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Die erste Liebe oder wie es hätte sein können...

von

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Tödliche Verletzung

Oscar war getroffen. Mehrere Kugeln bohrten sich tief in ihr weiches Fleisch, überall war Blut. Es vermischte sich mit ihrem blonden langen Haar und blieb in ihrem Gesicht kleben, dass schon schwer von Kampf und Trauer gezeichnet war.
 

Ihr fiel das Atmen schwer, auch ihre Lunge war nicht verschont geblieben und füllte sich zunehmend mit der roten, zähflüssigen Substanz.
 

„Kommandeur, Kommandeur könnt ihr mich hören?“ hallte Alains Stimme laut in ihren Ohren.
 

„Schrei doch nicht so! Ja, ich kann dich hören.“ brachte Oscar mit Schmerz verzogenem Gesicht grade noch heraus.
 

Wieder hörte sie Alains Stimme in ihren Ohren dröhnen „Wir müssen sie hier weg bringen! An einen sicheren Platz.“ „Hier hinüber!“ rief sogleich Bernard. Sie spürte wie sie von kräftigen Armen hochgehoben wurde. Es war Alain der mutig versuchte sie vom Schlachtfeld wegzubekommen, gefolgt von Freunden und Soldaten.
 

Oscar war müde, sie konnte nicht mehr. Wenn Alain sie doch bloß ausruhen lassen würde, wo wollte er sie hinbringen. Sie sollte doch am Schlachtfeld bleiben dachte sie.
 

In einem qualvollem Versuch fand Oscar doch noch Worte „Alan bitte ich möchte mich kurz ausruhen, nur fünf Minuten.“
 

Im nächsten Moment legte er sie auch schon auf eine Decke.
 

Menschen standen um sie herum und tuschelten. Es fiel ihr schwer irgendjemanden zu erkennen, und doch, war das nicht Rosalies Stimme? Sie weinte ja.
 

Ein Mann setzte sich vor sie hin und nahm ihre Hand, scheinbar um ihren Puls zu fühlen. Sogleich richtete er seine Worte an Rosalie „Ach bitte, würdet Ihr das Blut aus ihrem Gesicht wischen, ich werde sie gleich untersuchen.“
 

Zuerst nahm Oscar das sanfte Streicheln von Rosalie war, die versuchte ihr vom Kampf ermüdetes Gesicht von Blut zu befeien. Im kommenden Augenblick aber spürte Oscar die Berührungen des Arztes, der untersuchte, ob ihre Reflexe noch vorhanden waren. Er drückte an Stellen, wo es ihr weh tat und an Stellen, wo es ihr durch Mark und Bein fuhr. Ihr Körper schmerzte und es schien, als würde er von innen heraus verbrennen.
 

Sie ahnte schon, dass das nicht nur einfache Verletzungen waren.
 

Oscar begriff, dass es die letzten Minuten ihres Lebens sein würden, mit einer krampfhaften Bewegung Luft holend, wandte sie sich an Alain.
 

„Ich höre die Kanonen nicht. Feuern, sie sollen weiter feuern, hörst du! Die Schlacht ist noch nicht gewonnen! Nehmt die Bastille ein...“
 

„Ja Kommandeur!“ sie vernahm, wie jemand mit einem lauten Geräusch seine Reitstiefel aneinander drückte und wahrscheinlich salutierte.
 

Oscar Francois, die nicht einmal mehr einen Titel, noch einen geschichtsträchtige Namen hatte, sah zum Himmel. Das Licht tat in ihren Augen weh und da war sie wieder, sie erblickte eine weiße Taube. Sie signalisierte Leichtigkeit, Reinheit und Leben.
 

In diesem Augenblick entglitt ihr alles, bis auf die Liebe,....die Liebe zu einem Mann.
 

Nur das war ihr geblieben in den folgenden Minuten, in denen sie langsam den Lebensatem aushauchen würde. Sie spürte schon die alles umgebende Stille und so ließ sie noch einmal ihr Leben vor ihren inneren Augen ablaufen, Jahre in Bruchteilen von Sekunden und Tage in der Schnelligkeit von Lichtquanten,...aber es war nicht das Leben der Oscar Francois de Jarjayes es war ein Traum von ihrem Leben...
 

Wie es hätte sein können...
 

Was wäre, wenn ich es früher bemerkt hätte… es schon früher begriffen hätte, wie sehr ich dich liebe André, mein Geliebter. Was wäre, wenn ich mich damals nicht in von Fersen verliebt hätte sondern in Dich...

Der Überfall

Warum fällt mir das Atmen so schwer und diese Schmerzen in meiner linken Schulter. Was ist mit mir geschehen? Wo bin ich? Es ist alles so verschwommen, aber diese Wärme, das seidige Laken, der zarte Geruch von Rosenwasser.....Ich bin daheim.’
 

Oscar öffnete langsam ihre Augen und sie sah einen Jungen Mann vor sich stehen. Es war André, ihr treuer Begleiter schon seit Kindertagen.
 

Wie sie ihn so noch halb schlaftrunken ansah, betrachtete sie zum ersten Mal seine Augen mit solcher Innigkeit, dass sie Rosalies Ermahnungen, sich noch nicht aufzusetzen und nicht zu bewegen weil sonst ihre Schulter nicht richtig verheilen könnte, gar nicht wahrnahm.
 

Oh Andrés Augen,...Warum ist mir das nicht schon früher aufgefallen?
 

Sie sind wie das satte Grün des Waldes, dass die Sonne im Sommer mit all ihrer Liebe küsst.
 

‚Warum habe ich das nie zuvor bemerkt, wie seine Augen strahlen und die Vielfalt des Lebens ausdrücken. Wie sein Blick mich durchdringt und in Liebe einhüllt.
 

Was ist nur mit mir passiert ich kann mich kaum erinnern. Aber hier hat sich nichts verändert es sind noch immer die gleichen Verzierungen auf der matten Kalkwand. Ich könnte schwören, dass ich von jeder Blume die Blütenblätter auswendig aufzählen kann und die bauschigen weißen Vorhänge, die die Fenster säumen sind auch noch unverändert in ihrer Form.
 

Ich kann mich noch erinnern, als ich mich einmal, im Sommer 1763 müsste das gewesen sein, vor André hinter den langen Gardinen versteckt und ihn dann so erschreckt habe, als er zufällig das Fenster öffnen wollte, dass er zwei Tage nicht mehr mit mir geredet hat.’
 

Sie musste schmunzeln.
 

Plötzlich wurde Oscar aus ihren Tagträumereien gerissen und vernahm die Stimme ihres Vaters, General de Jarjayes „Oscar meine Tochter, ich sehe du bist endlich aufgewacht, welch ein Glück! Oscar du musst dich bei eurem Retter bedanken, Graf Hans Axel von Fersen, wenn er nicht gewesen wäre........ es ist nicht aus zudenken was passiert wäre.
 

Mein Kind er hat dir dein Leben gerettet.“
 

‚Graf von Fersen, dann war es doch kein Traum, wie ich zuerst angenommen hatte. Er war es wirklich. Wie lange mag dass wohl her sei.....vier Jahre. Wie die Zeit vergeht! Er sieht noch immer aus wie damals’, musste sie aus dem Augenwinkel bemerken.
 

Im nächstem Moment wandte sich Oscar völlig dem Grafen zu „Verzeiht, Graf von Fersen ich hatte Euch vorhin gar nicht bemerkt, wie unhöflich von mir. Seit wann seid Ihr wieder in Frankreich? Wenn ich mich recht entsinne, ist es schon vier Jahre her als wir einander das letzte mal gesehen haben.“
 

„Ja es sind die Jahre ins Land gerückt“, bemerkte Fersen mit etwas bedauern.
 

„Es freut mich jedenfalls, dass Ihr jetzt hier seid und wie ich hörte, noch dazu als mein Retter“, Oscar musste lächeln, um dann wieder ernst anzusetzen „Graf von Fersen, ich möchte mich bei Euch bedanken, dass Ihr zur Stelle wart und mich und meine Freunde gerettet habt, auch wenn es mir nicht vergönnt ist eine Erinnerung an das Geschehene zu haben.“
 

„Es war mir eine Ehre, liebe Lady Oscar, dem Hause de Jarjayes gedient haben zu dürfen.
 

Ich hoffe Ihr erholt euch bald! Wir haben die letzten Jahre nachzuholen, ich hoffe Ihr seid noch immer ein so erbitterter Gegner im Fechten!“
 

„Keine Sorge ich werde Euch nicht enttäuschen!“, erwiderte Oscar. Beide lächelten.
 

Nachdem alle Oscars Zimmer verlassen hatten und sich geeinigt hatten, dass Oscar Ruhe bedurfte, war sie schließlich ganz mit sich und ihren Gedanken alleine.
 

‚Wir waren also gestern auf den Weg nach Versailles, Rosalie, André und ich. Unsere Kutsche wurde überfallen. Ich kann mir schon denken, wer diese Männer geschickt hat.
 

Keine Sorge wenn ich wieder gesund bin, wird die doch so edle Madame de Polignac es nicht mehr leicht haben. Über ihre Schritte werde ich wachen, wie ein Jäger, der seine unwissende Beute langsam einkreist.’
 

Die nächsten Empfindungen richteten sich aber wieder an den Grafen.
 

‚Es war wirklich ein glücklicher Zufall, dass sich unsere Wege kreuzten, sonst wäre ich vielleicht jetzt nicht hier.’
 

Doch zunehmend drängte sich André ihr wieder auf. Was war nur mit ihm?
 

Er wirkte auf sie so anders, als sie aufwachte, so lebendig.
 

Wie, wenn sie ihn zum ersten Mal richtig wahrgenommen hätte? Es hätte aber auch etwas verborgenes sein können, als würde sie plötzlich die Antwort auf ein ewig andauerndes Geheimnis bekommen. Es war greifbar nahe, aber blieb ihr trotzdem unantastbar.
 

Es könnte aber auch sein, dass ihr die Benommenheit einen Streich gespielt hatte, das musste sie sich selbst zugestehen.
 

‚Jedenfalls bin ich zutiefst glücklich, dass er unverletzt ist. Ich hätte mir wohl mein ganzes Leben dafür die Schuld gegeben, wenn ihm etwas zugestoßen wäre.’
 

„Ach André.“ seufzte sie leise lächelnd und bei dem Gedanken, dass es André gut ging und es ihr auch bald wieder gut gehen würde, schlief Oscar seelenruhig ein...
 

Nur würde sich Oscar Francois de Jarjayes an diesen Augenblick, an dem sie André Grandier das erste Mal anders, mit den Augen einer Liebenden wahrgenommen hatte, für lange, lange Zeit nicht mehr erinnern können, da der Schock des Erlebten noch sehr ihr Erinnerungsvermögen beeinträchtigte.

Ein Menuett des Verliebens

Jahre später...
 

‚Ein Kleid! Mademoiselle wünscht ein Kleid anzuziehen’, wirbelte die Nanny umher und scheuchte die Dienstmädchen auf, die sich gerade dazu bereit gemacht hatten ihren wohl verdienten Feierabend zu genießen. Die Küche war nach dem Abendbrot längst gereinigt worden.
 

Gäste gab es an diesem Tag keine, außer Oscar und ihrer Mutter, war nur André anwesend gewesen, der sich aber verspätet hatte. So wirkten die Dienstboten ganz verwirrt, als nun der Ruf nach einem Kleid erschallte. Ein Mädchen blickte das andere mit ausdruckstarken Augen an, mit der unausgesprochenen Frage auf den Lippen- Für wen?
 

Dann brach die Älteste die Stille „Könnte es sein, für Lady Oscar?“ bevor sie fertig ausführen konnte, unterbrach sie auch schon die Nanny „Für wen denn sonst? Die Lady wünscht heute auf einen Ball zugehen!“
 

‚Das Mädchen, nein, langsam muss ich mich daran gewöhnen,’ berichtigte die Nanny sich, ‚dass Oscar eine junge Dame ist. Und endlich wird sie vernünftig. Ein Kleid zu tragen ist ein guter Schritt.’
 

Ihre Augen glänzten voll Sehnsucht auf den kommenden Moment, ihre Oscar würde das erste Mal ein Kleid zur Schau stellen.
 

Wie lange hatte sie gebeten und gebettelt, dass so etwas passieren würde, aber zum Freuen gab es noch genug Zeit.
 

Zuerst müsste das Kleid überhaupt angezogen werden und sie richtete ihre Worte wieder an die Mädchen „Steht nicht so herum, beeilt euch!“ damit hatte sie die drei endgültig von ihren Gedankenspielen über Oscar in einem Ballkleid befreit.
 

Andre wäre mit seiner Großmutter fast im Flur zusammen gestoßen.Sie fauchte ihn nur an „Steh doch nicht immer im Weg herum!“
 

„Aber Großmutter wo wollt Ihr denn so schnell hin? Außerdem, was ist mit diesem Kleid?“, André war verblüfft.
 

„Dieses Kleid ist für Lady Oscar!“, erwiderte seine Großmutter bestimmt.
 

Andre blieb mit halb offenem Mund stehen. Er brachte gerade noch mit einem Hauch an Gelächter in seiner Stimme heraus „Oscar in einem Kleid?“
 

„Ja. Das braucht euch nicht alle so zu wundern, sie wird heute als Dame in der feinen Gesellschaft verkehren, tanzen und die Nacht genießen. Jetzt halte mich nicht länger auf, hörst du!“, schallt ihn seine Großmutter.
 

André hatte es sich, während die Anprobe oben Gestalt annahm, im Salon gemütlich gemacht. Oscar und ein Kleid, er konnte es einfach nicht glauben.
 

Er musste schmunzeln. Sie würde mit einem Mann oder sogar mit mehreren tanzen. Nein, das würde niemals gut gehen. Wahrscheinlich war es ihr auch jetzt schon zu viel.
 

Sie würde gleich hinunter kommen und diesen unsegnungswürdigen Versuch abbrechen. In ihrer Uniform da stehen und sagen: André hast du die Kutsche schon vorfahren lassen?
 

Ja, das war seine Oscar wie er sie kannte und.... nein, diese Nacht wollte er nicht mit Gedanken an Oscar verbringen, aber sie drängten sich ihm immer wieder auf.
 

Ihr Bildnis fand immer ein Schlupfloch in seinen Kopf, sogar seine Träume blieben nicht von ihr verschont. Alles, einfach alles, brachte er mit ihr in Beziehung. Ein laues Sommerlüftchen besaß für ihn nur Schönheit, wenn es durch ihr goldenes Haar strich und ihre Strähnen in einem neuen Muster wieder auf ihre Schultern fallen ließ. In allem lag nur Faszination, wenn er es mit ihr teilen konnte, erst sie zauberte die Pigmente auf das Gemälde seiner Welt.
 

Leider verbrachten sie nicht mehr so viel Zeit, wie früher miteinander. Oscar wurde zunehmend eigenartiger ihm gegenüber. Sie sah ihn manchmal musternd an, ganz ohne Grund. Wenn er mit seinem Blicken auf ihr ruhte, was er zwar zu vermeiden versuchte, wirkte sie nervös, wie wenn sie etwas zu verbergen hätte.
 

Seine Kameradin seit Kindestagen, wandte sich oft von ihm ab, wollte ihre Ruhe. Besonders als Graf von Fersen vor einem Monat aus Amerika zurück gekommen war, nahmen ihre Eigenarten einen ungeahnten Höhepunkt an.
 

André seufzte laut, um sich eine kurze Pause zu gönnen.
 

‚Warum hat Oscar mich und den Grafen so eindrücklich beobachtet? Aber wahrscheinlich mache ich mir wieder zu viele Gedanken, sie dachte sicher an die Königin, immer besorgt um Marie Antoinette.’
 

Plötzlich vernahm er eine Tür, die im Oberen Stock aufgemacht wurde „André!“, hallte eine Stimme „Sieh nur Lady Oscar!“, er sprang sofort auf und schnellte zur Treppe.
 

Es verschlug ihm die Stimme, was er da herabschreiten sah.
 

Sie beraubte ihm all seiner Sinne, wie oft hatte er sich Oscar in einem Kleid vorgestellt, aber selbst in den kühnsten Träumen eines liebestrunkenen Jungen hätte es nicht schöner sein können.
 

Oscar war ein Engel, eine Göttin die den Olymp hinabstieg. Dieses Bild brannte sich in seine Erinnerung ein und würde ihm noch viele schlaflose Nächte bereiten.
 

Wenn er nicht schon eine Ewigkeit in sie verliebt gewesen wäre, dann wäre das jetzt der magische Moment gewesen, der die gesamte Identität eines Menschen in eine neue Richtung gelenkt hätte.
 

Oscar betrat den Ballsaal. Sie blieb bei einer Marmorsäule stehen, die Säule war kalt und hatte etwas von dem Gefühl, wenn man mit bloßen Fingern über den Schaft eines Degens im Winter und nach einem langen Ritt streicht.
 

Es erschauderte ihr bei dem Gedanken. Sie fröstelte sowieso schon. Normalerweise, wenn sie einen Ball besuchte, war sie in mehrere Schichten Stoff gehüllt, der von ihrem Körper kein Detail preisgab, bis auf ihren Hals und Kopf.
 

Aber jetzt… Ihr Kleid hatte einen tiefen Ausschnitt am Rücken und auch ihr Oberkörper kam ihr zu spärlich bekleidet vor. Das Ballkleid zwickte überall und das Mieder raubte ihr schon die Luft, auch wenn sie ganz still stand. Ihr wurde schwindelig.
 

All jene Damen die anwesend waren, trugen so eine Mode Tag für Tag, ohne nur darüber nachzudenken. Es war für adelige Frauen die normalste Sache der Welt.
 

So musste sich Oscar in Erinnerung rufen, dass sie diesmal als Gräfin bei Hofe war und nicht als Kommandant der königlichen Garde. Es würden von nun an, an diesem Abend, andere Spielregeln gelten als sonst. Sie würde sich heute immer wieder in Gedanken rufen müssen, wie man sich als Frau bei Hofe benahm.Warum hatte sie sich das nur angetan, waren auch schon ihre nächsten Empfindungen. Sie wusste es auch nicht.
 

Scheinbar wollte sie einmal nur spüren, wie es ist, dass alle sie, Oscar Francois de Jarjayes, als Frau wahrnahmen. Sie musste schmunzeln, wahrscheinlich würde sie sowieso niemand erkennen. Ihr Aufzug hatte den Vorteil, dass sie ihrer eigenen Person entkommen konnte, eine andere Oscar sein konnte. Alle nahmen sie als Frau wahr, das bemerkte sie alleine daran, wie alle Gäste sie beäugten, mit der ungestellten Frage auf den Lippen, wer diese unbekannte, wunderschöne Dame wohl war.
 

Und dann gab es auch noch Graf von Fersen, er war ihr irgendwie ans Herz gewachsen, vor allen in letzter Zeit, als er wieder aus Amerika zurückgekehrt war. Sie war dankbar, dass er das Anwesen in den letzten Wochen oft besucht hatte. So bekam sie einmal Abwechslung von André. Ja, ihr fiel auf, dass sie André entkommen wollte. Irgendwie war die Stimmung zwischen ihnen gereizt und aufgeladen. Es war, wie vor einem sich anbahnenden Sommergewitter. Es lag eine spürbare Spannung in der Luft, wie Elektrizität die man fühlen konnte.
 

Sie floh vor einem nervenaufreibenden Abend, wie dem gestrigen.
 

Leider gab es viel zu viele solche Nächte in den letzten Monaten.
 

Es trug sich meistens so zu, dass sie in ihrem Zimmer Klavier spielte und dabei die ganze Zeit über Marie Antoinette und die zunehmenden Probleme des Landes nachdachte.
 

Irgendwann klopfte es an ihrer schweren großen Holztür und sie wusste immer mit hundertprozentiger Sicherheit, dass es André war.
 

Sie hatte sich immer über seine Besuche schon im Voraus gefreut. Nur war in ihrer Vorstellung alles viel angenehmer, als in der Wirklichkeit. André richtete meist einige flüchtige Worte über die Politische Lage an sie, dann fragte er, ob sie noch einen Wunsch hätte und sogleich kam nur mehr betretene Stille. Er stand nur da, lauschte ihrer Musikalität und schien zu entspannen. Sie wiederum machte das einfach zunehmend nervöser. Sie stellte sich so viele Fragen. Sie musste immer darüber nachdenken, was er gerade denken mochte. Es war alles so anders, anders als früher. André schien sich immer mehr von ihr zurück zu ziehen, sie aber trotzdem zu beobachten. Deshalb begegnete sie ihm auf die gleiche Weise.
 

‚Aber was sollen diese Gedanken wieder! Kann ich mich nicht einmal auf einem Ball amüsieren und alles vergessen?’, ermahnte sich Oscar.
 

Warum sollte sie nicht tanzen. Ja, sie würde zumindest einmal mit dem Grafen von Fersen tanzen. Er war so ein edler, herzensguter Mensch und ausgesprochen gutaussehend.
 

Da stockte ihr auch schon der Atem. Sie hatte wirklich Graf Hans Axel von Fersen erblickt und auch er hatte sie bemerkt. Sie stach für ihn sofort aus der Menge heraus. Er näherte sich ihr sogleich und sprach mit einem wohlerzogenen Ton in seiner Stimme „Dürfte ich euch um einen Tanz bitten?“
 

Oscar konnte nur verlegen nicken.
 

Der Graf führte sie gekonnt über das Parkett, so dass sie sich leicht dem Takt hingeben konnte. Sie fühlte sich, als würde sie fliegen. Als wäre sie eine Feder, ein Blatt im Wind, das zielgenau durch die Luftströmungen seinen ihm vorbestimmten Weg fand und in diesem Moment war sie einfach nur glücklich.
 

