Sugar & Spice von Runaan (SasuSaku | NaruHina | Film Noir-Esque) ================================================================================ Kapitel 1: Amaretto Sour ------------------------ Um drei Uhr morgens geschah selten etwas, schon gar nicht etwas Gutes. Die meisten Partys begannen um diese Zeit ihre letzte Stunde des Lebens bevor sie jämmerlich erschlafften und um vier Uhr zu einer Einöde wurden. In jener Stunde war die aufsteigende Müdigkeit gebündelt mit der Energie der letzten Stunde. Die Stimmung war ausgelassen, doch gefährlich. Nichts, was Sasuke besonders gefallen würde.   Während er sich gerade in die dunkelste Ecke des Raumes presste, um der nächsten Frau auf Männerjagd zu entgehen, beobachtete er seinen besten Freund auf der Tanzfläche. Naruto bewegte sich immer mit solch einer Ausgelassenheit, dass Sasuke sie sofort als gespielt erkannte. Niemand hampelte einfach so herum, nur weil es lustig war – auch nicht nach mehreren Drinks. Genervt mit den Augen rollend griff Sasuke nach seinem Handy. Er wollte einfach nur nach Hause. Aber wenn er Naruto jetzt allein ließ, würde er sich wieder einmal abschleppen und dann sein Herz brechen lassen.               „Was tut man nicht alles für seine Freunde“, zischte Sasuke und öffnete ihren Chatverlauf. Wieso hatte er sich auch hierzu überreden lassen? Shockwave war ein Elektroauto-Hersteller, der gerade den Markt erklomm. Bei weitem noch nicht interessant genug für ihn oder die Hyugas. Trotzdem hatte Neji sie hierhergeschleppt. Neji, der bereits vor zwei Stunden gegangen war. Zwar hatte sich dadurch der Grund seines Daseins erübrigt, doch Naruto hatte ihn angebettelt zu bleiben. Come on, Sasuke. Wann hattest du das letzte Mal Spaß?               „Spaß habe ich übrigens nicht“, tippte er nun in sein Telefon, „Ich werde noch viel weniger Spaß haben, wenn ich an der Toilette auf dich warte, weil du mal wieder nen zu starken Zug hattest. Also hoffe ich, dass du gleich auf dein Handy schaust und wir endlich gehen können.“   Als er die Nachricht gerade abschickte, spürte er einen leichten Stoß in seiner Schulter. Eine Sekunde später wurde er klatschnass.               „Oh, Scheiße, das wollte ich nicht!“, stammelte die Brünette verdattert und hielt ihm bereits eine Serviette hin. Am liebsten hätte er sie diesen Moment geohrfeigt, gefragt, ob sie nicht wusste, dass sie gerade einen 12 Tausend Dollar Anzug in billigen Fruchtsekt getaucht hatte. Er verzog das Gesicht, als er den Geruch erkannte. Auch noch Amaretto – das würde nie wieder rausgehen.               „Es ist voll mein erster Job und wenn meine Mom das herausfindet, die wird mich umbringen und oh Gott, shit, shit, shit!“   Wortlos nahm Sasuke die Serviette und begann sich etwas abzutupfen,             „Passt schon.“   Es passte nicht, doch es war ja nicht so, dass sie etwas daran ändern könnte. In der Theorie hätte Sasuke Shockwave jetzt am liebsten verklagt, aber das hätte sie nur den Job und ihre Existenz gekostet – und auch das hätte ihm nur kurz Spaß gemacht. Während die Kellnerin sich Augenblicklich verzog, öffnete er sein Jackett und ließ seinen Blick durch die Menge schweifen. Gott sei Dank hatte das niemand mitbekommen. Es reicht ihm allerdings jetzt wirklich.   Narutos blaue Augen fingen die seinen Blick auf. Das leicht angetrunkene Grinsen wurde etwas weiter. Der Blondschopf winkte ihm enthusiastisch zu.               „Guck doch einfach mal auf dein verdammtes Handy“, murmelte Sasuke und wartete. Das Grinsen verschwand nun und wurde zu einem verdattertem und verständnislosen Ausdruck Narutos Tanzbekanntschaft schmiegte sich an diesen und warf Sasuke einen hungrigen Blick. Das war merkwürdig genug, dass Naruto von ihr abließ und zu ihm herüber schlurfte.               „Mann, komm doch einfach rüber, wenn du was willst und starr nicht wie so ‘ne eingebildete Katze.“               „Das Letzte Mal als ich rübergekommen bin ist das Mädel, das mit dir nach Hause wollte, sofort auf mich umgesprungen. Wolltest du das?“   Naruto stütze sich leicht an ihm und seufzte aus tiefsten Herzen,             „Nein.“               „Dann guck doch einfach auf dein Handy. Wieso sagst du, du hast es auf Vibration, wenn es nicht stimmt?“               „Hä? Hab ich doch?“               „Offensichtlich nicht“, korrigierte Sasuke ihn, „Sonst hätte ich dich ja nicht heranpfeifen müssen.“   Naruto rollte mit den Augen und stellte sich etwas gerade hin, zog das Handy aus seiner Hose. Nach zwei erfolglosen Entsperrversuchen hatte er den Chatverlauf bereits geöffnet und hielt ihn Sasuke demonstrativ entgegen.               Sasuke [23:46] : Lass die Finger von dem Sushi, das steht seit zwei Stunden rum.             Naruto [23:48]: Thanks, Mom ;)             Neji [01:04]: Hab was Besseres als heute gefunden, seh euch morgen.             Sasuke [01:06]: Verräter.             Naruto [01:06]: Lass die Sau raus, Neji!             Naruto hat ein Foto gesendet. [02:12].   Sasuke versuchte weiter nach unten zu scrollen, doch sie waren am Ende angekommen. Seine Nachricht war einfach verschwunden. Er griff nach seinem Handy und-   …und landete im blanken Nichts. Es war weg. Mit einem Mal war Sasuke schlagartig wach.               „Scheiße“, der Boden unter seinen Füßen klebte, doch es war ihm egal. Vorsichtig kniete er sich hin und begann mit seine Suche. Das Schwarzlicht und der wummernde Bass machten es allerdings nicht leichter. Als er nach oben blickte schien auch Naruto bei weitem nüchterner, „Mein Handy ist weg“.   Sein bester Freund wirkte sofort besorgter und  kniete sich neben ihn in den Dreck. Hier unten roch es noch mehr nach Schweiß und Rauch und viel zu sehr nach Zucker. Seine Hand schob die Glasscherben beiseite, die er bis eben nicht bemerkt hatte. Vielleicht war er wohl auch nicht mehr ganz nüchtern gewesen.               „Du hattest es ja eben noch, ist irgendwas passiert?“               „Ich bin mit so ner Kellnerin zusammengestoßen.“               „Na dann frag sie doch, sie hat es wahrscheinlich aus Versehen eingesteckt“, Naruto sah sich bereits um, „Wie sah sie denn aus?“   Leere. Einfache Leere in seinem Kopf, die Sasuke gerade abgrundtief verfluchte.               „Normal.“   Selten schaffte es Naruto ihn so anzusehen, dass Sasuke etwas unangenehm war. Die Person, die am meisten verurteilend dreinblickte war Neji. Doch nun wirkte das Blau der Augen seines Freundes weniger wie ein offener Ozean und eher wie ein Schuss Wasser, dass ihn gleich treffen würde,             „Du wirst dir doch wohl merken können, wer in dich reinrennt.“               „Sie tragen alle Uniform und haben nicht gerade hervorstechende Merkmale. Also nein, ich merk mir nicht, wie eine von vielen aussieht.“               „Man merkt ,dass du reich bist“, grummelte Naruto und stand gemeinsam mit ihm auf, „Ich mach mich jetzt zur Bar auf und frage, ob da was für dich abgegeben wurde. Du kannst auf dem Klo mal checken ob sonst noch was weg ist.“   Das war tatsächlich gar keine so dumme Idee. Wenn er jetzt auch noch den Haustürschlüssel verloren hatte, würde er schließlich irgendwo unterkommen müssen,             „Geht klar“.   Ein Schritt aus dem Konferenzsaal heraus ließ Sasuke bewundern, wie gut die Isolierung der Wände wirkte. Es war der erste Fehler einer jeden Firma, die sich gerade in der Welt behaupten wollte – sie gab zu viel für Räumlichkeiten wie diese aus. Doch deshalb war es ganz gut, die Partys der zukünftigen Konkurrenz zu crashen – man wusste nie genau, wo sich noch ein ein wahrer Rohdiamant versteckte. Und diesen galt es abzuwerben.   Bereits im Gang Richtung Toilette erfasste Sasuke seine Schlüssel in der linken Hosentasche. Das Gefühl der Erleichterung hielt genau zwei Sekunden, bis ihm einfiel, dass seine Geldkarte, Kreditkarten sowie sein Ausweis sich alle in der Rücktasche seines Handys befanden. Das war doch nicht zum Aushalten! Noch nie hatte er im Leben sich so überfordert gefühlt. Er hasste es.               „Wäre ich doch nur mit Neji abgehauen“, murmelte er vor sich hin, als er am Ende des Ganges eine offene Tür bemerkte. Das war wiederum sehr ungewöhnlich – die Türen zu den Büros waren nie während Partys geöffnet. Es ging darum Leute anzuziehen, zu blenden, zu verführen. Offene Bürotüren waren zu ehrlich. Sie unterstrichen, dass es immer noch ums Geschäftliche ging.   Mit gerunzelter Stirn ging Sasuke auf die Tür zu und betrachtete das goldene Namensschild an der Wand. Mit den Fingern fuhr er über den eingravierten Namen, seine Lippen bewegten sich leicht, als er ihn las – Hananmura. Das unwohle Gefühl begann sich weiter in ihm auszubreiten. Hanamura war der Begründer von Shockwave. Sein Büro hatte ganz sicher nicht offen zu stehen. Der Raum war in Dunkelheit getränkt. Die einzige Lichtquelle war das bodenlange Fenster, was einen Blick auf die beleuchtete Innenstadt zwanzig Stockwerke unter ihnen gab. Sasuke trat mit vorsichtigen Schritten ein, seine Augen glitten über die kahlen Wände, vorbei an dem Glastisch mit Computer und wieder zum Fenster zurück. Der Raum wirkte tot, eine Pflanze oder etwas Dekor würde ihm mehr als gut tun. Etwas Grünes.   In jenem Moment, als er am Fenster angelangt war, erhaschte er einen Hauch von Grün. Sasuke trat näher, doch alles, was er erkennen konnte, war sein Spiegelbild. Die nachtschwarzen Haare, die er und sein Bruder gemeinsam hatten. Die Gesichtszüge, die sehr nach seiner Mutter kamen. Doch da, wo seine kohlefarbenen Augen ihm sonst entgegensahen, gab es nur ein tiefes Smaragdgrün.               „Was zum-“               „Uchiha Sasuke? Was machst du in Hanamuras Büro?“   Er wirbelte herum, als er seinen Namen hörte. Temari Sabakuno lehnte tiefenentspannt an der Tür und war, so wie leider viel zu oft, in der Lage seine Aufmerksamkeit für einen Moment einzufangen. Das schwarze Kleid war sowohl kurz als auch tief ausgeschnitten, doch es war das Material, was ihn jedes Mal zum Staunen brachte – diese Frau trug nur Leder, egal, wohin sie ging.   Die Älteste des Sabakuno Imperiums – übersprungen für ihren jüngsten Bruder und daher bei weitem gefährlicher und spannender als der Rest der Veranstaltung.               „Das Gleiche könnte ich dich fragen“, das Lächeln auf seinen Lippen kam genau dann, als er es wollte, in jenem Moment als ihre beider Blicke sich trafen. Es wirkte beinahe zufällig, wenn er es so tat. Als sei er eben nicht beim Herumschnüffeln erwischt worden, „Die Tür stand offen.“               „Da merkt man, dass sie wahrscheinlich in zwei Jahren pleite sind. Wenn die nicht mal ihre Türen abschließen können…willst du eine?“, mit tiefvioletten Nägeln griff Temari in ihre Tasche und zog eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug hervor. Das Rauchen war es gewesen, weshalb er sich dagegen entschieden hatte, etwas mit ihr anzufangen. So attraktiv sie auch war, der Gedanke bei jedem Kuss Zigarettenrauch zu schmecken, rüttelte ihn wach.               „Keine Antwort auf meine Frage“, lachte er stattdessen und ging wieder zum Eingang zurück, „Ich komm aber gerne mit raus.“   Ein letztes Mal sah Sasuke zurück. Noch immer spiegelte er sich im Fenster, hinter ihm wirkte Temari wie ein Schatten. Doch seine Augen waren nun schwarz, so wie sie es sonst auch waren. Wahrscheinlich war es nur Einbildung gewesen. Er zog die Tür mit Schwung hinter sich zu und hörte, wie das Schloss einrastete. Nicht einmal abgeschlossen?               „Meine Begleitung hat sich eben Richtung Tiefschlaf verabschiedet und ich hab gehofft, dass die hier irgendwie einen Raucherraum haben. Draußen ist es arschkalt“, mit einem großen Grinsen leitete sie ihn zur Garderobe und ließ sich einen leopardengemusterten Mantel geben, der täuschendecht nach Pelz aussah, „Aber jetzt hab ich ja heiße Gesellschaft.“               „Und hier dachte ich, dein Aussehen allein reicht zum Anheizen.“               „Bei dir tut es das ja offensichtlich nicht“, lachte sie und trat mit ihm auf die Straße. Es war nass draußen, die Laternen und Leuchtreklamen spiegelten sich im Asphalt, welcher trügerisch glatt von hieraus wirkte. Der Wind war eisig und erinnerte ihn daran, dass sein Hemd und Jackett noch immer in Flüssigkeit getränkt waren. Es kostete Kraft den Gesichtsausdruck entspannt wirken zu lassen.               „Aber von der alten Gang sind wohl wirklich nur wenige gekommen. Hyuga hab ich vorhin noch gehen sehen, Togami und Okumura ebenfalls. Verschwunden sind sie allerdings alle. Aus diesen Gründen schließe ich, dass wir entschieden haben, dass Hanamuras Shockwave nur eine Eintagsfliege ist und du genauso wie ich nur für die Party geblieben bist.“   Es war eine Schande, dass man sie übergangen hatte, so viel musste Sasuke feststellen. Temari war verdammt klug, wenn es um Firmenprozesse ging. Wer auch immer sie unterschätzte, würde es bitter bereuen,             „Wenn sie klug genug sind, verkaufen sie alles in einem Jahr und starten etwas Neues. Lernen aus diesem Desaster hier.“               „Ich kann nicht glauben, dass sie so was teures aufgefahren haben“, lachte sie und blies den Rauch aus, „Meinst du sie gehen dieses Jahr noch pleite?“               „Schade wäre es nicht. Elektroautos wären eh nur ein Zwischenpfeiler für uns Gewesen – zu weit weg vom Uchiha Geschäftsprinzip.