Wolfsherz von HalcyTheWolf (In den Augen des Tigers) ================================================================================ Kapitel 4: Der Wolf im Rampenlicht ---------------------------------- Am nächsten Tag waren wir wieder beim Sender, dort sollten wir die Szenen, die wir vorher gelesen hatten, auch spielen. Dafür gab es extra einen Übungsraum, der aussah wie ein Tanzsaal mit Parkett und riesigen Spiegeln an den Wänden. Es ging nicht um Kostüme oder Sets, sondern eben darum, die Emotionen und Bewegungen der Charaktere einzustudieren. Dice und ich waren die Ersten. Er lehnte an der Wand, las im Drehbuch. Als er mich sah, nickte er mir kurz zu. In der Serie war er so etwas wie ein heimlicher Verehrer von Nok, sprach ihn aber nicht an, weil er wusste, wie schüchtern Nok war. Erst als Wolf auftaucht, mischt er sich ein. Also ein zertifiziertes drittes Rad am Wagen. Dice sah auch sehr gut aus, aber er übte nicht diese Faszination auf mich aus, wie Seua. Diesmal würden nur der Cast und unsere Schauspiel-Trainerin anwesend sein. Seua kam rein und als Dice ihn sah, lief er direkt auf ihn zu und umarmte ihn. Er nahm das lachend zur Kenntnis und erwiderte die Umarmung. »Ganz ruhig, Dice. Wir haben uns nur einen halben Tag nicht gesehen.« Mir wuschelte Seua durch die Haare: »Du bist immer überpünktlich, N’Cai.« Es war mir eben wichtig, auch da zu sein, wenn meine Anwesenheit gebraucht wurde. Auch wenn es heute eher einem Wunder glich, da wir nach der Übernachtung am Strand, noch zum Hotel zurückmussten. Trotzdem hatten wir das alles relativ gut über die Bühne gebracht, Ray sollte sich heute freinehmen, weil ich den ganzen Tag beschäftigt sein würde. Langsam trudelten auch die anderen ein. Unsere Schauspiel-Trainerin war eine junge Frau, sie nannte sich P’Amy. »Also Leute, hier geht es einerseits darum, dass ihr ein Gefühl für die Szenen bekommt, andererseits möchte ich, dass ihr ein bisschen auf Tuchfühlung geht. Ihr sollt lockerer miteinander werden, fasst euch ruhig an. Das steht schließlich im Vertrag.« Wir setzten uns in einen Kreis und begannen verschiedenen Fakten über uns zu erzählen. Geburtsorte, Alter, Hobbies, wo man zur Schule gegangen ist. All das während wir die Hand auf dem Rücken der linken und rechten Nachbarn liegen hatten. Rechts von mir saß Seua, links Dice. Irgendwie entspannte es mich, weil wir eine sehr angenehme Atmosphäre schafften. Bei Sun und Moon waren die meisten Antworten gleich, immer wenn sie antworteten, lachten alle. P’Amy beobachtete uns genau, ermutigte uns immer wieder, nicht schüchtern zu sein. Später spielten wir noch Wer-bin-ich, wo man erraten musste, wer aus dem Cast man war. »Also bin ich jetzt Sun oder Moon?«, fragte Pravat. Wir sahen uns an, aber ich zuckte mit den Schultern: »Das musst du schon selbst rausfinden, die Chancen stehen 50/50.« Er seufzte: »Moon?« Alle lachten. »Falsch! Sun!« Nach einer Pause begannen wir damit, die Szenen zu üben. Szene 1, Take 1. Seua verwandelte sich fast fließend in Nok. Seine ganze Körperhaltung änderte sich, wenn er zu Nok wurde. Dann war er nicht mehr der Selbstbewusste, sondern, der Zusammengesunkene. Seine Augen strahlten nicht mehr. Er stand vor einem imaginären schwarzen Brett, wo er seinen Namen eintrug. Dann spulten wir eine Woche vor, das erste Treffen von Wolf und Nok. Jetzt musste auch ich mich verwandeln. Also gut, Cai. Du bist jetzt nicht mehr der verschreckte Amerikaner, sondern der selbstbewusste Amerikaner, der weiß, was er will. Ich richtete mich auf und ging auf ihn zu. Mittlerweile saß er an einem Tisch. Im Rahmen des Programms wurden die ausländischen Studenten ihren Mentoren zugeteilt. Wolf war vorher auf einer Informationsveranstaltung gewesen, war dann auf dem Weg zum Treffpunkt mit Nok. - Wolfsherz – Szene 1- »Du bist Nok, oder?