Die Musik wirkte berauschend und lud zum Träumen ein...doch von Fersen holte zu einer Bemerkung aus und riss sie aus ihrer Phantasie.
 

„Ihr erinnert mich an jemanden,...Euer lockiges blondes Haar, Eure zarte feingliedrige Gestalt...aber beim besten Willen, wer könntet Ihr nur sein?“ bei diesen Worten drückte sie der Graf dichter an sich.
 

Sie war noch nie einem Mann so nahe gewesen, als Frau. Als Soldatin war sie zwar schon zu ganz anderen Berührungen von männlichen Händen gelangt, aber das war etwas ganz anderes. Sie schmunzelte.
 

Oscar konnte seine Wärme spüren. Sie merkte wie sich sein Oberkörper schnell hob und senkte im Takt der Musik. Bei manchen Schritten spürte sie sogar wie eine seiner Haarsträhnen leicht ihr Gesicht berührten.
 

Sie nahm von Fersens Parfum wahr. Er roch sehr süß, sehr adelig und doch extravagant.
 

Es hüllte sie beide in eine Wolke ein, um sie von den anderen Ballgästen abzugrenzen, wie ein unsichtbares Schild das sie zusammen schweißte.
 

Oscar musste in Gedanken seinen Geruch mit dem von André vergleichen.
 

Graf von Fersen roch nicht wie André, das wurde ihr bewusst.
 

André roch immer nach frischem Heu, in dem Wiesenblumen des vergangenen Sommer sich eingegraben hatten. Wenn sie ihn roch, fühlte sie die Wärme der Sonne auf ihrer Haut.
 

Sie roch ihre Kindheit, stundenlanges in der Wiese liegen und die Bilder der Wolken verfolgend... aber Fersen... er war anders.
 

War das gut oder nicht? Wollte sie mit den Gefühlen ihrer Kindheit abschließen?
 

Wenn sie das tat, könnte sie wohl Frau sein...Frau sein, an Hans Axels Seite!
 

Sie blinzelte verliebt in Hans Axels Augen. Er hatte saphirblaue Augen wie tiefes Wasser. Bei diesem Anblick erschrak Oscar plötzlich. In ihrer Erinnerung hatte er doch smaragdgrüne Augen, die Lebendigkeit in ihre Gedanken zauberten und sie zum Träumen beflügelten.
 

Damals, als er ihr das Leben rettete, sie hatte doch in seine Augen geblickt? Und doch… sie konnte sich an diese blauen Augen vor ihrem Antlitz kaum erinnern.
 

Sie konnte sich auch so schlecht die damalige Begebenheit in Gedanken rufen.
 

Augenblicklich merkte Oscar, wie ihr der Graf leicht über den Rücken strich, ganz behutsam so, dass sie jeden seiner Finger auf ihren unteren Schulterblättern fühlen konnte.
 

Es erschauderte sie, zuerst dachte sie, dass es wohl ein Versehen war. Als von Fersen aber mit seinem Vorhaben fortzuschreiten begann und mit seinen Fingerkuppen auf ihrem Rücken Linien und dann wieder Kreise zog und nicht von ihrer nackten Haut ablassen konnte, spürte sie zunehmend, wie sich ein unabwendbares Gefühl in ihrem Körper ausbreitete.
 

Er dachte wohl, wenn die Königin mit einem andren ihr Gemach teilte, warum sollte er nicht das gleiche tun? Oscar fühlte sich zunehmend unangenehmer. Ihr nackter Rücken war seinen weißen Spitzenhandschuhen schutzlos ausgeliefert. Nie hätte sich das ein Mann bei ihr erlaubt, wenn sie in Uniform gewesen wäre. Die Uniform hätte sie beschützt vor so einer Situation. Ihr war wirklich nicht mehr wohl in ihrer Haut, obwohl sie dachte, dass so eine Intimität immer ihr Wunsch gewesen war.
 

Dass sie dieser Mann in den sie sich in einer Stunde der Schwäche und Benommenheit verliebt hatte...
 

‚Aber nein, es war nicht Hans Axel gewesen...’, erinnerte sie sich ‚Es war doch...’, ihr stockte der Atem.
 

Graf Hans Axel von Fersen war es nicht bestimmt sie so zu berühren... war er etwa der Mann...? Der Mann, den sie seit ihrer Kindheit kannte? Der Mann, der wusste, wo ihr Schatz seit Jugendzeiten vergraben lag? Der, der zwischen den Zeilen ihrer Sätze lesen konnte? Der Mann, der wusste, was sie dachte ohne zu sprechen? Der, der jedes ihrer Klavierstücke auswendig kannte? Der Mann, mit dem sie in den Sonnenuntergang nach Aras geritten war? der Mann... und Oscar fiel es wie Schuppen von den Augen, der Mann, der es schon damals war. Der es immer war... der Mann... ‚den ich liebe!’
 

Sie stolperte bei dem Gedanken und der Graf fing sie sofort auf „Jetzt weiß ich es! Ihr seid doch...“, und Oscar nahm reiß aus bevor er weiter sprechen konnte.
 

Oscar hatte sich am Rand des Springbrunnens wieder gefunden.
 

‚Was war gerade passiert?’, versuchte sie in ihrem Gedächtnis wiederzufinden. Der Graf von Fersen war von ihr angetan gewesen. Er hatte sie in seinen starken Armen gehalten, hatte sie in seinen tiefen sinnlichen Augen in Besitz genommen und sie... sie war so blind gewesen. Tief in ihrem Herzen hatte sie schon so etwas wie Verliebtheit gefühlt, aber sie hatte diese Gefühle die ganze Zeit, die ganzen Jahre dem falschen Mann zugeschrieben.
 

Da drinnen im Ballsaal, wenn der Graf wirklich ihr Traum gewesen wäre, hätte er sich erfüllt gehabt und doch in jenem Moment hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht als, dass es André gewesen wäre. Sie hatte es nie zuvor richtig bemerkt, aber sie liebte ihn.
 

Sie Oscar Francois de Jarjayes liebte André! Sie liebte André Grandier, mit ihrem ganzen Herzen!
 

‚André, du warst es die ganzen Jahre, wie blind konnte ich sein? Ich war besessen von einer Vorstellung...’Oscar konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, das alles war ihr zu viel, sie wollte nur noch weg.
 

„Oscar!“, schallte Andrés Stimme in ihrem Rücken „Endlich hab ich dich gefunden, was machst du hier draußen?“, als er sich ihr weiter näherte, konnte er sehen, dass ihre Augen ganz rot und nass waren und über ihre Wangen hatte sich die Feuchtigkeit auch schon ausgebreitet, bevor Andre noch etwas bemerken konnte, sagte Oscar weinerlich „Bitte bring mich nach Hause, André! Bring mich nur schnell weg von hier!“

Heimreise mit Hindernissen

Andre saß auf dem Kutschbock und dachte nach, was gesehen war.
 

Warum war sie so geknickt? Das war nicht die Oscar die er kannte. Was könnte auf einem Ball passiert sein, dass Oscar so aufgeregt hatte?
 

Falls ihr ein Mann zu nahe getreten wäre, hätte sie sich zu helfen gewusst. Wer, wenn nicht Oscar? So eine Begegnung hätte er keinem gewünscht. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Oscar ganz unbewaffnet gewesen wäre. Ihren kleinen silbernen Dolch trug sie doch immer bei sich.
 

Als sich André gerade vorstellte, wo so ein Dolch wohl Platz hatte, unter den vielen Spitzen eines pompösen Seidenkleides… wie er sich kalt an ihre Wade oder sogar ihren Oberschenkel schmiegen würde, stieß es ihm unsanft nach vorne. Er hatte sich gerade noch mit einem Arm und einem Bein am Kutschbock festkrallen können, sonst hing er in der Luft.
 

Wie ein Affe hatte er sich so eingehackt, als er von hinten eine Stimme vernahm „André, was ist passiert, meine Tür klemmt.“
 

Die Kutsche hing schief, leicht nach rechts vorne gebeugt. Ihre Position war wirklich sehr unsicher. Sie würde in den nächsten Minuten wohl weiter nach vorne kippen, sobald das Holz weiter nachgeben würde.
 

„Eine Speiche wird gebrochen sein. Warte! Beweg dich nicht! Ich komme gleich zu dir!“, rief André, während er langsam sich wieder in eine vertikale Lage brachte und von der Kutsche hinunter kletterte.
 

Er richtete sich auf und betrachtete das Unglück. Andre hatte Recht. Es war wirklich eine Speiche gebrochen und die Lage der Kutsche wirkte sehr unstabil.
 

Das linke Hinterrad hing völlig in der Luft. Bevor er sich noch genauer ein Bild machen konnte, vernahm er schon Oscars Stimme „Dieses verdammte Kleid, mit einer Hose wäre ich schon längst draußen.“
 

Das Holz hatte sich verzogen als die Kutsche gekippt war und man konnte die Türen nicht mehr öffnen. „Oscar ich schaffe es nicht! Ich bring die Tür nicht auf! Drück’ dagegen!“
 

schnaubte André unter Anstrengung. „Nein es geht nicht! Du wirst das Fenster nehmen müssen!“ „Mit dem Kleid und dem Unterrock pass ich nie durch“, hallte es von drinnen.
 

„Dann zieh’ es aus!“, als André das ausgesprochen hatte, wurde ihm erst bewusst was er da gesagt hatte. Wie gerne hätte er diese Worte in einem anderen Zusammenhang zu ihr gesagt.
 

„Ich meine, zieh’ dir den Unterrock aus“, damit hatte er sich gerade noch gerettet, alles andere wäre unpassend gewesen.
 

Scheinbar war ihr das auch sofort eingefallen und er sah sie sogleich, wie sie sich wie eine Schlange windend aus dem Fenster bewegte.
 

André war sofort zur Stelle, packte sie an ihrer Taille und half ihr herauszukommen.
 

Er spürte den seidigen Stoff unter seinen Händen und nahm ihren warmen Körper darunter war. Oh wie gerne hätte er nur mit ihr getanzt. Nur ein einziges Mal. Alle Blicke wären auf sie beide gerichtet gewesen. Niemand hätte ihrem Glanz wiederstehen können und auch jetzt… Sie sah noch immer bildhübsch aus, obwohl ihre Frisur unter dem Unfall merklich gelitten hatte. Endlich hatten sie es geschafft, sie mit vereinten Kräften zu befreien.
 

Nun stand sie vor ihm schwer atmend ihre Brust hob und senkte sich, ihr Kleid war ihr auf einer Seite von der Schulter gerutscht, so weit, dass man den Ansatz ihrer Brüste erkennen konnte, selbst ihr Mieder konnte er hervorblitzen sehen. Es was champagnerfarben und aus reiner Spitze.
 

Alleine für diesen Anblick hätte Andre auf der Stelle sterben können.
 

Nur einmal über ihren zarten Körper streichen zu dürfen, ihr Haar berühren und ihren Geruch aufzusaugen. Er blieb mit seinen Gedanken an ihr hängen.
 

„André, wir müssen die Pferde los machen! Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“, sprach ihn Oscar an.
 

„Ja, du hast Recht!“ ´Oh mein Gott, wenn du wüsstest an was ich gerade gedacht habe. Du wärst wohl entsetzt’, er musste schmunzeln.
 

Er war gerade dabei sich um ihr Geheiß zu kümmern, trotzdem konnte er verfolgen wie sich Oscar immer weiter vom der Straße entfernte und sich den Weg durch eine Baumgruppe geschlagen hatte.
 

Sie stand einfach da im Schatten der Bäume, die ihre Gestalt verbargen und blickte auf den kleinen Bach in einigen Metern Entfernung. Es wirkte so friedlich, so zufrieden. Der silberne Schein des Mondes war von ihm so angetan, dass er sich auf seiner Oberfläche spiegelte und an manchen Stellen ihm bis zum Grund durchdringen wollte.
 

Oscar hatte sich unterdessen an den schmalen Stamm einer Weide gefügt, sie spürte seine rippige Haut und erkannte darin die Geschichte der Jahreszeiten, die Energie des Wassers denen er standhalten musste. Wenn es stärker regnete, konnte selbst so ein kleiner Bach zu einem tosenden Strom werden.
 

Jetzt war sie André so nahe, dachte Oscar. Er hatte sie mit seinen Händen aus der Kutsche gehoben, er hatte überaus kräftige Hände, die aber nicht denen eines Stallknechts glichen. Sie wirkten annähernd aristokratisch. „Ach Andre!“, sie musste seufzen.
 

Was empfindest du nur für mich?
 

Ich weiß ja, dass du mich sehr schätzt als Kameraden, als Kommandanten und als Menschen, ....aber als Frau?
 

Hatte er je bemerkt, dass sie in Wirklichkeit eine Frau war. Sicher wusste er es, aber fühlte er es auch...?
 

Hatte sie ihm überhaupt je die Chance dazu gegeben, dass er sie mit andern Augen sehen hätte können? Sie versuchte ja nicht nur wie ein Mann zu sein, sie musste besser sein als jeder Mann. Sie musste schneller reiten, aggressiver fechten und so war die Antwort auf ihre soeben gestellte Frage ein klares - NEIN!
 

„Oscar, ich wäre dann so weit!“, vernahm sie seine Stimme in ihrem Rücken.
 

„Du wirst mit dem Kleid noch irgendwo hängen bleiben!“ ‚Na ja, Oscar kann zwar wie die beeindruckendste Gräfin aussehen, aber... Sie ist einfach anders. Sie ist ihren Weg gegangen wie sie es für richtig gehalten hat, egal ob Frau oder nicht! Oscar, ich werde immer für dich da sein, was das Leben auch bringen mag. Ich hatte das einmal vor langer Zeit geschworen und lieber würde ich nicht mehr leben als nicht an ihrer Seite zu sein’, dachte André. Sie kam ihm so betrübt vor und er musste sich daran erinnern, dass sie noch eben im Schlosspark geweint hatte.
 

Was war nur mit seiner Oscar? Sie ließ sich doch sonst ihre Gefühle nicht so leicht anmerken. Wahrscheinlich hatte es etwas mit Hans Axel von Fersen zu tun.
 

André hatte bemerkt, dass auch der Graf den Ballsaal verlassen hatte, um etwas im Garten zu suchen. Gott sei dank wurde er nicht von ihm gesehen, sonst hätte er wohl eins und eins
 

zusammen zu zählen gewusst.
 

„Oscar wir könnten dann weiter…“, sagte Andre behutsam.
 

„Gib mir bitte noch einen Moment“, antwortete sie und machte einen kleinen Schritt nach vorn um ihre Absicht zu bestätigen.
 

„Gut Oscar, ich warte dann oben an der Straße“, wandte er sich ihr zu.
 

„Nein, das musst du nicht! Bleib doch!“, waren ihre nächsten Worte.
 

Scheinbar war sie wirklich traurig und wenn seine Gegenwart sie beruhigte, würde er gerne bleiben.
 

Er konnte sie nur betrachten, ihr hochgestecktes Haar umschmiegte in Strähnen gefühlvoll ihren Hals.
 

Sollte er es wagen und sie behutsam berühren, einfach nur als Freund. Sie würde nicht merken, dass mehr dahinter stand, wenn er vorsichtig wäre. So legte André Oscar sanft seine Hand auf ihre Schulter. Er glaubte zu spüren wie sie kurz zusammenzuckte, aber sonst keine weiteren Reaktionen zeigte. Er musste sich verdammt noch mal bemühen die Hand ruhig zu halten und sie nicht zärtlich zu streicheln.
 

Liebevolle Berührungen hätten vielleicht romantische Gefühle vermittelt und er wusste nicht, ob ihr das recht gewesen wäre, aber Oscar schien seine Hand nicht zu stören. Er traute sich sogar ihr noch einen kleinen Schritt näher zu rücken.
 

André wusste, dass sie die Wärme die von seinem Körper ausging schon spüren musste, obwohl noch keinerlei physische Berührung stattfand.
 

Sie nahm es wahr und Oscar fühlte sich in seiner Nähe geborgen, beschützt vor der Kälte, die sonst ihren Rücken mit eisigen Fingern gestreift hätte.
 

Doch berührte André sie nur wie ein Freund, sie konnte keinen vorsichtigen
 

Annäherungsversuch wahrnehmen. Er versuchte ihre Privatsphäre zu wahren! Empfand er nichts für sie außer Freundschaft?
 

Sie müsste sich nur umdrehen, ihn küssen….dann wüsste sie es, aber sollte sie so weit gehen?
 

Plötzlich drehte sie sich um zu André.
 

Sie war ihm so nahe, so dass kaum eine Hand zwischen ihnen Platz gehabt hätte. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihrem Haar spüren. Er war doch um einiges größer als sie.
 

Nur noch einige Zentimeter trennten ihre Lippen von einander.
 

Sollte sie es jetzt wagen, mit ihren Mund langsam seine Oberlippe zu erspüren? Nur ein Kuss... ganz kurz um zu wissen ob er ihn erwidert.
 

‚Warum kommt mir Oscar so nahe, könnte es etwa sein... oder träume ich... Klar, das kann nicht real sein, sie trägt ja ein Kleid’, schmunzelte André und da hatte es sich Oscar auch schon anders überlegt.
 

Sie würde ihn nicht küssen. Sie würde ihm nie ihre Gefühle offenbaren. Sie wollte nicht zurückgewiesen werden. All diese neuen Empfindungen und Verwirrungen sollten keinen Platz in ihrem Leben haben. Sie würde weiterleben wie ein Mann und es würde schon von allein wieder vergehen, dachte sie. Bis dahin war es schon genug ihn nur in ihrer Nähe zu haben. So beugte sie sich zu seinem Ohr und flüsterte ´Ja, gehen wir!´
 

André wurde aus seiner Fantasie gerissen. Oscar würde ihn nicht küssen! Sie war nur in Gedanken gewesen. Wahrscheinlich hatte sie gar nicht bemerkt wie nahe sie ihm gewesen war. So wandte er sich von ihr ab, ging den kleinen Hügel zur Straße hinauf. Sie sollte sein Gesicht nicht sehen, dass von Enttäuschung gezeichnet war.
 

Als Oscar auch oben angelangt war, begann sie kurz die Situation zu überblicken und meinte
 

„Ich glaube, ich kann so nicht reiten. Mit diesem Kleid... Du solltest zurückreiten und uns eine neue Kutsche besorgen“, wies ihn seine Angebetete an.
 

„Nein, das werde ich nicht!“, erwiderte André bestimmt „Ich lasse dich in deinem Aufzug nicht einfach unbewaffnet hier alleine. Jeder kann dich sofort als Frau erkennen!“
 

Oscar musste nicken, er war wohl im Recht „Also gut. Es ist in Anbetracht der Situation das Beste, wenn ich mit dir auf einem Pferd reite“, entgegnete sie.
 

Dazu sagte er nichts mehr, das war ihm mehr als willkommen.
 

André hob Oscar aufs Pferd. Sie ließ ihre Beine auf einer Seite hinunter baumeln. Dann sprang er mit einem Satz von hinten aufs Pferd. Er griff zu den Zügeln und hatte Oscar genau zwischen seinen beiden Armen. Ihr Rücken berührte seinen linken Oberarm, er spürte, wie ihr ihm zu gewandter Oberschenkel unter ihren Kleid, den seinigen berührte.
 

Ihr Hinterteil legte sich an seinen anderen Oberschenkel an. Einen Arm hatte sie um seinen Rücken geschlungen um auf dem Rücken des Pferdes sicheren Halt zu bekommen.
 

André hatte schwerste Probleme sich aufs reiten zu konzentrieren. Ihr zarter Duft und ihre Haare berührten im Wind sein Gesicht. Er spürte ihre zarte Hand an seiner Hüfte. Dort hatte sie endlich Halt gefunden. Mit ihrem Daumen hatte sich Oscar sogar in seinem Hosenbund eingehakt. Ihr ganzer Oberkörper lag seitlich an seinem an. Er wollte Oscar! Er hatte sie zwar schon immer gewollt, aber nicht in dieser Intensität. Sie war ihm so nahe, wie noch nie. Er könnte sie einfach küssen, wenn sie ihren Kopf noch näher an seine Schulter bringen würde.
 

‚Was denkt André bloß? Ist es ihm unangenehm, dass ich ihm so nahe bin? Ich war ihm nach nie so nahe! Es ist, als würde ich sogar sein Herz schlagen spüren, ich fühle mich so zu ihm hingezogen. Ich weiß auch nicht…’, dachte Oscar.
 

Ein eigenartiges Gefühl machte sich in ihrem Körper breit. Es wurde immer dringender. Sie wusste es damals noch nicht, aber es war Erregung. Es war die pure Leidenschaft, wenn man einen Menschen, den man liebt einfach nur spüren möchte.
 

So ritten sie weiter, ohne nur ein Wort zu wechseln. Beide waren damit beschäftigt, wie man am Besten den anderen nicht merken ließ, was man gerade empfand.
 

Der Mond hatte den Mittelpunkt des Himmels erlangt und ließ die Bäume Schatten werfen, die einander im Wind nachjagten.
 

Sie waren schon sehr in die Nähe des Anwesens gekommen, als Andre die Stille brach und hauchte „Verzeih mir Oscar…“, und sie plötzlich küsste.
 

Sie wusste gar nicht, wie ihr geschah. Warme feuchte Lippen berührten die ihren.
 

André schmeckte ihr auf Anhieb. Er schmeckte für sie genauso wie er roch, einfach nur wunderbar.
 

Sie umarmte ihn so gut es ging. Er hielt leider weiter die Zügel fest, was er auch musste sonst wäre die Stute vielleicht vom Weg abgekommen.
 