“   Die Tür hinter ihnen öffnete sich erneut. Sasuke spürte eine warme Hand auf seinem Rücken. Er brauchte sich nicht einmal umzudrehen,             „Naruto?“               „Rate mal, wer dein Handy gefunden hat? Die Kellnerin hat es sofort abgegeben. Muss wohl echt durcheinander sein, die Arme“, grinsend lehnte sich Naruto in das Gespräch und zerstörte das bisschen geschäftliche Klima, dass Sasuke und Temari mühevoll mühelos erscheinen lassen wollten, „Heißes Kleid, Temari.“               „Ich weiß“, grinste sie und sah zu, wie Sasuke sein Handy wieder in beschlag nahm, „Du hast dein Handy verloren? Ich dachte ihr beide wärt verwachsen miteinander.“               „Eine Kellnerin ist in ihn reingerannt.“               „Süß.“   Es war nicht süß, es war einfach nur peinlich. Vorsichtig begann Sasuke sich seine Handytasche genauer anzusehen. Personalausweis, Kreditkarte…               „Ey komm, die hat dich nicht beklaut, die arbeitet hier“, zischte Naruto missbilligend, „Hab doch mal ein bisschen Vertrauen!“   Er beachtete ihn nicht. Seine Finger glitten über jedes kleine bisschen seiner Identität. Mit einem Cocktail aus Genugtuung und Ärger sah er schließlich auf,             „Meine Mitgliedskarte zum Country Club fehlt.“   Während Temari ihn mitleidig anblickte, rollte Naruto nur mit den Augen,             „Damit kann sie ja auch voll was anfangen. Lass uns nach Hause fahren, das wird mir hier zu paranoid.“   Normalerweise hätte er ihm da auch zugestimmt. Doch irgendetwas war diese Nacht anders gelaufen. Die Zufälle hatte sich zu sehr gehäuft – der Amaretto Sour, das Handy, das offene Büro, die grünen Augen. Die Country Club Karte.   Irgendetwas hatte er verpasst. Und Sasuke hasste es, wenn er etwas nicht mitbekam. Kapitel 2: Breakfast Burritos ----------------------------- Nachtschwarz. Die Farbe brannte sich so tief in ihr Gedächtnis ein, dass Sakura beinahe los lies. Der eiskalte Wind zog an ihren Haaren und biss sich tief in ihre Ohren herein. Dennoch umklammerte sie eisern das Bild mit einer Hand, während die andere sich am Sicherheitsseil festhielt. Das war auch gut so, denn ansonsten wäre sie viel zu viele Meter in die Tiefe gestürzt.   Was der Fremde in diesem Raum machte, wusste sie nicht. Er hatte dort nicht sein dürfen. Niemand hatte dort sein dürfen, die Aktion war dafür zu gut geplant gewesen. Nie geschah etwas um drei Uhr nachts und doch nun stand der, leider sehr gutaussehende, schwarzhaarige Mann direkt vor ihr. Gott sei Dank waren diese Fenster abgedunkelt und schützten sie gerade. Doch nur eine Bewegung und er würde mitbekommen, dass genau auf der anderen Seite des Glases sich jemand befand.   Scheiße, Cherry, geht’s?   Inos Stimme in ihrem Ohr half ihr nicht ruhig zu bleiben. Im Gegenteil, es machte sie nur so nervöser. Wie dicht waren diese Scheiben? Sobald er was hören würde, war sie geliefert.   Warte noch kurz ab, Hilfe kommt. Du bist fast draußen okay? Sobald er raus ist, kletterst du wieder rein und dann haben wirs. Sakura wollte gerade gar nicht daran denken, wie sie hier überhaupt hereingeraten waren. Das war eine andere Geschichte. Gerade wollte sie einfach nur nach Hause. Langsam wurde ihr Handgelenk steif. Sie musste sich bewegen, wenn sie nicht abstürzen wollte. Sakura kniff die Augen zusammen und atmete tief durch. Es hing jetzt alles an ihr. Sie musste es schaffen. Unbedingt.               „Uchiha Sasuke? Was machst du hier in Hanamuras Büro?“   Temari, du süßer Engel, dachte Sakura als sich der Mann augenblicklich umdrehte. Mit voller Kraft begann sie sich nach oben zu ziehen und atmete laut aus, als sie das Fenster hinter sich gelassen hatte. Das war viel zu knapp gewesen. Der enganliegende Catsuit schützte sie zwar vor der Kälte am Körper, doch Gesicht und Hände bettelten um einen Hauch von Wärme. Da half das frische Adrenalin doch sehr gut.   Uchiha Sasuke, hatte Temari gesagt. Das wiederum war weniger gut. Die Uchihas waren schließlich Teil ihrer Liste, und noch viel weiter oben als es die Hanamuras waren. Doch alles zu seiner Zeit. Erst einmal musste sie hier wieder herauskommen.               Okay, Baby, also die gute Nachricht ist, er ist weg, flötete Ino in ihrem Ohr, Die schlechte? Er hat gerade die Tür hinter sich zugezogen. Schaffst du es auch so runter?               „Ihr könnt mich mal“, keuchte sie und wagte es nach unten zu sehen. Das waren verdammt nochmal viele Stockwerke. Ein Hauch von Schwindel überkam sie, der sie daran erinnerte, dass nichts ihren Aufprall stoppen würde, sollte sie fallen.   Unmöglich war es natürlich nicht – dafür hatten sie lange genug geübt,             „Ino? Du schuldest mir ein verdammt enormes Frühstück“.   Sie drückte mit der rechten Hand das Gemälde an sich und checkte ein letztes Mal mit den Augen ihre Sicherung. Idealerweise würde sie es gar nicht falsch machen und ohne Probleme nach unten gelangen – doch wenn nicht, musste sie hoffen, dass das Baumarktseil doch noch irgendwie hielt. Sakura drehte sich, sodass ihr Gesicht zur Wand zeigte und begann vorsichtig sich abzuseilen.   Anders als an einem Berg, welcher natürliche Stützen in Form von Steinen und Felsen beinhaltete, war ein Wolkenkratzer vor allem eines – gerade und glatt. Mit etwas Glück waren die wenigen Stellen, an denen sich auch Fensterputzer entlang halten konnten, nicht mit tiefen Stacheln versehen, die die Stadttauben abhalten sollten. Dieses Glück hatte Sakura jedoch bereits verlassen.   Im neonbeleuchtenten Konoha waren es die Geschäftsnamen, die in der tiefsten Nacht hervorstachen. Hyuga Hotels. Senju Pharmaceutics. Uchiha National Bank. Auch Hanamura Shockwave hatte begonnen seinen Namen in Neon schreiben zu lassen, doch das Schild flackerte. Sie waren nur ein kleinerer Fisch, der sich groß aufblies. Jetzt, wo sich Sakura jedoch Stockwerk für Stockwerk herunterhangelte, war ihr selbst der kleine Fisch ein wenig zu groß.   Ein Windzug zwang sie den Halt zu verlieren. Das Seil schwankte bedrohlich von links nach rechts während ihrer Füße im Leeren standen.               „Fuck!“, fluchte sie und schwang sich näher an die Wand. Selbst als ihre Füße die Wand streiften, konnte sie sich kaum daran abstützen. Aus diesem Grund war das ihre letzte Wahl gewesen – so etwas wollte sie nie wieder alleine machen.   Sie fing sich wenige Sekunden später, doch bis dahin war ihr der Schweiß den Nacken heruntergelaufen. Als sie schließlich mit den Füßen auf dem Erdboden aufkam, wollte sie sich nur noch übergeben. Ihr Knie zitterten und gaben augenblicklich nach. Der Asphalt roch nach Eis, Beton und Benzin. Doch er machte sie gerade glücklicher als alles andere.   Mit zitternden Finger presste Sakura das Gemälde weiterhin an sich. Jetzt mussten sie es nur noch zurückschaffen. Erleichterung wich Müdigkeit. Es hatte viel zu lange gedauert. Die Stille der Nacht hielt nun selbst im Inneren der Stadt Einzug, der Herbstfrost klammerte sich tief in ihre Kleidung. So schnell wie die Stille kam, so schnell wurde sie jedoch vom Schnurren eines Motors unterbrochen.   Sakura sah auf und erkannte den dreckigen grauen Toyota sofort. Ein erleichtertes Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit,             „Da haben wir wohl beide verkackt, huh?“   Die Scheibe der Fahrerseite rollte bereits herunter während die Hintertür aufsprang. Mit den offenen braunen Haaren und dem weißen Hemd erkannte Sakura Tenten kaum. Sie hatte selten jemanden mit solch einer Wandlungsfähigkeit getroffen,             „Ich meine, wir leben noch und haben keine Polizeieskorte hinter uns. In der Theorie waren wir also erfolgreich.“   Sie verstaute das Bild im hinteren Fahrzeugteil und setzte sich dann auf den Beifahrersitz. Der Anfall von Müdigkeit überkam sie noch viel mehr als sie die Innenstadt hinter sich ließen und direkt auf die Stadtautobahn fuhren. Vorsichtig löste sie den Zopfhalte aus ihren Haaren und ließ dem rosafarbenen Bob freien Lauf. Ihre Hand streifte Tentens für einen Moment, doch keine von ihnen sprach. Sie ließen die Welt einfach nur auf sich wirken.   Wäre dies ein Film gewesen, wären sie wahrscheinlich in einem wunderschönen Haus gelandet, welches sie sich alle teilten. Stattdessen hielten sie jedoch vor einem kleinen Blumenladen, der sich in der Vorstadtsiedlung Konohas befand. Yamanakas Blumenimperium hatte weder Leuchtreklame noch Wolkenkratzer zu bieten. Das Imperium war nur Teil des Namens. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits kurz vor fünf war.   Augenblicklich gingen die Lichter im kleinen Laden an und eine junge Frau mit langen blonden Haaren kam ihnen entgegen. Sakuras Herz entspannte sich. Sie hatten es geschafft. Alles war gutgegangen.               „Da habt ihr drei ja schönen Mist verzapft“, begrüßte Ino sie stattdessen und half ihnen aus dem Auto. Trotz des empörten Tonfalls strahlte sie vor Wärme und nahm erst Sakura, dann Tenten in den Arm, „Was ist es, was ihr mir nochmal jeden verdammten Einsatz einbläut?“               „Aus den Augen, aus dem Sinn“, antworten Sakura und Tenten im Chor und entluden mit Ino ihr Zielobjekt.               „Es kann ja niemand Wissen, dass der Kerl so mit seinem Handy verwachsen ist“, stöhnte Tenten, während sie sich in den hinteren Teil des Ladens vorarbeiteten. Sakura liebte das Blumenimperium schon seit sie ein kleines Mädchen war – auch jetzt, im tiefsten Herbst, blühten Sonnenblumen und Rosen, Lilien und Gerbera, ihnen fröhlich entgegen. Im Blumenimperium herrschte immer Frühling – egal wie spät es war, „Er ist halt wirklich null auf Temari angesprungen.“               „Zu ihrer Verteidigung, das hatte sie auch gesagt.“               „Ich versteh es halt echt nicht“, Ino hielt ihnen die Tür zum Lagerraum auf, „Sogar ich werde ab und an bei Temari schwach.“   Blumen gab es hier ebenfalls, doch waren ihrem kleinen Geheimnis wegen zur Seite gewichen. Auf der Nordseite des Raumes befanden sich mehrere Computerbildschirme und ein großer Schreibtisch, an welchem sich leuchtende Tastaturen und eine volle Kaffeekanne den Platz teilten. In der Mitte des Raumes prunkte ein großer Tisch, auf welchem sie das Bild platzierten. Sakura verdrehte sich der Magen bei dem Motiv – ein Autounfall in knallpink und Rosatönen gehalten.               „Wieso kauft man sich so nen Scheiß?“, nahm ihr Ino die Worte aus dem Mund, „Wieso hängt man sich sowas auf?“               „Das fragst du am besten Temari oder Hinata aber nicht mich. Ich hab gehört, es gibt bald Frühstück?“   Offiziell würde das Blumenimperium in zwei Stunden, um Punkt sieben Uhr, öffnen, doch inzwischen kamen gerade mal ab elf Uhr die ersten Kunden vorbei. Es war also genug Zeit etwas zu essen, den Abend Revue passieren zu lassen und dann zu entscheiden, welche von ihnen die heutige Schicht übernehmen würde, während die anderen ausschliefen.   Ino stolzierte auf ihren hohen Schuhen zurück zum Computer und sah zum dritten Bildschirm,             „Temari und Hinata sind in vierzig Minuten da und bringen Starbucks mit. Lasst mich das hier nur noch fertig machen und dann komm ich zu euch. Ihr könnt ja duschen oder so.“   Sie sah sie bereits nicht mehr an. Sobald Ino sich in etwas vertiefte bekam das ihre gesamte Aufmerksamkeit. Inos Finger glitten förmlich über die Tastatur, während verschiedenste Bildschirme aufleuchteten. Sie erkannte einige Nachrichtendienste – Konoha Today, CNN, BBC, sowie die Website von Hanamura Shockwave. Etwas unsicher warf sie Tenten einen fragenden Blick zu, doch diese zuckte nur mit den Schultern. Was auch immer sich Ino eben ausgedacht hatte, sie würden es sicher bald erfahren.   Küche, Bad und Wohnbereich erreichte man über eine Wendeltreppe im Laden. Hier war es viel wärmer und roch bereits wunderbar nach Essen. Auf dem Frühstückstisch erkannte Sakura einen großen Strauß Cosmeen, den Ino wohl frisch gebunden haben musste, sowie eine große Ansammlung an eingewickelten Breakfast Burritos. Ihr Magen machte sich sofort bemerkbar – das letzte Mal hatte sie um siebzehn Uhr gegessen, ab da war keine Zeit mehr gewesen.               „Ich hätte ja gerne was vom Buffet mitgebracht aber das Sushi war schon drei Tage alt“, gestand Tenten mit einem Grinsen und bewegte sich bereits Richtung Bad. Sakura ließ sich währenddessen in den Sessel fallen und schloss für einen Moment die Augen. Das Adrenalin raste nur so durch ihre Adern. Vor ihrem inneren Auge war sie noch immer dabei, sich abzuseilen und an das Seil zu klammern.               „Nächstes Mal machst du diesen Athletenscheiß und ich kellnere!“               „Es ist nicht mein Problem, dass du von Natur aus rosafarbene Haare hast und so ein Hingucker bist! An mich erinnert sich niemand“, lachte Tenten aus dem Badezimmer. Das Wasser begann zu rauschen und was immer ihr Tenten noch zu sagen versuchte verstummte unter dem fließenden Geräuschen.   