« Ohne mich anzusehen, nickte er. »Wolf, freut mich«, lächelnd streckte ich ihm die Hand hin, doch bekam keine Reaktion. Also änderte ich meine Taktik und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Erschrocken sah er mich an. Ich schmunzelte: »Geht doch! Auf gute Zusammenarbeit, Mentor«. Doch Nok brachte immer noch kein Wort heraus. Stattdessen drückte er mir einen Zettel in die Hand, auf dem seine Kontaktdaten standen und einige Hinweise zum Campusleben und dem Leben in Thailand generell. Seufzend setzte ich mich ihm gegenüber: »Komm‘ das wirst du mir doch auch sagen können, oder? Du studierst doch Englisch, oder nicht?« Als ich sah, wie er auf dem Tisch seine Hände zusammendrückte und offensichtlich mit sich rang, beschloss ich das Ganze etwas sanfter anzugehen. Manchen Leuten fiel das Sprechen eben schwer, da wollte ich ihn nicht unter Druck setzen. Trotzdem musste ich ihn ein bisschen aus der Reserve locken, sonst würde er überhaupt nicht mit mir reden. »Drei Sekunden.« Jetzt sah er auf: »Hm?« »Versuch‘ mir drei Sekunden in die Augen zu sehen, N’Nok«, forderte ich ihn auf. Tatsächlich gab er sich einen Ruck, sah mich vorsichtig an. Seine Aura nahm mich sofort ein. Verdammt, an diesem Typen ist ein Idol verlorengegangen! Mein Plan stand fest. Er würde mir zeigen, wie ich mich hier zurechtfinden konnte, ich würde ihm helfen, gegen seine Schüchternheit zu arbeiten. Ich bat ihn, mir den Campus zu zeigen. Er ging mit mir zum Fakultätsgebäude, wo ich in Zukunft Thai lernen würde. Wir gingen an den verschiedensten Räumen vorbei, wo Nok mir mit leiser Stimme sagte, wofür die Räume gut waren. Er kam noch mit bis zu meinem Zimmer, glücklicherweise wohnte er im gleichen Studentenwohnheim. Ich packte ihn am Arm, sodass er in meinem Zimmer stand. Dort befand sich noch nicht sonderlich viel, ich war noch nicht einmal großartig dazu gekommen, meinen Koffer auszupacken. Ich öffnete meinen Rucksack, holte die Bücher heraus und gab sie ihm in die Hand. »Die kannst du auf dem Schreibtisch ablegen.« Ich beobachtete seine Reaktion, doch tatsächlich schien es ihm zu gefallen, eine Aufgabe zu haben, die nichts mit Menschen zu tun hatte. Für ihn musste es ein Segen sein, dass es Instant Messanger und Social Media gab. Langsam setzte ich die Puzzleteile zusammen und verstand seine Agenda hinter der Anmeldung an diesem Programm. Glücklicherweise war er da bei mir genau an der richtigen Stelle. »Warum studierst du Anglistik?«, wollte ich von ihm wissen, als ich meinen Koffer auspackte. »Ich liebe Sprachen einfach und finde es interessant, was man damit alles machen kann. Man lernt durch die Sprache auch die Kultur kennen und kann seinen Horizont erweitern. Wenn ich irgendwann kann, möchte ich Übersetzer werden, ganz viel ins Ausland reisen und Leute kennenlernen«, es war das erste Mal, dass ich seine Stimme länger als eine Sekunde hörte. Wenn er mich nicht dabei anschauen musste, ging das wohl. Die schwärmerische Art, wie er darüber sprach, zeigte mir, dass er es ernst meinte. »Doch dafür bist du zu schüchtern und hoffst, dass du dich durch das Programm ändern kannst?«, wollte ich meine Vermutung bestätigen. »Ja.« Ich ließ meine Sachen fallen, ging auf ihn zu. »Nok?« »Mhm?« »Ich werde dir helfen! Nach einem Jahr mit mir, wird dich niemand wiedererkennen!«, rief ich aufgeregt. Angestrengt starrte er auf meinen Schreibtisch: »Bist du sicher?« »Natürlich! Wir werden uns gegenseitig helfen und du wirst sehen, dass du es kannst. Wenn du damit einverstanden bist, sieh‘ mir fünf Sekunden in die Augen.