Oscar strich ihm mit einer Hand über den Rücken und es erschauderte ihm bis ins Mark. Mit der anderen Hand hielt sie sich fest an seinen Hals, um bei der Verrenkung nicht vom Pferd zu fallen, kurz setzte sie die Lippen von den seinen ab, um ihm zuzuflüstern „Lass die Zügel los.“ Er konnte nicht anders und gehorchte sofort.
 

Das Pferd blieb stehen und er glitt endlich mit seinen Händen über ihren Körper.
 

Sie konnte nicht anders als leise Geräusche beim Atmen zu machen, gerade das machte ihn nur noch verrückter.
 

Er gab dem Stoff des Kleides einen leichten schubs und sogleich wurden ihre Schultern entblößt. Auch sie war nicht untätig, sondern dabei, langsam Andrés Hemdkragen zu öffnen.
 

Oscar hatte noch nie so ein intensives Gefühl erlebt.
 

Eine Regung, die sie nur in eine Richtung trieb, sich André hinzugeben.
 

Sie wollte ihn, jetzt, sofort! Sie wollte dass er jede erdenkliche Stelle ihres Körpers berührte. Sie wollte ihn spüren, nur ihn! Niemals sollte sie ein anderer Mann mehr berühren.
 

Sie küsste ihn stürmisch weiter und nahm ihm beinahe die Atemluft. André versuchte unterdessen verzweifelt ihr Korsett zu öffnen, als das Pferd plötzlich lauthals wieherte.
 

Der Schimmel war vor dem einladenden Eisentor mit Verzierungen im barocken Stil angelangt und machte sie unnachgiebig darauf aufmerksam, dass sie ihr Ziel erreicht hatten, das Anwesen de Jarjayes.
 

Die Beiden hatten in der Vertiefung ihrer Hingabe für einander nicht gemerkt, dass die Stute langsam weiter getrottet war.
 

Oscar ließ sich an der Flanke des Pferdes seitlich hinunter gleiten, und packte mit ihren Händen das kalte Eisen an. Sie musste all ihre Kraft aufwenden, um auch nur eine Seite des Eingangstors zu bewegen.
 

Als es sich für einen Spalt öffnete, huschte sie sogleich hindurch, drehte sich im nächsten Augenblick zu André um und flüsterte „Warte hier noch einige Minuten. Niemand soll diesen Zwischenfall mitbekommen. Bis morgen werde ich sicher eine vernünftige Erklärung für meinen Vater gefunden haben, wie wir ohne Kutsche hier ankamen. Gute Nacht André und bitte sei leise…“.
 

André war völlig desorientiert. Er konnte nur noch kurz nicken.
 

Es war ihm schon klar, dass es besser war, wenn niemand mitbekommen würde, dass sie gemeinsam auf einem Pferderücken angekommen waren. Doch dachte er, dass sie zu übervorsichtig war. Niemand hätte bei Oscar nur im Mindesten angenommen... nein, er musste schmunzeln. Wer hätte schon gedacht, dass in Oscar Francois de Jarjayes, der aufrechten Kommandantin des königlichen Garde Regiments, so viel Leidenschaft steckte.
 

Zwar hatte er es schon immer irgendwie geahnt, denn Leidenschaft empfand Oscar durchaus, für vieles in ihrem Leben… aber für einen Mann? Vielleicht bereute sie es auch schon?
 

‚Sie ist so schnell verschwunden’, dachte André während er das Tor vorsichtig öffnete. Doch wollte er nicht Trübsal blasen.
 

Oscar hatte ihn nicht einmal vom Pferd gestoßen, als er sich ihr näherte. Auch hatte er keine Ohrfeige oder einen Faustschlag in die Bauchmitte bekommen.
 

Das war ohne zu Untertreiben ein gutes Zeichen, wenn man sie kannte. Er war bei ihr anscheinend schon weiter gekommen, als er sich je zu hoffen gewagt hatte.
 

Oscar war heimlich in ihrem Zimmer angekommen.
 

Es war durchflutet vom Mondenlicht, alles blitzte in einem silbrigen Schein. Als sie zum Fenster ging und hinausblickte, konnte sie gerade noch André erkennen, der augenblicklich die Stalltür hinter sich schloss.
 

‚Der Abend hat wirklich eine interessante Wendung genommen’, musste sie gedanklich hinzufügen.
 

Gleich zwei Männer waren merklich an ihr interessiert gewesen. Ob es das Kleid war?
 

Plötzlich war Oscar sehr erschrocken. Konnte es sein, dass alleine das Kleid diese Wirkung erzielt hatte? Konnte man sie sonst nicht als Frau wahrnehmen?
 

„Dieses verdammte Kleid!“ schnaube Oscar und noch dazu war jetzt keiner mehr da, der ihr entkleiden geholfen hätte.
 

Sie könnte zwar jemanden rufen… aber dann würde die endlose Fragerei schon losgehen, da ihr Kleid und ihre Frisur einige Spuren des soeben erlebten zierten.
 

Sie würde es auch alleine schaffen und so machte sie sich an ihr Mieder.
 

Das Kleid abzustreifen war nicht so schwer gewesen, aber dieses Korsett. Sie fühlt sich, wie eine Gefangene. Auch wenn sie ihre Hände noch soweit im Rücken bereich verrenkte, es ging nicht auf.
 

Da kam Oscar eine Idee. Sie suchte etwas unter ihrer bauschigen weißen Unterbekleidung.
 

Wo war er nur, sie hatte ihn doch gut befestigt?
 

Im nächsten Moment hatte sie auch schon ihren kleinen Dolch in der Hand. Gekonnt zerschnitt sie die Seidenbänder von unten nach oben, dann ging es fast von alleine auf.
 

„Oscar Francois, du hast dich befreit!“, sie musste lächeln „Selbst so ein Mieder kann dir nichts anhaben!“, so schlüpfte sie schell in ihr Seidenhemd und ließ sich ins Bett fallen um das Geschehene in ihren Gedanken einzuordnen.
 

Trotz der Tatsache, dass es so spät war, fand Oscar keinen Schlaf. ‚André, was wird nur aus uns?’, musste sie nachgrübeln. Es wurde ein Tor geöffnet, das man nie mehr schließen kann. ‚Ab jetzt ist alles anders. Aber verdammt, ich möchte jetzt nicht daran denken, ich muss schlafen! Ich muss endlich einschlafen!’
 

Doch das Vorgefallene würde sie noch für Stunden wach halten.

Der Tag danach

Oscar war auf dem Weg in den Stall. Da sie heute nicht am königlichen Hof gebraucht wurde, wollte sie ausreiten, um einen klaren Kopf zu bekommen. Die ganze Nacht hatte sie nachgedacht, ob André sie nun liebte oder es nur ein einmaliges Erlebnis war.
 

Ob ihr Kleid ihm die Sinne getrübt hatte und solche Gedanken wollte sie einfach vergessen. Die frühen, warmen Herbsttage nutzen, um durch die satten und erdigen Töne dieser Jahreszeit zu reiten und die milden orangeroten Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht einfangen, bevor der Schleier aus Nebel die Welt für die nächsten Monate einspinnen und als Geißel halten würde.
 

Als sie so in Gedanken versunken schlenderte, sah sie Andrés Andalusier am Brunnen stehen.
 

Er schien die Pferde zu waschen, doch war er weit und breit nicht zu sehen.
 

Eigentlich war Oscar froh darüber. Sie wollte ihn jetzt noch nicht sehen, sie musste erst Klarheit für sich bekommen.
 

Oscar betrat den Stall mit dem Gedanken, dass sie nun alleine ihre Stute satteln musste, was André meist für sie übernahm. Doch da sah sie bereits André, der halb durchnässt einige Gegenstände im Stall zusammen suchte. Es war zu spät. Sie könnte ihm jetzt nicht mehr entkommen. So fing sie an ihn heimlich zu beobachten.
 

André war wirklich zu einem richtigen Mann herangewachsen.
 

Er war groß, schlank und trotzdem muskulös. Sie hatte es einige Male schon bemerkt, wie ihm oft die Dienstmädchen ansahen. Es widerstrebte Oscar jedes Mal, wenn sie Zeuge so einer Begebenheit wurde. Jedoch hatte sie nie bemerkt, dass sich André aus ihren Blicken etwas gemacht hätte. Auch am Hof. Er beachtete die Frauen nicht sonderlich. Nicht einmal jene, die es der Königin gleichmachen wollten, ständig neue Kleider zur Schau stellten und mit den aufwendigsten Frisuren posierten.
 

Sein Hemd war nass. Es klebte an seinem Oberkörper, so dass Oscar leicht die Form seiner Muskeln erkennen konnte. Wie würde es sich anfühlen, ihn jetzt zu berühren, die Wärme seiner Haut mit den letzten Tropfen des Wassers, die sein Hemd noch nicht aufgesogen hatte zu spüren. Der Ritt der gestrigen Nacht hatten ihr zwar schon einiges über seinen Körper verraten, aber es ging alles viel zu schnell, noch dazu war es sehr dunkel gewesen. Es war wirklich schön gewesen, aber es war nur ein Tropfen gegen den ganzen Ozean, den sie wollte.
 

André… sie wollte sich ihm völlig hingeben, mit ihm Eins sein als Frau.
 

Aber hier? Hier dürfte es nicht stattfinden, überlegte Oscar. Hier könnten sie entdeckt werden. Wenn es ihr Vater erfahren würde, sie würde Schande über die Familie bringen und doch wollte sie André so sehr. Durch sein dichtes, ebenholzfarbenes Haar streichen, die Zärtlichkeit seiner Lippen spüren und seinen Geschmack aufnehmen.
 

‚Aber halt!’, erinnerte sich Oscar ‚Ich weiß ja gar nicht, ob er mich überhaupt heute noch will, ich darf mich nicht in Träumereien verlieren.’
 

„Oscar“, André hatte sie bemerkt „Stehst du schon lange da? Du möchtest sicher ausreiten, oder? Soll ich dein Pferd zäumen?“
 

Oscar antwortete nicht. Sie wurde zu abrupt aus ihrer Phantasie gerissen.
 

„Oscar, du hörst mir ja gar nicht zu! Möchtest du, dass ich dein Pferd zäume?“
 

„Ähm… ja... André tu das bitte“, antwortete sie fast beiläufig. In Wirklichkeit hätte sie sich etwas ganz anderes von ihm gewünscht. Etwas, das nicht mit Pferden in Verbindung zu bringen war...
 

Etwas, das sie nur von ihm wollte, dass nur er ihr geben konnte und zwar am Besten gleich hier, hier im Stroh! Oscar erschrak kurz über ihre eigenen Gedankengänge. Hatte sie das wirklich gedacht? Haben sie ihre Gefühle so übermannt? Tobte in ihr eine Lust, die sie in dieser Dringlichkeit noch nie gespürt hatte?
 

Sie könnte doch nicht einfach so zu André hingehen und sich ihm in die Arme werfen, wie eine Dirne, wie ein Mädchen von der Straße!
 

Sie hatte ihr Leben lang Contenance geübt, nicht nur Männern gegenüber. Sie blieb immer ruhig und bedacht, so konnte sie Situationen schließlich am Besten überblicken. So sollte es auch weiterhin sein, bestätigte sie sich selbst.
 

„Oscar, dein Pferd wäre dann soweit!“, drang Andrés Stimme durch den Stall.
 

Oscar ging auf ihren Schimmel und André zu. Sie standen noch in der Box und sie betrat diese ebenfalls.
 

„Oscar hast du es denn so eilig von hier fort zu kommen, dass du mich das Pferd gar nicht aus der Box führen lässt?“, kommentierte André ihr Verhalten.
 

‚Nein, ganz im Gegenteil’, dachte sie.
 

Oscar ging an André vorbei, der sich gerade umdrehte und sein nasser Oberkörper mit dem nassen Leinenhemd berührte sie.
 

Oscar spürte, wie sich das Wasser binnen Sekundenbruchteilen in ihr Hemd gefressen hatte. Es war zwar nicht gänzlich durchnässt aber trotzdem feucht.
 

André bemerkte es sofort „Oh, Oscar es tut mir leid. Ich dachte, du wärst wieder aus der Box herausgegangen.“
 

„Ach, macht nichts“, entgegnete sie ihm „Ich kann mich umziehen, aber du solltest nicht den ganzen Tag in diesen nassen Sachen zubringen. So warm ist es auch nicht mehr. Du wirst noch krank werden, André.“
 

„Wenn du meinst, dann werde ich es einfach ausziehen, irgendwo müsste noch ein trockenes von gestern Abend sein…“
 

Oscar war etwas verduzt, dass André sich hier vor ihr sofort sein Hemd ausziehen wollte.
 

War so etwas plötzlich zwischen ihnen erlaubt, weil schon mehr zwischen ihnen war, oder war es nur der Situation zuzuschreiben und er nur ihrer Aufforderung sich umzuziehen folgte?
 

Oscar störte es eigentlich überhaupt nicht. Es war sogar genau das, was sie wollte.
 

Irgendwie konnte sie fühlen, dass die gestrige Nacht doch kein einmaliges Erlebnis gewesen war, dass da schon etwas zwischen ihnen war, oder ging wieder ihre Fantasie mit ihr durch?
 

Andrés Anblick riss Oscar augenblicklich aus ihrer Gedankenwelt.
 

Ja, André war wirklich ein Mann geworden, endlich konnte sie bei Licht seinen Körper betrachten.
 

Er stand vor ihr ohne Oberbekleidung. Kräftige Schultern, starke Oberarme, wohl geformte Brustmuskeln und wenn man genau hinsah konnte man auch die Bauchmuskeln in ihrer üblichen Anordnung erkennen. Einige kleine Narben zierten seinen Körper, die schlimmste war wohl jene, die sich von seiner rechten Schulter bis zur Brust ausbreitete. Da hatte sie ihm böse erwischt als sie Kinder waren. Sie hatte damals so Angst gehabt, als sich plötzlich sein Hemd mit Blut tränkte, er sich an die Wunde fasste und seine Hände sich rotverfärbten. Er wurde immer bleicher, wie die weißen Kalkwände in der Eingangshalle. In diesem Moment hatte sie damals gedacht, dass André sterben müsse. Aber Gott sei Dank war alles nur halb so schlimm gewesen. Damals hatte sie sich geschworen, es niemals zuzulassen, dass jemand ihrem besten Freund André... ihrem Bruder, jemals etwas antun dürfte.
 

Oscar hoffte, dass Andre nicht bemerkte, wie sie ihn musterte und langsam mit ihren Blicken über seinen Körper wanderte.
 

Plötzlich brach André die Stille „Es ist in Ordnung, Oscar. Du brauchst nichts zu sagen.
 

Es war nur wahrscheinlich, dass irgendwann so ein Moment kommt. Vor allem nach gestern Nacht.“, in diesem einen Moment, in dem die Luft nur so knisterte vor Erregung, weil es einfach nicht mehr auszuhalten ist, einen Menschen sein Leben lang zu begehren und ihn nie berühren zu dürfen, wurde André etwas klar und langsam überlegte er, ob Oscar vielleicht dasselbe fühlen würde.
 

Er dachte, es wäre seine Chance. Das könnte auch der Grund gewesen sein, warum sie sich ihm in letzter Zeit immer mehr entzogen hatte. Oder wünschte er sich nur, dass dies das fehlende Puzzelteil für ihr Verhalten war? Vielleicht war sie nie in von Fersen verliebt gewesen sondern in ihn?
 

War es ihnen vorherbestimmt die Zeit jetzt zu genießen? Denn weit entfernt am Horizont breitete sich schon die Aura des Verderbens über Frankreich aus.
 

‚Was denkt André nur?’, überlegte Oscar ‚Soll ich wieder gehen? Was mache ich eigentlich hier? Ich...’
 

In diesem Moment bemerkte Oscar, wie André sanft eine Locke aus ihrem Gesicht strich.
 

Sie hatte ihr Gesicht unter ihrer Lockenpracht begraben um sich etwas Schutz zu gewähren. Um sich aus der Situation zurückzuziehen.
 

„Andre“, hauchte Oscar
 

„Oscar, wenn es heute nicht mehr in Ordnung ist, musst du etwas sagen…“, entgegnete André mit einer unheimlichen Sanftheit in seiner Stimme.
 

Aber Oscar wollte nicht mehr sprechen. Sie wollte es, und wie sie ihn wollte.
 

Ihre Hand wanderte an seinen Hals. Sie fühlte seinen Haaransatz am Hinterkopf, es war ein weicher zarter Flaum der leicht gelockt war.
 

André streichelte Oscar liebevoll und nahm sie in seine Arme. Er hielt sie einfach nur fest.
 

Das alleine bedeutete ihm schon die Welt, sie so bei sich zu spüren.
 

Oscar lag an seiner Brust und hörte sein Herz schlagen, zuerst sehr schnell und unregelmäßig, doch langsam schien es wieder seinen gewohnten Takt anzunehmen.
 

Während der Minuten des festgehalten werden, stieg in Oscar immer mehr Erregung auf.
 

In André scheinbar auch. Sie kam nicht umhin es zu spüren, wo sie so nahe an ihn gedrückt war. In überschäumender Leidenschaft fing André an Oscar zu küssen, zuerst ihren Mund, ihre weichen seidigen Lippen, die den Geschmack von frischen Blütennektar hatten. Er tastete sich weiter zu ihrem Hals und versuchte jede erdenkliche Stelle von diesem zu liebkosen, währenddessen öffnete er langsam ihr Seidenhemd.
 

Oscar wurde ganz schwindelig und ihre Knie gaben nach. Ihr zuckten Blitze der aufkeimenden Lust durch den Körper. So etwas hatte sie noch nie wahrgenommen. Sie fühlte, wie ihr ganzer Körper pulsierte und ihre Hautoberfläche immer wärmer wurde. Es war direkt schmerzhaft, wie sie sich nach seinen Berührungen sehnte. Sie hatte ein brennendes Verlangen in ihrem Körper. Die pure Leidenschaft war entzündet und würde nicht mehr so leicht zu löschen sein. Sie hätte nie gedacht, dass das körperliche Beisammensein mit einem Mann so genussvoll sein würde. Obwohl, einmal hatte sie ihre Schwestern zufällig zugehört, als diese meinten, dass auch das Eheleben so seine Vorzüge habe, aber mit dieser Dimension hatte Oscar nicht gerechnet.
 

Ihre Empfindungen spielten verrückt. Es konnte ihr gar nicht schnell und heftig genug gehen… und doch hatte sie auch etwas Angst.
 

Angst, nicht mehr Herr über die Lage zu sein. Frau zu sein. Das alles geschehen zu lassen. Doch dann kam ihr der Gedanke, dass es doch André war. Ihr André, schon seit immer und da fand Angst keinen Platz mehr in dieser unendlichen Geborgenheit.
 

André und Oscar waren in ihrem Liebesspiel so vertieft, dass sie die Stute zuerst gar nicht mehr bemerkten, die unruhig auf und ab trat.
 

Als Andre einen leichten Stoß von deren Kopf bekam wurde es ihm erst bewusst.
 

„Oscar mein Liebling, dein Pferd! Wir sollten es aus der Box treiben“, erinnerte André.
 

„Ja mach das“, konnte sie nur mehr liebestrunken hinzufügen und ließ sich auf das frische Stroh fallen.
 

Sie spürte die Wärme des Strohs und wie es unter ihrem Körper nach gab und die Erinnerung an goldgelbe Weizenfelder übersäht mit Ähren und reifem Korn, am Ende des Sommers.
 

Nur das zeitweilige pieksen der Halme erinnerte sie daran, dass sie sich noch im Stall aufhielt und nicht von einem Hügel aus, auf ihrem Pferd die Pracht vor der Ernte beobachtete.
 

Andre war zurück und schloss die Box hinter sich.
 

Mit Gefallen nahm er wahr, dass sich seine Angebetete schon auf ihr Lager nieder gesunken war. Heute, in der Frühe hätte er nicht zu wünschen gehofft, dass sich Intimitäten zwischen ihnen wiederholen würden, dass das wirklich alles passierte. Und doch, hier war sie. Das berauschendste Wesen, das je seine Augen erblickt hatten.
 

Ihre gold- und champagnerfarbenen Locken lagen verschränkt und in Strähnen über ihrem Oberkörper, so dass ihre gesamte Schönheit ihm noch verborgen blieb.
 

‚Jedoch nicht mehr lange’, dachte er.
 

Er kniete sich über Oscar und strich ihr die Haare von ihrer Körpermitte und erkundete sinnlich jede Rundung von ihrem Oberkörper. Oscar kam nicht umhin schneller und schneller zu atmen.
 

Es war unheimlich erregend, so sehr, dass sie sich langsam an Andres Hose zu schaffen machte. Wohlwollend nahm er wahr, wie versessen seine Geliebte scheinbar auf ihn und seinen Körper war, dass sie es scheinbar gar nicht mehr erwarten konnte sich ihm völlig hinzugeben.
 

Auch André hatte Oscars Hosenbund langsam gelockert um das letzte Stück der Kleidung von ihr abzustreifen. Um sie noch näher zu spüren und sich noch fester an sie heran zu drücken.
 

Das war der magische Moment auf den sie leidenschaftlich hingearbeitet hatten, die Zeit schien still zu stehen, sie war wie ein stummer Beobachter, der schon Jahre darauf wartete, dass diese Liebe ausgekostet wurde. Jetzt war der Augenblick endlich gekommen, dieser eine Moment...
 

Plötzlich unterbrach ein lautes quietschen ihr treiben. Die Stalltür wurde knarrend geschlossen.
 

„André! Wo steckt dieser Junge bloß?“ rief eine Stimme.
 

