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Zwischen Spiel und Realität

von

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Prolog

Vorhang auf für meine zweite Fanfiction mit Gackt und Hyde in den Hauptrollen.

Auf ein amüsantes Spiel mit Herzschmerz...

(Disclaimer ist in der Beschreibung zu finden)
 

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Spiele hatten mich schon immer fasziniert, doch dass ich mir eines Tages die Finger an einem verbrennen würde, hätte ich nicht gedacht…
 

Idyllisch lag das Wohnviertel dar. Die Sonne erwärmte die Luft und ließ die Hälse der Pflanzen sich nach ihr recken. Jedes Blumenbeet im Vorgarten oder hinter dem Haus erstrahlte in den schönsten Farben. Von den Grünflächen ging eine Ruhe aus, welche nicht Halt vor den Straßen oder Häusern machte. In dieser allmorgendlichen Idylle öffnete sich eine Haustür, aus welcher ein junger, groß gewachsener Mann schritt und auf den Briefkasten am Anfang des Grundstückes zuging. Dort angekommen öffnete der Braunhaarige diesen und holte die Post. Mit den Briefen und der Zeitung betrat er das Haus und schaute die Anschriften durch.

In der Küche verteilte er seine Beute. Zu seinem Erstaunen war auch ein Brief an ihn adressiert. Aufgrund der Größe entschied er sich diesen erst in seinem Zimmer zu öffnen.

Genüsslich aß er sein Frühstück. Schweigend wie immer ging dieses von statten. Auch wenn er äußerlich ruhig und ernst wie an jedem anderen Tag auch wirkte, so tobte in ihm jedoch ein Sturm.

Was würde er beim Öffnen des Umschlages erfahren? Was würde ihm der Text mitteilen?

Er überlegte und malte sich Verschiedenes aus. Ihm kam ein Geistesblitz. Er sollte seinen besten Freund anrufen.

Schnell stand der Braunhaarige nach Beendigung der Mahlzeit auf und nahm sich das Telefon. Keine fünf Minuten später wartete er ungeduldig auf You, seinen besten Freund.

Sie kannten sich seit Jahren, hatten zusammen die Oberstufe besucht. Dort waren sie in einer Band gewesen. Letztes Jahr hatten sie sich gemeinsam bei Schauspielschulen beworben. You hatte im Gegensatz zu ihm seine Zusage für eine Schule in Tokio schon bekommen. Er hatte den Brief von dieser Schule erst heute in der Post gehabt.

Ein Klingeln riss den Großgewachsenen aus seinen Gedanken. Er sprang auf und öffnete die Holztür. „You!“ Vor Erleichterung fiel er ihm um den Hals und hätte den Genannten beinahe umgeschmissen, wenn dieser nicht geistig gegenwärtig einen Schritt zum Ausbalancieren seines Gleichgewichtes nach hinten gemacht hätte.

„Darf ich?“

„Klar doch. Komm rein.“ Er ließ von You ab und trat wieder in die Wohnung. Der andere folgte ihm, nachdem er sich seiner Schuhe und Jacke entledigt hatte, in dessen Zimmer.

„Warum wolltest du mich sehen, Gackt?“ Lässig setzte er sich auf die Couch und sah seinen besten Kumpel fragend und neugierig zu gleich an.

„Wegen dem hier.“ Gefragter hielt einen Umschlag hoch. „Ich brauch seelischen Beistand.“ Damit setzte er sich neben den anderen Jungen.

Zögerlich öffnete er den Briefumschlag unter den erwartenden Blicken seines Freundes. Zum Vorschein kamen ein Brief sowie Broschüren. Erleichtert atmeten beide Jungs aus. Während Gackt sich dem Brief widmete, schaute You die Broschüren durch.

Zur gleichen Zeit hoben sie ihre Köpfe und drehten sich mit einem wissenden Grinsen zu dem anderen um.

„Sie nehmen mich.“ Nüchtern war dieser Satz gesprochen worden.

„Glückwunsch!“ Jetzt brach die Freude in ihm aus.

„Ich geh nach Tokio!!!“ Ausgelassen und voller Glück hüpfte Gackt mit dem Brief in der Hand durch sein Zimmer. „Ich lerne SCHAUspiel!!!!“

Lächelnd saß You noch immer auf dem Sofa und freute sich auf die nächste gemeinsame Zeit.

Ankunft

In diesem ersten Kapitel erwartet unseren Protagonisten noch nicht besonders viel und doch erlebt er etwas...

Vorhang auf für die Ankunft
 

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Quietschend fuhr der Zug in den Bahnhof ein und kam zum Stillstand. Kam waren die Türen offen, schon strömten Menschen aus den Waggons und auf den Bahnsteig. Schnell und zielstrebig gingen sie auf den Ausgang zu.

Ein schlanker, junger Mann mit kurzen braunen Haaren trat auf den Bahnsteig und sah sich begeistert um. Er schulterte seine Tasche und nahm einen Koffer in die Hand. So beladen machte er sich auf den Weg zum Ausgang. Vor dem Bahnhof angekommen, ließ er seinen Blick schweifen.

„Willkommen in Tokio.“ Es war ein Flüstern und auch nur für ihn selber bestimmt.

Nach einigen weiteren schweifenden Blicken entdeckte er einen Stadtplan und schritt auf diesen zu. Er sah sich an, wo er hin musste und wie er da am besten hinkam.

Er drehte sich wieder um und ging zur nächsten U-Bahn Station. Als er diese schwer beladen betrat, erblickte der große Braunhaarige eine einfahrende Bahn. Nachdem er die Nummer entziffern konnte, bahnte er sich einen Weg zu einer Tür und betrat die Bahn wenig später.

Seufzend ließ er sich auf einen freien Platz nieder. Er hatte Glück gehabt noch einen zu erwischen, aber das war im Moment egal. Denn Morgen begann sein Studium und er freute sich schon tierisch darauf. Auch weil er seinen besten Kumpel wieder sehen würde. Er hatte ihn die letzten Wochen nicht mehr treffen können, da dieser schon eher nach Tokio gegangen war.

Im Gegensatz zu seiner Wenigkeit hatte dieser auch einen Platz in einer Studentenwohngemeinschaft gefunden und musste nicht wie er selber bei seinen Verwandten wohnen. Wobei er sagen musste, dass seine Tante und sein Onkel nicht annähernd so streng waren wie seine Eltern.

Ohne dass er merkte wie die Zeit voran ging, kam er bei seinem Ziel an.

Wieder auf der Straße, sah er 10 und noch höhere Gebäude vor sich aufragen.

‚Na klasse. Ein Plattenbau, aber besser als gar nichts.’ Leicht murrend suchte er die entsprechende Hausnummer und klingelte dann bei seinen Verwandten.

„Wer ist da?“ Höfflich drang die Stimme durch die Sprechanlage zu ihm.

„Camui Gackt“, stellte er sich mit fester Stimme vor. Ein ‚Hallo Onkel’ hing er hinten noch drang.

„Hallo“, kam der Gruß zurück. „Komm doch hoch.“

Gackt schulterte seine Tasche erneut und wartete auf das typische Summe. Als er das leise Geräusch vernahm, öffnete er die Tür und schob sie auf, um den Eingang zu passieren. Mit der Tasche über der Schulter und dem Koffer hinter sich erziehend, schritt er auf den Fahrstuhl zu.

Er wählte das entsprechende Stockwerk aus und stellte sein Zeug ab. Wenige Minuten später ertönte erneut ein Geräusch und verkündete, dass die Zieletage erreicht wurde.

Er stieg aus und wandte sich nach links und rechts, ehe er eine offene Tür entdeckte. Auf diese ging er zu und fand sich in einer Umarmung seiner Tante wieder. „Hallo Camui.“

Sie trat zurück und ließ ihn rein. Während er seine Schuhe und seine Jacke auszog, betrachtete die schlanke Frau ihren Neffen.

Er war groß geworden, seitdem sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Auch hatte er sich in seiner ganzen Statur geändert. Er war zwar noch immer schlank, doch wirkte es nicht mehr so dürr. Es sah eher so aus, als hätte er Muskeln zugelegt.

„Hallo Tante Mika.“ Mit einem ehrlichen Lächeln sah er sie an.

Auch bei ihr zeigte sich Freude. „Komm. Ich zeig dir dein Zimmer“, damit drehte sie sich um und ging ins innere der Wohnung. Er folgte ihr.

Auf ihrem Weg kamen sie an der Küche, dem Bad sowie dem Schlafzimmer vorbei. Als sie das Wohnzimmer betraten, erblickte Camui seinen Onkel, welcher auf einer Couch saß und gerade Zeitung las. Mit einem Lächeln grüßte er ihn erneut, wobei er auch diesmal in eine Umarmung gezogen wurde.

Am Ende des Raumes befand sich eine Tür, diese wurde von seiner Tante geöffnet. Dahinter befand sich ein kleiner, aber gemütlich wirkender Raum.

„Das ist dein Zimmer.“ Mika machte eine ausholende Geste und ging dann auf das offen stehende Fenster zu und schloss es.

Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck betrat Gackt den Raum. Er war erstaunt, dass er eingerichtet war.

Er ließ seinen Blick schweifen und erkannte ein Bett, was zwar nur für eine Person ausgelegt war, aber das störte ihn nicht, denn immerhin wollte er etwas lernen und sich nicht nur mit Mädchen vergnügen. Des Weiteren befanden sich ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank sowie ein paar Regale in dem Raum. Ausreichend wie er befand. Er stellte seine Tasche und den Koffer ab.

Nur am Rande bekam er mit wie seine Tante den Raum verließ, er konzentrierte sich darauf seine Sachen zu verstauen, dabei stellte er fest, dass er noch Platz hatte. Was gut war, da er sich bestimmt noch einige Bücher für die Schule zu legen musste.

Seine Freude nahm immer mehr zu, denn jetzt, da er in diesem Raum stand, war es wirklich kein Traum mehr. Morgen würde er zum ersten Mal eine Vorlesung haben. Und das Beste, er war nicht allein. Er kannte schon jemanden. Denn sein bester Freund besuchte dieselbe Schauspielschule wie er.
 

„Camui! Kommst du? Das Essen ist fertig.“ Die Stimme drang durch die offene Zimmertür zu ihm. Sofort machte er sich auf den Weg. Er führte ihn in die Küche. Dort saßen sein Onkel und seine Tante bereits an dem Esstisch. Er ließ sich nieder und sie aßen schweigend.

Das Essen schmeckte hervorragend und er genoss jeden Bissen. Nachdem er seine Stäbchen zur Seite gelegt hatte und den letzten Schluck getrunken, lobte er seine Tante. „Das war köstlich.“

„Danke.“ Mika stand auf und räumte den Tisch ab. Ihr Neffe half ihr, während ihr Mann sich ins Wohnzimmer verzog.

Er trocknete einen nachdem anderen Teller ab. Genauso nahm er sich die Schüsseln, Tassen und das Besteck vor. Zwischen zwei Tassen sah er zu seiner Tante, welche sich gerade die Hände abtrocknete und ihn, als sie seinen Blick bemerkte, freundlich anlächelte.

„Danke, dass du geholfen hast.“ Sie nahm die Tassen und räumte sie weg, währenddessen er das letzte abtrocknete.

Gackt ging zur Heizung und hängte das Geschirrtuch zum Trocknen drüber, danach drehte er sich zu Mika um.

„Los komm, lass uns noch ein bisschen reden.“ Sie sah ihn auffordernd an und verließ die Küche. Gehorsam folgte Gackt ihr und landete so auch im Wohnzimmer, da setzte er sich in den freien Sessel und beobachtete seine Verwandten.

Das Schweigen, welches zwischen ihnen herrschte, wurde langsam unerträglich. Fieberhaft überlegte er, wie er dieser Situation entkommen konnte. Leider fiel ihm nichts Gescheites ein. Denn damit dass er müde war, konnte er nicht kommen, da es erst kurz nach 7 war. Seufzend strich er sich eine verirrte Strähne hinters Ohr.

Sein Blick glitt erneut zur Uhr und er verfolgte den Weg des Sekundenzeigers.

Ein Klingeln unterbrach sie in ihren Gedanken. Sein Onkel stand auf und nahm das Telefonat entgegen. „Camui, ist für dich“, damit kam er ins Wohnzimmer zurück und sein Neffe ging in den Flur, denn dort stand das Gerät.

„Moshi moshi“, meldete er sich unsicher, da er sich nicht vorstellen konnte, wer ihn denn hier anrufen sollte.

„Du klangst auch schon Mal fröhlicher, mein Guter.“ Sein Gesprächspartner musste sich ein Lachen unterdrücken, konnte er sich doch zu gut das verdutzte Gesicht seines Freundes vorstellen. Bei diesem machte es gerade klick und erfreute sich über diesen Überfall.

„Ah You. Erschreck mich doch nich so.“

Ein Lachen klang durch die Leitung. Es bewies die ausgelassene Stimmung, welche zwischen den beiden Freunden immer herrschte.

„Warum rufst du an? Wenn man fragen darf?“

„Ich wollt dich nur dran erinnern morgen nicht zu spät zu kommen. Denn, wie du weißt, wohn ich doch bei älteren Studenten und die haben gesagt, dass die Vorlesungen des Professors sehr beliebt sind und somit immer voll. Also nicht verschlafen.“

„Ich doch nich!“ Leichte Empörung klang in seinem Satz mit, doch wusste er wie es gemeint war und diese somit nicht echt.

Sie redeten noch eine Weile, ehe Gackt dann völlig müde ins Bett fiel und einschlief. Er war nicht mehr in der Lage gewesen, den Tag Review passieren zu lassen, was er normalerweise zu tun pflegte. Doch heute war einiges anders gewesen als sonst und somit machte dies auch keinen großen Unterschied mehr.

Erste Vorlesung

Auf auf zur ersten Lehrveranstaltung des guten Gackts und zum ersten Auftritt von *Trommelwirbel* Hyde.

Wünsche viel Lesevergnügen.
 

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Die Vögel sangen ihr morgendliches Lied und versprühten damit Ruhe. Diese hielt nicht lange, denn bei genaurem Betrachten sah man Menschenmassen über die Straßen hetzen. Autos fuhren hupend über die Kreuzungen oder bremsten abrupt. Massen strömten zu den U-Bahnhaltestellen, ebenso große Mengen kamen aus den Stationen und verteilten sich erneut auf den Straßen.

Türen wurden geöffnet und wieder geschlossen. Vorhänge wurden aufgezogen. Schilder umgedreht. Die ersten Geschäfte des heutigen Tages wurden getätigt.

Unter ihnen befand sich eine Person, welche aus der Masse hervorstach. Denn sie hetzte nicht in dem Tempo der anderen, sondern rannte als ob der Teufel hinter ihr her war.

„Ich komm zu spät.“ Wie ein Mantra kamen diese Worte immer wieder über die Lippen des jungen Mannes. Er stolperte die Treppe herunter und kam schnaubend zum Stehen. Seine Augen huschten über den Bahnsteig und entdeckten eine wegfahrende Bahn. Ein enttäuschtes Seufzen verließ seine Lippen und zwei Sekunden gab er es auf. Doch dann arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren und er fand eine Lösung.

Er nahm die nächste Bahn. Kaum das er eingestiegen war, pumpte er Luft in seine Lungen, als hätte er die letzten Minuten vergessen etwas von diesem kostbaren Gut einzuatmen.

Gackt lehnte seine Stirn gegen die Tür. Das kühle Glas der Scheibe tat ihm gut. Es reduzierte die Hitze seiner Stirn, denn durch das Rennen und Denken war sie warm geworden.

Er öffnete seine Umhängetasche und nahm eine Flasche heraus. Er hatte Glück und konnte aus dieser trinken. Der Platz reichte gerade so und zur Sicherheit nahm er nur einen kleinen Schluck, um den größten Durst zu löschen. Er steckte sie wieder weg und stieg aus.

Er berührte den Boden kaum, schon beschleunigte er seinen Schritt und nahm immer zwei oder drei Stufen die Treppe rauf.

Oben angekommen wandte er sich nach links und stürmte die Straße runter. Er musste an einigen Ampeln stoppen, ehe er endlich das Tor zum Campus erblickte. Dieses weckte seine Kraftreserven und er konnte sein Tempo ein letztes Mal erhöhen.

Zielstrebig rannte er auf das entsprechende Gebäude zu, geschickt wich er dabei den anderen Studenten aus. Er huschte durch die Tür, welche eine Studentin gerade zu fallen lassen wollte.

Drinnen ignorierte er die Fahrstühle und nahm gleich die Treppen.

Er musste nur noch in den dritten Stock und dann konnte er sich auf einen Platz fallen lassen. Er hoffte inständig, dass der Professor noch nicht da war und You ihm einen Stuhl neben ihm frei hielt.

Nach der ersten Etage schaffte er es nicht mehr mehrere Stufen mit einmal zunehmen.

Seine Atmung wurde immer schwerer und nur der Ausblick, dass er es gleich geschafft hatte, hielt ihn auf den Beinen, trieb ihn vorwärts.

Er sah die letzte Stufe klar vor Augen, heftete seinen Blick an sie und verfehlte sie. Camui kam ins Taumeln und begann mit seinen Armen zu rudern, um sein Gleichgewicht zurückzugewinnen. Doch es misslang. Er sah den Boden immer näher kommen. Innerlich bereitete er sich schon auf den Aufprall vor. In Erwatung von diesem schloss er seine Augen. Anstelle des harten Bodens spürte er Arme, welche ihn hielten.

Erleichtert öffnete er seine Augen. Er schloss und öffnete sie wieder, zwinkerte kurz. Doch an dem Bild änderte sich nichts. Es überraschte ihn, denn die Arme, in welchen er noch immer hing, fühlten sich nicht annähernd so an, als ob sie zu einer Frau gehören könnten. Und doch erweckte das Gesicht den Eindruck. Es war das Gesicht einer Frau. Er war sich ziemlich sicher, dass es stimmte. Denn diese feinen Züge konnten keinem Mann gehören und doch waren da noch die Arme, welche ihm ein anderes Gefühl vermittelten.

„Hey, hey, nicht so stürmisch.“ Ein Lächeln spiegelte sich in den Zügen seines Gegenübers wieder.

Er schluckte. Irgendwie klangen die Worte nicht so lieblich, wie er es sich vorgestellt hatte. Die Stimme war tiefer als gedacht und er bekam den Eindruck, dass er noch nicht erfasst hatte, um was für ein Wesen es sich handelte. Er blickte auf und sah das freundliche Gesicht, in dem sich eine kleine Frage breit gemacht hatte.

Ihm fiel ein, dass er sich ja bewegen sollte. So schön es sich auch anfühlte, war es ihm doch irgendwie peinlich.

Mit Hilfe des anderen kam er wieder zum stehen und begann nun diesen eingehend zu mustern.

Er erblickte langes Haar, was ein feminines Gesicht einrahmte. Bei den haselnussbraunen Augen, welche ihm amüsiert entgegenblickten, verweilte er etwas, dann ließ er seine Augen weiter nach unten wandern.

Die Kleidung bestand aus einer engen, schwarzen Hose, einem hellen, aber nicht aufdringlich wirkenden Shirt und einer dunkelgrünen Jacke, welche locker um die Schultern hingen. Alles in allem ein ansehnliches Bild und doch irritierte ihn etwas.

Sein Gegenüber wirkte wie eine Frau und doch war er sich, nachdem er die Stimme dieses bezaubernden Wesens vernommen hatte, sicher, dass er vor einem Mann stand. Einem jungen Mann.

Der amüsierte Ausdruck hatte sich in ein offenes Lachen gewandelt, welches von jeder Faser wiedergespiegelt wurde.

„Und hab ich die Musterung bestanden?“ Seine Stimme drückte die Erheiterung aus.

Gackt räusperte sich verlegen und murmelte ein ‚Gomen’. Er schob sich an dem anderen vorbei und betrat den Hörsaal.

Gackts Retter blieb zurück und hob eine seiner Brauen. ‚Interessant dieser Junge’, dachte er und ging Kopf schüttelnd in denselben Raum.
 

Sein Blick suchte Reihe für Reihe nach seinem besten Freund ab. Bewusst und mit einem leisen Zischen stieß Gackt die Luft aus.

Er wollte schon aufgeben, als er eine Hand in seinem Augenwinkel bemerkte, welche wild winkte. Er drehte sich in die Richtung und sah You.

Zielstrebig steuerte er auf diesen zu und entschuldigte sich bei jedem Student, welchen er behinderte.

Erschöpft ließ er sich auf dem Platz neben You fallen.

„Du bist zu spät.“

Fragend hob der Angesprochene eine Augenbraue. „Der Professor ist doch noch nicht da.“ Er überprüfte seine Aussage, indem er zu der Tafel blickte und den Bereich nach einem älteren Herrn absuchte. Es war niemand zu sehen, der nur entfernt wie ein Professor wirkte.

„Das ändert nichts an der Tatsache, dass Vorlesungsbeginn laut Plan vor 5 Minuten war.“

Entnervt atmete Gackt aus. „Hab die richtige Bahn verpasst. Okay?“ Der Blick des anderen gefiel ihm nicht und so fuhr er fort: „Es war keine Absicht und verpasst hab ich auch nichts.“

„Weil du Glück hattest.“ You drehte sich zur Tafel und beließ es dabei. Sein Freund tat es ihm gleich.
 

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen trat er an den Tisch und legte seine Vorbereitungen für diese Vorlesung nieder.

Tief atmete er aus und ein. Überprüfte noch einmal seinen Zopf und drehte sich dann zu den Studenten um. Sein Blick glitt über die Reihen und allmählich stieg Wut in ihm auf.

Alle Anwesenden tuschelten, schrieben oder lasen etwas. Doch schenkte niemand ihm Aufmerksamkeit.

Er hatte es geahnt. Es war eine falsche Entscheidung gewesen, ihn diese Vertretung übernehmen zu lassen. Er hatte doch gar keine Erfahrung. Er wusste nicht, wie er eine Vorlesung zu halten hatte oder wie er mit den Studenten umgehen musste. Ein weiteres Mal nahm er viel Luft in seinen Lunge auf, wartete einen kurzen Moment, um sich zu sammeln und etwas zu beruhigen, ehe er die verbrauchte Luft wieder in ihre gewohnte Umgebung entließ.

„RUHE.“ Die Stimme hatte er erhoben, um bis in den kleinsten Winkel des Hörsaales vorzudringen.

Kaum dass das Wort verklungen war, schnellten alle Köpfe in Richtung des Urhebers. So sah er sich mit der alleinigen Aufmerksamkeit im Raum bedacht. Erneut kam Unsicherheit in ihm auf, doch jahrelanges Training ließen es ihn nicht zeigen.

„Wenn ich denn um Ruhe bitten darf.“ Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, während sein Tonfall neutral und nicht übertrieben laut war. „Wie ich euren erstaunten Gesichtern entnehmen kann, habt ihr mit einem anderen Dozenten gerechnet.“ Langsam sah er von einer Ecke zur anderen. „Eins kann ich euch versichern: Ich bin genauso wenig erfreut darüber hier zu stehen, wie ihr mich hier sehen wollt. Aber“, seine Stimme wurde ein klein wenig lauter, „ich werde mein Bestes geben, euch das ‚Elisabethanische Theater’ näher zu bringen.“ Er trat an die Tafel und schrieb, während er weiter, sprach einige Kanji an. „Ich bin Takarai Hideto und die Vertretung für Professor Hanasaki. Über den Grund für meine Vertretung kann ich euch nur soviel sagen, dass sie befristet ist und der Professor krank.“ Er legte eine Pause ein, in der er seinen Standort wechselte. Nun stand er neben dem Tisch.

„Das Thema dieser Vorlesung ist die Entstehung des Elisabethanischen Theaters…“ Damit begann er seinen Vortrag.
 

Langsam ließ er seinen Stift sinken. War das anstrengend gewesen. So viele Seite wie er in diesen zwei Stunden voll geschrieben hatte, hatte er nicht einmal in der Schule an einem Tag geschafft. Erstaunlich wie aufmerksam Gackt der Vorlesung gefolgt war. Er hatte förmlich an den Lippen von diesem gut aussehenden Dozenten gehangen. Und nun konnte er nicht mehr schreiben.

Müde folgte er You auf den Gang.

„Was haben wir jetzt?“

„Hm… Lass mich überlegen.“ Sein bester Freund kramte in seiner Tasche nach einem Stundenplan und fand ihn. Er überflog die Zeilen und deutete Camui an ihm zu folgen.

Gemeinsam liefen sie durch die Gänge und kamen bei ihrer zweiten Veranstaltung an. Mit einem Seufzer ließ sich der Braunhaarige auf einem Stuhl in der Mitte der Sitzreihen nieder und holte erneut seinen Block und Stifte heraus.

Ohne auf seinen Freund einzugehen, platzierte sich der ebenfalls Braunhaarige neben seinem Kumpel. Aufmerksam verfolgten sie auch die nächste Veranstaltung.
 

Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen sammelte er seine Unterlagen ein und verstaute sie feinsäuberlich in einem Ordner. Mit diesem unterm Arm wollte er den Raum verlassen, als er seinen Namen hörte.

