Under these Scars von _Scatach_ (Teil Vier der BtB Serie) ================================================================================ Kapitel 43: Next stage of the game ---------------------------------- Der Raum war still.    Eine schwere Stille.    Neji stand am Kopf des langen Konferenztisches, lehnte sich auf seinen Handflächen nach vorn, während sein Blick ruhig zwischen Ino und Chōji hin und her wanderte. Sie starrten ihn an, Zweifel und Besorgnis tief in ihre Gesichter gestanzt, auch wenn Inos Miene drohte, in etwas Düstereres abzurutschen.    „Warum Sai?“, fragte sie. „Warum nicht ich oder Chōji?“    Neji hob eine Braue. „Weil ich es so entschieden habe.“   Definitiv nicht die Antwort, die sie gewollt hatte, aber es brachte die ganze Situation zurück auf den Boden aus Kontext und Notwendigkeit: Die Mission. Die einzige Sache, die im Moment von Bedeutung war. Neji hatte den Rang und er hatte das Recht. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Und dennoch…wahrscheinlich hätte er damit rechnen müssen, dass Ino und Chōji das anders sehen würden.    „Ich will mit ihm reden“, sagte Ino, als sie sich erhob und eine wortwörtliche Stellung einnahm.    Neji öffnete die Lippen, um etwas zu erwidern, aber dann stand auch Chōji mit angespanntem Gesichtsausdruck auf. Neji brauchte kein einziges Wort von ihm, um seine Intentionen lesen zu können. Der Akimichi starrte ihn nur unerschütterlich an und verdeutlichte seinen Standpunkt mit Schweigen.   Schweigen…   Es hielt sich felsenfest und beständig zwischen den dreien wie eine Wand der Konfrontation und Sturheit, die sich mit jeder weiteren Sekunde aufbaute. Langsam drückte sich Neji von seinen Handflächen ab und richtete sich Stück für Stück zu seiner vollen Größe auf, während seine weißen Augen zu ANBU Regungslosigkeit gefroren, als er sich vollkommen darauf vorbereitete, jede Befehlsverweigerung sofort im Keim zu ersticken.    Kopfschüttelnd versteifte sich Ino angesichts dieses eiskalten Blickes. „Warum tust du das, Neji?“   „Weil ich ihn darum gebeten habe.“ Shikamarus Stimme drehte sämtliche Köpfe.    Der Schattenninja lehnte mit der Schulter am Türpfosten und seine plötzliche Anwesenheit war ebenso unerwartet wie seine Worte. Bedacht hielt Neji seine Zunge im Zaum und überließ dem Schattenninja die sprichwörtliche Bühne. Sie war bereits rutschig genug unter ihren Füßen, ohne die Gefahr einzugehen, dass sich ihre Geschichten widersprachen. Es war immer besser, die Neuigkeiten direkt aus erster Hand zu erfahren.    Erstaunt wandte sich Ino um und blinzelte Shikamaru an. „Wieso?“   Shikamarus Blick hielt sich für einen langen, ungerührten Moment feste auf ihr, bevor er zu Chōji sah. „Ihr wisst beide ganz genau, wieso. Mein Chakra ist instabil. Ich bin eine Belastung im Feld. Und ich werden keinen von euch beiden – oder sonst irgendjemanden – in Gefahr bringen.“   „Warum hast du uns das nicht selbst gesagt?“, fragte Chōji und klang dabei leise, voller Zweifel…und noch hunderte andere Dinge, die nur Shikamaru bemerken und lesen konnte.    „Ich sage es euch jetzt, Chōji“, erwiderte Shikamaru schulterzuckend, als er in den Raum trat und sich mit den Händen in den Taschen an Nejis Seite stellte. „Also lasst Neji in Ruhe. Das war meine Entscheidung. Außerdem werde ich zusammen mit Sai weiterhin vom Hauptquartier aus operieren.“   Ino holte tief Luft, doch Chōji berührte leicht ihren Ellbogen, während er marginal den Kopf schüttelte. Solch kleine Gesten und doch solch eine signifikante Kommunikation. Eine einzige Berührung, ein einziger Blick – wie der, den Chōji Shikamaru zuwarf, als sich seine Augen zu einem seltsamen Ausdruck zusammenzogen.    Mit zuckendem Kiefermuskel begegnete Shikamaru ungerührt seinem Blick.    Aufmerksam spähte Neji zwischen den dreien hin und her und wusste, dass was auch immer gesagt werden musste, nicht in seiner Anwesenheit ausgesprochen werden würde. Und wenn man es so betrachtete, dann wusste er, dass Shikamaru ihn benutzte. War aber nur fair. Er hatte kein Problem damit, in diesem Fall menschlichen Schild zu spielen.    Wenn du dadurch sicher bist.   Und dann explodierte Kiba in den Raum.    „Was soll dieser Bullshit?“, wollte der Hundeninja lauthals wissen und pfefferte dabei die Missionsakte mit genug Kraft über die ganze Länge des Tisches, dass sie über die glatte Oberfläche schlitterte.    Nejis Hand klatschte nach unten, um die Mappe festzunageln. Weiße Augen flammten eisig auf. „Nicht jetzt, Kiba“, biss er zwischen den Zähnen hervor, obwohl man dieses Eindringen auch als Gottesgeschenk ansehen konnte, wenn man die Reaktion bedachte, die es auslöste.    Inos Aufmerksamkeit wurde umgelenkt und sie spannte sich ruckartig an, während sie die Arme vor der Brust verschränkte. „Was willst du hier?“   Als hätte man ihn geschubst, stoppte der Inuzuka abrupt angesichts ihres befehlshaberischen Tonfalls. Eine seltsame Wandlung überkam ihn und schlagartig verlor er jedes Momentum. Es war schon beinahe komisch mitanzusehen, wie er schwankte, wo er doch noch eine Sekunde davor voller Dampf gewesen war. „Dasselbe wie du, schätz ich mal“, knurrte der Hundeninja, aber es lag mehr Zögern als Hitzigkeit in seiner Stimme.   Neji konnte über dieses sonderbare Verhalten nur eine Braue heben, sah aber seine Gelegenheit. „Ich nehme an, du hast die Missionsrevision gelesen?