Es war General de Jarjayes.
 

Oscar und Andre wurden kreidebleich und gaben keinen Laut mehr von sich. Diese Stimme hatte ihnen ihre Herzen aus der Brust gerissen. An ihrer Stelle fühlten sie nur noch Glasscherben, die sich wie die Angst in ihre Leiber fraßen.
 

„André! Das gibt es doch nicht!“, hallte es nochmals.
 

Plötzlich wurde ruckartig eine Box geöffnet.
 

André kam ganz zerzaust mit Stroh in den Haaren heraus, sein Hemd nicht einmal in der Hose.
 

„André, um Gottes Willen, was ist hier los? Wie siehst du aus und was ist mit den Pferden? Dein Pferd amüsiert sich im Springbrunnen und Oscars macht sich über die Blumen von Madame de Jarjayes her. André, wo bist du bloß mit deinen Gedanken?
 

Was machst du überhaupt hier alleine in dieser Box, und dein Aussehen, wenn dich so deine Großmutter sehen würde. Hast du keinen Anstand?
 

Ach und bevor ich’s vergesse... Wo ist Oscar? Dieses Kind macht es mir nicht leicht. Sobald du sie sehen solltest, sag ihr, sie möge sofort in mein Arbeitszimmer kommen. Es gibt neue Wendungen im Fall des schwarzen Ritters! Aber vorher möchte ich endlich wissen, was dich in so einen Zustand bringt?“
 

„General de Jarjayes, verzeiht mir, ich bin untröstlich!“, gab André ihm unterwürfig zu verstehen. „Oscar scheint ihre goldene Taschenuhr hier in der Box verloren zu haben, die von eurem Vater. Das Geschenk, das sie von euch bekam als sie in die königliche Garde aufgenommen wurde. So habe ich auf ihre Bitte hin die Box danach durchsucht.“
 

„Ach so...“, gab der General mit einem zustimmenden Nicken von sich. „Nun gut, dann bring hier wieder mal alles in Ordnung. Nachher kannst du ja weiter suchen. Ich bin wirklich froh, dass du dich so aufopfernd um Oscar und ihre Angelegenheiten kümmerst!“
 

‚Wenn Ihr wüsstet wie aufopfernd, ich mich seit neuerstem um jeden Wunsch eurer Tochter kümmere.’, er konnte sich ein kleines verschmitztes Lächeln, dass sich langsam auf seinem Gesicht breit machte, kaum verkneifen. „Ja ich werde dann mal gehen, André... Vielleicht finde ich sie ja im Park“, das waren seine Worte, als er gerade durch die Tür ging und sie demonstrativ offen lies. Um André nochmals wortlos daran zu erinnern, dass draußen noch Arbeit wartete.
 

André suchte wieder den Weg zurück in die Box, nachdem General de Jarjayes außer Reichweite war.
 

Oscar, die nun schon wieder bekleidet war, seufzte traurig.
 

„Oscar, ich werde die Pferde reinhohlen und du solltest deinen Vater aufsuchen.“
 

„Ja, das muss ich wohl“, bemerkte sie betrübt, doch im nächsten Moment formte sich ihr hübscher anmutiger Mund schon zu einem Lächeln.
 

„André, ich wusste gar nicht, was für ein guter Lügner du bist.“
 

„Nur ein Notlügner!“, kommentierte er und warf ihr einen unschuldigen Blick zu.
 

Oscar ging an André vorbei, der schnellte noch vor und packte sie zärtlich an ihrem linken Unterarm und küsste sie etwas bedauernd auf ihre Wange.
 

„Ach André, es tut mir leid. Mein Vater… du weißt ja, wie er ist. Wir werden Zeit füreinander finden, das verspreche ich dir! Nur ist scheinbar das Anwesen de Jarjayes nicht der geeignete Ort.“
 

André musste zustimmend nicken. Wo Oscar Recht hatte, hatte sie Recht. Sie dürften nicht entdeckt werden. Noch nicht. Dann ging sie an ihm vorüber um ihren Vater zu finden.
 

André widmete sich unterdessen den Pferden, die jetzt wirklich seiner Zuwendung bedurften.
 

Jedoch in Gedanken war er bei Oscar und immer wieder bei seiner Oscar. Er versuchte sich jede Sekunde ihrer Zweisamkeit in seine Gedanken einzuprägen.
 

Er würde ihre sinnlichen Berührungen nie Vergessen, alleine die Erinnerung daran zauberte ihm wieder Gänsehaut auf seinem Körper. Es war der Beginn einer großen Liebe, dachte André. Nein so gleich musste er seine Gedanken berichtigen... der Großen Liebe!

Ein unerwarteter abendlicher Gast

Es war ein kalter nasser Abend, für diese Jahreszeit vielleicht etwas zu kalt.
 

Doch insgesamt hatten sie diesen Herbst großes Glück mit dem Wetter gehabt.
 

Nur heute regnete es in Strömen, wo alles doch mit einem Sommergewitter angefangen hatte, blieb das Unwetter aber bestehen und wanderte nicht weiter.
 

Oscar sah von einem Fenster im Salon, wie sich langsam Unebenheiten im Boden zu Pfützen mit Regenwasser füllten und sich zunehmend ausweiteten. Es schien gar nicht mehr aufzuhören.
 

Wie üblich war sie in Gedanken, aber hatten ihre Grüblereien in den letzten Wochen sich zu neuen Themen bekannt. Besser gesagt zu einem Neuen Thema- André Grandier.
 

Die Begegnung, die sie mit ihm im Pferdestall hatte lag über eine Woche zurück. Die ganze letzte Woche blieb keine Zeit für ihn.
 

In Paris gab es neue Probleme. Ein Maskierter trieb sein Unwesen, schlich sich in die Häuser der Adeligen ein und verteilte anschließend das Diebesgut in den Pariser Armenvierteln.
 

‚So wichtig meine Arbeit auch ist, ich wünschte ich hätte mehr Zeit für André. Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen ihm meine wahren Gefühle zu gestehen!’
 

Wie sollte sie es am Besten anstellen, dachte Oscar. Ihr war es wichtig, die richtigen Worte zu finden. Es musste der richtige Moment sein. Sie wollte nicht jemandem zwischen Tür und Angel sagen, dass sie ihn liebte.
 

Vielleicht aber war der richtige Moment gerade heute. Oscar musste schmunzeln.
 

Sie könnte doch einfach in ihr Zimmer gehen und vorher ihr Kindermädchen bitten, dass André ihr vor dem zu Bett gehen noch einen Tee bringen möge.
 

Auch konnte sie in den alten Sachen ihrer Schwestern nach weiblicher Unterwäsche suchen. Nein, diese Idee musste sie gleich wieder verwerfen.
 

Lieber würde sie sich ganz nackt in ihr Bett kuscheln. Einander langsam auszuziehen hatte ihnen schon genug Zeit geraubt.
 

Oscar war sich sicher, dass das ihrem Geliebten gefallen würde um den Raum in eine sinnlichere Stimmung zu bringen würde sie noch heimlich einige Kerzenständer aus dem Hause zusammensuchen.
 

Warum nicht, worauf sollte sie warten?
 

Der Regen würde gegen die Fenster prasseln und sie und André wären einander ganz nahe.
 

Sie blicke noch einmal kurz, bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen würde, auf dem nassen Hof der von einem kleinen See in Besitz genommen würde.
 

Doch was war das? Eine Gestalt am dunklen Horizont? Ein Reiter war zu erkennen.
 

Er versuchte verzweifelt den Willen der Natur zu brechen und sich einen Weg durch das Unwetter zu bahnen.
 

Wer konnte das wohl sein? Welche Person würde einen Boten bei diesem Wetter schicken? überlegte Oskar, oder war es etwa kein Kurier der durch die Pappelallee ritt?
 

Plötzlich hatte Oscar den vermeintlich Fremden erkannt. Es war Graf Hans Axel von Fersen.
 

Doch warum kam er zu dieser unseligen Stunde hier aufs Anwesen?
 


 

Graf von Fersen kam völlig durchnässt bei der Tür herein und richtete außer Atem seine ersten Worte sogleich an Oscar „Oh, mein Gott Oscar, es tut gut euch zu sehen. Ich war gerade auf dem Weg nach Paris. Ich hatte eine befreundete Adelsfamilie am Land besucht und nun hatte mich einige Kilometer vor euerm Anwesen eine Graue Front mit Wassertropfen so groß wie Pistolenkugeln erwischt.“
 

Von Fersen streifte sich seinen Umhang und Hut ab den er dem Zimmermädchen in die Hand drückte die soeben das Tor geschlossen hatte.
 

„ Euer Gewand ist wohl auch nicht verschont geblieben wie ich sehe.“ sagte sie
 

„Ich werde sofort um frische Sachen für euch schicken lassen. Ich schätze ihr und André habt die gleiche Größe.“
 

‚Ich kann mir nicht helfen’, dachte Oscar ‚der Graf in der nassen Kleidung erinnert mich sofort wieder an André. Wie er so vor mir gestanden hat in seinem nassen Hemd, die kräftigen Brustmuskeln und die leicht gebräunte Haut, die ich durch den weißen Stoff schimmern sah...’
 

“Last nur Oscar! So schlimm ist es auch wieder nicht. Es genügt mir schon, wenn ich mit euch beim Kamin sitzen kann, um mich zu erwärmen und ein Gläschen Wein könnte auch nicht schaden“, wandte sich der Graf ihr zu.
 

‚Großartig jetzt hat er mich wieder aus meinen Gedanken gerissen’ dachte sie. „ Ich werde sofort Wein bringen lassen“, antwortete sie von Fersen. „ Ach, bitte bring uns einem Bordeaux in den Salon Clodette“, richtete sie ihre nächsten Worte an das Dienstmädchen.
 

Oscar und der Graf hatten sich in die wohlig warmen, kuscheligen Sessel beim Kamin niedersinken lassen. Von Fersen schien sich auch schon ein wenig erwärmt zu haben.
 

„Oscar,“ markierte der Graf „ wenn ich schon einmal die Gunst eurer Anwesenheit genießen darf , würde ich euch gerne von einer Begebenheit erzählen und eueren Standpunkt dazu hören.“
 

„Nur zu!“ bat sie.
 

„Ich bin vor einigen Wochen auf einem Ball in Versailles gewesen, dort ist mir eine außergewöhnliche eindrucksvolle Frau begegnet. Angeblich eine ausländische Gräfin. Leider habe ich sie an diesem Abend aus den Augen verloren und niemand weiß auch nur im geringsten Bescheid über diese Dame. So kam mir der Gedanke vielleicht wüsstet ihr...“ Oscar wurde es zunehmend mulmig.
 

‚Hat er mich etwa erkannt? Und wenn ja, warum ist er hier? Will er sich für sein Verhalten entschuldigen, da er wusste, dass ich es war? Ich seine enge Freundin Oscar und nicht eine unbekannte Dame aus der adeligen Gesellschaft.
 

Wird er mich fragen warum ich so schnell reiß aus nahm?
 

Verdammt Oscar, denk nach! Was ist die geeignetste Antwort für diese Geschichte?’ dachte sie.
 

“Eine interessante Geschichte Graf von Fersen,“ entgegnete sie „aber glaubt mir, obwohl ich die ganze letzte Woche am Hofe zu gegen war, trifft eure Beschreibung auf keine der mir bekannten Damen zu. Ich muss euch leider enttäuschen.“
 

Oscar nahm triumphierend ihr Glas Bordeaux in ihre rechte Hand, um sich sogleich einen Schluck von dem herbwürzigen Aroma auf ihrer Zunge zergehen zu lassen.
 

Als sie gerade dachte, dass sie von Fersen überzeugt hatte, griff er nach ihrer Hand.
 

Sie war sehr erschrocken und das Glas zerschellte am Boden. Sie sprang im Schock sofort hoch. Doch er ahmte ihr Verhalten nach und hielt sie weiter fest.
 

Beide standen sich nun gegenüber, knapp ein halber Meter war noch Platz zwischen ihren beiden Körpern.
 

Sie versuchte seinem Blick zu entfliehen, in Gedanken konnte sie sich schon zusammen reimen, was er sogleich zu ihr sagen würde.
 

Aber keiner der beiden hatte bemerkt, dass unterdessen diese Szene der Vertrautheit nicht mehr unbeobachtet geblieben war.
 

Soeben hatte André die Vorhalle betreten und blieb in Türrahmen stehen.
 

Über die Situation, in die er hinein gestolpert war und die sich im Salon abzuspielen schien, war er keineswegs erfreut.
 

Er war, nichts ahnend, in eine Intime Begebenheit zwischen seiner Oscar und dem Graf von Fersen geraten.
 

‚Warum hält er ihre Hand fest?’ Fragte sich André und im nächsten Moment nahm er mit Schrecken wahr wie er mit seiner freien Hand dazu ansetzte ihr Haar zu berühren.
 

André traf es wie ein Pfeil ins Herz. Er konnte sich nicht mehr bewegen, seinen Blick nicht mehr abwenden. Im nächsten Moment bekam er nur noch mit, dass Oscar sich los riss und an ihm vorbei lief, die große Einganstür öffnete um weiter ihre lauten Schritte zu hören als sie durch die Wasserpfützen schnellte.
 

Gott sei Dank war der Regenguss vorbei und sie würde nur mehr nasse Füße davon tragen, bei ihrem Versuch einer unliebsamen Situation zu entkommen.
 

‚War dass nicht gerade André gewesen an dem sie so vorbei gestürmt bin?’
 

Sie war sich nicht sicher und wenn doch, was würde er jetzt über sie denken? Über sie und Graf von Fersen? Oscar konnte sich ausmalen wie verletzt er sein würde, wie das für ihn ausgesehen haben muss. ‚André denkt vielleicht ich spiele nur mit ihm. Jetzt da ich auf den Geschmack der Männer gekommen bin....’ Platsch, verdammt jetzt war sie wirklich nass.
 

Die große Lache, die sie übersehen hatte war ein schönes Zeugnis des soeben stattgefundenen Naturschauspiels. Das dreckige Wasser rann ihr in ihre Hausschuhe, mit denen sie ohne nur im Geringsten an die Nässe zu denken das Haus verlassen hatte.
 

An der Stalltür blieb sie keuchend stehen und die nasse, kühle Luft zirkulierte durch ihre Lungen. Sie spürte die Feuchtigkeit des Holzes unter ihren Händen das durch den Regen sehr viel Wasser in seinen Poren speicherte.
 

‚Ich hatte gehofft, dass so ein Moment nie kommen würde’ dachte Oscar.
 

Von Fersen war immer ein loyaler Freund gewesen, aber dass er sie jetzt, als Frau ansah und ihr leidenschaftliche Gefühle entgegenbrachte war ihr zu viel.
 

Nur wusste sie allzu gut, dass sie an der ganzen Situation die Schuld hatte. Sie war für ihn in das bezaubernde Ballkleid geschlüpft. Sie wollte doch von ihm als Frau wahrgenommen werden.
 

Wenn sie nicht so blind gewesen wäre, dann hätten all diese Verwirrungen nie stattfinden müssen. Sie könnte seit Jahren mit André glücklich sein. Das wollte sie doch so gerne.
 

Plötzlich breitete sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen aus. Was war, wenn sie alles soeben zerstört hatte.
 

Sie musste zurück ins Haus und sich der Situation stellen.
 

‚Ich muss einfach von Fersen erklären, dass es ein Missverständnis war. Aber wie sollte sie die Begebenheit auf dem Ball berichtigen?
 

Ich kann doch Axel nicht einfach sagen, -tut mir Leid, aber als ich mit dir getanzt habe, damals im Fluss der Melodie, habe ich plötzlich begriffen, als ich in deine Augen sah und deine Berührungen spürte, dass ich einen anderen Mann liebe.-‚ Nein, das konnte sie nicht!
 

Nun hatte der Graf Oscar erreicht.
 

Er war zwar im ersten Moment des Schrecks stocksteif stehen geblieben, konnte aber nicht umhin ihr zufolgen.
 

„Oscar, warum seid ihr vor mir davon gelaufen? Ich dachte ihr würdet mir Gefühle entgegenbringen? Der Ball, an jenem Abend. Das Kleid ihr wart so bezaubernd, alles schien so eindeutig für mich. Wie schon lange geplant.“ Bemerkte er mit sanfter fragender Stimme.
 

„Graf von Fersen, Hans Axel…“ Antwortete Oscar mit einem Tonfall des bedauern. „Ja ich wollte auf dem Ball mit euch tanzen und ich komme nicht umhin euch zu sagen, dass ihr mir viel bedeutet, aber als guter, enger Freund. Mehr habe ich nicht zu geben. Ich bitte euch, fragt nicht nach. Nehmt meine Worte in Freundschaft an.“
 

„Oscar, warum...Ich...“ platzte der Graf in ihre Ausführungen, aber sie ließ ihn nicht zu Worte kommen, da sie endlich bereit war jemanden die Wahrheit zu sagen, die seit Tagen an ihrem Herzen zerrte.
 

„Es tut mir leid, dass ich mit meinen Gefühlen so heraus platzen muss, aber ihr verdient die Wahrheit, wenn ihr danach fragt.
 

Ich habe Gefühle für einen anderen Mann. Ich wollte mich ablenken, deswegen war ich wohl auf diesem besagten festlichen Ereignis.
 

Ich wollte ihm und meinen Gedanken entkommen. Einmal, nur einen Abend, eine andere Oscar sein. Für mich wissen ob ich dieser Bestimmung entfliehen könnte.
 

Doch ich glaube, nein, ich bin mir sicher, dass ich diesen Gefühlen nie mehr entkommen kann. Ach, Axel gerade ihr müsst verstehen was ich empfinde. So wie ihr Marie Antoinette liebt...“ „Du musst nicht weiter sprechen geliebte Oscar. Ich verstehe dich gut. Ich hätte auch der Liebe zur Königin nie entkommen können, auch wenn ich dachte du wärst vielleicht ein Rettungsanker. Aber man kommt gegen die Vorbestimmung nicht an“, sprudelte es aus Axel heraus.
 

„Das Schicksal scheint es mit unserer Freundschaft nicht gut gemeint zuhaben. Wir bürden dem anderen nur Geheimnisse auf...“bemerkte Oscar traurig. „Das sehe ich anders Oscar, all jene Dinge bringen uns nur noch näher zusammen. Wir teilen miteinander verborgenes. Gegebenheiten und Gefühle, die geheim bleiben müssen in meinem Fall und sollten in deinem.“ Gab ihr der Graf zu verstehen.
 

„Axel, ich bin froh, dass du die Situation so sehen kannst. Ich hatte Angst mit dir über jene Probleme zu sprechen. Weißt du ich hatte immer Angst. Angst davor, dass sich zwischen mir und einem Mann etwas entwickeln hatte können. Sei es emotionale oder leidenschaftliche Bande.
 

In meiner Position ist das mit vielen Schwierigkeiten verbunden!
 

Daher bin ich umso mehr Froh, dass zwischen uns beiden nun alles geklärt ist.“ sagte sie glücklich.
 

„ Da die Welt jetzt wieder in Ordnung ist werde ich nun euer Anwesen verlassen. Ich bitte euch noch einmal um Verzeihung. Ich bin auch nur ein Mann und eure Schönheit, in diesem bezaubernden Kleid machte mich schwach.“ musste von Fersen zu geben.
 

„Ach Axel, vergessen wir das einfach. Danke, dass du mir gehör geschenkt hast!“
 

Das sagte sie mit ernster Miene um dem gesagten mehr Ausdruck zu verleihen.
 

„Tut mir noch einen gefallen Oscar.“ bat sie der Graf „Geht schnell zu André und erklärt ihm alles. Er hat vorher fürchterlich niedergeschlagen ausgesehen und ich habe die Situation verkannt und zu ihm gesagt. „Ich weiß auch nicht was Oscar heute wieder hat. Sie sucht immer meine Nähe, dann nimmt sie aber plötzlich reiß aus.“
 

Das Gesagte machte ihr Angst.
 

„Ich werde sofort nach ihm sehen. Und um Andrés Willen sollten wir einander einige Zeit nicht sehen. Er muss sich erst meiner völlig sicher sein!“
 

„Ja, das verstehe ich.“ Und Axel holte sein Pferd.
 

Im nächsten Augenblick war er auch schon aufgesprungen und rief ihr im Losreiten zu „Werdet glücklich Oscar Francois de Jarjayes, das wünsche ich euch von ganzen Herzen!“ Oscar lief ihm noch einige Meter des Weges hinterher.
 

„Das verspreche ich euch und wenn wir einander das nächste Mal sehen, wird alles wieder so sein wie damals. Wir drei werden gute Freunde sein, gemeinsam fechten und über die sommerlichen Felder reiten.“
 

Sie konnte nur noch aus der Ferne vernehmen“ Ja, so wird es sein Oscar!“
 

Dann drehte sie dem davon reitenden Fersen ihren Rücken zu, um in Richtung Haus zu gehen.
 


 

Sie kam bei der großen schweren Eingangstür herein und zog sogleich ihre Schuhe aus, die zwischenzeitlich völlig mit kaltem Regenwasser voll gesogen waren.
 

Im Kaminzimmer war noch immer Licht, draußen setzte nämlich langsam die Dämmerung ein, dass ihr die Vorhalle schon richtig duster vorkam.
 

Oscar sah sich den Boden an. Sie konnte schon von der Weite aus die Glassplitter funkeln sehen.
 

So machte sie sich sofort daran, alle einzusammeln und überlegte, was gerade zwischen ihr und von Fersen passiert war.
 

Sie war gerührt und glücklich einen guten Freund nicht verloren zu haben.
 

