Kapitel 2
Kapitel 2
Goldene Strahlen fielen durch das Fenster. Erhellten kaum den Raum,
der trotz dunkler Farben, Wärme und Behaglichkeit ausstrahlte.
Sie brachten den dunklen Holzschreibtisch, der vor dem Fenster stand
zum leichten schimmern. Bestrahlten den mitternachstblauen Teppich-
boden, der den Zimmerboden bedeckte. Striffen die schwarze Ledercouch,
die zwei Sessel und den dunklen Holztisch, die vor dem brennenden
Kamin standen. Bestrahlten den großen Holzschrank, der an der Wand
stand und die angelehnte Tür, die aus dem Zimmer führte. Doch
erreichten sie ihr Ziel nicht. Das große, aus dunklem Holz gefertigte,
Himmelbett, welches in der hintersten Ecke des Zimmers stand.
Mit schwarzem Samt bezogen, der die, in die Kissen gebettete, Gestalt
noch blasser, kleiner und zerbrechlicher erscheinen ließ.
Ein schmales, blasses Gesicht, mit Pflastern auf Stirn und rechter
Wange. Die nachtschwarzen Haare hoben sich kaum vom Samtbezug der
Kissen ab. Die schwarzen Wimpern lagen, wie Fächer, auf dem kalkwei-
ßen Gesicht, das nur von grün-blauen Flecken verunstaltet wurde.
Ein, in weißem Verband gehüllter, Arm lag auf der schwarzen Bettdecke.
Schultern und Brustkorb waren, augenscheinlich, ebenfalls in weiße
Bänder gehüllt, die jedoch schon leicht rote Flecken aufwiesen. Der
Rest der schmalen Gestalt war von der Bettdecke verhüllt. Ein weißes
Tuch kühlte die Stirn des Jungen.
Neben dem Bett stand ein, ebenfalls aus dunklem Holz gefertigter,
Nachttisch, auf dem sich eine Schüssel mit kaltem Wasser und eine
Brille befanden. Vor dem Bett saß, auf einem Stuhl, eine dunkle
Gestalt. Schwarze, lange Haare vielen in das blasse, schlafende
Gesicht des Mannes auf dem Stuhl. Den Körper in einem schwarzen
Umhang gehüllt. Die Hände vor der Brust verschränkt und die Beine
übereinander geschlagen, hielt der Mann am Bett des Junges wacht.
Registrierte, trotz seines Schlafes, jedes kleinste Geräusch, das der
blasse Knabe von sich gab.
Ein leises, schmerzhaftes Wimmern, das der erwachende Junge ausstieß,
ließ den Mann aus seinem leichten Schlaf erwachen. Ausdruckslos
bemerkte er, wie die Augenlider des Knaben zuckten und sich langsam
öffneten. Mit einem Stich im Herzen registrierte er die ausdruckslosen
grünen Smaragde, die sich an den Baldachin über dem Bett heftete.
Er ließ dem Jungen Zeit, seine Gedanken zu ordnen und fragte dann,
nach endlosen Minuten, in einer ausdruckslosen Tonlage.
“Du bist wach?“
Der Junge auf dem Bett reagierte nicht. Starrte nur weiter auf einen
imaginären Punkt an der Decke. Schien nichts wahrzunehmen.
Leise seufzend griff er langsam nach dem Tuch auf der Stirn des
Knaben. Wollte es in das Wasser der Schüssel auf dem Nachttisch
tauchen, um die kühlende Wirkung wieder herzustellen. Dann hielt er
Inne. Der junge Körper im Bett begann unkontrolliert zu Zittern. Die
ausdruckslosen Augen füllten sich mit Angst, ja fast schon Panik und
Tränen rannen die blassen Wangen hinab. Ein Wimmern erfüllte den
Raum.
Das Herz des Mannes zog sich schmerzhaft zusammen, bei den ängstlichen
und doch hilflosen Lauten, welche der Junge von sich gab. Wie ein ge-
quälter Hund, der um Gnade winselte.