“   Ruckartig verlor Kiba sein Zögern und sah zurück zu Neji, wobei er versuchte, da weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. „Jo. Hab ich gelesen. Und ich werde sicher kein Freudentänzchen für das neue Team aufführen, Hyūga.“ Mit einem Finger stach er in Inos Richtung. „Du hast mich mit der zusammen in ein Team gesteckt statt mit Shino.“   Inos Augen wurden kreisrund und ihr Kopf zuckte zurück. „Was?“   Shikamarus Braue wanderte nach oben. „Ich dachte, du hast die Revision gelesen, Ino.“   Sie breitete weit die Arme aus und gestikulierte wie vom Donner gerührt und zwei Rottöne wärmer, als noch vor zwei Sekunden, irgendwie vage mit den Händen. „Das habe ich. Naja…also ich war dabei…ich bin bis zu dem Teil gekommen, in dem stand, dass du mit Sai vom Hauptquartier aus arbeitest.“ Kopfschüttelnd stemmte sie die Fäuste in die Hüften. „Ist schlimm genug, dass du nicht mehr im Ino-Shik-Cho Team bist. Wieso zur Hölle habt ihr mich mit Kiba zusammengesteckt und nicht mit Chōji?“   In einem stummen Flehen um Geduld presste Neji die Lider aufeinander. Auch wenn diese absolut lächerlichen – wenn nicht sogar ungehorsamen – Fragen denen in Bezug auf Shikamaru vorzuziehen waren, benahmen sie sich bis aufs Äußerste unreif und irritierend. Es stand doch alles in dem Dokument.    Doch statt dass er jedes einzelne Wort wieder hochwürgen musste, kam Shikamaru zu seiner Rettung. „Würdet ihr beiden endlich dieses bescheuerte Kindergartenbenehmen sein lassen? Nur Tenten und Chōji haben die verstärkten Rüstungen als Schutz gegen das Chimärengift. Tenten geht mit Team B, also geht Chōji mit Team A.“   „Lest den Bericht“, wiederholte Neji und machte sich nicht einmal die Mühe, die Verärgerung aus seiner Stimme zu verbannen. „Wir haben diese Teams aus einem Grund so aufgestellt.“   „Und jetzt hört auf, zu maulen und euch wie Kleinkinder aufzuführen“, fügte Shikamaru hinzu, sein Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. „Was zur Hölle ist das überhaupt zurzeit mit euch beiden?“   Eine kurze Regungslosigkeit, bevor Ino und Kiba zur gleichen Zeit verärgert und ausweichend die Arme verschränkten, während sie überall hinsahen, nur nicht zum jeweils anderen. „Nix“, sagten sie wie aus einem Mund.    Kami, seufzte Neji mental und wollte nicht einmal ansatzweise darüber nachdenken, auf welche Weise auch immer die beiden miteinander involviert waren. Er würde das für Erste einfach auf sich beruhen lassen, da sie es zumindest erfolgreich geschafft hatten, die Aufmerksamkeit von Shikamaru abzulenken.    Sehr gut.   Jetzt wäre der beste Moment, dieses Treffen zu beenden.    „Ich seid alle entlassen“, sagte Neji schroff und warf einen letzten flachen Blick zu Kiba und Ino, bevor er die Akte mit einem scharfen Schnappen des Handgelenkes über den Tisch in ihre Richtung schubste. „Wir haben nur noch eine Stunde, um uns auf diese Mission vorzubereiten. Ich schlage vor, dass ihr beide die Akte von vorne bis hinten lest und bei der Gelegenheit auch gleich mal über eure Attitüde nachdenkt. Ich werde diese Unterhaltung kein zweites Mal dulden.“   Schweigen hing kalt und eisig wie ein Stalaktit am Ende dieser Worte.    Kiba mahlte mit den Zähnen, die Hände in die Hüften gestemmt, als er Neji unter seiner gerunzelten Stirn heraus beäugte; nur ein paar Kläffer von einem Beißen entfernt.    Und Neji pinnte ihn daraufhin mit einem Blick fest, der auf eine frühere Vereinbarung hinwies, ein früheres Verständnis, als diese weißen Augen flüchtig zu Shikamaru zuckten.    Das schien zu klappen.    Die Aggression wich aus Kibas Augen und er zog das Kinn zurück, als sein Blick kurz Nejis folgte, bevor er ein widerwilliges Schnauben ausstieß und die Hände in falscher Resignation hob, während er sich auf dem Absatz umdrehte, um den Raum zu verlassen.    Mit angespannter und verschlossener Miene sah Ino ihm nach. Für eine Sekunde musterte Neji sie und wartete auf eine Reaktion, die niemals kam. Wo auch immer sie in ihrem Verstand hingewandert war, es war einen großen Schritt von dem zornigen Gebiet entfernt, auf dem sie sich noch wenige Augenblicke zuvor befunden hatte.    „Ino“, rief Chōji leise, als er sie am Ellbogen berührte.    Das schien sie wieder zurück und heraus ihrem Kopf zu führen, auch wenn sie abgelenkt zu sein schien, als sie die Akte aufhob und sich um den Tisch herum bewegte. Auf halbem Weg zur Tür hielt sie inne und drehte den Kopf. Das Licht funkelte von dem Stecker in ihrem Ohr. Ihre Aufmerksamkeit zuckte nochmal zu Shikamaru, mit ungelösten Gefühlen in ihren Augen schimmernd.   Shikamaru wich ihrem Blick aus und wandte sich stattdessen an Chōji. „Ich bin über das Funkgerät zugeschalten“, sagte er. „Ihr werdet gar nicht merken, dass ich weg bin.“   Chōji musterte ihn beinahe verletzt mit einem seltsamen Ausdruck, seine Brauen zogen sich kurz zusammen, bevor er einen raschen, unbehaglichen Blick zu Neji warf. Ganz offensichtlich gefiel es ihm überhaupt nicht, dass sie noch immer Publikum hatten.    Doch Neji machte keine Anstalten, zu gehen; zuckte nicht einmal mit einer Wimper.    Wenn er sich in einer wohlwollenderen Stimmung befunden hätte, dann hätte er den Raum verlassen. Hätte die drei das klären lassen. Aber dafür war keine Zeit. Und gemessen an Shikamarus offensichtlichem Verlangen danach, diese Konfrontation zu vermeiden, hatte Neji nicht den Hauch einer Absicht, den Schattenninja allein und bloßgelegt zurückzulassen, um einen Schlag für das Ino-Shika-Chō Team einzustecken.   „Seid vorsichtig“, fügte Shikamaru noch hinzu, doch es klang ausdruckslos und erzwungen.   Stirnrunzelnd starrte Ino ihn auf eine Weise an, wie man vielleicht einen unwillkommenen Fremden anstieren würde, der sich zu viel Vertrautheit anmaß. Sie schnaubte ein schwaches Lachen hervor und schüttelte einfach nur den Kopf, als sie aus dem Raum marschierte und dabei ein leises ‚was auch immer‘ grummelte.    Auch Chōji war nur marginal großzügiger, was seine Reaktion anging, indem er Shikamaru kurz zunickte. Kein Lächeln. Kein Licht hinter diesen sonst immer lächelnden Augen. Nur kühle Formalität. „Du auch“, erwiderte der Akimichi, bevor er Ino folgte.    Mit abgeschirmten Augen sah Shikamaru den beiden nach. Dann lehnte er sich nach hinten und ließ sich mit verschränkten Armen auf der Kante des Tisches nieder. „Danke für’s ‚menschlicher Schild‘ spielen, Hyūga“, sagte er leise.    Seufzend gestattete es sich Neji, besagten Schild fallen zu lassen und seine steinerne Miene bekam Risse, als er sich dunkle Strähnen aus dem Gesicht strich. „Du kannst sie nicht viel länger meiden, Shikamaru.“   „Vorsichtig, das klingt wie eine Herausforderung.“   Neji brachte ein winziges Schmunzeln zustande und warf ihm einen schiefen Blick zu, der viel zu sehr drohte, in sichtbare Besorgnis abzurutschen. „Ich glaube, du hast schon mehr als genug, über das du nachdenkst.“   Blicklos stierte Shikamaru für eine lange Sekunde geradeaus, bevor er eine Schulter hob und sich auf einer Handfläche zurücklehnte, als wäre er völlig entspannt. Es war so überzeugend, dass sich Neji fragen musste, ob es überhaupt ein Schauspiel war. Und es beunruhigte ihn; nicht zu wissen, wie viel von dieser sonderbaren Unbekümmertheit Shikamarus vermeidende Mentalität und wie viel davon vielleicht eine Art des Schocks war, der einsetzte. Diese Art völlig emotionsloser Distanziertheit war weit verstörender für Neji als jede Art zorniger Verleugnung.    Aber zumindest wird er hier sicher sein…auch wenn er sich in einer emotionalen Abriegelung befindet.   Immer noch besser, als auseinander zu fallen. Neji verstand das. Er verstand die Vorteile dieses ‚Herunterfahrens‘ so gut wie jeder andere. Aber er wusste auch um den Preis, den man dafür zu zahlen hatte. Wusste um die langfristigen Kosten; Freunde, Familie, Vertrautheit. Er war immer willens gewesen, diesen Preis zu zahlen, da er glaubte, er würde einfach alles für seine Freiheit eintauschen.   Das glaube ich immer noch…   Er zog die Brauen zusammen, mochte nicht, wie nah dieser Glaube in seinem Kopf nach Vergangenheitsform klang.    Ich glaube das immer noch. Mit allem, was ich bin.   Shikamaru hingegen hatte weit mehr zu verlieren und überhaupt nichts zu gewinnen, wenn er in Distanzierung und Abtrennung verfiel, indem er alles wegwarf. Allein der Gedanke daran, dass der Schattenninja diesen dunklen Pfad hinab schritt, versetzte jeden einzelnen von Nejis Sinnen in Alarmbereitschaft.    Ich werde nicht zulassen, dass du das tust.   Überzeugung. Sie erfüllte ihn, versiegelte all die Risse des Zweifels und der Unentschlossenheit und ließ eine klare, ruhige Oberfläche auf seinem Verstand zurück, die frei war von Kräuselungen und Wellen. Die tobende See darunter wurde zu einem zugefrorenen See, die stillen Wasser nicht länger verschmutzt von Emotionen.    Er hatte Klarheit.    Und sobald die Mission vorbei war, sobald sie wieder zuhause waren, konnte er auch danach handeln. Ohne sich umzudrehen warf er einen flüchtigen Blick auf die Tür, während sich seine Byakugan Venen anspannten.    Niemand befand sich in unmittelbarer Nähe.    Sie waren so allein, wie es möglich war. Obwohl Sai bald hier sein würde. Blinzelnd deaktivierte Neji sein Dōjutsu, bevor er den Tisch umrundete und sich direkt vor den Schattenninja stellte. Shikamaru schien ihn kaum zu bemerken, seine Augen waren in diesem seltsamen, blinden Starren geradeaus gerichtet; ein Blick, der nach innen ging, irgendwohin wo es finster war und tief.    Neji hatte diesen Blick schon einmal gesehen.    Rückzug.   Verständnis huschte über die kühle, regungslose Oberfläche von Nejis Geist und Emotionen tasteten sich kaum wahrnehmbar voran…denn das Eis war noch immer dünn; so wie es immer war, wenn er sich in der Nähe des Schattenninjas befand. Summend hob Neji eine Hand, berührte die Schulter des Nara und spürte die Muskeln zucken. Sanft drückte er zu. „Ich verstehe, was du tust. Aber wandere nicht zu weit fort, Shikamaru.“   Die Augen des Schattenninjas nahmen Fokus an und drifteten kurz umher, bevor sie sich auf Nejis Gesicht richteten. Seine Lippen hoben sich schwach an einem Mundwinkel…erzwungen. „Bin direkt hier“, hauchte er. „Die Mission zuerst, richtig?“   Richtig.    Und es hatte sich noch nie zuvor so falsch angefühlt.    Nejis Daumen krümmte sich leicht und berührte den Pulspunkt an der Seite von Shikamarus Hals. „Wenn diese Mission vorbei ist…“ Er brach ab, da er nicht wusste, wohin der Rest des Satzes vielleicht führen würde, sollte er wagen, ihm weiter zu folgen. Ihn zu beenden.   Mission. Mission. Mission.   Shikamaru beobachtete ihn. Seine dunklen Augen flackerten; eine gefangene Flamme hinter diesem glasigen Starren. Und dann erlosch dieses Licht, ließ nur Finsternis zurück. Kopfschüttelnd lehnte sich Shikamaru von der Berührung fort. „Ich habe es dir schon gesagt. Du musst mich nicht hier durch führen.