Die Begebenheit mit dem Grafen war ihr seit dem Ball so peinlich gewesen und jetzt viel ihr wirklich ein großer Stein vom Herzen, aber nicht nur deswegen.
 

Sie hatte von Fersen von ihrer Liebe zu André erzählt.
 

Er war der erste Mensch der es wissen durfte, der Schleier ihrer Liebe würde sich zunehmend lüften. Ihr stiegen Tränen der Freude in ihre Augen.
 

Als sie so gebückt kniend ihre Arbeit verrichtete hörte sie Schritte, die sich auf sie zu bewegten und sie wusste, dass es André war.
 

„Oscar, brauchst du Hilfe?“, fragte er sie.
 

Das waren beinahe die schwersten Worte in seinem Leben gewesen, denn in seinem inneren zersplitterte, so wie vorher das kristallene Weinglas, sein Herz.
 

Es fiel ihm äußerst schwer nicht krampfhaft zu atmen und seine Tränen zurückzuhalten.
 

Aber André wusste, dass es auch weiterhin seine Aufgabe war sich um Oscars Belange zu kümmern. Was auch immer zwischen ihnen war.
 

Er war direkt dankbar, als sie seine Hilfe ablehnte. So konnte er für sich alleine sein und seiner großen Liebe nachtrauern......
 

Unterdessen suchte Oscar auch die kleinsten Scherben aus dem Boden zu picken.
 

‚André wie lieb du doch bist’ dachte Oscar. ‚Du strahlst so eine bedachte Ruhe aus. Wenn ich mit dieser verdammten Arbeit Fertig bin, werde ich heute nur mehr für dich da sein.’
 

Sie wollte ihm einfach die Arbeit abnehmen. Die letzten Scherben würde sie nur noch entsorgen und sich trockene, warme Kleidung anziehen. Dann würde sie nur André gehören, den ganzen Abend und über die Nacht hinaus. Sie könnte ihm all ihre Liebe gestehen und auch erzählen, dass selbst Fersen es schon wusste.
 

Oscar zauberte sich ein Lächeln aufs Gesicht, als sie an den erstaunten Blick, den André machen würde, dachte.
 


 

Nachdem André sich von Oscar abgewandt hatte, ging er in den großen Salon.
 

Die großen Fenster zeichneten sich nur noch als Silhouetten ab. Er stellte sich ganz dicht an das kalte leblose Glas, die Dunkelheit war längst schon über die nassen Wiesen und Wälder gekommen. Der Nebel und die Konzentration der Wasserpartikel in der Luft, wichen langsam einer Nacht in der man vereinzelt Sterne erkennen konnte, aber nur wenn man sich Zeit nahm und die sie verdeckenden Wolken vorbei ziehen ließ.
 

‚Warum sind überhaupt noch Sterne zu erblicken, wenn doch für mich das Firmament nie wieder leuchten wird können’ dachte André.
 

‚Mit dir Oscar geht jeder Glanz von meiner Welt verloren. Das Erlebte mit dir war so unwirklich, unwirklicher, als ein Traum, oder meine Fantasie. Und doch wäre und ist es der einzige Wunsch den ich jemals in meinem Leben hatte und haben werde.
 

Nur du könntest mich wunschlos glücklich machen.’
 

André berührte den Fensterrahmen mit seiner linken Hand, während er durchs Fenster blickte Es hatte für ihn eine beruhigende Wirkung über das lackierte Holz zu streichen, die Feinheit der Maserung zu erspüren.
 

Er betrachtete den Hof und war überwältigt von der Allmacht der Natur, die in ihren tosenden Kampf der Luftströme auch Äste brechen hatte lassen. Das würde morgen einiges an Arbeit geben, seufzte er kurz auf. Aber so sehr er seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge richten wollte, sie floss immer wieder zurück, zurück zu Oscar.
 

Was empfand sie nur für von Fersen? Was war zwischen ihnen vorhin passiert oder auf dem Ball? Warum hatte sie nur geweint? Und auch heute hatte sie wieder Tränen in den Augen. Sie war nie ehrlich zu ihm gewesen, sie hatte an jenem Abend nie klargestellt warum sie so traurig gewesen war.
 

‚Was bin ich nur für dich Oscar?’ musste André sich selbst fragen. ‚Bin ich nur dein stiller Liebhaber, weiterhin dein Spielgefährte. Ist es vielleicht so, dass ich nur der gute Freund bin mit dem du die ersten aufkeimenden Gedanken der Lust erprobst, oder mehr?
 

Besteht noch Hoffnung für mich. Für uns?’
 

Oscar hatte nie gesagt, dass sie ihn lieben würde, erinnerte er sich. ‚Oder sie liebt wirklich von Fersen.’
 

Nein, André schlug mit der zusammengeballten Faust gegen die unkenntliche Kalkwand aus Finsternis, dass Geräusche des Schmerzes seinen Mund verließen. ‚Nein ich möchte nicht mehr daran denken müssen’ und Tränen machten sich in seinen dunklen obsidianfarbenen Augen, die die Nacht verhüllte, breit.
 

‚Wir müssen miteinander sprechen’ sagte er zu sich unter Tränen. ‚Wir werden um eine Aussprache nicht herum kommen, aber nicht heute. Heute ist schon zu viel passiert.
 

Pferde sind auch gute Zuhörer’ dachte er und so verließ er das Haus. Leise ohne jemanden zu begegnen, schlich er sich durch die Hintertür und machte sich auf in den Stall.
 

Selbst dort würde ihn alles an sie erinnern, aber noch weiter konnte er nicht davon laufen.
 


 

Unterdessen hatte sich Oscar neu eingekleidet, und sogar Parfum aufgetragen. Vorsichtig schloss sie ihre Zimmertür. Sie würde kein Licht machen, sie fürchtete ihr Vater könnte sie sehen. Der General hielt sich gerade mit ihrer Mutter in der Bibliothek auf und erzählte der armen wahrscheinlich von heroischen Schlachten und penibel ausgeklügelten Schachzügen der Befehlshaber. Oscar musste immer wieder ihre Mutter bewundern wie sie ihm ruhig und aufmerksam lauschte ohne, dass es sie scheinbar zu interessieren schien.
 

Sie huschte leise über die breiten Treppen hinunter, auf dem Weg zu Andrés Gemach.
 

Dort angelangt überlegte sie kurz ob sie klopfen sollte, sie entschied sich aber einfach so einzutreten.
 

Von draußen schon konnte sie kein Licht erkennen und jetzt wo sie an der Türschwelle verweilte sah sie kaum ihre eigene Hand vor Augen. Oscar machte noch zwei Schritte nach vorne und schloss dann die Tür im Anschluss flüsterte sie leise „André, ich bin es. Ich hoffe ich habe dich nicht geweckt, aber es ist sonst nicht deine Art so früh schlafen zu gehen, André?“
 

Vorsichtig tastete sie sich weiter bis sie die Umrisse von seinem Bett erkennen konnte.
 

Oscar holte nochmals aus „André, schläfst du schon? Ich bin nur hier um mit dir zu reden.“ Und sie setzte sich an den Bettrand und suchte seinen warmen Körper mit ihrer Hand. Doch André war nicht zu finden. Er hielt sich nicht in seinem Zimmer auf.
 

‚André verdammt, wo bist du nur? Ich bin doch nur hier um zu sagen, was ich schon so lange hätte sagen sollen’ und Oscar ließ sich auf sein Bett fallen „André ich liebe dich, und wie ich dich liebe!“ sie vergrub ihre Finger in seiner Decke und hielt sie fest an ihren Körper gedrückt. Sie roch noch leicht nach ihm.
 

Es war schon Tage her seit dem sie ihn nahe bei sich gespürt hatte. Dieser Geruch erinnerte sie wieder detailgetreu an seine Berührungen und ein Schauer lief sogleich über ihren Körper.
 

Sie wollte ihn so gerne bei sich spüren. Sanft mit ihren Fingern über seine nackte Haut streichen seine sinnlichen Lippen berühren, sein Haar in ihrem Gesicht kitzeln spüren. Sie wollte seine kräftigen Hände auf ihrem Körper fühlen. Sie legte die Decke beiseite, so dass sie mit ihrem Kopf seitlich darauf zu liegen kam. Oscar fing langsam an sich mit ihrer Hand sanft über den Hals zu streichen und über ihr Seidenhemd, sodass sie ihre weiblichen Rundungen ertastete. Sie lag hier in seinem Bett und er schien ihr so Nahe zu sein, sie konnte ihn ja sogar riechen. Oscar strich sich unterdessen mit dem Zeigefinger ihrer anderen Hand zärtlich über ihre Lippen. Mit der anderen Hand war sie zu ihrer Hose weitergewandert. Es kostete ihr nur Sekunden sie zu öffnen und sie setzte sogleich ihre Erkundungen fort. Immer tiefer glitt ihre zarte Hand in noch unerforschte Regionen. Ihr wurde immer wärmer, ein angenehmes Gefühl begann sich in ihrem Körper auszubreiten. In Gedanken spürte sie André über sich. Sie fühlte seine männliche Statur, er hielt sie fest und küsste sie leidenschaftlich. Bei dieser Phantasie begann ihr Körper mehr und mehr zu glühen auch ihr Atem wurde zunehmend schwerer und sie fühlte ihr Herz schneller und schneller schlagen. Sie konnte nicht umhin dabei ständig seinen Namen zuflüstern. Plötzlich schienen sich alle Empfindungen in einem Punkt ihres Körpers zu sammeln nur um sich dann völlig in ihr auszubreiten. Oscar musste sich sehr zusammenreißen nicht laut aufzuschreien. In letzter Sekunde konnte sie noch die Decke mit ihren Zähnen fassen und biss sich fest im Stoff, um den Laut der ihr emporgestiegen war zu unterdrücken.
 

Langsam lies sie die Decke wieder los und sie seufzte erleichtert auf. Sie bewegte sich nicht mehr und genoss nur noch den Moment, mit der Untermahlung ihres laut schlagenden Herzens. Oscar blieb noch einige Minuten in völliger Entspannung in seinem Bett liegen, bevor sie beschloss wieder ihr eigenes aufzusuchen. Sie hatte zwar nicht das erreicht wofür sie gekommen war, aber sie musste gedanklich anmerken, dass es sich trotzdem wirklich gelohnt hatte.
 

‚Wozu bringst du mich nur André. So etwas wäre mir früher nie eingefallen’ musste sie feststellen, als sie sich in ihr Bett legte und zufrieden einschlief.
 


 

Leider hatte André nicht so einen seligen Schlaf wie seine Oscar. Er wachte ständig auf und zunehmend fror es ihm.
 

Er hatte sich entschlossen doch wieder ins Haus zu gehen.
 

Es war nicht mehr Sommer und man konnte die Kälte die sich durch die Holzritzen ihren Weg bahnte wirklich deutlich spüren, noch dazu nach dem heutigen Regen.
 

‚Eine Erkältung würde meiner miesen Stimmung gerade noch fehlen’ dachte er schlaftrunken und missmutig. Er schloss leise die schmale Eingangstür hinter sich. Wieder breiteten sich Flure der Dunkelheit vor ihm aus, jedoch hätte er den Weg nach all den Jahren auch blind finden können.
 

Er betätigte die Schnalle und betrat seine Kammer.
 

Irgendetwas war anders. André merkte es sofort. Er wusste aber nicht was es war. Alles war doch am rechten Ort. Er streifte sich seine Kleidung ab und legte sich in sein Bett. Alles schien wie immer zu sein, nur war die Decke etwas verknittert.
 

Das sah seiner Großmutter gar nicht ähnlich. Sie hätte es nie zugelassen, dass so ein Bett aussehen würde, dass sie gemacht hatte. Aber dieser Geruch, in seinem Bett roch es nach Rosenwasser mit einer Prise Lavendel. Es roch nach Oscar!?
 

Er war sich ganz sicher. Vorerst setzte er sich nochmals auf um sicher zu gehen, dass er nicht träumte. Was roch hier so verdammt nach seiner Angebeteten und im nächsten Moment war er sicher, dass es die Decke war.
 

André überlegte und war plötzlich wieder sehr munter. ‚Oscar muss hier gewesen sein!
 

Wenn ich aber nicht hier war, warum war sie in meinem Bett? Und warum ist sie jetzt nicht mehr hier?’
 

Verdammt noch mal er musste sich wieder daran erinnern, was am gestrigen Tag passiert war. Warum sollte sie auch in seinem Zimmer bleiben, wenn sie einen anderen Mann liebte.
 

Aber warum war sie hier gewesen. Und warum roch es so nach Parfum. Er hätte es untertags gemerkt, wenn sie so stark gerochen hätte.
 

‚Mag es etwa sein, dass ich mich geirrt habe und du doch zu mir wolltest Oscar?’ dachte André.
 

Ja, es musste so sein, seine Gedanken hatten sich nun von dieser Vorstellung einfangen lassen.
 

‚Vielleicht sollte er jetzt gleich zu ihr gehen?’ Diese Idee musste er aber verneinen, da es wohl schon sehr spät war.
 

So kuschelte er sich in seine Decke und hielt sie fest an seinen Körper gedrückt. Dieser Geruch erinnerte ihn so sehr an sie. Es war schon Tage her seit dem er ihr nahe gewesen war, ihren warmen Körper an seinem gefühlt hatte. Dieses Parfum raubte ihm die Sinne, er war verrückt nach ihr. Die Erinnerung an ihre zarten Berührungen ließen ihn völlig erschaudern. Oscar ich hätte dich so gerne bei mir!
 

Bei der Vorstellung, die sich zunehmend in seinem Kopf breit machte, dass seine Geliebte vor kurzen noch hier gewesen war, wanderte Andrés Hand langsam über seine leicht angespannten Bauchmuskeln, über seinen Nabel hinweg hinunter, immer tiefer bis sie schließlich Halt fand…
 


 

Nun konnte auch André endlich gut einschlafen.

Es ist nicht mehr das Paris unserer Kindheit

Zu einer Aussprache zwischen Oscar und André kam es auch am nächsten Morgen nicht, da sich Oscar mit ihrem Vater schon früh nach Versailles auf machte.
 

André hatte unterdessen die Unwetterschäden zu beseitigen. Das beinhaltete die abgebrochenen Äste zu zerkleinern, um sie als Feuerholz verwenden zu können, aber auch Fensterläden die beschädigt waren zu reparieren.
 

Es wartete ein Tag voller Arbeit auf ihn. Oscar bekam er nur kurz zu Gesicht, als sie an ihn vorbei ritt, während er gerade ein großes Stück Holz vom Weg der Hautallee weggeschafft hatte.
 

Sie lächelte ihm zu und sagte nebenbei „ Und vergiss nicht André, heute Abend in Paris!“ Schon war sie nur mehr von hinten zu erkennen. Ihre Stute hatte seitlich zwei große Satteltaschen, in denen sich die Bürgerliche Kleidung befand, die sie abends tragen würde. Es war ja schließlich ein geheimer Auftrag.
 

André war freudig darüber, dass Oscar heute so glücklich wirkte. Vielleicht hätten sie ja nach ihrer Arbeit am Heimweg die Möglichkeit für ein Gespräch. Es sei denn, es würde etwas dazwischen kommen.
 

Und wie Recht André mit diesem Gedanken hatte wüsste er aber noch nicht.
 

Oscar war betrunken, obwohl das nur sehr selten passierte, ein oder zwei Gläschen Bordeaux jeden Tag waren nichts Außergewöhnliches. Nein besser gesagt es war zu einem angenehmen Abendritual geworden, aber Bier. Es trug sich nur sehr selten zu, dass in eine Taverne ging um Bier zu trinken. Das letzte Mal war wohl als Luis Joseph geboren wurde.
 

Sie hoffte, dass sich die Ereignisse nicht so überschlugen wie das letzte Mal. Diesmal war zumindest Robbespiere nicht zu sehen, dafür aber der stämmige alte Wirt, der es nur all zu gut mit ihnen meinte und nicht umhin konnte ihnen noch einmal einzuschenken.
 

Dabei waren sie drei doch in einer Geheimmission. Es ging um den maskierten Rächer. Gerüchten zufolge wurden hier in dieser Taverne gelegentlich Treffen abgehalten um als Umschlagplatz für gestohlenes aller Art zu fungieren.
 

André sah Oscar besorgt an. Girodelle sah gar nicht gut aus. Sei elegant leicht gelocktes Haar hing ihm ins Gesicht und sein Kopf war leicht nach unten geneigt. Die Augen halb offen, auf der Oberlippe noch einen leichten weißen Schaum. Er wirkte gar nicht mehr so edel. Die Arbeiterkleidung, die sie als Tarnung trugen, taten ihres hinzu.
 

„Oscar wir sollten gehen! Es ist schon viel zu spät. Heute wird wohl nichts mehr stattfinden, vielleicht waren die Informationen falsch.“ ,sagte André leise.
 

„André ich bin hier im Dienst und......und......ich habe es meinem Vater......Was wollte ich gerade noch sagen, ich fühle mich irgendwie......gar nicht gut....ach ja......versprochen.“ Verzweifelt versuchte sie sinnvolle Sätze zu bilden.
 

Sie musste sich zusammennehmen, dachte sie bei sich.
 

„ Es ist unser Pflicht“, und Girodelle stand auf und fing an heraus zuprusten in einem lautstarkem Ton „gegenüber der Krone und Frankreich.......unseren Dienst......gewissenvoll zu vollführen.“
 

André schnellte um den Tisch herum „Setzen sie sich Graf“ hauchte er ganz leise zu Girodelle. Langsam sah Oscar ein, dass André Recht hatte.
 

Girodelle hatte nicht Andrés Konstitution. Er war hier fehl am Platz und das hopfenhaltige Getränk schien ihm nicht wirklich bekommen zu sein.
 

„Wir müssen für Girodelle eine Kutsche besorgen. Kümmere dich darum André.“ gab Oscar ihre Anweisung.
 

Girodelle und Oscar waren kurz nach dem André gegangen war auch noch draußen gekommen. Der voller werdende Mond spendete ihnen Sicht. Es war eine schöne klare Nacht. Plötzlich holte der Graf zu einem Geständnis aus und es sprudelte nur so aus ihm hinaus „Kommandant Oscar, ähm, ich meine Lady Oscar......eure Augen! Nie hab´ ich euch in so einem bezaubernden Mondenschein gesehen.
 

Eure Augen sind wie der tiefblaue Ozean. Wie auch euer Wesen meist ruhig und doch bedacht, unerschütterbar, dann aufbrausend und alles vernichtend, was ihm im Wege steht. Ach Oscar,.....dürfte ich Oscar zu euch sagen?“
 

„Graf Girodelle ich bitte euch...“ antwortete sie. „Es ist schon spät. Der Worte wurden heute genug gewechselt. Wir sollten es dabei belassen.“
 

Er sah sie bedrückt an, doch Oscar wandte sich von ihm ab. Sie konnte in der Ferne eine Kutsche erkennen und hoffte zutiefst es würde André sein. Und sie hatte Recht, André stieg ab vom Kutschbock, obwohl eigentlich stolperte er eher hinunter, da auch er nicht mehr ganz nüchtern war. Er kam schnellen Schrittes auf sie und Girodelle zu, packte den Grafen indem er ihn mit seiner rechten Hand den Rücken umfasste. André musste all seine Kraft aufbringen um ihn zu stützen, den Girodelle lehnte an ihm wie ein nasser Sack.
 

Bei der Kutsche angelangt öffnete er mit der freien Hand die Tür und hatte schwerste Probleme den Grafen hineinzubekommen.
 

Als er es geschafft hatte, ging er nach vorne zum Kutscher. Wechselte einige Worte und drückte ihm dann mehrere Silbermünzen in die Hand.
 

Der Kutscher gab den Pferden die Peitsche, und André schlug seinen Weg zurück zu Oscar ein, die noch immer mit dem Rücken an die Wand des Hauses gelehnt war.
 

Sie wirkte wirklich betrunken! Doch selbst das übte einen Charme auf André aus. Zu gern hätte er sie jetzt geküsst. Sie an die kalte raue Hauswand gedrückt.
 

Als er ihr Nahe genug war packte jedoch sie ihn und zog ihn zu sich ran um ihn zu küssen. Auf halben Weg wurde ihr Versuch aber durch laute Schreie unterbrochen.
 

„ Eine Kutsche, habt ihr das gesehen! Wer kann sich hier noch eine Kutsche leisten?“
 

„Das sind die verdammten Adeligen!“ schallte eine andere Stimme. „Los, kommt wir halten sie auf und nehmen uns, was uns zusteht. Die Noblen müssen ja nicht von der Hand in den Mund leben!“ hörte man den dritten Mann rufen und der Pöbel kroch aus seinen Ritzen, um die Kutsche zu verfolgen.
 

„André!“ hörte er ihre Stimme laut, wie sie so Nahe beieinander standen. „Wir müssen sie von der Kutsche ablenken! Wo sind die Pferde?“
 

„Hier drüben!“ antwortete er ihr und nahm sie bei der Hand und zog sie in eine Seitengasse.
 

Während sie aufsaßen erklärte Oscar „Wir müssen versuchen ihnen den Weg abzuschneiden. Ich komm von links du von rechts und nimm das Pferd von Girodelle mit!“
 

„Ja, Oscar versuchen wir es so!“ willigte er ein.
 

Sie ritten los so schnell sie konnten. Zu ihrem Glück war die Kutsche schon längst außer Reichweite. Sie blieben stehen und lächelten einander zufrieden zu. Nur hatten sie nicht bemerkt wie von hinten zwei Männer angeschlichen kamen und Girodelles Pferd am Zaumzeug backten, dass noch der ahnungslose André festhielt.
 