„Takarai-kun. Warten sie bitte kurz.“

Hyde blieb stehen und drehte sich zu dem Professor, welcher als Beobachter dieser Veranstaltung beigewohnt hatte, um. Dieser kam gemächlichen Schrittes auf ihn zu und blieb kurz vor ihm stehen.

„Und wie fanden sie diese Vorlesung?“ Der Langhaarige blickte den schon ergrauten Dozenten dezent fragend an. Seine innere Neugierde ließ er da wo sie war. Im Inneren. Er war kein Vertreter von der zur Schautragung der Gefühle, deswegen reagierte und agierte er meist kühl und reserviert. Er wusste auch, was für eine Wirkung er aufgrund seines Aussehens und dieser Art auf andere ausübte. Natürlich wäre er dumm, wenn er es nicht für seine Zwecke nutzen würde. So ließ er auf seinem Gesicht ein leichtes Lächeln erscheinen und hatte den leicht fragenden Unterton ausschließlich in seinen Augen.

„Gut. Keineswegs war sie vergleichbar mit der von Hanasaki-san, aber auch nicht schlecht. Sie verstehen doch, dass wir uns erst von ihrer Qualifikation überzeugen mussten. Es kommt selten vor das ein Professor einen Studenten als Vertretung vorschlägt. Damit will ich keinesfalls andeuten, dass sie ein schlechter Student sind, aber doch nicht ausgelernt haben.“ Er grinste auf die Art und Weise, die nur ältere Menschen mit viel Selbstüberzeugung konnten.

‚Komm zum Punkt, alter Knacker’. Ein Gedanken, den er sich erlauben durfte, aber nicht aussprechen. Und so hielt es Hyde auch. Er grinste seinen Gesprächspartner einfach weiter höflich an. „Natürlich. Ich verstehe sie. Doch könnten sie – ich möchte jetzt nicht unhöflich sein, aber ich habe noch eine Vorlesung, die ich besuchen sollte – bitte sagen, ob ich die Vorlesung weiter halten darf oder nicht.“ Sein Lächeln wurde entschuldigend und ein rascher Blick auf die Uhr brachte seine Eile zum Ausdruck.

„Ja, natürlich.“ Der ältere Herr nickte eifrig. „Sie haben die Erlaubnis diese Veranstaltung weiterzuführen bis Hanasaki-san wieder gesund ist.“

Eine kurze Verbeugung zur Verabschiedung und schon war er allein auf den Gängen.

‚Klappt doch immer wieder.’ Er musste sich schon beinah selber auf die Schulter klopfen für sein schauspielerisches Talent.

Vor sich hin pfeifend schritt er zwischen den anderen Student auf den Hof hinaus. Dort hielt er Ausschau nach einem blonden Haarschopf. Auf einer Bank entdeckte er die Person zu dieser der Schopf gehörte.

Grinsend kam er neben ihr zum Stehen.

„Ist der Platz noch frei?“

Der Kopf schelte hoch und das typische Grinsen stahl sich auf die Züge. „Nein. Für Frauen ist hier kein Platz.“

„Ach, du Pappnase.“ Hyde ließ sich einfach fallen.

„Und wie war es vor Studenten zu stehen.“

„Als ob du das nicht kennst.“

„Nein, ich kenn es wirklich nich.“

„Ja schon klar.“ Er fuhr sich einmal durch sein langes Haar und nahm die Falsche, welche neben Tetsu stand. „Du hast noch nieeee vor Studenten gespielt.“ Er trank einen Schluck. „Ich darf doch?“ fragte Hyde noch, bevor er ansetzte.

„Klar doch“, grinste der Blonde ihn an. Er wartete bis sein Kumpel die Falsche wieder abstellte. „Und wie ist es gelaufen? Nun sag schon.“

„Drängel nich.“ Hyde lehnte sich entspannt zurück und ließ den anderen noch ein bisschen zappeln. Bevor er sprach, zündete er sich noch einen seiner wichtigen Glimmstängel an. Nach einem tiefen Zug fühlte er sich dann endlich bereit zu reden. „War lustig die enttäuschten Gesichter zu sehen. Als ob einer der Erstsemester Hanasaki-sensei kennen würde. Na ja, was soll’s. Lief ganz gut.“

„Und darfst du sie weiter quälen?“ Freude und Ungeduld spiegelten sich auf Tetsus Gesicht.

„Ich hab die Erlaubnis die Krankenvertretung zu mimen.“

„Das ist doch gut.“

„Find ich auch.“ Endlich sah Tetsu auch ein Grinsen bei seinem besten Kumpel. Dieser trat die aufgerauchte Zigarette auf und sah auf die Uhr.

„Hm… Wir sollten langsam los, wenn wir nich auf der Treppe sitzen wollen.“

„Hai.“

Wiedersehen

Nach dem Fall des Vorhanges eines Tages, hebt sich dieser für einen weiteren Morgen. Doch was bringt dieser dem kleinen, süßen Hyde? Oder was erwartet gar Gackt davon?
 

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„War das anstrengend.“ Langsam ließ er seinen Rucksack auf den Boden gleiten und

setzte sich auf die Bank. „Hätte ich nich erwartet.“

„Ich hab dir doch gesagt, dass das Studium kein Zuckerschlecken wird. Also beschwer dich nich.“ You ließ sich neben ihm nieder und kramte in seinem Rucksack nach etwas Essbaren.

„Ja ja. Aber das es gleich am ersten Tag so hart wird, hätt ich nich erwartet.“

„Hm“, stimmte ihm der andere zu. „So schlimm war es doch auch wieder nicht. Okay, die erste Vorlesung hatte es inn sich, aber ansonsten war es doch recht easy.“

Gackt musste schmunzeln. Es hatte ihn einige Zeit gekostet, ehe er You soweit hatte Umgangssprache zu benutzten und jetzt sprach er mehr damit als Gackt selber. Aber was sollte er sich beschweren. Es war doch gut, so wie es war. Zufrieden lächelnd nahm er seine Wasserflasche und trank etwas.

„Wobei der Dozent doch recht nett wirkte.“

„Nett? Ich hatte eher den Eindruck, er wollte uns alle einschüchtern“ empörte sich der Langhaarige.

„Hm. Als ich auf der Treppe beinah hingefallen wäre, hat er mich aufgefangen.“ Einen leicht verträumten Ausdruck nahmen Gackts Augen an, als er an die Situation zurück dachte. „Ich muss zu geben, ich hab ihn erst für eine Frau gehalten, aber das war falsch.“

You schüttelte seinen Kopf und sagte lieber nichts dazu. Er sah auf die Uhr und verstaute seine Flasche im Rucksack. Langsam stand er auf. „Ich werd dann mal. Will noch was nach arbeiten.“

Gackts Blick klärte sich wieder und er sah seinen Freund skeptisch. „Nacharbeiten am ersten Tag?“

„Wenn man nicht sofort damit beginnt, schafft man am Ende nichts mehr, weil es zu viel auf einmal wird.“ Lächelnd setzte sich You in Bewegung und ließ Gackt allein auf der Bank zurück.

Dieser sah sich um und entdeckte eine kleine Gestalt mit langen Haaren neben einer Blonden stehen. Sie schienen sich angeregt zu unterhalten.

Schweigend beobachtete Gackt die Personen.
 

Hyde musste unkontrolliert lachen. Er musste aufpassen, dass er noch Luft bekam. Tetsu schaffte auch immer wieder, eine perfekte stimmliche Kopie ihres meist gehassten Dozenten hinzulegen. Jede seiner Interpretationen übertraf die vorherige und so konnte er, armes kleines Wesen, sich meistens nicht mehr halten vor Lachen.

Um etwas herunter zu kommen, wandte sich Hideto ab und ließ seine Augen über den sich leerenden Campus schweifen. Hier und da saßen noch ein paar vereinzelte Personen, entweder unterhielten sie sich in kleinen Gruppen oder lasen etwas. Eine Person stach ihm ins Auge. Diese saß alleine auf einer Bank und schien in ihre Richtung zu blicken, doch sicher war sich Hyde nicht.

„Hast du was Interessantes entdeckt oder warum siehst du mich nicht mehr an?“ Zu Beginn schwang noch echtes Interesse in der Stimme mit. Zum Ende wurde dieses durch gespielte Empörung ersetzt.

„Weißt du, ich hab ein fliegendes Kamel gesehen. Und kann meine Augen nicht von der Stelle abwenden, da ich sonst Gefahr laufen müsste zu erblinden bei deiner Schönheit.“ Ein freches Grinsen legte sich auf die femininen Züge des Älteren.

Der Blonde brauchte etwas, ehe er realisiert hatte, was ihm da gerade an den Kopf geworfen wurde.

„Und da hast du mich nicht angetippt, damit ich es auch sehe?“ Empörung, nichts anderes drückte die Stimme aus.

„Hm… ja. Ich konnte dich ja schlecht stören bei deinem Gespräch.“

„Bei meinem Gespräch? Aber du hast dich doch weggedreht.“

„Na danke“, kam es beleidigt von einer größeren Person.

Hyde erbarmte sich und wandte sich wieder seinen Freunden zu.

„Er meint es nicht so, Ken. Wobei Tet-chan sagt oft Dinge, die er nicht so meint, oder doch?“ Fies grinsend blickte er seinem besten Freund in die Augen.

„Ich meinte es sehr wohl nicht so. Ich denke, ich sollte mich eher dir widmen, Ken“, dabei hatte er sich ganz langsam in dessen Richtung gedreht und dem Kleinsten ihrer Runde den Rücken zugewandt.

Hyde zuckte mit den Schultern und meinte nur mit Gleichgültigkeit in der Stimme, dass er noch Lebensmittel einkaufen musste.

So machte er sich auf den Weg, dabei kam er an dem Braunhaarigen vorbei, der sie die ganze Zeit beobachtet hatte.

„War’s interessant?“ fragte er im Vorbeigehen. Gackt zuckte zusammen und sah dem anderen hinterher. Er hatte es nicht geschafft, rechtzeitig zu reagieren, so saß er immer noch allein auf der Bank.

Nach weiteren einsamen Minuten und der Feststellung, dass nun wirklich niemand mehr auf dem Campus zu finden war, machte er sich auf den Weg zu seinen Verwandten.

Müde kam er dort an und fiel nach dem Essen wie ein Stein ins Bett. Er hatte in der U-Bahn seine Aufzeichnungen gelesen und vor dem Essen noch etwas in einem Buch nachgeschlagen, doch nachdem sein Magen gefüllt war, konnte er sich nicht mehr konzentrieren und so driftete er ins Traumland ab. In diesem schwirrte eine Biene mit dem Kopf eines gewissen langhaarigen Dozenten um ihn herum und ließ ihm keine Ruhe.

Am nächsten Morgen erinnerte er sich nicht mehr daran.
 

Die nächsten zwei Tage vergingen mit Vorlesungen und einer Menge damit verbundenem Wissen. Gackt fühlte sich an jedem Abend erschlagen. Er hatte nicht ein Mal Zeit nachzudenken, was er denn Montag nun wirklich erlebt hatte. Das Einzige, was er wusste war, dass er dieses bezaubernde Wesen unbedingt wieder sehen wollte. Und das nicht nur als Dozent, denn so kam er kaum an ihn heran. Wobei er sich nicht sicher war, was er genau von diesem jungen Mann wollte. Er konnte es nicht genau spezifizieren, da ihm schlicht und ergreifend die Zeit fehlte einen klaren Gedanken bezüglich seiner ersten Vorlesung zu fassen.

Montag war er heim gekommen und sofort nach dem Abendessen ins Bett. Dienstag und Mittwoch war er den Stoff der Vorlesungen noch ein Mal durchgegangen, da ihm Einiges unklar erschienen war und er auf keinen Fall schlechter als You da stehen wollte. Das hatte er in der Schule schon nicht leiden können. Er war eben ein Perfektionist, deswegen wollte er auch, dass es in der Schauspielschule genauso war.

Sein Ziel sah er klar vor Augen: Er wollte der Beste sein unter den Erstsemestlern.

Müde rieb Gackt sich die Augen und gähnte. Wie lange hatte er jetzt nicht mehr einfach nur nachgedacht? Ach ja, seit Samstag.

Mit einem Seufzer rappelte er sich hoch. Langsam ging er zum Kleiderschrank und wählte sorgfältig Anziehsachen aus. Mit diesen unterm Arm ging er zum Bad und begann seine morgendliche Routine. Erst waschen, dann anziehen, anschließend Zähne putzen, Haare kämen und einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel werfen. Danach konnte er sich dem Frühstück widmen. Heute hatte er sogar Zeit etwas Zeitung zu lesen. Die erste Vorlesung dieses Tages begann erst um 10 und jetzt war es kurz vor 8, also ging Gackt alles ruhig an.
 

Er wartete jetzt schon Stunden, wie es ihm vorkam, dass sein bester Freund seinen liebenswürdigen, kleinen, fetten Arsch endlich aus dem Badezimmer raus schob. Er musste da auch mal rein und so viel Zeit blieb nicht mehr.

Erneut hämmerte er, denn das Klopfen hatte er aufgegeben, gegen die Badezimmertür. Doch es kam keine Reaktion.

„Bist du darin eingeschlafen?“ Gereizt klang die sonst so schöne Stimme und Wut zeichnete sich auf dem sonst so kalten Gesicht ab. Er war es wirklich leid. Anscheinend machte sich Tetsu einen Spaß daraus, ihn Morgen für Morgen unnötig warten zu lassen. Hyde hatte ja schon gelernt sich in seinem Zimmer zu frisieren, aber alles konnte er da nun einmal nicht erledigen, zum Beispiel das, weswegen er sich die Beine vor dieser ach so reich verzierten Holztür in den Bauch stand.

„Nein, bin ich nicht.“ Endlich ging die Tür auf und ein blonder Haarschopf lugte raus.

Der kleine Langhaarige nutzte seine Chance. Er drückte die Tür gänzlich auf und schob den anderen heraus, danach trat er selber ein und schmiss das Holz zu, der Schlüssel wurde noch umgedreht und es befand sich ein verdattert dreinblickender Student vor der Tür wieder. Seufzend machte sich Tetsu auf in die Küche und nahm sich eine Tasse Kaffee. Während er ihn trank, wanderte sein Blick zur Uhr und er erschrak. War es wirklich schon so spät? Er sah erneut hin, doch die Zeiger waren nicht zurückgesprungen, eher bewegte sich der Sekundenzeiger stetig vorwärts.

„Ähm... Hyde, wir müssen los“, zaghaft hatte er gesprochen, doch laut genug, damit der andere ihn hören konnte. Zu seiner Erleichterung vernahm er nur ein Grummeln und hörte kurz darauf die Klospülung und Wasser rauschen.

Mit einem mehr als unfreundlichen Gesicht kam Hideto in die Küche und blinzelte seinen Kumpel an. „Wer ist mal wieder Schuld, dass ich nicht mal in Ruhe ein Geschäft erledigen kann?“ Wütend blitzten ihn die zu Schlitzen verengten Augen an.

„Ist ja gut. Ich werde mich bessern.“ Beschwichtigend hob der Blonde seine Hände und ging dann in den Flur. Der andere folgte ihm und beide zogen sie sich Schuhe an und nahmen ihre Jacken sowie ihre Taschen.

„Das sagst du jedes Mal und doch steh ich den nächsten Morgen wieder da.“ Er schloss die Tür ab. „Merk dir endlich, dass wir zu viert in der Bude wohnen.“

„Ja ja.“ Mit einem verkniffenen Lachen lief der Größere die Treppen herunter. Kopfschüttelnd folgte ihm Hyde. Der andere würde es nie lernen und er würde es jeden Tag ausbaden müssen, dabei stand er schon immer vor Tetsu auf. Hyde schob die deprimierenden Gedanken bei Seite, als er beim Verlassen des Wohnblockes warme Sonnestrahlen im Gesicht spürte. So konnte der Tag beginnen.
 

Gut gelaunt schlenderte Gackt in Richtung Campus. Er hatte die richtige Bahn bekommen und, da er dadurch eher da war, konnte er sich beim Gehen Zeit lassen. Er wandte seinen Kopf nach links und rechts, dabei besah er sich kurz die Fassaden der Gebäude. In einigen waren Geschäfte und so nahm er im Vorbeigehen die Auslagen unter die Lupe.

Schon von Weiten konnte Gackt eine ihm bekannte Person den Hof betreten sehen. Er beeilte sich etwas, um aufzuschließen.

„Ohayou“, dabei klopfte er seinem Freund auf die Schulter. Dieser zuckte kurz zusammen, ehe er sich umdrehte und ihn böse anfunkelte.

„Dir auch einen wunderschönen guten Morgen“, damit änderte er erneut die Richtung und ging ohne auf den anderen zu achten weiter.

„Was ist denn mit dem los?“ nuschele Gackt und folgte ihm mit Abstand, da er keine Lust hatte sich schon wieder zu beeilen.

So betraten sie dann auch den Hörsaal und mussten feststellen, dass dieser fast voll war.

„Sind noch zwei zusammenhängende Plätze frei?“ fragte Camui vorsichtig. Er wusste ja nicht, ob You überhaupt neben ihm sitzen wollte oder ob dieser nicht lieber Abstand wollte, wegen was auch immer.

Der Langhaarige ließ seinen Blick über die Reihen schweifen und entdeckte Tetsu, wie dieser ihm kurz zu winkte und dann auf die Reihe vor sich deutete. Mit einem „Komm“ setzte er sich in Bewegung und der andere folgte ihm.

Gemeinsam erklommen sie die Stufen und setzten sich dann in die Reihe davor.

Aus Neugierde, was seine Mitbewohner in dieser Vorlesung machten, wandte sich You dem Blonden zu. „Was treibt ihr hier?“

Mit einem Grinsen wurde ihm die Antwort geliefert. „Diese Veranstaltung ist mit eine der besten und ich mag die Dozentin.“ Tetsu zwinkerte den anderen kurz an. Dieser schüttelte seinen Kopf.

Durch die ihm unbekannte Stimme ließ Gackt den Raum Raum sein und drehte sich zu You und dem Fremden um. Sein Blick glitt über den anderen Mann und er versuchte sich zu erinnern, wo er ihn schon ein Mal gesehen hatte. Er überlegte und visierte dabei die Person neben dem Blonden an. Als er die langen braunen Haare sah, vergaß er schlagartig alle Personen um ihn herum. Er konzentrierte sich einzig und allein auf dieses Wesen. Er hatte gedacht, er würde ihn erst am kommenden Montag wieder sehen, doch anscheinend war ihm das Glück hold. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er in die überaus faszinierenden braunen Augen des anderen sah. Von dem Gespräch, was die drei führten, bekam er nichts mit, zu sehr war er von dieser Schönheit gefangen.

„Hat die erste Musterung nicht gereicht?“ fragte Hyde leicht neckend, dabei musste er seine aus dem angestarrt werden resultierende Wut unterdrücken. Hideto hasste nicht viel, aber wenn es etwas gab, was er verabscheute, dann war es angestarrt zu werden. Sobald wie jemand dies tat, konnte er die Wände hoch laufen und den Übeltäter in die Wüste schicken. Doch diese Handlungen würden seinem Ruf schaden und er hatte sich vorgenommen, aus allen Situationen immer das Beste zu machen. So ignorierte er das beklemmende Gefühl und blieb lässig.

Abwartend und abschätzend ruhte sein Blick auf dem Jüngeren. Dieser hatte ihm noch nicht geantwortet. Es schien so, als ob er die Frage nicht realisiert hatte.

„Wen meinst du?“ wandte sich Tetsu an seinen Freund.

Dieser zeigte mit seinem Finger nach vorn und antwortete: „Diesen kleinen Jungen da.“

Tetsu sowie You folgten der Hand. Der Blonde blickte fragend auf die Person und You stupste diese leicht in die Seite.

Durch diesen sanften Stoß wieder in der Realität drehte sich Gackt mit einem roten Kopf weg und kramte in seinem Rucksack. ‚Ist das peinlich. Wieso konnte ich meine Augen nicht von ihm nehmen?’, dachte er und fand seinen Block sowie das Schreibwerkzeug.

Hyde setzte ein überlegenes Grinsen auf und die anderen beiden zuckten nur mit den Schultern.

Zu der Erleichterung von Gackt betrat, bevor einer der drei noch etwas hätte sagen können, die Dozentin den Raum und die Vorlesung begann.

Erste konkrete Gedanken

Werfen wir heute Mal einen Blick in die Gedanken von Gackt. Lassen wir sich den Vorhang heben, ehe er wieder fällt und somit einen weiteren Abschnitt beendet.

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„Mein Name ist Kawamura-san. Und ihr habt das Vergnügung bei mir die Anfänge des japanischen Theaters zu lernen.“

Gackt vernahm die angenehme Stimme der recht ansehnlichen Frau, doch leider vernahm er noch mehr.

„Ja ja wir wissen es“ hörte er Hyde hinter sich murmeln. Er ignorierte diesen Einwurf.

„Komm zum Punkt“ warf Tetsu hinter ihm nicht gerade höflich ein, da Kawamura-san eine ausführliche Beschreibung des Vorlesungsinhaltes gab, wobei man nur die Aufteilung in die einzelnen Veranstaltungen wirklich realisierte. Alles andere zog an einem vorbei, da jeder Student mit den ganzen Daten überfordert war und er wusste, dass sie eh noch einmal wiederholt werden würden.

Das Gemurmel hinter ihm brach nicht ab und so drehte er sich um. Er wollte endlich seine Ruhe haben, doch anstatt das er etwas sagen konnte, durfte er sich was anhören.

„Dreh dich um, Kleiner.“ Hyde hatte zu ihm gesprochen mit einer kalten, abweisenden Stimme. Dessen Blick sagte Gackt nichts anderes.

Missgestimmt wandte er sich wieder der Tafel zu, an dieser wurden gerade die ersten Jahreszahlen mit den dazu passenden Ereignissen notiert. Doch konnte er sich nicht darauf konzentrieren.

‚Er hat mich Kleiner genannt’, dachte Camui verstimmt. Dabei war er doch wesentlich größer als dieser kleine, eingebildete, verdammt gut aussehende Dozent? Student?

Er schüttelte seinen Kopf. Nicht einmal in Gedanken konnte er den anderen beschimpfen. Ihm ging die Figur einfach nicht aus dem Kopf, so bekam er auch nicht mit, wie die Stimmen hinter ihm verstummten und sich die gesamte Aufmerksamkeit auf Kawamura-san richtete. Auch der Blonde kam aus seinen Gedanken in der Realität an und widmete sich ganz den Anfängen des japanischen Theaters.
 

Nach Minuten des Zuhörens und Mitschreiben konnte Gackt endlich den Stift fallen lassen und seine Hand sowie die Ohren entspannen. Seine Konzentration ließ er ebenfalls für die nächsten Minuten, genauer gesagt bis zur nächsten Vorlesung, fallen. Er konnte nicht mehr. Sein Kopf war mehr als nur mit Wissen voll gestopft. Er hatte den Eindruck egal, was er hören, lesen oder gar schreiben würde, er würde nichts davon behalten können. Genauso wenig fühlte er sich im Moment in der Lage Konversation zu betreiben. Mit einem Blick zu seinem besten Freund gewahrte er, dass dieser keine Anstalten machte auch nur ein Wort zu sagen. Stattdessen stand der Langhaarige kurz davor aufzustehen und dann den Raum zu verlassen. Diese Information war schneller verarbeitet, als man den Namen Gackt hätte sagen können.

Dieser packte schnell seine Sachen zusammen. Er stopfte sie einfach in den Rucksack und stand dann ebenfalls auf. Gemeinsam und ohne ein Wort zu sprechen verließen sie den Hörsaal, bemerkten aber nicht die Blicke, welche ihnen folgten.
 

Nachdem Kawamura-san mit ihren üblichen Worten die Vorlesung beendet hatte, wandte sich Tetsu zu Hyde. Er wollte ihn eigentlich etwas fragen, doch stockte er aufgrund des konzentrierten Blickes seines Freundes.

Dieser hatte anscheinend einen bestimmten Punkt fixiert und ließ ihn nicht aus den Augen. Weniger war es ein Punkt als eine Person, wie der Blonde durch folgen des Blickes feststellen konnte. Er fragte sich zwar, warum Hyde ausgerechnet diesen Grünschnabel beobachtete, aber er sprach es nicht aus. Lieber nahm er seinerseits den anderen Neuling, wie sie die Erstsemestler gerne bezeichneten, unter Beobachtung.

Die beiden Freunde folgten ihren beiden Beobachtungsobjekten mit den Augen bis diese den Saal verlassen hatte, erst dann packten sie ebenfalls ein und machten sich auf den Weg.

„Kawamura-san hat mal wieder einen heftigen Einstieg gewählt. Wenn ich mir das Gestöhne nach den ersten zwei Folien ins Gedächtnis rufe, muss ich die Erstsemestler unweigerlich bemitleiden.“

„Du und Mitleid?“ Tetsu sah ihn erst ungläubig an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Selbst Ken, welcher die Vorlesung über und davor keinen Mucks von sich gegeben hatte, musste jetzt anfangen zu lachen.

Ein böser Blick von dem Kleinsten brachte zumindest den Blonden dazu, sich etwas zu beruhigen. Auch wenn er noch nicht ganz mit dem Lachen aufhörte, so war er doch in der Lage dem anderen eine Erklärung zu liefern.