« Nok drehte sich zu mir, sah mir in die Augen und lächelte leicht. Diesmal war ich es, der erstarrte. Seine Augen waren das eine, aber dieses Lächeln, war auf einem ganz anderen Niveau. Für einen Moment dachte ich, mein Herz würde stehen bleiben. Doch dann weckte P’Amy uns aus der Szene auf. Ich musste erst einmal realisieren, dass ich gar nicht an einer thailändischen Uni, sondern immer noch im Übungsraum war. Ich sah in die Runde, dann sah ich P’Amy an. »Ich hätte gerne das ein oder andere angemerkt, aber ihr wart beide so in der Szene drin, da wollte ich nicht unterbrechen. N’Seua, das Lächeln am Ende könnte noch ein bisschen schüchterner sein. Du willst ja nicht, dass Wolf einen Herzinfarkt bekommt, oder? N’Cai, auch du hast das schon sehr gut gemacht, das Einzige, was ich anmerken muss ist, dass man dir die Nervosität noch ein bisschen zu sehr ansieht«, hörten wir uns ihr Feedback an. Es war berechtigt und ich beschloss, daran zu arbeiten. Vielleicht sollte ich mich immer wie Wolf benehmen, dann wäre mir einfach alles egal. Auch die anderen übten Szenen allein oder auch welche, in denen wir vorkamen. Erst am Abend hatten wir die Zeit, uns zusammenzusetzen. P’Amy hatte sich bereits verabschiedet. Wir saßen auf dem Boden, hatten vom Sender Handtücher und Getränke bekommen. Essen hatten wir selbst bestellt, welches Dice gerade hereinbrachte. Durch die vielen Szenen war es ein sehr anstrengender Tag gewesen und das Laufen hatte uns alle ins Schwitzen gebracht. Dice verteilte die Stäbchen an alle und uns stieg der Dampf aus den Fertigboxen entgegen. Doch weder das Essen noch die Erschöpfung konnten mich beruhigen, weil ich die ganze Zeit an den nächsten Tag denken musste. Da stand nämlich das erste Fan-Event an, das erste Mal, dass Seua und ich als Duo vor die Öffentlichkeit traten. Der andere Cast würde auch dabei sein, aber hauptsächlich würde es um uns gehen. Im Rampenlicht, vor Kameras, vor Fans, live. Meine erste Feuerprobe. Den Anderen schien das überhaupt nichts auszumachen, sie plauderten fröhlich, während ich mich aufs Essen konzentrierte. Seua legte seine Hand auf mein Bein. »Alles okay?«, fragte er leise. Ich nickte schnell, er sollte nicht wissen, dass ich mir Sorgen machte. Ich habe schon die ganze Zeit ausgesehen wie ein Schwächling, diesmal nicht. »Ja, alles gut. Ich bin nur müde«, murmelte ich zurück. Wie das immer so ist, werden auch die Tage vor denen man sich fürchtet, auf einen zukommen. Wir sind die Show mit dem Team schon einmal vorher durchgegangen, alles hatte geklappt. Das Einzige, auf das wir uns nicht vorbereiten konnten, waren die Fragen der Fans. Ich saß gerade in der, extra dafür gebauten, Maske, war fertig geschminkt und angezogen. Ray hatte ich noch ein paar Mal gesagt, dass er die Fotografen bitte brieft, damit sie kein Blitzlicht benutzen. Ich hoffe, er hat es nicht vergessen. Im Spiegel sah ich mich an, die Haare hochgestylt im Anzug, könnte man glatt für einen Mafia-Sohn halten. Privat trug ich fast nie Anzüge, aber sie konnten schon viel aus jemandem machen. Auch mir eher nicht so viel. Die Erklärung des Senders zu den Anzügen war, dass es eben unser erstes offizielles Event sein würde und gleichzeitig auch das erste Mal, dass die angehenden Fans das Cover und unsere Bilder sehen würden. Genug Raum, sich komplett zu blamieren, im TV oder online. Ich atmete noch ein paar Mal tief aus, dann stand ich auf und ging Richtung Tür. Denk‘ an deine Karriere, Cai. Gerade als ich rausgehen wollte, stand Seua vor mir. Natürlich trug er den gleichen Anzug und Frisur wie ich, sah im Gegensatz zu mir aber aus wie ein Kandidat der Forbes-Liste. Gegenseitig musterten wir uns. Die hochgestylten Haare ließen seine Augen noch besser zur Geltung kommen. Ich trat einen Schritt zurück, um ihn reinzulassen. Besorgt sah er mich an: »Du bist nervös, oder? Gestern hast du zwar gesagt, dass alles okay ist, aber du warst den Rest des Abends so still.