„Das ist die Entschädigung für die Kutsche!“, rief einer der Männer.
 

Jetzt hatten sie erst die Menschenmenge bemerkt, die auf sie zustürmte.
 

„Lasst das Pferd los!“, schrie André die beiden Männer, die auf einmal vor ihm standen, an.
 

„Warum, sollten wir? Ihr wollt mir doch nicht einreden, dass es eure wären. Seht euch doch nur an. Ihr habt sie ja auch nur gestohlen.“
 

Damit hatte er gar nicht Unrecht, denn André trug mit einiger Veränderung, genau das gleiche Gewand wie jene Menschen von denen sie umringt waren. Auch sah Oscar eher wie ein schlanker hübscher Bauernjunge aus, als die elegante Kommandantin der königlichen Garde.
 

„Verdammt, lasst es los!“ schrie nun auch Oscar und nahm ihre Reitgerte in die Hand, um mit ihr Auszuholen und die Männer zu vertreiben.
 

Einer der mutigeren schnellte auf sie zu, packte ihre Gerte und riss sie ihr aus der Hand.
 

Oscar verfluchte soeben die Idee mit der Verkleidung, denn es war ein Teil der Tarnung keine Waffen bei sich zutragen.
 

Ein dicker kleiner Mann hielt ihren Schimmel am Zaumzeug und die Stimme des Redeführers hallte „Na, gut wenn sie es so wollen. Holt die beiden Burschen hinunter! Vielleicht haben sie ja sogar Geld bei sich.“
 

André traf es wie einen Blitz. Wenn diese rüden brutalen Männer sich auf sie stürzen würden und merken würden, dass sie gar kein Bursche war. Sie, mit ihren gierigen Händen berühren, auf der Suche nach Kleingeld. Oscar musste sofort weg von hier!
 

Er schrie lauthals „Oscar, gib deinem Pferd die Sporen! Du musst weg von hier! Hörst du mich!“
 

„Nein, ich lass dich sicher nicht alleine zurück!“ schrie sie ihn an.
 

„Oscar, wenn ich dir auch nur irgendetwas bedeute, bitte, tu was ich dir sage. Nur dieses eine Mal. Du bist unbewaffnet und betrunken. Du kannst nichts ausrichten. Mach dir keine Sorgen um mich. Wir treffen uns auf der Straße nach Versailles.“
 

Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken André zurück zu lassen. Jedoch hatte sie begriffen warum er sich so aufregte, in jenem Moment konnte sie schon eine schwere schmutzige Hand auf ihrem Oberschenkel spüren.
 

Mit einem Tritt gegen die Schulter des Mannes schüttelte sie ihn ab, stieß ihr Pferd fest, mit den Fersen in die Flanke um los zu reiten. Die Stute wieherte laut, bäumte sich auf so, dass die dicke Gestalt, die soeben noch die Zügel gehalten hatte, vor ihr umfiel und der Schimmel zu einem Satz über ihn hinweg ausholte.
 

André konnte noch das galoppieren auf dem weit entfernten Steinboden vernehmen und war überglücklich, dass sie diesmal nicht stur geblieben war.
 

Nun ging es ihm an den Kragen. Um ihn herum befanden sich noch etwa ein Dutzend Männer. Da hatte er Geistes gegenwärtig eine Idee. Er verfluchte sich aber, dass ihm dieser Gedanken nicht früher gekommen war.
 

Plötzlich packten ihn zwei Arme unscharf und der lag binnen Sekunden am kalten harten Steinboden. Seine Hände und Knie schmerzten, denn er hatte Reflexartig versucht den Sturz ab zu fangen.
 

Als er aufblickte konnte er sehen wie zwei stämmige Männer seinen Andalusier und Girodelles Rappen fest hielten. André sprang unter Schmerzen auf, zog blitzschnell einen Beutel aus seiner Westentasche und warf einige Stücke glänzenden Metalls in die Luft.
 

Es war das Geld gewesen, das sie für den heutigen Abend zur Verfügung gehabt hatten.
 

Der Mob stürzte sich auf das funkelnde Silber, wie hungrige Tiger auf ihre Beute.
 

Das gab André die Möglichkeit zu fliehen.
 

Er versteckte sich unweit in der Nähe hinter einer Hausecke. Nahm seinen Zeigefinger und Mittelfinger in den Mund und pfiff nach seinem Pferd. Das sogleich mit einer abrupten Kopfbewegung die Hand am Zaumzeug vom dem unwissenden Mann abschüttelte und neben seinem Besitzer zum stehen kam. Leider hatte Girodelles Pferd auf dieses Zeichen nicht reagiert.
 

André kletterte schnell auf den Rücken der Stute und galoppierte los, um der Menschenmenge begreifbar zu machen, dass auch er nicht mehr einzuholen war.

Das Geständnis

So wartete Oscar vor der Stadt auf André, zuerst an der Straße. Doch dann beschloss sie einen kleinen Hügel nach oben zu reiten. So würde sie alles besser überblicken können und ihn auch gut aus der Ferne wahrnehmen.
 

Oscar wartete auf der zierlichen Erhebung, die sich vor Paris ausgebreitet hatte.
 

Sie wartete und wartete. Es war mit Sicherheit schon eine Stunde vergangen, seit sie den Hügel empor geritten war. Es fror ihr zwar noch nicht, aber trotzdem rückte sie näher an ihre Stute und schmiegte sich Hilfe suchend an sie an.
 

‚Es ist nicht aus zu denken wenn ihm was passiert ist. Ich bin daran schuld! Ich hätte bei ihm bleiben müssen, koste es was es wolle. Wie konnte ich nur ihn, meinen Geliebten alleine lassen? André warum kommst du nicht? Wo bleibst du nur?’
 

Und plötzlich spürte Oscar Angst. Ein Gefühl, dass wie eine Schlange an ihr empor kroch und sie erschaudern lies, ihr die Kehle zuschnürte, ihr Herz zum Stocken brachte.
 

Diese Empfindung war auch neu für sie. Nie hatte sie sich jemals Richtig Sorgen gemacht, doch jetzt war alles anders. So sehr liebte sie André also. Nein sie durfte nicht an das Schlimmste denken.
 

„Er kommt zurück, hörst du Oscar! Er kommt zurück!“ sagte sie halb laut zu sich selbst, um sich Mut zu machen.
 

In Gedanken richtete sie ihren Blick gegen den Nachthimmel. ‚Bitte mach, dass er wieder kommt. Ich kann mir mein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.’
 

Plötzlich wieherte Oscars Schimmel unruhig. Sie hatte etwas bemerkt und wirklich jetzt konnte Oscar auch einen Reiter erkennen.
 

Es war André. Er hatte sie schon von weitem erkannt, die Stute blitzte hell im Mondenschein. Ihr Geliebter ritt den Hügel so schnell es ging hinauf. Ohne etwas zu sagen sprang er von seinem Andalusier und ließ sich auf die Wiese fallen, die schon mit dörren Laub übersäht war. Oscar hätte ihn eigentlich gerne vor Glück umarmt. Aber sie sah wie er außer Atem war, wie sich sein Brustkorb bewegte wenn er kraftlos nach Luft rang und zum Sprechen an setzte „Es ist alles in Ordnung. Ich konnte sie heimlich verfolgen und ich weiß wo sie Girodelles Pferd hingebracht haben.“
 

„Ach André“, unterbrach ihn Oscar, „du musst nicht den Helden spielen,...es ist gefährlich so alleine...es ist nicht mehr das Paris unserer Kindheit. Es hat sich so viel verändert und man kommt nicht mehr umhin es zu sehen.“
 

„Du hast ja Recht Oscar“, erwiderte André.
 

„Es ist doch nicht so wichtig, es ist nur ein Pferd. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht“, gestand sie.
 

André setzte sich auf. „Das musst du doch nicht. Ich bin doch immer noch zurückgekehrt, aber von wegen… Wir sollten nach Hause reiten es ist schon sehr spät.“
 

„Ja das könnten wir, aber hast du es denn so eilig aufs Anwesen der Jarjayes zu kommen.
 

Wir hatten in den letzten Wochen so wenig Zeit für einander.“ erklärte sie.
 

„Da kann ich dir nur beipflichten. Gut Oscar, was möchtest du machen? Dein Wunsch ist mir Befehl. Sollen wir einen Ritt durch diese schöne klare Nacht unternehmen?“ fragte André sie.
 

Worauf Oscar nur mit einem abgehackten „Nein.“ antwortete, die Pferde an den Zügeln nahm und zu einer Baumgruppe ging. Sie band beide dort fest, dann näherte sie sich wieder dem Platz, an dem sie André fast wortlos sitzen gelassen hatte.
 

Im näher kommen sagte sie sanft „Wir bleiben einfach hier! Ich sagte doch das Anwesen meiner Familie ist nicht der richtige Ort.“
 

„Oh, Oscar!“ das waren die einzigen Worte, die er noch vor Verzückung heraus brachte.
 

Er zog sich seine Jacke aus und legte sie auf den mit Laub bedeckten Boden um ihr zumindest ein geringes Maß an Komfort zu bieten.
 

Sie setzte sich, drückte sich ganz fest an ihn, ohne eine Umarmung und hauchte vorsichtig „André ich bin nicht gut in so etwas. Ich bin nicht gut darin Dinge klarzustellen.“
 

André stockte kurz der Atem. Was sollte das jetzt bedeuten? Er hatte mit ganz anderen Worten gerechnet. Was wollte sie klarstellen? Wollte sie ihm etwa sagen, dass sie nur mit ihm Befreundet sein wollte. Hatte sie sich kameradschaftlich zu ihm gesetzt?
 

Will Oscar mit mir als Freund Zeit verbringen, oder will sie mich als Mann? Als Liebhaber, weil ich ihr so vertraut bin?
 

Würde sie mit ihren nächsten Satz all seine Träume zerbrechen oder war es ihr ernst?
 

Wäre ihr der Standesunterschied egal?
 

„Oscar was willst du klarstellen?“ versuchte André mit einer unnahbaren Stimme zu sagen. ‚Ich weiß wir haben nie wieder über diesen Vormittag im Stall gesprochen, doch ich dachte, wir beide würden erst Zeit brauchen um das in unser Leben zu integrieren. Für Oscar ist es wahrscheinlich noch viel schwieriger als für mich. Vielleicht hat die Leidenschaft sie plötzlich übermannt. Bei mir geht das schon Jahre so, dass ich mir all jene Situationen in meinem Kopf ausmale. Sie jeden Tag zu sehen hält meine Fantasie am Leben.
 

Ach Oscar, ich spüre jeden deiner Atemzüge, wenn du so Nahe an mich gedrückt bist und dein Haar, dein engelsgleiches Haar streicht sanft über meine Wange im Wind. Ich rieche zartes Rosenöl mit einer Prise Lavendel das sich geschmeidig an deinen Hals anlegt und mit deiner Körperwärme und dem Geruch der dir eigen ist vermischt.’
 

‚Ja, was möchte ich klar stellen’, überlegte Oscar.
 

‚Noch unangebrachter hätte ein Wort kaum ausfallen können. Ich möchte dir doch nur sagen, dass ich dich liebe und mir wünsche, dass wir alle kommenden Tage gemeinsam verbringen. Aber nicht mehr nur als Freunde, sondern als Liebende. Ich kann mir vorstellen Frau zu sein, an deiner Seite’.
 

Während sie so vor sich hin träumte, fingen Oscars Augen vor Rührung an nass zu werden und langsam machten sich dicke Tropfen auf ihren Wangen breit.
 

Andre merkte es als die Stille durch leicht krampfhaftes Atmen unterbrochen wurde.
 

‚Oscar weint? Oh, bei allen was mir lieb und teuer ist warum weint sie nur wieder?
 

Fällt es ihr so schwer.....so schwer mir zu sagen, dass ich nur ein Freund für sie bin?’ diese Worte drängten sich in Gedanken bei ihm auf.
 

‚Dass sie sich wünscht ich wäre jetzt wohl ein andrer, ein Graf der stattliches auftreten mit Charme gebart bietet, und kein Stallbursche.’
 

Bei diesen Gedanken machte sich Trauer und Ärger in ihm Breit. Auch André waren Tränen in die Augen gestiegen.
 

‚Warum sagt sie es nicht endlich, soll das der längste Moment in meinem Leben werden, von Verzweiflung zerrissen.’
 

André konnte nicht anders und stand abrupt auf, bäumte sich vor Oscar auf, dass ihr der Schreck ins Gesicht geschrieben stand.
 

Sie wurde so abrupt aus ihren Gedanken gerissen, fast hatte sie schon die richtige Formulierung gefunden, um ihm ihre Liebe zu gestehen und jetzt...
 

Was hatte Andre vor, konnte sie gerade noch ausholen bevor er mit nassen Augen sie halblaut anschrie „Verdammt sag es schon, so schwer ist es auch wieder nicht!“
 

Oscar schreckte hoch und stellte sich ihm gegenüber „Was meinst du? Und warum bist du so wütend. Ich habe noch gar nicht wirklich angefangen meine Gedanken fortzuführen.“
 

„Das ist es ja, sonst fehlen dir doch auch nicht die Worte, wenn du Anweisungen geben kannst!“ schnaubte er.
 

„André hast du für ein Problem?“ langsam wurde auch Oscar sauer. So hatte sie sich diesen Moment nicht vorgestellt.
 

„Ja wenn du mich so fragst, das habe ich wohl und du merkst es nicht einmal! Du merkst es seit Jahren nicht, oder tust zumindest so als würdest du es nicht merken!
 

Wie ich dich immer ansehen muss, immer bei dir sein möchte, es ist wie ein Zwang.
 

Du bist wie ein starker Magnet und ich kann mich deinem Feld nicht entziehen.“ und André rannen nur die Tränen in Sturzbächen über die Wangen.
 

„Ich kann mir das nicht länger antun Oscar. Jeden Tag bricht mein Herz langsam. Hätte ich dich doch nicht geküsst. Wärst du doch niemals in den Stall zu mir gekommen. Wie kannst du mir nur einen Finger hin strecken, eine unbändige Sehnsucht in mir entfachen, wenn ich nur mit dem ganzen Menschen glücklich werde... lassen wir es Oscar du brauchst es nicht zu sagen diese Worte müssen nicht deinen zarten Lippen entspringen.... Ich verstehe schon, dass du mich nicht liebst!“ und so drehte sich André um ging schnellen Schrittes auf die Pferde zu, band seines los, ritt davon aber rief ihr nach „Tu mir nur einen Gefallen, folge mir nicht. Oscar, folge mir nie wieder! Hörst du!“
 

Oscar war nicht dazu gekommen irgendetwas zu sagen, um alles zu berichtigen. Es sprudelte nur so aus André heraus, wie ein Wasserfall.
 

Doch jetzt geriet Oscar in Panik. Würde sie ihn verlieren? Für immer? Würde André sich vor ihr verbergen und nicht mehr für ihre Familie arbeiten.
 

Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie konnte nicht anders als ihm nach zu laufen und sie schrie aus voller Brust „André, ich liebe dich! Ich liebe dich, nur dich,......ich habe nie jemand anderen geliebt und werde auch nie jemand anderen so lieben können! Hörst du mich, André! Antworte mir......Mit dir möchte ich mein Leben verbringen. Andrrrrrrééé.........“
 

Plötzlich überschlug sich alles, sie hatte den Halt unter ihren Beinen verloren. Der Weg war sehr steinig gewesen und kleine Wurzeln zierten ihn. Die Dunkelheit leistete auch ihren Beitrag. Sie wusste nicht mehr wo oben und unten war. Alles drehte sich. Es war eine halsbrecherische Aktion gewesen, aber sie musste doch ihren André zurückholen.
 

Oscar war liegen geblieben und einige stellen ihres Körpers schmerzten. Ihr zartes Gesicht lag auf der kalten Erde auf.
 

Sie brachte nur mehr ein verzweifeltes „André.“ heraus.
 

Plötzlich hörte sie Hufschläge und vernahm eine wohlbekannte Stimme. Unter Tränen sagte André leicht lächelnd „Wenn du schon dein Leben mit mir verbringen willst, dann gib uns doch bitte mehr Zeit! Und mach nicht solche Sachen. Du hättest dir das Genick brechen können. Bist du verletzt mein Engel?“ er kniete sich zu ihr.
 

„Ich denke nicht wirklich, nur einige keine Platzwunden und Kratzer und mein Fuß irgendwie schmerzt er.“
 

Sie musste lächeln und es floss ihr nur so das Wasser aus den Augen.
 

„Ach Oscar, wie kann man nur so dumm sein wie ich“, mit diesen Worten hob André seine Oscar hoch und trug sie den kleinen Hügel hinauf.

Die Liebe und der lang ersehnte Frieden

An dem Platz auf dem sie sich vorher befunden hatten, lag sogar noch Andrés Jacke.
 

Unberührt von den Streicheleinheiten der Luftströme, denn der Wind war für diesen Abend nur ruhiger Beobachter gewesen. Er vermochte es nicht einmal mit den welken Blättern zu spielen, die nur mehr wie von Geisterhand an den Bäumen gehalten wurden.
 

André legte Oscar vorsichtig auf den zur Gänze aus gekühltem Stoff und strich dabei sanft mit seinen Lippen über ihre Stirn. Erst jetzt konnte er durch den hellen Mondenschein einige Stellen erkennen an denen ihr Hemd Blut auf gesogen hatte.
 

André war besorgt! „Du hast dich schlimmer verletzt als du zugibst!“
 

„Ach es sind doch nur Kratzer!“ entgegnete Oscar selbstsicher. „Bring mir bitte mal Wasser! Du weißt ja wo es ist? In der linken Satteltasche“, bei diesen Worten war André schon aufgesprungen um ihrem Wunsch folge zu leisten.
 

Oscar betastete währenddessen vorsichtig ihren linken Knöchel. Sie konnte den Fuß noch in jede Raumdimension bewegen, er schien nur verstaucht. Auch wenn er von innen heraus sehr hitzte. Langsam berührte sie mit ihren Händen Stück für Stück ihres Körpers, es war so weit alles in Ordnung, nur am rechten Ellbogen klaffte eine kleine Platzwunde und die linke Hüfte war wohl böse aufgeschürft. Sonst gab es nur kleinere und größere Kratzer.
 

Doch Oscar wollte lieber auf Nummer sicher gehen, so öffnete sie behutsam ihren Hemdkragen um ihren Körper genauer betrachten zu können.
 

Nein es war wirklich nicht so schlimm. Es war wohl nur der erste Schock gewesen.
 

Im selben Moment stand auch schon André wieder vor ihr „Hier Oscar.“ und er reichte ihr eine Flasche. André riss sich plötzlich das Ziertuch von seinem Hemd ab.
 

„Hier.“ er hielt ihr die Leinenstücke hin. “Nimm nur.“ War seine nächste Aussage.
 

„Soll ich dir helfen deine Wunden zu säubern? Oder sollten wir vielleicht doch einen Arzt aufsuchen?“
 

„Zu dieser Stunde?“, bemerkte Oscar. „Es geht schon. Mach die keine Sorgen. Das ist wirklich nicht schlimm. Ich hab schon ganz andere Sachen mit dir erlebt!“
 

Oscar tunkte während ihrer Konversation die Fetzen in das Wasser und säuberte genauestens ihren Ellenbogen. Nahm als nächstes einen Ärmel von ihren Hemd und versuchte den Stoff mit dem glänzenden Dolch, den sie immer bei sich trug, zu zertrennen.
 

Als sie es geschafft hatte bemühte sie sich ihren Arm zu verbinden. André konnte nur mit einem Schmunzeln zusehen. Typisch Oscar. Wie stur sie nur war. Selbst wenn ihr eindeutig eine Hand fehlte, würde sie immer davon ausgehen keine Hilfe zu benötigen.
 

Während sie weiterhin versuchte einen Knoten zu machen, jedoch ohne großen Erfolg, konnte André nicht länger zusehen und sagte „ Komm schon, gib mir deinen Arm.“ und welch Wunder sie widersprach ihm auch diesmal nicht.
 

André hatte im Handumdrehen den Verband am Arm befestigt und verknotet. Oscar musste lächeln wahrscheinlich wusste sie genau wie stur sie normaler weise war.
 

Sie lehnte sich glücklich an André, der sich gerade zu ihr gesetzt hatte. Sie saß mit ihren Rücken an seinen Bauch gedrückt, so dass er sie gut mit seinen Armen um schließen konnte und sie beide in die gleiche Richtung blickten.
 

„Na, das haben wir heute wohl noch gebraucht. Weil unser Leben ja so unspektakulär ist.“ meinte André. Oscar konnte nur zustimmen „Ach André jetzt ist ja alles in Ordnung.
 

Es tut mir Leid, falls dich mein Verhalten irgendwann verletzt hat. Das war nie meine Absicht.“
 

„Das weiß ich doch.“ entgegnete er liebevoll. „Ich war vorher nur zu aufgebracht. Ich hatte Angst, dass meine schlimmsten Befürchtungen zutreffen würden.“
 

„Niemals...deine schlimmsten Befürchtungen sind auch meine schlimmsten Befürchtungen!“ Oscar veränderte leicht ihre Position und legte ihren Kopf in seine Halsbeuge und küsste ihn zaghaft und im nächsten Moment stoppte sie und ihre Augen wurden feucht „André, ich bin wirklich glücklich. Unaussprechlich glücklich.“
 

„Ich weiß genau was du meinst.“ erwiderte er.
 

So legten sie sich langsam einander zugewandt, auf die braun melierte Stoffjacke die er vor knapp einer Stunde ausgebreitet hatte, nieder.
 