„Hyde, nicht böse sein“, Tetsu hob beschwichtigend die Arme. „Aber du hast bisher mit niemanden Mitleid gezeigt. Ich erinnere dich nur ungern, aber du hast dich seit wir in Tokio sind nicht einmal darum geschert, was dein Gegenüber fühlt.“

Trotzdem funkelte er den Größeren weiterhin böse an. „Vergiss es“, damit verschwand Hyde aus dem Saal und ging in Richtung Mensa. Von Vorlesungen hatte er erst mal die Nase voll. Zu seinem Glück kam nur noch eine am heutigen Tag auf ihn zu und diese auch erst in ein paar Stunden, weswegen er genug Zeit hatte zu essen, die Vorlesungsinhalte aufzuarbeiten und seine eigene etwas vorzubereiten. Er durfte zwar die Aufzeichnung von Hanasaki-sensei verwenden, doch wollte er lieber seine eigenen Notizen haben. Mit diesen fühlte er sich einfach besser.

Bei seinem Ziel angekommen, besah er sich erst einmal das Angebot. Irgendwie hatten sie heute nichts, was ihn wirklich vom Hocker riss. So entschied er sich für das Dauerangebot Sushi.

Kurze Zeit später stand er mit einer neuen Wahl an Variationen von Sushi bei einem Tisch neben einem Fenster.

Seufzend stellte er das Tablett ab und ließ seine Tasche auf einen Stuhl gleiten. Neben diesen setzte er sich. Bevor er seinem Magen etwas zum Arbeiten gab, angelte er sich die Unterlagen der zwei Vorlesungen von heute heraus und schlug sie zum Durchgehen auf.

So bemerkte er nicht wie die Zeit verging und sich die Mensa langsam aber sicher füllte.

„Darf man sich dazu setzen?“

Hyde zuckte zusammen und hob seinen Kopf von seinen Unterlagen. Bevor er den Fragensteller erkennen konnte, musste er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen. Dann sah er wer da vor ihm stand.

„Klar doch. Sind doch genug Stühle frei.“

Sein Gesprächspartner ließ ebenfalls zuerst seine Tasche auf einen Stuhl gleiten, ehe er sich selber hinsetzte. Dessen Tablett hatte schon vorher den Weg auf den Tisch gefunden.

„Vorhin das war nicht so gemeint“, wollte sich Tetsu entschuldigen wurde jedoch unterbrochen.

„Es ist wahr. Das, was ich gesagt hatte, war eher ironisch gemeint.“

Auf Tetsus Lippen stahl sich ein Lächeln. Was für ein Glück, dass der andere ihm nie lange böse sein konnte.

„Hast du dir deine Aufzeichnung noch einmal durchgelesen?“ Hyde sah ihn bei dieser Frage nicht an, eher senkte er seinen Kopf wieder und schlug seinen Block zu. Danach wurde dieser in der Tasche verstaut und der letzte Rest Sushi gegessen.

Der andere verneinte nur und begann mit einem Heißhunger sein Essen zu verschlingen, dass Hideto sich beherrschen musste nicht laut loszulachen.
 

„Mann, ist das anstrengend. Ich hab nicht gedacht, dass die gleich in der ersten Woche so loslegen. Haben die denn kein Erbarmen mit uns Erstsemestlern?“ Ein tiefer Seufzer folgte auf das Gesagte.

Mit einem Blick zu den Menus des Tages antwortete ihm You. „Nein, anscheinend nicht. Ich finde das, aber gar nicht schlecht. So weißt du wenigstens, was auf dich zu kommt und das dieses Business kein Zuckerschlecken ist.“ Demonstrativ wandte er sich ab und stellte sich in eine Reihe. Gackt wollte ihm schon folgen, als ihm auffiel, dass er was ganz anderes essen wollte. So stellte er sich bei der entsprechenden Schlange an und das Gespräch der beiden war vorerst beendet.

Während er darauf wartete sein Essen zu bekommen, ließ er seinen Blick schweifen und entdeckte bei einem Fenster wieder dieses interessante Wesen. Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass diese Person ein Mann sein sollte. Die femininen Züge, die der Langhaarige immer wieder an Tag legte, konnten doch gar nicht von einem Mann stammen. Es musste eine Täuschung sein. Jedoch ließ die Stimme Hidetos keine Zweifel über sein Geschlecht zu und doch zweifelte Gackt an seinem Urteilsvermögen.

Seufzend konzentrierte er sich wieder auf die Menschen vor ihm.

Kurz vor der Ausgabe sah er wie sein bester Freund an ihm vorbei ging. Dieser schritt auf den Tisch von Hyde und Tetsu zu, da an diesem noch am meisten Platz war.

„Darf man sich setzen?“

„Frau auch“, kam die Antwort von Tetsu. Mit einem Lächeln nahm er seine Tasche von dem Stuhl und der Jüngere ließ sich ebenfalls mit einem Lächeln nieder. Danach wandte sich der Blonde wieder seinem Kumpel zu und sie führten ihr Gespräch weiter, bei dem sie den anderen nicht beachteten. Dieser blickte sich suchend nach seinem Freund um. Nach einigen Sekunden hatte er besagten auch gefunden.

Gackt hatte gerade sein Essen bekommen und machte sich nun auf die Suche nach dem anderen. Diesen realisierte er, als der sich erhob und er somit den Haarschopf erblicken konnte. Rastas hatten halt nicht viele an dieser Uni.

Zielstrebig ging er auf ihn zu und zögerte als er an dem Tisch angekommen war. Sollte er sich setzen oder lieber einen anderen Platz suchen.

„Setz dich ruhig“ erklang es von dem kleinen Braunhaarigen. Dieser erhob sich genauso wie Tetsu. Beide hingen sich ihre Taschen um, ehe sie nach den Tabletts griffen und sich dann auf und davon machten.

Leicht enttäuscht ließ sich der Kurzhaarige fallen. Einerseits fühlte er sich unwohl in der Nähe des Älteren, andererseits mochte er diese.

Lustlos stocherte er in seinem Essen herum, ehe er auch nur einen Biss zu sich nahm, war es schon abgekühlt.

Mit einem skeptischen Blick verfolgte You das Gebaren seines Gegenübers. So kannte er ihn gar nicht. Was war nur mit Gackt los. Sollte es Heimweh sein? Immerhin war dieser das erste Mal so lange von Zuhause fort.

Ein Gefühl sagte ihm, dass dies nicht der Grund sein konnte. Irgendetwas anderes war es. Etwas, das er sich nicht erklären konnte.

Er selbst hatte sein Essen schon verspeist, als Gackt seinen ersten Bissen zu sich nahm.

Richtig schmecken tat es dem Kurzhaarigen nicht. Seine Gedanken schweiften viel zu sehr um die Ereignisse der bisherigen Woche. Alles in Allem war es anders gelaufen, als Camui es sich vorgestellt hatte. Er war davon ausgegangen neue Freunde zu finden. Stattdessen traf er auf eine Person, die ihm den Kopf verdrehte.

Halt! Stopp! Was dachte er da nur? Er stand doch gar nicht auf Kerle. Na gut, er hatte ihn zuerst für eine Frau gehalten. Trotzdem war es ein Mann und Gackt von Frauen fasziniert. Diese Rundungen und Kurven hatte einfach kein Vertreter des männlichen Geschlechts.

Um den scheußlichen Geschmack, der ihn bei einem absurden Gedanken überkam, los zu werden, nahm er sich sein Soda. Mit einem Zug leerte er es bis zur Hälfte, danach blickte er wie unter einem inneren Zwang auf und sah in das besorgte Gesicht seines besten Freundes.

„Was ist, dass du so schaust?“ fragte er ihn. Denn einen Grund konnte er sich nicht vorstellen.

„Du!“ Ein überraschter und ungläubiger Blick traf You auf diese Feststellung hin. „Du benimmst dich so ungewohnt. Normalerweise ist kein Essen vor dir sicher, auch wenn ich immer noch nicht weiß, wo du das alles hin steckst. Aber heute hast du es nicht einmal richtig angerührt.“

„Na ja. Es schmeckt mir heut halt nicht“, damit erhob sich Gackt und verließ die Mensa. Mit einem Kopfschütteln folgte der andere ihm, denn sie mussten zu ihrer nächsten Vorlesung. Jedoch hatte sich You vorgenommen, auf Gackt zu achten. Dessen Verhalten musste ergründet werden. Und das nach noch nicht einmal einer Woche.
 

Erschöpft schleppte sich Gackt nach Hause. Die Vorlesung hatte an seinen Reserven gezehrt und das Gespräch mit You danach noch mehr. Wie kam der nur auf solche Ideen? Er hatte keine Ahnung und daran denken, wollte er auch nicht.

So beobachtete er seine Umgebung auf dem Weg zur Bahnstation. Auch während der Fahrt huschten seine Augen von einer in die andere Ecke. Er brauchte etwas zur Ablenkung, denn ohne ging es im Moment nicht.

Nun war er in seinem kleinen Zimmer angekommen und hatte keine Konzentration mehr. Zum Glück war in zwei Tagen Wochenende und er könnte seine Batterien wieder auf laden und alles noch einmal durchgehen.

Doch heute wollte er nur noch schlafen und nichts träumen, wenn es möglich war. Jedoch wurde er diesbezüglich enttäuscht.

Er lag keine Minute im Bett, war er schon ins Land der Träume abgedriftet. Dort traf er als erstes auf einen lachenden und springenden You. Dieser schien etwas hinter sich her zu ziehen. Mit zusammen gekniffenen Augen konnte Gackt erkennen was es war. Es handelte sich um eine kleine, blonde Person. Zu dritt gingen sie in ein Café und unterhielten sich. Kurz darauf änderte sich die Szenerie und die Stühle, Tische sowie der Raum waren verschwunden. Nun stand Gackt allein auf einer großen, dunklen Wiese. Er sah sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Als sich auf einmal zwei Arme um ihn schlangen und ihn sanft an einen warmen, jedoch kleineren Körper drückten. Wohlig seufzte Camui in seinem Traum war auf.

Sein Traum-Ich wurde langsam in der Umarmung gedreht und die andere Person stellte sich auf die Zehenspitzen. Sofort raubte sie ihm einen Kuss. Dieser wurde von beiden Seiten her vertieft, so dass nur wenig später sich die Hände von dem Kleineren verselbstständigten und sie im Gras landeten. Immer weiter schoben sie das Shirt des Kurzhaarigen hoch und ehe es sich Gackt versah, waren beide unbekleidet. Ein Gedanke kam ihm und er schreckte schwer atmend aus seinem Traum.

Ein Ausdruck größten Unglaubens machte sich auf dem mit Schweiß versehenen Gesicht breit. Was träumte er da nur? Wie kam er bloß auf diese Ideen?

Grob fasste er sich in die Haare und stand unwillig auf. Mit hängenden Schultern und gesenktem Blick schlürfte er zum Badezimmer. Vorm Waschbecken angekommen schmiss er sich eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht.

Immer noch müde, jedoch wieder bei Sinnen trocknete er sich ab und ging erneut in sein Bett zum Schlafen, doch diesmal traumlos.
 

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Heute Mal eine Bemerkung am Schluss. Das nächste Kapitel ist noch nicht fertig und wird wahrscheinlich noch etwas auf sich warten. Vor August komm ich nicht zum Weiterschreiben, muss was für meine Zukunft tun*grins*

Hoffe trotzdem auf keine allzu lange Wartezeit für euch

Brechendes Bild

Eine Party steht an. Ein fröhliches Ereignis. Wird es dies auch für den guten Gackt werden?

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Ausgeruht und mit neuer Power kam Gackt überpünktlich zu seiner ersten Vorlesung am Freitagvormittag.

Freudestrahlend ließ er sich neben You nieder. Dieser blickte ihn nur verwundert an.

„Heute Abend ist die Erstsemesterparty. Was denkst du, gehen wir hin?“ ließ Gackt als Begründung für seine gute Laune verlauten. Eigentlich lag dieses Strahlen daran, dass er seine Gedanken vom Vortag sowie den Traum der letzten Nacht erfolgreich verdrängt hatte.

Der Langhaarige überlegte und willigte schließlich ein. So hatte Gackt etwas, auf das er sich am Abend freuen konnte, und womit die Stunden des Lernens schneller vorbei gehen würden.

Kaum hatte er angefangen sich Notizen zu machen, konnte er den Stift wieder weglegen und den Raum wechseln. So ging es den ganzen Tag, selbst beim Mittagessen bekam er nicht mit, wie die Zeit verging.

Heute hatte You ausnahmsweise mal keine Probleme, die Aufmerksamkeit Gackts auf das Wesentliche zu konzentrieren. Heute tat es dieser von selbst. Leicht war er darüber verwundert, jedoch nicht abgeneigt, dass es öfters so sein könnte. Immerhin würde es dann einfacher und auch schöner für ihn selber werden.
 

Wie im Flug waren die Stunden der Vorlesungen vergangen und der Vormittag hatte sich längst in den späten Nachmittag verwandelt. Nicht einmal an einem Freitag hatte er eher Schluss. Nein, eher noch später als an den anderen Tagen. So zumindest kam es Gackt im Moment vor. Beschweren wollte er sich aber nicht, denn immerhin hatte er sich für die Schauspielkunst entschieden.

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und einem befreiten Geist ging er mit You über den Campus. Dieser war überfüllt und sie bahnten sich nur schwer ihren Weg zum Tor.

„Ich komm gegen 7 zu dir?“

Sie hatten fast das Ende des Geländes erreicht.

„Ist es nicht besser, wenn ich zu dir komme?“ Gackt war sich nicht sicher, ob er Yous Vorschlag nicht als Scherz abtun sollte. Eigentlich hatte er ihm mehr Intelligenz zu getraut. Aber anscheinend zeigten sich auch bei einem You so etwas wie Erscheinungen durch Überanstrengung hervorgerufen.

Doch dieser schüttelte nur seinen Kopf und sah ihn mild lächelnd an. „Wenn du mich abholst, dann kann ich ewig warten eh du da bist. Also, um 7 bin ich bei dir. Brauchst mir nur noch die Adresse geben.“

Das klang einleuchtend. Wobei doch eine gewisse Beleidigung seinerseits dabei war. Jedoch war es nur die reine Wahrheit. So wirklich viele Vergleichsmomente fielen Gackt nicht ein. Er konnte sich nur an eine Party erinnern, zu der er You abgeholt hatte. Irgendwann gegen frühen oder doch schon fortgeschrittenen Abend? Er wusste es nicht mehr. Der Abend war so oder so ein totaler Reinfall gewesen und trotzdem war er gespannt auf die heutige Fete. Diese würde bestimmt ganz anders ablaufen als dieses pubertäre Besäufnis ohne einen Tropfen Alkohol bis der Bruder des Gastgebers aufgetaucht war. Er hatte echt keinen Plan mehr, was sie damals gemacht hatten oder wie lange sie bei dieser kleinen, nicht ganz so legalen Veranstaltung geblieben waren.

Egal, heute war er älter und reifer. Dieses Mal würde er versuchen zumindest irgendein Mädchen anzugraben. Etwas Gutes musste ihm doch widerfahren können. Eine kleine Knutscherei würde ihm voll und ganz reichen.

Gackt verscheuchte die Gedanken, denn noch war die Party nicht losgegangen und er auch noch nicht dort.

„Okay!“ Endlich hatte er realisiert, dass er seinem besten Freund noch eine Antwort schuldig war. Irgendetwas fehlte da noch? Gackt konnte sich im Moment nicht entsinnen, was er vergessen haben könnte.

„Die Adresse brauch ich noch.“ Damit brachte You den Abtrünnigen wieder auf den rechten Weg. Dieser kramte in seinem Rucksack nach Zettel und Stift. Danach schrieb er schnell die Straße sowie Hausnummer auf. Geistig gegenwärtig notierte er auch noch den Namen seiner Verwandten, dann endlich – natürlich erst nach Übergabe der Notiz und Einpacken der Schreibutensilien – konnte er sich auf den Heimweg machen und sich seinen Gedanken voll und ganz hingeben. Ein Halleluja auf das Alleinsein und Denken!
 

Wie ein aufgescheuchtes Huhn rannte eine Person durch die Studentenbude. Überall sah man einen blonden Schopf auftauchen und so gleich wieder verschwinden.

„Was ist denn mit dem los?“ fragend stellte sich You neben den Älteren und beobachtete mit diesem das Treiben ihres Mitbewohners.

„Er sucht etwas, was die ganze Zeit auf seinem Kopf ist.“ Ein fieses Grinsen legte sich auf die Züge des Kleinen.

„Und du sagst es ihm nicht?“

„Natürlich nicht. So hab ich noch etwas Ruhe.“ Hideto drehte sich von dem Bild weg und ging in die Küche. Der andere folgte ihm. Er war neugierig geworden.

„Ruhe vor was?“

Ein Seufzen verließ die Lippen des Angesprochenen. Mit einem Glas in der Hand wandte er sich dem Fragenden zu.

„Na die Party heut Abend. Du kennst Tetsu nicht.“ Verwundert über den Zusammenhang zwischen dieser Aussage und seiner Frage sah er in die Augen Hydes. Dieser zuckte mit seinen Schultern und begann zu erklären.

„Er ist immer so was von aufgeregt. Das ich mich jedes Mal frage, ob er zum ersten Mal auf so eine Veranstaltung geht. Und ich kenne ihn schon seit Jahren.“ Er nahm einen Schluck von seinem Wasser. „Wenn er mit seinem Outfit zufrieden ist, dann knüpft er sich immer mich vor. Dabei habe ich meinen eigenen Stil und brauche seine Hilfe nicht. Also lasse ich ihn immer suchen, egal was.“

„Wie machst du das?“ Auf diese Frage bekam er nur ein Lausbubenlächeln. „Du versteckst Tetsus Sachen vor ihm selber?“ Unglaube, purer Unglaube sprach aus den Worten des anderen und Hyde nickte nur bestätigend.

Er stellte sein Glas neben die Spüle. „Ich geh mich mal umziehen“, und er verließ den Raum. Kurz blickte ihm der andere nach, wandte sich dann aber wieder seinen Problemen zu, die aus einem kurzhaarigen, jungen Mann bestanden.

Er ging am Wohnzimmer vorbei in Richtung Wohnungstür. Kurz verweilte You in der Tür. Mit einem Lächeln auf den Lippen erhob er seine Stimme.

„Tetsu, schau mal auf deinem Kopf nach.“ Mit diesen Worten zog er seine Schuhe an und verschwand.

Angesprochener fuhr sich mit der Hand in die Haare über die Stirn zum Hinterkopf. Auf halber Strecke merkte er Widerstand, wo gar keiner hätte sein dürfen. Er griff sich das störende Etwas und hielt seine gesuchte Brille in der Hand. Mit dieser war er nur wenig später in seinem Zimmer vor seinem Spiegel und besah seine Wahl für heute Abend.

Irgendwie passte die Sonnenbrille nicht dazu. Kaum hatte der Blonde das festgestellt, war diese auch schon auf dem Nachtschrank verschwunden und er, vollkommen mit sich zufrieden, auf den Weg zu seinem aller besten Freund.
 

Gackt lag ausgestreckt auf seinem Bett und starrte die Zimmerdecke an. Immer neue Muster entdeckte er bei ihr, auch wenn er hauptsächlich von seinen Gedanken bei der Beobachtung dieser gestört wurde.

Eine Menge Fragen flogen durch seinen Kopf und für keine fand er eine plausible Erklärung. Die Schwerwiegendste für ihn war immer noch: Was war mit ihm los in der Nähe dieses kleinen, umwerfend aussehenden Wesen? Er war noch lange nicht breit, den langhaarigen Dozenten als jungen Mann zu titulieren. Er fand Wesen passte besser und beschrieb eher, was er von diesem hielt. Für ihn war der Ältere geheimnisvoll und unerreichbar fern.

Ein Seufzen verließ seine Lippen und er drehte sich auf die Seite.

Sein Blick schweifte durch den Raum und er gratulierte sich innerlich zu seiner Freiheit. Wie toll er es auch fand, von zu Hause fort zu sein, so wollte er lieber wie You in einer WG mit Gleichgesinnten wohnen und nicht bei Verwandten. Aber zu sehr beschweren, sollte er sich auch nicht, denn es war besser als bei seinen Eltern.

Seine Augen verweilten auf der Uhr und einige Bewegungen des Sekundenzeigers später hatte er auch endlich die Zeit realisiert.

„Was?“ Er sprang hoch und aus dem Bett. Sofort stand er vor seinem Kleiderschrank und riss die Türen auf. Er brauchte was zum Anziehen.

Er ging seine kompletten Klamotten durch, ehe er etwas einigermaßen Passables gefunden hatte. Er zog es heraus und durchquerte schnellen Schrittes das Wohnzimmer Richtung Bad. Die verwunderten Blicke seiner Verwandten ignorierte er oder bekam sie gar nicht erst mit.

In dem gefliesten Raum zog er sich im Eiltempo die Sachen aus und sprang unter die Dusche. Er wusch den Schmutz des Tages ab und zog sich dann seine frische Kleidung an. Für das Reinigen hatte er sich ausnahmsweise auch wenig Zeit gelassen. Normal würde er nicht in einer Viertelstunde mit Duschen fertig sein. Er hasste Eile bei der Körperpflege, aber jetzt ging es grad nicht anders, wenn er You nicht ewig warten lassen wollte. Und das hatte er bestimmt nicht vor. Er wollte dem anderen beweisen, dass er erwachsener geworden war und nicht immer wie ein Kleinkind handelte.

Er schaute auf seine Armbanduhr und ein „Mist!“ entfuhr ihm. Seine verbliebene Zeit war weiter geschrumpft, dabei musste er doch noch so viel machen. Haare föhnen, legen, Schmuck raussuchen und anlegen und dann… Ja. Was noch? Er überlegte kurz und stellte fest, dass es ja doch gar nicht so viel war. Immerhin konnte er einen Klamottenwechsel vergessen, wenn ihm seine Wahl nicht gefiel. Diesen Gedanken schob er beiseite und kramte nach dem Heißlufthaartrockner, den er sofort nach Finden mit Strom versorgte und sich in die Haare hielt. Na ja etwas entfernt, er wollte seine Kopfhaut ja nicht grillen.

Die Minuten rannen dahin und seine Haarpracht wurde mit jeder trockner. Jedes bisschen Feuchtigkeit war aus ihnen verschwunden, als er die Klingel hörte. Er verließ das Badezimmer und begab sich in den Flur, wo er auf seine Tante traf.

„Ein gewisser You“, sagte Mika und verschwand wieder im Wohnzimmer.

Gackt blieb wie bestellt und nicht abgeholt an der schon offenen Tür stehen. Erst die Begrüßung von You riss ihn aus seiner Starre.

„Na steif geworden?“ Neckend sah er den Kurzhaarigen an. Dieser lächelte nur verunglückt und ließ ihn eintreten.

Nachdem Schuhe ausziehen ließen sie den Flur hinter sich und traten in den Hauptwohnraum des Appartements.

„Das sind meine Tante Mika und mein Onkel Shiichiro.“ Er zeigte nach einander auf die beiden Erwachsenen und die bis noch unbekannten musterten sich kurz bis die beiden Jungen den Raum dahinter betraten.

„Mein kleines Reich.“ Gackt drehte sich einmal im Kreis mit erhobenen Armen.

„Setz dich“, er deutete auf sein Bett, sich selber ließ er auf den Schreibtischstuhl fallen. Er nahm sich ein Kästchen und wühlte da drin herum.

You schaute sich zuerst um. Am Ende blieb sein Blick an seinem besten Freund haften. „Suchst du was Bestimmtes?“

„Ja und Nein“ bekam er als Antwort, was ihn aufstehen ließ und er sich hinter Camui stellte. Durch einen Blick über dessen Schulter konnte er erkennen, was sich in dem Kästchen befand. „Schmuck?“, fragte er verwundert.

„Ich trag doch immer eine Kette.“ Gackt wühlte noch immer in seiner Kettensammlung. „Passt die?“, fragte er nach einigen Minuten und hielt sich eine an den Hals.

You ging einen Schritt zurück und betrachtete das Bild. Er nickte und der andere legt sich das Schmuckstück um.

Gackt stand auf und wollte das Zimmer verlassen. Er hatte die Tür schon geöffnet, als er merkte, dass You keine Reaktion zeigte. „Willst du nicht mitkommen?“ Ungläubigkeit schwang in der Frage mit.

You schüttelte den Kopf und stotterte, als er sprach: „Du bist doch noch nich fertig.“ Skepsis und Verwunderung vernahm Gackt aus der Stimme seines Freundes.

„Wieso sollte es nicht so sein?“ Mit Unterverständnis im Blick musterte er den anderen. Dieser zuckte nur mit den Schultern und verließ als Erster den Raum. Genauso hatte er auch zuerst seine Schuhe an. Gackt folgte ihm und schloss die Tür hinter ihnen ab. Von seinen Verwandten hatte er sich schon im Wohnzimmer verabschiedet gehabt.
 

„Was. Willst. Du?“ Hyde presste die Worte gewillt emotionslos hervor und doch verriet ihn ein böses Funkeln in den Augen.