Mit einer sanften Stimme, um den bebenden Jungen vor sich zu beruhigen,
sprach er: “Keine Angst, ich will nur das Tuch auf deiner Stirn
wechseln.“
Erleichtert bemerkte er, dass das Wimmern leiser wurde und das Zittern,
wenn auch kaum merklich, nachließ. Vorsichtig und beruhigend auf das
verschreckte Bündel im Bett einredend, entfernte er das Tuch und
tauchte es in die Wasserschüssel, wrang es aus und legte es ebenso
vorsichtig zurück auf die Stirn.
Dann lehnte der Mann sich wieder in den Stuhl zurück und betrachtete
sorgenvoll den vor sich liegenden Körper. Lange Zeit herrschte Ruhe.
Stunden, so schien es, vergingen, ehe der Junge mit kraftloser,
rauer Stimme leise fragte: “Wo...bin...ich?“
“In Sicherheit.“, antwortete der Mann ruhig.
Einige Zeit herrschte wieder Stille, wie als müsse die Information
erst einen langen Weg zurücklegen, um sich in den Gedanken des
Jungen wieder zu finden und von ihm aufgenommen zu werden.
Dann stellte der Junge eine weitere Frage, deren Inhalt dem Mann auf
grausam direkte Weise klar machte, wie sehr die junge Seele vor ihm
schon zerstört war.
“Wer...bin....ich?“
Lange sinnierte der Mann über seine Antwort nach. Der blasse, ausge-
mergelte Körper vor ihm hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem
trotzigen Jungen, der er einst war. Das Feuer, die Lebenslust und der
Kampfgeist waren aus den smaragdenen Augen gewichen und sie zeigten
nun eine ausdruckslose Leere. Der Junge vor ihm, war nicht mehr der,
der er mal war. War nicht mehr der strahlende Held der Zaubererwelt,
der sich verpflichtete fühlte, den dunklen Lord zu vernichten.
Vor ihm lag eine in tausend Scherben zerbrochene Kinderseele, in ein-
en geschundenen Körper gesperrt. Der Junge vor ihm war nicht mehr
Harry Potter. Der mutige, temperamentvolle, glückliche und unbe-
schwerte Junge, der noch vor wenigen Wochen seine vorletztes Schul-
jahr beendet hatte.
Deshalb antwortete der Mann langsam: “Ein Kind, das viel Leid und
Schmerz erfahren musste.“
Wieder senkte sich Stille um die beiden Gestalten. Dieses mal wurde
sie jedoch durch das knarren der Zimmertür durchbrochen, die langsam,
fast vorsichtig aufschwang.
Ein blonder Junge steckten den Kopf durch die Tür. Sturmgraue Augen
blickten besorgt auf den Knaben im Bett und mit leiser Stimme fragte
der Blonde: “Wie geht es ihm?“
“Er ist wach.“, antwortete der schwarzhaarige Mann, ohne den Blick
vom Bett zu wenden.
Langsam kam der Blonde auf das Bett zu.
Der blasse Knabe im Bett wand, langsam und unter Schmerzen, den Kopf
zur Seite, um den Neuankömmling zu betrachten. In seinen leeren Augen
blitzte kurz Unglauben auf. Dann flüsterte er, mit einer ebenso
ungläubigen Stimme: “Malfoy..?“
Die Mundwinkel des Mannes verzogen sich nach oben, ehe er an den
Blonden gewandt meinte: “Du scheinst einen bleibenderen Eindruck hin-
terlassen zu haben als ich.“
“Wie meinst du das?“, fragte der Blonde leise nach.
“Dich hat er erkannt. Pass bitte kurz auf ihn auf, ich muss Tom be-
scheid sagen.“, somit erhob sich der Mann und verließ das Zimmer. Der
Blonde setzte sich auf den, nun verlassenen, Stuhl und betrachtete
den Schwarzhaarigen, der den Blick noch nicht von ihm gewendet hatte,
wie als versuche er zu verstehen, was geschehen war.
Dann stellte er leise die Frage, die ihm zu beschäftigen schien.