“   Nicht einmal eine Defensive, nur ein flaches, tonloses Raunen.    Eine einstudierte Zeile.    Ein Versuch, eine Rollenverteilung wiederherzustellen.    Gepackt im Griff eines ganz anderen Skripts, öffnete Neji leicht die Lippen, um zu sprechen, musste aber feststellen, dass es keine Zeile war, nach der er suchte, sondern nach einem Stichwort.    Shikamaru musste es geahnt haben.    Er neigte seinen Kopf noch weiter von Nejis Berührung fort und starrte zur Seite weg, während er bebend Luft holte. „Ich brauche es nicht, dass du mich durch das hindurch führst“, sagte er noch einmal, nur leiser. „Aber ich brauche es von dir, dass du fort läufst. Jetzt wäre gut.“   Und da war es.    Der Ausgang von dem er hoffte, dass Neji ihn immer nehmen würde, um eine Szene zu beenden…um einen Augenblick zu beenden…   ‚Außerdem muss einer von uns das alles clever spielen und wissen, wann man fortlaufen muss.‘   Clever? Oder stark?    ‚Wie gut, dass du stärker bist als ich.‘   Noch eine Lüge mehr. Mit weich zusammengezogenen Brauen streichelte Neji zärtlich mit seinen Knöcheln über die scharfe Kante von Shikamarus Kiefer, bevor er seine Berührung fallen ließ und sowohl physisch, als auch mental einen Schritt zurückwich. Das Eis unter seinen Füßen wurde härter und gestattete ihm, fort zu rutschen, wo er einst vielleicht gelaufen wäre.    Mission. Mission. Mission.    Es war ein hohles Mantra wie es schon immer gewesen war.    ~❃~   Shikamaru sah wie aus weiter Ferne zu, wie Neji fort lief; eine weiße Wolke, die außer Reichweite schwebte. Es war nicht das erste Mal, dass er so darüber dachte, wenn sich ihre Wege trennten…aber es war das erste Mal, dass er sich selbst als die Wolke betrachtete. Abgehoben, unberührt, hoch oben über allen Ereignissen schwebend und das mit einer Distanziertheit, die so kühl und schneidend war wie ein Herbstwind an der Schwelle des Winters.    Nach außen war alles kalt und alles war still.    Im Innern war alles in Bewegung.    Denn jetzt kam die nächste Etappe im Spiel: Chuuban.   Das Mittelspiel.   Die Phase, in der das strategische Positionieren dem Initiieren eines Angriffs, dem Austausch von Spielsteinen, der Einschätzung des Werts und der Konvergenz mit dem gegnerischen König wich.   „Das Spiel beginnt“, sagte die Finsternis wispersanft und die Schärfe des Befehls streichelte wie die flache Seite einer Rasierklinge – gerade genug Drohung, gerade genug Versprechen.    Shikamaru griff in die Schriftrollentasche seines Flakjacke und zog eine Zigarette heraus, um sie von seinen Lippen baumeln zu lassen. Rituelle Bewegungen. Er schob seine freie Hand in seine Tasche, berührte Asumas Feuerzeug und seine Fingerspitzen strichen über den kühlen Stahl. Nicht einmal der Hauch eines Stiches hinter seinen Rippen. Taubheit, süße Taubheit.   Er entzündete die Zigarette.    Die Flamme tanzte, bevor sie mit einem Schnappen von Metall erlosch.    Bedächtig steckte er das Feuerzeug weg und sog den Rauch ein, fühlte, wie er seine Zunge entlang driftete, als er ihn schluckte und damit die Luft in seiner Brust wolkengleich und schwebend benebelte. Langsam atmete er durch Nase und Lippen aus.    Er fühlte sich zentriert, fühlte sich bereit.    Leise, aber ankündigend hörte er Schritte. Kein Versuch, sein Näherkommen zu verbergen. Shikamaru löschte die Zigarette in der Porzellantasse, die Neji nicht ein einziges Mal angerührt hatte. Er sah zu, wie die Asche auf dem durchscheinenden Jadegebräu schwamm, als er darauf wartete, dass die Schritte stehen blieben, bevor er den Blick hob.    Sai stand wie eine Statue und puppengleich im Türrahmen und dieses leichte, falsche Lächeln zierte seine schmalen Lippen. In einer geübten Bewegung legte er den Kopf schief. „Nur du und ich, Shikamaru.“   Ein unbeholfener Versuch der Freundlichkeit. Ein Konversationsklischee wie direkt aus einem Buch. Seltsam; es machte Sai umso schwieriger zu interpretieren und vorherzusehen. Er würde einfach aufsagen, was er auswendig gelernt hatte und nicht preisgeben, was er wirklich glaubte. Es war ein Schauspiel innerhalb eines Schauspiels. Und das gestattete ihm, mitzuspielen und die Rolle zu übernehmen, die von ihm erwartet wurde. Eine Spiel mit blanker Leinwand. Clever und tödlich. Er würde weit schwieriger zu täuschen und zu manipulieren sein.    Neji hat ihn gut ausgesucht.    Und zu diesen Fähigkeiten kam auch noch, dass bei Sai keine Emotionen oder einstige Freundschaft existierte, die seinen Blickwinkel verschleierte. Er hatte nichtmal eine Bezugslinie für Shikamarus Verhalten oder Persönlichkeit, also würde er auch einfach alles, was der Schattenninja sagte oder tat, als potentiell suspekt erachten.    „Du musst diesen Kerl loswerden“, sagte die Finsternis mit einer deutlichen Kante in der Stimme. „Erinner‘ dich an die Regeln. Es sind nur du und ich.“   Als er hinüber zu Sai sah, bogen sich die Lippen des Schattenninjas in der leichtesten Andeutung eines Schmunzelns, doch seine Augen waren tot für den Humor. „Nur du und ich“, echote er.   ~❃~   Schweigende Minuten verstrichen…   Kakashi spürte, wie die Luft in seiner Kehle heißer wurde.    