru dann mit einem weiteren Lächeln, denn um ihn machte das wohlige Gefühl in der Magengrube auch keinen Bogen. "Aber ich hätte noch was zu erledigen. Sehen wir uns dann zum Mittag, bevor wir zur Halle fahren?"

"Was denkst du denn?!" Ein Grinsen brach auf Dies Gesicht aus. "Ich freu mich schon auf die Show heute Abend. Endlich wieder spielen. Ich bin so heiß drauf."

Außerdem hatte Die ebenso Pläne für den Vormittag, aber das musste er Kaoru nicht gleich unter die Nase reiben. Immerhin befand sich Die auf einer Art Mission.

"Glaub ich dir. Geht mir auch so." Mal abgesehen davon, dass der Bandleader zwar den Tag am liebsten wieder mit Die verbringen würde, machte ihn der Gedanke ans Spielen live auf der Bühne ebenfalls ganz vorfreudig. Und es gab mit Sicherheit noch allerhand zu tun.

"Gut, dann sehen wir uns zum Mittag," sagte Die dann und drehte sich um auf der Suche nach den Sachen, die er bis gestern Nacht noch angehabt hatte. In die musste er erst einmal wieder rein, bevor er über den Gang in sein Zimmer schlüpfen konnte.

Es war seltsam. Zum ersten Mal seit Langem hatte er das Gefühl von Unsicherheit. Im Sinn hatte er gehabt, den anderen zu küssen, vielleicht als Zeichen dessen, dass es noch immer lief zwischen ihnen. Aber es war auch Kaoru, sein langjähriger Bandkollege und Freund, der vor ihm gestanden hatte und sollte sich Die wirklich benehmen wie ein verknallter Junge? Das kam doch voll bescheuert, oder?

Fast wie benommen beobachtete Kaoru den anderen, fühlte er doch noch immer dessen Berührung heißkalt an seiner Wange. Möglicherweise hatte er falsch gehandelt oder sich falsch ausgedrückt, als er ihr Wiedersehen so direkt auf den Mittag ausgerichtet hatte. Das war doch aber nur zu ihrem Besten! So einfach allerdings konnte Kaoru den anderen nicht gehen lassen und als der im Begriff war das Zimmer zu verlassen, gab sich der Ältere einen Ruck, packte Die am Arm und zog ihn noch einmal zurück.

Der Worte beraubt, die sich in seinem Kopf zu nichts Sinnvollem zusammenfügen wollten, schloss Kaoru gedankenlos die letzte verbleibende Lücke zwischen ihnen und küsste Dies Lippen. Manchmal sprachen Taten eben mehr als Worte.

Innerlich erwachten in jenem Moment kleine Schmetterlinge und flogen einmal quer durch Dies Körper, als sich noch während ihres Kusses ein Lächeln in dessen Gesicht bildete. Es war auch nicht zurückzuhalten, denn letztlich gewann nun doch der verknallte Junge in Die die Oberhand. Was so ein Kuss nicht alles bewirken konnte, dachte er sich noch, als sie diesen unterbrachen.

Die legte noch zwei kurze Küsse nach, grinste breit und raunte dann leise: "Bis dann. Mach keinen Blödsinn ohne mich."

Als Resonanz erntete er einen skeptischen Blick und ein schiefes Lächeln. "Selber."

Gut, an dieser Stelle musste Die zugeben, dass er Kaoru eigentlich nichts Dummes zutraute. Trotzdem kam er nicht umhin, sich über solche Dinge überhaupt erst wieder einen Kopf zu machen. Hatte er fast verlernt.

"Nie," grinste er, setzte noch einen kleinen Kuss an Kaorus Mundwinkel und öffnete dann die Tür um hinaus zu lugen. Die Luft war rein, also nutzte er umgehend die Chance und huschte schnellstens in sein eigenes Zimmer.

Kaoru konnte ihm nur leicht kopfschüttelnd nachschauen, selbst als er die Tür bereits wieder geschlossen hatte, während er dümmlichst vor sich hin grinste. Dann musste er sich erst mal setzen. Tja, er war wohl nun mit Die zusammen. Ob und wie lange das gut gehen würde, kam ihm nicht einmal in den Sinn dank der rosaroten Brille, die Kaoru eigentlich schon seit Jahren vermisst hatte. Es fühlte sich aber gut an sie endlich wiedergefunden zu haben!
 

Nicht im Begriff kostbare Zeit zu verlieren, zog sich Kaoru schnell etwas Angemessenes an, setzte sich Sonnenbrille und Basecap auf, bevor er sich auf den Weg nach unten machte. Am Frühstücksbuffet bediente er sich nur kurz, trank im Stehen einen Kaffee, während er sich ein Sandwich für den Weg machte.

"Morgen," ertönte plötzlich Shinyas Stimme aus dem Hintergrund, der offensichtlich ebenso schon wach war. Kaoru nahm es mit einem Lächeln und einem Nicken hin. "Na, wieder bessere Laune? Gestern sahst du ziemlich bedrückt aus."

"Joa, gestern war heute noch morgen," entgegnete der Bandleader mit einem kleinen Grienen auf den Lippen, als würde er den nächstbesten Interviewer mal wieder eins reindrücken. "Also dann, ich muss los. Wir treffen uns heute hier zum Mittag, also pünktlich um Zwölf, nicht wieder erst um Eins. Sag's auch den anderen bitte. Ich hab keine Zeit."

Er winkte noch kurz mit seinem Sandwich und machte sich dann los in die Stadt hinein. Mehrere Möglichkeiten gab es, wenn man über diverse Themen recherchieren wollte. In Kaorus Fall war es eine recht heikle Angelegenheit und darum blieben ihm so viele Optionen nicht mehr zur Auswahl. Jemanden zu fragen fiel von Vornherein aus, denn erstens kannte Kaoru keinen ihm sehr gut bekannten schwulen Mann und zweitens wäre es ihm auch zu peinlich. Bücher waren immer eine sehr gute Chance, wenn man sich über ein Sachthema schlau machen wollte. Doch Kaoru bezweifelte, dass er in einer Bücherei etwas zum gleichgeschlechtlichen Beischlaf finden würde, es sei denn vielleicht ein paar Mangas und da waren bekanntlich die wichtigsten Stellen unscharf gezeichnet oder weggelassen.

Ihm fiel eigentlich nur eines ein: das Internet. Dazu ließ er sich von einem Taxi in ein recht nettes Café fahren, in welchem man Zugang zum Internet an Tischen mit PCs hatte. Praktische Erfindung, wie er fand, denn da konnte er in Ruhe sein Sandwich essen, Cappuccino trinken und durchs Web surfen. Da er früh genug da war, hatte er sogar noch einen gemütlichen Platz in der Ecke gefunden, wo man ihn nicht direkt erspähen konnte. Perfekt!

Also dann mal los.

Wo aber schaute man, wenn man Wissen über homoerotischen Analverkehr suchte? Im Zweifelsfall war Google immer eine nette Lösung und gleich nachdem Kaoru das Wort ‚Analverkehr' eingegeben hatte, zeigte diese schlaue Seite ihm der Rätsel aller Lösung: Wikipedia.

Yes!
 

In einer anderen Ecke der Stadt hatte sich Die fertig herausgeputzt, geziert durch sein Lieblingssweatshirt und alte Jeans. In seine Tasche packte er noch den mp3-Player und verkabelte seinen Körper, so dass er unterwegs Musik hören konnte. Noch einen letzten Blick in den Spiegel geworfen, welches die Frage aufkommen ließ, ob er sich nicht wieder von den blonden Haaren trennen sollte, dann ging es los.

Auch er machte noch einen Zwischenstopp im Frühstücksraum, während ihm der iPod bereits einen Sampler um die Ohren haute. Heute war ihm nach... Früchten! Und zwar auf einem leichten Müslimix mit Jogurt, welches Die sich übertrieben kreativ und peinlichst genau dekorierte. Solche Dinge tat er nur, wenn er wirklich gute Laune hatte und dass diese sein Unterbewusstsein regierte, brachten nicht zuletzt seine von links nach rechts schwingenden Hüften zum Ausdruck. Zwar war es kein Vergleich zu Daiyana, jetzt wo Dies Hüften wieder kantiger und verpackt in weiten Hosen waren, aber Kyo fiel es dennoch auf.

Das kam vielleicht auch daher, weil Die stellenweise Liedtexte wie "Oh baby!" oder auch "Feel my touch!" unbewusst mitsang. Den Rest summte er, da er den britischen Akzent der Band nicht verstand. Aber das Lied war cool und passte zu seiner Megasuperliebeslaune!

Kyos linke Augenbraue wanderte stetig weiter nach oben. "Eh Die, geht's dir gut?"

"Was?" Dass der kleine Sänger etwas sagte, hatte Die gesehen. Er musste nur erst die Ohrstöpsel rausnehmen, um ihn auch zu verstehen.

"Bist du high?" Selbst Kyo konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Normalerweise sah man Die nach einer netten Nacht eher prahlend und falsche Bescheidenheit vorheuchelnd, aber definitiv nicht so gut gelaunt, als hätte er den Jackpot im Lotto geknackt. Vielleicht feierte er aber nur noch immer seine zurückgewonnene Gesundheit und freute sich auf den Abend. Denn wer tat das nicht? Alle waren heiß darauf wieder aufzutreten!

"Eh? Wieso? Also noch nicht. Aber kann ja noch kommen, wer weiß," gab Die daraufhin als Antwort und schaufelte genüsslich sein Müsli, trank einen Latte und lauschte weiterhin der Musik aus seinen Ohrhörern. Was Kyo aber auch für Fragen stellen konnte. Nun gut, aber in Aussicht auf das, was Die und Kaoru sich gemeinsam zweisam vorgenommen hatten, wurde der Jüngere schon ein bisschen high. Mental. Reichte ja auch fürs Rockstar-Image.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte sich Die dann auf den Weg, kurz nachdem Shinya ihn noch darauf hingewiesen hatte, dass er um Zwölf pünktlich wieder da zu sein hatte. Er winkte nur ab, denn besser als Die konnte wohl keiner wissen, dass ihm das bereits deutlich gemacht wurde. Und er wäre der Letzte, der zu diesem Termin nicht erscheinen würde.
 

Nach nur kurzer Zeit hatte Kaoru sehr viel geistiges Input aufgenommen und saß, in die virtuelle Lektüre vertieft, vor seinem Arbeitsplatz, nippte hin und wieder von seinem Cappuccino und las alles Wissenswerte über Analsex, dessen Prinzip, Schmerzvermeidung, Lustgewinn, Hygiene, Risiken und vor allem Homosexualität. Es war schon ein bisschen viel auf einmal, aber je mehr er darüber las, umso klüger kam er sich vor und umso mehr Fragezeichen verabschiedeten sich aus seinem Hirn.

Zwischendurch holte er sich noch einen Aschenbecher und hatte fast seinen Platz an zwei junge Schnösel verloren, wenn die nicht angewidert vom offensichtlichen Thema auf dem Bildschirm weggegangen wären. Es war Kaoru auch wirklich nur ein bisschen peinlich - vielleicht auch ein bisschen mehr -, aber es spielte keine Rolle. Wichtig war, dass er notwenige Informationen bekam, die ihm den Sex mit Die ermöglichen würden.

Zum Beispiel stand da, dass der Afterbereich eine sexuell stimulierbare erogene Zone war. Bei Männern war es außerdem so, dass passiver Analverkehr zur Reizung der Prostata führte, was einen Orgasmus auszulösen vermochte. Interessant, denn immerhin würde gerade das in Kaorus Fall wohl eintreffen, nachdem er es Die zugesagt hatte.

Für ihn würde der Sex mit Kaoru dann eine intensivere Stimulation bedeuten aufgrund der engeren und muskulöseren Körperöffnung. Aha, also das konnte Kaoru schon mal nachvollziehen. Verdammt eng war das gewesen, holla. Doch was ihm an dem Text der Seite am Wichtigesten erschien, war folgender Satz: Die Praktik setzt ein höheres Maß an Vertrauen voraus, wird andererseits auch als entsprechend intimer empfunden.

In gewisser Weise machte Kaoru das stolz, immerhin hatte Die genug Vertrauen in ihn gehabt, sich als der sogenannte ‚passive' Part anzubieten. Ach ja, dieser Tag wurde also noch in vielerlei Hinsicht informativ.

Was Kaoru jedoch noch fehlte, waren Details über das, was genau sie beide denn falsch gemacht hatten. Also las er bei einer Zigarette weiter, kam auch schnell zu dem Teil, den sie wohl letzte Nacht vergessen hatten. Zu Lesen gab es dazu Folgendes: Weder die Drüsen des Penis noch die Schleimhaut des Enddarms produzieren genug natürliche Gleitflüssigkeit, so dass für den Analverkehr ein am besten spezielle, fettfreie synthetische Gleitmittel, die Latexkondome nicht angreifen, verwendet werden sollten.

Auch wenn ein Wort wie ‚Enddarm' das Ganze ziemlich sachlich und weniger reizend darstellte, wurde Kaoru an dieser Stelle wieder Einiges klar. Er hatte es bereits vermutet und machte sich gedanklich eine Notiz, dass er ein solches Gleitmittel kaufen würde. Denn nur wenn behutsam vorgegangen wird, ist ein passiver Partner fähig den Schließmuskel so weit zu entspannen, dass ein schmerzfreies Eindringen möglich ist und der Analsex für beide geil werden kann. So übersetzte es sich jedenfalls Kaoru in seinem nicht ganz sachlich geschwollenen Hirn.

Wie aber genau sollte man denn den Bereich um den Anus stimulieren?

Druck und Bewegung war eine Sache, aber wie genau musste das gemacht werden? Um zum Orgasmus zu kommen, bedurfte es meistens zusätzlicher genitaler Stimulation. Schon klar, verstanden, aber wie reizte man denn vor dem Eindringen? Kaoru scrollte ein Stück weiter nach unten und fand auch hier ein paar Tipps, wie dass Stimulieren mit den Fingern als Vorspiel ablaufen konnte.

Den Absatz mit dem Butt Plug las Kaoru zwar, aber schenkte ihm keine weitere Beachtung. Solche Dinge waren ja schön und gut, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass man ihm einen Pfropfen in den Hintern stopfte! Nichts da, egal wie stimulierend es angeblich sein sollte.

Es kam ihm dann ein Begriff unter, der sich Anilingus oder auch Rimming nannte. Auf den Punkt und damit zu Kaorus Verständnis brachte es aber erst das Wort Arschlecken oder Zungenanal. Man musste darüber nicht mehr viel nachlesen, denn es bedeutete offensichtlich das Stimulieren des Anus mit Lippen und Zunge. Ob sich Die das auch ziehen würde, war fraglich, genauso wie es für Kaoru sicherlich eine Peinlichkeit darstellte. Dass es dabei verschiedene Stellungen zum Praktizieren gab, vermerkte er sich dennoch gedanklich und ließ die Frage nach dem Ob erst einmal offen.

Was wohl aber eine Rolle sowohl dabei als auch beim Verkehr spielte, war die Hygiene. Zweckmäßig waren wohl Analspülungen, aber wenn Kaoru ehrlich war, hatte er dazu keine große Lust. Wie sollte das überhaupt gehen? Auf der anderen Seite würde Die doch sicher ein Kondom benutzen und das war doch dann auch hygienisch, oder? Zum Glück stand da, dass Analspülungen und Kondomgebrauch keine Notwendigkeit darstellten, auch wenn ein dezenter Hinweis auf ein HIV-Risiko gegeben wurde. Glück gehabt!

Jetzt machten dem Bandleader nur noch die Risiken ein wenig zu schaffen, denn beim Analverkehr herrschte wohl erhöhte Verletzungsgefahr, wie zum Beispiel das Überdehnen des Schließmuskels und damit die Gefahr von Rissen. Zu tiefes Eindringen war wohl auch nicht so gut.

Ein lautes Schlucken folgte. Die würde doch aufpassen, oder? Vertrauen! Genau daran würde sich Kaoru wohl erinnern müssen, wenn es denn soweit war.

Danach las er sich noch den Abschnitt mit dem Sexspielzeug und dem Fisting durch, bemerkte jedoch strikt, dass beides keine Rolle spielen würde im sexuellen Miteinander von ihm und Die. Es konnte ja auch so schon heiter genug werden. Die innerliche Aufregung stieg merklich dank des neuen Wissens.

Nachdem Kaoru den PC abgeschaltet und die Nutzung als auch den Kaffee bezahlt hatte, warf er einen prüfenden Blick auf die Uhr. Nicht mal um Elf war es. Also hatte er noch genügend Zeit in die Drogerie oder eine Apotheke zu gehen. Er war eben immer gerne gut vorbereitet auf alles, was da kommen mochte.
 

Für Die hatten sich mehrere Möglichkeiten aufgetan um in Erfahrung zu bringen, wie er sich selbst als auch Kaoru eine schöne Nacht bereiten könnte. Nein, er meinte nicht den romantischen Quatsch von wegen Kerzenschein und solchen Rotz. Was Die wollte, war Sex. Und den wollte Kaoru doch auch, richtig? Immerhin war er es gewesen, der den Jüngeren überredet hatte, es noch einmal zu versuchen.

Ein weiteres Versagen stand für Die nicht zur Debatte. Doch dazu musste er genau wissen, was er zu tun und zu lassen hatte. Wie schon in der Schule, wenn er etwas recherchieren musste, kam er auf die Idee, dass ein Film ihn wohl am besten aufklären würde. Er war eben schon immer mehr ein visueller Typ gewesen.

Wo er finden würde, was er suchte, entnahm er schlauerweise den Gelben Seiten. Es gab eine Vielzahl an Videotheken, aber die würden ihn wohl alle nicht weiterbringen, ebenso wenig wie Sexshops. Die hatten zwar Material, aber um es zu sehen würde Die es wohl kaufen müssen. Das hatte er eigentlich nicht vor. Zum Glück gab es in Japan Erotikkinos, die eigentlich wie eine normale Videothek aufgebaut waren, allerdings die Chance zum Schauen der Filme boten. Geniale Erfindung, wie er meinte.

Er nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette und warf sie dann achtlos weg, bevor er dann das Innere des Ladens betrat. Sofort grüße ihn ein jüngerer Typ mit Brille, der sich wohl eher zu langweilen schien so hinter seinem Tresen. Gut, Die musste sich orientieren. Den Heterokram erspähte er gleich und war fast schon unterwegs dorthin, als ihm auffiel, dass er in die andere Richtung musste.

Mit großen Augen betrat er den Raum mit den Schwulenpornos und musste sich erst einmal an das pinkfarbene Licht gewöhnen. Also gut, dachte er sich, musterte die Videohüllen und stellte schnell fest, dass er bei so vielen Filmen einfach ratlos war.

Zum Glück sah ihm das der bebrillte Mann wohl an. "Kann ich dir helfen?"

"Um, naja. Ich weiß nicht." Das war eine gute Frage, denn wonach genau suchte Die denn eigentlich? Lehrfilme hatten die hier wohl eher nicht, wie?

"Auf was stehst du denn?" Der Junge war bestimmt ein Jahrzehnt jünger als Die und kam sich so oberschlau vor mit seiner netten Art, dass es den rotblonden Gitarristen jetzt schon nervte. Er drehte sich weg, nahm einen Film aus dem Regal und stellte ihn kurz darauf zurück. Woher sollte er denn wissen, auf welche Art von Schwulenpornos er stand? Er war doch nicht schwul!

"Besondere Vorzüge bei Männern?", versuchte es der junge Kerl noch einmal und erhielt eine skeptisch hochgezogene Augenbraue von Die als Resonanz. "Willst du eher Muskelprotze sehen oder lieber Schuljungen? Besondere Nationalitäten oder sollen es Japaner sein? Sollen sie irgendwelche Spielchen machen oder einfach nur Sex haben?"

Boah, so viele Fragen auf einmal. "Normale Männer halt." Was auch sonst? "Japaner." Kaoru kann er wohl nicht sagen, denn eigentlich will Die nur den und keine anderen Kerle nackt sehen. "Die Sex haben miteinander. Ganz normalen Sex." Da fiel ihm ein Cover ins Auge, das immerhin einen annähernd gutaussehenden Typen mit Kinnbärtchen zeigte. "Das sieht doch nicht schlecht aus."

"Das ist der neuste bei den Auditions," erklärte die Brillenschlange mit einem oberschlauen Grinsen. "Ist viel Fisting drin, aber der Seme ist ziemlich... groß. Vielen gefällt das."

Ohne Plan, was Auditions in der Pornoindustrie waren, - in Dies Vokabular bedeutete das eine Art Vorstellungsgespräch - geschweige denn mit der Absicht sich Fisting anzuschauen, stellte er den Film wieder hin. Möglicherweise musste er sich doch klarer ausdrücken und dem Kleinen hier mal erklären, was genau Die suchte.

"Also ich such mehr etwas, wo zwei Typen einfach miteinander Sex haben. Normale Japaner eben und vielleicht wäre es ganz schön, wenn es so aussehen würde, als ob die sich mögen. Also nicht so krasses Zeug." Gab das einigermaßen Aufschluss? Lieber ging Die auf Nummer sicher und suchte nach mehr Hinweisen. "Keine Schulknaben. Erwachsene Männer, die einigermaßen gut aussehen und wo man sieht, wie Sex eben auch so ganz normal abläuft unter Schwulen."

Der junge Typ musterte Die skeptisch und hätte schon beinahe gefragt, zu welchem Zweck es einen Heten wie ihn denn interessiere, aber es ging ihn ja doch nichts an. Nur war es offensichtlich, dass der Kunde ihm gegenüber wohl kaum schwul war.

"Ich würde dir den hier empfehlen," sagte er und reichte Die einen Film, auf dessen Cover eindeutig schon mal ein Pärchen abgebildet war. "Der ist aber wirklich sehr süß und hat sogar eine Geschichte. Wenn du aber nur Sex sehen willst, bei dem es relativ normal abgeht, dann nimm den hier noch." Er gab Die einen weiteren Film, auf dem ein gutaussehender Japaner, wenn auch ohne Bärtchen, drauf war.

"Danke." Na bitte. Ging doch.

Mit den Filmen in der Hand bekam Die dann noch einen Raum zugeteilt und wurde freundlich darauf hingewiesen, wo sich in diesem Hygieneartikel befanden. Wozu er die brauchen sollte, wusste Die zwar nicht, aber es war ihm auch egal. Jetzt hieß es ab zur Recherche!
 

In der Zwischenzeit hatte sich Kaoru doch lieber für die Anonymität der Drogerie entschieden, da ihm der letzte Zwischenfall in einer Apotheke noch immer zu lebhaft in Erinnerung war. Bereits im ersten Regal direkt geradeaus an einer kleinen Ecke befand sich, was Kaorus Herz begehrte. Nein, nicht Die, aber wesentlich Dinge, die bei der Intimität mit diesem dienen würden.

Eine Vielzahl von bunten Kondompackung fielen Kaoru ins Augen, doch er wusste, er hatte noch genügend im Hotel und nahm auch nur zur Sicherheit eine weitere Packung. Man konnte nie wissen. Wenn es gut war, machten sie es bestimmt häufiger.

Aber zuerst einmal brauchte Kaoru ein angemessenes Gleitmittel, welches fettfrei und synthetisch war. Das hatte er sich extra gemerkt! Nun, da gab es ziemlich viele unterschiedliche Marken und diese unterteilten sich oftmals in Geschmacksrichtungen wie Blaubeere, Kirsche, Pinâ Colada, Kiwi, Erdbeere und sogar Schoko. Die Produkte mit Geschmack schieden gleich aus dem Rennen, denn Kaoru suchte etwas Sicheres und Sanftes, egal wie es schmeckte! Es sollte lieber einen seriösen Eindruck erwecken.

Zur Auswahl blieben vier Sorten. Das eine versprach besonders lang anhaltend und hautfreundlich, gelartig, geschmeidig, wasserlöslich, fett- und ölfrei zu sein. Nur die Tube gefiel Kaoru nicht und auch der Name. Flutschi klang nicht seriös. Die nächsten beiden Produkte waren aus den Niederlanden und dem schenkte Kaoru wohl kaum Vertrauen. Letztlich blieb er bei einem Mittel hängen, dass äußerlich durch seine graue Flasche überzeugte. Das hatte etwas Männliches, als würde sich Kaoru ein Deodorant kaufen. Außerdem war es laut Verpackung dauerhaft, hatte die richtige Substanz von Silikon, kombiniert mit der Sanftheit und Sicherheit von Wasser, und versprach, dass man nie wieder Probleme mit Klebrigkeit, Fettigkeit oder Trockenheit haben würde. Es war deutsche Wertarbeit aus München! Darauf konnte man vertrauen.

Sehr schön! Ein zufriedenes Grinsen bildete sich auf Kaorus Lippen, bevor er ein Regal weiter zu den Pflegeprodukten ging. Es konnte ja nicht schaden sich ein neues Duschbad zu kaufen, denn immerhin hatte Die bereits bemängelt, dass der Ältere den hoteleigenen Bestand zu Hygienezwecken verwendete. Besser war es da wohl, wenn er sich ausnahmsweise ein nett duftendes Duschgel zulegte, eines mit Mandelöl vielleicht? Das roch nicht übel.

Gut. Noch etwas?