Sie hielt ihre Augen geschlossen und lauschte. Lauschte dem Wasser und dem Wind, dem knarrenden Holzfußboden sowie dem Radio in der Küche, welches vor sich hin spielte. Kohleschwarze Augen sahen ihr entgegen. Es war wohl wirklich knapp gewesen. Das war das erste Mal, dass irgendjemand etwas gemerkt hatte, während sie da war. Sie würden vorsichtiger werden müssen. Um sich zu beruhigen, wanderten ihre Gedanken zu dem, was sie sonst noch zu tun hatte. Wäsche waschen. Lernen. Recherchieren. Eine Nacht Schlaf bekommen. Trainieren. Arbeiten. Warten, bis der Sturm sich beruhigte. Zum nächsten Ziel voranschreiten. Lernen. Arbeiten. Recherchieren. Trainieren.   Die Tür zur Wohnung öffnete sich erneut. Der Geruch von Zigaretten verriet Temari sofort. Das Augenöffnen fiel Sakura trotzdem etwas schwerer.               „Drei Pumpkin Spice Latte ohne Sahne und mit extra Koffeinschuss. Ein Pumpkin Spice Frappucino mit Schokosauce sowie einen tiefschwarzen Kaffee für die arme, hinreißende, gutaussehende Temari, die nicht trinken durfte, weil sie ursprünglich fahren sollte.“   Sakura setzte sich vorsichtig auf und ließ sich von Temari ihren Kaffee in die Hand drücken. Allein, dass der Becher warm war, half ihr schon ein wenig.   Während alle anderen von ihnen sichtbar müde waren, wirkte Hinata wie das blühende Leben. Diese hatte allerdings auch eine volle Nacht Schlaf hinter sich gehabt. Sakura gönnte es ihr – während sie jetzt erstmal etwas Ruhe haben würde, begann Hinatas Arbeit erst.               „Ich hab gehört es gab Probleme?“, fragte Hinata sie vorsichtig und nahm am Frühstückstisch Platz. Temari begann bereits die Burritos zu verteilen, während Tenten aus dem Bad zu ihnen eilte und sich in ihrem Morgenmantel dazusetzte.               „Jede Menge“, stöhnte Temari genervt, „Ich hab Sasuke wohl doch ein wenig unterschätzt. Früher war er um diese Zeit unglaublich hacke. Aber ich habs immernoch drauf. Zum Fortlocken hat es gereicht.“   Tenten kicherte und sah ungeduldig zur Tür zurück. Sie alle wollten erst anfangen, wenn sie vollständig waren,             „Es hat schon etwas Spaß gemacht, ihm einen persönlichen Drink vorbeizubringen. Und…“, mit einer gekonnten Bewegung griff sie in ihre Tasche am Fuße des Tisches und zog eine giftgrüne Karte heraus, „Zugang zum Country Club bekommen wir hiermit auch.“               „Gott sei Dank“, hauchte Hinata und klammerte sich ebenfalls an ihren warmen Becher, „Ich würde das nie alleine schaffen.“               „Bringt uns eh nichts“, mit wippendem Pferdeschwanz kam Ino zu ihnen und griff nach dem Frappuccino, „Du und Temari seid viel zu bekannt in dem ganzen Mileu. Was bedeutet, ihr kommt an die Orte, wo der echte Klatsch passiert, nicht ran. Was meinst du, was ich schon von den Leuten erfahren hab, wo ich nur Blumen abgegeben habe? Aber trotzdem danke.“   Sakura versank ihre Zähne in ihrem Frühstücksburrito. Sanftes Rührei und scharfe Salsa mischten sich mit Pepper Jack, ihrem absolutem Lieblingskäse. Auf der anderen Seite des Tisches warf Ino ihr einen liebevollen Blick zu,             „Frühstück gelungen?“   Sie war zu beschäftigt zu essen doch nickte enthusiastisch. Nur noch eine warme Dusche und sie würde schon irgendwie durch den Tag kommen, so viel war sicher.  Zuerst musste sie nur aus diesen Klamotten raus.   Die Musik aus dem Radio stoppte. Mit einem breiten Grinsen lehnte sich Ino zurück und drehte etwas lauter. Temari nahm einen Zug von ihrem Drink, das Lächeln auf ihren Lippen bekam einen Hang zum wölfischen. Hinatas Wangen begannen rot zu glühen, ihre Augen noch wacher auszusehen. Tenten lehnte sich entspannt zurück, die braunen Augen leuchteten mit Triumph.               „Eben erreichte uns die Meldung, dass ATHENE erneut zugeschlagen hat. Die Organisation scheint beinahe wahllos in Gebäude einzubrechen und Kunstwerke zu entwenden. Erst vor zwei Monaten machte ATHENE durch ihren Raub der Sirius-Skulptur der Kirijo Group Schlagzeilen. Ziel der heutigen Operation war der aufkommende Elektroauto-Konzern Hanamura Shockwave. Der Schaden beläuft sich auf mehrere Millionen Dollar.“   Ihr Herz machte einen Sprung, das Lachen, dass ihrem Hals entwich, kam vom Herzen. Ino schlug die Hände zusammen. „Trotz der kleinen Fehler, lasst es mich noch einmal sagen. Mädels? Hervorragende Arbeit.“ Kapitel 3: Cosmopolitans ------------------------ Warum kaufte man ein Gemälde wie dieses? Sakura hatte Hinata diese Frage noch einmal gestellt, als sie alle nach dem Frühstück zurück in das Lager gegangen waren. Auch Hinata hatte der Atem bei dem Motiv gestockt. Wer auch immer einen Autounfall als inspirierend empfand machte ihr Angst. Und doch hatten sie und Temari die Antwort sofort gewusst. Stumm hatte sie nach ihrem Werkzeug gegriffen – ein kleines Skalpell, mehrere Pinsel und Pinzetten. Mit genauem Auge beugte sie sich nun über das Bild und erklärte, während sie ihre Arbeit begann,             „Es hat nicht das geringste mit Ästhetik zu tun, sondern damit, dass man es kaufen und aufhängen kann, ohne, dass sich jemand dagegen sträubt.“   Das Bild war kein maschineller Kunstdruck. Es war ein Unikat. Die Leinwand war von Hand gesponnen und gezogen worden. Sie hob das Bild für einen Moment an und prüfte das Gewicht. Eindeutig zu schwer, genauso wie sie sich erinnerte. Hanamura hatte ihr und Neji seinen Erwerb schließlich voller Stolz gezeigt. Auch wenn sie und ihren Cousin wenig verband, so hatte sein angewiderter Gesichtsausdruck sie aufgeheitert. Neji war kalt, aber nicht herzlos.               „Es ist ein wenig so wie mit Farben oder bestimmten Modetrends. Wenn man mit einem bestimmten Kapital aufwächst, geht es darum etwas zu haben, weil es selten ist. Denn es hebt uns von der Menge ab“, was natürlich ein Problem war, wenn man am liebsten in der Menge verschwand. Hinata griff nach ihrem Skalpell.               „Hanamura hat diese Bild gekauft, weil es anstößig ist. Weil er es haben kann und niemand es wagen würde, sich ihm in den Weg zu stellen. Nehmen wir jetzt einmal an, mehr und mehr Leute würden sich so etwas kaufen. Die Bilder werden billiger nachproduziert und landen schließlich in High-End Läden anstatt beim Kunsthändler. Dann bei teureren Dekorateuren. Dann bei WestWing und schließlich irgendwann bei Ikea. Dann kann jeder so etwas haben und das Bild wird für Hanamura uninteressant und nutzlos. Er ist Teil der Masse geworden.“   Nahtlos trennte das Messer die Leinwand, sodass sie diese vorsichtig abziehen konnte. Eine ruhige Hand war bei so etwas unermesslich. Sie wollte das Gemälde, so sehr es nicht mochte, unbeschädigt lassen. Jemand hatte hier doch viel Arbeit hereingesteckt. Und es ging ihr schließlich nie um das Bild, sondern darum, was in ihm versteckt war. Neben ihr trat Sakura ungeduldig von einem Fuß zum anderen. Sie war eigentlich komplett bettfertig, doch hatte nicht einschlafen können. Hinata hoffte, dass sich das bald änderte. Diese Aktion musste für sie so beklemmend gewesen sein.               „Irgendwie schade. Dass es gar nicht mehr um Geschmack geht.“               „Geschmack kann man anerziehen“, tönte es von Temari, „Das ist ja das ganze Problem.“   Unter der Leinwand befand sich ein kleines Kästchen. Temari kam etwas näher und griff nach einem Dietrich in Hinatas Werkzeugtasche. Trotz der langen Nägel bewegte sie das Werkzeug ohne Probleme – mit einem leisen Knacken öffnete sich das Schächtelchen und brachte eine kleine Menge an Edelsteinen zum Vorschein.   Sakura zog scharf die Luft ein,             „Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde – wenn du Edelsteine oder Drogen da herausziehst.“               „Edelsteine kann man besser loswerden“, tönte es von Inos Computer, „Drogen sind bei weitem schwerer, vor allem, weil man nicht weiß, an wen man sich wenden soll.“   Ino hatte Recht. Sie konnten ja schlecht zur Polizei laufen. Wie würde das denn aussehen – Hey, bei unserem persönlichen Rachefeldzug haben wir zufällig bei Hanamura ein Päckchen hochwertiges Kokain gefunden, wollten wir nur abgeben. Schönen Tag noch. Hinata lief ein Schauer den Rücken herunter.               „Das erklärt zumindest, warum Hanamura auf einmal auf der Bildfläche aufgetaucht ist. So wie die mit ihrem Geld umgegangen sind, hatten die keine Ahnung von Investitionen“, gähnte Temari, „Ich lasse euch Hübschis dann mal weiter arbeiten, aber ich muss echt los.“   Hinata sah nicht von ihrer Arbeit auf,             „Danke fürs herfahren. Holst du mich heute Abend ab oder soll ich mit den Öffentlichen ein Stückchen fahren und mich dann von Neji holen lassen?“               „Lieber letzteres – ich glaube es ist besser, wenn wir ein Weilchen nicht zusammen gesehen werden. Dass ich Sasuke vom Büro wegholen musste, macht mir noch etwas Sorgen“, Temari beugte sich nach vorne und küsste Hinatas Wange, „Viel Spaß beim Schnippeln und Zusammensetzen, Süße. Inolein?“               „Ich liebe dich auch, Temari.“               „Ich bring dich noch raus“, lächelte Sakura ihr zu, „Es sei denn du parkst vor dem Haus?“   Grinsend legte sie Sakura einen Arm um die Hüfte und verlies mit ihr den Laden über den Hinterausgang. Ihr Motorrad lehnte leicht gegen die Hauswand, Hinatas Beifahrerhelm war bereits wieder verstaut gewesen. Neben ihr begann Sakura ebenfalls zu Gähnen und lehnte sich leicht gegen sie.               „Kann ich dich was fragen?“, grüne Augen trafen grün als Sakura von der Schulter zu ihr aufblickte, „Über Sasuke?“               „Er ist mir zu jung, um ehrlich zu sein. Die Tatsache, dass ich ihn kenne, seit er ein Baby war, hat ihn irgendwie in die Friendzone gelagert. Objektiv heiß ist er aber.“               „Sehr witzig, aber das nicht“, Sakura biss sich auf die Oberlippe und ließ von ihr ab, „Ich meine nur…ich weiß nicht, aber…meinst du, er könnte uns gefährlich werden? Als ich mit dem Bild auf der anderen Seite hing haben unsere Blicke sich getroffen.“               „Das Glas ist doch verspiegelt.“               „Aber mir war echt so, als ob er mich gesehen hätte.“   Temari hielt einen Moment inne. Wenn dem wirklich so war, war es gut ,dass Sakura ihr Bescheid gegeben hatte. Sie erinnerte sich noch sehr an die Abendessen bei den Uchihas. An die vielen Klagen, die sie gemeinsam mit den Uchihas gegen andere geführt hatte. An Sasuke, der sein Jura Studium mit Bravour bestanden und eine Lücke in jedem Argument finden konnte – sei sie auch noch so klein.               „…ich weiß es nicht“, gestand sie, „Er hat nichts gegen uns in der Hand. Nichts, was uns miteinander verbindet. Und noch haben wir ihm nichts angetan.“               „Er steht auf der Liste“, gab Sakura zu bedenken, „Er war heute nur Mittel zum Zweck. Aber er wird unser Ziel werden. Genauso wie-“   Vorsichtig legte ihr Temari einen Finger auf die Lippen und warf ihr ein wölfisches Grinsen zu,             „Süße, genieß deinen Sieg erst einmal. Du bist gerade über zwanzig Stockwerke nach unten geklettert. Vergiss die Liste für heute und ruh dich aus. Ich habe Sasuke im Blick. Und ich weiß jetzt Bescheid. Ich kann dir sagen, dass Sasuke über Leichen für seine Familie gehen würde. Aber…“, vorsichtig nahm sie Sakuras Gesicht in ihre Hände. Das arme Ding war bleich vor Schlafmangel, die Augen blutunterlaufen, „Ich für meine Familie auch. Meine wahre Familie. Und da gehörst du, mein kleine Kirschblüte, auch dazu.“               „Ich hasse es, wenn du so redest.“               „Macht aber Spaß“, zwinkerte sie ihr zu und lies von ihr ab. Mit schwingenden Hüften griff sie nach ihrem Helm und stieg anschließend auf ihr Motorrad, „Ihr drei schlaft jetzt erstmal und lebt ein wenig. Und wenn wir uns das nächste Mal sehen, wird gefeiert.“               „Aber nicht wieder so lange.“               „Du bist wie eine Oma, Sakura.“               „Und du redest wie eine.“   Mit einem dreckigen Lachen trat Temari aufs Gas und fuhr los. Sie liebte ,es auf ihrem Motorrad unterwegs zu sein, vor allem ,wenn es so wie jetzt in den Berufsverkehr ging. Mühelos schlängelte sie sich zwischen Autos und LKWs hindurch zur Innenstadt, in welcher die Welt nie richtig schlafen ging – außer vielleicht zwischen vier Uhr und fünf Uhr morgens. Sabakuno Fabrics hatte seine Zähne inzwischen fest in die Struktur Konohas hereingebissen und ließ wie ein Raubtier nicht mehr ab davon. Wer etwas auf sich hielt, kaufte seine Stoffe bei ihnen – oder verkaufte seine Stoffe über sie. Ihre Heimstadt, Suna, behandelte sie schon fast wie von königlichem Blut. Suna selbst kämpfte sich ebenfalls mehr und mehr nach oben. Nicht, dass sie davon so viel mitbekommen durfte – auch jetzt ging noch jedes Geschäft über den Tisch ihres Vaters.   Er hatte sie und ihre Geschwister vielleicht auch deshalb nach Konoha geschickt, um seine Ruhe zu haben. Mit verächtlichem Lachen dachte sie noch darin, wie sie selbst seine neuste Pelzlieferung mit Kankuro umgeleitet und in ein Obdachlosenheim geschickt hatte. Als ihr Vater den Schaden bemerkte, waren die Pelze bereits unauffindbar. Das war allerdings noch lange vor Gaaras Zusammenbruch gewesen.   Sie parkte ihr Motorrad in der Tiefgarage und nahm den Aufzug direkt in ihr Loft. Wie immer war die Tür zu Gaaras Zimmer fest verschlossen, doch auf dem Balkon erkannte sie Kankuro, der gerade seine Zigarette ausstanzte und sich wieder hineinbegab.               „9:43 Uhr ist schon für dich etwas spät.