Er fühlte sich völlig ausgedörrt, wund und seine Stimmbänder waren angespannt von zu viel Reden. Er war sich nicht sicher, wie lange er dort an Genmas Bett gesessen hatte, während sich seine Lippen gegen die Maske bewegt hatte und Worte in einer rostigen Erzählung aus seinem Mund gefallen waren, die so lang und düster erschienen war wie die zeitlose Nacht, die inzwischen zur Morgendämmerung überging.    Dämmerung; sie kroch zu ihnen heran…   Sie verteilte ihr weiches, malvenfarbiges Licht in einem staubigen Strahl durch eine Lücke zwischen den sanft schwingenden Vorhängen in den schattigen Raum. Die einzelne Kerze war inzwischen niedergebrannt; genau wie die Stunden…   Und jetzt die Stille.    Kurenai starrte ihn über das Bett hinweg an, ihre Miene leicht verzerrt, als sie die Wirkung von allem in sich aufnahm, was er ihr gerade gesagt hatte – die Wahrheit. Naja, die Wahrheit und eine ganze Pilzwolke aus Verschwörungstheorien. Die Implikationen hatten sich schwarz wie Asche über die Stille zwischen ihnen niedergelassen. Die Konsequenzen einer Bombe, von der er jetzt bereute, sie auf sie fallengelassen zu haben. Sie war gerade erst wieder auf die Füße gekommen und hier war er auch schon und spielte heiße Kartoffel mit emotionalen Granaten. Aber für‘s Erste gab es keine mehr, die noch detonieren konnte. Zumindest nicht bei ihr.    Er hatte alles gesagt…   Und Kurenai sagte überhaupt nichts…   Sie saß regungslos da, eine Hand auf Genmas Arm und die andere auf seiner fiebrigen Stirn ruhend.    Genma war der einzige im Zimmer, der sich bewegte, vielleicht sogar der einzige, der atmete, als sich sein Körper gegen die Bindungen stemmte und sich zerfetzte Atemzüge an der Luft verschluckten, als könnte er vielleicht die Anspannung schmecken, die dicht genug in dem Raum hing, dass man daran ersticken konnte. Kakashi beobachtete, wie die Brust des Shiranui zuckte und sich hob, unfähig, Kurenais Blick zu begegnen – oder der Emotion, die vielleicht darin geschrieben stand.    Als sie das Wort ergriff, war es wie frisches, klares Wasser über die Asche. „Was soll das nur mit den ganzen Männern, die durch meine Fenster und Tür fallen? Das ist nicht wirklich das sexistische Szenario der holden Maid, mit dem ich aufgewachsen bin.“   Fassungslos hätte Kakashi beinahe gelacht und stieß ein irgendwie stranguliertes Bellen aus seinem Rachen aus, das zusammen mit seinem Schauspiel brach und auseinanderfiel. Er schloss die Augen und sagte sehr leise: „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen.“ Er scherzte nur halb. Musste auch so geklungen haben. Wimmerte leicht. Vielleicht auch sehr viel.    Sie bemerkte es sofort und beugte sich bei dem Geräusch nach vorn. „Kakashi…“   Ein sanfter Druck auf seinem Kopf, locker und flüchtig, bevor sich Kurenais Berührung wieder zurück auf Genmas Arm legte. Aufmerksam musterte sie das schlafende Gesicht des Shiranui. Es war kein friedvolles Gesicht, seine Miene war angespannt vor Schmerz und Qual und seine Augen rollten wild hinter den geäderten Lidern.    Kurenai griff nach einem feuchten Tuch und strich damit über Genmas Stirn. „Erinnerst du dich, wie es während deiner ANBU Tage zwischen uns allen war, Kakashi?“   Die Frage warf ihn aus der Bahn. Heftig. Aber er war viel zu müde, um sich dagegen zu wehren und sein defensiver Tonfall wich einem rostigen Rumpeln. „Ja“, raunte er.    Kurenai hob den Blick und ihr Gesichtsausdruck war so voller Gefühl, dass es weh tat, sie anzusehen. „Du warst so weit weg von uns. Niemand konnte dich erreichen. Gai hat es versucht…“ Ihre Stimme lief zu einem leisen Kichern aus, das weich mit Traurigkeit durchsetzt war. „Ich erinnere mich, dass Genma und Asuma eine Wette am Laufen hatten, wie schnell du deine ‚hippe Coolness‘ verlierst und ihn einfach um die Ecke bringst.“   Kakashis Brauen hoben sich ironisch und Belustigung stahl sich über die Furcht dieser Erinnerung – nein, dieses Menschenlebens. Irgendwie fand er ein Lächeln für sie, während sein Blick zu Genmas Gesicht wanderte und seine ungleichen Augen weich wurden. „Das sieht unserem Shiranui ähnlich, seine Wetten auf meine suizidalen Neigungen zu setzen.“   „Stimmt, aber das ist nicht der springende Punkt“, erwiderte Kurenai und zog seine Aufmerksamkeit damit auf sich. „Humor war ihr Ausweg aus der Realität, dass du von uns fort gleitest. Es hat den Schmerz gelindert, zusehen zu müssen, wie ihr Freund abgerutscht ist und sich hilflos zu fühlen, weil sie es nicht aufhalten konnten.“   Kakashis Miene verkrampfte sich, aber er hielt ihren Blick.    Sie verbarg ihr Weh nicht vor ihm, hatte diesen sanften Regenbogenschleier über ihren Augen und ihre Miene war sowohl traurig, als auch tapfer. „Als erstes bist du uns entglitten. Danach folgte Genma…und dann hat Asuma das Dorf verlassen.“ Schniefend schüttelte sie den Kopf. „Unsere Leben haben unterschiedliche Wege eingeschlagen. Wir haben in unterschiedlichen Welten gelebt, bis wir alle Senseis wurden. Naja…“ Liebevoll sah sie zu Genma. „Fast alle. Trotzdem hatten wir uns in der getrennten Zeit so sehr verändert, dass wir alle Fremde zu sein schienen, als wir uns wieder getroffen haben. Unsere Kids haben uns näher zusammengebracht, nicht wahr?