Kaoru fiel nichts ein, also marschierte er zur Kasse. Natürlich war es peinlich mit nichts außer Kondomen, Gleitmittel und einem Duschgel bewaffnet vor die dicke Frau Mitte Vierzig zu treten, die gerade eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern abkassierte. Doch was brachte es, wenn Kaoru durch dummes Zögern Zeit verlor? Das konnte er nicht riskieren. Es war bereits zwanzig vor Zwölf und er musste schon Glück haben, wenn er draußen so schnell ein Taxi finden würde. Die öffentlichen Nahverkehrsmittel waren nun mal nicht gerade das, was sie versprachen.

"Macht dann 3.502,50 bitteschön."

Wie preiswert. Kaoru reichte einen Schein, ließ sich ohne Worte das Restgeld rausgeben und freute sich bereits, dass er von Nirgendwo her dumme Sprüche oder abschätzende Blicke einsteckte oder gar erkannt wurde.

"Schönen Tag noch," wünschte er dann freundlich und ging mit seinem Drogeriemarkttütchen und einem Liedchen auf den Lippen nach draußen.

"Kaoru-samaaaaaaaaaaa!", schallte es von links und als er die Horde Schulmädchen erblickte, gab es nur eins. Laufen was das Zeug hielt!

Da er dann einmal im Rennen war, konnte er auch gleich zur U-Bahn flitzen, sich hineinquetschen und darauf hoffen, dass sie am Hotel vorbeifuhr. Puh, das war knapp gewesen.

Was sprach die Zeit? 11:54 Uhr. Das war noch zu schaffen!
 

Unterdessen hatte sich Die bereits den zweiten Film reingezogen. Beim ersten hatte er ständig nur vorspulen müssen, weil die darin eigentlich nichts außer Händchen hielten und knutschten. Das war aber nicht sein Problem! Die hatten dann auch mal Sex und das war auch alles schön und gut, aber warum verpixelten die die besten Stellen? Wenigstens hatte Die Fantasie und konnte sich denken, was die Kerle da machten.

Das mit dem ‚Züngeln' dort am Hintern kannte er auch noch nicht. Seine Sexualpraktiken hatten sich eher weniger aufs Arschficken beschränkt, weil er wohl auch so genug Dinge zu tun wusste, die sehr viel Spaß machten. Da hatte sich die Kompliziertheit des Analsex nie wirklich ergeben. Denn ganz offensichtlich war mehr zu tun, als nur seinen Penis in ein Loch zu schieben. Nein, die Schwulen leckten sich viel dort unten, schoben sich Finger rein, dehnten sich wohl und erst dann hatten sie auch endlich mal Sex!

Mit Gleitgel. Ja, das hatten Kaoru und Die vergessen. Dumm eigentlich, denn so etwas sollte man eigentlich wissen. Im zweiten Film konnte man das auch sehr genau sehen, ebenso wie ein richtig guter Blowjob funktionierte. Im Grunde wusste Die das, weil er einfach wusste, wie ihm ein solcher am besten gefiel. Aber er passte dennoch gründlichst auf, um sich auch hierbei eventuelle Tricks anzueignen. Es konnte immerhin nicht schaden. Ob er bereit war, Kaoru einen solchen Blowjob zu verpassen, konnte Die an dieser Stelle nicht sagen. Der Leader hatte es getan und wenn sie beide in Fahrt waren, dann schreckte wohl auch der Jüngere vor Nichts zurück. Man würde sehen.

Nach dem ‚Kinobesuch' gab Die die Filme zurück, bezahlte die Leihgebühr und fragte: "Kann ich den zweiten hier kaufen?"

"Ne, die sind nur zum Anschauen," sagte der Kleine und schaute über den Rand seiner Brille. "Aber zwei Blöcke weiter ist ein Sexshop. Da kannste ja mal fragen."

Hm, wohl eher nicht, dachte sich Die, bedankte sich dennoch und verließ den Laden. Was für ein komischer Kauz dieser Typ doch war.

Zeit die Uhr zu lesen. Kurz vor Zwölf! Nun aber ab zum Mittag!
 

Es war kurz nach Zwölf, als Kaoru seinen abgehetzten Hintern auf die Bank im hoteleigenen Restaurant schob und tief durchatmete. Seine Tüte platzierte er zwischen sich und der Wand, denn es sollte besser niemand wissen, was sich darin befand. Momentan war die Gefahr jedoch gering, weil er, wie er deutlich sehen konnte, doch der Erste war. Hätte er sich an einer Hand abzählen können. Dann bestellte er sich eben ein Glas Wasser und wartete, warf nochmals einen kleinen Blick in sein Tütchen und grinste verschmitzt. Oh Mann, Die würde staunen!

"Hi Kao!", grüßte genau dieser in jenem Moment und schob sich freudestrahlend direkt neben den Bandleader, der ganz offensichtlich erschreckte. "Ist alles in Ordnung?"

"Was? Ja, klar doch," antwortete er und versuchte seinen Puls wieder zu drosseln. Es war lediglich Die Gott sei Dank! Wobei lediglich sehr positiv war, wenn genau dieser Die derjenige welche war, der die Glückshormone in Kaoru zu versprühen wusste. Lässig legte er einen Arm auf die Lehne hinter dem anderen und wandte sich ihm leicht zu.

"Cool. Du wirst nicht glauben, was ich alles rausgefunden habe heute." So gerne sich Die auch weiterhin dem Wohlbefinden seines Leader-samas widmen würde, aber die Neuigkeiten brannten ihm auf der Zunge und wollten raus. Also plapperte er aufgeregt und ohne Unterbrechung weiter. "Wir haben total Mist gebaut letzte Nacht, weil wir das Gleitgel vergessen haben. Und außerdem gibt es da doch ganz andere Tricks und Kniffe. Die kenn ich jetzt auch."

Auch wenn Kaoru seinem Freund aufmerksam zuhören wollte, so hatte er doch ein bisschen Schiss davor, dass auch andere ihr Gespräch belauschen konnten. Er war gerade fast soweit Die zu bitten, etwas leiser zu reden, als ihm etwas durch den Kopf schoss. "Woher?"

Woher kannte Die Tricks und Kniffe? Der würde doch nicht...?

"Woher wohl?", fragte der Größere mit einem fast spöttischen Blick, als stünde Kaoru auf der Leitung. "Ich hab mir einen Film angeschaut."

"Ach so. Logisch." Darauf hätte der Dunkelhaarige auch kommen können.

Wieso sah Kaorus Gesicht dann aber nicht so logisch aus? Für einen Moment hätte Die schwören können, dass ihm diese typische Angstfalte über den Augen zu wachsen drohte. Kaoru dachte doch wohl nicht...? "Hast du gedacht, ich geh los und such mir einen zum Üben?"

"Nein, ja, nein. Also nein." Wieso traf Kaoru aber auch jedes Fettnäpfchen? "Es war nur... im ersten Moment, da... Tricks und Kniffe klingt halt so... naja... halt."

Mit jedem Wort aus des Kleineren Mund stieg Dies linke Augenbraue höher. "Oh Mann, Kao! Du bist aber auch ein Trottel manchmal. Für wen mach ich das? Richtig. Ich lass doch keinen anderen ran! Spinnst du?"

"Ja, ich weiß doch. Es klang halt so komisch. Tut mir leid." Unterwürfig schlug der Leader seine Augen nieder und kaute nervös auf der Unterlippe. Keine Frage waren Dies Worte schmeichelhaft, aber gleichzeitig auch so logisch. Keiner von ihnen war schwul. Oder doch? Egal, denn das Wichtige war, dass sie einander wollten und niemand anderen. Selbst wenn Die noch so ein durchtriebener, notgeiler Hund gewesen war, so war er es dennoch gewesen, der Kaoru um eine Beziehung gebeten hatte und mit ihm Sex wollte. Sprach das nicht für sich?

Also wenn Kaoru diesen Blick beibehalten würde, dann wäre Die sicher gleich doppelt scharf auf ihn. "Ich würde dich jetzt echt knutschen, wären wir allein."

Bei den Worten und in Anbetracht von Dies großem Grinsen konnte Kaoru auch nicht anders als ihn anzustrahlen, als hätte er eine Woche im Reaktor verbracht. "Kannste dir ja aufheben für später. Ich hab auch wichtige Infos zum Thema..."

"Sex?"

"Japp."

"Oh geil. Wann machen wir ein Briefing?"

"Briefing?" Da musste Kaoru aber doch leise lachen. "Sagen wir nach der Show heute Abend?"

"Perfekt! Ich komm dann rüber zu dir." Ein atomares Grinsen brach auf Dies Gesicht aus, denn er könnte sich zwar täuschen, aber er glaubte zu wissen, dass Kaoru des Gleiche unter ‚Briefing' verstand wie er. In jedem Fall würden sie sich dann sehen und zwar allein. Geschissen auf die Definition des Begriffes dafür! Dies Vorstellung reichte ihm dazu.
 

Von etwas weiter weg betrachten die restlichen Bandmitglieder das Getuschel am Tisch mit leichter Skepsis, kurz nachdem sie das Restaurant betreten hatten.

"Sagt mal, kommt euch das auch so vor oder spinn ich?" Sich am Kopf kratzend, nickte Kyo zum Tisch hinüber, an dem Kaoru und Die saßen.

"Was denn?" Toshiya hatte es zwar auch bemerkt, aber wollte wissen, was der Sänger darüber dacht.

"Na, dass Kaoru und Die wieder so dicke sind. Kuckt doch mal, wie doof die dauernd grinsen. Bevor Die weg war, gingen sie sich doch glatt am Arsch vorbei, oder?" Nicht, dass es Kyo in irgendeiner Weise stören würde, aber er wunderte sich trotzdem.

"Die haben Geheimnisse. Ich sag's euch," meinte Shinya daraufhin kopfnickend.

"Und was für welche?" Zwar kam es dem Bassisten auch so vor, aber er konnte sich nicht vorstellen, was für Geheimnisse die beiden denn haben könnten.

"Weiß nicht. Wenn ich es wüsste, wären es keine Geheimnisse," antwortete der Drummer mit einem Zucken seiner Schultern.

"Ach so, ja klar." Das brachte Toshiya aber auch nicht weiter in seinem Unwissen.

"Die hecken was aus, wenn ihr mich fragt." Da war sich Kyo sicher. "Na, mir ist's egal. Auf jeden Fall zieht Kaoru nicht mehr so eine Emofresse wegen Daiyana. Er meinte, er habe die Sache mit ihr verbockt. Schon komisch, dass Die das ganze so gar nicht kratzt."

"Oder aber er weiß, wie er Kaoru helfen kann." Das war zumindest auch eine Möglichkeit, wie Toshiya fand. "Vielleicht hecken sie ja auch nur einen Plan aus, wie Kaoru sie zurückgewinnen kann."

"Wenn du mich fragst, verdient er aber keine zweite Chance." Da war Shinya knallhart.

"Ist halt nur nicht unser Bier," meinte Kyo daraufhin fast bemitleidenswert. "Sie hat ihn doch gewollt. Das hat sie jetzt davon."

"Ist trotzdem komisch, wie die beiden dort aufeinander hocken." Es sah definitiv ungewohnt aus, so viel stand für den Trommler fest. "Egal, wir werden es schon früh genug erfahren, was da los ist."

"Gut gesagt," stimmte Kyo wieder ein.

Denn es gab im Grunde nichts, was nicht früher oder später ans Tageslicht kam, wenn man in einer Band wie dieser zusammenarbeitete. Außerdem war an jedem Gerücht ein bisschen Wahrheit und sollten die Bandältesten etwas aushecken, dann konnten sie es sowieso kaum lange geheim halten.

Das war Bandgesetz.

Mit diesem Gedanken gesellten sich die Drei dann zu den anderen beiden, die sich ruckartig zwei Zentimeter weiter auseinander setzten und aufgesetzt lächelten. Bevor jedoch einer etwas sagen konnte, maulte Kaoru bereits daran herum, dass sie mal wieder unpünktlich waren und somit verlief der Rest im Sande.

Während der Bandleader dann den restlichen Tagesablauf mit ihnen durchging, kam ihm immer wieder der Gedanke daran, mit welchem Abschluss sein Tag zu rechnen hatte. Es stieg nicht nur Aufregung und Vorfreude, sondern auch ein wenig Angst, wenn auch nur so ein klitzekleines bisschen davon. Alles in allem jedoch freute er sich auf die Nacht mit Die, denn egal, was passierte, er würde die Nacht sicherlich nicht allein verbringen.

Das waren doch gute Aussichten!
 


 

Ende Kapitel Elf.
 


 

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auf dem zu finden auch meine aktuelle englische Fanfic ist: http://sangha-ff.livejournal.com/tag/in-his-eyes

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Ene Mene Miste, es rappelt in der...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Alles ist möglich!

Lasst ihr jetzt nach oder was? Dann ich auch. Ich brauch eure Motivation, nur damit ihr das wisst! Sonst würde ich nicht drum betteln! >.< Also, mehr bitte! Motto motto hayaku! Nun gut, mein Dank diesmal an -Zombie- (gleich doppelt - aww :*), MYM, -Kaoru-, dat_Yoh-Chan, Shivi, Sakito_the_warumono, myamemo, Marraskuu, Fresel, sinner, Kanoe, rukas-crevasse, Kao_Baerchen, Aya-chan60, GacktJR, Maulwuerfchen, das Mone, _tsuki_ & KaoSaftigeSchnitzel natürlich! Macht weiter so und dass ich so lahm war, lag sicherlich nicht an euch, sondern an meinen Stimmungsschwankungen. :3
 

Zum aktuellen Kapitel: Gewidmet -Kaoru-! Alles Liebe zum Geburtstag! *knuddel* Letztlich war dieser Stichtag aus genau diesem Grund mein Druck! [Und ja, ich brauch den auch. XD]
 

Vorschau aufs nächste Kapitel: Aller Anfang ist schwer. Währt ehrlich wirklich am Längsten? Oder kommt alles anders? Ein Stress aber auch, den man hat!
 


 

Kapitel Dreizehn: Alles ist möglich!
 


 

Ein Frühaufsteher war Die sicherlich nicht. Darum war es umso verwunderlicher, dass er schon lange vor Kaoru wach war und der Zimmerdecke entgegen blinzelte. Neben ihm schlief der Bandleader wie ein kleines Baby, nahm immer wieder tiefe Atemzüge und schien sich durch nichts dabei aus der Ruhe bringen zu lassen. Anscheinend hatte Die seinen Job wirklich gut gemacht.

In sich hinein grinsend erhaschte er einen Blick auf Kaoru, während seine Hand nach den Zigaretten auf dem Nachttisch griff und eine davon ansteckte. Kaorus Gesicht lag von Die abgewandt in den Federn des Kissens, unter welchem eine seiner Hände steckte. Die Bettdecke war fast bis hinunter zum süßen Leaderpo gerutscht, wobei Die allein beim Gedanken daran, wie süß dieser Po wirklich war, nun tatsächlich breit grinste. Er musste es immerhin am besten wissen nach der letzten Nacht, in der er zugegebenermaßen voll auf seine Kosten gekommen war.

Schon geil gewesen, die letzte Nacht.

Und wenn sich Die so den Grund dafür ansah, wunderte es ihn auch nicht. Alleine Kaorus Wirbelsäule strahlte eine magische Anziehungskraft aus, der sich Die nicht imstande sah lange zu entziehen. Träge nahm er einen weiteren Zug von der Zigarette und ließ die Augen auf seinem Freund verweilen.

Wer hätte das gedacht? Dass Die nach all der langen Zeit seiner vielen Affären und One-Night-Stands mit unendlich vielen Frauen sich nun auch wieder verlieben würde. Dass er sich vor allem ausgerechnet in Kaoru verlieben würde! In KAORU! Unfassbar.

Genauso unfassbar wie die Tatsache, dass Die mal eine Frau gewesen war, die es mit Kaoru getrieben hatte. Damals hätte Die das alles ja noch irgendwie auf die Hormone schieben können, aber heute ging das nicht mehr und er wollte es auch gar nicht. Dass er sich verliebt hatte, war in jedem Fall gut, beschloss er.

Zumal er schon nicht mehr daran geglaubt hätte, dass auch sein Herz mal wieder für einen anderen Menschen schlagen würde. Dass das nun ein Mann war, machte Die kaum Sorgen. Warum auch? Es war ja nicht so, als würden sie beide nun händchenhaltend durch die Geografie spazieren und sich offiziell als Paar bekennen.

Gerade, weil sie das gar nicht KONNTEN und sie ihr neues ‚schwules' Leben erst noch austüfteln mussten, bedeutete es auch gleichermaßen, dass sie alles langsam angehen mussten. Vielleicht damit, dass Die noch einmal bekräftigte, dass er mit Kaoru zusammen sein wollte.

Nur hatte Die auch ein bisschen Angst. Schon so lange hatte er keine feste Beziehung mehr gehabt und keinesfalls wollte er nun diese hier vermasseln. Oft genug hatte er oder seine jeweilige Partnerin immer wieder die Sache in den Sand gesetzt. Nun, da lag also Kaoru, in den Die verliebt war. Kaoru war keine Frau - ganz im Gegenteil - und Kaoru war sein Freund, sein Bandkollege, sein... bester guter Kaoru eben. Darum war es zwar umso wichtiger, nichts aufs Spiel zu setzen, aber es gab Die auch den nötigen Mut, es überhaupt in Angriff zu nehmen.

Mit Kaoru würde bestimmt alles gut werden!

Er war immerhin Kaoru. Dies kleiner Held. Mit dem süßen Po.
 

Leise, doch blöde kichernd, drückte Die die Zigarette aus und befand es nun an der Zeit, sich dem Verlangen nach Kaorus Nähe zu ergeben. Wobei sich Nähe dadurch definierte, dass Die seinen Körper vorsichtig von hinten gegen den etwas Kleineren schob und einen schlankgebauten Arm um seinen Süßen legte.

Süß. Kaoru. Ja klar.

Irgendwie war er das ja so gar nicht und trotzdem empfand es Die so. Was wohl auch an den Verliebtheitshormonen lag. Außerdem hatte Kaoru einen unwiderstehlichen Geruch an sich heute Morgen, den Die zwar nicht genau definieren konnte, ihn jedoch dazu zwang, seine Lippen umgehend auf die nächste freie Stelle an Kaorus Hals zu drücken.

"Mmmh." Die Nase konnte man wunderbar in Kaorus dunklen Bügellocken vergraben, während man sanft die Zähne über die Haut fahren ließ und somit die vielen kleinen Härchen an den Lippen spürte.

Vollkost Kaoru - mehr als nur EINE Sünde wert!

Die brauchte auch kaum mehr als ein paar Sekunden, bevor sich der Ältere regte und die Augen aufschlug, nur um dann müde gegen des Licht zu blinzeln, das durch die dünnen Vorhänge drang. Es dauerte nur einen unwesentlichen Moment, bevor er zu sich kam und träge vor sich hin lächelte. War doch mal schön, so geweckt zu werden! Immerhin hätte man bei Die von allem ausgehen können, auch dass er am nächsten Morgen nicht mehr hier war. Umso erfreulicher war es, dass sich Kaoru die letzte Nacht in all ihren Details nicht nur eingebildet hatte und es wirklich so war, dass sich Die als ein wahrer Schatz herausstellte.

Mal ehrlich, wer hätte schon geglaubt, dass er so liebevoll sein konnte?

Und es einem dabei auch noch so gut besorgte, nicht zu vergessen! Auch wenn Kaoru so ein bisschen das Gefühl hatte, sein Hinterteil stände heute irgendwie offener als vorher. Den Gedanken schüttelte er schnell aus dem Kopf und kuschelte sich lieber gegen den Körper hinter sich, dessen Lippen sich so sorgsam an seinem Hals zu schicken machten. Das war mehr als ein nettes Gefühl.

"Guten Morgen," nuschelte Kaoru mit noch leicht belegter Stimme und streckte sich den Liebkosungen ein wenig mehr entgegen, bevor er noch hinzu setzte: "Schatzi."

Das Kichern seitens Kaoru ließ Die eine überraschte Augenbraue hochziehen.

Dann unterbrach er die Lippenarbeit einen Moment lang, leicht grinsend. "Hört sich an, als hätte da jemand gute Laune. Woran das wohl liegt?"

"Tja, weiß nicht. Kann ich mir auch nicht erklären," murmelte Kaoru und wendete den Kopf etwas mehr Die zu, um sich von dem vermuteten debilen Lächeln zu überzeugen.

Er wurde nicht enttäuscht. "Gut geschlafen?"

"Bestens. Kann mich nicht beklagen. Und selbst?" Wenn sie beide nicht so dämlich grinsen würden, konnte man fast meinen, sie wären so cool, dass es im Raum schneite.

"Immer gut in deinem Bett!", bekräftige Die jedoch dann mit einem Nicken, als seine Lippen einmal mehr an Kaorus Wange nippten. "Ich dachte nur, du würdest gar nicht mehr wach werden."

Ein leises Lachen drang aus Kaorus Mund. "Hast mich halt geschafft. Was soll ich sagen?"

"Nichts weiter. Genau das wollt ich doch hören." Die übertraf dies allerdings mit einem für ihn typischen Kichern, welches nur durch das Küssen von Kaorus Schulter gedämpft wurde. "Das heißt dann also... ich war gut?"

Typisch Mann konnte man an dieser Stelle wohl nicht wirklich sagen, oder doch? Es war aber in jedem Fall mal typisch für Die und darum freute es den Älteren auch. Immerhin war genau dieser Die sein Zielobjekt in all seiner eigentümlichen Art. "Kann man dann wohl so sagen."

Unter all den vielen merkwürdigen Dingen der letzten Zeit kam erschwerend hinzu, dass Kaoru wohl all diese Macken an seinem Freund zu schätzen gelernt hatte. Was ein wenig krank war, wenn man es denn genauer beleuchten würde. Tat Kaoru zum Glück aber nicht.

Breit grinsend erhob der Jüngere den Kopf, öffnete den Mund um etwas zu sagen und entschloss sich dann jedoch Kaoru lieber zu küssen. Es war eben nun mal so, dass Die eigentlich nicht quatschen wollte. Unter seinen Fingern spürte er die warme, weiche Haut seines Freundes und all das war sein, um es zu berühren! Im Bett, so dicht an den anderen gekuschelt, war eben nichts so verlockend wie das eigentliche Zusammensein. Oder wie man es in jüngeren Kreisen nannte: Rummachen. Knutschen und Kuscheln. Einander befummeln. Genau das wollte Die und genoss es auch in vollen Zügen!

In seinen Armen drehte sich Kaoru langsam auf den Rücken, so dass er sie beide unwillkürlich schnell in eine recht verknotete Lage brachte. Es passte aber auch alles so schön, wenn er sein Knie anstellte, um seinen Oberschenkel an Dies zu reiben. Oder wenn sich Kaorus Hand in den Nacken des anderen schob, um dort mit den Fingerkuppen über die Haaransätze zu streichen, während er den Impuls dazu nutzte, Dies Kopf so zu neigen, wie er es gerade gern hätte.

Meinte Die das vielleicht mit ‚guter Küsser'? Weil sich gerade hierbei ein Grundwesenzug von Kaoru abzeichnete, indem er manipulierte, steuerte und kontrollierte. War ihm vorher nie aufgefallen. Hatte ja auch nie mal jemand laut gesagt, dass er gut war im Küssen!

"Wie spät ist es denn?", murmelte er, als sie beide für eine minimale Verschnaufpause absetzten. Da konnte er den Kopf noch so drehen, aber dank Die und dem Kissen hatte man eindeutig null Blick zum Wecker.

"Kurz nach halb neun," informierte Die mit einem Lächeln, während er das Gefühl unter seiner Hand genoss, die immer wieder über die linke Seite an Kaorus Bauch streichelte. Fühlte sich so weich an! Gut weich. Zum Reinbeißen irgendwie und eigentlich sprach doch auch nichts dagegen, es mal zu tun, oder?

"Vor Mittag fahren wir bestimmt nicht." Noch während er sprach, fragte sich Kaoru, was das spitzbübische Grinsen auf Dies Gesicht zu bedeuten hatte. Doch dahinter kam der Ältere erst, als sein Großer plötzlich abtauchte und ihn sanft in die Seite direkt oberhalb der Hüfte biss. Was zur Folge hatte, dass Kaoru tatsächlich zusammenzuckte.

"Und das ist auch gut so," blubberte Die schmunzelnd von unten hinauf und knabberte mit den Lippen an der schönen, blassen Hautschicht neben Kaorus Bauchnabel. Und weil sich Die sowieso seit Neustem wie ein Teenager vorkam, setzte er sein Mundwerk dreist zum Saugen an.

"Die!", kicherte Kaoru mit tiefer Stimme, obwohl er den anderen eigentlich hatte ermahnen wollen. Doch auch wenn ihm noch so bewusst war, wie albern und kindisch es von Die war, ein Knutschfleck in Größe seiner Futterluke zu hinterlassen, war Kaoru einfach viel zu gut gelaunt, als dass er sich darüber aufgeregt hätte. Zudem kitzelte es auch!

"Was denn? Das ist Bodypaint Marke Die. Davon können sich deine Tattoos noch ne Scheibe abschneiden!", lachte der Jüngere leise und ließ es sich nicht nehmen, den Weg über Kaorus Bauch und Brust nach oben mit Küssen zu segnen, bevor er wieder die begnadeten Lippen erreichte, die ihn so schön schummerig im Kopf machten.

"Aber das hält nicht," schmunzelte Kaoru im Kreis und schloss die Arme um seinen Besten.