“               „War noch mit den Mädels ein paar Good Morning Cosmopolitans trinken. Für das wahre Sex and the City feeling“, lachte sie und machte sich auf den Weg zum Kühlschrank. Sie griff nach einem der vielen Beutel mit frisch geschnittenen Obst und eilte zum Mixer, „Hanamura Shockwave ist eine absolute Pleite. Sei froh, dass du da nicht reininvestiert hast.“               „Du hast es also auch schon gesehen. ATHENE ist mal wieder unterwegs“, Kankuro sprach beinahe desinteressiert. Es war offensichtlich, dass er das ganze eher kindisch fand, „Ich versteh immer noch nicht ganz, was die davon bezwecken. Außer sich durch Diebstahl ‘ne Menge Cash zu verdienen.“               „Kann uns doch auch egal sein. An mir kommt sowieso niemand vorbei“, sie füllte die Früchte in den Mixer ein und drückte auf „Start“. Das ohrenbetäubende Schreien des Geräts machte sie beinahe dankbar dafür, dass sie nichts getrunken hatte. Vorsichtig kippte sie die Mixtur in das Glas und machte sich auf den Weg zum Toaster.               „Du machst ihm jetzt nicht echt Frühstück.“               „Wenn ich es nicht mache, isst er gar nichts. Und er muss essen, ob er will oder nicht.“   Die Sache mit Gaara machte ihre Gespräche immer schwieriger. Sie wussten beide nicht so richtig wohin mit ihm. Er verzog sich immer mehr in sein Schneckenloch, was bei weitem besser war als seine Wutanfälle. Aber es tat trotzdem weh. Weh genug, dass sie es weiterhin versuchte. Immer und immer wieder.   Mit Smoothies und Grilled Cheese bewaffnet klopfte sie vorsichtig an seine Zimmertür. Für eine halbe Ewigkeit war er stumm, dann öffnete er die Tür.   Er hatte abgenommen. So sehr, dass es sie selbst wütend machte. Seine roten Haare waren viel zu lang geworden, das Zimmer selbst roch viel zu sehr nach Schweiß. Wortlos drehte er sich um und ging zu seinem Bett zurück, setzte sich und legte sich wieder hin. Temari stellte ihm sein Essen ab und öffnete die Fenster, um Frischluft hineinzulassen.               „Mir ist kalt, Tema. Ich will nicht Hause.“   Ihr war alles andere als kalt. Blanke, kochend heiße Wut kämpfte sich ihren Hals hoch, während sie Fluch über Fluch herunterschluckte. Was sie dir angetan geht zu weit. Ich mache es wieder gut. Ich mache es alles wieder gut.             „Das ist jetzt unser Zuhause. Und es ist wirklich schön hier. Du musst ja nicht mit mir zu den ganzen Partys mitkommen, aber…aber es gibt hier auch wirklich schöne Dinge. Gute Menschen, nicht so wie-“               „Es gibt keine guten Menschen.“   So ganz unrecht hatte er da nicht. Mit einem Seufzen setzte sie sich an sein Bett und ran mit ihren Fingern durch seine Haare. Selbst hier spürte sie die Narben. Hier und an seinem Hals waren sie besonders tief.               „Hast du mit der Therapeutin gesprochen, die Kankuro dir besorgt hat?“   Er zog scharf die Luft ein. Das bedeutete nein.             „Es gibt auch Chatrooms und Ähnliches. Du kannst von mir aus auch zum Kellerkind werden und nur noch Zocken. Aber vergrab dich hier nicht.“   Nicht, wenn wir das Alles hier in Ordnung bringen. Schritt für Schritt.               „Geh bitte.“   Obwohl die Worte freundlich waren, spürte Temari die Wut dahinter. Wäre er jünger gewesen, hätte er sie gewürgt. Geschubst. Geschlagen. Das Alles war vorbei, als er merkte, dass sie und Kankuro keine Ahnung hatten. Keine Ahnung von dem, was Vater getrieben hatte. Und doch klang die Wut nun wieder in seinen Worten an.               „Okay. Du weißt, wenn du mich brauchst, kannst du mich anrufen.“   Sie schloss die Tür hinter sich und atmete aus. Vor Scham stellte sie fest, dass sie immer noch Angst hatte mit ihm alleine zu sein. Die Tür hätte sie sonst auch schließen können. Auf der Couch hatte Kankuro sich nicht bewegt. Seine Hände waren etwas zu nah an dem dekorativem Kerzenständer. Sie hob vorsichtig die Hand, signalisierte ihm, dass sie in Ordnung war.               „Wenn das jetzt fertig ist, ich habe noch ein Meeting.“               „Verprass nicht wieder dein Geld für diesen Monat“, grinste sie ihm zu. Scheinbar beiläufig gingen sie ihren Weg, ignorierten die Furch in ihren Knochen.   Temaris Zimmer war unpersönlich in seiner Einrichtung. Das Loft war nur ein Zwischenschritt für sie und wenn sie sich mal jemanden zum Spaß haben mitnehmen wollen würde, dann sicher nicht in der Wohnung, die sie sich mit ihren Brüdern teilte. Vorsichtig lief sie zum Schreibtisch und öffnete erst die Schublade, dann das kleine Geheimfach, für welches sie den Tisch gekauft hatte.   Die Liste war aus Papier aber wog in ihren Händen gefühlt als sei sie aus Metall. An den Anfang hatten sie mehrere Zeitungsartikel mit Büroklammer angeheftet, als sie Schritt für Schritt die Puzzleteile zusammengefügt hatten. Noch immer hatten sie kein gesamtes Bild, aber sie wussten, wem sie schaden mussten, um das Kartenhaus zusammenfallen zu lassen.   Das Bild von Gaara, damals dreizehn, brach ihr immer noch das Herz. Es war das erste Mal gewesen, dass sie ihn so gesehen hatte. Die Zeitungen hatten sich an seinem Zusammenbruch sattgefressen.   Sandsturm! Nach einem weiteren Wutanfall ist der Erbe von Sabakuno Fabrics in Tränen ausgebrochen. Nun, da Sabakuno Fabrics gerade eine Expansion in den Osten wagt scheint der Deal in den Sand gesetzt.   Aber er war es nicht gewesen. Genau das Gegenteil – eine Woche nach Gaaras Zusammenbruch waren sie alle erschienen und hatten ihn mitgenommen, um ihm zu helfen.   Das blühende Leben? Nach langer Kur zeigt sich Sabakuno Fabrics Erbe Gaara sanft wie ein Lamm. Sein Geheimnis? Ein langer Urlaub weg von der Familie, eine gute Mahlzeit und Ruhe. „Ich bin bereit, meinen Vater stolz zu machen“, verkündet er. Kann aus schlechter Saat doch ein Baum wachsen? Oder wird Gaara den Negativbeispielen seiner Geschwister folgen?   Er war nicht mehr er selbst gewesen, als er wieder kam. Er war wie vollkommen ausgewechselt. So sehr, dass er ihr noch mehr Angst machte, als davor.   Mit nur fünfzehn Jahren ist Sabakuno Fabrics Erbe einer der jüngsten und begehrtesten Junggesellen auf den Markt. Doch ,dass man ihn mit der charmanten neunzehnjährigen Togami Yukiko sieht, lässt einen doch schon fragen…ist das vielleicht die erste Jugendschwärmerei?   Es war alles durch Zufall herausgekommen. Eine Grippe, die ihn fast alles Erbrechen lies, was er zu sich nahm. Ihr Erzeuger machte sich immer besonders rar, sobald einer von ihnen krank war. Was ihr Bruder ihr schluchzend anvertraut hatte, hatte sie bis aufs Mark und Bein erschüttert.   Absence makes the heart grow fonder? Seit drei Jahren ist der Sabakuno Fabrics Erbe Gaara (19) nicht mehr gesehen worden. Noch immer erinnern wir uns an die herzreißende erste Romanze zwischen ihm und Togami Yukiko (23). „Er war schon echt traumhaft“, lacht die heutige Milliardärin, „Aber ich bin mir sicher es geht ihm gut.“   Medikamente. Jemand hatte ihm einfach Medikamente untergeschoben und zu einer Puppe gemacht. Nie wieder. Nie wieder würde sie so etwas zulassen. Wie konnte sie so blind gewesen sein?   Auf zu neuen Ufern? Sabakuno Fabrics beginnt seine vierte Niederlassung in Konoha – und schickt angeblich das Sand-Trio von Geschwistern gen Osten!               Okumura Foods. Senju Pharmaceutics. Hyuga Hotels. Uchiha Industries. Togami Corporations. Orochimaru Chemicals. Die großen sechs Namen, die nach und nach begannen, die Welt zusammen mit Sabakuno Fabrics in den Händen zu halten. Und viele kleine Fische, die den Ball ins Rollen gebracht hatten.   So viel anderes war geschehen, dass nichts mit Gaara zu tun hatte. Anderes, was Tenten, Ino, Sakura und Hinata auf ihre Weise geschadet hatte und noch immer schadete. Doch was sie alle gemeinsam hatten, war die Spur nach hier oben und die Liste, die sie erstellt hatten.   „Okumura Kunikazu. Yakushi Kabuto. Hyuga Hiashi. Uchiha Fugaku. Togami Geita. Orochimaru. Sabakuno Rasa. Ihr seid alle sowas von fällig.“ Kapitel 4: Deviled Eggs ----------------------- Wenn einem die Country Club Karte gestohlen wurde, war es die logischste und naheliegendste Option, genau diesen Country Club im Auge zu behalten. Aus diesem Grund hatte er die Einladung Nejis liebend gerne angenommen. Im beheizten Pool ließ sich der November um einiges besser aushalten – zudem hatte Sasuke von hier aus eine bessere Sicht auf die anderen Gäste und Mitarbeiter des Clubs. „Er ist vollkommen paranoid“, stöhnte Naruto neben ihm und beugte sich zu Neji vor, „Weißt du wie oft ich in meinem Leben bestohlen wurde?“ „Dreiundvierzig Mal“, Nejis Stimme war eiskalt. Gleichzeitig war es sein freundlichster Tonfall. Das lange Haar hatte er vorsichtig nach oben gesteckt, damit es auch ja nicht nass wurde. Um den Pool herum sahen ihnen einige der Angestellten interessiert zu. Leider waren alle so vollkommen durchschnittlich, dass Sasuke sich nicht sicher war, ob er sie je auseinanderhalten könnte. „Dreiundvierzig Mal!“, wiederholte Naruto und erhob sich aus dem Wasser an den Poolrand, „Warte, warum weißt du das?“ „Weil, während er vollkommen paranoid wegen des Vorfalls ist, du vollkommen paranoid wegen ihm bist. Ich habe das gefühlte dreiundvierzig Mal schon gehört und wir haben weiß Gott anderes zu tun.“ „Die Togami Hochzeit zum Beispiel“, auch, wenn Naruto vollkommenen Mist erzählte, so hörte Sasuke ihm trotzdem zu, „Gecatered von Okumura Foods im Grand Hyuga Hotel. Wie zur Hölle hast du das nur eingefädelt, Neji?“ Es war wirklich ein meisterhaftes Spiel gewesen. Mit einem Mal waren die drei Familien so sehr ineinander verschlungen, dass Sasuke das Gefühl hatte, beinahe etwas verpasst zu haben. Jedoch, nur beinahe. „Frag das mal deinen Bruder, den Bräutigam.“ „Wir reden eh kaum“, zu seiner eigenen Überraschung spürte Sasuke einen leichten Schmerz in der Brust. Als Kind war er so eng mit Itachi gewesen, aber die Alterslücke zwischen ihnen hatte sie irgendwann doch auseinandergebracht, „Also sag du es mir!“ Er konnte es sich schon denken – Grund war wahrscheinlich die stärkere Nähe zwischen Senju Pharmaceutics und Orochimaru Chemicals, die sich auch in größeren Geschäften bemerkbar machte. Wenn Okumura dank Hyuga so einen großen Catering Deal an Land zog, standen sie heftig in deren Schuld und würden hoffentlich genug gegen die Uchiha-Togami-Front ankommen können. Neji war zu demselben Schluss gekommen, „Plus, es isoliert Sabakuno ein bisschen mehr von uns. Die haben nämlich mehr und mehr Fuß hier gefasst, was mir nicht gefällt.“ „Ach, Temari ist doch voll cool“, räumte Naruto großzügig ein, „Auf der Hanamura Party sah sie einfach mal umwerfend aus.“ „Temari hat nichts zu sagen. Es ist ihr Vater, der das alles kontrolliert.“ Trotz des warmen Poolwassers wurde Sasuke kühler. Richtig, Temari war auch auf der Hanamura Party gewesen. Genau an dem Büro, in dem er gewesen war. Der Tatort der letzten ATHENE-Aktion. Das konnte doch kein Zufall gewesen sein. Und selbst wenn…vielleicht hatte sie die grünen Augen auch gesehen, an die er sich noch immer so erinnern konnte? „Ist Temari auch auf der Hochzeit?“ „Ich kann die Liste checken, wenn du möchtest und-“, mit einem Mal versteifte Neji sich komplett. Naruto warf Sasuke einen beunruhigten Blick zu. Sie wussten beide, was gleich kommen würde, und sie mochten es nicht – doch hier lies Neji nie mit sich reden, so sehr sie es auch versuchten. „Was verdammt nochmal willst du?“ Hinata war Nejis Cousine und in der Theorie die Erbin des Hyuga-Vermögens. Praktisch gesehen behandelte ihr Cousin sie wie einen Fußabtreter. Während die Männer in ihren Badehosen noch nicht einmal zu frieren schiene, verschwand Hinata beinahe in ihrem weißen Rollkragen-Pullover. „…d-..du meintest doch ich soll dir sagen, wenn Vater anruft.“ Mit einem genervten Stöhnen hob sich Neji ebenfalls aus dem Wasser und ging ohne ein Danke an ihr vorbei. Sasuke verstand ihn ein wenig. Es gab einem das Gefühl von Macht, jemand anderen kleiner zu machen. Aber Hinata konnte keiner Fliege etwas zuleide tun, weshalb Sasuke sie in Ruhe lies. Es machte keinen Spaß, wenn sich die andere Partei nicht wehren konnte. „Ach, nimm dir das nicht so zu Herzen, Hanabi“, lächelte Naruto freundlich und streute noch etwas mehr Salz in die Wunde. „Hinata“, berichtigte Sasuke ihn leise. Es war wirklich traurig, dass sie so wenig Charakter hatte. Sie war beinahe hübsch mit ihren langen Haaren und großen Augen, doch er war sich sicher, dass sie sich die meiste Zeit nur anschweigen würden. „Scheiße, echt jetzt?“, stammelte Naruto und stand vorsichtig auf, „Sorry, Hinata, ey, das hättest du doch mal sagen können! Wie lange sag ich denn jetzt schon den falschen Namen?“ „Es…es ist wirklich nicht schlimm…“, mit einem vorsichtigen Lächeln sah sie dankbar zu Sasuke und dann zurück zu Naruto, „Ihr habt immer alle so viel zu tun, da ist sowas doch nicht wichtig.“ „Ey, hallo, natürlich ist das wichtig. Das ist doch dein Name!