Tetsu war zu ihm ins Zimmer gekommen und hatte begonnen an seinen Klamotten herumzumäkeln. Hideto konnte das gar nicht leiden und schon gar nicht, wenn der andere unaufgefordert an seinen Schrank ging und dort einfach etwas heraussuchte, was er, kleiner, unschuldiger Mann, tragen sollte.

„Nein.“ Er schüttelte zum wie es ihm vorkam tausendsten Mal seinen Kopf und sprach mit Nachdruck. Egal wie gut er schauspielern konnte, dies half bei Tetsus Designerversuchen nie. Die Konfrontationen mit diesen konnten ihn nie auf die nächste vorbereiten und so sah er sich heute gezwungen sein Zimmer fluchtartig zu verlassen.

Er verschanzte sich ihm Bad und kümmerte sich ausführlich um seine Haarpracht.

Ein skeptischer Blick in den Spiegel machte ihm deutlich, dass er die braune Mähne waschen sollte. Gedacht, getan.

Nun stand der Langhaarige vor dem verglasten Schrank und hielt sich den Fön in die Haare. Leicht summte er vor sich hin dabei.

„Hey. Wie konntest du nur abhauen?“ empörte sich der Blonde unterdessen vor der Tür. Kopfschüttelnd ging ihr zweiter Mitbewohner am Bad vorbei. Dieser kannte die Prozedur schon und ignorierte die Freunde, wenn sie sich in so einem Stadium befanden gekonnt. Wollte er sich doch nicht zwischen die Fronten ziehen lassen. Nein, er würde sich da immer raushalten.

„Ich will deine Kreationen oder Zusammenstellungen nicht tragen.“ Hideto schaltete den Fön aus und nahm sich eine Bürste. Pflege musste sein. „Außerdem kann ich selbst entscheiden, was ich anziehe. Und ich habe etwas an, was mir mein Ziel für heute Abend ermöglicht zu erreichen.“ Er legte das Kämmwerkzeug beiseite, verstaute den Heißlufthaartrockner im Schrank, schloss die Tür auf und trat heraus. Als er direkt neben Tetsu stand, erhob der Brünette erneut seine Stimme. „Mir stehen nicht die gleichen Sachen wie dir. Merk dir das endlich.“ Er ließ den anderen stehen und ging in sein Zimmer.

Wenige Minuten später fand sich die kleine Person im Flur wieder und zog ihre Schuhe an. Irgendetwas fehlte. Es war zu ruhig. Mit einem Blick über die Schulter und neben sich stellte sie auch fest, was es war.

„Tetsu?“ hallte es durch die Wohnung. Gerufener fiel beinah von seinem Stuhl. Er hatte sich ebenfalls zurückgezogen. Er war in sein Zimmer gegangen und hatte am Schreibtisch sitzend nachgedacht. Zugegebenermaßen hatte er es versucht. Doch nun küsste er den Boden. Schnell rappelte sich der Blonde hoch und beeilte sich zum Eingangsbereich zu kommen.

„Wir wollten doch los, oder?“ wurde er nach Ankommen gefragt. Mit einem Nicken schlüpfte Tetsu in seine Schuhe und Hideto schloss kurz darauf die Tür zu.
 

Die Aufregung, welche zu Beginn des Nachmittags noch nicht da gewesen war, machte sich langsam aber sich in ihm breit. Er wusste zwar nicht, warum er nervös sein sollte, aber er war es. Das Gefühl war ganz deutlich in seinem Körper zu spüren und auch die Nähe zu seinem besten Freund konnte daran nichts ändern. Es kam ihm beinah so vor, als ob heute Abend etwas Wichtiges, Bedeutendes passieren würde. Etwas, mit dem er nicht rechnete. Etwas, was er sich nicht erträumen lassen würde.

Die Luft vor ihm atmete er tief ein, behielt sie eine Weile in seinen Lungen, ehe er das verbrauchte Gas wieder ausatmete. Er straffte seine Schultern und betrat einige Schritte hinter You das Gebäude und kurz darauf den Raum.

Musik schallte ihm entgegen. Laut und wenig melodisch. Er mochte sie nicht, doch das war nicht so schlimm. Immerhin würde sie nach ein paar Bierchen oder doch lieber Schnaps angenehmer in seinen Ohren klingen.

Sein Blick schweifte über die Menschenmasse. Ein Haufen Gesichter, die er nicht kannte und wahrscheinlich nie kennen lernen würde. Die Menschen und Geschichten dahinter interessierten ihn nicht, so blieb er auch nicht stehen, sondern bewegte sich stetig auf den groß gewachsenen Japaner zu, der ihn ausversehen verloren hatte. Oder war es Absicht gewesen? Sich so nicht weiter mit ihm abgeben zu müssen.

Gackt fuhr sich durch die Haare und trat hinter seinen besten Freund. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Was Schönes entdeckt?“ Die Frage wurde fast von dem Krach verschluckt und doch reagierte der andere darauf.

„Noch nicht.“ Ein Zwinkern begleitete die Worte.

„Hast du die Bar entdeckt?“ Gackt ließ seine Augen die Umgebung absuchen. „Ich find es zu voll, um sie zu sehen.“

Der Langhaarige drehte sich einmal im Kreis und zog seinen Kumpel dann einfach hinter sich her.

„Hier“, meinte er, als sie vor einem Theken-ähnlichen Gebilde angekommen waren.

Gackt nickte dankend und beugte sich über den Tisch. Er teilte dem Barkeeper – wahrscheinlich nur ein provisorischer – mit, was er wollte und drehte dann dem Ausschank den Rücken zu, um die tanzende Meute beobachten zu können. Er verfolgte mit seinen braunen Augen die Bewegungen der einzelnen Paare. Verwundert stellte er fest, dass sich ausschließlich Paare zum Tanzen gefunden hatten. Er sah niemand der sich alleine zur Musik bewegte. Irgendwie stimmte ihn diese Tatsache missmutig, denn er wusste nicht mit wem er das Tanzbein schwingen könnte. Und doch wollte er sich austoben.

Seine Augen huschten immer wieder über die sich räkelnde Masse. Er sah hier und dort einen braunen Haarschopf, zwischendrin einen gefärbten und dann wieder schwarz. Mit seinem Blick maß er beim Vorbeigehen die jungen Männer und Frauen und fand unter den Damen doch niemanden, den er hätte auffordern können.

Mittlerweile hatte er im Schlepptau von You schon eine komplette Raumdurchquerung hinter sich. Missmutig stand er neben diesem und lauschte den Ausführungen der anderen Studenten. Doch Gackt stand der Sinn nicht nach Uni, sondern nach feiern. Also zog er sich dezent zurück und versuchte lebensmüde sich einen Weg mitten durch die tanzende Menge zu bahnen. Er hatte keine Lust einen Umweg zur Theke zu laufen, denn sein Becher war leer und er durstig. Demnach hieß das Motto „Ab durch die Mitte!“.

Und er bemühte sich wirklich nicht unnötig die Menschen anzurempeln, wobei ihm der Sinn danach eher stand, als so teilnahmslos zu wirken.

Auf dem Weg zur heiß ersehnten Getränkequelle machte er einen Schopf aus der ihm wage bekannt vorkam. Er näherte sich diesem und konnte durch die wenigen Lücken, welche die Paare doch ab und an zuließen, die Figur ausmachen. Er erhaschte sogar einen Blick auf die Kleidung und stellte wenig überrascht fest, dass das, was er sehen konnte, hervorragend zu der von ihm vermuteten Person passte.

Er kam dem tanzenden Paar immer näher und seine Vermutung bestätigte sich mit jedem getanen Schritt. Kurz bevor er sie komplett erreicht hatte, hielt er inne, unfähig weiterzugehen. Wie gebannt waren seine Augen auf das Schauspiel vor ihm gerichtet. Alles, was er wahrnahm, war der Wettstreit des sich langsam im Takt bewegenden Pärchen wer dem anderen die Zunge tiefer in den Rachen stecken konnte. Er schluckte. Irgendetwas schien in ihm zu zerbrechen.

War das seine Vorstellung von diesem… diesem Wesen? Er wusste keine Bezeichnung dafür. Er wollte ihn immer noch nicht mit Mann bezeichnen, doch die Betitelung als Wesen hatte er so eben zerstört.

Dieses Bild vor Gackts Augen passte einfach nicht in seine Vorstellung rein.

Er taumelte zurück und dann durch die Masse. Weiter auf seinem eigentlichen Weg und er kam bei seinem Ziel an. Bei dem Barkeeper, wenn man ihn so nennen wollte, bestellte er sich das stärkste alkoholische Getränk, welches da war, und trank ein Glas nach dem anderen auf Ex.

Mit dem Abstellen des zweiten Gläschens schloss er seine Augen, doch kaum zu, riss er sie wieder auf. War das Bild, welches sich unweigerlich, unmissverständlich und vollkommen unsinnig in seine Netzhaut gebrannt hatte, zu schmerzlich für ihn.

Ja, diese Reaktion war unsinnig. Warum schmerzte ihm der Anblick des knutschenden Pärchens nur so? Hier standen doch tausende - okay vielleicht war tausende übertrieben -, aber hunderte solcher Paare herum. Kaum einer hatte etwas anderes außer Tanzen oder Küssen zu tun. Nur er saß rum und trank irgendwelchen schlecht schmeckenden Alkohol.

Wie erbärmlich war eigentlich sein Leben?

Er schüttelte den Kopf, musste ihn jedoch sofort mit der Hand stützen, um den anschleichenden Schwindel zu unterdrücken.

Er leerte das Glas vor ihm, legte Geld hin und wagte es einen Blick in die Menge zu werfen, wo er das ehemals bezaubernde Wesen vermutete.

Mit wenigen Schritten war er in dessen Nähe und sah das gleiche Bild wie vor einer halben Stunde. Oder doch eher einer?

Er konnte es nicht sagen. Eine Uhr befand sich nicht an dem schlanken Handgelenk und das Zeitgefühl hatte sich in dem Moment verabschiedet, in dem er diesen Raum betreten hatte. Es würde hoffentlich mit dem Verlassen wiederkehren.

Taumelnd schritt er auf den Ausgang zu. Zu seinem Glück, seiner Erleichterung konnte er aufgrund der Menschenansammlung nicht fallen. Wenn er sich selber kaum halten konnte, so tat es die Masse. Zwar war das Vorankommen so eingeschränkt, aber er machte keine unliebsame Bekanntschaft mit dem Boden.

An der frischen Luft atmete Camui diese tief ein und begann zu husten. Hatte er sich doch tatsächlich verschluckt.

Hustenkrampf hin oder her er setzte einen Schritt vor den anderen Richtung Heimat? Nein in die Richtung, wo er vorübergehend wohnte.

Nichts nahm er mehr wahr. Alles um ihn herum verschwamm. Nichts hatte mehr Relevanz. Ob das nun durch den doch geringfügig ungewohnten Alkohol war oder durch die schockierende Feststellung. Er wusste es nicht und interessieren tat es ihn auch nicht.

Morgen, ja Morgen, würde er sich damit auseinandersetzen. Heute würde er nur noch ins Bett fallen und schlafen.

Er fuhr sich durch die Haare und schlurfte mit hängenden Schultern weiter.

Wie eine gebrochene Gestalt wirkte er, dabei hatte seine Geschichte doch noch gar nicht begonnen. Er befand sich noch am Anfang des Weges des Lebens.

Qualen selbst verschuldet?

Der Morgen danach mit seinen Tücken beginnt für Gackt.

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Müde rieb die Hand über die Augen. Das Klopfen wurde immer dröhnender im Kopf und an der Tür. „Ruhe?!“ Ein gemurmeltes Wort. Kaum vernehmbar. Versprach keine Wirkung. Eine lautere Wiederholung und ein Klopfen verstummte.

Schwerfällig wurde der Körper auf die andere Seite gedreht, versucht weiter zu schlafen, doch der Kopf machte es zu Nichte.

Er schmerzte und fühlte sich dreimal so dick wie normal an.

Mühsam richtete sich die noch im Halbschlaf befindliche Person auf. Ein langsames Bewegen des Kopfes folgte. Eine kurze Erkundung der Umgebung.

Die Erkenntnisse wurden schleppend verarbeitet. Zum Teil auch ganz verworfen und doch war nach einer gewissen Zeit die Orientierung hergestellt.

Mit bedachten Bewegungen erhob sich der schlanke Körper aus dem Bett. Ein langsames Sinken des Kopfes machte die wage Vermutung zu einer Gewissheit. Er hatte noch die Klamotten vom vergangenen Abend an.

Mit einem Seufzen und Bewegungen im Schneckentempo zog er die nach Qualm, Alk und sonst was stinkenden Sachen aus, schmiss sie achtlos auf den Boden und wandte sich in der gleichen Geschwindigkeit seinem Kleiderschrank zu. Griff willkürlich in diesen und dann machte sich die Gestalt halb nackt auf in das Bad. Eine Dusche würde ihn hoffentlich munter machen. Er brauchte einen ordentlichen Start in den Tag, wenn er wirklich noch etwas für die Uni machen wollte.

Das Wasser prasselte auf ihn nieder, ohne dass er es wirklich mitbekam. Alles, was er spürte, war die angenehme Wärme. Und er roch das Duschgel. War das Pfirsich oder Vanille? Er konnte es nicht genau sagen, für ihn war nur relevant, dass der Geruch angenehm.

Er stieg aus der dampfenden Kabine und trocknete sich ab. Immer noch nicht ganz wach stieg er in seine Hosen und zog schließlich das T-Shirt über seinen Kopf. Leicht murrend verließ er das Bad und begab sich in die Küche, dem Geruch nach Kaffee folgend.

„Kaffee!“ Mit viel Verlangen in der Stimme kam das Wort über seine Lippen und er fand kaum eine Sekunde später eine Tasse mit der Flüssigkeit vor sich wieder.

Seine Tante stand ihm gegenüber und schüttelte mit dem Kopf. „Weißt du eigentlich wie viel Uhr ist?“

Gackt drehte seinen Kopf erst in die eine und dann in die andere Richtung.

„Fast Zwölf!“ Vorwurf schwang in der Antwort mit und doch bewies sie ihm, dass seine Reaktion richtig interpretiert wurde.

Er hob und senkte seine Schultern, wollte so andeuten, dass es doch egal sei.

„Es ist nicht egal. Du bist kaum eine Woche hier und schon pennst du so ewig und siehst danach aus wie – entschuldige bitte den Ausdruck – wie ausgekotzt.“ Wieder richtig ausgelegt. Mika war nicht zu unterschätzen. Trotz der Anerkennung, welche sich in ihm ausbreitete, musste Gackt schlucken. Er fühlte sich zwar so, aber dass man es ihm auch ansah war ungewöhnlich.

„Was hast du gestern Abend gemacht? Ich hoffe doch, du hast dem Alkohol nicht zu sehr zugesprochen“ fuhr sie fort.

Mit großen Augen, in denen mehr als nur Unwissen stand, sah Camui zu der Frau auf. Er hatte nur verschwommene Erinnerungen an den Abend und zu sehr denken wollte er nicht riskieren. Dröhnte sein Kopf doch noch immer. Er sollte den Beat vielleicht für irgendein Lied verwenden. Dann würde er noch etwas Produktives aus dieser ganzen Sache ziehen.

„Anscheinend darf ich Selbstgespräche führen“, sie seufzte. „Es ist dir sicher klar, dass ich deine Eltern informieren soll, wenn du aus dem Ruder schlägst. Also“, erschrockene Augen blickten ihr entgegen, „benimm dich etwas. Ich hab kein Problem mit Partys. Ich will nur nicht danach eine halbe Leiche hier in der Wohnung haben. Okay?“ Er nickte und sie lächelte sanft.

„Magst du eine Kopfschmerztablette?“

„Ja.“

„Wow. Das erste Wort, was ich in diesem Gespräch von dir vernehmen.“ Gackt konnte sich nicht helfen. Er hörte irgendwie Ironie heraus. Dankbar nahm er die Tablette und das Glas Wasser.

Welch Wunder nach einer Minute ging es ihm besser und er konnte endlich wieder einigermaßen denken und auch vollständige Sätze bilden.

„Was gibt es denn zu essen?“

„Lass dich überraschen“ wurde ihm mit zuckersüßer Stimme entgegen gesäuselt.

Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch und verließ lieber die Küche.
 

Gackt wusste nicht, wie er das Mittagessen überstanden hatte. Seine Tante hatte sich die ganze Zeit mit seinem Onkel unterhalten und er sich nichts anderes als Ruhe gewünscht. Ruhe, die er jetzt in seinem Zimmer auch nicht hatte.

Er hörte die Stimmen seiner Verwandten und des Fernsehers aus dem Nebenraum. Es nervte ihn gewaltig. Er wollte etwas sagen, doch dann müsste er erklären, warum es ihn störte. Und darauf konnte er getrost verzichten.

Mit einem Blick aus dem Fenster entschloss er sich, sein Glück draußen zu versuchen. So nahm er sich seine Unterlagen und stopfte sie in den Rucksack. Immerhin wollte er heute noch etwas lernen.

Der Brünette stand auf und schwang sich den Rucksack über die Schulter. Kurz musste er verharren, da sich ein leichtes Schwindelgefühl in seinem Kopf ausbreite und er dieses nicht gebrauchen konnte. Doch dann machte er sich auf den Weg an die erlösende frische Luft.

Kaum das er das Gebäude verlassen hatte, atmete er befreit aus und ein. Die Luft war zwar nicht wesentlich besser, aber er fühlte sich freier, weniger belastet. Und so schritt er mit einem Gefühl von Wohlsein auf den nächsten Park zu. Dort ließ er sich auf eine Bank fallen und begann alles noch einmal durch zu gehen.

Nach einigen Stunden fand er sich bei seinen Verwandten wieder ein.
 

Er lag nun schon einige Minuten in seinem Bett und starrte die Decke an. Diese war seit gestern nicht interessanter geworden und er nahm auch nicht wesentlich mehr wahr als am Vortag. Lediglich eine Farbnase hatte er heute entdeckt. Dieser folgte er nun seit einigen Momenten und versuchte ihr eine Form zu zuordnen. Doch es klappte nicht, weder die Formgebung noch die Ablenkung von den eigenen Gedanken.

Immer wieder glitten seine Gedanken zu einer bestimmten Person. Immer wieder sah er das Pärchen vor sich, wie es sich küsste und anscheinend keine Luft zum Atmen brauchte. Und dann fiel ihm auch immer wieder ein wie er reagiert hatte.

Diese Aktion war ihm nun mehr als peinlich. Wie konnte ihn dieser Anblick nur so schocken? Es war doch das Normalste auf der Welt, wenn eine Frau einen Mann küsste. Oder auch umgekehrt. Aber ihn ließ es austicken, in dem er sich zu laufen ließ. Wie konnte es nur soweit mit ihm kommen?

Fahrig fuhr er sich mit einer Hand über die Augen, dann drehte er sich auf die Seite und versuchte zum wiederholten Male einzuschlafen.

Und diesmal schien es zu klappen.

Er driftete schnell ins Traumland, auch wenn der Start in den Schlaf ihm Probleme bereitet hatte.

Kaum war er auf saftigen Wiesen und genoss ein unbeschwertes Leben, schwirrten zwei Bienen um ihn herum. Diese hatten mehr mit sich selbst zu tun, als mit ihm. Immer wieder flogen sie neben einander, diese Szene wirkte wie ein Kuss und auch die Köpfe der Insekten waren eher menschlich als arttypisch. Und der Träumer hatte das Gefühl das eine Gesicht zumindest ganz genau zu kennen.

Wobei konnte er das Gesicht des langhaarigen Dozenten und Studenten, denn schon genau kennen. Sie waren sich doch bisher nur zweimal wirklich begegnet und beide Male hatte er ihn kaum aus der Nähe gesehen.

Ein Seufzer entglitt dem Schlafenden. Obwohl er endlich in Morpheus Armen lag, konnte sein Unterbewusstsein nicht aufhören, die Geschehnisse vom Tag zuvor zu verarbeiten.
 

So erwachte Gackt am nächsten Morgen wenig ausgeruht, obwohl er etliche Stunden geschlafen hatte. Normalerweise war seine Nacht nicht so lang und sein Tag nicht so kurz. Aber gestern hatte er einfach keinen anderen Ausweg als den Schlaf gesehen.

Gähnend verließ er das kleine Zimmer und schlürfte erst ins Bad für die Morgentoilette und dann in die Küche. Dort setzte er Kaffee auf und begann das Frühstück herzurichten. Auch wenn er den Tisch für drei deckte, so aß er doch alleine. Denn seine Tante und sein Onkel waren noch lange nicht wach und er würde sie nicht wecken. Das wäre doch mehr als unangebracht.

Mit einem vollen Magen und wesentlich munter machte er sich erneut an seine Wiederholungen.

So vergingen die Stunden und die Klingel ertönte. Überrascht drehte der Braunhaarige seinen Kopf zur Tür, als seine Tante angeklopft und einfach das Holz geöffnet hatte. Er blickte sie verwirrt an und mit einem Lächeln sprach sie zu ihm: „Besuch für dich.“

Schnell schob er seine Sachen zusammen und machte etwas Platz auf dem Bett. Wer auch immer es war, er wollte denjenigen nicht auf den Boden sitzen lassen. Erst dann verließ er den Raum und ging in den Flur.

Zunächst verwundert, dann aber froh blickte er seinem besten Kumpel entgegen.

„Hi. Was machst du denn hier?“ Freude, hinter einer Fassade aus Gleichgültigkeit sprang den anderen Studenten entgegen.

„Du bist so schnell von der Party verschwunden, da wollte ich mal nach dir sehen.“

„Na dann kannst du ja wieder gehen.“

You vernahm die Worte und war im Begriff seine Schuhe wieder anzuziehen, als er die Stimme seines Freundes erneut hörte.

„Oder du hast Zeit und magst mir etwas Gesellschaft leisten“, dabei legte sich ein Lächeln auf die Lippen des Kurzhaarigen.

Der Angesprochene stellte seine Schuhe wieder ab. „Und wobei kann ich dir Gesellschaft leisten?“

„Was hältst du von einer einfachen Redestunde. Du erzählst mir Neuigkeiten und ich dir. Oder wir nehmen einfach die Welt auseinander.“ Gackt grinste den anderen an und vergaß seit Freitag zum ersten Mal völlig dieses immer noch bezaubernde Wesen.

Mit einem Grinsen im Gesicht folgte der Langhaarige seinem Kumpel in dessen Zimmer.

„Na dann, fang mal an“, damit ließ sich You auf das Bett fallen und beobachtete Gackt, wie dieser erneut Platz auf dem Stuhl nahm.

Mit einer Hand wurden störende Strähnen aus dem Gesicht gewischt und ein Seufzer verließ den Mund, bevor auch nur ein einziges Wort über die Lippen des Kurzhaarigen kam.

„Ich fand die Party langweilig.“

Verwundert blickten ihn die braunen Augen Yous an.

„Wieso das denn? Sie war doch gut. Man konnte sich mit Studenten von anderen Richtungen unterhalten oder auch ältere kennen lernen.“

„Vielleicht. Aber ich hatte mir unter ‚Party’ was anderes vorgestellt. Und nicht ne nette Umgebung, in der man hauptsächlich rum steht und irgendwelchen Leuten schwafelt. Nein, das hab ich mir ehrlich nicht darunter vorgestellt.“ Bestätigend schüttelte Gackt seinen Kopf.

„Was hast du dir denn vorgestellt?“ You ließ sich entspannt nach hinten auf das Bett fallen.

„Das man tanzt, zusammen was trinkt, über belanglose Sachen redet. Einfach: Spaß hat.“

„Das war doch der Fall“, erwiderte sein bester Freund mit ernster Stimme.

„Aber nicht bei dir“, begehrte er auf und sah den anderen eindringlich an, was dieser nicht realisierte, da er die Decke musterte.

„Du hättest dich doch auch von mir trennen können, nachdem wir ne kleine Runde zusammen gedreht hatten. Ich wär dir nich böse gewesen.“

Geräuschvoll stieß Gackt die Luft aus. „Du weißt wie so was bei mir endet, wenn ich alleine bin. Es ist immer ein Desaster und so war es Freitag auch.“

Ein fragender Blick wurde ihm geschenkt, woraufhin er mit gereizter Stimme fortfuhr. „Ich hab mich von dir abgeseilt, nachdem du dein was weiß ich wievieltes ernstes Gespräch begonnen hattest. Da ich tanzen wollte, bin ich über die Tanzfläche geschlendert und dann an der Bar hängen geblieben, da niemand mit mir das Tanzbein schwingen wollte. Und das Ende vom Lied war ein wunderschöner Kater gestern Morgen.“

„Daran bist du aber selber Schuld.“ Empört sah ihn der Kurzhaarige an. „Du hättest weniger trinken sollen, wenn du weißt, dass du nicht viel verträgst.“

Mit einem Grinsen auf den Lippen setzte sich You wieder auf und sah den anderen an. „Oder gab es einen Grund, warum du dein Gehirn in Alkohol packen musstest?“

Gackt wehrte sich mit Händen und Füßen, die Erinnerung wieder in sein Gedächtnis rufen zu müssen, und so verneinte er die Frage kurz und knapp.

Dem Langhaarigen gefiel das gar nicht, aber er beließ es dabei und wechselte lieber in weiser Voraussicht das Thema.