“   Langsam nickte Kakashi und das Gewicht dieser Wahrheit ruhte beständig auf den Regalen in seinem Herzen. Es war beinahe schon ein unerschütterlicher Fakt. Sensei zu werden hatte ihn zu den Leuten zurück gebracht, die er zurückgelassen hatte. So isoliert, wie er über die Jahre geblieben war, ließen sich die Kameradschaft und Freundschaft einfach nicht leugnen, die sich ihren Weg wieder zurück in sein Leben geschlichen hatten. Ob es jetzt Gais unerbittliche Herausforderungen, Kurenais sanftes Geplänkel, oder Asumas entspannte Gesellschaft gewesen war; diese kostbaren Menschen hatten ihn immer wieder aufgebaut. Wie gottgesandt. Wie Geschenke. Geschenke, die er nicht vollständig hatte annehmen können, weil es ihm seine Schuldgefühle verboten hatten; aus Angst, dass er diese Bande wie zarte Glasornamente zerschmettern würde.    Götter, wie er das jetzt bereute…   Asuma…   Kurenais Stimme zog ihn wieder zurück und ihre sanften Worte waren so leise, dass er die Ohren spitzen musste. Inzwischen musterte sie Genma mit schimmernden Tränen an ihren Wimpern. „Ich habe das Asuma nie gesagt…aber tief in meinem Herzen habe ich immer geglaubt, dass ich dich und Genma bereits vor langer Zeit verloren habe, Kakashi.“   Kakashis Kopf zuckte bei diesem Geständnis nach oben und seine Brauen zogen sich zusammen. Ein entsetzliches Gefühl der Schuld packte ihn und Worte verfingen sich heftig in seiner Kehle. „Kurenai…“   Sie schüttelte den Kopf, während ein schiefes Lächeln an ihren Lippen zupfte. „Ich denke, dass eine ganze Menge Kunoichi das durchmachen müssen. Immerhin war der Club nur für Jungs.“ Sie lachte leise, wischte Kakashis perplexen Blick mit einem Wackeln der Finger beiseite und trommelte dann leicht mit ihnen auf Genmas Armbeuge. „Gai war da einfacher, war er schon immer. Aber ich habe beneidet, wie locker Asuma wusste, mit dir und Genma umzugehen. Er wusste, wie man euch beide zurückbringen konnte. Asuma zu lieben und im Gegenzug von ihm geliebt zu werden, war genug, um die Traurigkeit zu lindern, die ich gespürt habe, weil ich nicht in der Lage gewesen bin, diese Kluft zu euch zu überbrücken. Ich wusste nicht, wie. Und das tut mir leid.“   Kakashi stand auf. Lächerlich, das wusste er, aber er hatte einfach keine Ahnung, wie er sonst mit den Gefühlen fertig werden sollte, die diese Worte in ihm losgerüttelt hatten. Dinge rasselten in seiner Brust. In seinem Herzen. Es tat weh. Und zwar viel schlimmer als die Stiche, die an seinen Beinen zupften. „Wieso sagst du das?“, wisperte er und mochte es gar nicht, wie sehr er sich nach einem verletzten Kind anhörte.   Langsam legte Kurenai den Kopf schief und sah ihn ruhig an, ihre Stimme kraftvoll und ihre Augen nass. „Weil ich dir dafür danken möchte, dass du mir die Chance gibst, diese Kluft endlich zu überbrücken. Zu dir. Zu Genma.“ Ihre Hand glitt nach unten, um sich auf Genmas zuckende Knöchel zu legen. „Als mich Genma aus meiner Trauer gezogen hat, hat er es auf genau die schroffe Art getan, auf die er es wohl auch bei dir oder Raidō getan hätte, wie ich mir vorstelle…oder bei jedem anderem Kerl. Grob. Kein Nonsens. Ich kann gar nicht anfangen zu erklären, wie sehr ich das gebraucht habe. Shizune war zwar unfassbar unterstützend, aber ihre Zärtlichkeit und Sympathie war nicht, was ich gebraucht habe. Genmas derber Ansatz der Zuneigung und Unterstützung…auch wenn es mich schockiert – sogar beleidigt hat – es hat mich aufgeweckt.“ Kopfschüttelnd lachte sie ein wenig. Peinlich berührt. „Ich weiß, dass es absurd klingt. Aber dich vor meiner Tür zu sehen…es war genau dasselbe Gefühl. Meine alten, männlichen Freunde, die mich brauchen, auf mich zählen und mich nicht bedauern oder fortgleiten lassen.“   „Kurenai…“   Rasch wischte sie sich die Tränen fort, sah zu ihm auf und lächelte. „Nichts könnte mir besser helfen, zu heilen. Zum ersten Mal, nachdem ich Asuma verloren habe, fühle ich mich nicht total hilflos…oder so furchtbar allein. Danke.“   Mit zugeschnürter Kehle starrte Kakashi sie an. Den Blick abzuwenden würde bedeuten, loszulassen…und auch wenn er schwören könnte, dass festzuhalten weit mehr schmerzte, wusste er, dass wenn er ihren Blick jetzt loslassen würde, er nicht in der Lage sein würde, ihm wieder zu begegnen.    Schweigen folgte…   Aber es war kein leeres Schweigen.    Hörbar schluckend ließ sich Kakashi wieder auf seinen Stuhl sinken – hätte schwören können, dass er Hände schwer und vertraut auf seinen Schultern spürte. Der Geruch von Rauch erfüllte seine Nase. Er drehte ein winziges Stück den Kopf und erwartete halb, eine breite Gestalt zu erspähen, die in den Schatten lümmelte, mit einer Zigarette aus dem Mund hängend und die Lippen zu einem Schmunzeln verzogen.    Die Vorhänge flatterten und eine kühle Brise stahl sich herein.    Auf dem Bett erschauderte Genma und begann, inkohärente Dinge zu nuscheln.    Draußen vor der Tür winselte Bull kehlig und besorgt.    Kurenai berührte Genmas Stirn und ihre Finger zuckten. Stirnrunzelnd erhob sie sich und beugte sich über das Bett, um die Laken hinunter bis zu Genmas Hüften aufzuschlagen und die befleckten Bandagen zu offenbaren, die um seinen Torso gebunden waren. Kakashi folgte ihrem Blick und verzog das Gesicht. Genmas Kanashibari hatte heftigen Schaden angerichtet. Und der Job, den F&V beim zusammenflicken geleistet hatten, war im besten Falle oberflächlich.    Kami. Wenn ich daran denke, dass er das Kanashibari bei sich selbst benutzt hat…   Alles in einem suizidalen Versuch, Kakashis Genjutsu zu durchbrechen.   