"Weiß du's? Ist doch das Erste von mir, soweit ich mich erinnern kann." Dies Lippen setzten bereits zum Kuss an, als Kaoru noch etwas nuschelte, was man nicht mehr verstehen konnte.

"Ja, aber-" Noch bevor der Ältere ausführen konnte, was er eigentlich hatte sagen wollen, wurde er durch das Klopfen an der Tür unterbrochen. Sein Blick traf Dies. Doch der schaute so fragend, wie Kaoru sich fühlte. "Warte, ich geh eben mal schauen, wer was will."

"Okay," nickte Die und rollte sich von seinem Freund herunter, bevor er sich unter der Decke verkroch. "Vielleicht suchen mich die anderen? Ich halt mich besser versteckt."

"Meinste? Ja, dann mach mal." Schnell schlüpfte Kaoru in eine der herumliegenden Jeans und fuhr sich noch einmal mit den Händen durchs Haar. Wer auch immer etwas wollte, es musste sowieso warten. "Rein lass ich keinen, keine Angst."

Dies leise gelachtes Schnarchen verstummte unter der Decke.
 

Vorsichtig öffnete Kaoru die Tür einen Spalt weit und blickte in das seufzende Gesicht des Bassisten. "Morgen, Toshi. Was los?"

Die Stirn des Größeren runzelte sich. "Dachte schon, du pennst noch. Bist doch sonst immer so früh wach."

"Naja, ich war noch im Bett, also... Was ist denn?" Kaoru wollte ja nicht drängeln, aber wenn es ein Problem gab, dann sollten sie schleunigst eine Lösung finden, damit er wieder zu Die ins Bett kriechen konnte.

Dass Kaoru noch im Bett gewesen war, leuchtete ein, da er doch noch ziemlich verwuschelt aussah. Verpennt wirkte er dennoch nicht mehr und weil er ein wenig zu drängeln schien, wunderte sich Toshiya auch sofort, was der Bandpaps denn wohl noch gemacht hatte im Bett. Zumal er ihm die Tür wohl keinen Zentimeter weiter zu öffnen gesinnt war. "Hm, ich wollt nur bescheid geben, dass wir wohl früher los müssen. Nora sagt, wir müssen mit schlechtem Wetter und Stau rechnen."

Was eigentlich schon alles war, was Toshiya hatte ausrichten wollen. Nur war das gar nicht mehr so wichtig in Anbetracht dessen, dass Kaoru offensichtlich etwas in seinem Zimmer zu verbergen versuchte. Oder jemand? Vielleicht war Daiyana zurück. Die Hirnrädchen das Bassers ackerten jedenfalls wie die Heinzelmännchen.

Kurz versuchte er einen Blick über die Schulter des Kleineren zu erhaschen, doch alles, was Toshiya sehen konnte, waren zwei nackte Füße, die unter Kaorus Bettdecke herausragten. Aha! Na, immerhin war das doch eine Erklärung. Allein war der Heimlichtuer also nicht. Von daher war auch seine Reaktion irgendwo verständlich.

War nur wohl eine ziemlich große Frau, wenn ihre Quadratfüße nicht unter die Decke passten. Die sahen sowieso ein wenig merkwürdig aus. Aber vielleicht hatte Toshiya es auch nicht richtig gesehen. Sich zusätzlich auf die Zehenspitzen erhebend, riskierte er noch einen Blick und stellte gerade fest, dass sich noch mehr merkwürdige Dinge im Raum befanden, bevor er aus seinen Gedanken gerissen wurde.

"Alles klar dann, Toshiya!", wiederholte Kaoru den Satz mit Nachdruck, den er bereits vor einem Moment von sich gegeben hatte, jedoch aber bis jetzt noch immer keine Resonanz bekam. "Wir kommen- ...ich meine, wir treffen uns dann unten, ne? Bis dann."

Mit einem aufgesetzten Lächeln drückte Kaoru daraufhin die Tür zu und verschnaufte kurz.

Also das war komisch gewesen. Ob Toshiya etwas gesehen hatte?

Ein Blick ins Zimmer verriet Kaoru jedoch, dass es eigentlich nichts Interessantes zu sehen gab, es sei denn, man bewegte sich weiter hinein in den Raum. Dann entdeckte man nämlich einen knabenhaft verschmitzten Die, der unter der Bettdecke hervorlugte. "Trödel nicht rum. Komm wieder her."

"Bin doch unterwegs!", grinste Kaoru und kletterte zurück ins Bett. Vielleicht hatte er sich Toshiyas komisches Verhalten auch nur eingebildet. "Wir müssen früher los. Schade."

"Mir egal," kicherte Die und entledigte sich der Decke, um Kaoru in die Arme zu schließen und näher zu ziehen. "Ich kann auch schnell!"

Das würde der Bandleader auch glatt glauben trotz des dümmlich süßen Lachens im Gesicht seines Freundes. Darum erwiderte Kaoru auch nichts, sondern küsste Die einfach und ließ sich auf ihn sinken, als wäre er ein Wolkenbett.
 

Draußen vor dem Zimmer der beiden jedoch, im Gang des Hotelflurs, stand noch immer ein recht verdatterter Bassist und kratzte sich am Kopf, während er sich gedankenverloren zum Aufzug bewegte. Was das wohl gewesen war, verstand er nicht ganz. Sehr komisch war das gewesen. Da war doch Kaoru noch bis vor Kurzem in die schöne Daiyana verliebt gewesen und nun hatte er sich anscheinend ein Trostpflaster gesucht. Macht doch jeder mal, aber warum dann ein Exemplar mit solch großen Plattfüßen? Überhaupt kamen ihm Dinge sehr spanisch vor, die er entdeckt hatte.

"Hey Toshi, sag mal, grüßt du nicht mehr?"

"Hä?"

Da stand Kyo und legte den Kopf schief. Offensichtlich war der Bassist voll neben der Spur. "Du bist an mir vorbei gelaufen und sagst nichts. Siehst mich nicht mal. Hattest du zuviel Stoff letzte Nacht oder was?"

"Was? Ich nehme doch gar nichts!" Das musste Toshiya erst klarstellen, bevor er zu Kyo hinüber ging und sich auf die Unterlippe biss. Ob er wollte oder nicht, aber was er gesehen hatte, konnte er wohl kaum für sich behalten. Zu krass war es gewesen! "Du, sag mal. Weißt du, ob Kaoru letzte Nacht noch jemand abgeschleppt hat?"

"Kaoru? Wie kommst du denn darauf? Nicht, dass ich wüsste. Der ist doch gleich aufs Zimmer nach der Show, oder nicht?" Nun, Kyo konnte sich auch täuschen, denn wissen konnte man ja nicht, ob Kaoru auch im Zimmer geblieben war, aber warum zur Hölle interessierte das den Bassisten?

"Ich war gerade bei ihm und-", begann Toshiya und wurde unterbrochen.

"Guten Morgen, ihr beiden. Was tuschelt ihr denn hier?" So aufgeweckt war am Morgen nur Shinya. Der musste immer so früh mit dem Köter raus, also hatte er seine morgendliche Runde wohl schon hinter sich.

"Ah Shin, ähm..." Das plötzliche Auftauchen brachte Toshiya einen Moment lang aus dem Konzept. Jedoch war es auch gleichzeitig eine Möglichkeit, sich gleich zwei Meinungen statt nur einer einzuholen. "Ich wollte Kyo gerade erzählen, was ich bei Kaoru entdeckt hab. Los, gehen wir mal in dein Zimmer," nickte er dem Sänger zu. "Dann kann ich euch das besser stecken."

Kaum drinnen stupste Shinya den Bassisten an. "Dann mal raus mit der Sprache. Was gibt's denn schon bei Kaoru Tolles zu sehen?"

"Gute Frage eigentlich," stellte der Bassist fest, kratzte sich erneut an seiner Rübe und nahm auf dem Bett Platz. "Ich war gerade bei ihm und hab ihm gesagt, dass wir früher los fahren. Das war auch nicht das Ding, aber irgendwie war er nicht allein im Zimmer."

"Ja, und?" Etwas Besonderes war es doch nicht, wenn ein Mensch nicht allein war. Immerhin waren Menschen doch Herdentiere, richtig? Also konnte sich Kyo mehr als ein Stirnrunzeln nicht abringen. Es sei denn... "Ist Daiyana zurück oder was?"

"Ne, glaub ich nicht," führte Toshiya also fort. "Viel konnte ich ja auch nicht sehen, weil Kaoru die Tür nicht weiter aufgemacht hat. Er war halt auch kurz angebunden und ich konnte nur einen Blick über seine Schulter riskieren. Das erste, was mir aber aufgefallen ist, waren die nackten Füße, die unter seiner Bettdecke herausragten. Und die waren irgendwie... hässlich."

Shinya und Kyo tauschten einen skeptischen Blick aus, wobei sie sich wohl eher fragten, ob der Bassist noch ganz sauber war.

"Mann ey, die waren wie Männerfüße!", platzte Toshiya dann heraus.

"Eh?" Piepte es jetzt bei dem? Sowohl Kyo als auch Shinya kamen gerade echt nicht mit. Hatte Kaoru eine Frau mit Männerfüßen abgegriffen? Würde ihm sogar ähnlich sehen.

"Ja, anfangs hab ich mir auch nichts dabei gedacht. Da war halt eindeutig jemand in Kaorus Bett und so wie er aussah, kam er auch gerade von dort. Nur halt... im Zimmer lagen auch Sachen verstreut. Klamotten. Und die waren nicht Kaoru."

"Jetzt mach mal langsam. Was für Klamotten?" Hey, wenn da eine Dame beim Bandleader war, die nackt in seinem Bett ihre hässlichen Füße von sich spreizte, dann waren wohl bestimmt auch ihre Sachen im Zimmer verteilt. Oder wie jetzt? Shinya verstand echt nicht, was Toshiya nun eigentlich wollte.

"Die Klamotten von einem Kerl halt und... und..." Das, was wirklich wahnsinnig war, konnte er kaum aussprechen.

"Und?" Kyo war die Faxen langsam dicke.

Da standen sie nun, die nach Antworten suchenden Freunde von Toshi und schauten ihn erwartungsvoll an. Oder eher ungeduldig. Die Sache war nur die, dass er sicherlich wie ein Gestörter rüber käme, wenn er ihnen sagte, was er glaubte. Nur für sich behalten konnte er es auch nicht. "Also das eine Teil war eindeutig von Die."

Nun schienen die Blicke der anderen beiden zu gefrieren.

Nach ein paar Sekunden jedoch hatte sich Kyo halbwegs erholt um nachzuhaken. "Was willst du jetzt damit sagen?"

"Wohl kaum, dass Die bei Kaoru im Bett war?", lachte Shinya und kraulte das Hündchen, der ihn mit einem Lecken im Gesicht beglückte. Nein, so etwas Lächerliches konnte wohl kaum sein. Die bei Kaoru im Bett. Der war gut.

"Naja." Mehr sagte Toshiya nicht und zuckte mit den Schultern. "Wenn ich das jetzt so hören würde, dann würde ich auch glauben, es hakt aus. Nur hab ich es gesehen. Also nicht direkt, aber es passt alles zusammen."

Tiefe Falten waren auf den Gesichtern der anderen zu sehen. Falten der Zweifel.

"Da lagen Klamotten von Die rum und im Bett stecken zwei Füße, die auch auf seine Beschreibung passen. So platt und sehnig," sprach Toshiya mit einem leichten Schmollen. "Und Kaoru... hatte Dies Hose an."

Ups. Beinahe hätte er das wichtigste Detail ausgelassen.

"Was?" Kyo hatte sich verhört, oder? Das faselte Toshiya jetzt nicht in echt.

"Na, vielleicht hat Kaoru..." Hm. Weiter kam Shinya nicht, weil ihm eigentlich keine plausible Erklärung dafür einfiel. Noch nie hatte Kaoru jemals Dies Sachen angehabt. Es sei denn, sie hatten die selben Teile. "Sicher, dass es Dies war? Die haben doch beide den Black Top Mist."

"Das war Dies!" Da war sich Toshiya zu Hundert Prozent sicher. "Kaorus ist anders und dreimal umgeschlagen am Bein. Ne, das war Dies. Und es ist ja nicht so, als wollte ich euch hier einen Bären aufbinden. Davon hätte ich nichts. Ich erzähl's euch, weil ich mich selbst gerade frage, was eigentlich abgeht."

Hey, sie waren doch im selben Boot! Toshiya wollte lieber zusammen mit seinen Freunden verzweifeln und nicht dastehen wie ein Idiot.

"Was will denn aber Kaoru mit Die?", kam es Kyo über die Lippen.

"Oder Die mit Kaoru?", ergänzte Shinya sinnvoll und nahm neben dem Basser Platz. Er musste sitzen. Seine Knie waren auf einmal so taub.

"Das weiß ich doch nicht," entgegnete Toshiya mit einem tiefen Seufzen. "Geht doch und fragt ihn."

"Spinnst du?", krächzte Shinya zurück. "Das hättest du gern, dass ich hin marschiere und mich zum Klops mache. Was soll ich denn sagen? Hallo Kao. Pennst du jetzt mit Die? Toshiya hat's gesehen und ich wollt nur mal fragen. Haha. Mach doch selbst."

Der wollte Shinya doch verarschen. Aber nicht mit einem wie dem Shinya. Mit dem nicht.

"Mach ich auch," antwortet Toshi patzig und zog wieder einen Schmollmund. "Weißte, ich erzähl keinen Mist und vielleicht kann Kaoru das auch alles schnell aufklären. Aber fragen tue ich auf jeden Fall. Denn mal angenommen, es war wirklich unser Die. Was würdet ihr dann machen? Ich meine, würdet ihr nicht wissen wollen, was da abgeht?"

Gut, damit hatte Toshiya auch wieder recht. Wenn Die wirklich nackt in Kaorus Bett lag, dann war das schon so extrem, dass die beiden ihnen Rechenschaft ablegen sollten. Wer wusste schon, ob sich dann nicht herausstellte, dass alles nur Zufall war? Ein Dreier vielleicht und die Frau war schon weg? Alles war möglich.

"Also mal davon abgesehen, dass ich nicht glaube, dass es Die war," begann Kyo dann und steckte sich eine Zigarette an. "Nachhaken würde ich, wenn es Die wäre. Aber eben nur, wenn er es auch war."

Was merkwürdigerweise nahe lag nach Toshiyas Ausführungen. Und doch nicht glaubhaft erschien, weil es einfach zu absurd war. Nahm der Bassist wirklich keine Drogen?

"Bin mir vollkommen bewusst, wie grotesk es klingt. Wenn ich aber eine andere Erklärung dafür hätte, wäre ich damit gar nicht erst zu euch gekommen." Jetzt mal ohne Scheiß. Toshiya war doch auch nicht ganz beknackt. "Außerdem ist euch gestern selbst noch aufgefallen, wie die beiden miteinander tuscheln und wieder so dicke sind."

"Das macht sie doch aber nicht gleich schwul!" Hier lag der springende Punkt, wenn man Shinya fragte. Die stand eindeutig auf Weiber. Und Kaoru... Der auch, zumindest wenn er denn mal eine ergattern konnte.

"Vielleicht waren sie dicht?" Betrunken wäre Die nämlich Einiges zuzutrauen und Kaoru war vielleicht so verzweifelt nach der Sache mit Daiyana, dass er... PARADOX! Kyo ging das nicht in den Kopf. "Also gut, wenn du sowieso nachfragen willst, dann mach das."

Immerhin war das der einzige Weg, um wenigstens eine Erklärung von Kaoru zu bekommen.

"Und ich geh jetzt bei Die klopfen," meinte Shinya mit einem Kopfnicken. "Wenn der im Zimmer ist, dann hat es sich sowieso schon aufgelöst."

"Fein," seufzte Toshiya und stand auf. "Ich frag Kaoru. Aber nicht jetzt. Sondern wenn er allein ist. Jetzt geh ich was essen und mir einen Kaffee holen. Mein Kopf muss erst mal ein bisschen klarer werden."

"Gut, gut." Kyo war alles recht. "Sag uns halt bescheid, wenn du was weißt."

Denn schön wäre auch, wenn sich der bescheuerte Gedanke wieder in Luft auflösen würde.
 

"Die!", knurrte Kaoru, nachdem ihm Die zum x-ten Mal das Handtuch von den Hüften geklaut hatte, wenngleich der Ältere auch nicht umhin kam zu grinsen.

"Was denn? Das musst du eh loswerden, bevor du dich anziehst," griente der andere breit und zuckte pseudo-unschuldig mit den Achseln.

"Ja, aber eigentlich wollte ich vorher meine Haare föhnen," murmelte Kaoru und versuchte vergebens, das Handtuch wieder aus Dies Händen zu stehlen.

"Mach doch." Und wieder dieses freche Grienen.

"Mit Handtuch!", lachte Kaoru, während er Die gegen die Wand drängte.

"Mir gefällt's aber besser ohne." Diese neue Art Kaoru zu ärgern, gefiel Die allerdings auch sehr gut. Das war ein völlig neues, sexuelles(!) Level. Klar, dass ihm das Spaß machte. Zumal es Kaoru wohl so auch ganz gern hatte, wenn man sich sein Lachen so anhörte. Es war echt viel zu selten zu hören und Die beschloss insgeheim, ab nun seinen kleinen Leader jeden Tag zum Lachen zu bringen.

Einen Moment lang wäre Kaoru fast rot geworden. War schon komisch, anzügliche Scherze seitens seines besten Freundes zu hören. Trotzdem war es schmeichelhaft und löste eigentlich nur den Drang in ihm aus Die zu küssen. Tat er auch umgehend und holte sich somit das Handtuch zurück.

Triumphierend und mit einem Strahlen im Gesicht ging er damit zurück ins Badezimmer, schnallte es sich wieder um die Hüfte und nahm den Föhn in die Hand, während er Dies Schmollen zur Kenntnis nahm. "Die fahren noch ohne uns los, wenn wir nicht hinmachen."

"Sollen sie doch mal versuchen ohne Gitarristen zu spielen," gab der Jüngere überklug von sich und stieß sich mit den Händen von der Wand ab. Der Kommentar erntete ihm natürlich einen dieser typischen Kaoru-Blicke, die Vernunft in Die suchten, wo keine war. Umso niedlicher sahen Kaorus Dackelaugen ja dann auch aus, fand Die! "Also fein, dann geh ich jetzt rüber und pack zusammen."

Nickend legte er noch einmal den Arm um Kaoru, küsste kurz seine Lippen und ließ ihn dumm gucken, als er ihm wiederum das Handtuch abgeluchst hatte. "War schön mit dir!"

Frech grinsend warf er das Handtuch über die eigene Schulter und marschierte ins Zimmer, um seine restlichen Sachen einzusammeln.

Unmöglich, wie Die war. Aber er war es eben wirklich wert. Anstrengend, jawohl. Doch keinesfalls langweilig und vielleicht genau das, was Kaoru bisher immer gefehlt hatte. "Wenn du jetzt sagst, du meldest dich bei mir, versohl ich dir den Arsch."

"Haha. Ja, mach mal. Würde mich freuen!", kicherte der andere und ließ einen letzten Kuss auf Kaorus Lippen zurück, bevor er sich anschickte, den Raum zu verlassen. "Kannste ja heute Abend machen, wenn du Lust hast."

Womit die Frage nach dem Wiedersehen ‚der Liebenden' wohl auch geklärt wäre.

Dass Kaoru ein ziemlich doof ausschauendes, einseitiges Lächeln auf den Lippen hatte, wurde ihm erst bewusst, nachdem er sekundenlang auf die geschlossene Tür gestarrt hatte, durch die Die verschwunden war. Kopfschüttelnd erinnerte er sich dann an die Dinge, die zunächst Vorrang hatten: Föhnen und Anziehen.
 

Tatsächlich stand der Bus mit leise brummenden Motor schon lange bereit, als Kaoru endlich unten ankam und seine Taschen darin verstauen ließ. Ohne Umwege kletterte er hinein und nahm bei den anderen Platz, die alle irgendwie recht seltsam wirkten. Shinya hatte die Nase so tief wie noch nie in seiner Ausgabe von DrumHeads vergraben, Kyo grinste schief aus dem Fenster raus und Toshiya knabberte an einem Fingernagel.

"Bist spät dran," erwähnte er dann und suchte nach dem Blick des Schlagzeugers, der ihm allerdings verwehrt wurde.

"Ich wusste ja nicht, dass wir so früh losfahren. Kann ich mir doch auch mal leisten, später zu kommen. Passiert euch ständig," gab Kaoru altklug als Erläuterung von sich und zuckte mit den Schultern. Anscheinend war er dennoch nicht der Letzte.

Leicht aus der Puste betrat dann auch Die den Bus und zwängte sich auf einen Platz auf der anderen Seite des Gangs. "Na Mädels, wie sieht's aus?"

Typischer Die-Spruch, der trotz aller Beknacktheit Kaoru dennoch zu einem Lächeln inspirierte. So kannte er seinen Strolch eben.

Von seinem Heft aufblitzend meldete sich Shinya plötzlich: "Wo warst du denn vorhin? Ich hab bei dir angeklopft, aber du warst nicht da."

"Wann denn?", stellte sich Die doof und tat, als wüsste er von nichts. Klar, da war er bei Kaoru gewesen, aber es gab doch nichts, was Die nicht vertuschen konnte. Das hatte er immerhin von seinem neuen Lover gelernt. "Da war ich bestimmt gerade duschen."

"Mmh." Wäre eine logische Erklärung. "Kann sein."

Der nächste Blick von Shinya traf Toshiya. Da hatte er seine Erklärung. Der hatte bestimmt wirklich nur eine Fata Morgana gesehen.

Und damit war das Thema erst einmal vom Tisch. Hier und jetzt stand für den Bassisten sowieso fest, dass er niemanden darauf ansprechen würde, was er am Morgen gesehen hatte. Seine Zeit würde schon noch kommen, da war er sich sicher.
 

Während eines kurzen Zwischenstopps an der Raststätte bekam er sogar noch einen zusätzlichen Anreiz, als er abermals bemerkte, wie Die und Kaoru etwas zu tuscheln hatten, als sie mal ganz unauffällig gemeinsam am Bus rauchten. Sobald Toshiya dazu kam, waren sie ganz still und das war doch ein deutliches Zeichen dafür, dass sie etwas zu verbergen hatten. Sogar Kyo hatte es diesmal mitbekommen.

Darum gab es kein Drumherum mehr, nachdem sie endlich im Hotel angekommen waren. Sofort verfolgte Toshiya den Bandleader bis nach oben auf sein Zimmer, wo er direkt hinter ihnen die Tür schloss.

Kaoru drehte sich verwundert um und schaute den anderen fragend an, da er gar nicht gemerkt hatte, dass der ihm gefolgt war. "Ist was?"

"Kommt drauf an," begann Toshiya mal ganz vorsichtig und kaute sich kurz auf der Unterlippe herum, die schon leicht brüchig wurde. Und kein Fettstift in Reichweite! "Eigentlich wollte ich dich was fragen, aber..."

"Aber?" Was konnte er denn wollen? Viel Zeit war immerhin nicht um herumzudrucksen, da Kaoru eigentlich andere Pläne hatte, was den restlichen Tag anging. Sie mussten zur Halle und vor dem Konzert hätte er schon gerne noch einmal Die kurz allein gesehen. Nur kurz wenigstens.

"Wie ich anfangen soll, weiß ich nicht. Es geht um heute Morgen." Das gab nur leider noch nicht Aufschluss und Toshiya wusste das auch. "Da warst du doch nicht allein, richtig?"

"Aaah..." Darum ging es also. Verdammt. Wie antwortete man darauf nun am besten? Kaoru hatte keine Ahnung, denn anscheinend war sich der Basser recht sicher, dass der Ältere nicht alleine gewesen war. Da kam lügen recht übel. Option Gegenfrage. "Wieso fragst du?"

Nervös wurde Kaoru dennoch allein darum, weil er nichts geleugnet hatte.

Was das zu bedeuten hatte, konnte Toshiya trotzdem noch nicht sagen. Also suchte er nach Worten, um sich auch nach dem Rest zu erkundigen. "Weil ich nicht sicher bin, wer es war."

Das brachte es ziemlich auf den Punkt.

"Hm." Und ließ Kaorus Knie schlottern. "Und?"

Eins war klar: dass er hätte zugeben können, wer es war, wenn er es nicht verheimlichen wollte. Er hätte einfach sagen können, dass Toshiya die Person nicht kannte. Ergo kannte er die Person. Ausschlussprinzip verstand sogar er.

"Und?" Am besten er sprach es einfach aus, quasi als Überraschungseffekt. "Das war Die, hab ich recht?"

Okay, nun war es Toshiya etwas peinlich, gefragt zu haben. Wenn es nämlich nicht Die gewesen war, stand er nun ziemlich doof da.

Doch von Kaoru kam gar nichts. Er stand nur da und starrte Toshiya an, während sich seine Lippen leicht bewegten, als würde er entweder nach Luft schnappen oder Worten suchen, die einfach nicht aus ihm raus kamen. Wie denn auch? Offenbar hatte Toshiya tatsächlich etwas gesehen, was er nicht hätte wissen sollen. Die Frage war nur einfach, wie viel er denn gesehen haben konnte und wie er überhaupt darauf kam, dass es Die war. Er KONNTE ihn nicht entdeckt haben. Nur was genau hatte Toshiya gesehen?

"W-wie kommst du darauf?" Also gut, das Stottern sprach nicht gerade dafür, dass Kaoru es lächerlich fand. Überlegen kam er so wohl auch nicht rüber.