„Und was hast du bis eben gemacht?“ fragte er und ließ seine Augen über den Schreibtisch wandern.

„Ich bin meine Aufzeichnungen durch gegangen“, meinte Gackt etwas versöhnlicher und machte sich gleich wieder über diese her, nachdem sie sich entschieden, dass es nicht schaden konnte, wenn sie die Themen der letzten Woche durchnehmen würden.
 

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Ich entwschuldige mich bei euch, dass es so lange gedauert hat. Erst hatte ich Stress und danach hat mir die Idee für das Kapitel gefehlt. Aber jetzt habt ihr es und ich hoffe, es hat euch gefallen. Wenn nicht lasst mich wissen, was schlecht dran ist.

Vorlesung, die Zweite

Und wieder eine Begung zwischen Gackt und dem unwiderstehlichen Hyde. Wie diese wohl verlaufen wird?

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„Tetsu. Wie oft denn noch?“ Hyde trommelte gegen die Badezimmertür und schrie durch diese, dabei war es ihm egal, dass er damit die anderen Mitbewohner ebenfalls weckte. „Ich bin es leid“, setzte er noch hinzu und drehte sich um. Ging zielstrebig und mit festem Schritt in die Küche, um sich dort auf einen Stuhl fallen zu lassen und die erste Tasse Kaffee an diesem wunderbaren Tag zu genießen.

In Eintracht mit sich selber konnte er seine Tasse leeren und anschließend das Gefäß auf den Tisch stellen, sich zurücklehnen und auf die Dinge warten, die da kommen würden. Eines von diesen bog gerade in der Gestalt seines besten Freundes um die Ecke.

„Was veranstaltest du für einen Lärm? Ich bin doch schon fertig.“

Provozierend sah Hyde auf seine Uhr. „Ganz klasse und ich hab fünf“ – er betonte die Zahl besonders – „Minuten für alles, was ich im Bad erledigen muss.“ Der Kleine stand auf und schüttelte den Kopf. „Du wirst es wohl nie lernen“, damit verschwand er in dem gefliesten Raum.

Nun ebenfalls Kopf schüttelnd goss sich der Blonde eine Tasse des Muntermachers ein. Er trank diese fast in einem Zug leer, denn erstens musste er gleich los und zweitens stand der Braunhaarige schon wieder vor ihm und sah ihn aus vorwurfsvollen Augen an. So sputete sich der Größere und folgte dem anderen zum Eingangsbereich. Dort zogen sich beide Schuhe an, anschließend schloss Tetsu die Tür hinter ihnen.

„Sag mal, was hast du Freitag auf der Party eigentlich gemacht? Ich hab dich kaum gesehen.“ Der Blonde zog die Haustür ins Schloss und schloss zu seinem Freund auf.

Dieser blickte den anderen kurz an, bevor er die Straße fixierte, um ja niemand anzurempeln. „Ich hab gefeiert?!“ Vorwurf klang in dem Satz mit und Tetsu beeilte sich diesen zu verwerfen.

„Ich meine, eher wie du gefeiert hast. Bei mir bestand der Abend ja hauptsächlich aus Alkohol und dummen Kommentaren, humorlosen Witzen und ab und zu einem Tanz mit einer süßen Studentin.“

„Bei mir war es ähnlich, nur dass ich mich auf das Tanzen beschränkt habe. Und, wie du vielleicht mitgekriegt haben solltest, ist meine ‚Eroberung’“ – wieder eine besondere Betonung – „erst Samstagmittag gegangen.“

„Was?“ entfuhr es dem Blonden aufgebracht.

Hyde lächelte nur kalt und fuhr fort: „Zu deiner Beruhigung sie ist noch Jungfrau. Und bevor du fragst, ja sie ist im ersten Semester. Aber was für eine Sahneschnitte. Du hättest sie sehen sollen. Und ausnahmsweise hat sie sogar noch Grips dazu. Einfach klasse.“ Je mehr der Langhaarige sprach, desto mehr nahm seine Stimme einen verträumten Klang an.

Auf den Lippen Tetsus bildete sich ein verstehendes Lächeln. „Du bist verknallt.“

Bei diesem Satz blieb der Kleinere abrupt stehen und blickte starr nach vorne. Er überlegte einige Minuten, dann bewegte er seinen Kopf hin und her, brachte so ein Schütteln von diesem zu Stande. Sah anschließend seinen Freund fassungslos an, nur um kurz darauf wieder vor Selbstbeherrschung zu strotzen. „Ich und verknallt? Das passt nicht zusammen. Ich würde mir die Aussage noch mal überdenken“, riet er Tetsu, bevor er den Weg fortsetzte.

Immer noch mit einem Grinsen im Gesicht beeilte sich Angesprochener aufzuschließen, was nach wenigen Metern auch gelang.

„War ja nur ein Scherz“, meinte er dann versöhnlich, beschloss jedoch im Stillen Hyde in nächster Zeit zu beobachten.

„Wollt ich dir auch geraten haben.“ Sie betraten den Campus und der Braunhaarige straffte die Schulten. „Ich werd dann ma die Vorlesung hinter mich bringen. Zum Glück gibt es bei der Übung nen anderen Leiter als den Dozenten.“ Er atmete aus und sie verabschiedeten sich.
 

Früher als üblich betrat Gackt den Campus. Das Gelände war noch ziemlich leer, auch wenn er schon viele fleißige und lernwillige Menschen rumlaufen sah.

Er atmete tief durch und machte sich dann auf den Weg in den Vorlesungsraum, dabei ignorierte er You, welcher sich gerade mit Kommilitonen unterhielt.

Zielstrebig betrat er das Gebäude wurde aber für ihn ohne ersichtlichen Grund langsamer je näher er dem Raum kam. Vor diesem stoppte er. Unsicher blickte Gackt auf die Tür vor ihm und ohne sein Zutun beschleunigte sich sein Herzschlag.

Frustriert ließ er eine Faust gegen die Wand fahren, lehnte sich anschließend mit dem Rücken dagegen und ließ sich langsam daran herunter gleiten. Bevor er jedoch den Boden berühren konnte, stoppte er und erhob sich.

Wieso war er nur so unsicher? Warum graute es ihm davor diese Vorlesung zuhören? Warum ging ihm dieser Mensch nicht aus dem Kopf, obwohl er ihn doch gar nicht kannte?

Kurz, aber kräftig wurde das Haupt geschüttelt, anschließend die Schultern gestrafft und danach der Raum betreten.

Mit sturem Blick durchschritt Camui den Saal und ließ sich ziemlich weit hinten auf einen der Holzstühle sinken.

Völlig verwundert setzte sich Minuten später You neben ihn.

„Was?“ fragte Camui ihn mit einer neutralen Stimmlage, wobei er den Blick nicht von seinen Aufzeichnungen löste. Denn er wollte nicht riskieren, die Person zu sehen, welche ihm trotz der kurzen Zeit wundersame Träume bescherte und ihn Gedanken haben ließ, die Gackt an seiner Persönlichkeit zweifeln ließen.

„Ich finde es nur wunderlich, dass du schon da bist“, gab der Gefragte seine Antwort in einem versöhnlichen Ton.

„Ich hab halt die Bahn gekriegt.“ Der Kurzhaarige hatte sich nun doch entschlossen seinen Kopf zu heben und blickte You direkt in dessen braune Augen. „Und bevor du feststellst, dass ich nicht zu dir gekommen bin, sondern gleich in den Vorlesungssaal, ich hatte keine Lust auf ein Gespräch mit Menschen, die ich nicht kenne.“ Grinsend beendete er seine kleine Rede und wandte sich dann wieder seinen Zetteln zu.

Schulter zuckend begann auch der andere sein Zeug auszupacken und es auf dem Platz vor ihm zu verteilen. „Na dann ist ja gut.“

Bevor jedoch Gackt etwas erwidern konnte, erhob die Person, welche er eigentlich nicht sehen wollte, seine Stimme und zog dadurch die Aufmerksamkeit aller auf sich.

„Guten Morgen. Ich freue mich sehr, dass ihr alle wieder da seid. Anscheinend war meine Vorlesung letzte Woche nicht zu enttäuschend für euch.“ Mit einem schüchternen Lächeln auf den Lippen und Enthusiasmus begann Hyde seine zweite Vorlesung.

„Damit ich mir ein Bild machen kann, von dem was ihr behalten habt, werde ich euch jetzt ein paar Fragen stellen und hoffe auf korrekte Antworten, denn dies zeigt wie gut ich euch den Stoff vermittelt habe. Also, worum ging es in der letzten Vorlesung?“ Er ließ seinen Blick über die Reihen von Studenten schweifen und wurde an seinen eigenen Anfang erinnert. Er hatte selber vor einigen Jahren auf dem Platz in der Mitte der vorletzten Reihe gesessen. Seine Augen wanderten zu diesem und besahen sich die Person genauer, welche dort gerade überlegte, was wohl letzte Vorlesung das Thema gewesen war. Leicht weiteten sich die braunen Seen, als er die Gestalt zu erkennen glaubte. Doch keine Sekunde später nahmen sie einen belustigten Ausdruck an und gewannen einen unheilverkündeten Glanz. Seine Schandtat konnte er nicht ausführen, da er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, welche sich als das Heben einer Hand herausstellte. Schnell wandte er sich der Studentin zu und war kaum überrascht als er seine ,Eroberung’ in dem Mädchen erkannte.

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen forderte er sie auf zu reden. So ging es noch einige Minuten weiter, bevor der kleine Dozent die Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkte. „Ich bin stolz auf euch. Ihr habt echt gut aufgepasst letzte Woche. Aber kommen wir nun zu dem Thema der heutigen Stunde. Es wird auf zwei Vorlesungen aufgeteilt, da nächste Woche die Übung beginnt und deren Inhalt ein Werk des Literaten ist, den wir gleich behandeln werden.“ Er drehte sich zur Tafel und schrieb den Namen nieder, während er seine Stimme weiter im Raum erklingen ließ, womit der Kleine bei Gackt einen wohligen Schauer nach dem nächsten erzielte.

Dieser hatte bis eben noch zugehört, doch nun zückte er seinen Stift und schrieb den Namen „William Shakespeare“ auf. Er spitzte seine Ohren und schrieb eifrig mit. Vergessen waren die Enttäuschung, die Verwirrung und die Gedanken, welche ihn seit Freitagabend verfolgt hatten. Alles, was in diesem Moment zählte, war die wohlklingende Stimme des langhaarigen Dozenten und das Gefühl, welche diese bei ihm auslöste. So merkte Camui nicht wie sich die Vorlesung dem Ende neigte.

„Bis nächste Woche“, verabschiedete Hyde die Anwesenden. Er begann seine Aufzeichnungen einzusammeln, ordnete sie und packte sie anschließend weg.

Dass er mit diesen Worten, einen Studenten aus einer Art Trance gerissen hatte, das ahnte er nicht. Doch eben jener Student schreckte leicht hoch und wunderte sich über das wohlige Gefühl in seinem Innern. Während er sein Zeug zusammenraffte, fragte er sich, wo die Empfindung herkam, was sie ausgelöst hatte. Und warum, verdammt noch mal, sein Blick schon wieder an diesem Wesen hing?

Er war versucht sich die Haare zu raufen, doch hielt ihn sein Stolz zurück seine Frisur zu ruinieren. So schnappte er sich seinen Rucksack und schob den Stuhl unsanft hin und her. Ebenso ließ er seine Unzufriedenheit bei seinen Schritten durch blicken. Dadurch stampfte er an dem Objekt seines Ärgernisses vorbei und bekam von diesem neben einem merkwürdigen Blick noch ein amüsiertes Gelächter mit auf den Weg.
 

Ungemerkt von dem Kurzhaarigen zog eine Woche ins Land und er fand sich erneut auf dem Stuhl in der vorletzten Reihe des Vorlesungssaales wieder. Und ebenso wie vor sieben Tagen blickte er stur auf seine Blätter und las noch einiges aus der vergangenen Veranstaltung nach. So bemerkte er nicht wie erstens sein bester Freund den Raum betrat und zweitens ein Mensch, der ihn so wunderbar aus dem Konzept brachte, ebenfalls mit seiner Anwesenheit strahlte.

Eben jener schritt auf seinen Tisch zu und breitete seine Unterlagen darauf aus. Mit einem kurzen Blick auf seine Uhr versicherte er sich, dass er noch Zeit hatte um alles zu ordnen. So begann er Blätter oder kleine Stapel davon hin und her zu heben, bis sie schließlich genau dort lagen, wo er sie haben wollte.

Der junge Dozent fuhr sich mit den Händen durch die Haare und band sie anschließend zusammen, danach stellte er sich aufrecht hin und blickte durch den Raum. Einige Minuten sah er zu wie Studenten hin und herwuselten, bis sie auf einem Platz saßen und gespannt nach vorne sahen. Unter der Masse an begeisterten Zuhörern stach ihm ein gesenktes Haupt ins Auge. Bei näherer Betrachtung kam ihm das Gefühl, dass er es kennen würde. Aber dafür hatte Hyde jetzt keine Zeit, schließlich war er hier, um den vor ihm Sitzenden etwas beizubringen.

„Und erneut begrüße ich zu einer weiteren Veranstaltung von der Vorlesung ‚das Elisabethanische Theater’.“ Wie immer mit einem Lächeln auf den Lippen schritt er auf die erste Reihe zu und sprach weiter: „Da es das letzte Mal so gut geklappt hatte, möchte ich heute auch mit einer Fragerunde geleitet von mir beginnen.“ Ein kurzes Gelächter ging durch die Reihe, bevor die erste Frage erklang und danach die Antwort, woraus schnell ein Frage-Antwort-Spiel wurde, welches gut 20 Minuten einnahm.

Zufrieden aussehend begann Hyde anschließend mit dem neuen Stoff.

„Heute widmen wir uns einem der berühmtesten Werke von Shakespeare. Kann mir vielleicht jemand von euch sagen, um welches es sich dabei handelt?“ Auffordernd blickte er in die einzelnen Gesichter und blieb erneut an dem über den Tisch gebeugten Studenten hängen.

Es begann ihm in den Fingern zu kribbeln und so ließ er heute eine Gemeinheit raus, die er schon letzte Woche machen wollte.

„Könnten sie mit dem dunkelblauen Pullover in der vorletzten Reihe mir eventuell sagen, welches Werk ich meine?“ Fast zu süß klang seine Stimme dabei und sein Grinsen wurde fieser, als er sah wie der Angesprochene aus seinen Gedanken hoch schreckte.

Gackt fuhr zusammen, als er realisierte, dass er gemeint war. Flüsternd beugte er sich zu seinem Nachbarn. „Was will er wissen?“

„Welches Werk er meint“, gab You ebenso leise zurück.

„Hä?“ fiel dem Kurzhaarigen darauf nur ein.

„Schlafmütze“, wurde er darauf betitelt, bekam trotzdem eine zufrieden stellende Antwort. „Welches eines der berühmtestes Werke von Shakespeare ist.“

Leicht bedeppert wurde You von den blauen Augen angesehen, denn Gackt musste erst ein Mal überlegen.

Zu lange für den selber noch ein Student seienden Dozenten. „Wenn sie keine Idee haben, sagen sie es ruhig. Doch dann möchte ich sie bitten, etwas aufmerksamer zu sein.“ Erneut gab es einiges an Gelächter und Camui fühlte sich angegriffen, so sagte er das erste Werk, welches ihm zu Shakespeare einfiel. „Romeo und Julia?“ fragte er schon fast bissig.

„Ich nehme alles zurück und gratuliere ihnen zu diesem Glückstreffer“, süffisant lächelte Hyde den Jüngeren über die Entfernung hinweg an, fuhr dann jedoch neutraler fort: „Richtig. Heute beschäftigen wir uns mit Romeo und Julia. Was fällt euch dazu ein?“ Dieses Mal nahm er jemand anderes dran.

„Scheißkerl“, schimpfte der so eben Gefragte vor sich hin und bemerkte erneut nicht, dass er einen träumerischen Ausdruck in den Augen bekam, als er begann den kleinen Dozenten zu mustern und ihm konzentriert zu zuhören.

So vergingen die restlichen 65 Minuten ohne große Zwischenfälle und alles sah nach einer ruhigen und annehmbaren Vorlesung aus, jedoch sollte sich zumindest ein Student täuschen, denn egal wie konzentriert er wirkte oder gar zuhörte, war er doch in Gedanken wo anders und realisierte so nicht jedes gesprochenes Wort sofort.

„[...]Wollt Ihr es hör’n huldvollen Ohres – wisst:

Wir bessern gern, was zu bessern ist! [1]

In diesem Sinne freue ich mich euch morgen bei der Übung zu sehen. Doch vergesst nicht der Kurs ist geteilt, denn wir wollen das Elisabethanische Theater so getreu wie möglich umsetzen und dazu müssen wir leider zwischen Männern und Frauen unterscheiden. Doch verzagt nicht, dann auch für die holde Weiblichkeit wird eine Übung mit dem Stück Romeo und Julia angeboten.“

Mit einer kleinen Verbeugung schloss Hyde die Vorlesung.

Bei dem Wort ‚Übung’ schreckte Gackt erneut hoch. „Übung?!“ wiederholte er sinnloserweise.

„Ja, Übung.“ You packte den Rest ein und stand auf. „Ich hoffe, bei der bist du anwesender als hier.“

Gackt murmelte etwas Unverständliches und erhob sich, nachdem er alles erfolgreich in seiner Tasche verstaut hatte, ebenfalls.

„Natürlich“, beschwerte er sich, als er auf gleicher Höhe mit seinem besten Freund war. „Ich hab nur letzte Nacht nicht so gut geschlafen. Hat also nichts mit meinem Willen zu tun, sondern einzig und allein ist Schlafmangel der Grund.“

Der Langhaarige sah ihn etwas merkwürdig an, beließ es aber dabei.
 

[1] aus dem Vorspruch zu Romeo und Julia von William Shakespeare

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Irgendwie habe ich ein Talent dazu, den guten Hyde zu vernachlässigen, dabei mag ich ihn doch so. Aber so mal nicht so leiden, zumindest noch nicht...

Ich hoffe es hat euch gefallen und ihr seid beim nächsten Kapitel auch wieder dabei^^

Übung und ein wütendes Männchen

Voller Vorfreude fegte Hideto förmlich durchs Bad und war verschwunden, bevor Tetsu überhaupt etwas dazu sagen konnte.

Fröhlich pfeifend legte der kleine Student den Weg zum Campus zurück. Kaum dass er ihn betreten hatte, spürte er bewundernde Blicke auf sich.

In vollen Zügen, aber ohne es sich anmerken zu lassen, genoss er diese, legte dabei den Weg zu seinem Zielgebäude zurück.

Seine Hand war in Begriff die Tür aufzustoßen, als sich schlanke Hände auf seine Augen legten.

„Kana?“

Die Hände verschwanden und er drehte sich um. Kaum dass die halbe Drehung vollführt war, spürte er eine flüchtige Berührung auf seinen Lippen.

Lächelnd sah er sie an und zog die Studentin anschließend hinter sich her ins Haus, einige Treppen rauf, an mehreren Türen vorbei, ehe Hideto stehen blieb und die schwarzhaarige Schönheit in seine Arme zog, um sie verlangend zu küssen.

Die Zeit verging für den langhaarigen 22-jährigen recht schnell, da er sich mit Kana gut abzulenken wusste. Dadurch registrierte er nicht, wie sich der Gang mit Studenten füllte und schließlich auch der Übungsleiter erschien.

„Meine Herren“, machte dieser auf sich aufmerksam.

Bei der ihm bekannten Stimme zuckte Hideto leicht zusammen und ließ sich, nachdem er ganz in seiner Nähe ein Räuspern vernommen hatte, Zeit den erst vor wenigen Augenblicken begonnenen Kuss mit seiner ‚Freundin‘ zu lösen.

Nach weiteren eindeutigen wortlosen Aufforderungen diese Zurschaustellung von Liebe zu beenden, entfernte sich Hideto etwas von der Studentin und verabschiedete diese mit ins Ohr geflüsterten Worte, welche der jungen Dame einen eher ungesunden Rotton auf die Wangen zauberten.

Mit einem überaus freundlichen Lächeln im Gesicht wandte sich Hideto zu dem älteren Mann um. Dieser sah ihn aus wütenden Augen an.

„Da nun alle ihre Aufmerksamkeit auf das Wesentliche richten, können wir mit der Übung beginnen.“ Der Dozent drehte sich der Tür zu und öffnete diese. „Meine Herren, wenn sie bitte eintreten würden.“

Als letztes reagierten Hideto und Tetsu. Langsam näherten sie sich der Tür, dabei meinte der Kleinere hinter zurückgehaltener Hand und mit einer gehörigen Portion Ironie in der Stimme: „Wie ich diesen Kerl vermisst habe.“

Leicht schüttelte der Blonde daraufhin seinen Kopf, bevor er ebenso leise antwortete: „Du warst im ersten Semester furchtbar nett zu ihm. Wenn ich dich erinnern darf?“

Bestätigend nicken wollte der Langhaarige, als er direkt hinter sich eine Stimme vernahm: „Was führt sie beide eigentlich in diese Übung?“

Mit dem besten natürlich wirkenden, obwohl gespielten, freundlichen Lächeln wandte sich Hideto um. „Wir sind für die Regie zu ständig.“

„Aha“, damit verschwand der Dozent nach vorne.

„Ich nehme an, ihr wisst alle, warum ihr hier seid?“

Ein zustimmendes Raunen sowie ein synchrones Kopfnicken gingen durch die Reihen der Studenten.

„Mein Name ist Taniguchi und ich bin der Übungsleiter.“ Der Dozent ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen, bevor er mit eisigen Augen Hyde fixierte. „Nun die Herren Regisseure. Wie gedenken sie Romeo & Julia, einen wahren Klassiker der Tragödie, zu inszenieren?“

Kurz räusperte sich der kleine Langhaarige, erhob sich und ging von dem immer noch eisigen Blicks Taniguchis unbeeindruckt nach vorne. Mit einer eleganten Drehung, welche genauestens, ohne dass es Gackt bewusst gewesen wäre, von eben diesem beobachtet wurde, stellte sich Hideto neben den Übungsleiter. Wesentlich unspektakulärer fand Tetsu seinen Weg nach vorne und neben seinen Kumpel. Dieser erhob gerade seine Stimme: "Nach all den Experimenten in den letzten Jahren haben wir uns vorgenommen die Tragödie im original Setting spielen zu lassen."

Fragende Gesichter blickten ihnen entgegen, während sie die Texte verteilten.

"Keine Angst, genaue Anweisungen bekommt ihr, wenn wir mit der Rollenverteilung fertig sind." Fast sadistisch grinsend sah Hideto die jüngeren Studenten an.

"Wir beginnen mit den Frauenrollen, da die keiner freiwillig spielen will und nicht alle dafür geeignet sind", übernahm Tetsuya die Führung. "Dazu bitte ich alle Studenten nach vorne. Stellt euch am besten in eine Reihe, damit wir sehen können wie die Größenverhältnisse sind."

Immer noch ohne ersichtliche Erkenntnis taten die Übungsteilnehmer, was ihnen der eine Regisseur aufgetragen hatte.

Mit einem prüfenden Blick wurden sie von dem Kleineren bedacht, während Tetsu erneut sprach: "Wer von euch möchte eine Frauenrolle spielen?"

Keine Regung.

"Nicht so schüchtern", versuchte es der Blonde und setzte ein aufmunterndes Lächeln auf.

Immer noch nichts.

"Sollen wir euch wirklich komplett Zwangseinteilen?" fragte Hyde wenig begeistert.

Wieder tat sich nichts.

"Gut", er stellte sich in die Mitte und ließ erneut einen prüfenden Blick über die Anwesenden schweifen.

„Wer hat an eine Hauptrolle gedacht?“ versuchte er es auf einem anderen Wege.

Ungefähr die Hälfte der Studenten machten einen Schritt nach vorn.

„Zu viele“, murmelte Hideto und zog seine Stirn in leichte Falten.

„Und ihr habt an Romeo gedacht?“ sprach er lauter aus und sah die jungen Männer abwartenden an.

Fast alle Hände schossen in die Höhe.

So kamen sie nicht weiter. Kopfschüttelnd machte Hyde einen Schritt nach hinten und sah kurz zu seinem Freund. Dieser nickte unmerklich und übernahm vorläufig das Ruder: „Wer nicht an Romeo gedacht hat, sondern der Meinung ist, dass es außer ihm nach andere interessante Rollen gibt, tritt bitte einen Schritt nach vorn.“

Eine Handvoll der Anwesenden kamen der Aufforderung nach. Und Hideto wandte sich fragend zu seinem Freund. Die nächsten Minuten brachten sie damit zu die jungen Studenten einzuteilen. Der Übungsleiter beobachtete die zwei Siebtsemestler. Die Art wie sie die Rollen verteilten war interessant und bisher auch effektiv, doch nun kamen sie zu den wichtigsten Rollen und da hatten sie wie jedes Jahr die größte Auswahl, mussten aber auch die besten Schauspielschüler finden. Und das war das Schwerste. Mit einem bösen Grinsen sah Tanaguchi zu seinem Hassschüler. Er hatte auch schon eine Idee, wie er diesem eins reinwürgen konnte. Doch noch musste er sich zurückhalten.