“ Zu seiner eigenen Überraschung merkte Sasuke, wie stolz er auf Naruto war. Das arme Dinge sah ihn oft mit großen, verträumten Augen an, aber bis eben war Sasuke sich sicher gewesen, dass Naruto es bewusst ignorierte. Jetzt, wo er sich so für sie einsetzte, begriff er, dass sein bester Freund es einfach nicht bemerkte. So wie vieles nicht. Es würde ihm ganz gut tun mit den Hyugas mehr Fuß zu fassen. Der Name Namikaze mochte etwas bedeutet haben, als seine Familie noch lebte, doch inzwischen war sie nur noch Schall und Rauch. Und die Uzumakis, deren Namen Naruto nun trug? Die waren hier in Konoha beinahe unbedeutend. Wenn er nicht ständig rechtfertigen müsste mit Naruto herumzuhängen, kam ihm diese Schwärmerei doch gerade recht. „Ich hol mir mal was vom Buffet“, nickte er den beiden zu und ging ebenfalls, ohne sich zu verabschieden. Wenn es etwas gab, was er am Country Clubs liebte, war es die Atmosphäre. Presse hatte schichtweg keinen Zutritt, alle waren gewollt höflich und nicht immer so lästig. Das lag auch vielleicht daran lag, dass der Togami Country Club noch einmal etwas exklusiver war und nicht jeden neureichen Schnösel hereinlies. Nach einem Abstecher zur Umkleide, machte er sich wirklich Richtung Buffet auf. Es bestand vor allem aus Vorspeisen und Desserts, für Hauptspeisen gab man die Bestellung selbst auf. Während seine Augen zwischen Pesto und gefüllten Eiern hin und her schwankten, blieben seine Blicke an einem paar lackierter Nägel hängen. „Dir ist schon bewusst, dass du keinen Nagellack zu tragen hast, wenn du mit Essen hantierst?“ Ein Paar smaragdgrüner Augen blickte ihm entgegen und ließ ihn die Stirn runzeln. Vielleicht hatte Naruto recht. Er wurde wirklich paranoid. Die junge Frau trug die Uniform des Personals für diesen Bereich. Ihr rosafarbenes Haar hatte sie zu zwei Zöpfen gebunden, die Arme wirkten auf den zweiten Blick etwas durchtrainiert. „Ehrlich?“, sie zog die Hand sofort zurück, „Tut mir leid, ich bin eigentlich aus dem Wellnessbereich und nur eingesprungen. Ich hol mir sofort ein paar Handschuhe.“ Sie drehte sich rasch von ihm weg. Fast schon etwas zu schnell. „Warte kurz“, sagte er ruhig in einem Tonfall, der keine Widerworte erlaubte. Sasuke ging an ihr vorbei in den Mitarbeiterbereich und griff nach einem Paar schwarzer Handschuhe, „Hier. Spar dir den Weg.“ Andere hätten es wahrscheinlich charmant gefunden, doch sie wirkte ein wenig vor den Kopf gestoßen. Das Grün ihrer Augen war ausdrucksstark – und doch schwer zu lesen. Zu seiner Überraschung hielt sie den Augenkontakt dieses Mal mit ihm. „Lange bist du hier aber noch nicht“, an diese Haarfarbe würde er sich definitiv erinnern. „Korrekt“, mit einem freundlichen Lächeln blieb sie genau da stehen, wo sie sich befand. Im Kundenkontakt war sie also nicht ganz unerfahren, wenn gleich man ihr auch hätte beibringen müssen, sich ungesehen zu bewegen. Personal hatte gesichtslos zu sein, ohne jegliche Persönlichkeit. „Dann hier ein paar Hinweise, bevor du gleich wieder fliegst – lerne so schnell wie möglich alle Namen der hier anwesenden Personen auswendig. Sprich nur, wenn du gefragt wirst. Sei immer freundlich, aber freunde dich nicht mit jemanden außerhalb des Personals an. Ich weiß nicht, wie viel du hier verdienst, aber wenn du denkst, das sei einfach nur ein Job, dann denk daran, dass das hier ein exklusiver Club ist.“ „Und woher weißt du, dass ich die Namen nicht gelernt habe, Sasuke?“, das Lächeln war beinahe zuckersüß, doch die Augen blieben kühl. Das mochte er. Jemand, der sein Gehirn benutzt und nicht nur hoffte, einen Cinderella-Moment zu haben. „Nachnamen.“ „Nicht, wenn eine Familie anwesend ist“, korrigierte sie ihn seelenruhig, „Dann nur der Nachname für das älteste Kind, für alle anderen sind Vornamen ausreichend, um das Familienoberhaupt nicht zu beleidigen. Herr Hyuga, zum Beispiel, ist Herr Hiashi Hyuga. Fräulein Hyuga ist seine Tochter, Hinata. Fräulein Hanabi ist Hinatas Schwester.“ „Nicht schlecht. Jetzt nur noch siezen und dann hast du es“, mit einem leichten Schmunzeln griff er an ihr vorbei und bediente sich seelenruhig am Buffet, „Dann musst du mir jetzt nur noch deinen Namen verraten, damit ich dich anschwärzen kann, sobald du etwas falsch machst.“ Sie wartete für einen Moment, ehe sie begann zu lachen. Er verstand es. Der Scherz überraschte ihn selbst ein wenig. „Sakura heiße ich.“ Sakura. Rosafarbenes Haar. Grüne Augen. Sehr genaue Aussprache bis auf einen kleinen Zungenanschlag beim Sprechen des S – manchmal klang es ein wenig zu scharf, wenn es weich gesprochen werden müsste. Er würde es sich einprägen, nur zur Sicherheit. „Und Trinkgeld…“ „Nehme ich natürlich nicht an.“ „Sehr gut. Dann brauchst du wohl keine Ratschläge mehr von mir“, er ging an ihr vorbei, suchte nach seinem Stammtisch und blieb, wie zufällig, noch einmal kurz stehen, „Wir sehen uns sicher bald noch einmal, Sakura.“ Es machte ihm Spaß, sie erröten zu sehen. Zu wissen, dass er immer noch wusste, was er wann und wie sagen musste, um genau den Eindruck zu erzielen, den er wollte. Wenn sie weiterhin hübsch und klug blieb, und seine „Paranoia“ sich beruhigt hatte, würde es ihm Spaß machen ihre Integrität ein wenig mehr zu prüfen. Seine Familie besaß einen Stammtisch im Club. Andere Tische standen etwas abseits, um ihm Platz zu geben und nicht von jedem behelligt zu werden. Bei einem Glas Rotwein aß er langsam die Vorspeisen und ließ seinen Blick immer wieder zum Buffet streifen. Sakura stellte sich nicht schlecht an, aber es war erkennbar, dass sie wirklich noch nicht so viel Erfahrung hatte. Wie wahrscheinlich war es dann, dass man ausgerechnet sie bat einzuspringen? Hier? „Du starrst“, riss ihn Neji aus seinen Gedanken und setzte sich mit einem Teller Salat und einem Glas Weißwein ihm gegenüber, „Wo ist Naruto?“ „Entschuldigt sich, dass er dachte, Hinata sei Hanabi.“ Neji rollte ein weiteres Mal mit den Augen, „Müsst ihr sie auch noch ermutigen? Diese dumme Schwärmerei hat sie sich aus dem Kopf zu schlagen. Das Mädchen hat keine Ahnung, wie man sich hier benimmt, obwohl sie hier aufgewachsen ist. Das Einzige, was ihr ein wenig hilft, ist dieses dämliche Kunststudium, wofür sie Jura abgebrochen hat.“ Neji und er kannten sich seit der Studienzeit. Sie waren in der gleichen Verbindung gewesen und hatten das gleiche Fach studiert. Seitdem kletterte Neji in Rekordzeit die Karriereleiter der Hyuga Hotels nach oben, und das mit gutem Grund. Sasuke wusste, dass Neji keinen einzigen Anspruch auf irgendetwas hatte. Er musste sich mehr beweisen, als Sasuke es je getan hatte. „Komm, jetzt sei doch nicht immer so hart zu ihr. Man könnte meinen, du hasst sie wirklich.“ „Natürlich hasse ich sie nicht“, etwas änderte sich an seiner Haltung, er zog den langen Pferdeschwanz etwas fester, „Aber…du weißt ganz genau warum wir sie so weit wie möglich von allem fernhalten müssen.“ Tatsächlich wusste er es nicht. Worauf spielte Neji denn bitte jetzt an? Mit einem fragenden Blick nahm er einen Schluck Wein und wartete auf eine Erklärung. Stattdessen begann sich sein Ausdruck sich in seinem Gegenüber zu spiegeln. Die leicht erhobene Augenbraue beherrschten sie beide ziemlich gut. „Ich höre“, ermutigte er ihn. Stattdessen wurde Nejis Mund zu einem dünnen Strich, ehe ein nervöses Lachen seine Lippen verlies, „Scheiße. Du hast keine Ahnung.“ „Keine Ahnung wovon?“ „Lass es einfach. Ist vielleicht besser“, gestand er. Es war als würde sich eine Wand zwischen ihnen aufbauen, von hier auf gleich. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander. Nicht er. Nicht Naruto. Warum zum Teufel ging auf einmal alles do verdammt schief? „Hätte niemals gedacht ,dass du von uns allen so unschuldig bist.“ Okay, es ging nichts schief, jetzt lief es einfach nur bescheuert, „Mach doch einfach den Mund auf. Keine Machtspiele zwischen uns. Das hast du mir auch mal versprochen.“ Noch nie hatte er Neji so erlebt. Wortlos griff sein Freund zu seinem Glas und nahm einen Schluck, ehe er den Blick abwandte und zum Buffet sah. Sakura füllte gerade die Canapés neu auf und warf ihm ein freundliches Lächeln zu. Mit einem kühlen Stirnrunzeln drehte sich Sasuke zu Neji zurück, „Neji?“ „Wenn du mein Freund bist, lass gut sein. Glaub mir. Es ist besser so.“ Für einen Freund lag Neji damit gehörig falsch. Schließlich hasste Sasuke es, wenn man Dinge vor ihm verheimlichte. Und momentan hatte er das Gefühl, eine ganze Menge verpasst zu haben. Kapitel 5: Espresso Shots ------------------------- Hinata fühlte sich wie auf Wolke sieben. Leider war dafür gerade der schlechteste Moment aller Zeiten. Während Sasuke gütiger Weise Naruto an ihren richtigen Namen erinnert hatte, verpasste sie gerade ihr Meeting mit Sakura am Buffet für wundervolle Sekunden der Aufmerksamkeit. Sie wusste selbst, dass das mit Naruto eine Schwärmerei war und nicht mehr. Sie sprachen nie miteinander. Niemals. Nur, dass sie es jetzt gerade taten und ihr kleines Herz mehr und mehr schlug. Und schlimmer noch? Er war ein guter Zuhörer mit unbekleidetem Oberkörper.               „Also warte, nur, damit ich euch nicht weiter durcheinanderbringe – wer von euch beiden spielt denn jetzt Klavier?“               „Wir beide, aber Hanabi spielt professionell. Sie ist auf einem Musikinternat.“               „Aber du spielst auch noch Klavier?“, mit einem stolzen Lächeln legte er ihr wohlwollend die Hand auf die Schulter. Hinatas Atem stockte. Mit einer Hand umfasste sie ihr Handgelenk, um sich ein bisschen zusammenreißen zu können.   Mit zitternder Stimme sprach sie ebenfalls,             „Du hast doch mal Gitarre gespielt. Spielst du denn nicht mehr?“   Er sah sie vollkommen überrascht an. Hatte sie zu viel gesagt? War das peinlich, dass sie das noch wusste? Aber so oft, wie Naruto, wenn er und seine Jungs bei ihnen waren, die Gitarre früher herausgeholt hatte, musste das doch offensichtlich sein.             „Du bist, glaube ich, die Erste, die mich darauf anspricht.“               „Oh, tut mir leid.“               „Nein, ich meine, das ist voll lieb“, mit einem leichten Grinsen ließ er von ihr ab und kratzte sich den Hinterkopf, „Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so unglaublich gut unterhalten habe. Hast du Lust noch ein Eis zu essen oder so?“ Hoffentlich würde er es ihr nicht übelnehmen.   Sie hätte wirklich gerne ja gesagt, doch momentan verließen sich die anderen auf sie. Sie konnte Sakura nicht so lange warten lassen,             „Ich habe tatsächlich auch noch ein Telefonat zu führen. S-..sonst aber sehr gerne. Wirklich. Ich…ich w-..würde unglaublich gerne mit dir ein Eis essen.“               „Na komm, du begehst doch keinen Hochverrat. Dann beim nächsten Mal. Wir sehen uns bald“, spielerisch beugte er sich vor und sah ihr etwas zu lange ins Gesicht und sprach jede Silbe ihres Namens einzeln aus, „Hi-na-ta!“   Mit einem frechen Lachen zwinkerte er ihr zu und sprang mit einem lauten Plätschern zurück ins Wasser. Während die umhersitzenden Gäste sich beschwerten, wurde ihr unglaublich warm um Herz. Vielleicht war ihre Schwärmerei doch nicht mehr so klein.   Hinata machte sich flink Richtung Buffet auf, nur, um Sakura im Flur zu treffen. Als sie den Mund öffnete, um sich zu entschuldigen, schüttelte ihre Freundin schnell den Kopf und lief schnurstracks an ihr vorbei,             „Planänderung. Sasuke hat mich gesehen.“               „Was-“               „Wir machen das Zuhause. Sorry.“   Dass Sasuke noch immer so wachsam war, gefiel Hinata wirklich nicht. Mit einem leichten Seufzen machte sie auf dem Absatz kehrt und hoffte, dass sie Naruto nicht aus Versehen in die Arme lief. Den Togami-Club zu verlassen, störte sie nicht im geringsten. Sie fühlte sich einfach nur unwohl hier.   Die Anfahrt zum Blumenimperium war immer ein wenig schwierig. Anders als Temari, die tun und lassen konnte, was sie wollte, musste sie vorsichtig sein. Sie dufte keine Aufmerksamkeit erregen. Vater tat gerne so als ob sie nicht existierte. Neji drängte sie in jede Ecke, die er finden konnte und scheuchte sie fort, wenn sie ihm zu nahe kam. Ein Schritt außerhalb des Bereichs, der ihr zugeteilt wurde, genügte. Beide wüssten sofort Bescheid.   Ihre Strategie war daher ein wenig umständlich. Sie fuhr erst nach Hause und platzierte ihr Handy am Ladekabel, ehe sie das kleine Prepaid-Handy, welches Tenten ihr besorgt hatte, herauszog. Alles Anrufe, die man nicht verfolgen konnte. Etwas Bargeld hatte sie immer dabei -für ein Taxi reichte es immer, den Hinweg und teile des Rückwegs unternahm sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Umständlich, aber effektiv.   Hinata wusste, dass sie sich nicht beschweren konnte. Die anderen hatten viel mehr durch als sie. Ihre Liste war bei weitem kleiner als die der anderen. Sie trug nur einen Namen. Den ihres Vaters. Eines Vaters der so viel Leid nicht nur in, sondern auch außerhalb außerhalb verursachte. Der jedes Wort erstickte, was die Hyugas in ein negatives Licht rücken konnte. Schweigen ließ sich praktischerweise kaufen – und es war so viel effektiver  das Schweigen von Zeitungen und Juristen zu kaufen, als mehrere Rechtsvergleiche zu schließen.   Sie wusste, jeder Cent, den sie in den Händen hielt, befleckt war. Und so tat Hinata, das, was auch Temari entschieden hatte zu tun – jeder Cent in ihrer Hand sollte in die entgegengesetzte Richtung fließen. Gegen das, was ihn dorthin befördert hatte. Der November hatte den letzten Herbstblättern die Farbe genommen. Dunkles Orange und kühles braun gaben ihm einen Hauch von Tristesse. Umso mehr erschien das Blumenimperium wie ein gigantischer Eimer Farbe. Als Hinata eintrat, waren gerade ein paar ältere Damen dabei, sich von Tenten einen Strauß binden zu lassen.               „Hina, schön, dass du da bist, hilfst du kurz mal Frau Sato?“               „Aber natürlich“, hier im Laden fühlte sie sich viel wohler. Mit einem warmen Lächeln holte sie sich eine grüne Schürze und band sie sich um, ehe sie der alten Dame bei ihrer Blumenauswahl half. Es war selten, den Laden so voll zu sehen. In der letzten Zeit kamen immer weniger Kunden.               „Ach, Fräulein, Sie machen das aber immer so schön.“               „Frau Yamanaka lernt mich gut an“, grinste sie, als sie den Strauß Rosen vorsichtig zusammenband. Inzwischen schnitt sie sich nur noch selten an den Dornen und für Kundinnen wie Frau Sato entferne sie sie sogar freiwillig.               „Auf jeden Fall machen Sie es besser als der Laden im neuen Einkaufszentrum.“   Es war als hätte jemand die kurze Idylle in Zwei geschnitten. Tenten warf Hinata einen mitleidigen Blick zu. Die Einkaufsstraße war mit der Zeit immer leerer geworden, die kleinen Läden um das Blumenimperium hatten begonnen zu schließen. Mit dem Zentrum konnte sie nicht mehr mithalten.               „Dankeschön. Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Sato. Sie sind hier immer willkommen.“   Die Damen verabschiedeten sich alle ein wenig zu schnell und der Laden war plötzlich so leer, wie leider schon öfter in letzter Zeit. Tenten streckte sich vorsichtig und kletterte über den Ladentisch,             „Okay, Sakura und Ino sind oben. Aber bitte, erzählt mir endlich, was Sache ist, ich komme hier um vor langer Weile. Wir hatten heute nur sieben Kunden und Ino meinte, nach den Damen kann ich zumachen. Kommt wohl niemand mehr.“               „Vielleicht in der Adventszeit und Weihnachtszeit dann?“   Tenten zuckte mit den Schultern und begann die Ware von draußen wieder hinein zu räumen. Zwischen großen Blumentöpfen und Sträußen ertönte ein frustriertes Seufzen,             „Angeblich gibt es Probleme mit den Kranzmaterialien. Wegen so ‘ner komischen riesigen Weihnachtshochzeit ist gerade jegliches Tannengrün super teuer geworden.“   Ein kühler Schauer lief ihr den Rücken herunter. Von der Hochzeit wusste sie noch nicht sehr lange, doch den Mädels hatte sie bisweilen noch nichts verraten. Jetzt war es wohl an der Zeit,             „Darüber wollte ich auch noch mit euch sprechen.“   Ein wenig später hatten sie sich bis auf Temari in Inos Küche versammelt. Ino war bereits an ihrem Tablet, während Sakura etwas unruhig an der Kaffeemaschine stand und sich einen Espresso machte. Hinata wunderte sich, ob sie sie vielleicht nicht davon abhalten sollte. Ihre Freundin wirkte schon jetzt viel zu angespannt.               „Wir müssen ihn irgendwie abschütteln. Ihr hättet mal sehen sollen, wie der mich nicht gehen lassen wollte.“               „Oh, Süße, ich habe alles gesehen“, grinste Ino und drehte ihr Tablet den anderen entgegen, „Tada! Überwachungskameras gehackt! Wer ist eure Queen?“               „Oh mein Gott, man kann ja sogar zoomen! Mann, du siehst echt süß aus in dem Outfit“, stellte Tenten fest, „Aber Schatz, beim nächsten Mal unbedingt den Nagellack abmachen, erste Gastroregel überhaupt.“   Hinata lachte leise, während Sakura die Augen verdrehte und leicht rot anlief,             „Hat Sasuke mir auch gesagt. Aber ihr müsstet mal hören, wie er es mir gesagt hat.“   Die Mädels sahen in Inos Richtung, welche mit den Schultern zuckte,             „Wo kein Mikro ist, kann ich nichts machen. Und wir können euch nicht ständig verkabeln, das ist zu umständlich.“               „Ich weiß auch nicht, er war total komisch.“               „Also, wenn du mich fragst“, führte Tenten fort, „Sieht es eher aus, als ob er mit dir flirtet. Guck mal, hier. Oder da, wo er so von Neji zu dir herüberstarrt? Der findet dich einfach süß. Was wir, übrigens, komplett nutzen können.“               „Nein.“               Ino stieß ein freudiges Quietschen aus, „Oh mein Gott, Sakura, du musst ihn flachlegen.“               „Nein!“               „Ich meine nur“, Tentens Ausdruck war um einiges ernster während Ino voller Begeisterung auf den Tisch schlug,  „wenn Sasuke Uchiha dich so spannend findet, kannst du ihn entweder leichter aus dem Weg halten, weil er bei Temari nicht ranspringt, oder ein paar Infos lockermachen.“               „Flach-Le-GEN!“               „NEIN“, quengelte Sakura und klammerte sich an ihre Tasse.   Es wurde Hinata ein wenig zu chaotisch. Mit einem tiefen Atemzug hob sie die Hände und war überrascht, wie fest ihre eigene Stimme klang,             „Niemand legt hier irjemanden f-...fl-..flach. Außerdem müssen wir die Priorität vielleicht etwas verschieben“, als alle Augen nun auf sie gerichtet waren, wurde Hinata noch ein wenig mehr schwindlig, „Ich..ich meine nur…also… an Heiligabend heiraten im Grand Hyuga Hotel Uchiha Itachi und Togami Yukiko. Gecatered von Okumura Foods und die anderen…naja…die anderen sind bestimmt auch da.“   Die Stille, die sich im Raum ausbreitete, hatte Gewicht. Hinata klammerte sich an ihr eigenes Espressotässchen. Sie wartete einen Moment ab, hoffte, dass sie nicht gleich von allen Seiten angefaucht werden würde. Die Fragen begann bereits durch ihren Verstand zu rasen:  Warum sie nichts früher gesagt hatte? Ob sie hier wirklich mitarbeiten wollte? Ob das ganze eine Nummer zu groß wäre?               „Heilige Scheiße, das ist ja fantastisch“, grinste Ino ihr zu, „Okay, sobald Temari hier ankommt entwerfen wir einen Schlachtplan.“               „Wir fahren zweigleisig“; kam es sofort von Sakura. Die kleine Kabbelei war sofort vergessen, „Den Club zu verlassen, jetzt wo wir drin sind ist viel zu riskant.“               „Aber, wenn Sasuke seine Augen auf Sakura hat“, hakte Tenten nach, „Dann können wir wissen, wo er ist – oder wo er nicht ist.“               „Ihr braucht doch sicher Personal, Hinata“, fügte Ino hinzu, „Kannst du da Tenten nicht reinbringen?“   Erleichterung machte sich in ihrer Brust breit. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Tenten klopfte ihr sanft auf die Schulter und drückte leicht zu. Ein kleiner Vertrauensbeweis, dass sie sich hier unter Freundinnen befand, wenn auch unausgesprochen.               „Neji muss sie da hereinbringen. Und bei so einer großen Veranstaltung sind sowohl Temari als auch ich komplett eingespannt. Aber..,das bedeutet auch, dass wir mehr Fläche abdecken könnten“, gab sie zu bedenken, „Und, dass ich uns die Zugänge viel einfacher besorgen kann.“   Ino knabberte nachdenklich an einem ihrer Nägel,             „Lasst uns damit nochmal ein bisschen abwarten. Ehrlich jetzt. Wenn du und Temari da so tief drinnen steckt, dann könnt ihr auch viel schneller auffliegen. Das ist die ganze Sache hier nicht wert.“   Hinata war da anderer Meinung. Noch nie hatte sie das Gefühl gehabt so sehr an etwas Großem teilgehabt zu haben. Etwas zu tun, anstatt nur passiv dabei zu stehen.               „Hab‘ ich war verpasst, meine Süßen? Warum haben wir schon zu?“   Temari schlenderte auf hohen Stiefeln in die Küche und setzte sich dramatisch an die Tischkante.             „Nur, dass wir wahrscheinlich gegen Weihnachten eine Hochzeit crashen.“               „Ach Mensch, und ich dachte, ich hätte gute Neuigkeiten“, vorsichtig hob sie ihre Sonnenbrille an und grinste ihnen entgegen, „Tenten, ich hab‘ deinen Kontakt aufgespürt. Du hattest Recht, den gibt’s wirklich noch.“               „Für die Diamanten?“, hakte Ino interessiert nach, „Aber im Netz war fast nichts zu finden.“               „Der Typ ist ein halber Technophob wenn es ums Erreichen geht. Aber…auch eine kleine Partymaus. Sagt mir bitte, dass ihr Samstag nichts vorhabt.“   Sie sahen einander an und zuckten mit den Schultern. „Was haben wir zu verlieren?“   „Alles“, grinste Temari, „Aber das ist ja nichts neues.“ Kapitel 6: Figs and Goat Cheese ------------------------------- Der lange Gang war klinisch weiß. Es hätte ihn beruhigen sollen, doch stattdessen machte es ihm nur mehr Angst. Sein Herz raste so schnell, dass er fürchtete, es würde aus seiner Brust herausstoßen.             „Er ist schon wieder wach, Chef.“             „Faszinierend. Dann widersteht sein Körper dem ganzen wohl ein bisschen zu gut“, ein Schatten verdunkelte das gleißende Licht. Der Schmerz in seinem Arm war plötzlich und stechend, vollkommen präsent, „Keine Sorge, Sasuke. Gleicht geht es wieder.“   ***   Schweißgebadet wachte er auf. Sasukes Hals war verdammt trocken. Viel zu trocken. Vorsichtig setzte er sich auf und griff nach dem Wasserglas auf seinem Nachttisch. Er nahm einen Schluck. Ein Blick auf die Uhr informierte ihn, dass es 19:44 Uhr war. Er hatte viel zu lange geschlafen. Mit einem leisen Stöhnen hievte sich Sasuke aus dem Bett und bewegte sich zum Bad seines Zimmers. Er spritzte sich ein bisschen Wasser ins Gesicht, um wacher zu werden. In letzter Zeit träumte er immer nur so einen Mist. Vielleicht hatte Naruto recht und er war wirklich paranoid geworden. Um den ATHENE-Vorfall kehrte langsam Ruhe ein, zumal die Polizei überhaupt keine Anhaltspunkte hatte, wonach sie überhaupt suchen sollte. Es gab keine einzige Spur eines Einbruchs. Auch wenn Sasuke seiner eigenen Erinnerung vertraute, wusste er, dass die Behörden keinen Grund hatten seinen Hinweisen nachzugehen. Er fühlte sich machtlos. Es war einfach ekelhaft.   Da er vollkommen verschwitzt war, duschte er – erst kochend heiß, um aufzuwachen, dann eiskalt, um wirklich aufzuwachen. Eigentlich hatte er nur bis siebzehn Uhr schlafen wollen. Doch in letzter Zeit schlief er länger als geplant, gefangen in seinen Albträumen. Fast sehnte er sich schon nach der Zeit, als er gar nicht geschlafen hatte. Aber man wollte wohl immer, was man nicht haben konnte.   Nachdem er sich angezogen hatte, beeilte er sich zu seinem Auto zu kommen. Heute war ein Abendessen bei seinen Eltern angesetzt, bei welchem auch Itachi und Yukiko dabei sein sollten. Sasuke hielt zwar nicht besonders viel von dem Togami Mädel, doch die Verbindung würde Ihnen auch eine Menge bringen. Also ertrug er sie wie eine Grippe-Impfung. Nötig, aber unangenehm.               „Call Temari“, sprach er zu seiner Anlage, sobald er auf der Stadtautobahn war. Offenbar sekündlich ging diese ans Telefon. Anders als sonst waren mehrere Stimmen und Gelächter im Hintergrund zu hören.               „Na hallo, vermisst du mich etwa? Dass ich das noch erleben darf“, ihre Worte sangen nur so vor liebevollem Spott, „Wie kann ich dir heute behilflich sein?“                                                      BoahInoduschreistmirmalwiedervollinsOhr! Könnenwirmalranfangenichmusspinkeln!                                               EysseiddochmalleisesieistamTelefon! HeySakurakönnenwirnicht-                                                                    LeutesieisternsthaftamTelefon!               „Es ist verdammt laut wo du gerade bist, hörst du mich überhaupt?“               „Ich habe verdammt gute Ohren. Ich dachte das wüsstest du“, trotzdem wurde es augenblicklich Stiller auf der anderen Seite. Sasuke atmete beruhigt aus. Es war merkwürdig sich Temari mit anderen Personen vorzustellen. Sie war immer eher eine Einzelgängerin gewesen, hatte sich sogar eine Weile mit ihren Geschwistern komplett aus der Gesellschaft zurückgezogen. Ein kleines bisschen beruhigt war er schon. Jeder brauchte Freunde. Sogar sie.               „Du bist doch sicher auch auf der Togami-Hochzeit?“, fragte er gespielt locker und schaute in den Rückspiegel, „Schon eine Begleitung am Start oder wollen wir‘s probieren?“   Jemand begann im Hintergrund laut zu lachen, bevor ein Zischen sie zur Ruhe ermahnte.             „Also Sasuke, das ist ja unglaublich süß, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, du bist so gar nicht mehr an mir interessiert.“   War er auch nicht. Aber zum einen war sie immer noch das kleinere Übel – denn sobald er alleine ankam, würden ihm viel zu viele Damen an den Fersen hängen, zum anderen war seine Paranoia weiterhin nicht ganz gestört,             „Habe ich etwa deine Gefühle verletzt? Tut mir leid.“               „Ach nicht doch, Sasuke, Ich habe keine Gefühle. Ich nehme dich also liebend gern mit, aber was Laufen wird da garantiert nicht. Ich habe eine persönliche Abneigung gegen Hochzeiten.“   Er rollte mit den Augen. Manchmal war Temari ihm schon ein wenig zu cool.               „Dann machen wir das doch fest. Wie geht’s eigentlich deinen Brüdern?“   Obwohl sie nichts sagte, hörte er, wie sich die Stimmung am anderen Ende merklich verschlechterte,             „Lassen wir das. Wir sehen uns auf der Hochzeit deines Bruders.“   Sofort hatte sie aufgelegt. Daran trug er wahrscheinlich selbst die Schuld. Warum waren ihm die Sabakuno-Brüder auch gerade jetzt in den Sinn gekommen? Ehe er sich einen Reim daraus machen konnte, war er bereits am Familienanwesen angekommen. Zu seiner eigenen Überraschung fühlte er sich ein wenig unwohl. Die Novembernacht ließ sein Familienheim kalt aussehen. Regen und Nebel fraßen umherstehende Bäume ohne viel Mühen und ertränkten den Asphalt unter ihm. Er kurbelte das Fenster ein wenig herunter, nahm einen tiefen Atemzug von Regenluft. Vielleicht brauchte er nur ein wenig Ablenkung. Etwas Hübsches an seiner Seite, was nicht zu jedem ja und amen sagte, oder er brauchte etwas Spaß. Ein kleines Chaos, dass er verursachen konnte, bei dem niemand ernsthaft verletzt wurde. Nur ein wenig.               „Kommst du jetzt endlich rein oder störe ich einem inneren Monolog?“   Vom Gehweg aus kam ihm Itachi entgegen und hielt einen großen Schirm in seinen Händen. Das kurze Haar und der Anzug ließen ihn wie eine Kopie seines Vaters aussehen. Manchmal vermisste Sasuke den alten Itachi mit dem warmen Lächeln und langem Pferdeschwanz. Aber den gab es schon lange nicht mehr, auch wenn, so wie eben, manchmal noch ein Hauch der Erinnerung an ihm hing.               „Ich bin eben fertig geworden“, schmunzelte er und stieg aus seinem Auto aus.               „Du hast abgenommen. Isst du genug?“               „Ja, Mama“, rollte er mit den Augen und ließ sich zur Tür begleiten, „Nervös wegen der Hochzeit?“               „Wieso sollte ich? Es ist alles so wie es sein sollte.“   Sasuke hatte sich gefragt, was seinen Bruder dazu gebracht hatte, sesshaft zu werden. Itachi war so ein Weltverbesserer gewesen, doch er hatte sich beruhigt. Manchmal hoffte Sasuke, es würde ihm auch so gehen. An Tagen wie heute fühlte er sich unglaublich leer und jede kleinste Berührung war gewünscht und gefürchtet zugleich. Gemeinsam schüttelten sie den Schirm aus und wechselten in Hausschuhe. Jetzt, da er ein eigenes Heim besaß, kam ihm sein altes Zuhause manchmal ein bisschen zu perfekt vor. Jedes Mal fühlte er sich ein wenig wie an einem Filmset. Auch heute war vieles bereits eine Mischung aus Weihnachtsdeko und Erntedankdekoration. Seine Mutter begrüßte ihn mit einer Umarmung, die genau fünf Sekunden lang war, während Yukiko Itachi einen tiefen Kuss gab. Sasuke sah so gut es ging weg.   Mutter führte sie an den Esstisch, der bereits reichlich gedeckt war. Itachi rückte seiner Zukünftigen den Stuhl zurecht.               „Jetzt habe ich doch endlich eine Schwiegertochter. Ach Sasuke, vielleicht findest du ja auch bald jemand so liebes wie unsere Yukiko.“   Er persönlich fand, dass Yukiko noch weniger Charakter als Hinata hatte, nämlich gar keinen.               „Hast du denn schon eine Begleitung?“, fragte sein Vater vom Tischende. Sasuke liebte seinen Vater abgöttisch, doch bis heute fand er es ein wenig seltsam, dass alle anderen an der Tischkante saßen und Vater am Tischende. Es gab ihm manchmal das Gefühl, dass Distanz zwischen ihnen herrschte. Dabei wusste er, dass sie alle ein Herz und eine Seele waren.               „Temari Sabakuno.“   Während seine Mutter lobend die Hände zusammenschlug, musterte sein Vater ihn für einen Moment, ehe er nickte,             „Sie ist…annehmbar. Aber ich hatte da eher an eines der Hyuga-Mädchen für dich gedacht.“   Oh Himmel nein. Sasuke schüttelte nur enthusiastisch den Kopf,             „Die eine hat ganz sicher was mit Naruto und ihre Schwester ist mir wirklich zu jung.“   Sasuke war nicht dumm. Er wusste ganz genau, worum es seinem Vater ging. Mit Itachi hatte er eine perfekte Verbindung zu den Togamis geschaffen – warum also nicht mit den Hyugas das Gleiche tun? Doch der Gedanke mit einem Mädchen, das kaum ein Wort herausbrachte, zusammen zu sein schnürte ihm fast die Kehle zu. Genug in seinem Leben war nicht in seiner Hand. Wenigstens bei der Partnerwahl wollte er ein Wörtchen mitzureden haben.   Erneut breitete sich Stille am Tisch aus. Zu seiner Überraschung vermisste Sasuke Naruto und Neji. Die wenigen Abende, die sie zusammen bei Tisch verbrachten, waren bei weitem lustiger als dies hier.               „Ach, ich finde Sabakuno ist gar keine so schlechte Wahl. Ich war mal mit Temaris Bruder vor zig Jahren aus und er war wirklich, wirklich süß.“               „Kankuro?“, hakte Itachi nach. Sasuke verschluckte sich fast an seiner Gabel. Beim Himmel, dann hatte sie mit Itachi aber wirklich ein paar Nummern nach oben gelangt.               „Nein, nein, Gaara.“, lachte sie und warf den kurzen schwarzen Bob in den Nacken, „Er war zwischendurch wirklich niedlich. Bevor er wieder seine komischen Macken hatte. Aber ich war auch gerade Mal neunzehn. Da hatte ich dich noch nicht, mein Schatz“, flötete sie fröhlich.   Sasuke versuchte sich auf seine Vorspeise zu konzentrieren, ließ das Messer durch den gerösteten Ziegenkäse gleiten und mischte ihn mit einem Stückchen Feige. Trotzdem wurde ihm ein wenig flau im Magen. Mit der Sabakuno Familie kannte er sich nicht so gut aus, aber er wusste, dass er und Gaara im gleichen Alter waren. Und, dass ihm Yukiko meistens ein wenig zu alt war. Und wenn sie damals neunzehn gewesen war…               „Also für mich gab es immer nur dich“, lachte Itachi und stahl einen Bissen. Sasuke fühlte sich mehr und mehr fehl am Platz. Was war das hier eigentlich? Warum hatte er das Gefühl, dass Itachi und Yukiko fast jeden Satz auswendig gelernt hatten? Vielleicht war es nur brüderlicher Instinkt, der ihn zur Berichtigung dieser Aussage brachte,                         „Naja, es gab da schonmal jemand anderen.“               „Ach Sasuke“, kam ihm seine Mutter dazwischen, „Das ist doch schon ewig her.“   Itachi runzelte die Stirn. Es war sichtbar, dass er Sasuke nicht ganz folgen konnte,               „Wen gab es denn da angeblich?“   Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie er mehrere Male in innige Küsse geplatzt war. Wie er Sasuke versprochen hatte, mit ihm und ihr gemeinsam durch die Welt zu fahren. Und so sehr ihn dieses Mädchen doch genervt hatte, so hatte er sie nicht vergessen,             „Na Izumi meine ich.“               „Sasuke!“   Vaters Stimme ging ihm durchs Mark und Bein. Mit einem Mal fühlte er sich wieder wie Zwölf, in der Ecke stehend, weil er etwas zerbrochen hatte. Eine Erinnerung, die ihm ewig nicht mehr im Kopf erschienen war. Was…war…denn…geschehen?               „Schatz, alles in Ordnung?“   Itachi entglitt das Besteck aus seinen Fingern. Er blinzelte, als ob er etwas nicht klar erkennen konnte, griff mit einer Hand an seinen Hals, und sah dann auf. Mit einem Mal wirkte er viel jünger, wenn auch erschöpfter, tiefe Augenringe plötzlich so viel mehr erkennbar. Von seiner Seite des Tisches traf er Sasukes Blick und sah das erste Mal wieder so aus, wie er ihn in Erinnerung hatte.             „…wo sind wir?“               „Liebling, du solltest dich ausruhen“, beruhigte ihn Yukiko und nahm seine Hand, hauchte ihm einen leichten Kuss auf die Wange. Sein Bruder erschlaffte leicht gegen sie, blickte noch weiterhin stumm auf seinen Teller. Er aß nicht mehr.               „Ich glaube mir ist der Appetit vergangen. Entschuldigt mich.“   Itachi stand auf, Yukiko folgte ihm bereits. Als auch Sasuke Anstalten machte, ihm hinterher zu gehen, erhob sein Vater eine Hand,              "Du setzt dich jetzt sofort wieder hin."       Ich bin 26 Jahre alt. Du kannst mir nichts befehlen.   Er setzte sich.               „Kann mir hier jemand erzählen, was los ist?“               „Das könnten wir dich fragen“, sagte seine Mutter beunruhigt und griff über den Tisch nach seiner Hand. Sasuke, der immer ein Mama Kind gewesen war, schlug sie nicht zurück, „Sasuke, warum bist du denn nur so durcheinander?“ Er war durcheinander? Hatten sie das denn alles nicht mitbekommen?                „Dass Itachi unsere Verbindung zum Togami Unternehmen begründet ist mir ja bewusst, aber warum spielen wir denn jetzt so, als hätte es den alten Itachi nicht gegeben? Warum tut er so, als gäbe es Izumi nicht mehr?“   Sasuke hasste es, wenn er etwas nicht mitbekam. Vielleicht war er deshalb so aufmerksam geworden. Im Studium hatte er gelernt, dass jedes kleinste Detail der Schlüssel zu einem Puzzle sein konnte. Und so bemerkte er den Blick, den seine Mutter seinem Vater zuwarf, das kleine Kopfschütteln von seiner Seite. Was auch immer hier genau abging, er sollte es nicht bemerken.               „Weißt du, dein Bruder wird das alles hier einmal erben. Das ist dir doch bewusst“, leitete sein Vater vorsichtig ein. Das gleiche Gespräch führten sie somit zum vierten Mal. Das erste Mal war Sasuke sieben gewesen und es hatte ihn nicht interessiert. Das zweite Mal war er dreizehn gewesen und wütend geworden – denn auch ihm bedeutete die Familie alles. Beim letztem Mal war er gerade einmal zwanzig geworden und erwachsen genug, um zu verstehen, dass ein Erbe einen auch erdrücken konnte.               „Wir wollen ihm das hier alle erleichtern – also misch dich hier nicht ein. Wir reden nicht mehr von seinen merkwürdigen Träumereien. Dein Bruder ist endlich erwachsen geworden. Und du bist es doch auch.“   Sein Mund fühlte sich zunehmend trockener an. Seine Hand griff nach dem Glas für einen weiteren Schluck, doch es war leer. Niemand schenkte ihm ein. Ihm wurde heiß und kalt.               „Bleib ganz ruhig, Sasuke. Atme. Das ist normal, du fängst dich gerade nur.“   Was?               „Stell einfach keine Fragen und mach uns weiterhin stolz“, lächelte seine Mutter ihm entgegen, „Das hast du doch sonst auch immer gemacht.“   Entgegen seinem Instinkt begann er zu nicken. Und doch war es Nejis Stimme, die in seinem Kopf zu seinem Entsetzen Wurzel fasste.   Scheiße, du hast keine Ahnung. Was auch immer das war, hing jedoch hiermit zusammen. Und jene Ahnung, die Sasuke in den Kopf stieg, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.   „Macht euch keine Sorgen. Es wird nie wieder vorkommen.“ Kapitel 7: Golden Tequila ------------------------- Tentens Körper bebte voller Adrenalin. Noch nie hatte sie so eine Aktion unternommen. Und noch nie war das gesamte ATHENE-Team gemeinsam in einem Fahrzeug gewesen. Sie selbst hatte das Steuer übernommen, während Temari auf dem Beifahrersitz saß und ihr verschwörerisch entgegen grinste. Auf der Rückbank tummelten sich Sakura und Hinata an den Fenstern und Ino direkt in der Mitte. Während der November die Straßen mit Frost beschenkte, zerschmolz sie im Auto fast, trotz ihrer eher gewagteren Kleidung. „Woher kennst du denn diesen mysteriösen Kontakt? Teilt ihr etwa eine dunkle, kriminelle, romantische Vergangenheit?“, grinste Ino in den Rückspiegel und zwinkerte ihr zu. Tatsächlich wurde Tenten dabei sehr warm ums Herz, wenn auch aus nostalgischen Gründen, „Eine kriminelle Vergangenheit - ja, aber keine romantische. Rein platonisch. Aber ihr werdet ihn absolut lieben, das verspreche ich euch.“ „Ich stimme ihr zu, er ist echt liebenswert“, grinste Temari, ohne von ihrem Handy aufzusehen. Trotzdem war Tenten ganz schön nervös. Manchmal war das Bekannte schlimmer als das Unbekannte. Unbeschwert war sie bei weitem nicht. Das Fahren half, zwang sie sich auf die Straße zu konzentrieren. Sie hoffte nur, er würde es verstehen. „Eine minimale Regel für dich, Fräulein Hyuga“, zwinkerte Ino Hinata zu, „Wir bleiben alle brav zusammen. Dein Prepaid Handy ist alles, aber nicht auffindbar und ich habe echt keine Lust, den halben Schuppen nach dir zu durchforsten.“ „Ein Nachtclub erscheint mir auch nicht gerade der beste Treffpunkt für all das hier. Können wir nicht an irgendeinen neutralen Ort?“, Sakura sah in ihrem roten Kleid zum Anbeißen aus, und doch ihr Ausdruck blieb kühl und komplett auf den Auftrag gerichtet. Tenten beneidete sie dafür. „Je öffentlicher umso besser“, belehrte Temari sie, „So kann er uns nichts. Auch, wenn ich kaum glaube, dass er das wollte. Wartet mal kurz-“ Mit einem Stirnrunzeln hob Temari ihr Handy an und drehte sich mehr zur Rückbank, „Es ist Sasuke.“ „Sakura, du musst ihn flachlegen!“, kicherte Ino und legte ihrer Freundin einen Arm um die Schulter. Neben Ihnen hupte ein Laster laut und überholte sie von rechts. Tenten schlug wütend auf ihre eigene Hupe. „Was für ein Arsch, was sollte das denn bitte?“ „Boah, Ino, du schreist mir wieder mal voll ins Ohr“, Sakura verdrehte ihre Augen und versuchte sie wegzustoßen und doch sah Tenten ein kleines Lächeln aufblitzen. Auch Ino sah wieder etwas hoffnungsvoll nach vorne, „Können wir nicht mal ranfahren, ich muss pinkeln!“ Tenten rollte mit den Augen und warf Temari ein Lächeln zu, nur um mit Entsetzen festzustellen, dass diese bereits den Anruf entgegengenommen hatte. Etwas panisch deutete sie ihr, die Konversation zu beenden. „Ey seid doch mal leise, sie ist am Telefon!“ Ino und Sakura waren weiterhin in ihre Kabbelei vertieft, während Hinata sich mehr und mehr in die Ecke drängte. „Hey, Sakura, könnten wir nicht doch nochmal über das Flachlegen nachdenken, ich meine, klar, ich mache nur Witze…“ „Leute“, sagte Tenten mit etwas mehr Angst in der Stimme. Von allen Leuten war ihnen Sasuke gerade echt am meisten ein Dorn im Auge, „Sie ist ernsthaft am Telefon.“ Temara fuhr wütend herum und zischte laut. Es wurde augenblicklich still, „Ich habe verdammt gute Ohren. Ich dachte das wüsstest du“; während ihre Stimme spielerisch spöttisch war, verdrehte Temari das Gesicht. Ino flüsterte das Wort flachlegen ein wenig zu laut. Sie alle hatten gerade mehr Angst als Respekt vor der Situation. Wenn sie es durch ihre Blödelei versaut hatten, dann müssten sie es jetzt merken. Hoffentlich. Tenten hatte keine Lust spontan auf der Straße zu schlafen, weil das Blumenimperium kein Anlaufsort mehr war. Vorsichtig glitt Temari mit ihrer Hand zur Lautsprechertaste. Sasukes Stimme hallte nun klar und deutlich durch den Wagen. „...Togami-Hochzeit? Schon eine Begleitung am Start oder wollen wir’s probieren?