Und jetzt steckt er in einem psychedelischen Albtraum fest…gefangen im Griff von welcher Droge auch immer, die sie ihm verabreicht haben…   Silberne Brauen zogen sich zusammen, als Kakashis Kurenai dabei beobachtete, wie sie sich mit geübten und vorsichtigen Bewegungen daran machte, die Mullbinden und Bandagen zu wechseln. Ihr Stirnrunzeln war nicht gerade ermutigend, genauso wenig wie der Ausdruck in ihren Augen.    „Sag es mir“, murmelte er.    „Das sieht gar nicht gut aus, Kakashi. Ich habe nicht das richtige Equipment, das nötig ist, um ihn anständig zu versorgen und zu behandeln.“   „Was brauchst du?“   Sie sah auf und begegnete seinem Blick direkt. „Es geht nicht darum, was. Es geht darum, wen.“   Verdammt.   Sofort schüttelte Kakashi den Kopf und erhob sich aus seinem Stuhl, um sich davon abzuhalten, zu tief zusammenzusacken und nie wieder aufstehen zu können. Kurenais Chakraheilmittel hatte gerade so seine physischen Reserven wiederhergestellt, aber mental – vielleicht sogar emotional – fühlte er sich ausgelaugt und erschöpft.    „Kakashi…“   „Ich weiß…“, wisperte er.    Durch ihre Wimpern beobachtete Kurenai ihn, als er die Länge des Bettes auf und ab schritt und sich mit den Fingern durch seine dichten Silbersträhnen fuhr. Er hatte nur geliehene Zeit, das wusste er. Was Genma anging? Er operierte anhand einer vollkommen anderen Uhr. Es war nicht einzuschätzen, welche Richtung seine Gesundheit an diesem Punkt vielleicht einschlagen würde…und so sehr er auch an sie glaubte, Kakashi konnte von Kurenai nicht erwarten, die medizinische Bürde zu tragen.    „Hn. Es war so viel einfacher, als ich mir nur um seinen Kopf Sorgen machen musste“, murmelte Kakashi und versuchte, etwas Heiterkeit in seinen tiefen Tonfall zu bringen.    Der Witz kam flach, aber Kurenai belohnte ihn für seinen Versuch, indem sich ihre Lippen leicht bogen. „Wie lange haben wir?“   Ah. Da war sie. Diese Frage, mit der er schon die ganze Zeit gerungen hatte, seit er aufgewacht war. Kakashi schüttelte den Kopf, da er immer noch nicht näher an einer Antwort war. Fragen hatte er viele, aber Antworten waren Mangelware. Witzig, wie er trotz all seiner Ignoranz in Bezug auf diese Situation trotzdem schon viel zu viel wusste. Oder zumindest genug, dass F&V ernsthaft versuchte, ihn aus dem Verkehr zu ziehen.    „Da wird nicht einfach so Gras drüber wachsen“, sagte er letztendlich. „Nicht, wenn F&V involviert ist. Nicht, wenn KERN involviert ist.“   Kurenai nickte, bevor sie zögerlich fragte: „Bist du dir sicher, was Tenka angeht?“   „Naoki“, korrigierte Kakashi sie sanft. Er war sich über gar nichts sicher, außer in Bezug auf diese alten ANBU Instinkte, die in seinem Inneren durchdrehten. Auch wenn es Kakashi geschafft hatte, seine Ninken dorthin zu bekommen, indem er sie diesen komischen kleinen Psychiater – Mushi – hatte verfolgen lassen, hatte er dennoch keine Ahnung, was zur Hölle Der Ursprung eigentlich mit Naoki vorhatte…geschweige denn, wie oder warum ein ANBU Agent, der vor zehn Jahren als IEG eingestuft worden war, immer noch am Leben war.    Am Leben…und Genma hat keine Ahnung…   Oder zumindest war das der Fall gewesen, bis während des Kampfes Kakashis Zunge mit ihm durchgegangen war. Rückblickend betrachtet wurde ihm klar, dass es die grausamste Waffe gewesen war, die er hätte einsetzen können. Aber es hatte funktioniert. Es hatte mühelos durch Kaika hindurch geschnitten, direkt in Genmas blutendes Herz.    Das Chidori hätte weniger weh getan als das.    Scharf zog Kakashi die Luft ein und schloss krampfhaft die Augen gegen die Erinnerung von Genmas Gesicht. Getroffen…zersplittert…beinahe suizidal vor Zorn.    Ich kann nicht zulassen, dass er oder diese Situation noch weiter abrutscht…   Oder noch schneller, als es ohnehin schon der Fall war. Das hier war nicht das Tanzaku Viertel. Das hier war nicht länger eine Angelegenheit, Genma aus den Flammen seiner Selbstaufopferung zu zerren. Das hier war zu einem Lauffeuer geworden. Und es breitete sich rasend schnell aus. Inoichi. Ibiki. Wer sonst war vielleicht sonst noch in die Flammen geraten?    Es gibt nur einen Weg, das aufzuhalten.   Einen Weg, den er wegen Reputation und der Auswirkungen bisher vermieden hatte. Als er jetzt auf Genma hinunter starrte, spürte Kakashi sein Herz, das hart in seiner Kehle schlug. Aber im selben Augenblick überkam ihn eine plötzliche Ruhe und die Stabilität einer lange verweigerten Entscheidung, von der er schon immer gewusst hatte, dass er sie würde treffen müssen.    Es ist immer nur eine Frage der Zeit.   Und diese Zeit war jetzt.    Sein Stirnrunzeln löste sich auf und seine Augen wurden weich, als er Genma noch einmal musterte, bevor sie sich wieder verschärften. Finger ballten sich zu Fäusten, als er sich von dem Bett abwandte und zur Tür schritt. „Ruf Shizune, wenn du das tun musst, aber niemand sonst kommt auch nur in seine Nähe!“   „Kakashi, warte!“   Mit einer Hand am Türknauf hielt er inne, der Körper steif und die Augen geradeaus gerichtet. Jenseits der Tür stieß Bull, alarmiert von Kurenais Ruf und bereit, zu reagieren, ein grummeliges Rumpeln aus. Kakashi hörte, wie Kurenai aufstand, aber sie machte keine Anstalten, sich ihm zu nähern. Machte keine Anstalten, von Genmas Seite zu weichen. Es erwärmte Kakashi, das zu wissen – linderte das kalte Gefühl der Furcht, das seine Entscheidung umgab.    Kurenai seufzte mit weicher, von Zweifeln erfüllter Stimme. „Was hast du vor, Kakashi?