„Kommen wir nun zu der beliebtesten Rolle. Romeo. Wer möchte diesen denn darstellen?“ fragte Hideto. Er musste keine Sekunde warten, um zusehen, wer denn alles diese Rolle wollte. Dem kleinen langhaarigen Studenten entwich ein tiefer Seufzer. „Gibt es jemanden, der die Julia spielen möchte?“ Hydes Erwartung wurde nicht enttäuscht, denn keiner traute sich die Hand zu heben. „Ich gebe euch jetzt einen Rat: Die Rolle des Romeo kann jeder spielen, aber die Julia ist die wirkliche Herausforderung. Denn eine weibliche Rolle als Mann überzeugend darzustellen ist wesentlich schwieriger. Also ich frage noch einmal: Wer möchte die Julia spielen?“ Dieses Mal meldeten sich zwei der Studenten. „Gut. Kommt ihr beiden kurz zu mir?“ Nachdem die zwei jungen Männer bei Hideto waren, reichte er diesen den Ausdruck einer Szene. Anschließend wandte er sich an die anderen. „Holt euch bitte ebenfalls die Szene bei mir ab. Denn wir haben eine Testszene vorbereitet, um den perfekten Romeo und die perfekte Julia zu finden. Denn durch die beiden Charaktere lebt und stirbt die Inszenierung“, während Hyde sprach, holten sich die Studenten die Zettel ab.

„Wer von euch beiden möchte beginnen?“ dabei sah Hideto zu den zwei Julias. Der Kleinere der beiden Studenten meldete sich zaghaft und kam nach einer Aufforderung des Langhaarigen in die Mitte. Tetsu hingegen hatte einen der Romeo-Anwärter ausgewählt. So begann das Vorsprechen für Julia und Romeo. Leider mussten sie recht schnell feststellen, dass sich die beiden Kandidaten wenig für Julia eigneten. Ihnen fehlte das gewisse Etwas, abgesehen davon dass sie ihre Stimme kaum weiblich klingen lassen konnten. Beide taten sich schwer hoch zu sprechen. Also mussten die Regisseure neue Opfer suchen und sie fanden noch zwei weitere, die zumindest eine passende Größe hatten.

Entnervt stöhnte Hideto auf, nachdem er die dritte Julia gehört hatte. „Habt ihr denn keine Vorstellung, wie eine Frau klingen muss? Ich meine, Julia ist jung und hat wenig Lebenserfahrung. Sie ist verwöhnt und wurde von ihren Eltern verhätschelt. Auf diesem Ball will sie sich einfach nur amüsieren, was keineswegs in einem Saufgelage oder irgendwelchen unanständigen Dingen enden würde. Demnach muss sie auch so naiv klingen, dabei darf aber nicht ihre geweckte Neugierde vergessen werden. Versuch es noch einmal“, forderte er den Studenten auf. „Romeo beginnt am Anfang der Testszene.“

Ein hochgewachsener Schauspielanfänger mit knabenhaften Gesicht stellte sich in seine Ausgangsposition. Anschließend trat er, wie in der Regieanweisung gefordert, zu Julia und sprach sie leise an: „Entweihet meine Hand verwegen dich, O Heil'genbild, so will ich's lieblich büßen. Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich, den herben Druck im Kusse zu versüßen.“

Nun versuchte sich der Julia darstellende Student an den Anweisungen Hidetos: „Nein, Pilger, lege nichts der Hand zu Schulden für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß. Der Heil'gen Rechte darf Berührung dulden, und Hand in Hand ist frommer Waller Kuß.[1]“

„Stopp. Versucht ihr beide es mal“, dabei deutete er auf den letzten Freiwilligen für die weibliche Hauptrolle und auf Camui, welcher neben den anderen Anwärtern für Romeo stand. Nun traten diese beiden in die Mitte der Bühne und versuchten sich an der Szene. Auch sie kamen nicht sehr weit und da mittlerweile mehr als eine Stunde vergangen war, schaltete sich Tanaguchi ein. „Was halten sie davon, wenn sie erst einmal den Romeo wählen und sich dann um die Julia kümmern?“

„Wie sollen wir den Romeo bestimmen, wenn wir ihn nicht mit einer Julia testen können. Wenn die beiden Rollen nicht zusammenpassen, ist die ganze Inszenierung keinen Pfifferling wert“, wandte sich Hyde wenig begeistert an den Übungsleiter.

„Natürlich können sie auch so weiter machen und haben am Ende keine der Hauptrollen besetzt. Was ist ihnen lieber?“

'Wie ich diesen Kerl hasse', dachte Hideto. Musste aber einsehen, dass er am Ende dieser Probe eigentlich alle Rollen inklusive Zweitrollen besetzt haben wollte. Demnach fügte er sich, wenn auch wieder willig. „Gut. Und haben sie eine Idee, wen wir vorübergehend als Julia einsetzen können?“

„Sie sind der Regisseur. Ihnen sollte etwas einfallen. Schon gar, wenn keiner ihren Anforderungen gerecht wird.“

Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck, welcher aber nur solange hielt, wie Hideto noch auf dem Weg zu Camui war, ging er in die Mitte der Bühne.

Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen forderte Tetsu, da er nun die Regisseurstätigkeit übernommen hatte, die beiden auf zu beginnen.

„Entweihet meine Hand verwegen dich, O Heil'genbild, so will ich's lieblich büßen. Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich, den herben Druck im Kusse zu versüßen“, sprach Camui mit einem frechen Unterton. Dies brachte den Langhaarigen jedoch keineswegs aus dem Konzept. Dafür war er schon zu sehr in die Rolle der Julia geschlüpft und sah sein Gegenüber aus neugierigen, großen Augen.

„Nein, Pilger, lege nichts der Hand zu Schulden für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß. Der Heil'gen Rechte darf Berührung dulden, und Hand in Hand ist frommer Waller Kuß.“ Die Stimme Hidetos war weich und die Unschuld glaubwürdig.

„Hat nicht der Heil'ge Lippen wie der Waller?“

„Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller“, setzten die beiden das Geplänkel fort.

„O, so vergönne, teure Heil'ge nun, daß auch die Lippen wie die Hände tun. Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre, daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre.“

„Du weißt, ein Heil'ger pflegt sich nicht zu regen. Auch wenn er eine Bitte zugesteht.[1]“

Alle Anwesenden sahen verblüfft zu dem kleinen und dem großen Studenten, die sich ansahen, als ob ihnen, in diesem Moment klar geworden war, dass der andere, der Einzige auf der Welt war.

„Ich denke, sie haben ihren Romeo gefunden“, meinte Tanaguchi.

„Dann suchen wir jetzt eine passende Julia“, stellte Tetsu fest und sah sich alle Studenten an.

Mit dem ersten Wort des Übungsleiters hatte Hyde sich umgedreht und sah nun wieder wie der Musterschüler aus, den er zu gerne mimte. „Gut. Dann schauen wir mal.“ Er ging auf die am Rand stehenden Studenten zu und meinte, dass alle, die eine Rolle hatten, sich bitte von der Bühne begeben sollten. Der Aufforderung kamen diejenigen, die es betraf nach. Der Rest wurde einer erneuten Musterung unterzogen. Am Ende dieser war leider keiner übrig, so dass sowohl Tetsuya als auch Hideto aufstöhnten. Doch Tanaguchi, welchem die beiden einen kurzen Blick zu warfen, grinste siegessicher.

„Wenn ich den Regisseuren einen Vorschlag machen dürfte?“

Mit einem Nicken forderte Tetsu den Älteren auf diesen zu äußern. Hyde zog es vor zu schweigen, noch zumindest.

„Warum spielen nicht sie die Julia, Takarai-kun?“

Sofort wurden die Augen des Angesprochenen zu Schlitzen. „Nein. Ich bin der Regisseur, da kann ich keine Rolle übernehmen.“

„Haben sie sich nicht so. Ogawa-kun ist doch ebenfalls ein Regisseur, da können sie doch die Szenen untereinander aufteilen. Wodurch sie locker in der Lage sein dürften, sowohl das Stück zu inszenieren, als auch die Julia darzustellen. Oder ist das zu schwer für sie?“ Herausfordernd sah der Dozent zu dem Langhaarigen.

„Das ist keineswegs zu schwer. Aber diese Inszenierung soll die Fähigkeiten der Neulinge unter Beweis stellen. Da würde eine Mitarbeiter als Schauspieler eines Studenten, der fast fertig ist, alles verfälschen“, begehrte Hideto auf. Dass er beim Sprechen lauter wurde, viel ihm nicht auf. Es kam zwar selten vor, aber es gab Situationen, in denen er seine Maske fallen ließ. Diese war eine davon.

„Ich gebe ihnen aber das Okay. Ich kann auch gerne den Professor fragen, ob er damit ein verstanden ist. Das dürfte jedoch alles verzögern. Außerdem müssen sie doch selber einsehen, dass es keine gescheite Julia unter den Erstsemestlern gibt“, fuhr Tanaguchi ungerührt in normaler Lautstärke vor.

„Ich will nicht. Damit hat es sich.“ Hideto drehte sich von dem Übungsleiter weg und sah wieder zu den Schauspielern. 'Oh je. Da ist wirklich nichts dabei', gestand er sich gedanklich ein. Doch zu geben wollte er es nicht.

„Das ist nicht sehr professionell. Wollen sie wirklich, dass das ganze Stück ins Wasser fällt, nur weil sie sich weigern ein weiteres Mal die Julia zu sein?“

Ausnahmslos jeder Neuling sah überrascht zu dem kleinen Mann, der sichtlich wütend war und dem jeder aus dem Weg gehen würde.

'Warum musste dieser Vollidiot nur darauf anspielen?' fragte sich Hideto und verließ stampfenden Schrittes den Raum.

„Entschuldigen sie uns kurz“, damit folgte ihm Tetsuya. Dass er einen zufrieden grinsenden Tanaguchi und immer noch verwirrte Erstsemestler zurück ließ, war ihm nicht bewusst. Lediglich sein Kumpel war in diesem Moment wichtig. Denn Hideto war ein Hitzkopf, der auch mal gerne eine Aufgabe schmiss, wenn er überhaupt nicht dazu bereit war, einen Kompromiss einzugehen. Und hier sah es danach aus.

„Hyde! Warte!“

Tatsächlich blieb der kleine Student stehen, sodass Tetsu ihn einholen konnte.

„Wie kommt der Idiot darauf, dass ich die Julia spielen werde?“

„Weil er dich kennt und weiß, dass du immer das beste Ergebnis willst. Und, so leid es mir auch tut, ich muss ihm recht geben. Mit dir als Julia und diesem Gackt als Romeo kann dieses Jahr die Aufführung der absolute Renner werden. Das würde uns die besten Noten einbringen. Überleg es dir bitte noch einmal“, redete der Blonde auf ihn ein.

„Aber ich bin dieses Mal Regisseur und mir hat es schon im ersten Jahr nicht gefallen, die weibliche Hauptrolle zu sein“, murrte Hideto.

„Und was ist mit deinem Rat gegenüber den Neuling, dass genau diese Rolle eine Herausforderung sei?“

„Ich habe sie aber schon hinter mir“, begehrte der Langhaarige weiter auf.

„Dann ist ein weiteres Mal doch auch kein Problem mehr. Mach schon.“

„Hm...“ Nachdenklich blickte sich Hideto um.

Was würde passieren, wenn er weiterhin stur blieb und ablehnte? Das ganze würde ein Desaster werden, wenn er an den einzig brauchbaren Kandidaten für Julia dachte. Zumal sie noch nicht bei einer Kussszene gewesen waren und er somit nicht wusste, wie sich der Student dabei anstellen würde. Es konnte gut gehen, musste aber nicht.

Wenn er jedoch die weibliche Hauptrolle übernahm, würde auf jeden Fall alles gut gehen. Denn dass er die Julia spielen konnte, hatte er in seinem ersten Jahr bewiesen.

Also hatte er die Wahl zwischen Risiko und Sicherheit. Was war ihm wichtiger für seine erste ernstzunehmende Arbeit als Regisseur.

Er seufzte ergeben. „Okay. Ich mach es.“ Erleichtert atmete Tetsuya aus. „Unter einer Bedingung“, panisch sah der Blonde seinen kleineren Freund an, „wir besprechen vorher, wie die Szenen werden sollen. Keiner von uns macht Alleingänge. Schlag ein“, damit hielt Hideto Tetsu seine Hand hin. Dieser zögerte nicht und so gingen sie zusammen zurück. Bei den anderen angekommen, wandte sich Hyde sofort an die Studenten. Tanaguchi ignorierte er geflissentlich. „Ich werde die Julia spielen, fordere aber gleichzeitig von jedem von euch eine Darstellung, die meiner in Nichts nach steht.“ Mit einem harten Blick sah er jeden einzelnen an und nicht wenige zuckten zusammen. Zu seiner Überraschung aber, blieb der Romeo ruhig.

„Meine Zweitbesetzung bist du“, dabei deutete er auf den letzten der vier, welche sich an der schwersten Rolle versucht hatten. Anschließend verteilten sie die weiteren Rollen und hatten am Ende jedem das Skript ausgehändigt.

„Das lief doch gut“, meinte Tanaguchi, nachdem die Erstsemestler gegangen waren. „Wir werden eine angenehme Zeit haben.“

„Sicher“, stimmten Hideto und Tetsuya zu.

„Puh. Ich mag ihn nicht“, meinte der Langhaarige, als er und der Blonde alleine waren.

„Ich weiß. Es sind ja nur ein paar Wochen, dann bist du ihn wieder los und hast deine Note.“

„Das sind ein paar Wochen zu viel. Zum Glück werd ich ab der nächsten Probe zu viel zu tun haben, um mich über Tanaguchi-san aufregen zu können.“ Der Ekel in seinem Gesicht blieb erhalten. Etwas, was er sich nur vor seinem besten Freund erlaubte. „Vielleicht komm ich durch die Mitleidstour bei Kana schneller voran.“ Nun grinste Hideto wieder verschmitzt.
 

[1] aus dem 1. Akt 5. Szene von Romeo und Julia von William Shakespeare

Kussszene

Und wieder war eine Party. Eine, die auch er und You besuchten. Bis vor wenigen Minuten hatte sogar You neben ihm gesessen und nun saß er allein an diesem kleinen Tisch in der dunklen Ecke. Die Tanzfläche, welche den größten Bereich des ganzen Clubs ausmachte, konnte er gut beobachten. Jedoch interessierte ihn das im Moment am Wenigsten, denn er war wie so oft in letzter Zeit in Gedanken. Und die führten ihn, wie nicht anders zu erwarten, zu ihrer Übung zu der Vorlesung „das Elisabethanische Theater“.

Er spielte den Romeo. Das fand er richtig gut, doch die Julia. Dieses Wesen, was eineindeutig ein Mann war, spielte die weibliche Hauptrolle und das sogar richtig gut. So dass, er wieder dazu übergegangen war, ihn gedanklich als Wesen zu bezeichnen.

Ein tiefer Seufzer verließ seine Lippen und er ließ seine Augen auf die Tanzfläche wandern. In seinem Glas befand sich eh nichts trinkbares mehr. So konnte er auch die ganzen anderen wesentlich glücklicheren Studenten beobachten. Und da war auch sie. Sie, die immer neben Takarai war. Ja, er hatte sich den Namen gemerkt. Jedoch verwendete er nie den Vornamen. Das passte einfach nicht in seine Vorstellung.

Angewidert schüttelte er den Kopf und warf der gleichaltrigen Studentin einen bitterbösen Blick zu. Hässlich war sie keineswegs, selbst er fand sie attraktiv. Doch kam er nicht mit ihrem Verhalten klar. Sie nutzte es aus, dass sie mit dem meistbegehrtesten Studenten zusammen war. Mittlerweile hatte er – er hatte auch zwei Monate Zeit gehabt – herausgefunden, dass dieser feminin wirkende und eine Frau so überzeugend darstellende junge Mann sich bei seiner Partnerwahl, nicht nur auf Frauen begrenzte.

Im ersten Moment hatte ihn dieser Gedanke erschreckt. Doch nun? Er wusste nicht, ob es Erleichterung, Verwirrung oder doch Abscheu war. Wenn er raten müsste, würde er auf Verwirrung seinerseits tippen. Immerhin waren seine Gedanken und die Träume, in denen er regelmäßig von Takarai heimgesucht wurde, nicht gerade auf einem Niveau, welches Freunde pflegten. Eher verwirrten sie den jungen Studenten. Und dann musste er noch eine Rolle spielen, bei der der Langhaarige sein Partner war und er sich in diesen verlieben sollte.

Erneut seufzte er. Doch dieses Mal erhob er sich und ging zu der Bar. Sein Weg führte ihn an der Tanzfläche vorbei, so dass er an der Tussi ihres mittlerweile nicht mehr Dozenten vorbeikam. So schnappte er einen Gesprächsfetzen auf.

„Es war so klasse. Aber seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet. Ich weiß nicht, was los ist.“

Camui wusste nicht, was er davon halten sollte. Nur eines war klar. Etwas, das wirklich jeder auf dem Campus wusste. Kana war keine Jungfrau mehr.

Doch was ging ihn das an? Nichts.

Mit diesem Gedanken verbannte er alles, was seine Laune senken konnte, aus seinem Kopf. Und bestellte bei dem charmanten Barkeeper erst einen Kurzen und dann einen harmlosen Cocktail. Mit diesem in der Hand machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Tisch. Wenn er nicht an diesem sitzen blieb, würde ihn sein bester Freund den ganzen Abend über nicht mehr wiederfinden und das wollte er nicht riskieren. So schlängelte er sich durch die anderen Clubbesucher zu dem kleinen Tisch in der Ecke, dabei entdeckte er den Grund seiner häufig mit schweißnassen Gesicht Erwachen versehenen Nächte.
 

Diese Party wollte Hideto mal wieder etwas Neues ausprobieren. Kana war nicht schlechter geworden. Nein, eher ermüdete ihn die Beziehung zu ihr. Der Reiz war weg. Die ganzen Wochen nach der ersten Party des Semesters hatte er sie umworben und vor zwei Wochen hatte er es endlich geschafft. Es war so gewesen, wie er es sich vorgestellt hatte. Doch nun? Schon am dritten Tag nach ihrem ersten Mal war sie ihm zu anstrengend gewesen. Es war nicht so, dass er es nicht gut hieß, dass sie Interesse an Sex entwickelt hatte. Aber dass sie ihn ständig sehen wollte und dann immer dieses Reden, bei dem sie gerne plante. Nein, das gefiel ihm keineswegs. Somit hatte er beschlossen, sie zu meiden. Den endgültigen Schlussstrich würde er bei der nächsten Probe schließen. Oder auch nicht. Er machte es von diesem Abend abhängig. Bisher hatte sich Hyde mehr als gut amüsiert. Er hatte gelacht, getrunken und geschwatzt. Nun wollte er zu dem interessanteren Teil des Abends übergehen.

So löste er sich von seiner Gesprächsrunde, nachdem er sein Glas geleert hatte und ging auf die Tanzfläche zu. Dass auch Gackt da war, hatte der kleine Student schon vor einer Weile registriert. Irgendwie hatte es ihn abgehalten, aber nun war auch das egal.

Mit musternden Blick prüfte er jeden Anwesenden und blieb an dem großen, schlaksigen Kurzhaarigen hängen. Gackt sah nicht schlecht aus und Talent als Schauspieler hatte er auch. Zumindest harmonierten sie beide bei der Inszenierung von Romeo & Julia fast schon zu perfekt. Er fragte sich, wie sich ein Kuss von dem Jüngeren anfühlen musste.

Nein, er kam nicht in Frage, schallt sich Hyde gedanklich selbst. Er wollte jemanden, den er nicht in irgendeinem Kurs oder einer Vorlesung begegnen würde. Eine Sportstudentin? Oder lieber mal wieder einen Kerl?

Nachdenklich legte er seinen Kopf schief und ließ seine Augen über die Tanzenden schweifen. Er entdeckte eine geeignete Person und begab sich auf die Jagd.
 

Gackt war mittlerweile zu seinem Tisch zurück gekehrt und ließ seinen Blick mit dem Cocktail in der Hand weiter über die Tanzfläche schweifen. Vielleicht sollte er darüber nachdenken, ob es nicht lohnenswert wäre, zumindest mit einer der Studentinnen etwas zu tanzen. So versuchte er also nun die Anwesenden zu beurteilen.

Sein Blick schweifte das bezaubernste Wesen, das er je getroffen hatte, und blieb an diesem hängen. So verfolgte er, obwohl er es nicht geplant hatte, genau den Handlungen Takarais. Dieser tanzte gerade aufreizend mit … Gackt musste genauer hinsehen und stockte. Das war ein Kerl, mit dem seine Julia da gerade tanzte. Und wie die beiden tanzten. Diesen Anblick hielt der junge Student nicht aus und flüchtete förmlich, nachdem er seinen Cocktail in einem Zug geleert hatte, aus dem Club.
 

Das ganze darauffolgende Wochenende verbrachte Camui schlecht gelaunt. Er erledigte mit einem Eifer, der schon an blinde Wut grenzte, seinen ganzen Hausaufgaben für die Uni, lernte sogar seinen Text und begann auch sich schon auf die Abschlussprüfungen in etwa zwei Monaten vorzubereiten. Und die Zeit dazwischen, also bei den Mahlzeiten und kurz vorm Schlafen, sah er mürrisch aus und dachte an Dinge, die er am liebsten aus seinem Gedächtnis bannen wollte.

Auch jetzt wusste er nicht, was er tun sollte, denn es war Montag morgen und er hatte noch ganze 40 Minuten eh seine erste Veranstaltung los ging und ja, er war schon auf dem Weg dorthin. Doch leider konnten ihn seine ganzen Aufzeichnungen nicht gut ablenken, denn seine Gedanken wanderten zu dem Wesen namens Hideto Takarai. Er fand den Vornamen mehr als unpassend. Demnach aus den Gedanken streichen.

Was wusste er bisher über dieses Wesen? Es konnte überzeugend Frauen darstellen, obwohl es eindeutig ein Mann war. Er – okay, ausnahmsweise konnte er Takarai sein Geschlecht zu stehen – war ein Musterstudent sondergleichen. Er fiel nie negativ auf, war immer freundlich zu allen und jeden. Und doch hatte er einen Ruf, der jeden von ihm fernhalten sollte. Denn was seine Liebesbeziehungen anging. So war er anscheinend immer nur an einer Person interessiert, bis er sie im Bett gehabt hatte. Dabei war ihm das Geschlecht seines Partners völlig egal. Ob er schon einmal wirklich verliebt war oder nicht, das wusste Camui nicht. Aber es interessierte ihn brennenden. Denn er war verliebt. Eindeutig und ausgerechnet in dieses scheinbar einer anderen Welt entstiegenem Wesen.

Ein tiefer Seufzer verließ seine Lippen und seine Augen nahmen seine Umgebung endlich wieder klar wahr. Er war schon bei der Uni. Doch was sollte er nun tun? Er hatte immer noch etwas Zeit und dann auch noch die Vorlesung zu dem „Elisabethanischen Theater“. Er würde ihn gleich wieder sehen. Er wollte nicht. Denn sie hatten heute auch noch eine Probe außer der Reihe, weil ihre Regisseure nicht zufrieden waren. Besonders mit ihm. Gerade mal verfluchte er es, dass er der Romeo war. Aber andererseits konnte er auf diese Weise diesem Wesen so unglaublich nah sein. Leider hatten sie noch keine einzige Kussszene geprobt, aber das stand heute auf dem Programm. Und schon durchströmte Camui eine Vorfreude, die ihn alles andere vergessen ließ.
 

Die Vorlesungen, der ganze Vormittag verging wie im Flug, selbst das Mittagessen war vorbei, bevor Camui überhaupt realisiert hatte, dass er und You mit irgendwelchen Bekannten von diesem vor ihren gefüllten Tellern saßen. Auch die letzten paar Minuten, in denen er auf die beiden Regisseure und die Zweitbesetzungen gewartet hatte, waren im Nu vorbei gewesen.

„Gut. Alle sind da“, eröffnete Hideto höflich neutral wie immer. „Dann wollen wir mal“, damit öffnete er die Tür zu dem Raum. „Ihr wisst, was wir heute proben wollen?“ Von allen Anwesenden kam ein Nicken und so für der kleine Regisseur fort. „Zunächst gehen wir nur den Text vor und nach den Kussszenen durch, damit ihr mit den entsprechenden Emotionen schon sprecht. Anschließend proben wir die Szene komplett, am besten ohne Manuskript in der Hand.“ Sie teilten sich auf. Während Tetsuya den Zweitbesetzungen half, bekam Camui eine Unterweisung von Hideto, welcher seinen Text nicht mehr richtig üben brauchte.

„Okay“, unterbrach Hideto ihr Üben und wandte sich zu den anderen um. „Tetsu? Kannst du dir unser Spiel mal bitte ansehen?“ Der Gerufene gesellte sich ebenso wie die anderen beiden zu Camui und Hideto, welcher augenblicklich mit dem Spiel begannen.