“Was...ist...passiert?“
“Mein Vater hat dich in London in einer Gasse gefunden. Du warst Be-
wusstlos und hattest am ganzen Körper Wunden. Vater hat dich herge-
bracht und Tom hat Severus angeordnet, dich gesund zu pflegen. Du
hast eine Woche durchgeschlafen.“
Der Schwarzhaarige setzte zu einer erneuten Frage an, wurde jedoch
durch einen Hustenanfall unterbrochen. Seine Kehle war wie ausgedörrt
und brannte wie Feuer.
“Moment.“, meinte Malfoy, stand auf, setzte sich aufs Bett und rich-
tete den Jungen vorsichtig auf und setze ihm seine Brille auf. Dann
griff er neben das Bett und holte eine volle Flasche Wasser hervor.
Er öffnete sie und hielt sie dem Schwarzhaarigen an die Lippen,
der sofort gierig anfing zu trinken.
Als die Flasche fast ganz geleert war, verschloss Malfoy sie wieder
und stellte sie zurück neben das Bett.
“Besser?“
“Ja...danke.“, die Stimme des Schwarzhaarigen war noch immer schwach
und leise, aber nicht mehr ganz so rau wie zuvor.
Tausende von Erinnerungen waren auf den Schwarzhaarigen eingeschossen,
als er den blonden Jungen gesehen hatte. Erinnerungen an Hogwarts,
sein Leben, seine Freunde und vieles mehr...
Deshalb stellte er jetzt die Frage, die er schon vorher stellen wollte.
“Warum...habt ihr...mir...geholfen?“
“Du musstest schon genug leiden.“, antwortete Malfoy nur.
“Wo genau...bin ich?“
“In Riddle Manor.“
“Was machst...du hier?“
“Die meisten Familien der Todesser des Inneren Kreises wohnen jetzt
hier. Blaise und Pansy sind auch hier.“
“Was habt ihr...jetzt mit mir...vor?“, mit jedem Satz den der Schwarz-
haarige sprach wurde seine Stimme kräftiger und sicherer.
“Nun, laut Tom dich gesund pflegen. Was dann passiert weiß ich nicht.“
Lange Zeit schwiegen die beiden Jungen sich an. Dann meinte der
Schwarzhaarige mit leiser und unsicherer Stimme.
“Danke.“
Malfoy lächelte nur.
“Keine Ursache, aber was ist den passiert? Wer hat dich so gequält?“
Harry erschauerte kurz, als er an die Dursleys zurückdachte. Er wusste
nicht, ob es klug war, das jetzt zu sagen, aber er musste. Sonst würde
die Last ihn erdrücken.
“Meine Verwandten.“, antwortete er leise.
“Hat dir keiner geholfen?“, fragte Malfoy ungläubig nach.
“Nein.“
“Wo sind deine Sachen?“
“Verbrannt.“
“Alles?“
“Ja, alles.“
Wieder legte sich Schweigen über die Jugendlichen.
Dann öffnete sich die Tür erneut und Severus Snape kam zurück. Hinter
ihm ein junger Mann. Kurzes schwarzes Haar und saphirblaue Augen.
Ausdruckslose Mimik. Harry erkannte ihn fast sofort. Das war Tom
Vorlost Riddle, wie er in jungen Jahren ausgesehen hatte. Bevor er zu
dem Wesen wurde, das jetzt als Lord Voldemort bekannt war.
Harry schluckte schwer, als der Tränkemeister und der dunkle Lord
näher kamen. Letzterer blieb vor dem Bett stehen und sah Harry
ausdruckslos an. Musterte den Schwarzhaarigen vor sich, nicht mit
Abscheu oder Wut in den Augen, wie Harry es von seinen Verwandten
kannte, sondern ohne jegliche Gefühlregung. Er wusste nicht, was
schlimmer war. Wusste nicht, wie er reagieren sollte. Dann, nach
endloser Zeit, sprach Harry die Frage aus, die ihm auf der Seele
brannte, fast schon flehentlich sagte er: “Wirst du mich töten?“