« Wieso musste man mir die blöde Nervosität auch ansehen? Bevor Seua wieder irgendwas anstellen würde, sagte ich lieber die Wahrheit. Er war wirklich aufmerksam. »Ja, ich bin nervös. Wenn ich mich heute blamiere, sehen es wirklich alle. Und vor allem Fans? Was sollen die denn denken?« »Wieso solltest du dich blamieren?« Unschlüssig wedelte ich mit den Armen: »Du hast doch gesehen, was für Stunts ich bringen kann. Ich bin nun mal ein Tollpatsch. Es würde mich nicht wundern, wenn ich vor versammelter Mannschaft hinfliege.« Seua nahm meine Arme, drückte sie nach unten: »Beruhig‘ dich erstmal. Solange ich in der Nähe bin, wird dir nichts passieren.« Sein ruhiger Tonfall gab mir ein bisschen Sicherheit, doch der Blick in seine Augen bewirkte genau das Gegenteil. Trotzdem war es anders, weil ich spürte, dass er es absolut ernst meinte. Er war schließlich auch ein Profi und wusste, worauf es bei diesem Job ankam. Genug davon. Konzentrier‘ dich, Cai. Es ist ein wichtiges Event, was über die Zukunft der Serie entscheiden könnte. Kurz darauf wurden wir auch schon zur Bühne gebeten, als erstes sollten Seua und ich auftreten. Das Event fand in einem Einkaufszentrum statt, wo sie dafür in der Eingangshalle extra eine Bühne aufgebaut hatten. Die Fans und die Kameraleute waren schon da und als sie uns von weitem sahen, begannen sie zu kreischen. Wir standen vor der Treppe zur Bühne, als plötzlich das Blitzlichtgewitter losging. Instinktiv versuchte ich Ray in der Menge auszumachen, aber ich wurde geblendet und sah nichts. Seua zog mich hinter sich, stieß mich in Richtung Backstage und befahl mir dort zu bleiben. Gerade in diesem Moment sah ich Ray auf mich zu kommen, die Panik war ihm ins Gesichts geschrieben. Bevor er sich äußern konnte, hörten wir jemanden auf der Bühne sprechen. Anhand des Kreischen der Fans konnte ich mir schon denken, um wen es sich handelte. »Vielen Dank, dass ihr alle hier seid. Bevor wir anfangen, hätte ich noch eine Bitte.« Ray und ich sahen uns an, dachten wahrscheinlich das Gleiche. Was hat er vor? Das Publikum wurde still. »Mein Drehpartner Cai verträgt kein Blitzlicht. Ich würde daher alle bitten, das Blitzlicht von allen Handys und Kameras auszuschalten. Vielen Dank.« Schuldig sah Ray mich an, weil dies seine Aufgabe gewesen wäre. Trotzdem schüttelte ich versöhnlich den Kopf. Es musste irgendetwas vorgefallen sein, das würde ich schon früh genug erfahren. Ein kurzes Raunen ging durch das Publikum, dann klickten alle Kameras wieder – ohne Blitzlicht. Ray deutete mit dem Kopf zur Bühne und ich musste mich damit abfinden, dass der Moment gekommen war. Vorsichtig nahm ich die Stufen hoch zur Bühne, Seua stand schon mit dem Mikrofon in der Mitte. Ich selbst hätte es nie über mich gebracht, das vor allen Leuten zu sagen, ohne seine Hilfe. Dann wäre ich jetzt vermutlich blind. Einer aus dem Team gab mir auch ein Mikrofon. Wie wir es geübt hatten, begrüßten wir die Fans auf Thai und stellten uns vor. Die Hintergründe und Seitenpanels der Bühne waren noch abgedeckt, weil das Cover noch nicht von der Öffentlichkeit gesehen wurde. Auf das Zeichen des Veranstalters hin, traten wir zur Seite, deuteten mit den Händen in Richtung Hintergrund und sagten: »Wir präsentieren…« und auf Kommando fielen alle Abdeckungen herunter. Zum Vorschein kam unser Cover, bearbeitet, mit Titel und Release-Datum. Es versetzte die Fans in Extase, die jubelten und klatschten. In diesem Moment bekam ich