„Tag, schein herein, und Leben, flieh hinaus!“ [1]

„Ich steig hinab, lass dich noch einmal küssen.“ Camui beugte sich herunter und legte, wie es ihm die Rolle auferlegte, seine Lippen kurz auf die der Julia und dann begann er mit dem imaginären Abschnitt, während Julia ihren Text weitersprach. „Freund! Gatte! Trauter!“

„Cut“, hörten sie Tetsuyas Stimme. Sofort war Hideto wieder er selber und sah seinen Freund fragend an. „Gut“, meinte dieser nur und die anderen beiden sollte die gleiche Szene proben.

Camui war zwar auch etwas zurück gegangen und hatte den Abstieg aus dem Fenster noch dargestellt, doch ganz er selbst war er nicht. Denn unsinnigerweise bereute er die Kürze der Berührung. Eingeständnisse waren echt nichts Gutes. Denn sie verleiteten einen dazu, sich wie ein Trottel zu benehmen oder zumindest sich Dinge zu wünschen, die ganz bestimmt nicht gut für einen waren. Und ja in diesem Moment wünschte er sich nichts mehr, als das er wieder der Romeo war und Takarai die Julia und er noch viele weitere Kussszenen mit diesem spielen konnte. Denn Wiedererwarten waren die Lippen weich und sanft gewesen. Der Kuss an sich war unschuldig gewesen und doch wollte Camui mehr, auch wenn er keine Erfahrungen in dieser Hinsicht hatte. Es war zum Haare raufen, aber das würde er bestimmt nicht jetzt hier tun.

„Gut“, holte ihn Takarais Stimme aus seinen Gedanken. „Das war gut ihr beiden. Damit sind wir für heute fertig. Ab der nächsten regulären Probe werden auch diese Szenen dabei sein. Ich hoffe, ihr habt damit keine Probleme. Am Ende des Semesters wird vor Publikum gespielt.“
 

[1] Romeo und Julia, Shakespeare, 3.Akt 5.Szene

Aufführung

„Vergib mir, Vetter! – Liebe Julia,

Warum bist du so schön noch? Ich will glauben,

Der körperlose Tod entbrenn’ in Liebe,

Und der verhaßte, hagre Unhold halte

Als seine Buhle hier im Dunkel dich.

Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen,

Und will aus diesem Palast dichter Nacht

Nie wieder weichen. Hier, hier will ich bleiben

Mit Würmern, so dir Dienerinnen sind.

O, hier bau’ ich die ew’ge Ruhstatt mir,

Und schüttle von dem lebensmüden Leibe

Das Joch feindseliger Gestirne. – Augen,

Blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzte

Umarmung! und o Lippen, ihr, die Thore

Des Odems, siegelt mit rechtmäß’gem Kusse“, Camui beugte sich nach vorne und seine Lippen legte sich in einer eher flüchtigen Bewegung auf die Hidetos.

„Den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod.

Komm, bittrer Führer! widriger Gefährt’!

Verzweifelter Pilot! Nun treib’ auf einmal

Dein sturmerkranktes Schiff in Felsenbrandung!

Dies auf dein Wohl, wo du auch stranden magst!

Dies meiner Lieben!“ Camui setzte die kleine Flasche an und leerte sie in einem Zug.

„O wackrer Apotheker!

Dein Trank wirkt schnell. – Und so im Kusse sterb’ ich.“ Über Julia gebeugt verharrte Camui und schloss seine Augen, um tot zu erscheinen. Der Spot, welcher bis eben Camui erhellt hatte, war erloschen.
 

„Romeo? – Ach, bleich! Wer sonst?

Wie? Paris auch? Und in sein Blut getaucht? –

O welche unmitleid’ge Stund’ ist Schuld

An dieser kläglichen Begebenheit? –

Das Fräulein regt sich.“ Bruder Lorenzo wandte sich Julia zu, welche die ersten Zeichen des Erwachens zeigte.

Mit noch schlaftrunkener Stimme begann sie zu sprechen:

„O Trostesbringer! Wo ist mein Gemahl?

Ich weiß recht gut noch, wo ich sollte sein,

Da bin ich auch. – Wo ist mein Romeo?“

„Ich höre Lärm. – Kommt, Fräulein, flieht die Grube

Des Tods, der Seuchen, des erzwungnen Schlafs;

Denn eine Macht, zu hoch dem Widerspruch,

Hat unsern Rat vereitelt. Komm, o komm!

Dein Gatte liegt an deinem Busen tot,

Und Paris auch; komm, ich versorge dich

Bei einer Schwesternschaft von heil’gen Nonnen.

Verweil’ mit Fragen nicht; die Wache kömmt.

Geh, gutes Kind!“

Es erklangen Geräusche hinter der Bühne und Lorenzo sagte:„Ich darf nicht länger bleiben.“ Anschließend ging er ab.

„Geh nur, entweich’! denn ich will nicht von hinnen. –

Was ist das hier? Ein Becher, festgeklemmt

In meines Trauten Hand? – Gift, seh’ ich, war

Sein Ende vor der Zeit. – O Böser! alles

Zu trinken, keinen güt’gen Tropfen mir

Zu gönnen, der mich zu dir brächt’? – Ich will

Dir deine Lippen küssen. Ach, vielleicht

Hängt noch ein wenig Gift daran, und läßt mich

An einer Labung sterben.“ Julia beugte sich zu Romeo und küsste ihn.

„Deine Lippen

Sind warm.“

„Wo ist es, Knabe? Führ’ uns.“ erklang hinter der Bühne.

„Wie? Lärm? – dann schnell nur.“ Julia sah sich kurz hektisch um und ergriff dann den Dolch. „O willkommner Dolch!

Dies werde deine Scheide.“ Sie ersticht sich mit dem Dolch. „Roste da,

Und laß mich sterben.“ Julia fiel auf Romeo und starb.
 

Der Rest der Szene war endlich vorüber und Hideto streckte sich genüsslich, denn das lange halb auf Camui liegen war unbequem gewesen. Nun mussten sie nur noch alle auf die Bühne sich mehrfach verbeugen und dann war diese Inszenierung endlich vorüber. Oh wie sehr sich Hideto schon auf die Semesterabschlussparty freute, welche im Anschluss statt fand. Die Aufführungen der Erstsemester war immer die letzte Veranstaltung, bevor das Semester endgültig vorbei war. So auch heute.

„Das war eine absolute geniale Vorstellung“, ließ sich Tetsuya zu einem allgemeinem Lob hinreißen und bekam ausnahmslos strahlende Gesichter als Antwort. Selbst Hideto grinste für einen Moment glücklich, bevor er erneut zu dem Musterstudenten mutierte, den er so gerne mimte. Aber nur noch für die nächsten paar Minuten bis Tanaguchi-san wieder weg sein würde.

„Das war gut, meine Heer“, meldete sich auch gleich der genannte Dozent zu Wort. „Und so schlimm war es doch gar nicht, die Julia zu spielen. Oder Takarai-kun?“ Hideto schenkte ihrem Übungsleiter ein umwerfendes Lächeln.

„Nein, in der Tat war es sehr schöne Erfrischung meiner Fähigkeiten eine weibliche Rolle zu spielen“, damit drehte sich Hideto um und bedankte sich ebenfalls bei den Erstsemestern.

„Gut. Ich werde meine Beurteilung den entsprechenden Lehrkräften zu kommen lassen“, mit diesen Worten verabschiedete sich Tanaguchi-san und die Studenten waren wieder unter sich.

„Und nun zur Abschlussparty“, grinste Tetsuya und die ersten waren, kaum das die letzte Silbe verklungen war, schon verschwunden. Lediglich Hideto, Tetsuya, Yuu und Camui waren noch da.

„Wollen wir?“
 

Laute Musik drang an ihre Ohren und die Verständigung war sofort unmöglich geworden. Jedoch interessiertes dies keinen der Vier, denn sie waren zum Feiern hier und dazu gehörte Musik. Laut und mit Bass.

Hideto und Yuu schoben sich durch die Tanzfläche, wobei wie zufällig viele Hände irgendeinen Teil von Hidetos Körper berührten. An der Bar angekommen bestellten die Beiden für sich und ihre Freunde.

„Das war wirklich eine gute Darstellung“, wandte sich Yuu an den älteren Studenten.

„Danke“, entgegnete dieser. „Aber du bist auch nicht schlecht und Gackt-kun ebenso. Ihr beide habt echt Potenzial.“ Sie erhielten die Getränke. „Ich hätte zwar lieber nur hinter der Bühne gearbeitet dieses Mal. Aber zu schauspielern macht mir immer Spaß. Egal ob weibliche oder männliche Rolle.“ Eine Entgegnung wartete Hideto gar nicht erst ab, sondern machte sich augenblicklich auf den Weg zurück zu den anderen Beiden.

Lächelnd folgte ihm Yuu.

„Hier bitte“, damit stellte Hideto das eine Glas Tetsuya hin und nahm von dem anderen einen großen Schluck.

„Und was hast du heute abend vor?“ wollte sein bester Freund wissen.

„Mich amüsieren“, war Hidetos Antwort und man musste ihn nicht so gut kennen wie Tetsuya, um zu wissen, wie er sich amüsieren wollte. Denn auch Camui, welcher zögerlich zunächst nur einen kleinen Schluck von seinem Cocktail genommen hatte, hatte eine genaue Vorstellung, davon wie ein Takarai sich amüsierte. Daher gönnte er sich nun doch einen wesentlich größeren Schluck.

„Und ihr?“ fragte der Kleinste unter ihnen.

„Das Übliche“, meinte Yuu und die anderen beiden nickten zustimmend.

„Darf man stören?“ machte eine zierliche, durchaus attraktive Studentin auf sich aufmerksam und alle vier Herren sahen zu ihr. Tetsuya erkannte sie und sofort erhellte sich sein Gesicht. „Ihr entschuldigt mich“, damit war er auf gestanden und kurz darauf mit der jungen Frau auf der Tanzfläche verschwunden.

„Glück muss man haben“, murmelte Camui und sah dem Paar sehnsüchtig hinter.

„Verliebt?“ wollte Hideto mit einem spitzbübischen Grinsen sofort wissen. Und ohne das Camui sich dessen bewusst war, nickte er, wofür er gleich zwei erstaunte Gesichter erntete. „Ach...“ Nur einen Sekundenbruchteil später war Hideto wieder er selber. „In wen denn?“

Camui setzte schon zur Antwort an, blickte jedoch auf und stockte. Hideto sah ihn abwartend an, bekam aber auch noch einigen Minuten keine Antwort. So zuckte er nur mit den Schultern, entschuldigte sich und verschwand ebenfalls auf der Tanzfläche.

„Wer ist es?“ wollte nun Yuu wissen.

„Takarai-senpai“, murmelte Camui und leerte seinen Cocktail.

„Mist“, rutschte es Yuu heraus.

„Ich weiß.“ Camui ließ seinen Kopf hängen. „Er ist nicht der Typ für die erste Liebe.“

„Dann lass dich ja nicht auf ihn ein“, riet ihm Yuu. „Noch ein Drink.“

„Gerne, aber diesmal etwas Stärkeres.“
 

Der Abend strich dahin und Camuis Alkoholpegel stieg. Denn zum Tanzen war er nicht aufgelegt und Yuu blieb nicht die ganze Zeit bei ihm, so dass er auf ihn hätte aufpassen können. Demnach war der Student, der gerade sein erstes Semester beendet hatte, schon ziemlich betrunken und bekam von seiner Umgebung nicht mehr alles mit. Daher war er nun doch auf der Tanzfläche und tanzte mit einem wirklich hübschen Mädchen. Aber leider übte sie keine richtige Faszination auf ihn aus. Sie war in seinen Augen lediglich hübsch.

Er merkte auch kaum, wie sich sein Tanzpartner wechselte. Erst als sich Hände um seinen Hals schlangen und ihn näher an einen um einiges kleineren Körper zogen, besah er sich seinen Tanzpartner und schluckte trocken. Es war das unglaublichste Wesen, dem er je begegnet war. Seine Arme legten sich wie automatisch auf die Hüften des Langhaarigen. Sie tanzten eng bei einander zu der Ballade und bei dem schnelleren danach kam Camui ganz schön ins Schwitzen. Denn Hideto wusste genau, wie er tanzen musste, um den anderen in Bedrängnis bringen zu können.

Die Lieder zogen an ihnen vorbei und sie tanzten noch immer. Erneut bewegten sie sich zu den Tönen einer Ballade und wieder hielten sie engen Körperkontakt.

Hideto ließ seine Hände sanft Camuis Nacken kraulen und dieser schloss entspannt die Augen. Mit einem diabolischen Grinsen quittierte Hideto diese Reaktion und drückte sich noch näher an den anderen.

Kurz bevor das Lied verklang, stellte sich Hideto auf die Zehenspitzen und flüsterte Camui, wobei er diesem wohlige Schauer bescherte, ins Ohr: „Ich will dich.“ Er ließ den Größeren keine Zeit irgendetwas zu entgegnen, denn seine Lippen legte sich auf Camuis, der den noch scheuen Kuss erwiderte. Hideto intensivierte ihn und ließ seine Zungenspitze sacht gegen Camuis Oberlippen stoßen. Dieser ging darauf ein und seine Mundhöhle wurde von dem Langhaarigen geplündert, während dessen eine Hand Camuis Hintern knetete.

Hideto unterbrach den Kuss. „Komm mit“, flüsterte er erneut in das Ohr des Jüngeren. Dieser nickte leicht und schon wurde seine Hand ergriffen.
 

Tbc *diabolisch grins*
 

Alle Zitate sind aus Romeo und Julia ^^

Ein neues Semester

Genüsslich stieß Hideto den Rauch seiner Zigarette aus und sah zu seinen beiden Mitbewohnern.

„So, wir sind wieder einer weniger“, begann er ihr WG-Meeting.

„Leider“, kam es geknickt von Tetsuya. „Eigentlich habe ich keine Lust auf einen weiteren neuen Mitbewohner. Man, wir sind im letzten Semester. Es reicht langsam.“

„Aber zu dritt wird es zu teuer“, meinte Hideto und nahm einen tiefen Zug.

„Hey, dank an die ganzen Typen, die auf unseren Aushang bisher reagiert haben.“

„Ja ja. Die waren alle nichts“, gab Hideto zu. „Der eine wollte wirklich hier einziehen, weil er mich mal nackt sehen will.“ Es schüttelte den Kleinen.

„Nicht verzweifeln“, meinte Yuu. „Und wenn wir es mit einer Studentin versuchen.“

„Keine Chance“, nahm Tetsuya dem Jüngsten sofort den Wind aus den Segeln. „Keine Studentin, die bei klarem Verstand ist, würde hier freiwillig einziehen.“ Fragen zog Yuu seine Stirn in Falten. „Hidetos Ruf unter den Damen ist einfach zu schlecht.“ Verstehend nickte Yuu und Hideto senkte anscheinend betroffen den Kopf.

„Egal“, schob er seine Vorliebe beiseite. „Lasst uns lieber nen feschen Kerl suchen.“

„Nein“, kam es entschieden von den anderen beiden.

„Wieso nicht?“ schmollte der Kleine.

„Weil das so klingt, als ob du ihn abschleppen willst.“

„Aber“, setzte Hideto zu einem Protest an.

„Nichts aber“, schnitt ihm Tetsuya das Wort ab.

Plötzlich begann ein Handy zu klingeln. „Entschuldigt“, meinte Yuu und nahm den Anruf entgegen.

„Und schon ist die Zukunft der WG nicht mehr wichtig.“ Mit gespielt beleidigtem Gesichtsausdruck drehte sich Hideto zu ihrem kleinen Küchenfenster und genoss weiter seine Zigaretten.

Schweigend warteten sie darauf, dass ihr Mitbewohner sein Gespräch beendete. Minuten und eine neu angesteckte Zigarette später steckte Yuu endlich das kleine Wunderwerk der Technik zurück in seine Hosentasche.

„Ich hätte einen Kandidaten“, wandte sich Yuu an die anderen Beiden. „Camui“, antwortete er auf die nicht ausgesprochene Frage.

„Ich glaube nicht, dass er hier einziehen will“, entgegnete Hideto und drückte seine Kippe im Aschenbecher aus.

„Wieso?“ wollte Tetsuya schon leicht alarmiert wissen.

„Weil wir am Abend der Abschlussparty Sex hatten und ich vor dem Morgengrauen gegangen bin.“ Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte Hideto gesprochen und er konnte deutlich die Wut sehen, welche sich zumindest in Yuus Gesicht wieder spiegelte.

„Wie konntest du nur?“ wollte dieser wissen.

„Mir war danach und er war nicht abgeneigt“, antwortete der Älteste unter ihnen gelassen.

„Verflucht!“ Yuu begann in der Küche auf und abzugehen. „Warum hat der Kerl nichts gesagt?“

„Das musst du ihn fragen.“

„Klappe!“ fuhr Yuu den um einige Zentimeter kleineren Studenten an.

„Ui. Vielleicht wollte er sich vor dir nicht rechtfertigen müssen“, konnte Hideto seine Zunge nicht in Zaum halten.

„Gott verflucht nochmal. Der Kerl ist verliebt in dich“, platzte es aus Yuu heraus.

„Oh!“ Nun sah Hideto entgeistert aus.

„Wenn er hier trotz allem einziehen will, dann wirst du gefälligst deine Griffel von ihm lassen.“ Drohend baute sich Yuu vor Hideto auf.

„Geht klar, Chef“, konnte sich Hideto nicht verkneifen zu sagen, obwohl er sehr wohl den Ernst der Lage erkannt hatte. Böse wurde er daher von Yuu angefunkelt.

„Ich geh ihn mal besuchen“, damit verschwand der Zweitsemesterstudent aus ihrer gemeinsamen Wohnung.

Kopfschüttelnd ging Tetsuya Richtung dessen Zimmer. „Du hast mal wieder nicht nachgedacht, oder?“

Mit hängendem Kopf folgte ihm Hideto. „Doch. Wenn ich die ganze Zeit nicht nachdenken würde, dann hätte ich Gackt schon eher flach gelegt.“ Er machte eine Pause und straffte die Schultern. „Ich hab gedacht, ich seh den Kerl nicht wieder.“

„Falsch gedacht.“

„Merk ich auch.“ Angesäuert kaute Hideto auf seiner Unterlippe herum, bevor er weitersprach. „Wenn er hier einziehen sollte, dann werde ich mich hüten, ihn ungebührlich anzusehen.“

„Versprochen?“ Tetsuya sah ihn forschend und durchdringend an.

„Versprochen. Obwohl er auf seine Art schon ziemlich heiß ist.“ Mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen verschwand Hideto in sein Zimmer.
 

Drei Tage später stand wirklich Gackt vor ihrer Tür. Mit einem seiner freundlichsten und zahmsten Lächeln begrüßte Hideto ihren neuen Mitbewohner an der Haustür. „Willkommen beim faulen Student!“

Gackt musste leicht grinsen und kam der Aufforderung einzutreten nach.

„Darf ich sie in unserem bescheidenen Heim herumführen?“ Amüsiert nickte Gackt und folgte Hideto.

„Zu ihrer Rechten geht das Bad ab. Gegenüber befindet sich das Zimmer des ehrenwerten Herrn Yuus.“ Gackt musste sich bemühen nicht laut loszulachen.

„Neben der überaus reizenden Waschhalle befindet sich das Zimmer des nicht minder ehrenwerten Herrn Tetsuyas und diesem gegenüber ist der Ort, in dem Speisen und Getränke zwei Mal am Tag gereicht werden.“ Sie hatten die ersten beiden und nun auch die nächsten Türen hinter sich gelassen. „Zu ihrer linken geht mein kleines bescheidenes Zimmer ab und daneben befindet sich ihr neues Heim, mein ehrenwerten Herr Gackt.“ Nun konnte Gackt nicht mehr und lachte richtig los. Hideto hingegen verzog nur leicht seinen Mund zu einem angedeuteten Lächeln. Er öffnete die Tür zu Gackts Zimmer und fragte diesen noch, ob er ihm helfen könne. Nachdem Gackt verneint hatte, meinte Hideto lediglich, dass er sich bei Fragen gerne an ihn wenden könne, er wäre in seinem Zimmer, da die anderen beiden nicht da waren.

Camui betrat sein neues Zimmer und sah sich neugierig um. Groß war es nicht gerade, aber es sah gemütlich aus.

Er ließ seine Tasche auf den Boden fallen und machte Probeliegen im Bett. Es war bequem, nicht zu hart und nicht zu weich.

Nun würde er also mit Yuu und seinem ersten Mal in ein und der selben Wohnung wohnen. Ob das gut ging? Er wusste es nicht, aber er wollte es. Denn der Wunsch mit Yuu zusammenzuleben und endlich ein ungezwungener Student sein zu können hatte über die Schmach seines ersten Mals gesiegt. Doch dies brauchte niemand zu wissen.
 


 

Mittlerweile war der erste Monate seines zweiten Semester verstrichen und er hatte sich komplett in der WG eingelebt. Es war überhaupt kein Problem. Hideto – ja, er hatte angefangen, den anderen immer beim Vornamen zu nennen – behandelte ihn ganz normal und er tat ebenso, als ob nichts gewesen wäre.

Zufrieden mit sich, weil er seinen Hausaufgaben schon erledigt hatte, schloss Camui seinen Block und verließ sein Zimmer Richtung Küche, dabei kam er an Hidetos Zimmer vorbei.

„Mensch, Tetsu, lass das“, konnte er diesen murren hören und blieb stehen. Er riskierte einen Blick durch die Tür und konnte sich von dem Schauspiel nicht lösen. Den Hideto versuchte verzweifelt Tetsu davon abzuhalten, in dem Schrank des Langhaarigen zu wühlen. „Ich werde nicht was anderes für die Party heute abend anziehen.“

„Aber es ist der Geburtstag von Yuki“, protestierte der Blondhaarige.

„Mensch, sie ist deine Freundin. Soll ich dir etwa die Schau stehlen?“ Schlagartig hielt Tetsu in seinen Bewegungen inne.

„Stimmt auch wieder“, gab er zu und Hideto ließ ihn los.

„Na also. Geh lieber die anderen fragen, ob sie schon fertig sind.“

Stimmt ja, fiel es Camui siedend heiß wieder ein. Also drehte er um und ging in sein Zimmer zurück. Er wollte sich was anderes anziehen. Vielleicht würde er heute abend einem netten Mädchen begegnen. Er wollte endlich auch eine Beziehung. Es nervend, dass sowohl Yuu als auch Tetsu eine Freundin hatten und er nicht. Na gut, Hideto hatte auch keine Beziehung, aber der wollte so etwas ja sowieso nicht. Also zählte er nicht.

Camui durchwühlte seinen Kleiderschrank, fand was Passendes und verschwand im Bad. Fertig gestylt kam er wieder heraus und sah sich Hideto gegenüber. Dieser ließ seinen Blick kurz an Camui auf- und abschweifen, bevor er meinte: „Siehst gut aus.“ Der kleine Student schob sich an dem überraschten Kurzhaarigen vorbei ins Bad. Unwillkürlich hat sich Camui von diesem Kompliment schmeicheln lassen. Er war halt immer noch in den Älteren verliebt.
 

Zu fünft, denn Yuu hatte seine Freundin abgeholt, betraten sie den Club, dem die Geburtstagsfeier sowie eigentlich jede Studentenparty stattfand. Und wie immer hatten sie keinen Blick für die Einrichtung.

Dieses Mal hielten sie jedoch nicht zielstrebig auf einen Tisch zu, sondern suchten das Geburtstagskind, welches sie an der Bar entdeckten.

„Alles Gute“, wünschte Camui und schüttelte Ayaka die Hand. Er kannte sie nicht sonderlich gut. Nach ihm gratulierten ihr Yuu und dessen Freundin.

„Happy Birthday“, ließ Hideto versucht ohne Akzent verlauten und hauchte Ayaka einen Kuss auf die Hand. Diese wurde leicht rot und Tetsu schob sich neben seine Freundin, um sie zu umarmen und ihr auch alles Gute zu wünschen.

Mit einem für ihn auf solchen Feiern typischen Grinsen wandte sich Hideto dem Barkeeper zu und bestellte für sie alle Getränke, wobei bei jedem den Geschmack beachtete nur Camui überging er. Dem stellte er einfach einen Kurzen und ein Bier hin. Die gleiche Zusammenstellung, die Hideto auch gewählt hatte.

„Auf Ex“, meinte dieser und hielt Camui sein Glas zum Anstoßen entgegen. Warum nicht? Dachte dieser sich und so tranken sie den Schnaps in einem Zug leer.

Über den Abend verteilt tranken sie beide zusammen immer wieder einen Schnaps auf Ex, sobald einer von ihnen beiden von der Tanzfläche an die Bar zurück kehrte. In allem war dieser Abend, der beste den Camui bisher erlebt hatte. So viel Spaß heute hatte er noch nie gehabt.

Im Moment waren sowohl er als auch Hideto auf der Tanzfläche und sie machten sich einen Spaß daraus, tanzende Pärchen anzutanzen und zu trennen, so dass Camui mit dem Mädchen und Hideto mit dem Kerl tanzten. Sobald das Pärchen sich bewusst wurde, dass sie andere Partner hatten, verließen diese meist ziemlich schnell die Tanzfläche. So auch ihre letzten Opfer, wobei der Typ mit hochrotem Kopf abgehauen war. Anscheinend hatte es ihm gefallen mit Hideto zu tanzen, aber ehrlich dieser Typ konnte einen verrückt machen. So lasziv wie der tanzte. Camui unterdrückte ein Seufzen, denn jetzt war er Hidetos Opfer und er genoss es in vollen Zügen, wenn dieser beim Tanzen seinen Körper berührte. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie zusammen tanzten.