André musste sie einfach küssen und sich immer wieder vollständig ihrem Geschmack hingeben. Es fühlte sich so gut an, schöner hätte der sinnlichste Traum nicht sein können.
 

„Oscar ich liebe dich. Seit immer schon. Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe.
 

Werde mein…“ bat er sie.
 

„Ich bin doch schon dein, schon sehr lange. Auch wenn du oder ich es nicht bemerkt habe.“ Sie musste lächeln.
 

„Ach mein Engel, die menschliche Sprache reicht nicht aus um die richtigen Worte für die Essenz deines Wesens zu finden.“ Mit diesen Worten zog er sie langsam unter seinen Körper.
 

Sie konnte Andrés kräftigen Leib über ihren spüren. Er war so männlich, so hinreißend und erregend.
 

André küsste sanft ihre leicht geöffneten Lippen. Seine starken Arme hielten sie fest.
 

Sie war seine Gefangene, sie konnte ihm nicht mehr entkommen und das wollte sie auch nicht. Oscar wünschte sich nichts sehnlicher, als mit diesem Mann hier Intimitäten auszutauschen.
 

Er liebkoste weiter sanft ihren Hals und war im Anschluss zu ihrem rechtem Ohr vor gedrungen. An jenem knabberte er, wie an dem ersten frischen Keks zu Weihnachten. Dann stoppte er kurz und flüsterte „Oscar mein Liebling, willst du das jetzt wirklich hier?
 

Hast du nicht noch Schmerzen? Du kannst ruhig ehrlich zu mir sein. Mir ist alles Recht, es soll nur für dich in Ordnung sein.“
 

Sie hauchte „Es geht mir gut, André. Es ist mir noch nie besser gegangen. Wir warten doch schon viel zu lange. Der Ort ist doch egal. Wichtig ist nur, dass wir einander lieben.
 

Ach André, mein Geliebter, lassen wir es geschehen. Ich liebe dich.“
 

„Ich liebe dich auch, mein Engel.“ musste André ihr ins Ohr flüstern.
 

Er küsste sie leidenschaftlich und zog seine Geliebte immer mehr in seinen Bann, bevor er ihr vorsichtig das Hemd öffnete. Ihr Oberkörper lag nackt vor ihm und er konnte nicht anders, als jeden Quadratzentimeter ihrer Schönheit zu betrachten.
 

Alles wirkte so surreal, ihr Körper hatte im Mondenschein Farben wie Elfenbein und Perlmutt angenommen. Sie hätte genauso die leblose Statue einer Göttin sein können, mit ihrem lockigen ausgebreiteten Haar.
 

Oscar musste ihren Liebhaber wieder zu sich ziehen. Die Trennung dauerte ihr schon zu lange. Sie küsste ihn stürmisch und öffnete langsam die schleife seines Haarbandes.
 

Andrés dunkle Locken fielen sogleich auf ihr Gesicht, doch er warf gekonnt seinen Kopf beiseite, dass sich die Haarpracht neben ihre Gesichter gesellte.
 

Schwarze vermischten sich mit blonden Strähnen. Sie verwoben sich schier in einander. Jeder Teil ihrer Körper wollte sich dem Liebesspiel hingeben. Immer mehr miteinander verschmelzen.
 

Der nächste Kuss schien unendlich lange zu dauern. Sie waren beide schon in eine Art Trance gefallen. André war dann doch der jenige, der die Position wechselte. Was auch daran gelegen haben mag, dass er mehr Spielraum zur Verfügung hatte. Da Oscar von seinem Körper zu Boden gedrückt wurde.
 

So fuhr er fort mit seinem durchdachten Plan ihren Körper Stück für Stück zu erobern. Deshalb setzte er nicht schon wieder bei ihrem Hals an, sondern tastete sich zu ihren zarten Brüsten vor. Oscar konnte unterdessen nicht mehr anders, als immer lauter zu atmen.
 

Sie spürte ihren Körper zunehmend pulsieren in Verzückung für den Moment.
 

André wollte es ihr aber nicht so leicht machen.
 

Seine Geliebte sollte nicht sofort alles bekommen, wonach ihr dürstete. Er würde sie noch ein bisschen auf die Folter spannen. So wanderte er abwärts zu ihren Rippenbögen, küsse an ihnen gefühlvoll entlang, um sich darauf sogleich ihrem Bauchnabel zu widmen.
 

André zog mit seinen Lippen Kreise auf ihrer Bauchdecke. Er malte symmetrische Muster mit seiner warmen Zungenspitze. Nur um sie auf das kommende langsam vorzubereiten.
 

Seine Lippen folgten dem vorbestimmten Pfad zu ihrem Hosenbund, den er sogleich mit seinen Zähnen, fast ohne Hilfe der Finger öffnete.
 

Seine Hände schoben ihr das letzte Kleidungsstück über ihre langen schlanken Beine.
 

André wollte schon loslegen, als er die schlimme Schürfwunde an der Hüfte entdeckte, von der er noch nichts geahnt hatte. Vorsichtig strich er mit seinen Fingerkuppen darüber und platzierte sanfte Küsse darauf.
 

Oscar schien gar nicht mehr zu merken, dass irgendetwas vorgefallen war, dachte er glücklich. Er hätte sie zu einem Arzt gebracht, aber sie war anders.
 

Anders als andere Frauen, auch wenn er sich immer vorgestellt hatte...in einem Bett, doch schien das nicht so ihren Charakter wieder zuspiegeln. Sie brauchte etwas heftigeres was außergewöhnlicheres, so wie auch ihr gesamtes Leben war.
 

Hier war genau der richtige Ort. Ein Hügel der über Paris thronte, von dem man in der Ferne das Leuchten Versailles am Horizont erkennen konnte.
 

André wandte sich wieder ab von ihrer Verletzung und küsste sanft die Innenseiten ihrer Oberschenkel. Er tastete sich immer näher zum Zentrum ihrer Sinnlichkeit vor.
 

Oscar warfen die vor ihr stehenden Empfindungen aus allen Wolken.
 

‚Oh mein Gott was macht er da nur? Ich kann nicht mehr klar denken. Was.........Ahhhhh’
 

„Ja, André...hör’ nicht auf...Oh, mein Gott.....ja.....mach’ weiter!“ platzte es aus ihr heraus. Im selben Moment war sie auch schon erschrocken über sich selbst.
 

Sie konnte ihren Körper nicht mehr ruhig halten. Es war als würde ein Magnet sie einmal in die eine Richtung drehen um sie dann wieder von der anderen Richtung abzustoßen. Alles spielte verrückt, ihre Gedanken, ihre Empfindungen und ihr Körper.
 

Ja jetzt war sie soweit, dachte André bei sich. Er änderte seine Position, dass er wieder sich mit seinen Armen neben ihr abstützte und auf ihr zu liegen kam.
 

Sie war völlig trunken von Lust, zerrte an seinem Hemd.
 

„André, zieh dich aus!“ musste sie ihm Befehlen. Es war für ihn ein Zwang ihrem Befehl sogleich Folge zu leisten. Sie packte mit ihren beiden Händen seinen muskulösen Rücken, als ihr auffiel, dass er die Hose ja auch noch nicht unten hatte. So mussten ihre Hände vorher den Weg zu seinem Hosenbund finden. Sie öffnete ihm die Hose binnen von Sekunden, was gar nicht so leicht war, da sie ja unter ihn lag. Oscars Entschlossenheit veranlasste André ihr beim Abstreifen zu Hilfe zu gehen.
 

Geschafft. Jetzt war er endlich nackt. Sie konnte seinen kräftigen warmen Körper auf dem ihren spüren. Es war endlich soweit, in Bruchteilen von Sekunden würde sie ihren Geliebten völlig spüren. Er presste sich an sie heran. Sie küsste ihn lustvoll und hob langsam ihre Beine an, um sie hinter seinem Rücken zu verschränken.
 

„Ich bin ganz vorsichtig.“ hauchte ihr André unter Küssen entgegen.
 

Im nächsten Moment spürte sie auch schon einen Schmerz in ihrer Beckengegend. André bewegte sich augenblicklich nicht mehr, als er merkte, wie sie vorsichtig atmete und von seinen Lippen kurz abließ. Er hielt sie fest in seinen starken Armen und blickte ihr in ihre glasklaren tiefblauen Augen. Oscar erwiderte seinen Blick. Es war als würde er durch sie hindurchschauen und ihre Seele erblicken. Eine kosmische Welle verband beide.
 

Nach diesem Moment inniger Liebe fing Oscar nochmals an André zärtlich zu küssen, dann immer heftiger.
 

Ihre Körper verschlangen sich immer weiter in einander. Bewegten sich im selben Takt. Es war so leicht. Es schien das Einfachste auf der Welt zu sein, mit André im Rhythmus zu bleiben. Beide atmeten, keuchten, stöhnten. Sie kamen an einem Punkt wo es kein Halten mehr gab. Ihre Körper pulsiertem im Gleichklang. Das Blut war völlig in Wallungen versetzt und Hitze umgab sie. Und plötzlich schien die Welt still zu stehen. Alles fügte sich in diesen einen Moment, unbeschreiblicher Lust.
 

Kein Gedanke war mehr vorhanden, der sie trennte. Es war als hätten sie nie ohne den andern existiert. Niemals als Individuum. Immer zusammen. Einfach Eins.
 

Doch augenblicklich, so langsam sich die Erregung angebahnt hatte, so schnell flachte sie wieder ab und ein Gefühl der völligen Zufriedenheit nahm ihren Platz ein.
 

Ihre Blicke trafen sich erneut und jeder lächelte den andern in gänzlicher Befriedigung an.
 

Sie drehten ihre nackten Körper und Oscar kroch auf André. Ihr Kopf hatte es sich auf seiner Brust gemütlich gemacht.
 

Noch immer nahm sie das Laute schlagen seines Herzens war. Das regelmäßige Geräusch versicherte ihr, dass es kein Traum gewesen war. Ja, sie war wirklich hier, bei ihrem Geliebten. Er streichelte zärtlich ihr Haar und sie konnte nicht anders als mit ihren Händen immer wieder über seine Brust zu gleiten. Sie spürte dass seine Hautoberfläche mit kleinen Schweißperlen besetzt war. Das intensivierte nur noch seinen sinnlichen Geruch.
 

‚André ist so verdammt anziehend. Einfach perfekt.’
 

Mit diesen Gedanken richtete sie sich langsam auf, bis sie auf ihn in einer angenehmen Stellung zum Sitzen kam.
 

Nun beugte sie sich langsam vor, legte ihre rechte Hand unter seinen Nacken und küsste André sanft. Im nächsten Moment merkte sie aber, wie ihr volles Haar dem Liebesspiel im Weg war. So warf auch sie lasziv ihren Kopf zur Seite, wie vorher André und ihrer beide Locken hatten wieder die Möglichkeit sich ineinander zu verstricken.
 

Bei dieser Bewegung konnte André nur erstaunt sagen „Oscar, noch einmal?“
 

Sie nickte nur schmunzelnd.
 

„Na gut, dann möchte ich mal nicht so sein, und lass dich gewähren.“ neckte sie André.
 

„Wie lieb von dir“ Erwiderte sie ihm leicht lachend. „Aber keine Sorge, diesmal werde auch ich das Kommando übernehmen.“
 

„Daran hatte ich auch keinen Zweifel. Du bist ja so ein begnadeter Kommandant!“ gab André zurück. Beide mussten lachen.
 

Nach dieser kleinen Neckerei widmeten sie sich dann wieder lieber ihrem Liebesspiel.
 

André glitt mit seinen Händen ihren Rücken entlang, seine Fingerkuppen wanderten immer in verschiedenen Variationen über ihre nackte Haut.
 

Oscar war noch immer zu ihm gebeugt und küsste seine Lippen, seine Wangen, fuhr vorsichtig mit halb geöffneten Lippen über seine Augenbrauen und liebkoste seine Stirn. Dabei hielt sie mit liebevollen und doch bestimmten Griff seinen Hinterkopf. Nachdem sie sein Gesicht zunehmend mit Zärtlichkeiten versorgt hatte, bäumte sich ihr Oberkörper auf.
 

Ihr schlanker Hals reckte sich nach oben, ihre wallenden Haare fielen ihr rücklings über die Schultern. Ihren Blick richtete sie in den Himmel, nachdem ihre saphirblauen Augen den Glanz der Sterne eingefangen hatten schloss sie ihre sinnlichen Lieder die mit der Wimpernpracht eines Engels gesäumt waren.
 

Oscar ließ sich völlig in ihren Körper fallen. Gab sich ganz der Bewegung ihres Beckens hin. Sie konnte Andrés Finger auf ihrem Oberkörper spüren, die sie gefühlvoll erregten.
 

Seine gekonnten Berührungen veranlassten sie in einen schnelleren Takt überzutreten. André nahm mit Freude war, wie Oscar zunehmend mehr in den Rausch der Lust glitt. Ihre Bewegungen waren so berauschend, so prickelnd. Sie war einfach für ihn geschaffen.
 

Oscar war die Speise der Götter, Ambrosia und ihm als sterblichen war es vergönnt, diesen Nektar zu trinken, ihn sich auf der Zunge zergehen zu lassen, mit ihm völlig zu verschmelzen und in den Olymp gehoben zu werden.
 


 

So begann die Zeit zu rennen und auch dieser phänomenale Höhepunkt würde nur einer sein, einer, von so vielen anderen. Sie hatten ihr gemeinsames Leben noch vor sich.
 

In völliger Erschöpfung lies sie ihren Oberkörper auf den ihres Geliebten fallen. Für einen zarten Kuss um seine Lippen zu berühren war gerade noch Zeit, bevor sich ihrem Körper ein unbeschreibbares Gefühl annahm.
 

Oscar richtete sich auf, saß weiterhin auf André, ihre Augen nochmals in dem sternenklaren Nachthimmel gerichtet.
 

Obwohl es ein äußerst warmer Herbsttag war kam eine kühle Brise auf, die ihre Haare in der Luft hielt und mit ihren Strähnen spielte. Ihr Körper war nackt, völlig bloß bis auf einen Hemdärmel, der um ihren rechten Ellenbogen gebunden war.
 

Sie konnte das Treiben der bunten Blätter beobachten, die aber in der Schwärze der Nacht all ihre Farben verloren hatten und wie verschwommene Grautöne wirkten.
 

Plötzlich nahm die Intensität des Windes zu, die milde Brise gehörte der Vergangenheit an. Das Spiel der Luft wurde zunehmend tosender. Oscars Haare wurden nun schier in der Luft zerrissen. Wie eine wütende Bestie stürzten sich die Luftmassen auf sie. Ihre Haut schmerzte schon unter der Kälte. Wie tausend Nadelstiche bahnten sich die Luftpartikel den Weg in ihr Gewebe. Sie war starr, völlig bewegungslos, als wäre es nicht mehr ihr Leib.
 

Unter Schmerzen die sich zunehmend in ihrem Körper breit machten richtete sie ihre letzten verkrampften Worte an André, ihren Geliebten, der noch immer unter ihr lag und von all dem Treiben nichts mitbekam.
 

Für André war es ein warmer Tag im Herbst gewesen und eine Nacht in der die Natur ihre Liebe für sie beide zeigte und ihnen blendendes Wetter und Sterne schenkte so weit des Auge reicht.
 

Dass Oscar seine Geliebte im Sterben lag bemerkte er nicht!
 

Da sie von der Realität eingeholt worden war und er nur ein Konstrukt einer Frau war, die ihr Verhalten ihm gegenüber bereute und sich auf diese Weise entschuldigen wollte.
 

Er existierte nicht! Nur in ihrer Phantasie, mit ihr würde auch er gehen.............
 

„André, hörst du mich! ICH LIEBE DICH! Und ich bereue es! Dass es nicht anders gekommen ist! Dass unser Leben nicht wie dieses hier war! Dass ich es zu spät erkannt habe! Dass ich meine Liebe immer zurück gehalten habe! Vergib mir! Erst dann kann ich in Frieden gehen!“
 

„Ich versteh zwar nicht was du meinst Oscar und wohin du willst, aber ich kann dir alles vergeben. Nur Liebe kann alles vergeben. Diese bedingungslose Liebe habe ich immer für dich empfunden, mein Engel!“
 


 

Mit diesen Worten war Oscar Francois wieder im Paris des Jahres1789.
 

Sie spürte die raue Militärdecke, in die sich ihre Finger vergraben hatten um Wärme zu finden und roch den Geruch des in der Nähe stattfindenden Gefechts. Das Schießpulver und das Feuer brannten in ihrer Nase.
 

Plötzlich ertönt eine Stimme, die sie kurz in die Realität zurückholte.
 

Es war Bernard. „Oscar kannst du sie hören? Die Stimme des Volkes! Sie stürmen die Bastille!“
 

Diese Worte, diese Sätze sollten die letzen sein, die sie in ihrem Leben zuhören bekommen würde.
 

Mit diesem Wissen breitete sich endgültig Zufriedenheit in Oscar aus und sie schloss ihre wunderschönen blitzblauen Augen, die schon von den Schatten des Todes umgarnt wurden, für immer und hauchte „Adieu.“
 

Nie wieder würden sich ihre Lippen bewegen, noch einen Funken der Farbe des Lebens zieren. Sie waren bleich, schal und matt geworden. Ihnen fehlte jetzt schon jede Feuchtigkeit. In einigen Minuten würden sie zu hartem Pergament werden, zu leblosem Stein. Oscar würde zu der gläsernen Statue einer Göttin werden. Wie die, die André im Mondenschein gesehen hatte, aber aschfahl, ohne Regung und ohne Leben.
 

Mit der Erinnerung an ein Leben mit ihrem Geliebten, das hätte sein können. Ein Traum, der in seiner Einzigartigkeit ihr das vergebene Glück schenkte und doch nicht war. Nicht auch nur einen Hauch der Realität wieder gab. Aber ihr den Frieden gewährte, den sie gesucht hatte. Die bitter weinende Rosalie war nicht mehr Teil ihrer Wahrnehmung, denn es wurde dunkel um Oscar.
 

Der Schleier der schwärzesten Nacht breitet sich um ihren Körper aus und Schatten der Finsternis schmiegten sich schon an ihren Leib. Auch war die Empfindung der Kälte weiterhin immanent. Es war die Kälte des ausbrechenden Winters. Der Winter des endenden Lebens, dem man nie gewahr werden kann, solange sich noch warmes Blut einem durch die Adern ergießt.
 

Und doch friedlich, wie das langsame Erfrieren an einem Morgen im Januar, bevor die ersten Strahlen der Sonne das Antlitz benetzen und sich über die weißen verschneiten Felder, des Leichentuchs der Welt ergießen.
 

Man möchte schlafen, sich einfach hingeben, weil die körperliche Hülle zunehmend lebloser wird und bald nicht mehr Teil der eigenen Empfindung ist.
 

Man fühlt beinahe nicht mehr den Schmerz, der erfrierenden Glieder. Und ergibt sich langsam in die Seeligkeit des gehen Wollens, und Könnens.
 

In das Vergessen, dass man jemals war.
 

Und so spürte Oscar Francois, wie sich ihr Körper ein letztes Mal regte, aber es fühlte sich fremd für sie an, wie aus vergangener Zeit.
 

Als wäre ihr Körper schon weit entfernt und ihr Geist hätte schon die Verbindung zu ihm verloren. Leere und Dunkelheit machten sich auch zunehmend in ihrem Bewusstsein breit. Sie hatte nie Angst vor dem Sterben, als Soldat musste man immer damit rechnen. Es war ein Teil des Lebens. Und plötzlich nach diesem letzten Gedankengang zog sie die Finsternis in einen Abgrund, in einen tosenden Strudel des Nichts. Sie war willenlos ausgeliefert und fiel. Oscar fiel.
 

Sie konnte sich nicht erwehren. Es versagten ihr in jenem Moment alle Sinne, alle Gedanken, Gefühle und Empfindungen.
 

Nichts war mehr!
 

Alles was jemals war, war vorbei!
 

Und es hatte nie irgendetwas existiert!

Epilog: Endlich, erwacht!

‚Ahhhhhhhhhhhhh......................’
 

Oscar spürte wie sie zwei Arme heftig schüttelten, Finger die sich in ihr Seidenhemd krallten und die vertrauteste Stimme der Welt.
 

„Oscar, Oscar wach endlich auf!“
 

André?
 

Hatte das gerade André zu ihr gesagt?
 

André?
 

Das konnte doch nicht sein?
 

André war doch... Sie hatte ihn mit ihren eigenen Augen sterben gesehen.
 

Oscar, fühlte noch immer diese Empfindung, wie ihr das Herz aus der Brust gerissen wurde.
 

Ab diesem Zeitpunkt war sie die Gefangene einer Welt in der es nur noch Grautöne gab. Er war das Spektrum des Lichts gewesen. Mit seinem Tod irrte sie umher in unsagbarer Qual.
 

Sie wollte nur noch laufen, ewig rennen ohne ein Ziel vor Augen, getrieben von Verzweiflung. Die Kraft für eine Pause fehlte ihr. Und die Welt wirkte so getrübt, Nacht, Nebel, dunkel und leblos. Die einzigen Farben waren die roten Blutpigmente auf ihren weißen Handschuhen und das unaufhörliche Brennen in ihrer Lunge das sich ihr als rote Feuerzungen verbildlichte.
 

Ihr Körper war verwoben in einer zähflüssigen Masse in einem Netz, dass ihr die Flügel verklebte. Sie lebte in der Erinnerung. Der Vergangenheit, in der alles einfacher war.
 

In der er noch da war!
 

Jetzt könnte mit jeder Bewegung die ihre Welt völlig zerbrechen. Vor ihr taten sich Abgründe auf, wie das tiefe Meer und sie waren unüberwindbar.
 