"Na, also einmal weil ich seine Füße gesehen hab." Da die Katze nun sowieso aus dem Sack war, konnte der Jüngere gleich auch alles beichten. Mehr als so schon war sich hierbei nicht mehr zum Klops zu machen. "Und seine Sachen lagen im Raum rum."

Also das war alles? Damit konnte Kaoru noch etwas drehen, irgendwie. Ihm musste nur schnell was einfallen, auch wenn gerade das nicht einfach war in Anbetracht seiner verminderten Denkfähigkeit. "Ja, er... er... hat bei mir übernachtet."

Was dabei noch alles passiert war, konnte doch niemand erahnen, und dass dabei eher nichts passiert war, wäre sowieso glaubhafter, oder?

"Das dachte ich mir auch," meinte Toshiya daraufhin und setzte sich hin. "Was mich mehr verwundert hat, war, dass du das so verheimlichst. Ist doch nichts dabei. Richtig?"

Fangfrage.

Nur irgendwie musste Kaoru doch antworten. "Na, verheimlichen... also, hab ich das? War keine Absicht. Also ja, Die hat in meinem Zimmer gepennt und äh..." Einen Grund dafür hatte Kaoru nun auch nicht parat. "Wo ist das Problem?"

"Kein Problem. Wundert mich nur. Dass seine Sachen überall verstreut liegen und er sich versteckt. Und dass du seine Hose anhattest." Ach ja, nicht wieder das Wichtigste vergessen!

Fuck. Das mit der Hose war Kaoru gar nicht aufgefallen. Immerhin hatte er sie ziemlich schnell wieder aus. Und jetzt? Was sollte er Toshiya denn erzählen? Es gab wirklich nicht viele Momente, in denen Kaoru die Worte fehlten, aber genau jetzt und hier wusste er nichts, rein gar nichts zu sagen. Zumal sich etwas in ihm sträubte zu sagen, dass er und Die nichts miteinander hatten. Es nicht zu erwähnen, war eine Sache, aber verleugnen? Das war knifflig.

"Tja, ich... muss wohl seine erwischt haben." Das sagte doch alles noch nichts aus und Kaoru rief es sich schnell zurück ins Gedächtnis, damit er es auch nicht vergaß. Sich hinsetzen musste er allerdings nun auch. Krass, dass er überhaupt darauf angesprochen wurde. Noch krasser, dass Toshiya so aufmerksam gewesen war.

"Nachdem ihr euch nackt ein Bett geteilt habt?" Dass Kaoru nichts abstritt, machte die Sache irgendwie unschuldiger. Doch es ließ auch kaum Zweifel daran, dass sie beide sich nackt ein Bett teilten, was normalerweise nur dazu diente, wenn man sexuellen Aktivitäten nachging. Was doch schlicht und einfach nicht zu fassen wäre, wenn es denn so gewesen war.

"Also das... war..." Ja? Kaoru wusste es nämlich nicht zu erklären. Verflucht! Warum musste Toshiya hier auch Schlüsse ziehen, die auch noch wahr waren? Von Anfang an hätte Kaoru es einfach belächeln sollen und als dummen Witz abtun, aber dafür war es nun wohl zu spät. Richtig? Ihm stieg zudem nämlich die Röte ins Gesicht und dass er zu schwitzen anfing, merkte hoffentlich niemand. Scheiße. Einfach nur scheiße war das.

Toshiya hatte jedoch keine Lust hier noch ewig zu sitzen und auf Ausreden zu warten, wo er doch so offensichtlich ins Schwarze getroffen hatte. "Also was du und Die so miteinander macht, geht mich eigentlich auch nichts an. Obwohl ich zugeben muss, dass es ziemlich heftig ist. Immerhin sind wir eine Band und wäre das nicht so, würde ich dich auch gar nicht darauf ansprechen. Ich dachte nur, du wärst so in seine Cousine verknallt. Das macht für mich keinen Sinn. Von daher wäre es schon schön, wenn du mir erklären könntest, was das alles zu bedeuten hat. Du und Die?"

Doch Kaoru fand sich umso weniger in der Lage, auch nur einen Pieps von sich zu geben. Abstreiten wäre doch nun wirklich dämlich, wo Toshiya ja quasi den Fakt schon akzeptierte. Doch alles zugeben?

Den Kopf in die Handflächen sinkend, seufzte Kaoru laut und grunzte leise. So ein Mist! Er war einfach gar nicht darauf vorbereitet gewesen, dass ihn jemand auf das Thema ansprechen würde. Und nun, wo Toshiya eigentlich sogar schon akzeptierte, dass Die und Kaoru möglicherweise etwas mehr gemacht hatten, als Kumpels so miteinander tun, da erschien es doppelt bescheuert, wenn sich Kaoru nun Ausreden einfallen ließe, die er sowieso nicht greifbar hatte. Letztlich war alles, was den Bassisten wirklich interessierte, doch Daiyana. Und die Band natürlich auch. Wenn aber wirklich was aus Die und Kaoru werden sollte, dann würde keiner von ihnen darum herum kommen, die anderen auch davon wissen zu lassen.

Wie dumm waren sie auch, wenn sie dachten, sie könnten einfach so was miteinander haben und ihre Freunde dumm sterben lassen? Also irgendwas musste Kaoru nun sagen, immerhin wich Toshiya nicht von seiner Seite.

"Da war nie was mit Daiyana." So war es zwar auch gelogen, aber dieser Fakt, dieses leidige Daiyana-Thema, das musste von Tisch, bevor Kaoru auch nur ansatzweise ehrlich werden konnte. Daiyana hatte nie existiert. Sie war eine Erfindung gewesen, denn existiert hatte immer nur Die mit einem Frauenkörper. Was wohl auch nie zur Sprache kommen durfte. Das würde doch keiner glauben! Vor allem nicht, weil Die nun wieder ein Mann war und sie nicht beweisen könnten, dass er mal eine Frau gewesen war.

Toshiya starrte nur erstaunt zu Kaoru. Kam jetzt das Geständnis des Jahres? Warum hatten er und sie die anderen dann verscheißert? "Wie jetzt? Was soll das denn jetzt heißen?"

"Heißt, dass sie nie in mich verliebt war und ich nicht in sie. Da war nichts. Sie war lediglich da wegen Die. Ein Interesse an euch hat nicht bestanden und dass wir euch angelogen haben, tut uns leid. Es war nur..." Der Ansatz dieser Lüge war doch echt geil! Nur musste Kaoru es nun auch zu einem sinnvollen Ende führen. "Sie hat einen Freund in Yokohama." Hoffentlich hatten sie Yokohama damals gesagt. "Und sie wusste von mir und Die. Darum hat sie nur versucht, euch auf eine falsche Fährte zu locken. Was ja auch geklappt hat... bis heute Morgen."

"Also...?" Gab Kaoru echt zu, dass er mit Die zusammen war? Das ging fast schon zu schnell für Toshiya jetzt. Daiyana hatte einen Freund. Das war schade. Sie wusste von Kaoru und Die? Damals auch schon? Dann stimmte das also! Kaoru und Die. War das zu fassen?

"Tut mir leid, dass wir euch angelogen haben." Das tat Kaoru wirklich leid, nur in einem etwas anderen Zusammenhang. Die ganze letzte Woche war verdammt scheiße gewesen, wo er immerzu hatte lügen müssen wegen Daiyana alias Die. Und nun tat es Kaoru schon wieder, nur aber mit der Absicht, dass das Lügen mal ein Ende hatte. Dann wussten sie eben über Kaoru und Die bescheid. Na und? Immerhin war die Sache doch keine Eintagsfliege.

"Und seit wann geht das mit dir und... Die?" Das auszusprechen war schon irre. Kam recht eklig über die Zunge. Mit einem Beigeschmack von Unglaubwürdigkeit. Es brauchte wohl noch einen Moment, bevor Toshiya es verdauen würde. Nun war es immerhin amtlich.

"Noch nicht lange. Mir war auch nicht bewusst, dass ich imstande sein könnte, mal was mit einem Kerl zu haben. Nur..." Zuviel konnte Kaoru an dieser Stelle wieder nicht preisgeben, war es doch so schon schwierig genug, überhaupt darüber zu reden. Er war nicht gerade ein emotional offenes Buch, über dem jedoch genug Klischee stand, dass es nicht schwer fallen dürfte, ihm zu glauben. "Ich mag ihn eben. Also mehr als normal. Das ist schon alles."

Und war peinlich genug zuzugeben.

"Und Die? Der ist doch so ein Weiberheld, dachte ich." Wieso stand der auf einmal auf Typen? Auch noch auf Kaoru. Zuzutrauen wäre Die natürlich das Experiment an sich, aber umso mehr sorgte sich Toshiya dann wiederum um den Bandleader. Der war sich dessen doch sicherlich bewusst, oder?

"Ist er ja auch." Nicht abzustreiten. "Irgendwie mag er mich wohl aber auch, sonst hätte er nicht... naja, egal." Das mit dem Sex musste Kaoru nicht erwähnen. "Wohin das alles führt, kann ich dir auch nicht sagen. Mir ist schon klar, dass das alles nicht klingt, als wäre es wirklich wahr. Nur ist es das aber und spricht denn was dagegen?"

"Nun ja." Die Frage war gut. "Ihr habt eine gewisse Pflicht der Band gegenüber. Wenn ihr was miteinander macht, dann solltest ihr euch über die Risiken klar sein. Wenn es schief geht, kann keiner rumzicken. Aber du weißt das eigentlich am besten von uns allen."

"Ist klar." Auch wenn sich Kaoru noch nicht wirklich Gedanken darüber gemacht hat. Die Zweifel und Ängste, die diese Gedanken hervorriefen, würden vielleicht dazu führen, dass sie es aus Vernunft lieber bleiben ließen. Doch andererseits brauchte Kaoru nur daran zu denken, wie schön es war, endlich wieder verliebt zu sein und verdammt, ja, er liebte Die mit all seinen komischen Macken und Sprüchen. Das konnte man doch nicht einfach so wegwerfen. "Nur kenne ich Die auch schon ne ganze Weile und ich trau ihm ja Vieles zu, aber nicht dass er mich verarscht. Ich meine..." Toshiya sah doch auch niemals diese zwei treudoofen Dackelaugen funkeln, in die Kaoru schaute, wenn er mit Die alleine war. "Er kann ganz anders sein. Netter und... unsicherer. Tja, und süß."

Oh Gott. Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt, oder?

"Oh Heilige Scheiße." Hatte Toshiya das laut gesagt? Kam ihm halt so über die Lippen beim Anblick seines Bandleaders, der auf einmal so einen verträumt dämlichen Blick hatte. "Du bist echt in ihn verknallt!"

Peinlich, aber wahr. Trotz Hitze im Gesicht konnte Kaoru da nur zustimmend mit den Schultern zucken. Verknallt traf es eben auf den Punkt.

"Und Die ist das auch?" Die Frage musste Toshiya einfach stellen.

"Das hoffe ich doch!", plapperte Kaoru dann ohne zu denken. "Also, schon, denk ich. Ist jetzt nicht so, als würden wir uns dauernd Liebesgeständnisse an die Birne werfen, aber er will mit mir zusammen sein."

Für manche Dinge bedurfte es nun mal auch keiner Worte.

Für Toshiya jedoch war es noch immer schwer zu begreifen, dass es den Älteren wohl echt richtig doll getroffen hatte. "Oh Mann. Ich glaub, ich brauch noch ne Weile, bevor ich das alles checke. Nur hey, wenn euch das alles wirklich so ernst ist, dann solltet ihr mit uns darüber reden. Nur mit uns halt. Wäre schon wichtig, find ich."

Wo er recht hatte, hatte er eben recht. Das wusste auch Kaoru. "Sollten wir wahrscheinlich. Ist zwar nicht so, als würden wir bald heiraten, aber... stimmt schon. Ich will nur auch nicht, dass sich jemand einmischt. Wir machen das schon und ihr müsst uns da einfach auch vertrauen, was das angeht."

Schließlich meldete keiner der anderen die neue Freundin bei Kaoru oder Die an, bevor sie mit ihr ausgingen. Das war doch auch deren Sache, selbst wenn Kaoru bewusst war, dass es einen Grund dafür gab, warum schon weibliche Roadies keinen Bock mehr hatten, mit ihnen zu touren. Ging eine Sache mal vor den Baum, dann scheiß auf Freunde bleiben.

Was in Die und Kaorus Fall nicht akzeptabel wäre.

Nur waren sie sich dessen doch bewusst und gerade darum mussten die anderen nun wirklich kein Theater machen. Das war selbst Toshiya klar. "Wir mischen uns nicht ein, ganz sicher nicht. Ist doch schön, wenn ihr beide euch ergänzt." Plötzlich überkam ihn ein Grinsen. Es mit Humor zu nehmen, war wirklich besser. "Wäre nur nett, wenn wir nicht angelogen werden."

"Okay, geht klar." Damit konnte Kaoru leben.

"Super! Dann geh ich jetzt. Wann müssen wir gleich wieder los?" Thema beendet. Nun war es an der Zeit, wieder den guten Basser zu spielen.

"Um Drei." So war es nämlich auch Kaoru am liebsten.

Mit einem Nicken verließ Toshiya daraufhin das Zimmer und überließ Kaoru sich selbst und seinen Gedanken. Ziemlich durcheinander kam er sich vor. Er hatte allen Ernstes seinem Kumpel gestanden, dass er in Die verliebt war und der in ihn. Tja, blieb wohl nur, dass Kaoru auch diesen davon in Kenntnis setzte.

Was er aber wohl später machen musste, da ihm Toshiya zuviel Zeit gekostet hatte. Vielleicht würde er zwischen Soundcheck und Konzert noch eine Minute finden, in der er mit Die reden konnte. Denn das wäre von Vorteil, bevor sie beide ehrlich gegenüber ihren Freunden werden konnten.
 


 

Ende Kapitel Dreizehn.
 


 

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Zurück zu den Ursprüngen

Fetten Dank an Serena_Yoshida, Jukiko, -sabishii-, reika80, -Zombie-, Kao_Baerchen, myamemo, Fresel, Maulwuerfchen, MYM, Pi-Li, Sakito_the_warumono, Aya-chan60, -Kaoru-, GacktJR, dat_Yoh-Chan, Kanoe, KyOs_DiE, rukas-crevasse & KaoSaftigeSchnitzel für die von euch hinterlassenen Kommentare. Ohne euch würde ich nämlich gar nimmer aus dem Knick kommen. <3
 

Zum aktuellen Kapitel: 6.753 Wörter - es ist das vorletzte Kapi und weil ich es geschafft habe zu schreiben, bedeutet das dann, es liegt nur noch eins vor mir. ^^'' Hoffe, dass es euch gefällt.
 

Vorschau aufs nächste Kapitel: Das Ende. Mehr sag ich diesmal nicht.
 


 

Kapitel Vierzehn: Zurück zu den Ursprüngen
 


 

So war das nicht geplant gewesen.

Darüber war sich Kaoru im Klaren, während er noch eine ganze Weile auf seinem Bett saß und einfach nur zu schnallen versuchte, dass er gerade Toshiya von sich und Die erzählt hatte.

Weil sie zusammen waren. Die und er. Ein Paar.

Wer würde das nicht erst mal verdauen müssen?

Nur leider hatte Kaoru eigentlich so gar nicht die Zeit dazu, als plötzlich sein Handy vibrierte und er daran erinnert wurde, dass er doch auch noch einen Job zu erledigen hatte. Also schob er vorerst alle anderen Gedanken beiseite, zog sich schleunigst um und dampfte auch gleich ab, um mit der Crew alle wichtigen Details durchzugehen. Sie mussten zur Halle fahren, dort aufbauen, den Sound einstimmen und zwischendurch vielleicht noch einen Happen zu sich nehmen.

Während all diese Dinge abgehakt werden mussten, sah Kaoru natürlich auch Die, aber immer, wenn er dachte, er könnte nur kurz unter vier Augen mit ihm reden, kam etwas oder jemand dazwischen. Und als Kaoru ein letztes Mal vor der Show in den Bus ging, war wer natürlich nicht da? Die. Der hatte wohl einen Abstecher nach draußen gemacht.

Womit Kaoru letztlich beschloss, dass er dann erst nach dem Konzert mit Die reden konnte, was auch okay war, wenn man es sich genauer betrachtete. Dann hätten sie wenigstens alle Ruhe und mussten nichts zwischen Tür und Angel besprechen. Bis dahin gab sich der Ältere einfach Mühe, dem Großen mit der roten Waffe keine lüsternen Blicke zuzuwerfen, die den anderen gegenüber als verdächtig gegolten hätten. Fiel Kaoru auch schwer, aber es gab nichts, was er nicht schaffte. Zumindest fühlte er sich so.
 

Im Prinzip verlief der Abend auch genau nach Plan und noch während Kaoru im Bus saß, der sie nach dem Konzert zurück zum Hotel brachte, überlegte er sich schon mal, wie der weitere Abend verlaufen sollte. Mit Die zu reden würde nämlich sicher nicht die ganze Nacht lang dauern und innerlich freute sich Kaoru eigentlich schon viel mehr auf den Teil, der danach kam. Es war schön, wieder einen Menschen zu haben, mit dem man einfach nur seine Zeit teilen wollte, nicht nur das Bett. Dass gerade diese Person ausgerecht Die war, machte die Sache jedoch prickelnder, da man sicher sein konnte, dass es keinesfalls langweilig werden würde. Bestimmt würden sie noch viele Dinge finden, die miteinander Spaß machten.

Als der Bus vor dem Hotel parkte, war Kaoru auch gleich der erste, der raus hüpfte und sich ab auf sein Zimmer machte, mit einer Hand schon mal nach dem Handy fummelnd, damit er Die eine SMS drücken konnte.

Nicht minder vorfreudig war Die, der sich jedoch mehr Zeit ließ und noch seine sieben Sachen im Bus zusammen suchen musste, bevor auch er ins Hotel schlüpfen konnte. Gerade wollte er auch die Treppen hinunter, als er am Arm festgehalten wurde. Fragend schaute er daraufhin in Toshiyas Gesicht, während dieser seinem Bandkollegen ein ihm eher unbekanntes Kleidungsstück in die Hand drückte.

"Gib das mal bitte Kaoru," nickte der Bassist dem anderen zu und schaute in dessen verdattertes Gesicht, welches Falten schlug in Anbetracht der Fragen, die sich ihm hieraus stellten.

"Was ist damit?", wollte Die wissen, weil er gerade mal so gar keine Ahnung hatte, warum ausgerechnet Toshiya ihm ein T-Shirt von Kaoru in die Hand drückte. Es war wohl eines, dass er während der Show noch anhatte, aber was sollte nun Die damit?

"Hat er hier vergessen, glaub ich," erwähnte Toshiya eher beiläufig und griff sich die eigenen Sachen. "Und du siehst ihn doch bestimmt noch."

Was das nun wieder heißen sollte, konnte sich Die wiederum nicht erklären. Hatten sie nicht den selben Weg? Dann konnte Toshiya es doch auch vorbeibringen. Es sei denn, er ging von anderen Tatsachen aus. Informationen, die er eigentlich nicht haben sollte. "Wieso sollte ich?"

Fangfragen stellen konnte ein Die ebenso gut wie jeder andere hier.

Doch Toshiya seufzte nur kurz und kaute dann auf der Unterlippe. Anscheinend spielte Die noch ganz unschuldig, was wohl bedeutete, dass Kaoru ihm noch nichts von ihrer Unterredung erzählt hatte. "Na, ich dachte eben... also, weil..." Kam jetzt blöd, oder? Aber was sollte der Geiz? Sie waren doch unter sich. "Kaoru hat es mir gesagt. Du weißt schon, das mit euch. Darum dachte ich..."

Begeistert sah Die nun aber wirklich nicht aus. Vielleicht musste sich das erst setzen. Man bekam immerhin nicht jeden Tag gesagt, dass man nichts mehr vertuscheln musste, wenn man sich in den eigenen Bandpaps verliebt hatte.

Nur leider war das von Seiten Dies noch stark untertrieben. Wieso zur Hölle wusste Toshiya hier irgendwas, was ihn nichts anging? Außerdem, wieso verriet Kaoru Dinge, die niemanden etwas angingen außer sie beide? Und warum setzte er Die davon nicht in Kenntnis? Tja, und nicht zuletzt interessierte Die, wieso er für Kaoru nun schon den Sam spielen sollte? Das war nun wirklich nicht das, was er sich vorgestellte hatte!

"Mach doch selbst!", knallte Die dem anderen also patzig vor den Latz und drückte ihm Kaorus altes Shirt wieder in die Knochen, bevor der Ältere leicht entzürnt aus dem Bus düste. Man kam sich hier doch echt vor wie der letzte Idiot!

Aber nicht mit Die.
 

Gerade als Kaoru sein Zimmer betreten wollte, kam ein junger Mann mit einem Sektkühler vorbei, woraufhin der Bandleader sogleich eine Idee hatte.

"Hey, kann ich bitte auch so einen haben? Also nicht nur den Kühler, sondern auch ein bisschen Blubberwasser, zwei Gläser und..."

"Also einmal den Chardonnay," nickte der Page gehörig.

"Ja, genau." Blubberwasser. Hatte Kaoru doch gesagt, nicht? "Zwei Gläser und was dazu, Früchte oder was auch immer gut geht. Keine Eiscreme." Davon bekam er abends immer Bauchschmerzen.

"Kommt sofort."

Das war doch erfreulich.

Danach ging Kaoru aufs Zimmer und verlieh seiner SMS noch den letzten Feinschliff, bevor er sie zufrieden an Die schickte. Nach langen Hin- und Herüberlegen hatte Kaoru nun doch beschlossen, den Text kurz und bündig zu halten: Ich warte auf dich. :*

Lange musste er auch nicht warten, zumindest nicht auf den Sekt. Der kam bereits nach weniger als fünf Minuten und wurde dem Bandleader auf die Hotelrechnung gesetzt. Wohin aber nun damit? Am besten Kaoru stellte das kühle Getränk einfach auf den Tisch am Fenster, dämmte dann das Licht und suchte leise Musik auf dem Fernseher. So war es doch recht nett, beschloss er und beschäftige sich solange im Badezimmer, bis Die kommen würde.

Alsbald konnte man auch das Klopfen an der Tür vernehmen und Kaoru zögerte nicht, sondern ging mit mittelstarkem Herzklopfen um seinem Freund herein zu lassen. Der sah allerdings noch sehr gestresst aus, wie er so da stand, mit den Händen tief in den Hosentaschen und kleinen Falten auf der Stirn.

"Komm rein," bat Kaoru leise und lächelte dem anderen zu, der das Zimmer eher weniger erfreut betrat und sich darin umsah. Das alles schien Kaoru jedoch im ersten Moment zu entgehen, während er fröhlich vor sich hinstrahlend die Tür schloss und zu Die eilte. Seinen Blick suchend, fragte sich der Ältere denn dennoch, warum der andere so ein Gesicht zog. "Alles klar?"

Nicht mal an dieser Stelle schaute Die ihn an, während er trotzdem nun endlich etwas sagte. "Sieht ganz so aus, als hättest du alles im Griff, hm?"

Was? Das war verwirrend. Eindeutig sah Die auf den Sekt, der dort so offensichtlich stand, aber der sagte doch nicht viel aus über das, was Kaoru vielleicht dachte im Griff zu haben oder aber auch eben nicht. Worauf bezogen das war, konnte er sich gerade mal so gar nicht vorstellen. "Im Griff, wieso? Was meinsten damit?"

"Naja," begann der Größere dann mit einem kurzen Seitenblick auf den anderen, bevor er wieder das Sektbuffet beim Fenster musterte. "Du hast alles Griff, alles geplant und durchdacht."

Wiederum verstand Kaoru nicht. "Meinst du jetzt den Sekt? Das war nur so, weil ich eben dachte, es wäre ganz nett. Ist das zu kitschig? Hätte ich auch weglassen können. Wenn du lieber ein Bier magst, ist das auch okay."

"OKAY ist das also," wiederholte Die diesmal schon etwas mehr schnippisch als zuvor, während er die Arme verschränkte. "Weil du es DACHTEST, aha. Vorher fragen wäre allerdings besser, meinste nicht?"

"Mjoa," kam Kaorus etwas verzögerte Antwort. War das jetzt alles ernst gemeint oder wie sollte er das nun verstehen? Gut, vielleicht kam es wirklich zu übertrieben rüber. "Tschuldige, ich hätte auch vorher fragen können, aber wenn wir das Zeug nun nicht saufen, ist doch auch okay. Was soll's. Ist ja nicht wichtig."

"Joa, genau. Was soll's. Drauf geschissen, was Die will," schnaubte der plötzlich und zuckte melodramatisch mit den Achseln, während er eine Fresse zog wie nach sieben Tagen Dauerregen. "Kaoru macht halt mal und dann wird sich Die schon danach richtig, was?"

Also DAS wurde Kaoru nun eindeutig zu bunt. Was sollte der Mist? Er hatte es doch nur gut gemeint und der andere benahm sich nun aber echt kindisch und dämlich. "Die." Ruhig sprach er dessen Namen aus, nur um damit schon mal klar zu stellen, das er hier Kaoru vor sich hatte und nicht irgendeinen Idioten. "Du weißt genau, dass das so nicht ist. Also was soll das? Was ist los? Rede mit mir und wirf mir nicht nur solche Brocken vor die Füße."