Gänsehaut, fühlte mich das erste Mal wie ein richtiger Star. Das war unser Projekt und ich war ein Teil davon. Die Leute, die hier standen, zeigten mir, dass sie uns unterstützten und das, obwohl nicht einmal die Dreharbeiten angefangen hatten. Ich ließ meinen Blick über die Fans schweifen. Die meisten von ihnen waren junge Mädels oder Mädels in unserem Alter. Ein paar Männer und ältere Leute entdeckte ich auch unter ihnen, was mich sehr freute. Zusätzlich zum abgesperrten Bereich, in dem die Fans standen, waren auch einige neugierige Leute stehen geblieben, die vermutlich ursprünglich zum Shoppen gekommen waren. Auch sie filmten mit ihren Handys. Als es kurz dunkel wurde, damit sie den Trailer zeigen konnten, nahm Seua meinen Arm und ich bereute keine Sekunde, dass ihm davon erzählt hatte. Er war eine verdammt große Hilfe, wusste vermutlich gar nicht, wie wichtig das war. Diese Geste zeigte mir eben, was er sagen wollte: »Ich bin da.« Der Trailer zeigte die Geschichte von »Wolfsherz« als animierte Charaktere und auch als Wolf und Vogel. Es wurde wieder hell und wir setzten uns auf die Stühle in der Mitte der Bühne. Schließlich war den Fans versprochen worden, dass sie ein paar Fragen stellen durften. Einer vom Team ging zu den Leuten und gab ihnen ein Mikrofon. »P’Seua, ich wollte sagen, dass ich schon seit zehn Jahren dein Fan bin! Danke für deine fantastische Arbeit. Warum hast du dich entschieden, bei »Wolfsherz« mitzuwirken?« Den Leuten war es freigestellt, ihre Fragen auf Thai oder Englisch zu stellen, netterweise gab es aber einen Übersetzer für mich. Seua antwortete: »Vielen Dank. Ich freue mich, dass du meine Arbeit schon so lange verfolgst. Ich habe mich für dieses Projekt entschieden, weil es besonders ist. Nicht nur ist die Geschichte sehr schön erzählt, sie verbindet eben auch Thailand und die USA. Mir ist bewusst, dass thailändische Serien mittlerweile auch im Ausland sehr beliebt sind, und deswegen freue ich mich besonders, dass wir auch unseren internationalen Fans dadurch unseren Dank für ihre Unterstützung aussprechen können!« Wieder jubelten sie, doch dann kam schon direkt die nächste Frage: »P’Seua, warum kannst du so gut Englisch?« »Eine Zeit lang habe ich im Ausland studiert und auch aktuell besuche ich Englisch-Kurse an der Uni.« Ich zog die Augenbrauen hoch. War das überhaupt nötig? Jede Frage wurde von ihm professionell, neutral, freundlich und senderkonform beantwortet. Offensichtlicher konnte es nicht sein, dass er Erfahrung damit hatte. Jetzt war ich an der Reihe. »P’Cai, willkommen in Thailand! Wieso hast du dich dafür entschieden, hier eine Serie zu drehen?« Ich räusperte mich, wollte das genauso souverän abhandeln, wie er, aber meine Stimme wollte nicht wie ich. Erwartungsvoll sahen sie mich an, Seua legte mir eine Hand auf den Rücken, erst dann konnte ich sprechen: »Dankeschön. Ich war schon als Kind großer Asien-Fan, als ich dann von diesem Angebot gehört habe, habe ich natürlich sofort zugesagt. Natürlich ist es nicht nur eine Herausforderung, eine gute Serie zu machen, vor allem ist es für mich auch eine Herausforderung im Ausland zu arbeiten. Aber es ist mein Traum und deswegen werde ich mich anstrengen.« Ich war fast ein bisschen stolz auf mich, dass meine Antwort auch professionell klang. »P’Cai, kannst du thailändisch?« »Ein ganz kleines bisschen«, sagte ich auf Thai. Die Fans schienen es zu mögen, ich sah das Leuchten in ihren Augen. Ich schwitzte zwar unheimlich in diesem Anzug, aber es machte langsam Spaß. »P’Cai, wie stehst du zu Boys Love? Hast du schon einmal in so einer Serie mitgewirkt?