Irgendwann wünschte sie sich nichts sehnlicher als hinab gezogen zu werden, hinab zu stürzen. Endlich aufhören können zu atmen, zu ersticken. Oscar wünscht sich, dass sich ihre Lungen endlich mit dem trüben Wasser füllen mögen mit dem letzten Geschmack des Lebens, Salz, das dem Mund den Speichel entzieht, dass sie nur noch nach mehr schnappen lässt. Einige Minuten der höllischen Qual, dann war alles vorbei. Und sie dachte daran wie leicht es wäre, das Leben auf diese Weise enden zu lassen. Einfach in der Unendlichkeit zu versinken. So lag sie zusammen gekauert am Steinboden. Die Seine war so nah. Sie hätte sicher nicht mehr die Kraft gehabt, gegen die Fluten anzukommen. Sie könnte es jetzt tun.
 

Jede Sekunde war sinnlos. Ihr Leben hatte seine Bedeutung verloren.
 

„Oscar!“
 

Sie hörte ihn wieder! Ja, er war es wirklich.
 

Sie riss ihre Augen auf und im nächsten Moment, ohne zu wissen was sie tat, lag sie auch schon in seinen Amen.
 

„André, du weißt gar nicht wie froh ich bin!“ musste sie unter Tränen gestehen um klammerte sich fest an seinen Körper.
 

André wusste wiederum gar nicht wie ihm geschah und erwiderte ihre Geste nur zögerlich.
 

Er schien wirklich verwundert.
 

Plötzlich schreckte auch Oscar zurück. Jetzt merkte sie erst, dass er sich anders für sie anfühlte.
 

Sie löste vorsichtig ihre Umarmung und brachte Abstand zwischen sich und André, dann wischte sie mit ihrem Hemdzipfel das salzige Wasser von ihren Wangen ab. Oscar setzte sich ihm gegenüber in die Wiese.
 

In jenem Augenblick wurde ihr erst bewusst wo sie waren. Sie hatte zwar schon vorher das zarte frische Gras unter ihren Handflächen gespürt, doch hatte sie ihren Empfindungen misstraut.
 

Die Bilder die ihr Geist produziert hatte waren viel realer gewesen, als die körperliche Wahrnehmung.
 

Der See, der hell schimmerte, das goldgelbe Sonnenlicht reflektierte. Das gleißende Licht schmerzte fast schon in ihren Augen. Ihr Schimmel der am Ufer stand und die zarten Spitzen des frischen Schilfs fraß. Jedes mal wenn er an den dünnen Halmen anzog, wurden kleine kreisrunde Wellen geschlagen, die sich zunehmend ausdehnten und das Spiegelbild des Ufers verschwimmen ließen, zerstörten und neue verwaschene Bilder ihren Augen boten.
 

Oscar musste vor Glück lächeln dieses Bildnis des Friedens wirkte so surreal, so unwirklich und doch war es wunderschön. Ein Seufzer des Glücks entwich ihren Lippen und ihr Pferd drehte seinen Kopf in ihre Richtung und wieherte um ihr zu antworten.
 

Oscars Verzweiflung wich langsam.
 

Alles was ich liebe lebt, machte ihr ihr Geist begreiflich und so wanderte ihr Blick zu dem sie verdutzt anschauenden André. In seinen Augen konnte Oscar noch die Unschuld erkennen, die, die Jahre, des Trauerns und des Bürgerkriegs weggewaschen hatten.
 

Ja es war André.
 

Nur war er ein Junge! Er hatte ein zartes rosiges marmorfarbenes Gesicht, das durch weiche Züge gekennzeichnet war. Die ausgeprägte knochige männliche Kantigkeit fehlte. Er war ein junger Mann vielleicht gerade einmal fünfzehn Jahre alt.
 

„Oscar.“ Unterbrach er sie wieder.
 

„Was ist denn los mit dir? Ich habe mir Sorgen gemacht! Sorgen, ob dich mein letzter Schlag vielleicht zu stark verletzt hat. Du hast so lange auf der Wiese gelegen. Aber, frag mich nicht wie lange, denn scheinbar war ich selbst eine gewisse Zeit ohne Bewusstsein. Du hast aber auch einen rechten Hacken!“ Musste er schmunzelnd hinzufügen.
 

„Letzter Schlag? André, ich verstehe nicht ganz?“ erkundigte sie sich.
 

„Sag nicht, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst. Wir hatten einen Streit! Geschlagen haben wir uns sogar.“ Er machte eine kurze Pause und senkte seinen Blick. „Ich hätte nie gedacht, dass ich dich jemals schlagen könnte, aber du hast mich so wütend gemacht.“ erklärte er ihr.
 

„Ach, ja der Streit. Ich erinnere mich vage.“ Antwortete sie etwas verwirrt.
 

„Oscar, es tut mir leid...“ aber er kam gar nicht mehr zum Weitersprechen.
 

„Nein, André mir tut es leid. Ich habe dich an jenem Abend belauscht, wie du mit meinem Vater gesprochen hast.“ Musste sie ihm gestehen.
 

„An jenem Abend,... das war gestern, Oscar.“ Er überlegte. „Jetzt ist mir alles erst richtig klar. Oscar, ich wollte doch nie deine Entscheidung beeinflussen. Ich bin nicht hier her gekommen um den Willen deines Vaters auszuführen. Ich...“ und auch diesmal fiel sie ihm ins Wort.
 

„Ich weiß doch, es war ein Missverständnis. Reden wir nicht mehr darüber André.“
 

Diese alte Geschichte muss ich wirklich nicht noch einmal aufgerollt haben. Doch warte mal, sagte sie gedanklich zu ihrem Ich. Das ist nicht die Vergangenheit. Das ist jetzt erst passiert.
 

Ich muss mehr auf meine Worte achten.
 

„Gut, Oscar, aber lass dir noch sagen, dass ich nie, dich oder deine Entscheidung beeinflussen wollte. Das einzige was mir am Herzen liegt, ist dass du glücklich wirst! Aber genug davon,...“ und André versuchte geschickt abzulenken.“... erzähl mir warum du so geschrieen hast. Ein schlechter Traum? Und diese Freude? Warum hast du dich so gefreut mich zu sehen, nachdem ich dich geschlagen habe? Scheinbar hattest du die Schläge vergessen, oder?“ fragte sie ein noch immer leicht verwunderter André.
 

„Wie soll ich dir dass nur erklären?“
 

Und Oscar stocherte nervös mit einem kleinen Stöckchen im Erdboden.
 

Die Erde war hart und lehmig. Selbst wenn sie die ganze Kraft ihrer rechten Hand einsetzte, brachte sie nur winzige braune Klumpen zum Vorschein und dann brach auch noch das kleine Holzstück, das dem übergroßen Druck einfach nicht mehr standhalten konnte.
 

‚Verdammt’ dachte Oscar und im ersten Moment wusste sie gar nicht, was sie mehr störte. André ihre Gefühle zu offenbaren, oder einzusehen das sie wieder in ihr altes, neues Muster fiel und ihm nur ausweichen wollte.
 

Sei es durch einen Themawechsel oder durch andere Handlungen. ‚Nein’ dachte sie bei sich. ‚Komm, schon Oscar! Du hast keine Angst als junge Frau der königlichen Garde beizutreten, noch hat dich jemals eine kämpferische Auseinandersetzung beunruhigt.
 

Doch diese Situation verschafft mir ein flaues Gefühl im Magen. Eine Empfindung als wäre dieser Moment alles bedeutend für die Zukunft.
 

Aber ich werde nicht zaudern, diesmal nicht. So schlimm ist es doch auch nicht Gefühle zu zeigen. Es impliziert nicht Schwäche, sondern Stärke. Jemand zu sagen, dass man ihn gern hat.’
 

Und so hatte sie beschlossen André nicht mehr die kalte Schulter zu zeigen.
 

“André ich war einfach glücklich dich zu sehen! Sehr glücklich, dass du mir wieder dein Lächeln schenkst. Ein Traum, gute Frage…
 

Ich dachte ich wäre gestorben. Und nicht nur das. Ich habe dich sterben gesehen. Es war so real. Ein ganzes Leben. Ich war so traurig. Unheimlich unglücklich! Und der Traum? Der andere… Alles ist so verwirrend! Ich wünschte du wärst noch am Leben gewesen. Weil ich dich so...“
 

‚Verdammt ich kann ihn doch nicht sagen dass ich ihn so...sehr liebe.
 

Moment mal, dass ist doch alles gar nicht passiert?!
 

Warum fühle ich dann so?
 

Liebe ich dich? Liebe ich dich wirklich André?
 

Kann das so plötzlich kommen?’ fragte sich Oscar.
 

‚Kann man jemanden lieben. Nur weil man es sich erträumt. Aber wenn doch alles real war?
 

Sind das echte Gefühle, reale Gefühle, die ich für dich empfinde. André?’
 

Und sie konnte sich nur eine Antwort geben, nämlich- Ja!
 

‚Ja, André Grandier ich liebe dich, mit meinem ganzen Herzen!’
 

„Oscar, es tut mir leid, aber ich bin überhaupt nicht mitgekommen. Ich konnte dir nicht folgen. Und was war noch einmal mit mir? Du hast den Satz nicht beendet.“
 

‚Ich kann ihm aber nicht die Wahrheit sagen. Dass ist zuviel. Ich darf diesen Satz nicht beenden. Diesen Satz der mir die Welt bedeutet. Ich darf ihn nicht vor den Kopf stoßen.
 

Ich weiß zwar dass mich André wohl lange Zeit geliebt haben muss. Doch weiß ich nicht wann für ihn alles angefangen hat.’
 

Deswegen führte sie ihren Traum weiter aus um von ihrem Geheimnis abzulenken.
 

„Ach, André ich habe eine furchtbar schlimme Zukunft gesehen. Es gab einen Bürgerkrieg. So viele Menschen mussten sterben!“ Diese Worte ließen sie sehr betrübt wirken. So traurig kannte er sie nicht. Ein vierzehn jähriges Mädchen, dass die Schultern hängen ließ, als hätte es das Leid der Welt gesehen und eine Mimik, die ihm verriet, dass Schmerz unauslöschbare Zeichen hinterlässt, er schreckt weder vor Jugend noch vor Schönheit zurück.
 

„Oscar, ich verstehe das alles nicht. So lange warst du doch nicht weg.“
 

‚Der arme André würde wohl heute den Blick der Verwunderung nicht mehr absetzen’, dachte Oscar. ‚Ich sollte es ihm nicht sagen. Noch nicht. Oder vielleicht sogar niemals.’
 

„So wichtig ist mein Traum auch nicht. Wichtig ist nur, dass du und ich jetzt hier sind.“
 

‚Ich werde abwarten.’ Stattdessen schenkte Oscar ihm einfach ihr hellstes Lächeln.
 

André konnte sich nur wundern. Sie war so anders. Der Klang ihrer Stimme. Die glänzenden Augen. Wie sie ihn ansah. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihn je jemand so angesehen hätte. Oscar wirkte so unendlich glücklich. Unsagbar erleichtert wenn sie seine Augen fixierte. Dieser Anblick verzauberte ihn zunehmend.
 

„André ich werde dir das vielleicht einmal genauer erzählen, aber es muss sich zunächst alles in mir setzen.“
 

Welch furchtbarer Schock und in ihren Kopf hallte noch immer der Schuss der Pistolenkugel nach, der ihr Leben zerstört hatte.
 

Sie hatte sich umgedreht und sah in das schmerzverzerrte Gesicht ihrer Liebe. Seine Uniform war blutverschmiert genauso wie seine Hände die versuchten die verletzte Stelle zu halten. Rot wie das Morgenrot, nur zeichnete Blut nicht die Farben des beginnenden Tages, sondern das des endenden Lebens. Purpur, Paris schien in diesen Tönen neu geboren zu werden. Alleine der Geruch des Blutes lag in allen Straßen. Die Vorhut des nahenden Todes. Überall Schreie. Unaufhörlich.
 

Er stürzte in ihre Richtung konnte sie aber nicht mehr erreichen. Sie stürmte auf ihn zu. Rief seinen Namen doch er schien das Bewusstsein verloren zu haben. Sie schrie ihn an. Verzweifelt. Doch er bewegte sich nicht mehr.
 

Und so nahm der schlimmste Tag ihres Lebens seinen Lauf.
 

‚Nein!’ Dachte Oscar. ‚Ich werde das nicht zulassen. Nie zulassen. Niemals darf es so weit kommen.
 

Ich werde die Zukunft meines Lebens und des Landes, das ich liebe ändern. Koste es was es wolle, aber ich werde, nein, ich muss es tun. Sonst wird dieser Traum des Sterbens Wirklichkeit.’
 

„Jeder Zeit, Oscar. Du weißt, ich bin immer für dich da, wenn du jemanden zum Reden brauchst.“ Antwortete ihr André.
 

„Ja, ich weiß. Und André ich glaube, ich habe mich nie wirklich bedankt. Nie bedankt, dass du immer so ein guter Freund bist. Dich so fürsorglich kümmerst. Mein treuer Begleiter.“
 

Ja, Oscar war wirklich anders. Sie hatte sich gerade bei ihm bedankt, Oscar und sich bedanken? Und sie sprach über ihre Gefühle. ‚Das ist doch sonst nicht ihre Art’ wunderte er sich.
 

Doch diese Oscar, diese neue Oscar gefiel André nur umso besser.
 

Er musste sie einfach betrachten. Jede ihrer Bewegungen, ihrer Gesten versprühten Freude und schenkten ihm Glück. Wie ihre Locken in der Sonne blitzten. Und ihr Lächeln war eindrucksvoller und schöner als der feurige Auftritt eines Kometen. Er fühlte sich wie benebelt, fast betrunken. Und zum ersten Mal in seinem Leben verfiel er in diesen Rausch. Eine Benommenheit, die sich um seinen Geist schlang, seine Gedanken und Empfindungen manipulierte. Alles schien sich nur noch auf sie zu konzentrieren. Sie wurde zum Mittelpunkt seiner Wahrnehmung.
 

„Und André“ Oscar riss ihn auf seiner Verträumtheit. „Ich habe mich entschieden. Ich werde der königlichen Garde beitreten.“
 

‚Aber nicht weil, es mein Vater möchte, oder sonst jemand möchte. Nein weil ich es will.
 

Weil es meine Bestimmung ist und ich nur so die Möglichkeit und Macht habe die Dinge zum Guten zu wenden.’
 

„Wenn das dein Wunsch ist, es dich glücklich macht, dann freu ich mich für dich. Wenn du wirklich das Leben eines Mannes führen möchtest!“
 

Doch Oscar antwortete nicht. Sie lächelte ihn nur geheimnisvoll an.
 

Was hatte dieses Funkeln in ihren Augen nur zu bedeuten, der klare Blick der ihn fesselte? grübelte André nach. André hatte Frauen schon Männer so anblicken gesehen, aber Oscar? Nein, so meinte sie es sicher nicht.
 

Oscar doch nicht.
 

Im nächsten Augenblick sagte sie auch schon „ Komm, André wir gehen nach Hause!“
 

„Gehen, Oscar?“ fragte André unverständig.
 

„Ja wir sind noch nie von hier aus nach Hause gegangen. Wenn ich einmal in Versailles arbeite werde ich nicht mehr so viel Zeit haben.“
 

„Du hast Recht. Wann, wenn nicht jetzt.“
 

Sie standen auf. Oscar machte einen Schritt auf André zu.
 

„André“ hauchte sie vorsichtig „Darf ich noch mal...Ich meine darf ich dich noch einmal umarmen? Nur ganz kurz.“
 

Er blickte sie sehr ungläubig an...
 

„Ja, wenn dass dein Wunsch ist. Was hätte ich da einzuwenden? Nur zu Oscar.“ und er lächelte, jedoch wagte er es nicht sich in ihre Richtung zu bewegen.
 

Diese Last nahm sie ihm aber ab und ließ sich noch einmal in seine Arme fallen. Sie waren viel zarter als in ihrer Erinnerung. Diesmal erwiderte er ihre Geste mit seinem ganzen Körper, als würde er es genauso wollen wie sie auch.
 

Sie hielt ihn so fest. Sie konnte sein Haar riechen wie schon so oft davor. Es roch so frisch wie der anbrechende Frühling. Oscar fühlte sich so glücklich, so beschützt.
 

Für sie war der größte Traum in Erfüllung gegangen, ihr Leben.
 

‚Noch nie habe ich Oscar so umarmt, und sie mich auch nicht. Sie lässt ja gar nicht mehr los. Und auch ich kann nicht loslassen. Sie fühlt sich so angenehm so richtig vertraut an.
 

Und dieses Prickeln als würden mir Schauer über den Rücken laufen und das komische kribbeln im Magen. Ich weiß auch nicht, was ist nur mit meinem Körper los?’
 

Sie hielten einander fest. Keiner wagte es auch nur ein Wort zu sagen. Noch einen Ton von sich zu geben.
 

Oscar wünschte sich eigentlich nichts sehnlicher, als André zu küssen und doch bereiteten ihr diese Gedanken Unbehagen. Sie standen doch erst am Anfang.
 

Ihr Geist war in einem Körper der ihr zu jung vorkam. Sie musste sich erst daran gewöhnen, dass sie gerade mal fünfzehn war. Sie hatte nicht den Körper einer erwachsenen Frau. Irgendwie war körperliche Zuneigungen von einem jungen Mann nicht das, wonach sie sich jetzt sehnte. Und so löste sie ihre Umarmung, mit dem Wissen, dass sie und André noch sehr viele Jahre vor sich hatten und vielleicht sogar ein ganzes Leben zu zweit.
 

Sie banden die Pferde los.
 

Oscar nahm André bei der Hand, der noch immer nicht wusste wie ihm geschah und sie gingen gemeinsam in den Sonnenuntergang.
 

Sie kamen erst spät zurück aufs Anwesen. Es war Nacht und die Sterne leuchteten am Himmel.
 

Und Oscar begriff, dass es die Einsamkeit und die Dunkelheit nicht gab, nicht ‚alleine’ gab, nicht ohne ihr Gegenteil, ihr Widersacher und Verbündeter. Die Liebe und das Licht. Ein immer wieder kehrendes Prinzip wie Tag und Nacht, wie Ebbe und Flut.
 

Ein ständiger Zyklus der nicht durchbrochen werden kann, solange man das Leben eines Menschen führt. Man besitzt die Gnade das Spektrum der Freude zu erfahren und die Qual zu wissen, dass das Gegenstück existiert. Und trotzdem gerade durch das unsagbare Leid wusste sie was Liebe wirklich bedeutet. Sie kannte ihren Wert.
 

Dies war der Tag an dem André zum ersten Mal begriffen hatte, dass er Oscar liebte.
 

Dass er sie liebte, wie ein Mann und nicht mehr wie ein großer Bruder oder enger Freund.
 

Er André Grandier hatte sich in Oscar Francois de Jarjayes verliebt und würde alles daran setzen ihr Herz zu erobern, mit ihr glücklich zu werden.
 

Dass Oscar den gleichen Wunsch hatte, war ihm jedoch nicht bewusst.
 


 

Ende



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Kommentare zu dieser Fanfic (15)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  dana140
2019-07-23T01:50:24+00:00 23.07.2019 03:50
hola
un fic maravilloso y muy tierno
gracias por compartir
Von:  dana140
2019-07-22T02:24:28+00:00 22.07.2019 04:24
hola
si esto tenia que ser una confesión explosiva
Von:  dana140
2019-07-22T01:14:13+00:00 22.07.2019 03:14
hola
por Dios amo este fic te felicito esta muy bello
Von:  dana140
2019-07-21T04:51:54+00:00 21.07.2019 06:51
hola
woo que beso mas fogoso y hermoso
Von: abgemeldet
2008-04-16T07:29:16+00:00 16.04.2008 09:29
wunderbar! deine ff ist genial gefällt mir wirklich sehr gut. bitte schreib weiter...

lg
Von:  Yunuyei
2007-08-24T21:52:27+00:00 24.08.2007 23:52
Dein schreibstil ist phänomenal,aber ich bin mir nict ganz sicherist das jetzt eine erinnerung oder ein traum?
Von:  jesaku
2007-04-22T17:23:28+00:00 22.04.2007 19:23
gut geschrieben, allerdings glaube ich, dass andre sie schon vorher geliebt hat, den in ihrer nennen wir es mal vision und in der wirklichen geschichte, hat sie ihn ja an diesem tag nicht umarmt
Von: abgemeldet
2007-03-01T18:29:47+00:00 01.03.2007 19:29
Wunderschöne FF!!! klasse geschrieben!
Bitte weiterschreiben :-)
ciao anniko
Von:  desertdevil6
2007-02-27T06:38:47+00:00 27.02.2007 07:38
Zu meinem tiefsten Bedauern stelle ich fest, dass Fersen nun seine Chance nicht zu nutzen wusste - das Gefühlschaos und die Gedanken sind Gold wert, wunderbar beschrieben und immer noch im Wandel der eigentlichen Geschichte inbegriffen.

Dessi
Von:  desertdevil6
2007-02-27T06:30:49+00:00 27.02.2007 07:30
*runzelt die Stirn* Also am Stil habe ich nach wie vor nichts auszusetzen, aber ... ist das jetzt die Vergangenheit neu/alternativ erlebt? Denkt sie das am Sterbebett neben dem Schlachtfeld kurz bevor sie stirbt?
Das kommt für mich leider nicht heraus, aber was es auch immer am Ende ist, dass die Grundzüge der Geschichte gleich bleiben, gefällt und auch die Einreihung von Mme Pontignac oder Graf von Fersen ist treffend.

Gruß, Dessi


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