"Ich dir? Du wirfst mir doch die Brocken hin nach dem Motto ‚friss oder stirb'!" Diesmal drehte sich Die zu Kaoru um und schaute ihn deutlich verärgert an. "Da, sieh es dir an. Ist doch das beste Beispiel. Sekt! Seit wann sauf ich denn den Kram? Und Licht ist auch schon aus, wie nett. Alles vorbereitet für deinen neuen Freund, ne? Musste doch nur noch eine Pressekonferenz drüber geben, dann ist alles perfekt!"

Oh Mann, nun drehte Die aber echt am Rad. Was sollte das denn hier? Da will man ihm einmal einen Gefallen tun und eine Freude machen, da schlägt der solche Wellen. Nicht mal ein Kaoru konnte dabei noch ruhig bleiben. "Dann sauf den Kram halt nicht. War doch nur eine Idee. Niemand zwingt dich, es auch zu trinken. Mein Gott, warum stellst du dich so an? Heute Morgen hattest du auch kein Problem, dich wie mein Freund zu benehmen und jetzt machste mir ne Szene wegen NICHTS. Kriegst du..." Oh, da kam Kaoru ein schlimmer Gedanke. "Kriegst du jetzt Zweifel? Dann sag es! Ich dachte nur... ach! Ich weiß nicht, was ich dachte. Jedenfalls nicht, dass du so einen Aufriss machst wegen ein bisschen Sekt."

"Hier geht's auch nicht um deinen dämlichen Sekt, Kaoru!" Na hoppla. Wenn Die schon mal den ganzen Namen aussprach und das, obwohl hier wirklich niemand anders im Raum war, als dass man ihn hätte rufen müssen, das verhieß nichts Gutes. "Es geht auch nicht darum, dass du dir wahrscheinlich schon ausgemalt hast, wie wir die Nacht verbringen. Es geht darum, dass sich das alles in deinem Hirn abspielt und was ich vielleicht denke, kümmert dich einen Scheiß."

Und wieder gab es nur Rätsel auf für Kaoru. "Ist doch Schwachsinn und das weiß du auch."

"Ach ja? Weiß ich das?", zischte Die zurück und lachte höhnisch, obwohl er innerlich gerade erst zu brodeln anfing. "Warum machst du dann Dinge, ohne mich vorher zu fragen, was ich davon halte?"

"Was denn für...?" Oh nein.

"Na, dämmert's dem Herrn?" Spitzfindig beäugte Die sein Gegenüber.

Noch nicht ganz dämmerte es jedoch. Das, was Die meinte, konnte doch nicht sein, was Kaoru hatte ansprechen wollen im weiteren Verlauf des Abends, oder?

Dass die Erleuchtung noch nicht in vollem Umfang in Kaorus Gesicht geschrieben stand, half dem Jüngeren wiederum auf die Sprünge dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. "Oh Mann, jetzt schaust du in etwa so doof wie ich, als ich mir habe anhören müssen, wie aufgeklärt doch unsere Bandfreude sind dank dir!"

Oha. Also doch. "Scheiße."

"DAS hast du dazu zu sagen? Na klasse. Du übertriffst dich selbst." Zynisch war Die im Normalfall ja eher nicht, aber heute war eindeutig eine Ausnahme.

"Gott, Die. So war das nicht gewesen." Das hatte er doch vollkommen in den falschen Hals bekommen.

"Wie denn dann? Da bin ich mal gespannt, was du zu sagen hast, nachdem du mich dastehen lässt wie einen Idioten." Auf die Erklärung konnte er zwar ebenso gut verzichten, aber hören wollte Die sie dennoch.

"Wieso denn wie einen Idioten? Wer hat denn was gesagt zu dir?" Blöder Toshiya. Konnte wohl nicht sein Maul halten. Doch wer wusste, wem der es nicht schon weitererzählt hatte und wie nun wer Die deswegen dumm angemacht hatte.

"Spielt doch keine Rolle!" Jetzt wich Kaoru doch glatt auch noch aus, statt dass er endlich mal seine Rechtfertigung aussprach. Wurde immer besser, fand Die. "Wieso weiß das überhaupt jemand?"

"Weil Toshiya heute Morgen etwas gesehen hat!" Das war nun mal die Wahrheit und genau das hatte Kaoru doch auch vorgehabt seinem Freund zu sagen. Schlechtes Timing. "Er hat dich zwar nicht direkt gesehen, aber er hat mich darauf angesprochen. Er wusste, dass jemand im Zimmer war und er hat mich geradewegs gefragt, ob du es warst. Was hätte ich denn deiner Meinung nach sagen sollen?"

"Na, bestimmt nicht die Wahrheit! Zumindest nicht, bevor du mit mir darüber gesprochen hast." Und danach am besten auch nicht. Es war doch noch viel zu früh, als dass jemand davon wissen musste, dass Die und Kaoru neuerdings mehr als nur Freunde waren.

Kaoru seufzte. "Mir blieb aber nicht anderes mehr übrig, als die Wahrheit zu sagen. Und ich hab auch mit dir darüber reden wollen, aber wann denn? Bisher waren wir die ganze Zeit lang beschäftigt."

"Darum hättest du ja auch lügen sollen!" War doch abzusehen, dass man so etwas nicht einfach zwischen Tür und Angel regeln konnte. "Und sag mir nicht, dass DIR nichts anderes mehr übrig geblieben ist. Du bist doch sonst so ein Genie, was das Lügen angeht."

Das klang nun aber nicht sehr nach einem Kompliment. "Oh, vielen Dank."

"Ja, was denn? Ist doch wahr. Um eine Ausrede bist du doch sonst nie verlegen, also erzähl mir doch nicht, dass du es nicht gern gemacht hast. Kam dir wahrscheinlich ganz recht, dass du es den anderen auftischen konntest."

"Jetzt übertreib nicht! Wieso sollte mir das recht kommen? Ich war genauso wenig scharf drauf, Toshiya irgendetwas zu erzählen. Nur bin ich auch das Lügen satt! Ständig muss ich mir irgendeine Scheiße einfallen lassen. Dann wissen die eben bescheid. Na und?" Es kam für Kaoru mindestens genauso unangenehm wie überraschend, war teilweise sogar beängstigend, nur hatte Toshiya eben auch einen Standpunkt vertreten, der nicht von der Hand zu weisen war. Sie waren doch alle Freunde.

"Na und sagst du? Das ist genau das, wovon ich hier rede. Für dich ist es ein Fall von ‚na und?' und was es für mich ist, danach fragst du nicht mal. Warum auch? Ist doch nur der dumme Die, der sich nach dir richten darf!" Auf jeden Fall fühlte man sich so, wenn man so vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, wie es Die heute passiert war.

"Mach mal langsam, Die. Wenn sich hier einer nach irgendwem richtet, bin ich das. Ständig richte ich mich nach dir. Ob es nun wegen Kleinigkeiten oder wegen schwerwiegenden Dingen ist. Wenn du etwas willst, Kaoru darf es möglich machen, egal was es ist. Aber es ist okay, weil ich es gern tue für dich. Nur ja, ich hab Toshiya eben die Wahrheit gesagt und leider kann es ich nicht rückgängig machen und mich damit einmal mehr Dies Wünschen anpassen. Dummerweise kriegst du es aber auch nicht umgekehrt auch nur dieses eine Mal hin. Tut mir wirklich leid, dass ich mal nicht funktioniert habe, so wie du es gerne hättest!" Lange Reden halten konnte Kaoru eben doch am besten von allen. Nur war es ihm auch ernst.

"Oh ja, mir tut es leid. Dass du mein Freund bist, tut mir leid. Weil man sich nun mal an genau diesen Freund wendet, wenn man nicht mehr weiter weiß. Was hätte ich denn machen sollen? Ich habe dich lediglich um Hilfe gebeten. Aber das bedeutet nicht, dass du dich an passender Stelle gleich so revanchieren musst, indem du Dinge preisgibst, die nun wirklich niemand wissen muss!" Nicht mal ansatzweise konnte sich Kaoru nämlich vorstellen, wie die letzten Wochen für Die gewesen waren. Darum hatte er dennoch niemals seinen Kumpel verraten.

Richtig? Ganz sicher war sich Die dann auch wieder nicht.

"Ich revanchier mich doch gar nicht! Spinnst du?" Hatte Die noch alle Latten am Zaun? Was glaubte der eigentlich von Kaoru? "Außerdem hast du unrecht. Es gibt Dinge, die bestimmte Menschen wissen müssen. Toshiya und die anderen sollten schon wissen, was wir machen, weil wir verdammt noch mal eine Band sind, die sich Stress untereinander nicht leisten kann!"

Stress untereinander? Ganz richtig! Das alles hier war doch nur ein einziger Stress und da kam Kaoru an, der mal wieder die Bandleader-Karte ausspielte und so tat, als wäre seine Gesinnung immer nur dem Wohle der verfluchten Band. Was Die das zum Hals raushing, konnte man gar nicht mit Worten beschreiben! "Tja, ich hab's ja gewusst. Blöde Idee, das ganze. Mit uns. Immerhin wird immer die Band wichtiger sein und die darf ja keinen Stress haben. Also lassen wir's, Kaoru. War doch sowieso ne Scheißidee."

Im tiefsten Inneren wollte Die jetzt hören, dass es nicht so war und dass er dem anderen wichtiger war als die verkackte Band. Nur leider war Die an der Oberfläche einfach nur stinksauer und unsicher. Kaum waren sie zusammen, hatten sie Streit. Fing doch schon gut an. Also warum es nicht gleich sausen lassen, bevor man sich noch mehr Ärger machte?

"ScheißIDEE?" Das schlug doch jetzt aber dem Fass den Boden aus. "Weißte, wenn das alles nur eine Idee war, so ein fixer Geistesblitz von dir, dann hätte ich mich letzte Nacht wohl lieber nicht von dir flachlegen lassen!" Und so zornig es Kaoru auch aussprach, im Grunde tat es weh. Wie konnte Die das hier nur einfach so als Idee abstempeln? War er denn nicht verliebt? Hatte er keine Gefühle für Kaoru, auf denen ihre Beziehung basierte? War es eben doch nur mal so eine... Idee?

"Ach, komm schon. Jetzt tu doch nicht so, als hättest du sonst was für ein Opfer gebracht. ICH hab meinen Job gut gemacht, wenn ich daran erinnern darf. Dir hat es doch gefallen. Hast wahrscheinlich schon lange keinen so guten Fick mehr gehabt!" Hey, das tat gut. Komischerweise. Je mehr Frust Die an Kaoru ausließ und ihm somit hoffentlich weh tat, umso weniger traf es Die, wenn Kaoru von Reue sprach. Das war ja einfach.

In diesem Moment hätte der Ältere dem anderen jetzt gerne gesagt, was für ein Riesenarschloch er war. Doch leider wurde Kaorus Zorn durch zuviel Enttäuschung überschattet, während nicht minder sein kleines, wackeres Leaderherzchen darunter litt, was ihm da sein angeblicher Freund an den Kopf warf. Zwischen all den unterschiedlichen Gefühlen, die in Kaoru darum hochkamen, versagte nun sein Sprachzentrum vollends und er schnappte nach Luft. Das... war aber auch eine ganz schöne Bombe, die Die da geworfen hatte.

Und das Schlimmste war, dass er sich dessen bewusst war, während er so das Gesicht seines Bandleaders musterte. Trotzdem war der Ärger in Die stärker.

"Weißt du," begann Kaoru dann um Fassung ringend. "Eigentlich sagt das alles. Nur will ich dir auch was sagen: SO NÖTIG, wie du denkst, hab ich es auch wieder nicht. Du, mein Bester, warst es, der sich als Frau an mich geschmissen hat und du bist auch hier erschienen, damit ICH DICH ficke. Nur hab ich mich dummerweise einmal mehr nach dir gerichtet! DAS war eine SCHEISSIDEE!"

Selten wurde Kaoru laut. Oftmals klang er bestimmend und hatte einem Befehlston an sich, aber kaum erhob er seine Stimme. Doch nun tat er es. Zu recht oder nicht, aber Die HASSTE es. Er war doch kein Kleinkind, den man anschreien konnte. "Brüll hier nicht rum, okay? Damit wird der Mist, den du hier von dir gibst, auch nicht wahr! Mag ja sein, dass ich genug Mann war, hier zu erscheinen, während du dich lieber verkrochen und mir nachgetrauert hättest. Hab ich nicht recht? Und dass du dich nach mir gerichtet hast, ist vielleicht wahr, aber komm mir doch nicht von wegen Scheißidee. Feuer und Flamme warst du und das ist wahrscheinlich auch das, was du kaum für dich behalten kannst, so geil, wie du es fandest, von mir gefickt zu werden!"

Deutlich unter der Gürtellinie bewegte sich Die. Was auch kein Wunder war, da es immerhin Die war und niemand anderes. Was hatte Kaoru auch erwartet von einem wie dem? Da konnte der Jüngere noch so barsch mit dem Finger auf den anderen zeigen, es half jedenfalls nicht dabei, dass Kaoru ein bisschen mehr an Fassung wiedererlangte.

Das Gegenteil war der Fall.

Er schnaubte, knurrte dann leise und fixierte Die mit den Augen, als könnte er ihn damit aufspießen. "Noch ein Wort mehr und ich vergesse mich. Es reicht!"

Das war aber nun wiederum genau das, was Die am Wenigsten leiden konnte. Wenn man ihm auch noch sagte, was er zu tun und zu lassen hatte oder wenn man ihm den Mund verbieten wollte. Kam doch gar nicht in die Tüte. "Kannst die Wahrheit nicht vertragen?"

"Geh!", kam es dann von Kaoru wie aus der Pistole geschossen. "Ich hab mir jetzt genug angehört. Du hast sie wohl nicht mehr alle?!"

Mit den Argumenten war Kaoru wohl am Ende, schlussfolgerte Die und grinste kurz fies und einseitig, als hätte er eine Schlacht gewonnen. "Du musst mich bestimmt nicht zweimal bitten. Geblieben wäre ich sowieso nicht. Da hab ich bessere Möglichkeiten und vor allem welche, denen ich vertrauen kann!"

Mit einem weiteren schiefen Grienen zuckte der Größere mit den Schultern und drehte sich um, damit er auch bloß nicht länger den ganzen Mist hier sehen musste, geschweige denn Kaoru. Wenn er den auch nur eine Minute länger ertragen müsste, würde Die bestimmt Pickel quer über das ganze Gesicht bekommen. Darum gab er noch ein kurzes, höhnisches Geräusch von sich und schmetterte die Tür hinter sich zu, um gezielt und schnellen Schrittes in sein eigenes Zimmer zu stampfen.

Kaoru hatte doch echt nicht mehr alle Glocken an der Kuh. Lief durch die Geografie und plauderte fröhlich aus, dass er mit Die Sex hatte - so blöd waren nicht mal die Fans! Und im Nachhinein tat Kaoru aber noch so, als wäre da alles nichts dabei und Die würde sich nur künstlich aufregen. Vollkommener Schwachsinn!

Quer durch sein Zimmer stapfend war Die so wutgeladen, dass weder eine Zigarette noch ein Schluck Jägermeister half, ihn zu beruhigen. An Schlaf war da gar nicht zu denken. Immer wieder fuhr er sich mit den Händen durchs Haar, lief von einer Zimmerecke in die andere und verfluchte diesen Idioten von Bandleader, mit dem er dummerweise etwas angefangen hatte.

Und bedauerlicherweise mochte Die ihn trotzdem noch.

Was er aber gerade nicht zugeben würde! Lieber würde er sich von einem Laster überfahren lassen. Oder Kakerlaken futtern.

Darum schnappte sich Die kurzerhand seine Lederjacke, zog sie sich über und verließ das Zimmer. Er musste raus. Er musste nachdenken. Er musste sich vor allem aber abreagieren!
 

Im Zimmer gegenüber stand Kaoru nun da und starrte die geschlossene Tür an. Noch immer konnte er kaum fassen, was Die ihm da gerade eben gesagt hatte. Selbst wenn es wahr wäre, musste man solche Dinge keinem Freund an den Kopf knallen. Soviel war mal sicher. Dabei verfluchte sich Kaoru jedoch mehr selbst als den anderen.

Warum ließ er sich auch auf einen wie Die ein? Es hätte Kaoru doch klar sein müssen, dass das vor den Baum ging. Ein beziehungsunfähiger Idiot wie der konnte doch gar nicht anders, als aus einer Mücke einen Elefanten zu machen und dann auch noch einen Haufen Dinge sagen, die deutlich mehr als nur unschön waren.

Zum Schießen war das! Zum erschießen nämlich, und wenn nicht Die, dann Kaoru sich selbst! Ein richtig fieses Schwein war Die, jawohl. Mit einem tiefen Grunzen ließ sich der Bandleader aufs Bett gleiten und vergrub das Gesicht in den Kissen, um dort einmal laut hinein zu schreien.

Doll. Und dass man sich benahm wie ein dummes Weib, war auch Dies Schuld. Sonst würde Kaoru sicher nicht in die Baumwolllaken plärren! Schon blöd, wenn man sich für einen sogenannten Freund zum größten Deppen der Nation machte.

Sich auf den Rücken rollend, schnaubte Kaoru nun die Decke an.

Gestern war alles noch so schön gewesen. Da war Die lieb gewesen und hatte wundervolle Dinge gesagt und getan. Sie nun aber auszulegen, als wäre Kaoru eine notgeile Hure gewesen, nahm all den schönen Augenblicken ihren ganzen Glanz. Nun waren sie zerstört und in Grund und Boden getrampelt.

Und Kaoru wollte heulen.

Doll hoch zwei. Noch ein Indiz mehr dafür, dass Die ihn zu einer weinerlichen Schwuchtel gemacht hatte. Blöder Die. Wer brauchte den schon? Niemand.

Sobald Kaoru eine Fötushaltung einnahm, wurde die Sache allerdings noch brenzlicher. Da fühlte er sich gleich noch mehr wie ein verletzlicher Volltrottel als so schon. Vor allem, wenn er bedachte, dass er in genau dieser Position die dürren, sehnigen Arme dieses dummen, dummen Die auch gleich vermisste.

Kacke.

Nun war Kaoru Hals über Kopf verliebt und schon bekam er das Herz gebrochen. Bei seinem Glück hatte das so kommen müssen, schon klar, aber warum immer er? Wegen so einer Lappalie machte Die so einen Aufruhr. Das war doch lächerlich.

War nun Schluss? Nein, oder? Oder doch?

Ach Mann, das war doch alles dumm. Und der Sekt stand dort rum und wurde langsam warm trotz Kühlers. Das musste doch auch nicht sein. Also zwang sich Kaoru von Bett auf, setzte sich aufrecht und langte nach der Flasche. Gut, wenn Die also keinen wollte, war eben mehr für Kaoru da. So einfach war das.
 

Wohin er gehen sollte, wusste Die nicht. Ihm stand weder der Sinn nach Gesellschaft, noch sehnte er sich nach der Ruhe seines Hotelzimmers. Also ging er immer der Straße entlang, blickte dabei auf seine Füße und ärgerte sich weiterhin über Kaoru.

Vielleicht hatte der Recht, da es sicherlich nicht nur eine Kleinigkeit war, wenn sich zwei jahrelange Bandkollegen entschlossen, eine sexuelle Beziehung miteinander zu führen. Natürlich blieb die Band davon nicht unberührt, aber genau deshalb sollten sie doch nicht überstürzt handeln und jeden nächsten Schritt absprechen. War denn das so schwer?

Nur wie sollte Kaoru auch verstehen? Das konnte er gar nicht. Weil er nicht in Dies Haut steckte. Für ihn war das Leben eine einzige Kompliziertheit geworden und sein Verstand hatte einfach Mühe, bei allen Geschehnissen noch hinterher zu kommen. Bis vor zwei Wochen war er noch ein ganz normaler, heterosexueller Mann gewesen, der sich fast jede Nacht eine der jungen Damen aus irgendwelchen Clubs gegönnt hatte.

Kaoru hatte das nicht. Der war wohl einfach nur scharf darauf, wieder irgendwo unter zu sein, egal wer es war. Wenn auch nicht abzustreiten war, dass er Die mochte.

Nur war Die bis letzte Woche wiederum im Körper einer Frau gefangen gewesen, hatte sich in der Sicherheit seines besten Freundes gewogen und ständig irgendwelche inneren Ängste unterdrücken müssen, damit seine Psyche dabei nicht ganz den Abgang machte. Natürlich konnte das niemand nachvollziehen. Wie auch? So locker und lässig Die auch durchs Leben marschierte, so machte sich sowieso keiner die Mühe herauszufinden, was unter der ganzen Oberfläche war.

Ob sich darunter allerdings ein schwuler Mann verbarg, vermochte selbst Die nicht zu sagen. War dem wirklich so? Er fand andere Typen nicht heiß. Trotzdem mochte er Kaoru unheimlich gerne und er machte ihn auch an. Die empfand ihn als attraktiv und liebenswert, er wollte seine Nähe und Berührungen. Noch nie in seinem ganzen Leben war Die so etwas wie DAS passiert. Sich in einen anderen Mann zu verlieben, war doch total verrückt.

War er nun darum schwul? Die fühlte sich nämlich so gar nicht schwul.

Momentan fühlte er sich nämlich nur verarscht, und zwar nicht nur von Kaoru, sondern von der ganzen Welt. Mal machte man ihn einfach zum Weib, dann brachte man ihn dazu, dass er mit seinem Bandleader schlief. Normal war das doch keineswegs! Oder?

Doch Die hatte sich auch seinem Schicksal ergeben. Wenn es denn so hatte sein sollen, dann war es auch okay für ihn. Immerhin musste er sich doch vor niemanden rechtfertigen!

Nur hatte er da die Rechnung nicht mit seinen Bandfreunden gemacht und das stank Die gewaltig! Wieso aber konnte er von Kaoru nicht ein wenig mehr Einfühlsamkeit erwarten? Dass er zu seinem Freund kam und mit ihm redete, bevor er irgendwelche Pressekonferenzen über seines und Dies Privatleben gab. Was würde dann als Nächstes passieren? Ging Kaoru dann raus und plapperte überall aus, dass er Die auch als Weib geknackt hatte?

Tolle Aussichten waren das.

Es machte Die wütend. Wütend auf sich selbst und wütend auf Kaoru. Was war denn das für eine verkackte Welt, die zuließ, dass man so verwirrt und unsicher durch die Straßen irgendeines Kaffs lief? Wo war Die überhaupt? Er wollte nach Hause. Richtig nach Hause. Dorthin, wo Die einfach nur Die war und sich niemanden zu erklären hatte.

Nur leider konnte er das nicht bringen. Denn er war sich verdammt noch mal seiner Verantwortung gegenüber der Band bewusst und er wäre der Letzte, der sie im Stich lassen würde. So war es in Wahrheit, aber niemand sah das. Immer war er nur der Dumme, der sich zu rechtfertigen hatte. Warum kam Toshiya denn nicht auf ihn zu, wenn er denn dachte, dass er in Kaorus Bett war? Weil diese Deppen immer nur Kaoru als denjenigen sahen, der die Verantwortung trug, dem man vertraute und dem man Verstand zutraute.

Dass Die ebenso viele Dinge durch den Kopf gingen, war denen nicht klar. Niemand fragte nach ihm. Nie taten sie das. Und gerade jetzt kam er sich allein und verloren vor.

Er brauchte ein Taxi.

Er hatte sich verlaufen.

Verfluchte Stadt.
 

Je mehr man vom Sekt trank, umso unwichtiger wurde Die. Zu diesem Schluss kam jedenfalls Kaoru, während er den letzten Tropfen aus der Flasche saugte. Blöder Die. Wenn der dachte, dass er Kaoru zum Narren halten konnte, dann hatte er sich geschnitten.

"Jawohl," blubberte der Bandleader seine Bettdecke an. Immer hatte er nur alles zum Wohle seines Freundes gemacht. Gestorben wäre er für den. Nur leider war es wohl umgekehrt nicht der Fall.

"Ein arrogantes Mistschwein bist du!", nuschelte Kaoru vor sich hin, während ihm die Augenlider zuklappten und er in Gedanken noch mehr Sachen seinem EX gegen die Birne warf. Die war ein blöder Egoist, ein selbstverliebter Idiot, ein melodramatischer Clown, ein gefühlskalter Klotz und ein ganz gemeiner Sack! Genau.

Und Kaoru vermisste ihn noch immer in seinem leeren Bett.

Erst letzte Nacht war Kaorus Welt erfüllt gewesen von Die, seinen Taten und auch seinen Worten. Alles hatte sich um ihn und sie beide gedreht. ALLES war Die gewesen.

Heute war er weg, hatte jedoch eindrucksvoll hinterlassen, was er wirklich über Kaoru dachte. Tief seufzend drehte sich Kaoru auf die Seite und wickelte sich in die Decke ein. Zum Ausziehen hatte er heute keine Lust mehr. Er würde müde und das Zimmer drehte sich auch ein bisschen. Sekt konnte er noch nie vertragen.

Darum half er aber auch so gut dabei, die Gedanken an Die zu verdrängen und sich der Müdigkeit zu ergeben. Wurde immerhin auch höchste Zeit um drei Uhr morgens.
 

Am Morgen darauf sah die Welt schon wieder ganz anders aus. So sagte man jedenfalls, wenn es auch in Dies und Kaorus Fall nicht den Anschein hatte. Alleine, jeder für sich, waren sie aufgewacht, aber das jeweils zu spät. Was in Anbetracht der Dinge auch gar nicht mal so schlimm war, da sie nicht sonderlich scharf darauf waren, sich gemeinsam oder mit den anderen an den Frühstückstisch zu setzen.