“ Wo kam das denn auf einmal her? Beim letzten Mal hatte er ein bisschen geschaut, aber das war alles. Temari warf ihnen einen fragenden Blick zu und deutete auf Sakura. Ino unterdrückte gekonnt ein lautes Lachen. Sie alle wussten, dass ihnen ein Nein nichts nützen würde. „Also Sasuke, das ist ja unglaublich, aber ich hatte das Gefühl ,dass du so gar nicht mehr an mir interessiert bist. Ich nehme dich also liebend gern mit, aber…“, sie deutete demonstrativ auf Sakura, welche resigniert seufzte, während Ino den Daumen hoch zeigte, „Laufen wird da garantiert nichts. Ich habe eine persönliche Abneigung gegen Hochzeiten.“ Verdammt. Sie war so cool. „Dann machen wir das doch fest. Wie geht es eigentlich deinen Brüdern?“ Noch nie hatte Tenten so einen Gesichtsausdruck gesehen. Jene Coolness, die sie eben an ihr gesehen hatte, wich kochender Wut. Temaris Hand hielt das Telefon etwas fester in ihren Händen. „Lassen wir das. Wir sehen uns auf der Hochzeit deines Bruders“, sofort legte sie auf und drehte sich zum Fenster. Ihre rechte Hand ballte sie ein paar Mal zur Faust und entspannte sie. Tenten wusste im Groben was mit Gaara passiert war, doch manchmal fragte sie sich, ob Temari verstand, dass auch sie unter ihrem Vater gelitten hatte. Sie machte sich viel zu sehr darüber fertig, dass sie nicht für ihn dagewesen war, wenn doch ein Elternteil es hätte tun sollen. Aber Tenten hatte keine Ahnung, wie sie ihr das sagen sollte. Sie selbst hatte schließlich nie Eltern gehabt. „Sollen wir kurz ranfahren?“, fragte Hinata vorsichtig. Temari nahm einen weiteren Atemzug und schüttelte den Kopf, „Wir sind gleich da. Wenn jemand anderes zurückfährt, würde ich mir liebend gerne die Kante geben.“ „Ich mach das“, sagten sowohl Ino als auch Sakura gleichzeitig. „Danke. Sorry, ich…ich hätte nicht gedacht, dass er mit sowas kommt.“ Tenten biss sich auf die Unterlippe, während sie langsamer wurde und von der Autobahn in den Nachbarort einbog. Was auch immer ihren besten Freund in eine Kleinstadt gezogen hatte, sie würde es in wenigen Momenten selbst erfahren. Das Telefonat hatte ihr genügend Angst gemacht, um dem Adrenalin einen neuen Pusch zu geben. „Ich stimme Sakura ja nur ungern hierbei zu“, begann Ino vorsichtig, „Aber sie hat Recht. Sasuke kombiniert mir ein bisschen zu gut. Warum will er denn jetzt auf einmal doch wieder was von dir?“ „Weil ich verdammt heiß bin.“ „Ja, aber außerdem.“ „Um ehrlich zu sein, keine Ahnung. Wir reden eigentlich nur übers Geschäftliche. Kann Sakura ihn vielleicht nicht wirklich verführen?“ „Wisst ihr, langsam ist das echt nicht mehr lustig.“ Ein bisschen lustig war es schon, doch da tauchte bereits der Nachtclub auf. Sie hatte nur die Adresse eingegeben, doch erst jetzt sah sie den Namen in großer Leuchtreklame, ummantelt von zwei Neonpalmen, am Eingang prangte: Fountain of Youth. Das Lachen aus ihrer Kehle war beinahe dreckig und vollkommen fassungslos, „Er ist noch genauso geil drauf wie früher.“ Sie parkten vorsichtig ein und stiegen aus. Tenten bereute trotz der Abendkälte ihre Hotpants keineswegs, während Hinata sich nicht nur hinter Ino versteckte, sondern auch noch an ihr wärmte. Als sie darauf warteten, dass Temari ihre Kippe anzündete, schüttelte sie den Kopf, „Erst das Geschäftliche.“ Neben ihr nahm Sakura beinahe beiläufig ihre Hand, „Geht’s?“ Es tat irgendwie gut. Die anderen sahen sie ebenso besorgt an, sodass für den kleinsten, minimalen Moment, Tenten die Tränen in die Augen stiegen, „Gerade geht’s mir mega“, ihre Stimme bebte leicht. Die Lüge verschmolz mit der Wahrheit. „Dann ab“, kommandierte Sakura. Hand in Hand liefen sie den Parkplatz hinab. Hinata hakte sich an ihrer anderen Seite ein. Temari zog ihren Fake Fur Mantel zurecht und stolzierte zu Hinatas freier Seite, Ino machte ein Selfie, während sie ganz rechts lief. Den Türsteher passierten sie ohne Probleme, traten ein…und landeten in einem neonfarbenen Sommer inmitten des Winters. Das Erste, was Tenten sah, waren die Berge von Schaum. Sie wusste gar nicht, dass es immer noch Schaumpartys gab, doch hier rutschte jemand gerade die Tanzfläche entlang. Das zweite, was sie sah, war ein Tablett mit goldenen Tequila Shots, dass ihnen angeboten wurde. „Du nimmst meinen“, nickte Sakura Temari zu, die sofort Folge leistete. Tenten leckte den Zimt von ihrem Handgelenk, versenkte ihren Drink und biss in die Orange, nur um sie fast fallen zu lassen als sie ihn, eine Etage oben, auf dem Balkon sah. Er trug noch immer scheußlich grünen Spandex und sein Haarschnitt sah verboten aus. Seine Augenbrauen waren tiefbuschiges Schwarz und sein Organ das lauteste, was Tenten je gehört hatte, „TENTEN, mein Herz, meine Seele, meine Schwester! Welcome to the Fountain of Youth! ” Er glitzerte. Der grüne Ganzkörperspandex glitzerte und war einfach nur perfekt an ihm. Jegliche Angst zerschmolz wie ein Stückchen Eis, als sie ihm entgegen ging und die Freundinnen ganz vergaß. Sie trafen sich am Eingang des VIP-Bereiches und umarmten einander so fest, dass es beinahe etwas wehtat. „Ich habe dich so unendlich vermisst“, entwich es ihr. Sie nahm sein Gesicht in die Hände und grinste ihn noch etwas breiter an, „Ich liebe den Glitzeranzug.“ „Ich liebe es, dass du da bist“, er griff um ihre Hüfte und hob sie einen Moment hoch, „Wir bequatschen gleich alles in Ruhe, aber zuerst muss ich mir mal deine neuen Partner ein bisschen unter die Lupe nehmen. Temari kenne ich ja schon aber…“ Mit einem leichten Schmunzeln legte er ihr eine Hand um die Hüfte und starrte in die Gruppe. „Diese hinreißende Person mit den Kirschblüten farbenen Haaren ist natürlich Sakura. Dann ist der kleine Sonnenschein hier unten dann wohl Hinata und diese unglaublich starke Präsenz Ino.“ „Wieso soll ich sie dir vorstellen, wenn du bereits alles weißt.“ „Regel Nummer 1, ihr Süßen – auch ich habe Kameras und Temari hat mir ja schon ein bisschen erzählt. Wobei, Tenten, ich eigentlich mit dir Schimpfen möchte. Wenn ich dein erster Kontakt für was-auch-immer bin, warum kommst du dann nicht selbst vorbei?“ Weil ich dir immer noch nicht unter die Augen treten wollte? Weil es mir leidtut, dich so im Stich gelassen zu haben? Weil ich Angst hatte, dass du noch wütend bist? „Rhetorische Dramatik?“ „Ich habe dich auch vermisst, Tenni“, zwitscherte Lee und führte sie weiter fernab der Tanzfläche. Der Loungebereich war momentan vollkommen unbesetzt. Lee selbst nahm an einer der großen Couches Platz und deutete ihnen liebevoll sich zu setzen. Die Jahre hatten auch ihn härter gemacht, dass sah Tenten von hier, wo das Licht etwas besser war, sehr deutlich. Lee bewegte sich offensichtlich mit der Kraft eines Kampfsportlers und der Leichtigkeit eines Tänzers. Jemand, der mehrere Arten wusste, wie er dir wehtun konnte – und es bewusst nicht tat. „Ich habe gehört ihr habt auch was Hübsches für mich? Was wollt ihr loswerden?“ Tenten gab Hinata ein kleines Nicken. Ihre Freundin kam etwas näher und griff in ihre Handtasche, um eine unscheinbare Brotdose herauszunehmen. Vorsichtig öffnete sie diese und zeigte ihren Inhalt. Die Diamanten machten nicht nur bei Tenten Eindruck. Lee unterdrückte einen erschrockenen Schrei. „Meine Güte. Ich dachte schon, du wärst reformiert.“ „Also haben Tenten und du schon öfter geklaut?“, grinste Ino und lehnte sich vorwärts, „Oder was ist diese Kriminelle Vergangenheit, von der sie immer schwärmt?“ „Oh, naja, ein bisschen Diebstahl war auch drin, aber um ehrlich zu sein, haben wir was ganz anderes gemacht“, lachte Lee und zwinkerte ihr zu, „Willst du‘s ihnen sagen?“ „Ich wollte dich erst fragen. Du bist schließlich noch aktiv.“ Tenten seufzte resigniert. Vor allem Hinatas Blick ging sie dabei nun aus dem Weg, „Wir waren Tagger.“ „NEIN!“, zu ihrer Überraschung kam der Ausruf von Temari, „Is‘ nich‘ wahr.“ „Doch“; kicherte Lee stolz, „Ihr habt bestimmt ab und an mal was von uns gesehen. Am liebsten haben wir Züge genommen oder ganze Häuserfassaden. War schon ein bisschen extrem, wie lange wir draußen waren. Aber Gebäude klettern können wir beide noch gut.“ „So gut, dass sie es schon anderen beibringt“, meinte Ino stolz und legte Sakura einen Arm um die Schulter, „Sakura und Temari sind echt gut darin. Hinata und ich drücken uns noch.“ „Was war denn euer Tag?“, fragte Hinata vorsichtig. Es war leider schon sehr sichtbar, dass ihr das Ganze nicht so behagte. „Früher war es Serif, seitdem ich allein bin, ist es Sans Serif. Weil Tenten sich ja aus dem Staub machen musste. Aber genug über mich“, mit einem fröhlichen Lachen beugte er sich hervor und hob einen der Diamanten ins Licht, „Wo genau habt ihr die her?“ „Sie müssten auf illegale Weise beschafft worden sein. Wir haben sie aus dem Rücken eines Bildes in der Hanamura Shockwave mitgehen lassen“, während sie es ihm erklärten, erkannte Tenten, dass Lee bereits bei der Arbeit war. So verrückt, wie er manchmal aussah, wenn Lee sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es bis zum bitteren Ende auch durch. Seine Stimme wurde dann ruhiger, sein Körper vollkommen entspannt. „ATHENE. Ich hatte mich schon gefragt, wer dahinter steckt. Die Buchstaben kommen in euren Namen vor, aber es ist kein einfaches Anagramm. Weit weg genug. Obwohl die Göttin der Weisheit dann doch ein bisschen sehr gewagt als euer Schutzpatron ist“, mit einer sanften Bewegung legte Lee den Diamanten zurück, „Es wird dauern, bis ich jemanden hierfür gefunden habe, der sie auch an einen guten Ort bringt.“ „Wenn sie in einem Bürogebäude versteckt waren, waren sie definitiv eh schon gestohlen“, zuckte Ino mit den Schultern, „Ich mach mir da keine Sorgen.“ „Solltet ihr aber. Sobald ich die hier loswerde, bin nämlich nicht nur ich ein bisschen mehr im Rampenlicht, aber ihr kassiert eine ordentliche Summe und ATHENE wird kommerziell mit Diebstahl verbunden sein“, er beugte sich etwas weiter nach vorne und nahm die Schachtel an sich, „Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass Mitglieder von Sabakuno Fabrics und Hyuga Hotels nicht zwingender Weise in Geldnot sind.“ Er lächelte leicht als sie ihn erschrocken betrachteten, „Auch wenn man euch merkwürdigerweise nicht mehr in Suchmaschinen findet, ihr glaubt doch nicht, dass eure Familien da so uninvolviert sind in diesem gesamten Schlammassel. Kriminalität wächst nach oben, sickert nach unten. Und das ist gewiss sehr anders als mal eben ein paar Häuser besprühen.“ Tenten deutete den Mädels an, still zu bleiben, „Wie wär‘s, wenn wir zwei das alleine besprechen? Die anderen vier verdienen wirklich mal eine Pause. Und wir haben ewig nichts mehr zusammen gemacht.“ „Und warum wohl?“ Den Blick musste sie nicht treffen, um zu wissen, was er bedeutete. Doch Lee war kein Mann aus Eis, „Mischt euch einfach unter die Leute und habt ein bisschen Spaß. Tenni und ich haben wohl ein paar Jährchen aufzuholen.“ Sie sah zu, wie die anderen sie vorsichtig zurückließen, sich immer wieder umsahen, während sie ihnen von der Couch aus zuwinkte. Der goldene Tequila war ihr zu mild gewesen, sie hatte das Gefühl etwas Brennendes brauchen zu müssen. Mit einem leisen Seufzen drehte sie sich zu ihm zurück und traf ein paar dunkle Augen, die sie besorgt ansahen, „Was machst du nur für Sachen, Tenni? Seit Gai gestorben ist, bist du wie ausgewechselt.“ So feinfühlig, wie er eben noch getan hatte, war es nun, als ob er den Salzstreuer nahm und ihn direkt in die offene Wunde presste. Sie hatte schon viel zu oft an ihren Ziehvater gedacht. Genauso oft wie an Lee. Wenn sie diesen Club jetzt so betrachtete vielleicht sogar öfter. Lee hatte es geschafft, weiterzumachen. Sie war einfach hängengeblieben. Sie zuckte mit den Schultern. Das war wohl die falsche Antwort gewesen. „Es hat also etwas damit zu tun. Mit Gai und seinem Tod. Ich habe dir doch gesagt, wir hätten nichts machen können.“ Die Worte schmeckten merkwürdig auf ihrer Zunge. Wenn Lee ihr eben schon wehgetan hatte, so hatte sie das Gefühl, das Schwert der Erkenntnis selbst in der Hand zu halten, welches sie ihm ins Herz stoßen würde. „…oder etwa doch? Was schaust du mich so an?“ Tenten sah nicht besonders aus. Braune Haare, braune Augen, personifizierter Durchschnitt. Sie bekam Kellnerjobs, weil sie gut in den Hintergrund gleiten konnte und schnell war, sowohl in Gedanken als auch im Handeln. Als Gai im Krankenhaus plötzlich verstorben war, war sie auch schnell gewesen. Schnell genug, um sich eine Uniform zu holen, und zu laufen, als gehörte die Klinik ihr. „Ich glaube sie haben an Gai was ausprobiert. Was Neues. Und er hat es unglaublich schlecht vertragen. Ein Dr. Yakushi hat das ganze ausgefüllt, aber der ist gar nicht Doktor, sondern bei Senju Pharmaceutics angestellt. Gais Werte haben sich massiv verbessert, aber dann sind sie komplett in den Keller gegangen. Ich…ich habe die Dokumente nicht mitgenommen, dass hätten die gemerkt aber-“ Seine Hand hielt ihre für einen Moment fest. Lees Lächeln verschwand, als er sie ansah „Ich glaube dir. Es tut mir so leid, dass du das allein durchgemacht hast.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)