« »Ich muss sagen, ich mag den offenen Umgang in Thailand mit diesem Thema. Bisher habe ich noch in keiner derartigen Produktion mitgewirkt. Aber ich bin mir sicher, dass ich es mit der Unterstützung von P’Seua, gut machen werde.« Schon verfielen sie wieder in ihren Jubel und ich genoss es. Diese Leute waren wegen uns hier, sie opferten ihre Zeit und ihr Geld, nur um mein langweiliges Gesicht und Seua zu sehen. Zum Schluss standen wir auf, er legte mir einen Arm um die Hüfte, ich ihm einen um die Schulter und lächelten uns an. Für die Fans natürlich, damit die Fotos machen konnten. Dann wandten wir uns zu ihnen zu, denn genauso sollten wir es machen. Mir war unglaublich heiß und ich war erschöpft, aber auch zufrieden, bekam das Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht. Fast fünf Minuten blieben Seua und ich so stehen. Später kamen dann noch die Anderen dazu, hatten auch kurz Zeit sich und ihre Rollen vorzustellen. Erst als der Veranstalter das Event offiziell für beendet erklärte, konnten wir zurück in die Maske. Immer noch lächelnd sahen wir uns an: »N’Cai, ich weiß überhaupt nicht, warum du dir solche Sorgen gemacht hast. Das war perfekt, wenn man bedenkt, dass es dein erster Auftritt vor Fans war!« Innerlich wollte ich schreien, denn für mich war er ein Vorbild als Schauspieler, daher fühlte ich mich geehrt. »Niemals ohne deine Hilfe, P’Seua. Falls ich mich jemals revanchieren kann, sag‘ Bescheid«, da sich sein Blick schon wieder wandelte, schob ich noch schnell hinterher: »Aber natürlich nicht so.« Seua lachte: »Verdammt, du kennst mich schon zu gut, N’Cai.« Trotzdem legte er seine Stirn an meine, ich musste schlucken. Ich zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. »Wenn du jemals bereit sein solltest, dich auf meine Art zu revanchieren, lass‘ es mich wissen.« Er hielt es wirklich keinen Tag aus, ohne mich in Verlegenheit zu bringen. Die gefährlichsten Leute sind die, die gutaussehen und es wissen. Als die Tür aufging sprang ich sofort zurück, bloß nicht blamieren. Ray sah mich überrascht an, doch dann umarmte er mich. Als er jedoch merkte, wie sehr ich schwitzte, ließ er es schnell bleiben. »Cai, es tut mir so leid! Wir hatten vor eurem Auftritt ein Problem mit der Technik und ich bin die ganze Zeit durch die Gegend gerannt, um zu schauen, wer uns helfen kann. Der Veranstalter wusste wegen dem Blitzlicht Bescheid, aber er wird vergessen haben, es weiterzugeben. Das hätte niemals passieren dürfen«, sagte er völlig außer Atem. Für mich war diese Sache schon längst wieder vergessen, immerhin hatte Seua mich vor der Blindheit bewahrt. »Mach‘ dir keinen Stress, Ray. Ich glaube den hattest du heute schon genug«, versuchte ich ihn ein bisschen zu beruhigen. Es schien zu wirken, denn er atmete schon etwas ruhiger. »Ach und danke, Seua. Ohne dich wäre das eine Katastrophe gewesen«, wandte er sich an Seua, doch ich winkte ab. Ray brauchte das nicht zu übertreiben. »Gestorben wäre ich schon nicht«, warf ich ein, doch Ray überging mich einfach, sprach weiter mit Seua: »Woher wusstest du das? Hat Cai es dir erzählt?« In meinem Kopf würde er etwas Komisches sagen, was Ray ganz sicher falsch verstehen würde, daher griff ich ein: »Ja, ich habs ihm erzählt.« Ohnehin wusste es spätestens jetzt das halbe Land, also spielte es keine große Rolle mehr. Je weniger man es sagen musste, desto besser. Die Schlagzeilen der Klatschpresse erwartete ich schon. Ray legte Seua eine Hand auf die Schulter und lächelte ihn dankbar an: »Alles klar. Zieht euch um, Jungs. Ich mache das Auto fertig und warte draußen.« Ich hoffte, dass er sich den Vorfall nicht zu sehr zu Herzen nehmen würde, auch wenn ich mir vorstellen könnte, dass er heute kein Auge zu machen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)