Nach drei schnelleren Titeln kam endlich mal wieder eine Ballade und Camui wollte sich schon umsehen, ob sie nicht ein weiteres Paar vertreiben könnten, als sich zwei Arme in seinen Nacken legten und sich ein kleiner, zierlicher Körper an ihn schmiegte.

„Du siehst heute so heiß“, raunte ihm ein angetrunkener Hideto ins Ohr und bewegte aufreizend seine Hüften gegen Camuis. Unfähig irgendetwas anderes zu tun, legte dieser lediglich seine Hände auf Hidetos Hintern, er konnte nicht wieder stehen, diesen knackigen Arsch zu kneten. Leise stöhnte Hideto daraufhin und drückte sich auf Zehenspitzen stehend näher an Camui. „Ich bin scharf auf dich“, hauchte er diesem ins Ohr und bewegte seine Lippen kurz vor Camuis. Er legte sie nicht auf ihre Gegenstücke, er wartete, ob ihm Camui entgegen kam und dieser tat es.

Camui löste eine Hand von Hidetos Hintern und schob diese in dessen Nacken, um den begonnenen Kuss zu intensivieren. Zaghaft fuhr er über die Lippen des Kleineren, welche seinen Mund bereitwillig öffnete und Camuis Zunge mit seiner in seine Mundhöhle lockte, sie zum Spielen aufforderte. Zunächst nur zögerlich ging dieser darauf ein, jedoch wurde er mit jedem Zungenschlag selbstsicherer und ihr Kuss leidenschaftlicher.

Leicht keuchend lösten sie sich von einander und Hideto flüsterte fast tonlos: „Lass uns gehen.“
 

Sonnenstrahlen kitzelten Camui an der Nase, welche er rümpfte und sich auf die andere Seite, weg vom Fenster, drehen wollte. Doch es ging nicht. Verwundert öffnete Camui seine Augen und blickte auf jemanden in seinen Armen hinunter.

Neben ihm in seinen Arm lag Hideto noch friedlich schlafend, denn er hatte die Sonne im Rücken.

Verwirrt starrte Camui zunächst auf den schlafenden Studenten in seinen Armen, doch wurde sein Ausdruck von Sekunde zu Sekunde milder und er freute sich tierisch darüber, dass der Kleine nicht erneut abgehauen war.

Süß, schoss es ihm durch den Kopf. Als der andere im Schlaf leicht seinen Kopf hob und Camui nun das Gesicht sehen konnte.

Er kämpfte gegen den Drang den Älteren zu streicheln. Er gewann. Er verlor. Vorsichtig hob er seinen Arm und strich hauchzart über das Gesicht des Schlafenden. Dieser rührte sich nicht, also machte Camui weiter.

Doch plötzlich kam Bewegung in den Langhaarigen und Camui hielt verschreckt inne. Die Augen öffneten sich langsam nur einen Spalt zunächst. Keine Sekunde später hatte Hideto beide Augen aufgerissen. „Was?“ fragte er leise.

„Guten Morgen“, kam über Camuis Lippen glücklich.

„Wieso?“ Verwirrt blickte Hideto zu dem Jüngeren auf.

„Kannst du dich nicht erinnern?“

„Doch“, kam es zaghaft. „Aber wieso lieg ich hier?“

„Das“, Camui sah sich um, „dein Bett.“ Er schmunzelte den anderen an. Man war der süß, wenn der noch so verpennt war, dachte er sich.

„Oh.“ Hideto setzte sich auf. „Tetsu bringt mich um.“

Nun selbst verwirrt sah Camui den Älteren an. „Ich hatte ihm versprochen, meine Finger von dir zu lassen“, erklärte Hideto.

„Ich wollte es auch“, entgegnete Camui leise. „Und ich möchte eine Beziehung.“

„Gibt es nicht“, kam es automatisch von Hideto. „Ich fang nur was an, wenn ich denjenigen noch nicht im Bett hatte.“

„Und normalerweise sieht du jemanden, mit dem du Sex gehabt hattest, nicht mehr mit dem Arsch an. Und trotzdem sind wir erneut im Bett gelandet“, fügte Camui leicht aufgebracht hinzu.

„Stimmt.“ Langsam fand Hideto zu seiner normalen Art zurück. Der Schock war überwunden. „Aber deswegen muss ich nicht gleich eine Beziehung mit dir anfangen.“

„Du hast den ersten Schritt hierfür getan“, murmelte Camui. „Warum ich? Gestern gab es, weiß Gott, genug Auswahl.“

„Hm...“ Hideto drehte sich zu Camui um. „Weil du mit deiner Unschuld so richtig schön heiß bist.“ Er beugte sich herunter und küsste den anderen verlangend. Nach der ersten Minute, in der Camui erwidert hatte, stieß er Hideto von sich. Fragend sah dieser ihn an. „Nein. Ich will nicht nur ein Zeitvertreib sein. Entweder Beziehung oder gar nicht“, damit erhob er sich.

Verwirrt sah ihm Hideto dabei zu, wie sich Camui anzog, dabei leckte sich Hideto aufreizend über die Lippen.

Camui hatte schon sein Hemd übergestreift, als er hinter sich eine Geräusche vernahm. Zierliche Arme legte sich um ihn und ein kleiner Körper drückte sich von hinten an ihn. „Okay. Aber ich habe keine Ahnung wie eine Beziehung funktioniert.“ Glücklich lächelnd legte Camui seine Hände auf ihre kleineren Gegenstücke.
 

Das wär schon ein schönes Ende, oder? Aber es geht noch besser.

Ein wunderschöner Tag

Camui stand in der Küche und wartete darauf, dass die Kaffeemaschine verkündete, dass sie endlich fertig gebrüht hatte. Und genau in diesem Moment erklang das so typische röchelnde Geräusch dieses alten Modelles. Aber was sollte man sich beschweren? Sie waren Studenten und hatten kaum Geld. Da war jede Kaffeemaschine besser als gar keine, egal wie alt sie war.

Er nahm die Kanne heraus und goss sich seine Tasse voll, anschließend setzte er sich an den Küchentisch und schlug die Zeitung, die sie erneut erfolgreich dem Nachbarn geklaut hatten, auf.

„Morgen“, kam es von der Tür her und ohne aufzublicken entgegnete Camui: „Der Kaffee ist frisch.“

„Gut.“ Nachdem er Geräusche des Einschenkens vernommen hatte, war es einige Augenblicke ruhig, bevor er das schabende Geräusche eines Stuhles, der zurückgezogen wurde, vernahm. „Und was war in der Welt gestern los?“

„Es ist mal wieder jemand vor den Zug gesprungen“, meinte Camui und sah auf. „Und wir dein Abend?“

„Super. Wir waren auf einer Party ihrer Freunde und haben uns recht schnell verdrückt. Danach war es einfach nur klasse“, schwärmte Yuu schon förmlich und an dessen Blick erkannte Camui, dass er die Zeitung ruhig bei Seite legen konnte, denn zum Lesen würde er die nächsten Minuten eh nicht kommen. So schlug er die Tageszeitung zusammen und legte sie auf den Stuhl neben sich, auf dem meistens Hideto saß. Erstaunlicherweise hatte sie so etwas wie eine Festsitzung an diesem gerade mal für vier Leute ausgelegten Tisch.

„Und was habt ihr gemacht?“

„Wir haben etwas ferngesehen. Hideto muss heute arbeiten“, kam es wenig begeistert von Camui.

„Ehrlich, Camui, ich kann es immer noch nicht fassen, dass du mit dem schlimmsten Aufreißer der ganzen Uni eine feste Beziehung hast.“

„Das wirklich Interessante daran ist, dass er zwar behauptet, für Beziehungen nicht geschaffenen zu sein, aber total kuschel bedürftig ist. Gestern abend zum Beispiel, haben wirklich nichts anderes gemacht, als bei ihm auf dem Bett aneinander gelehnt zu hocken und uns irgendeine dämliche Liebesschnulze reinzuziehen.“

„Echt?“ Verblüfft sah Yuu seinen besten Freund an.

„Echt“, bestätigte dieser. „Am Anfang hab ich auch gedacht, dass er jeden Tag mit mir ins Bett, was ja auch der Fall, aber mittlerweile scheint er es zu genießen, wenn ich ihn mal auch einfach nur im Arm halte.“ Camui sah mit verträumten Blick in seine Tasse.

„Aber mal was anderes“, lenkte Yuu ihr Gespräch in andere Bahnen. „Macht es dir nichts aus, dass niemand in der Uni weiß, dass ihr ein Paar seid?“

Camui nahm einen Schluck seines Kaffees und sah seinem besten Freund in die Augen. „Manchmal finde ich es Schade, aber so lange er auf Partys mit niemand anderem als mir knutscht, ist es mir egal.“

Er wurde mit einem Lächeln von Yuu bedacht. „Und habt ihr für heute noch Pläne, nachdem gestern so unspektakulär war?“

„Ich weiß nicht. Aber Hideto scheint irgendwas geplant zu haben“, nachdenklich stützte Camui seinen Kopf in die linke Hand. „Ich musste ihm versprechen, heute abend, wenn er von Arbeit kommt, zu Hause zu sein.“ Verstehend nickte Yuu und das restliche Frühstück über unterhielten sie sich über ihre Vorlesungen und Seminare.
 

Camui sah auf. Konnte das …? Ja, wirklich. Es war das Geräusch eines Schlüssel, der im Schloss gedreht wurde. Und dann das typische Quietschen ihrer Tür. Hastig legte der Student sein Buch zur Seite, stand auf und eilte in den Flur. Und tatsächlich, es war sein Hideto, der sich die Schuhe von den Füßen streifen.

„Hi“, lächelte Camui den anderen an. Dieser nickte nur und trat näher an den Großen, welchem er einen Kuss auf die Lippen hauchte.

„Lass mich mich kurz frisch machen, dann können wir auch gleich los.“ Leicht verwundert sah Camui seinem Freund hinterher, wie dieser zuerst in dessen Zimmer und dann im Bad verschwand.

Mit einem Blick auf die Uhr kehrte Camui in sein Zimmer zurück und nahm sein Buch erneut zur Hand.

Er hatte sich nicht getäuscht. Er hatte wirklich geschafft das Kapitel zu Ende zu lesen, bevor Hideto bei ihm in der Tür stand.

„Dann wollen wir mal“, damit wurde er am Arm ergriffen und zur Tür gezogen. Lächelnd mit innerer Anspannung zog sich Camui an und gemeinsam verließen sie das Haus.
 

Überrascht sah Camui Hideto dabei zu, wie dieser eine Decke auf der Wiese im Park ausbreitete. Anschließend zauberte er aus seinem Rucksack kleine Delikatessen und etwas zu Trinken hervor, bevor er sich auf der Decke nieder ließ.

„Los mach es dir bequem“, wurde Camui aufgefordert und gehorchte.

„Und wie war dein Tag heute?“ Camui sah Hideto an.

„Entspannt. Und deine Arbeit?“

„Wie immer.“ Hideto lächelte und öffnete eine der Brotbüchsen und reichte sie Camui. „Es ist ja nicht so, als ob ich was Neues lernen würde, wenn cih in einem kleinen Musikgeschäfte Gitarren und dergleichen verkaufe.“ Camui schmunzelte und probierte das Essen: „Lecker. Wo hast du das gekauft?“

Empört rümpfte Hideto die Nase. „Das habe ich selbst gekocht.“ Gespielt beleidigt drehte er Camui den Rücken zu. Dieser kroch auf der Decke näher an den Älteren und nahm ihn in den Arm. „Nicht beleidigt sein. Es schmeckt doch hervorragend.“

„Und?“ Immer noch spielte Hideto den Beleidigten.

„Ich habe dich noch nie kochen sehen, daher habe ich an...“

„Das war vorschnell“, unterbrach Hideto Camui und lehnte sich an ihn.

„Genau genommen, weiß ich nur sehr wenig über dich“, murmelte er und vergrub seine Nase in den langen Haaren vor sich.

„Was möchtest du denn wissen?“ fragte Hideto und löste sich von Camui, welcher daraufhin murrte und mit „Alles“ antwortete. „Dabei sollten wir vielleicht essen.“ Lächelnd nahm sich Hideto die zweite Brotbüchse und Besteck. „Also, ich habe am 29.1. Geburtstag und bin 23 Jahre alt.“ Camui kicherte, denn dies waren ihm bei weitem nicht unbekannte Informationen. „Viel mehr gibt es über mich nicht zu sagen“, meinte Hideto und begann sein Essen zu verspeisen.

„Du hast vergessen, zu erwähnen, was du studierst“, half ihm Camui auf die Sprünge.

„Oh. Stimmt ja“, er ließ seine Gabel sinken. „Und ich bin Schauspielstudent“, dabei beugte sich Hideto zu dem Jüngeren und blickte diesem tief mit einem hungrigen Blick an. Camui wollte darauf eingehen und sich zu seinem Freund beugen, um diesen zu küssen. Als Hideto sich plötzlich wieder aufrichtete und den anderen unbeeindruckt ansah.

„Fies“, murmelte der Student im ersten Studienjahr. Daraufhin wechselte Hidetos Gesichtsausdruck von neutral zu lieblich und anschließend wieder zu hungrig. „Da siehst du meine Schauspielkunst“, raunte er Camui gegen die Lippen, welche er anschließend flüchtig berührte.

Camui sah seinen Freund traurig an, hatte er doch auf einen richtigen Kuss gehofft. „Später“, lenkte der Langhaarige ein.
 

Sanft fuhren Camuis Finger durch die langen Haares seines Freundes. Dieser lag mit seinem Kopf in dem Schoß des Kurzhaarigen und sah irgendwo in die Ferne.

„Das ist schön“, meinte Camui leise und Hideto nickte zustimmend.

„Und beruhigend“, kam es nach einigen Augenblicken von dem Liegenden.

„Aber es wird kühl“, merkte Camui leise an und strich über die Arme seines Liebsten, die eine leichte Gänsehaut zierte. Dieser hob seinen rechten Arm und sah auf die Uhr am Armgelenk. „Es wird eh Zeit“, meinte er dann und setzte sich auf. Er begann alles in seinem Rucksack zu verstauen.

Fragend sah Camui ihm dabei zu.

„Unser Date ist noch nicht beendet“, lächelte ihn Hideto an und hielt ihm seine Hand entgegen, an der sich Camui nach oben zog und anschließend die Decke zusammen faltete.

Mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen steckte Hideto die Decke ebenso in seinen Rucksack, schulterte diesen und griff seinen Freund an der Hand. „Dann lass dich mal von mir führen“, mit diesen Worte setzte er sich in Bewegung.
 

„Und wie findest du unser Date?“ Camui sah seinen Freund überrascht an. ER hatte nicht damit gerechnet, dass dieser es so offensichtlich zu geben würde. Zugegebenermaßen hatte Hideto den ganzen Nachmittag über wie ein perfekter Freund agiert. Etwas, was ihm Camui insgeheim nicht zugestanden hatte. Irgendwie passte dieses Verhalten nicht zu dem Hideto, den er das ganze letzte Semester und den Anfang von diesem hatte beobachten können. Doch hatte er nichts gegen diese liebende, freundliche Art des Kleineren.

„Und?“ brachte sich dieser wieder in die Aufmerksamkeit Camuis.

„Es war toll“, begann Camui hastig zu sprechen.

„Es WAR toll?“ fragte Hideto nach. Camui nickte zustimmend. „Willst du denn, dass es schon zu Ende ist?“

„Ist es das nicht?“

„Zu mir? Oder zu dir?“ fragte Hideto und kam Camui dabei näher. Nach seinem letzten Wort küsste er den Jüngeren leidenschaftlich. Dass sie sich noch nicht in ihrer WG befanden, störte Hideto weniger, denn sie standen direkt vor der Wohnungstür und könnten daher schnell in dieser sein.

„Also?“ fragte Hideto nach, nachdem er den Kuss beendet hatte.

„Zu dir“, brachte Camui atemlos heraus und Hideto öffnete die Tür. Er schob den Jüngeren in die Wohnung, folgte, ließ die Tür ins Schloss fallen und dirigierte seinen Freund, während sie sich erneut leidenschaftlich küssten, in sein Zimmer.

Erwachen

Camui öffnete seine Augen und sah sich nach seinem Freund um, weil seine Hand ins Leere gegriffen hatte. Doch sah er den Älteren auch nicht in seinem Zimmer, weswegen er überhastet aufstand. Er verzichtete darauf wie üblich ins Bad zu gehen und dort seine Morgenwäsche zu erledigen, sondern zog sich sofort etwas an.

Kaum dass er die Hose an hatte, verließ er seinen Raum und trat in den Flur. Es war erstaunlicherweise sehr ruhig. Daher führten ihn seine Beine, während er sich ein T-Shirt überzog, in die Küche. Doch fand er dort niemanden vor. Seine Verwunderung wurde größer, denn Camui war nicht bekannt, dass Hideto irgendetwas für heute geplant hätte.

So ging er zum Badezimmer und klopfte dort an.

„Was?“ ertönte es von innen und Camui wusste, wer sich im Bad befand. „Nichts“, antwortete er und ging zurück.

Noch übernahm ihn keine Panik, denn er hatte immer noch einen beziehungsweise zwei Räume, in denen er nicht nachgeschaut hatte. Er entschied sich zuerst in Hidetos Zimmer nachzuschauen.

Auch wenn er mit dem Langhaarigen mittlerweile ungefähr drei Monate zusammen war, respektierte er die Privatsphäre des anderen, weswegen er auch heute anklopfte. Da jedoch nach dem ersten Klopfen niemand reagierte, versuchte er es ein zweites Mal. Doch auch dieses Mal reagierte niemand. So öffnete er langsam die Tür. Erst einen Spalt und dann ganz. Er trat in den Raum und stockte.

Leer. Die ganze Regale und auch der Schreibtisch waren komplett leer. Nichts deutete auf Hideto hin, selbst dann nicht, als er die Schränke öffnete. Irgendwo fand er auch nur ein Anzeichen von seinem Liebsten.

„Was?“ Nur zögernd kam das Wort über seine Lippen und im selben Moment spürte er eine Hand auf seiner Schulter.

„Das weißt du nicht?“ Camui schüttelte den Kopf, aber langsam machte sich eine Ahnung in seinem Kopf breit.

„Tetsuya und Hideto sind zurück zu ihren Eltern gezogen, weil sie ja fertig mit dem Studium sind.“

„Warum hat er nichts gesagt?“ Camui drehte sich zu seinem besten Freund und sah diesen fragend und auch unverständlich an.

„Ich weiß es nicht. Aber wenn du magst, kann ich dir die Telefonnummer und Adresse geben und du kannst ihn selbst fragen.“ Beruhigend sah You ihn an.

„Hat Tetsuya dir die Daten gegeben?“ You nickte bestätigend und Camui fuhr fort: „Dann möchte ich sie nicht haben, wenn ich nicht mal einen Brief oder gar ein Wort des Abschiedes verdient habe, dann soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst.“ Camui verließ den Raum.
 

An dem ersten Tag meiner freien Zeit nach dem zweiten Semester endete der wunderbarste Traum meines bisherigen Lebens. Die wunderbaren Tage der letzten paar Monate stellten sich als Teil eines Spieles heraus, dessen Regeln ich erst nach und nach lernte. Es zu beherrschen, kostete mich die restlichen Semester meines Studiums. Auch wenn ich ihn nie vergessen konnte und können werde, so habe ich Spaß in meinem Leben und spiele Spiele nach meiner Art. Dabei verliere ich nie.



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  SummerRiver
2012-03-15T18:56:49+00:00 15.03.2012 19:56
ooaaahhh..
böse ;-;
garnicht nett >.<

aber trotzdem tolle ff
hat spaß gemacht zu lesen :D

LG Shinda
Von:  Earu
2008-01-10T16:46:25+00:00 10.01.2008 17:46
So, ich hab das jetzt in einem Rutsch gelesen und kommentier mal meionen Gesamteindruck.

Sieht für mich irgendwie danach aus, dass Gacchan der Uke wird, oder irr ich mich da? Recht interessant, so hab ich das Pairing noch nie gesehen. mal schauen, ob das so was wird oder ob sich die beiden noch um 180 grad drehen, aber das würde der FF vielleicht nicht so gut tun.

Dann is dein Schreibstril manchmal etwas verwirrend. ich persönlich schreibe in letzter Zeit immer in der Ich-perspektive, was sich wohl für Yaoi etwas besser macht, aber das macht sich dann mit dem perspektiven-Wechsel ein bisschen schlecht und nu is eh zu spät ^^

Ansonsten freu ich mich schon auf die folgenden Kapitel und bin gespannt drauf, wie Gacchan haido doch noch rumkriegt, wo der doch seine "Eroberung" hat ^^
Von:  Earu
2008-01-07T18:40:54+00:00 07.01.2008 19:40
*gakuhais zusammenkratzt* Nu is deiner dran ^^" klingt zwar so, als ob ich alles lesen würde, was mir unter die Finger kommt, aber so isses nicht. Die Idee sollte schon interessant sein.

Allein die Zusammenfasuung und Chara-beschreibung klingt wirklich interessant und ich freu mich schon drauf, was du daraus machst ^^

...
...

*anstups* Warum schreibst du Tokyo nicht mit "y"?
Von:  cute-hasi_to_Mars
2007-10-30T15:40:01+00:00 30.10.2007 16:40
mh naja soviel is ja nu echt nicht passiert, sorry wenn ich das so sehe. ._____.
da fehlt mehr "action"! xDD
nimms mir nicht übel.
ich bin ja mal gespannt wie diese "übung" aussehen wird. *kicher*

bis zum nächsten kappi
das Hasi
Von:  Kimiko02
2007-10-05T20:06:43+00:00 05.10.2007 22:06
Das Kapitel war jetzt zwar nicht grade das spannendeste, aber ich denke es war durchaus wichtig für den weiteren Verlauf der Handlung ^^
Denn Gackt wird sich mehr und mehr fragen, warum ihn das ganze so beschäftigt und dann dauert es sicher nicht mehr lange bis er hinter seine Gefühle kommt X3
Ich bin ja mal echt mega gespannt, was Hyde darüber denkt bzw. ob er Gackts Reaktion bemerkt hat und ob es Absicht war ^^
Im nächsten Kapitel treffen sie ja dann hoffentlich wieder aufeinander, darauf wäre ich sehr gespannt!
Btw, ich bewundere Gackts Fleiß!! Wenn ich nur 1/10 von dem fürs Studium machen würde wie er, dann müsste ich vor den Prüfungen nicht immer so übel pauken *lach*
Also ich freu mich auf das nächste Kapitel!!!
Von:  Kimiko02
2007-08-14T15:57:07+00:00 14.08.2007 17:57
Der arme Gaku kann einem wirklich leid tun ... hoffe mal auch dass er noch heil nach Hause kommt ... ><
Irgendwie hab ich so das Gefühl, dass es womöglich Haidos Absicht war, dass Gaku das sieht ^^;

Nya, bin schon gespannt wie es weiter geht!
Von:  cute-hasi_to_Mars
2007-08-13T13:29:05+00:00 13.08.2007 15:29
na sowas, da knuscht Hideto doch tatsächlich mit jemandem rum und das auch noch in aller öffentlichkeit. *tzz tzz tzz*

armer Gacku, aber besaufen is auch nicht gut! hoffentlich kommt er heil nach hause.

freu mich aufs nächste kappi und danke fürs bescheid sagen.

das Hasi
Von:  cute-hasi_to_Mars
2007-07-22T11:48:02+00:00 22.07.2007 13:48
jaja träume enthüllen manchmal oft das was man vielleicht nicht wahrhaben will. xD

und hyde is ne richtige kleine zicke. XP
you wird da schon vermitteln. *nod nod* *kicher*

na dann freu ich mich mal auf das nächste kappi in ein paar monaten. ^^
viel spaß beim "was-für-die-zukunft-tun"!
Von:  cute-hasi_to_Mars
2007-07-07T13:31:09+00:00 07.07.2007 15:31
*yay* das nächste kappi *freuz*
mensch du, hyde is ja ganz schön...ja...ich nenns mal eingebildet, weil mir grad kein besseres wort einfällt v.v
und you wohnt mit den beiden in einer wohnung!?!? na das kann ja heiter werden XD
unser gacku is ja schon total verschossen und merkts nich mal *kicher*
ich drück ihm die daumen *drück*

Ich hoffe es geht bald weiter. ^^
dewa mata das Hasi
Von:  Kimiko02
2007-06-20T14:06:32+00:00 20.06.2007 16:06
Also ich les schon von Anfang an mit, aber wollte erstmal abwarten wie sich die Story entwickelt bevor ich kommentiere ^^;
Und ich muss sagen, ich bin nicht enttäuscht worden ^_^
Das Zusammentreffen der beiden ist echt total süß und Haido beim Studenten quälen, wie genial! *lach*
Bei mir hat er jetzt schon nen Stein im Brett *smile*
Freu mich schon irre aufs nächste Kapitel!! ^^


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