Als Kaoru nach unten kam, warteten die anderen bereits auf ihn. Nun ja, alle bis auf Die, der noch später kam, sie alle ignorierte und sich ohne Mahlzeit in den Bus verkrümelte. Darauf schnaubte Kaoru nur leicht erbost und bat um einen Kaffee für die Fahrt. Nach etwas zu essen war ihm auch nicht. Ärger im Bauch wie eben wie ein schwer verdaubares Gericht.

Geschlagene drei Stunden verbrachten sie alle dann auf dem Weg zum nächsten Ort, während sich Die in die Abgeschiedenheit der Playstation verkroch und Kaoru sich den ‚wichtigen' Dingen widmete, die da zum Beispiel das Durcharbeiten eines Zeitungsartikels betraf. So ging die Zeit auch rum und sobald sie ihr Ziel erreicht hatten, war sowieso keine Zeit mehr, sich umeinander zu kümmern. Da gab es andere Dinge, die wichtig waren.

Nichts sollte zwischen ihnen stehen. Rumzicken gab es da nicht, genau wie Toshiya gesagt hatte. Also schwieg man sich eben an.

Die skeptischen Blicke der restlichen Bandmitglieder wurden ignoriert, denn solange sie die Klappe hielten, war doch alles bestens. Immerhin hatte Die es für eine Scheißidee befunden, dass er etwas mit Kaoru angefangen hatte und daran hielt sich der Bandleader nun einfach. Dann machten sie eben einen Haken an die Sache.
 

Leider war es nur nicht ganz so einfach, wie sich Kaoru das vorgestellt hatte. Wie so oft siegte die Vernunft in ihm über all den Zorn, Verbitterung, Enttäuschung und was nicht alles, wegen dem er eigentlich nicht mehr auf Die zugehen wollte. Schließlich gab es doch mal einen Grund dafür, warum er noch vor Kurzem dachte, er könnte mit seinem Rhythmusgitarristen mehr als nur eine Freundschaft haben, von der nebenbei nicht viel übrig bleiben würde, wenn sie sich für den Rest ihres Lebens ignorieren würden. Dann wäre da gar nichts mehr von dem, was sie doch wieder zu schätzen gelernt hatten.

Also passte Kaoru einen günstigen Moment ab, in dem Die alleine im Bus war, ging direkt auf ihn zu und setzte sich ihm gegenüber.

"Soll das jetzt für immer so weitergehen?"

"Was denn?" Unwissenheit vortäuschend, blickte Die von seiner Zeitschrift nach oben und musterte Kaoru. Gerechnet hatte er mit dem nicht, aber sich zivilisiert zu benehmen, sollte doch kein Problem sein, wenngleich Kaorus Anblick gleich sämtliche Emotionen in Die aufwühlte.

"Dass wir uns nichts mehr zu sagen haben," ergänzte der Ältere daraufhin geduldig, obgleich ihm danach war, Die einfach mal eine Ohrfeige zu geben. Dann würde er vielleicht wach werden. "Okay, du hast ein paar Dinge gesagt, die nicht unbedingt nett waren, aber ich komme drüber weg. Schaffst du das auch oder soll ich mich tausend Mal dafür entschuldigen, dass ich eben der Dumme war, den Toshiya ausgequetscht hat?"

Mit Emotionen war das so eine Sache. Es gab Leute, die waren einem egal. Demnach schafften sie es auch nicht, Die seelisch auch nur zu berühren. Nur Kaoru war ihm nicht egal und dafür verfluchte sich Die jeden Tag aufs Neue. Der Ältere schaffte es ohne große Mühe, dass Die wütend wurde, sich vorkam wie ein Idiot oder gar am liebsten heulen wollte. Was keine gute Basis für ein Gespräch war. "Tausend Mal? Guter Witz. Ich zähle mit, wir sind bei Nummer zwei."

Und das war bisher nur Sarkasmus.

Zum Ausrasten war das aber für Kaoru! "Lass stecken, okay? Ich versteh nur nicht, wo dein Problem ist. Alles, was ich gerne haben möchte, ist die Wahrheit. Mehr nicht. Denn offensichtlich kann es nicht so schlimm sein, dass ich Toshiya was erzählt habe. Dafür hast du mir immerhin auch so Einiges gesagt, dass darauf schließen lässt, was du wirklich von mir hältst. Aber okay; ist okay, wenn du so denkst. Kannst mir aber schon sagen, wenn du einfach keinen Bock hast, dich weiter mit mir abzugeben. Als wir zusammen waren, warst du ganz anders und von Heute auf Morgen bist du wie ausgewechselt. Was da wirklich dahinter steckt, will ich wissen, da du anscheinend nur Ausflüchte suchst, um mich nicht weiter am Hals zu haben."

Dabei hatte Kaoru sein Vokabular echt beschränkt darauf Worte wie ‚Liebe' und ‚Beziehung' auszulassen. Nur so, wie er es gesagt hatte, war es eben. Wenn Die ihn nicht liebte und ihm nur etwas vorgespielt hatte, so sollte er es sagen. Das würde Kaoru verzeihen können. Andernfalls kam es sich im Dunklen gelassen vor, im Unklaren damit, was nun wirklich die Beweggründe für Dies Handeln waren. Besser war doch immerhin, wenn sie ihre Freundschaft retteten und eine Beziehung hinten anstellten, oder nicht?

Nur genau hierbei fühlte sich Die einmal mehr total unverstanden! Die Wahrheit wollte Kaoru? Wie zum Henker sollte sich Die denn hierbei wieder erklären? Es gab keine Wahrheit, keinen Auslöser, nur eine Ursache, die viel tiefer steckte als das, was Kaoru hören wollte. Und dass es für Kaoru okay war, was Die ihm so alles an den Kopf geworfen hatte, ließ doch nur darauf schließen, dass der Ältere eben ‚unbetroffener' war. Seelisch war er offenbar unberührt, ganz zu schweigen davon, dass er Die keineswegs lieben konnte. Dennoch war es vollkommener Schwachsinn, dass Die sich nicht mit ihm abgeben wollte! Warum drehte Kaoru denn hier alles rum? Immerhin verstand er doch den Jüngeren nicht und es war ihm auch egal, da es ja okay war. Alles war immer okay. Darum fiel es Kaoru auch so leicht zu reden.

Nur wie um Himmels Willen sollte Die das machen? Er wusste nicht, wo er anfangen sollte und wie er das erklären sollte, was wirklich in ihm los war. In die Ecke gedrängt fühlte er sich, überfordert und von allen missverstanden. Zum Heulen war ihm einmal mehr und das alles konnte Kaoru mit nur wenigen Worten auslösen. Das zeigte doch viel mehr, wie sehr Die an ihm hing! Da sie beide da aber nicht auf dem selben Level waren, hatte doch alles keinen Sinn. Richtig?

Mit dem Kopf schüttelnd, senkte Die lediglich den Blick und starrte auf die offene Zeitschrift.

"Du kapierst echt gar nichts. Wenn ich dir nun sage, dass ich alles nur gesagt habe, damit ich dich loswerde, weil ich... zum Beispiel nur mal wissen wollte, wie das so ist, wenn man einen Kerl flachlegt. Was dann? Ist das dann okay für dich, ja? Ist das okay?" Er hoffte nur, dass seine Unterlippe nicht zu sehr zitterte bei seinen Worten.

Was sollte das nun heißen? War das jetzt rein hypothetisch oder ehrlich gemeint? Testete Die ihn nur oder wollte er auf Tuchfühlung gehen, ob Kaoru sauer wäre, wenn das mit ihnen wirklich nur so ein Fall von ‚Erfahrung sammeln' war? In jedem Fall nickte der Ältere mal, da das wohl nicht so falsch sein konnte. Dann würde Die sicherlich noch mehr dazu sagen.

"Na toll." Genau das hatte Die aber nicht sehen wollten. "Okay wäre das?"

"Was willst du denn hören? Ja, wäre es. Wenn es eben so ist, dann kann ich es nicht ändern. Warum fragst du überhaupt? Sag doch einfach, wie es ist und gut. Ich mach keinen Stress." Warum auch? Nur weil Die dann Kaoru von Vorne bis Hinten verarscht hätte und ihm Gefühle vorgeheuchelt hätte? Tja, ein Grund wäre das schon, aber es stand hierbei zuviel auf dem Spiel, als dass Kaoru sich seinen Emotionen unterwerfen würde. Er käme schon klar, solange nur die Band okay war, sowohl auch Die und er wieder wenigstens Freunde. Das war wichtig. Alles andere nicht.

"Wunderbar," schüttelte der andere jedoch mit dem Kopf, stand auf und verbarg seine Augen hinter der Mähne, die ihm in jenem Moment glücklicherweise ins Gesicht fiel. "Genau das mein ich. Du gehst von falschen Tatsachen aus und hältst es auch noch für okay. Du machst es mir wirklich keine Spur einfacher, also lass mich einfach. Ist besser so."

Kurz nickend, drehte sich Die daraufhin um und verließ den Bus. Dass Kaoru es nicht böse meinte, war ihm schon klar. Nur kamen sie dennoch keinen Schritt voran, wenn der Bandleader ihm quasi die Pistole auf die Brust drückte und eine Erklärung abverlangte, wo er doch erst einmal beweisen konnte, dass er Die überhaupt liebte. Dann fiele es dem Jüngeren vielleicht auch leichter, seine Seele auf den Tisch zu kotzen und zu versuchen, die Überreste so zu sortieren, damit auch ein Kaoru ihn verstand.
 

Vergebene Liebesmüh, so schien es jedoch zur Zeit und das machte weder den einen noch den anderen gerade glücklich.

Was aber sollte Kaoru auch tun? Wieder einmal schien er etwas falsch gemacht zu haben und er hatte nicht die leiseste Ahnung, was es überhaupt war. Reden bringt Segen, sagte mal ein weiser Mensch, nur leider kannte der wohl nicht Die. Wenn der nicht deutlicher werden wollte, so konnte Kaoru auch daran nichts ändern.

Am besten er ließ ihn einfach in Ruhe. So wie er es gern hätte.

So hatte Die, was er wollte und Kaoru kam schon irgendwie klar. Tat er doch immer. Denn, wie unglücklich er auch immer war, morgen würde die Sonne wieder aufgehen und er müsste den Tag beschreiten, ohne dass auch nur jemand danach krähte, ob Kaoru darauf Lust hatte oder nicht. So war das Leben und so hatte er es immerhin auch vorher gekannt.

Also zurück zu den Ursprüngen.
 


 

Ende Kapitel Vierzehn.
 


 

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Die unglaublichste Liebesgeschichte der Welt

Vielen Dank an die Kommischreiber vom letzten Kapitel: DiEs_KyO, chipsy_desu, Jukiko, sinner, -Kabuki_Keks-, bulma72, reika80, Maulwuerfchen, -sabishii-, GacktJR, KaoSaftigeSchnitzel, MYM, -Zombie-, KyOs_DiE, -Kaoru-, myamemo & Sakito_the_warumono! Weil ich diesmal so schnell bin, kamen vielleicht auch noch gar nicht alle zum Lesen, aber danke ich diesmal sowieso ALLEN, die jemals die Fanfinc gelesen und sie kommentiert haben! Ihr seid der Grund für diese 15 Kapitel, wo ich nicht gedacht hätte, dass es so viele werden, als ich im Februar 2008 sie erstmals online gestellt habe. <3
 

Zum aktuellen Kapitel: Willkommen zum Grande Finale! Oder zumindest hoffe ich, dass es einigermaßen gelungen ist. Ich halt mich lieber zurück.
 

Nachwort: Was soll ich sagen? Mir dieser Geschichte geht eine "Ära" für mich zuende. Angefangen hat alles mit dem Leader-sama, ging über meinen unerträglichen Die und endet mit ihm als Frau. Während der 3 Jahre hab ich eine Menge erlebt, viele Leute kennen und schätzen gelernt. Bisschen wie Star hab ich mich auch gefühlt. Nur hier endet das alles, weil ich keine deutschen Fanfics mehr schreiben möchte, zumindest keine mehrteiligen, die auf Animexx veröffentlicht werden. Dir en grey sind noch immer meine Religion und mein Kao wird Die immer NUR lieben und keinen anderen, aber schreiben werde ich nur noch in Englisch und veröffentlichen in meinem Fanfiction Journal. Wenn ihr weiter lesen möchtet, würde mich das freuen. Ansonsten wünsch ich euch allen eine gute Zeit. Das wars. Hab euch lieb. ^^
 

Edit: Und alle Updates für weitere Fanfics von mir, findet ihr immer in meinem Stecki. :)
 


 

Kapitel Fünfzehn: Die unglaublichste Liebesgeschichte der Welt
 


 

Eigentlich war es recht einfach, einander zu umgehen, zu ignorieren oder wie Die es ausgedrückt hatte, ihn in Ruhe zu lassen. Wenigstens solange wie Kaoru etwas zu tun hatte, beschäftigt und vor allem abgelenkt war. Problematisch waren nur die Stunden alleine, welche er Nacht für Nacht auf seinem Zimmer oder im Bus verbringen musste. In der Stille dieser Zeit kam er nie umhin, die Gedanken wieder dahin schwirren zu lassen, wo sie nichts verloren hatten.

Bei Die und wie es dazu kommen konnte, dass sie nun kaum noch ein Wort miteinander sprachen.

Nur das Nötigste tauschten sie aus, benahmen sich ‚erwachsen' und kümmerten sich beide um ihre Arbeit, aber privat war totale Funkstille, schlimmer noch als bevor Die zur Frau gemacht wurde. Verstehen konnte es Kaoru wirklich nicht, aber es schien ihm nicht verkehrt, wenn er seinem Freund einfach Zeit gab. Andere Optionen blieben ihm doch sowieso nicht. Aufstand wäre nicht gut für die Band und so einfach aufgeben wollte er Die aber auch wieder nicht. Da waren sie soweit gekommen, hatten so viel durchgemacht und dann sollte Kaoru schlichtweg vergessen, was geschehen war? Das war auch nicht der richtige Weg.

Zumal Die tatsächlich den Eindruck machte, als hätte auch er nicht ganz abgeschlossen, da konnte er den Bandleader noch so ignorieren. Manchmal, wenn Kaoru gar nicht darauf achtete und eigentlich anderweitig abgelenkt war, spürte er Dies Blick auf sich ruhen. Nur dann, wenn Kaoru aufschaute und ihm in die Augen sah, wich der andere ihm aus und tat so, als wäre nichts gewesen. Also entweder machte sich Kaoru nun wirklich zum Vollidioten oder er wurde paranoid, doch etwas schien Die auf dem Herzen zu haben, was er aber wohl niemanden anvertrauen wollte.

Im Grunde würde Kaoru nicht einmal etwas dagegen haben, wenn sich sein Freund wenigstens einem anderen Menschen öffnen würde, doch auch hier schien man bei Die auf Granit zu beißen. Toshiya hatte sich bei ihm entschuldigt, was auch mehr oder weniger akzeptiert wurde, doch reden wollte Die nicht. Es war ganz so, als würde er sich komplett abkapseln von den anderen, wenngleich er auch sein altes Leben nicht aufzugreifen schien. Ganz sicher sein konnte Kaoru nicht, aber danach zu urteilen, wie Die sich immer wieder einfach verkroch, ließ darauf schließen, dass er zumindest nicht losspazierte, um sich wieder der Frauenwelt zu widmen.

Etwas gab es da, was er in sich trug und kein Ventil dafür fand. Wenn Kaoru ihm nur helfen könnte. Nur leider wollte Die wohl alles, nur nicht die Hilfe des Menschen, der sein Vertrauen missbraucht hatte. Ein wenig begriff Kaoru das auch, obwohl er nicht sagen konnte, was Die dabei so stur machte, dass er dem Älteren nicht wenigstens verzeihen konnte. Als ob Kaoru wirklich jedem davon erzählen würde. Was dachte Die denn von ihm? Er sollte doch wissen, dass das nicht so war.

Und Kaoru konnte sich noch so sehr den Kopf darüber zerbrechen, es würde doch nichts ändern. Also ließ er Die seinen Freiraum, seine Ruhe und viel Zeit, stets darauf hoffend, dass er irgendwann zur Vernunft kommen würde.

Was wohl der schwierigste Teil daran war.
 

"Sag ihm doch einfach mal, dass er dir was bedeutet," schlug Kyo unvermittelt vor, nachdem er aufgegeben hatte, die Aufmerksamkeit des Bandleaders zu erhaschen. Der stand da und war völlig in seiner Gedankenwelt versunken, während er nichts tat außer Die anzustarren. Dass vor ihm ein kleiner, nicht ganz unbedeutender Sänger stand, hatte Kaoru wohl gar nicht bemerkt.

Was ihm nun aber umso deutlicher wurde. Überrascht schlug er nun die Augen nieder, kaute auf seiner Lippe rum und suchte nach Worten oder aber einfach nur um ein bisschen Fassung. Woher kam das eigentlich? Kyo, schon klar, denn der stand vor ihm, aber seit wann denn? Und wieso kam er auf solche Vorschläge?

"Wie bitte?" Vielleicht hatte sich Kaoru auch nur eingebildet, dass der Sänger etwas gesagt hatte.

Ein Seufzen verließ dessen Lippen. "Selbst wenn wir jetzt so tun würden, als hätte uns Toshiya nicht erzählt, was du ihm anvertraut hast, ist es mittlerweile so offensichtlich, dass etwas zwischen dir und Die nicht in Ordnung ist. Also lassen wir die Heuchelei. Die und du. Ist es aus? Oder hattet ihr Streit?"

Offenbar wollte Kyo helfen, wovon diese anzunehmen Kaoru nicht unbedingt abgeneigt war. Jedoch hatte er das immerhin schon einmal zu oft in Anspruch genommen, wenn sich das auch damals um Toshiya gehandelt hatte. "Ja, nein. Nicht direkt. Keine Ahnung."

Was sollte Kaoru auch sagen? Mit dem Kopf schüttelnd, strich er sich die Haare aus den Augen und zuckte mit den Schultern. Dann ging er in den Bus.

Doch Kyo folgte ihm dicht auf den Fersen. "Du musst doch wissen, was los ist."

Sich zu seinen Papieren an den Tisch zu setzen, war wohl nicht der beste Zug. Nun kam Kaoru hier nicht raus, sondern wurde eindeutig von Kyo belagert, der noch nicht fertig mit ihm war. Das war auch nicht mal übel, wenn sich ein Freund nach ihm erkundigte oder sogar sorgte. Nur leider hatte Kaoru nicht das Gefühl, als könne er diesem Freund viel Aufschluss geben. "Er ist sauer, weil ich Toshiya das mit uns verraten hab."

Das brachte es so ziemlich auf den Punkt. Auch wenn es nicht alles war, was dahinter steckte. Zumindest wenn man Kaoru fragte. Nur für Kyo sollte es reichen.

"Noch immer?", fragte der Sänger, woraufhin Kaoru lediglich nickte. "Schon blöd. Dabei haben wir nicht mal ein Problem damit. Ich meine, ist zwar komisch, wenn man sich euch vorstellt, wie ihr..." Leicht verzog Kyo das Gesicht, bevor er den Gedanken von sich schüttelte. "Egal. Nur dachte ich, das wäre nicht nur... Sex."

Da konnte der Ältere fast nur lachen, wenn auch mit dem bitteren Geschmack von Ironie. "Tja, dachte ich auch." Und sein Gesicht begann ein wenig zu glühen in Anbetracht des merkwürdigen Themas zwischen ihm und Kyo. Das würde sich wohl so schnell auch nicht ändern. Der Gedanke, dass Kaoru etwas mit Die hatte, sie wohl schwul waren, das war noch immer nicht gerade einfach zu realisieren. Peinlich noch dazu. "Was soll ich machen? Ich hab ihn eben enttäuscht."

"Haste mal versucht dich zu entschuldigen?" Logische Frage, wie Kyo fand.

"Mehrmals. Nützt aber nichts. Die bleibt stur." Kurze Antwort. So waren die Dinge nun mal und sie zu vertiefen, war wohl keine gute Idee. Nicht, dass dann der Rhythmusgitarrist ganz durchdrehte, sollte er vom Gespräch zwischen ihnen erfahren.

"Ist doch doof. Soll ich mal mit ihm reden?" Für Kaoru würde Kyo das glatt machen, selbst wenn es wahrlich eine seltsame Situation war. Noch vor Kurzem hatte er Kaoru Beileid ausgesprochen wegen Daiyana und nun war es Die?!

"Nein, mach das bloß nicht." Für Kaoru stand fest, dass Die das keinesfalls gut aufnehmen würde.

"Okay, dann nicht. Nur, ich dachte, du und Die, das wäre... echt. Weißt du, was ich meine?" Für Kyo machte nicht alles Sinn. Es musste doch ernst sein, wenn Kaoru so etwas Toshiya erzählte. So etwas ließ man sich doch nicht aus Spaß einfallen. Trotzdem kam es dem Sänger komisch vor. "Kürzlich, da drehte sich alles noch um Daiyana und dann sagst du Toshiya, das alles war nur Show und du bist mit Die zusammen oder was auch immer. Jetzt ist es schon wieder aus? Das ist irgendwie..."

"Zuviel des Guten? Ja, ich glaube, ich weiß, was du meinst. Mir geht es nicht anders. Nur kann ich nichts machen. Wenn Die mir nicht verzeiht, dann war es das wohl." Und am besten beendeten sie beide hier auch ihr Gespräch. Kaoru würde noch in Teufels Küche kommen.

Kopfschüttelnd seufzte Kyo daraufhin kurz und verschwand. Er musste den Bassisten suchen. Irgendetwas war hier doch faul. Es konnte doch wohl kaum sein, dass die beiden Gitarristen ihnen nur einen Streich spielten. Entweder war die Lage ernster, als alle dachten, oder aber beide sollten gehörig eins auf den Deckel kriegen.

War Die wirklich nur stur oder hatte er einen guten Grund dafür, dass er Kaoru nicht verzeihen wollte? Hatte Kaoru mehr angestellt oder gab er einfach nur auf? Oder waren sie einfach beide nur zu blöd, das alles mal auf die Reihe zu bekommen? Das konnte man doch so nicht im Raum stehen lassen.
 

"Toshi, komm mal ran auf eine Zahnbürstenlänge!", befahl er also dem großgewachsenen Bassmann, sobald er ihn gefunden hatte. "Hast du mal mit Die gesprochen?"

"Naja, ich hab mich bei ihm entschuldigt fürs Ausplaudern und so," zuckte Toshiya mit den Schultern und legte seinen iPod beiseite. "Hab ihm auch gesagt, dass Kaoru nichts für kann. Aber seitdem war nichts. Haben sich die beiden noch immer nicht vertragen?"

Kyo schüttelte den Kopf. "Sieht nicht so aus. Kaoru sagt, er habe sich entschuldigt, aber Die bleibt stur. Da muss doch mehr sein. Entweder verarschen die uns nur, so komme ich mir nämlich langsam vor, oder sie haben beide einfach nur ein Kommunikationsproblem."

"Deren Köpfe sollte man gegeneinander hauen!", schlug plötzlich Shinya vor, der sich in das Gespräch einklinkte und nickte. "Die sind doch doof. Ignorieren sich gegenseitig aus gekränkter Eitelkeit und Unverständnis, wenn ihr mich fragt."

"Und was machen wir da?", wollte Kyo wissen, da es ebenso feststand, dass es so nicht weitergehen konnte.

"Keine Ahnung, aber auf jeden Fall etwas Radikales!", war Shinyas Meinung, denn er war es satt, Dies betrübtes Emogesicht Tag ein Tag aus zu sehen, weil er sich doch offenbar mit seiner Einstellung selbst nicht glücklich machte.

"Radikal find ich gut. Ich hab es satt, gegen eine Wand zu reden. Die merken ja nicht mal, wie sie sich gegenseitig nachschmachten. Total hirndebil, ey!" Das musste mal raus, fand der Bassist.

"Hm, eine Idee hätte ich da und wenn sie sich dadurch nicht vertragen, dann töten sie sich gegenseitig, aber geholfen wäre uns allemal." Da kannte Kyo eben nichts.

Toshiya und Shinya tauschten einen skeptischen Blick aus.

"Und was?", fragte letztlich Shinya.

"Wie radikal ist das denn?", wollte daraufhin auch Toshiya wissen.

"Sehr radikal. Kommt mit. Ich erzähl's euch irgendwo, wo wir ungestört sind." Mit einem Kopfnicken dirigierte Kyo seine Freunde dann in den hinteren Teil des Busses und schloss die Tür hinter sich ab. Nun konnte er sie einweihen und darauf hoffen, dass ihr Plan funktionierte.
 

Wie so oft kam Die als letzter in den Bus und wurde bereits am Eingang von Toshiya abgefangen. "Eh, du. Hast du Bock auf Playstation? Ich mag nicht allein."

"Hast du mal Kaoru gefragt? Der mag doch sonst so gerne deine Kriegsspiele," meinte Die trocken und wollte schon gehen, als Toshiya erneut den Gang blockierte und große Dackelaugen machte.

"Der mag nicht. Kaoru hat überhaupt zu nichts Lust und murrt nur rum. Komm schon, sei kein Frosch." Gut, das dumme Grinsen sollte er besser abstellen. Kam nicht gut. Da verzog Die nur das Gesicht. "Die anderen sind alle beschäftigt und ich mag doch so gerne! Bitte, Die! Bitte. Bitte. Bitte."