“   Leise summend drehte Kakashi den Türknauf und spähte über die Schulter, wobei sich seine Augen in einem kleinen, abgestumpften Lächeln bogen, von dem er hoffte, dass sie es glauben würde.    „Was ich schon vor Tagen hätte tun sollen.“   ~❃~   Die Nagu hatten den Weg mit Blut geebnet.    So viel Blut…   Es rollte sich vor dem Konoha Team aus wie ein dunkler, roter Teppich. Dick und nass benetzte es den Versorgungstunnel, der tief hinein in die Untergeschosse der Einrichtung führte.    „Heilige Scheiße…“, raunte Kiba, ging am Maul des Tunnels zusammen mit Akamaru in die Hocke und schlang einen Arm um den sich sträubenden Nacken seines Hundes. „Sieht aus, als hätten Fuchsgesicht und seine Freunde eine Party gefeiert."   "Sein Name ist Yako“, blaffte Ino, während sie an ihrem Ohrstöpsel und Halsmikrofon herumfummelte. „Nichts außer Statik. Neji, Ich kann Katsu immer noch nicht erreichen. Entweder ist sein Mikrofon kaputt, oder…“   Oder er ist tot.   Bei diesem Gedanken runzelte Neji die Stirn und seine Byakugan Augen rollten in seinem Schädel, als er versuchte, eine Sicht herzustellen, die klar genug war, um mit den Schemata in seinem Geist übereinzustimmen. Bisher gab es nur Dunkelheit in alle Richtungen. „Versuch es bei den anderen Nagu.“   „Na viel Glück dabei bei Fuchsgesicht. Er ist stumm. Versuch es bei der Zopflady oder Albinomädchen.“   „Sui und Yuki“, korrigierte Ino.    „Yuh huh“, grummelte Kiba und schnupperte in die Luft. „Ich kann sie riechen. Aber ist nur sehr schwach unter dem Blut. Irgendeine Sicht, Hyūga?“   „Nur Dunkelheit, die man der Statik beifügen kann“, erwiderte Neji, war aber nicht übermäßig entmutig von der Finsternis, die sich weiter und weiter erstreckte. Er hatte bereits erwartete, dass sie darauf treffen würden. „Ein weiteres Verschleierungsjutsu.“   „Macht Sinn“, ergriff Shino mit summenden Käfern auf seinen Händen das Wort. „Wenn die Aikoku die Untergeschosse für den Handel genutzt haben, dann würden sie natürlich jede Möglichkeit der Überwachung ausmerzen wollen.“   Spielt keine Rolle.    Neji deaktivierte sein Byakugan und seine monochrome Welt wurde von dem Scharlachglühen der Notfalllichter in Rot getaucht. Sie waren im Raum verteilt und schimmerten wie ominöse Augen den Tunnel entlang, was dafür sorgte, dass die blutgetränkten Wände noch roter als ohnehin schon aussahen.    Es war heiß hier unten, feucht und stickig.    Dampfende Rohe schwitzten über ihren Köpfen, Kesselräume summten und das Gurgeln von Wassertanks erscholl durch die dicken, heißen Mauern wie die Darmbewegungen einer schlafenden Bestie. Und nur Kami wusste, was für Bestien noch immer dort unten waren, in den Schatten kauernd und auf der Lauer liegend.    „Überprüft eure Ausrüstung“, befahl Neji. „Ihr habt zwei Minuten.“   Es dauerte genau eineinhalb. Jeder war vorbereitet, vielleicht auch ein bisschen aufgeregt. Die letzte Etappe ihrer Mission ließ das Adrenalin hochkochen. Bedächtig ging Neji ihre Ziele durch; Kontaktwiederherstellung mit den Nagu; den kriminellen Anführer der Aikjoku, Ujihara, festsetzen, ebenso wie alle Überlebenden Aikoku Shinobi und Wissenschaftler; das Handelsprogramm außer Kraft setzen und alle Nahrungspillen und Opiate beschlagnahmen. Bisher hatten sie es noch nicht geschafft, die Nagu zu kontaktieren, aber zumindest hatten sie einen guten Hinweis, welchen Weg sie genommen hatten. Jetzt ging es darum, durch die Untergeschosse zu navigieren.    Der Reihe nach suchte Neji jedes einzelne Gesicht ab. „Ich gehe davon aus, dass ihr euch alle die Grundrisse eingeprägt habt, die uns die Nagu gegeben haben?“ Überall Nicken. „Gut. Vor uns gabelt sich der Tunnel. Das ist der Punkt, an dem sich die Wege von Team A und B trennen werden.“ Er wandte sich Shino zu und seine weiße Augen wurden von den Notfalllichtern in ein unheimliches Rot getaucht, sodass sie aussahen wie blutiger Nebel. „Wie vereinbart, werden sich Shino und Team A um das obere Level kümmern. Den Kontakt zu den Nagu herzustellen ist wichtig, aber lasst nicht zu, dass unsere anderen Zielvorgaben dadurch beeinträchtigt werden. Priorisiert und handelt dementsprechend. Shino, wie sieht es in Bezug auf deine Insekten aus?“   Shino neigte leicht den Kopf. „Durch sechs Stunden Mushimayo habe ich es geschafft, einen Immunschwarm zu entwickeln, der groß genug ist, um das Virus zu tragen.“   „Virus?“, krähte Naruto und schob sich etwas seitwärts. „Was für ein Virus?“   Ino hob den Blick. „Als ich in unseren Laboren an den Hybridpflanzen gearbeitet habe, konnte ich einen extrem starken Stamm von Bacillus Thuringiensis kultivieren. Für Menschen ist es nicht schädlich. Ziemlich wie ein superstarkes Pestizid. Es sollte alle Chimären-Insektenhybriden schwächen oder sogar töten.“   „Whoa, echt zum Kotzen, ein Käfer zu sein.“ Sofort hielt Naruto entschuldigend seine Hände nach oben, als Shinos Kopf in seine Richtung zuckte und ein ominöses Summen aus seinen Ärmeln und seiner Kapuze erscholl.    Neji ließ noch etwas Raum für Fragen, bevor er das Team im Ganzen ansprach: „Meldet alle Statusberichte über den Transmitter. Shikamaru ist im Hauptquartier erreichbar, solltet ihr die Orientierung verlieren oder auf irgendetwas stoßen, das einer Abklärung bedarf.“ Ein grimmiges Schmunzeln. „Jetzt zu den Schlimmstfällen. Lasst uns versuchen, sie zu vermeiden.“   Kiba setzte ein Grinsen auf. „Hur-fucking-ra.“           Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)