Mit einem Augenrollen gab sich Die geschlagen. "Boah, also gut. Aber geh mir nicht auf den Keks von wegen aus welchem Jahrhundert die dummen Hubschrauber nachgestellt sind."

"Du meinst die Black Hawks?", lächelte der Basser zufrieden.

"Wie auch immer," murrte der Ältere kurz und pflanzte sich in den hinteren Teil des Busses. Vielleicht war es ganz gut, wenn er und Toshiya hinten spielten, denn offensichtlich war Kaoru vorne mit irgendwelchem Kram beschäftig und in dessen Nähe wollte Die sowieso nicht sein. Im Bus war es schon schwierig genug sich immer auszuweichen. Zum Glück würden sie heute nur eine kurze Fahrtzeit haben.
 

Der Plan war ziemlich simpel. Toshiya beschäftigte Die und Kyo und Shinya halfen Kaoru, so dass er damit abgelenkt war zu arbeiten. Kurz vor Ende der Fahrt entschuldigte sich Toshiya noch einmal zur Toilette und schrieb von dort aus eine SMS an Shinya, der so tat, als würde er sie lesen und beantworten. Tatsächlich war Shinyas Klingelton lediglich das Zeichen für Kyo, um auch seinen Teil beizusteuern.

"Ach ja, wolltest du auch den neuen Liedtext schon mal haben?", fragte er ganz unschuldig, so dass Kaoru fast das Gesicht entzwei brach.

Natürlich wollte er den! Wenn Kyo so einen fertig hatte, bekam Kaoru den doch immer! Wieso fragte Kyo denn jetzt so doof, wo sie doch die ganze Zeit schon Reviews für neue Songs durchgesprochen haben? Wollte der Kleine nun auch eine Antwort? Der machte einen fertig manchmal. "Türlich will ich den."

"Okay, okay," nickte der Sänger und kratzte sich verlegen am Kopf. "Hab ich hinten irgendwo."

Erwartungsvoll starrte Kaoru ihn an. "Ja, und? Geh ihn holen."

Gähnend schob sich Kyo zurück in den Sitz. "Liegt dort auf dem Tisch."

Was sollte das nun heißen? Dass Kaoru ihn selbst holen sollte? Na vielen Dank auch! Wie nett man heute wieder war. Also manchmal konnte man sich ja echt aufregen über seine Bandkollegen, aber Kaoru hatte anderes im Kopf, als nun Kyo zu rügen dafür, dass er eine richtig faule Sau sein konnte. Da machte Kaoru so schon die meiste Arbeit, da musste er Botengänge wohl auch noch machen? Wo war denn Nora, wenn man die mal brauchte? Die diskutierte mit dem Fahrer über die Route, na toll.

Fein. Dann ging Kaoru eben selbst.

An dieser Stelle kam dann auch Toshiya wieder ins Spiel, der kurz darauf die Toilette verließ und sich an Kaorus Fersen heftete. Kaum hatte dieser den hinteren Teil des Busses betreten, machte Toshiya den finalen Geniestreich perfekt und schloss die Tür zum Gang. Dann drehte er den Schlüssel rum.

"So, das war's," meinte Kyo mit einem Kopfnicken.

"Das wird unschön werden," nuschelte Toshiya bedächtig und seufzte.

"Der Zweck heiligt aber die Mittel," versicherte Shinya und lief mit den anderen beiden davon, um den Rest der Crew das Betreten des hinteren Raumes zu verbieten.
 

"Hier liegt doch gar nichts," maulte Kaoru leise vor sich hin, während er abermals von Die ignoriert wurde, der so tat, als würde er spielen. Dass aber im Grunde Toshiya am Zug war, fiel dem Bandleader hoffentlich nicht auf. Was der zu murren hatte, tat gerade sowieso nichts zur Sache für Die.

Knurrend drehte sich Kaoru also wieder um, missachtete auch brav Die und wollte die Tür öffnen, rüttelte dann feste daran und wurde langsam immer verwirrter. "Blöde Scheißtür."

Trotz nochmaligen Rüttelns tat sich allerdings nichts. Diese Tür war zu und ging nicht auf.

"Das gibt's doch nicht," nuschelte Kaoru verärgert vor sich hin und war nahe dran, vor die Tür zu treten. Man verarschte ihn doch gerade, richtig? Die Tür klemmte NIEMALS. Wer zur Hölle hatte also abgeschlossen und ihn mit...? Moment mal. Etwas dämmerte Kaoru und leise seufzend, strich er sich die Haare aus dem Gesicht und atmete tief durch. Wenn das diese Mistkäfer waren, dann würde er sie umbringen!

Verwundert starrte Die auf das Geschehnis an der Tür und fragte sich, ob Kaoru noch ganz dicht war. Sah ganz so aus, als hätte er ein Problem. Nur was ging Die das an? Das kam ganz darauf an, was es für ein Problem war, denn anscheinend ließ sich die Tür nicht öffnen und was das bedeutete, gefiel Die keineswegs.

"Was ist los?" Und da passierte es auch schon. Er sprach mit Kaoru, wenn auch nur als Mittel zum Zweck. Nothalber war das schon mal okay.

"Die Tür ist abgeschlossen. Von draußen," erwiderte Kaoru kurz und bündig.

"Wieso das denn? Was hast du gemacht?" Bestimmt hatte er nur irgendwelchen Mist gebaut und war zu dämlich das Ding aufzumachen. Oder aber es war seine Schuld, dass man sie eingeschlossen hatte, denn auch Die bekam die Tür nicht auf.

"Nichts hab ich gemacht. Woher soll ich denn wissen, warum diese Idioten uns hier eingeschlossen haben?" Kaoru trat jedenfalls erst mal von der Tür weg und holte das Handy raus. Denen würde er Droh-SMS schreiben, bis seine Prepaid-Karte alle war! Wer hatte ihn eigentlich dazu überredet, so eine limitierte Karte zu kaufen? Was für ein Rotz!

Das Wörtchen ‚uns' löste nun aber mehr als nur Ärger aus in Die. Sie hatten nicht nur Kaoru, sondern auch ihn eingeschlossen. War das zu fassen? Was sollte der Mist? Wütend schlug er gegen die Tür und brüllte dagegen: "Macht die Tür auf, ihr Wichser! Was soll die Scheiße? Bewegt eure dummen Ärsche her und schließt auf! Ich steh nicht auf eure Kinderkacke!"

Doch nichts tat sich und Die knurrte, bevor er abermals vor die Tür hämmerte.

Mittlerweile hatte Kaoru schon seine dritte SMS geschrieben, da hämmerte Die noch immer und so langsam ging es dem Bandleader auf die Nerven. "Die, lass. Die machen nicht auf."

"Und wieso sollten sie das nicht tun?" Die Hände in die Hüften gestemmt, blickte Die den anderen vorwurfsvoll an. Also hatte Kaoru doch etwas damit zu tun, dass sie nun hier drinnen gefangen waren. Oh, wie er dem am liebsten den Kopf abreißen würde!

"Na, überleg mal," antwortete Kaoru patzig und seufzte gleich hinterher, bevor er sich gegen den Tisch lehnte und die Hände in die Hosentasche schob. Er sollte ruhiger hier ran gehen. Die sah wütend wie eine Furie aus. "Die haben es mit Absicht gemacht und warum sollten sie ausgerechnet uns beide einschließen? Ohne jeden Grund vor allem, denn offensichtlich hat mich Kyo gelinkt und das, was ich holen wollte, ist sowieso nicht hier."

War es zu fassen? Die drehte gleich durch. Die wollten also, dass er sich mit Kaoru auseinander setzte? Was ging die Mistkerle das an? Wieso fragten sie ihn nicht einfach mal, wenn sie etwas nicht kapierten? Diese Aktion war unter aller Sau.

"Ist mir doch egal, warum sie das gemacht haben. Hier drin bleib ich jedenfalls nicht!" Und wiederum schlug Die vor die Tür und trat dann voller Wucht dagegen, so dass ihm der Fuß schmerzte. Die Tür jedoch blieb unberührt davon. Dann nahm er auch sein Handy, probierte alle Nummern durch und als selbst der Busfahrer nicht antwortete, warf Die das Telefon gegen die Fensterscheibe. Da kam ihm eine Idee. "Man muss hier irgendwie rauskommen."

Wunderbar. Anstatt sich damit auseinander zu setzen, warum die anderen auf solch eine bescheuerte Idee gekommen waren, ignorierte Die das alles und suchte nach Auswegen. Dämlich, wenn man Kaoru fragte, da sie ja noch in voller Fahrt waren.

Zumindest bis gerade eben, als plötzlich der Bus anhielt. Das war Dies Chance! Sie konnten ihn nicht ignorieren. Vor die Scheibe hämmernd, konnte er mit ansehen, wie alle den Bus verließen, auch seine Bandkollegen, die ihn zwar anschauten, aber nicht reagierten. "Fiese Mistkröten. Euch schlag ich windelweich!"

Da musste Kaoru glatt kichern. Die und jemand zusammen schlagen. Der war gut.

"Was lachst du so blöd?" Dennoch schnaubte er so furchteinflößend, dass man meinen konnte, es käme Rauch aus seinen Nüstern.

"Ich mach gar nichts," zuckte Kaoru mit den Schultern.

"Das sehe ich! Anstatt deinen Arsch in Gang zu kriegen, damit wir hier raus kommen, stehst du doof da und machst gar nichts!" Was Die echt auf die Palme brachte.

"Was soll ich denn bitte machen? Die können uns nicht ewig hier drin lassen. Also warten wir halt ab, bis sie zur Vernunft kommen." Für Kaoru war die Sache klar. Er würde es aussitzen, egal wie lange es dauerte. Früher oder später brauchten die anderen sie.

"Ich hab aber keine Lust zu warten!", brüllte Die unnötigerweise durch den Raum und begann, sämtliche Fenster abzusuchen. Hier musste es doch einen Notausgang geben! Die Scheiben ließen sich alle nicht weit genug öffnen, nur ein kleiner Teil davon leicht ankippen und eine Dachluke gab es auch nicht. Doch was er fand, war ein Notfallhammer, mit dem man die Scheiben doch zertrümmern konnte, nicht wahr?

Als Kaoru diesen jedoch in Dies Händen sah, dazu noch dessen psychopatischen Blick, stand der Bandleader wie eine Eins und riss die Augen auf. "Jetzt lass den Bus ganz."

"Nein, lass ich nicht. Ich will hier raus!" Denn, was er nicht wollte, war sich mit Kaoru und ihren Problemen auseinander setzen zu müssen.

Und dass Die ernst machte, sah man nicht nur an den verrücktblickenden Augen, sondern auch daran, dass er ohne zu zögern den kleinen Hammer gegen die Scheibe donnerte. Sogleich erschien ein kleiner Riss wie ein Steinschlag daran.

Kaoru bekam Panik. "Hör auf mit dem Mist! Du kannst doch nicht den Bus zerschlagen! Bist du noch ganz dicht?"

"Halt den Mund und sag mir nicht, was ich tun oder lassen soll! Mir ist der Bus scheißegal. Ich will hier raus und zwar sofort!", schrie Die fast hysterisch und donnerte den Hammer noch einmal dagegen. So wie er sich allerdings anstellte, verletzte er sich womöglich höchstens selbst.

Trotzdem wurde Kaoru ganz anders zumute. "Die! Verdammt noch mal, lass das!"

Doch dem war egal, was sein Freund ihm für Anweisungen gab. Noch einmal schlug er den Hammer dagegen und schaffte es tatsächlich, den Riss zu erweitern, wenngleich er ebenfalls seine Hand verletzte. "Verfluchtes Scheißding! Jetzt geh kaputt!"

"Die!", versuchte Kaoru es abermals und trat näher ran. Wenn sich Die die Finger brach, war hier keinem geholfen. Doch der schien ihn nicht mal wahrzunehmen. "Daisuke! Leg den Hammer hin und hör auf jetzt!"

Abermals zwecklos und Kaoru wurde himmelangst. Sein Freund kam ihm ganz so vor, als nahm er ihn gar nicht mehr wahr, während er den kleinen Hammer wieder und wieder gegen die Scheibe schlug und sie doch nicht zerbrach. Außer dass Die seine Finger wund hauen würde, sie womöglich anschwellen oder gar brechen bei den dürren Knochen, die der Mann hatte. "Komm schon, Die. Bitte leg das Ding jetzt weg und beruhig dich."

"Ich bin ruhig," flüsterte der Größere hitzig, haute halbherzig doch wiederholt gegen die Scheibe und sah Kaoru nicht an. Wie ein Geistesgestörter wirkte Die und so langsam konnte der Ältere es wirklich nicht mehr mit ansehen.

"Komm jetzt. Hör auf damit!", sagte er so ruhig er konnte, doch löste wiederum nur aus, dass Die eine erneute Attacke gegen den Bus startete. Nun war aber gut. Das musste aufhören und Kaoru musste eingreifen. Er packte Die am Arm und wirbelte ihn zu sich herum. "Gib das Ding jetzt her!"

"Nein!", schoss es reflexartig aus Die, während er versuchte sich dem Kleineren zu erwehren. "Lass mich los!"

"Gott verdammte Scheiße, Daisuke! Gib das Ding jetzt her! Du drehst ja vollkommen durch!", waren des Leaders letzte Worte, die Die aber so offensichtlich gar nicht hörte.

"ICH BIN NICHT SCHWUL!"

Diese Resonanz gebot Kaoru allerdings Einhalt. Wo kam das denn her?

Selbst Die stockte der Atem. Das hatte er doch gar nicht sagen wollen. Oder doch? Lag ihm das so sehr auf dem Herzen, dass er einfach herausgeplatzt hatte? Plötzlich ließ er den Hammer fallen und sank auf einen der Sessel. Kaoru hatte recht. Die drehte durch.

Einen Schritt zurück machend, schaute der Ältere seinen Freund an. War das sein Problem? Hatte er wirklich nur Angst, dass er nun schwul sein könnte? Das war doch aber total dumm. Nun tat Die ihm fast leid, wie er so da saß, wie ein Häufchen Elend.

"Das weiß ich," seufzte Kaoru, während seine Schultern deutlich sanken. "Du bist genauso wenig schwul wie ich." Vielleicht traf es das auf den Punkt. Sie waren beide nicht schwul und von dem Gesichtspunkt her wohl auch nicht füreinander bestimmt. Jetzt oder nie war die Zeit darüber zu reden. "Warum sagst du nicht, wenn dir das alles solche Sorgen macht? Hör mal, ich weiß, du bist nicht schwul und wenn du keine Beziehung willst, dann ist das okay. Ich bin dir nicht böse, aber rede doch mit mir. Wenn du denkst, es ist besser so, dann versteh ich das. Dann sind wir eben nicht zusammen. Vielleicht hast du ja recht."

Und wieder war es für Kaoru okay. Immer war es einfach so in Ordnung, obwohl Die DAS ganz sicher nicht hören wollte. Kaoru liebte ihn nicht. Doch all die Aggression in Die war dank der Fensterscheibe weg und nun wollte er nur noch heulen wie so oft. Ständig unterdrückte er das nur und benahm sich wie eine Zicke. Dabei tat es ihm einfach nur weh. Das Gesicht in den Händen vergrabend, spürte Die auch schon, wie er seinen Tränen langsam nicht mehr standhalten würde.

"Es tut mir leid," sprach Kaoru dann weiter, denn er hatte doch wirklich niemals seinem Freund weh tun wollen. Kam er denn wirklich so rüber, als würde er nichts verstehen? Wenn jemand, dann konnte Die doch mit ihm reden, oder nicht? "Ich wollte dich zu nichts drängen." Immerhin hatte Die schon vor ihrer gemeinsamen Nacht aufgeben wollen. "Du bist mir doch wichtig und ich will, dass du glücklich bist. Ohne mich bist du wohl wirklich besser dran. Okay? Sind wir... ist das okay? Die?"

"Du machst mit mir Schluss!", schluchzte der Jüngere unerwartet unter seinen Händen hervor und schaute Kaoru mit tränengefüllten Augen an. "Du machst einfach mit mir Schluss. Dabei liebe ich dich und immer, wenn ich gemein zu dir bin, ist es völlig okay für dich. Weil ich dir egal bin. Dabei hast du recht," jammerte er mit zitternder Unterlippe, "und ich weiß nur einfach nicht, was ich bin. Vielleicht schwul, vielleicht auch nicht. Vielleicht dreh ich auch nur vollkommen durch, aber für dich erscheint all das so einfach und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Dabei will ich nur dich. Nur noch dich und das macht mir Angst. Verstehst du das auch?" Mit dem Ärmel wischte sich Die übers Gesicht und schniefte. "Ich verstehe nämlich gar nichts mehr und jetzt willst du mich auch nicht mehr."

Okay, nun kam Kaoru kaum noch mit. Eins war aber sicher: "Ich mach nicht Schluss mit dir." Wie konnte Die das nur denken? Kaoru hatte doch gedacht, es war, was Die wollte. Nun saß er hier weinend vor ihm und brach dem Älteren fast das Herz damit. Das hielt doch keiner aus! Kaoru musste nun einfach die Hand ausstrecken und seinem Freund über den Schopf streicheln, bevor er ihn an sich drückte. Die liebte ihn. Das hatte er gesagt. Und er glaubte ernsthaft, Kaoru tat das umgekehrt nicht. "Wenn ich sage, dass etwas okay ist, dann doch nur, weil ich will, dass du glücklich bist. Nicht weil du mir egal bist. Das bist du nicht. Ich..." Gesagt hatte er es wirklich noch nie. Das stimmte. Dumm von ihm. "Ich liebe dich auch und zwar sehr. Mehr als alles andere. Du DARFST nicht denken, dass das nicht so ist. Es tut mir leid, wenn du den Eindruck hattest. Aber das ist doch genau das, warum ich zu Toshiya ehrlich war. Weil ich dich liebe und mit dir zusammen sein will, ohne dass ich ständig etwas verheimlichen oder lügen muss. Es tut mir wirklich leid, wenn dich das verwirrt hat oder dir Angst macht."

"Macht es aber," nuschelte Die gegen den Bauch des Leaders, gegen den er sich so schön gekuschelt hatte. Immerhin war es Kaoru, der ihn an sich gedrückt hatte und nun schlang Die auch seine Arme um den anderen und blieb genau da, wo er war. "Weil du unglaublich toll bist. Wenn etwas nicht klappt, findest du eine Lösung. Wenn du plötzlich einen Typen als Freund hast, dann bist du ehrlich. Einfach so, als wäre es ganz normal. Du machst einfach was und bist nicht feige, so wie ich. Und eigentlich verdienst du etwas Besseres als mich."

"Schwachsinn," begann Kaoru sofort, das zu wiederlegen. "Du bist zu mir gekommen und hast nicht gekniffen so wie ich. Du hast recht. Ich hätte wahrscheinlich ewig rumgesessen und dir nachgetrauert, anstatt in die Gänge zu kommen. Und dafür bin ich dir dankbar. Nur stößt du mich plötzlich weg. Das alles nur, weil du nicht weißt, was du bist?"

Beruhigend fuhr Kaoru mit den Fingern durch Dies Haar, damit dies auch weiterhin ein so aufschlussreiches und ebenso ruhiges Gespräch blieb. Denn ein wenig Angst hatte Kaoru schon, dass sein Freund ihn wieder falsch verstand.

"Du weißt ja auch nicht, wie das ist," begann Die dann und ließ Kaoru keinesfalls los. Lieber nuschelte er alles gegen seinen Bauch. "Plötzlich wach ich auf und bin ne Frau. Dann schlaf ich mit dir und bin wieder ein Kerl, der sich in dich verliebt hat. Und jetzt kommt mir das alles schon ganz surreal vor. War ich wirklich ne Frau? Das kommt mir vor wie ein Traum. Nur leider basiert das, was wir haben, doch auf dem Traum. Das ist alles nicht mehr greifbar, verstehst du? Ich hätte einfach ne Frau bleiben sollen. Aber stell dir mal vor, ich wäre nie eine geworden. Dann gäbe es ‚uns' nicht. Wie aber soll ich denn erklären, dass ich nun einen Mann liebe? Einfach so. Wo ich doch eigentlich gar keine Männer mag. Ich mag nur dich."

Die kullernden Tränen weichten zwar so langsam Kaorus T-Shirt auf, aber das machte nichts. Es erweichte nämlich sein Herz noch viel mehr. "Du musst dich doch auch niemanden erklären." Natürlich verstand Kaoru das, was Die meinte. Sie konnten ihre unglaubliche Geschichte niemanden erzählen. Trotzdem hatte es was gebracht und Liebe war nicht gerade nichts. "Das geht andere doch einen feuchten an. Dachtest du, ich würde Toshiya auch erzählen, dass du eine Frau warst? Die, es tut mir leid. Ich hab einen Fehler gemacht. Ich hätte nichts sagen sollen."

"Nein, das ist ja nicht mal schlimm," erwiderte Die stur. "Es schmeichelt ja sogar, dass du zu mir stehst. Aber was ist denn, wenn dich jemand fragt, wie du dich in mich verliebt hast?"

"Dann sag ich denen, wie es war. Dass ich in dir einen ganz lieben Menschen gefunden hab, der mich zwar ständig aufzieht, aber genauso schätzt, wie ich bin. Und dass mir egal ist, dass du ein Mann bist. Dann ist das eben so. Du hast mir vertraut und ich vertrau dir. Ich will mit dir zusammen sein, dich bei mir haben. Du bist das, was mir gefehlt hat. So hab ich mich in dich verliebt." Denn dass Die mal eine Frau gewesen war, kam Kaoru mit der Zeit mindestens genauso unwirklich vor. Das konnte er vollkommen verstehen. Nur so wie diese Tatsache aus seiner Erinnerung zu weichen schien, blieb die Liebe für seinen Freund umso stärker bestehen. So unglaublich es auch war. Nur Kaoru konnte es akzeptieren.

"Ehrlich?" Schmeichelhaft war auch ohne Zweifel dieses Geständnis für Die. Fakt war auch, dass er wusste, dass Kaoru ehrlich war. Warum nur war aber Die dann so unsicher und verwirrt, während Kaoru so selbstsicher war? Dabei war es doch der Jüngere, der immer so sicher durch die Welt stolziert war.

"Ehrlich," versicherte Kaoru, als Die mit leicht geschwollenen Augen zu ihm aufsah. "Ich hab mich furchtbar verliebt in dich und das ist, weil du nun mal du bist, egal welches Geschlecht du hast." Und um seinen Standpunkt deutlich zu machen, legte er die Hände an Dies Wangen und beugte sich nach unten, um ihm endlich einen lang ersehnten Kuss zu geben.

Möglicherweise war es tatsächlich so. Immerhin hatte sich auch Die in den anderen verliebt, obwohl er eigentlich immer im Inneren ein Mann gewesen war. Das, was ihm bisher immer gefehlt hatte, füllte Kaoru aus. Außerdem fand Die noch immer, dass er süß war. "Du bist süß."

"Was?" Gehörte das nun zu ihrem Gespräch oder hatte sich Kaoru verhört? Er und süß?!

"Ja, du bist süß, vor allem da drinnen!" Die deutete mit dem Finger auf Kaorus Brust und lächelte zu ihm auf. "Und ich will mich nicht von dir trennen."

"Dann mach's nicht," schlug Kaoru mit einem altklugen Grinsen vor und drückte noch einen Kuss auf Dies Lippen, die ihn noch ein paar Sekunden länger in Anspruch nahmen, als geplant war. "Mir ist es aber wirklich egal, was andere davon halten. Nur haben wir sicherlich kaum eine Wahl und werden auch weiterhin viel zu lügen haben, auch wenn die anderen Drei es nun wissen. Tut mir leid."

"Ist ja schon gut," winkte Die ab und zog Kaoru zu sich hinunter auf den Schoß. War doch schon fast peinlich, wie oft der Mann sich entschuldigte. "Ist mir auch egal... glaub ich. Naja, schon. Mein Kopf ist nur ein bisschen langsam. Kaum zu fassen, dass wir echt zusammen sind, weißte?"

Nickend stimmte Kaoru dem zu, denn früher hätte er sich eher nicht auf dem Schoß eines anderen Mannes befunden, ohne dem die Zeigefinger in die Augen zu pieken. "Genieße es doch einfach. Die ganze Aufregung gehört doch dazu, wenn man verliebt ist."

Wieder hatte Kaoru recht. Anscheinend war es wirklich so, dass Die genau das Gefühl schon ewig nicht mehr gefühlt hatte. Er kannte das kaum noch. "Etwas weniger Aufregung wäre trotzdem nett. Ich denke immerzu, dass ich mich noch wie ne Frau benehme. Ziemlich krass. Und nun heule ich auch noch vor dir. Das ist..."

Unangenehm.

"Spinnst du? Das geht mir doch auch so und ich war keine Frau." Fakt.

"Aber du heulst wenigstens nicht." Argument.

"Als ob du das wüsstest?." Zweifel. "Was denkste, was ich gemacht hab, wenn ich nachts ganz allein schlafen musste?"

"Glaub ich dir nicht." Kaoru und flennen? Das existierte nicht.

"Ist aber so," entgegnete er ernst und legte die Arme fest um Dies Schultern, bevor er den Kopf auch darauf ablegte. "Ich vermiss dich doch und du hast ein paar Sachen gesagt, naja, das hat gesessen."

Da kullerte doch glatt die nächste Träne aus Dies Rehaugen. "Das tut mir so leid. Ich hab das gar nicht sagen wollen. Ich war nur so wütend auf dich und da hab ich... dir wehtun wollen, weil du mich verletzt hast. Dabei liebe ich alles an dir, echt alles. Sogar deine ganzen Kritzeleien an den Armen und so..."

"Danke," lächelte Kaoru einseitig und trocken, als er wieder aufblickte. Das war doch endlich wieder der Die, den er kannte und liebte.

Grinsend vergrub der Jüngere dann seine Finger im Haar des anderen, zog ihn zu sich und küsste ihn tief. Ja, so ulkig und grotesk Kaoru auch manchmal wirkte, Die liebte sogar das an ihm, jedes kleinste Bisschen, das den kleinen Gnom ausmachte.

"Und was machen wir jetzt?", fragte Die dann, als er Kusspause machte und sich umschaute. "Draußen ist es schon dunkel und wir haben uns doch jetzt vertragen. Eigentlich könnten sie uns rauslassen, oder?"

"Ich schreib noch eine Nachricht an Kyo." Gesagt, getan. Denn nun, wo alles wieder in Butter war, konnten sie die Tür auch wieder aufmachen.

Leider sah Kyo das anders: Freut uns sehr. Dann genießt die Nacht im Bus!

"Wie meint er das denn?" Kaoru kam da echt nicht mit.

"Er glaubt uns kein Wort," klärte Die ernüchternd auf. "Woher soll er auch wissen, ob es stimmt, was wir sagen? Die lassen uns echt hier drin schmoren, diese miesen Kröten."

"Hey, es gibt Leute, die würden sich freuen, wenn sie die Nacht mit mir im Bus verbringen könnten," neckte Kaoru gespielt verletzt und zog einen Schmollmund, über den Die nur durch die Nase lachen konnte.

"Die denken auch an den ganzen Bus." Verständlich, denn die Betten waren vorn.

"Und ich hab meine ganzen Sachen vorn. Mir wird kalt hier nur im T-Shirt." Sich über die Arme rubbelnd kletterte Kaoru von Die runter und seufzte leise.

"War mir gar nicht aufgefallen, dass du kurzärmelig trägst," murmelte der Jüngere und stand ebenfalls auf. "Hier müssen irgendwo Decken sein und wenn die nicht reichen, wärm ich dich halt." Womit Die auf die Suche nach besagten Decken im hinterletzten Busteil ging, dort wo die lange Sitzbank war. Er brauchte auch nicht lange, um sogar drei davon zu finden, legte eine auf die Bank, rollte eine als Kissen zusammen und nahm eine als Zudecke, als er es sich schon mal bequem machte und die Arme aufhielt. "Voila. Dein Bett ist fertig."

Schmunzelnd lief Kaoru zum anderen hinüber und drückte ihm erst einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich zu ihm kuschelte. "Wie romantisch."

"Ja, ist fast wie damals im Ferienlager," stimmte Die zu.

"Du warst im Ferienlager?" Hatte Kaoru gar nicht gewusst.

"Ja, nein, also nur einmal. Sie mussten mich abholen, weil ich Heuschnupfen bekam." Traurige Geschichte, aber nun mal wahr.

"Kann dir hier nicht passieren." Gut eingewickelt in Die und die Decke bettete Kaoru seinen Kopf an Dies Schulter und hielt sich gut an ihm fest, damit er auch nicht von der schmalen Bank fallen würde.

"Ich finde, wir sollten es den anderen heimzahlen," kam dem Jüngeren plötzlich in den Sinn.

"Aber hallo! Ich hab total den Hunger und krieg kein Abendbrot. Das schreit nach Rache!", nickte Kaoru kräftig und rieb sich den Bauch.

Kichernd küsste Die schnell seinen hungernden Freund. "Da kannst mich vernaschen."

"Verlockend." Und schon klebten Kaorus Lippen fest an denen des anderen, stets auf Mandelsuche, während er versuchte, dabei nicht tatsächlich noch vom ihrem ‚Bett' zu fallen. Keuchend brach er dennoch ab. "Verschieben wir das auf Morgen."

"Einverstanden." Denn für Die war es auch nicht unbedingt bequem. "Außerdem müssen wir erst mal einen Racheplan schmieden. Schwebt dir was vor?"

"Ich hätte da einen Ansatz. Pass auf, also Morgen," begann der Ältere dann und hatte schnell mit Hilfe seiner besseren Hälfte einen Plan auf die Beine gestellt, der helfen sollte. Danach entschieden sie sich aber dennoch, lieber weiterzuknutschen und die verlorene Woche aufzuholen.
 

Gähnend stand Kyo am nächsten Morgen vor dem Bus und versuchte sich an den Code für die Tür zu erinnern. Zum Glück waren Toshiya und Shinya an seiner Seite, die ihm dabei halfen.

"Ab in die Höhle der Löwen, wie?", frotzelte Toshiya noch, bevor sie den Bus betraten und gemeinsam vor der Tür zum hinteren Teil standen.

"Kaoru wird uns den Kopf abreißen," piepste Shinya leise als letzten Gedanken.

"Wenn Die nicht angebissen hat schon," gähnte Kyo abermals und schloss dann endlich die Tür wieder auf. Im Raum war lediglich das Übliche zu sehen. Sitzbänke links, rechts und hinten, ein Tisch in der Mitte und davor waren im Gang zwei Sessel vor dem Fernseher mit der Playstation.

"Wo sind die?", fragte Toshiya gerade, als er sich umblickte und gerade noch sah, wie die beiden Zelleninsassen aus ihrem Versteck heraus im Wandschrank neben der Tür kamen und genau durch diese verschwanden.

Indem war besagte Tür auch wieder zugeschlossen und Kyo schnaubte. "Das war..."

"Eindeutige eine Retourkutsche," vollendete Shinya den Satz und verschränkte die Arme.

"Haben die uns jetzt eingesperrt?" Toshiya probierte lieber mal die Tür und klopfte dann von innen daran. "Hey, jetzt seid doch nicht so. Macht wieder auf."

"Vergiss es, Toshi. Das hat keinen Sinn," maulte Kyo leise und machte es sich im Sessel bequem. "Die wollen Gleiches mit Gleichem vergelten, also sollen sie doch. Spätestens heute Nachmittag brauchen sie uns."

"Aber es ist neun Uhr am Morgen!", protestierte Toshiya und erntete lediglich ein Schulterzucken vom Sänger, bevor er ans Fenster ging und wie ein Gefangener hinaus schielte. Fehlten nur die Gitterstäbe.
 

Gegenüber der Tür strahlten sich die Gitarristen an.

"High Five!", verlangte Die und bekam dies auch pronto. Als Belohnung gab er Kaoru einen Kuss. "Und was machen wir jetzt?"

"Essen!", schlug Kaoru ohne Umschweife vor und grinste. "Und dann... schauen wir mal. Bis heute Nachmittag haben wir locker Zeit und die will ich mit dir verbringen."

"Oho," grinste Die breit und nahm den Kleineren bei der Hand.

Leider musste Kaoru diese außerhalb des Busses wieder loslassen, ließ es sich aber nicht nehmen, kurz ein vielversprechendes Grinsen an Die zu richten, der dies erwiderte. Dann gab er Kaoru einen Klaps auf den Hintern und eilte an ihm vorüber ins Hotel, so dass der Bandleader einen Moment lang nur dastehen und nach Luft schnappen konnte. Gott sei Dank hatte DAS niemand gesehen.
 

Die Stunden vergingen nur so, allerdings weniger schnell. Toshiya hatte sich die Playstation zur Freundin gemacht, Shinya feilte sich die Fingernägel und Kyo pennte im Sessel. Doch alle von ihnen hatten irgendwann den Kanal voll und langweilten sich von Minute zu Minute mehr.

"Was denkt ihr, was die solange alleine machen?" Rein rhetorisch war die Frage von Toshiya nicht, denn eigentlich konnten es sich alle denken. Nur fragte er sich, ob sich die anderen auch ein Bild davon machten?

"Das will ich mir gar nicht vorstellen," murrte Kyo leise und legte die Arme nun auf den Tisch, um den Kopf darauf zu betten.

"Was werden die schon machen? Entweder streiten oder... eben nicht." Da kam sogar Shinya ins Stocken. Sein guter, alter Kumpel Die, der Weiberheld und Sprücheklopfer, hatte ein Techtelmechtel mit Kaoru, ihrem Bandpaps. Eklig irgendwie. "Die haben immerhin die ganze Nacht hier drin verbracht."

"Urgh!", schoss es aus Toshiya und er stand auf. "Vielleicht hatten sie auch Sex hier drin?"

Eine alte Zeitschrift traf ihn dann am Kopf. "Halt die Klappe, Toshimasa!", plärrte Kyo böse und knurrte. "Hab ich nicht gesagt, ich will es mir nicht vorstellen?"

"Musste ja auch nicht," murmelte der Bassist und rieb sich seinen Schädel. "Ich sag ja nur. Was macht man sonst die ganze Zeit hier drinnen?"

Shinya riss die Augen auf. "Sich hinsetzen und warten! Oder willst du etwas vorschlagen? Hast du jetzt auch dein Outcome?"

"Was?" So war das nie gemeint gewesen. "Ich doch nicht!"

"Dann setz dich hin und halt den Mund," befahl Kyo herrisch, denn anhand der Tatsache, dass er hier im Raum der Älteste war, errechnete er sich auch das Kommando. "Kann nicht mehr lange dauern. Es ist schon Vierzehn Uhr Dreiundzwanzig."

Ein Seufzer schallte durch den Bus.
 

Glücklich seufzend musterte Die die Zimmerdecke und grapschte nach Kaorus Hand. "Wow."

"Mmmh," schnurrte Kaoru leise, bevor er sich in die Arme seines Freundes rollte und sich dort wie ein Katerchen ankuschelte.

"Hätte nie gedacht, dass das so..." Geil sein konnte, wollte Die sagen, aber das traf es noch nicht ganz. Es war mehr als das. Es war ein wenig pervers und zugleich auch total abgefahren gut, auch wenn es ziemlich krass war. Beschreibungen hatte er noch nie geben können.

"Ich weiß," lächelte Kaoru selig und streichelte seinem Liebling die Brust, während er genoss, dass ihre Körper noch fast glühten vor Hitze. "Das ist so..."

"Mmh," stimmte Die zu, obwohl auch der Ältere wohl kein Wort dafür fand, wie es war. Auf jeden Fall war es nicht halb so schmerzhaft gewesen, wie Die gedacht hatte nach seinem ersten Versuch. Nun war auch er offiziell - oder eher beziehungsintern offiziell - nicht mehr jungfräulich, was sein liebes Hinterteil anging und das Beste war, dass er es genossen hatte. Unglaublich. Noch eine Sache mehr, die sein Hirn kaum zu verarbeiten wusste. Dass Kaoru es im Bett brachte, hatte er ja schon gewusst und trotzdem war er aufs Neue begeistert. Dabei hatten sie es gar nicht geplant gehabt, nur ein bisschen gekuschelt, dann rumgeknutscht, gefummelt und am Ende hatte Die noch einen Versuch gewagt, auch mal am empfangenden Ende zu sein. Was er nun nicht bereute. "Aufs nächste Mal warten wir aber nicht wieder so lange."

Grinsend hob Kaoru den Kopf. "Keine ganze Woche?"

"Nee," grinste Die ebenso mit. "Das ist viel zu lang für mich!"

Im selben Moment rollte er sich auf Kaoru und attackierte dessen Lippen mit heißen Küssen, bis dass beide kaum noch Luft bekamen und nur deshalb unterbrechen mussten. Gut, und weil sie wussten, dass die Zeit langsam drängte.

"Wir müssen dann bald mal die anderen wieder rauslassen," bemerkte Kaoru, der eigentlich gar keine Lust hatte, Die schon gehen zu lassen.

"Wegen mir können sie auch bis Morgen noch da drin schmoren!" Es wäre Die eine Ehre ihnen das anzutun.

"Ja, aber dann müssen wir heute ohne sie spielen," lachte der Ältere.

"Als dynamisches Duo! Nur Gitarrensolos, Kao. Unser Traum wird wahr!" Noch einmal küsste Die den anderen stürmisch und ließ dann endgültig von ihm ab, leise seufzend, während abermals ein breites Lächeln auf Kaorus Gesicht erschien. So hatte es Die aber auch am Liebsten. Immerhin wollte er seinen Schatz doch nun immer so zum Lachen bringen und jetzt, wo er die Pausbacken so ansah, erinnerte er sich auch wieder daran. "Nach der Show ist ja auch noch Zeit."

"Zu dir oder zu mir?", war des Leaders letzte Frage, bevor er sich den Jüngeren wiederum krallte und nochmals dessen Lippen vergewaltigte. Erst dann trennten sich beide, leicht panisch, als der Wecker plötzlich Fünfzehn Uhr meldete und sie doch eigentlich noch hatten duschen wollen. Dann fiel das eben aus.

Es galt drei Bandmitglieder zu befreien und dann die Arbeit wieder aufzugreifen!

Nur dreizehn Anrufe in Abwesenheit von Nora. Das war noch im Rahmen, beschloss Kaoru, zog sich schnell an und checkte im Spiegel aus, dass auch das Haar lag, wo es hingehörte. Nur unwesentlich länger brauchte Die, der sich zu dem Zweck sogar ins Badezimmer begeben hatte und das Ziehen im Analbereich gekonnt ignorierte. Ganz ohne Blessuren war das wohl nie beim ersten Mal zu bewerkstelligen.
 

Knapp zwanzig Minuten später betraten beide wieder den Bus und stoppten vor der hinteren Tür. Kaoru suchte Dies Blick, der ihm zunickte, denn egal, ob die da drinnen nun angesäuert waren oder nicht, sie würden sicherlich die beiden anderen auf ihre Beziehung ansprechen.

Dann schlossen sie die Tür auf und schauten in drei zwar miesgelaunt aussehende, aber auch gelangweilte Gesichter.

"Na, habt ihr euch amüsiert?", fragte Kaoru trocken und schob die Mundwinkel bedeutungsvoll aufwärts. Dies wurde allgemein mit einem Augenrollen entgegen genommen.

"War ganz prickelnd," zischte Kyo und schob sich von seinem Platz. "Bei euch auch?"

Und da hatten sie es schon, die erste Anspielung auf Kaorus und Dies vergangene Nacht im Bus. Oder meinten sie die Zeit allein im Hotel? Wie auch immer, aber es war wohl an der Zeit offen zu reden.

"Nein, prickelnd war es nicht," sagte Die, der immerhin fast einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. "Aber zweckmäßig. Es hat sozusagen Kaoru und mir die Augen geöffnet."

Er nickte daraufhin Kaoru zu, der das Wort ergriff. "Dank eurer Hilfe sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass die Beziehung zwischen mir und Die nur funktionieren kann, wenn sich die Band trennt."

Da fiel Toshiya die Kinnlade auf den Boden. Shinya zog scharf Luft durch die Zähne. Und Kyo war fast dran, Kaoru zu würgen. Das war doch ein Scherz, richtig?

"Wir haben uns lange unterhalten," machte Die dann weiter und ergriff dabei Kaorus Hand als mentale Stütze. "Und sind uns einig. Es hat keinen Zweck, wenn wir innerhalb der Band eine Beziehung führen. Also bedeutet das, entweder die Band löst sich auf oder Kaoru und ich haben keine Chance."

"Nur liebe ich Die und Die liebt mich, also..." Kaoru sprach weiter für seinen Freund. "Haben wir uns gegen die Band entschieden. Wir hoffen, dass ihr das versteht."

"Wir waren ja nun auch lange genug zusammen, als Band mein ich," ergänzte Die wie geplant. "Und jetzt ist es an der Zeit loszulassen und sich der Liebe zu widmen." Mit diesen Worten wandte er sich Kaoru zu und legte dem die Hand an die Wange. "Nicht wahr, mein Schatz?"

"So ist es." Nicht länger fackelnd fuhren Kaorus Finger in Dies Nacken und schon pressten sich seine Lippen auf die des anderen, um kurz darauf in einen recht freizügigen Kuss verwickelt zu sein.

Wenn sich Toshiya nicht irrte, hatte er gerade sogar ihre Zungen gesehen.

Grausam.

Und die anderen Drei konnten nur starren.

"Was ist?", fragte Die kurz darauf unschuldig, als er die skeptischen Gesichter seiner Freund sah. "Das wolltet ihr doch, oder?"

Niemand sagte etwas und je länger sich Kaoru und Die die lustig erstarrten Mienen ihrer Kollegen anschauten, umso schwieriger wurde es, das eigene Kichern zu unterdrücken. Nur für dumm verkaufen konnten sie vielleicht vierzig Prozent der Band, aber nicht Kyo!

"Ihr blöden Idioten!" Mit dem Fuß auf den Boden stampfend, suchte der Sänger etwas, um die doofen Gitarristen damit zu werfen, fand aber nichts. "Wir haben's kapiert, okay? Nie wieder einsperren, schon klar. Nun lasst den Mist und verarscht jemand anderen."

Damit lachte er schräg durch die Nase und quetschte sich an Kaoru und Die vorbei, um sich endlich an seine Arbeit zu machen. Kichernd blickte Kaoru zu Die, der ebenso dämlich grinste. Wenigstens einer von ihnen hatte es geschnallt.

"Wie jetzt? Ihr wollt jetzt nicht wirklich die Band auflösen, oder?", fragte Toshiya unsicher, noch immer leicht schockiert über das gesehene Zungenspiel.

"Nein, wollen wir nicht," klärte Kaoru nun endlich auf. "Aber das machen wir, wenn ihr uns wieder irgendwo ohne was zu Essen einsperrt. Dass das klar ist. Mein Rücken ist nicht mehr der Neueste."

"Ach ja? Hab ich vorhin gar nicht gemerkt," kicherte Die plötzlich.

"Igitt. Das will ich nicht hören!" Sich die Ohren zuhaltend, machte sich nun auch Shinya aus dem Staub und nur noch Toshiya stand da und schaute dumm aus seiner Wäsche.

"Ihr habt uns reingelegt." Nun dämmerte es auch ihm endlich.

"Teilweise," grinste Kaoru breit. "Der Teil mit Die und mir stimmt."

"Also seid ihr...?" Ihr Nicken bestätigte Toshiyas Frage. Dann musste auch er lächeln. Wenigstens waren sie beide nun endlich wieder glücklich und das ließ so ein Bassistenherz eben nicht lange kalt. "Okay, und wir sperren euch auch nicht mehr ein. Wer weiß, was ihr hier getrieben habt und so."

Mit einem breiten Lächeln klopfte er seinen Freunden auf die Schultern und jagte dann den anderen hinterher. Dringend brauchte Toshiya noch einen Kaffee, bevor er arbeiten konnte.

"Tja," sagte Kaoru dann und schaute auf zu seinem festen Freund. "Haben wir hier was getrieben?"

"Bisher eigentlich nicht," lachte Die und packte Kaoru an dessen Hüfte. "Kann ja aber noch werden!"

Was durch einen ausgiebigen Kuss besiegelt wurde, der für die Zukunft Vieles versprach, was die Zweckentfremdung von Transportmitteln eindeutig mit einschloss. Am Ende war nun doch alles gut und die Lücken beider Leben durch die unglaublichste Liebesgeschichte der Welt geschlossen.
 


 

Das Ende.



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Von:  myamemo
2015-05-04T08:40:31+00:00 04.05.2015 10:40
HuHu. Ich habe mir ein ff jetzt noch mal durch gelesen. Mit Begeisterung noch einmal durch gelesen ^^
Mir gefällt sie noch genauso gut, wie damals wo du sie geschrieben hattest *-*
Es hat einen einfach gefesselt, anders kann man es nicht ausdrücken xD
Also, immer noch begeistert ^-^ö

LG mya
Von:  Peach_Pocky
2010-04-12T01:28:10+00:00 12.04.2010 03:28
Ich habe die ff schon ein Jahr zuvor gelesen und bin heute als ich auf der Suche nach einer guten Dir en Grey ff war (Was heutzutage leider mehr als nur schwierig ist) erneut auf die deine gestoßen und hab mir gedacht kannst ja nochmal durchlesen.
Das sie mich erneut so gefesselt hat dass ich bis gerade eben gelesen habe sagt über deinen Schreibstil eigentlich schon alles oder? :)
Humor, Gefühl, Ernsthaftigkeit alles war vorhanden und hat mich die letzten Minuten sehr gut unterhalten.
Danke dafür ^^
Ich wünsche dir einen schönen Tag und auch deine englisch geschriebenen ffs bei livejournal lese ich sehr gerne.
lg
Von:  SLEAZOID
2009-12-04T21:14:42+00:00 04.12.2009 22:14
Hallo erst mal :)
Ich habe die letzen 4 Tage damit verbracht deine FF zu lesen, so bald ich die Zeit dazu fand.
Da ich kein Fan von Kommentaren nach jedem Kapitel bin, mach ich das jetzt.
Also, ich muss zugeben, am Anfang der story war cih etwas gelangweilt. Naja, vieleciht ist das cniht der richtige ausdruck, aber du musst wissen, das ich eigendlcih FF nciht lese in denen etwas cniht realistisches passiert, oder eben eine Frau so stark auftaucht. Das hört sich jetzt dumm an, aber vielleicht verstehst du was ich meine.
Allerdings habe ich mir gedacht alle anderen FF von dir die ich bis jetzt gelesen habe waren wirklich ausgesprochen gut und deshalb hba cih auch weitergelsen. Und was soll ich sagen? ich wurde cniht enttäuscht!
ich denke alle positiven beispiele wurden schon zur genüge genannt, also spar ich mir das jetzt mal. :D
nun ja, allerdings finde ich, das du den Anfang wirklcih sehr ausfühlich geschriben hast.Jedoch hatte ich das gefühl, das die Hadlungen zum Ende hin immer küzer wurden und die Zeitabstände immer größer. Wer weiss, vielleicht ist mir das cuh nur so virgekommen, weil ich mich so ins lesen vertieft habe :D'
Naja auf jedenfall ist das wirklich eine extrem gute FF und ich freue mich schon auf andere werke von dir!
LG
Sleazoid
Von:  -shiyuu
2009-10-01T11:03:25+00:00 01.10.2009 13:03
ende o____o
irgendwie schade, weil die ganze geschichte sehr sehr toll war. ich dachte mir schon sowas, dass die anderen 3 sich da noch wieder einmischen werden, aber es hat ja dazu beigetragen, dass kao und die sich vertragen haben, hehe
welch ein glück, dass es noch mehr stories von dir gibt. ich werd sie alle lesen MUHA |DDDD
Von:  -shiyuu
2009-10-01T08:48:00+00:00 01.10.2009 10:48
awwww (irgendwie fange alle meine kommis so an LOL)
das kapi ist aber auch wieder toll *^-^*
die beiden sind echt verdammt toll zusammen... hach ja... 8D~
Von:  -shiyuu
2009-10-01T00:30:38+00:00 01.10.2009 02:30
awwwww niedlich. wie wissbegierig die beiden sind *lol*
hach ja, wie gerne würd ich jetzt direkt zum spannendsten teil kommen, aber ich bin sooo müde schon und wills ja auch genießen können *hust* X////D
das heb ich mir dann für nachm aufstehen auf, da wird dann direkt weiter gelesen ;)
Von:  -shiyuu
2009-09-30T23:52:18+00:00 01.10.2009 01:52
aww
wie süß, dass sie gescheitert sind anfangs XD
echt niedlich x3
bin gespannt wie die beiden sich in diesen sachen weiterbilden lol
Von:  -shiyuu
2009-09-30T22:57:58+00:00 01.10.2009 00:57
oh mein gott, ist das toll!
vielleicht liegt das grade an der musik, die ich höre, dass ich tränchen in den augen habe, bei dem ende. so unglaublich süß und gefühlvoll. wie generell schon das ganze kapitel, wie eigentlich die ganze ff bisher. du kannst gefühle so unsagbar gut beschreiben, es ist echt wahnsinn.
ich muss shcnell weiter lesen ;)
Von:  -shiyuu
2009-09-30T20:05:46+00:00 30.09.2009 22:05
OMG dazu muss ich dir jetzt einfach nen kommi dalassen XDDDD
das kapitel war echt mega klasse. so geil zu lesen <33333
erst so lustig XD du hast so toll beschrieben, wie die seine tage bekommt, ahahahaha XDDDD wie wenig ahnung kann man von sowas haben als kerl? LOL
dann das mit dem kuscheln war süß und überhaupt, die kao sich um ihn gekümmert hat ^-^
aber das geilste war echt der schluss XDDDD bei 'auf zu kao' muste ich erstmal pause machen, weil ich solachen musste, weil ich wzusste, dass sowas kommt, omg XDDDD ich hab bsetimmt 5 minuten nur gelacht und muss mich grade auch übelst zusammenreißen, damit ich nichw ieder heul vor lachen XD scheiße, war das giel XDDDDD
aber die is auch echt gemein zum armen kao. lacht ihn da erstmal aus. man man mna D: der tut mir ja fast schon leid. aber nur fast XDDDDDDDD
Von:  -shiyuu
2009-09-30T14:22:36+00:00 30.09.2009 16:22
hach gott. die als frau, das ist ja mal was... lol
bei der sache mit der transe musste ich übelst lachen, das ging gar nicht XD
dein schreibstil ist echt toll ^-^
werd gleihc mal weiterlesen 8D



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