Under these Scars von _Scatach_ (Teil Vier der BtB Serie) ================================================================================ Kapitel 40: Coming clean ------------------------ ‚Lasst uns beten, dass die Vergangenheit und ihre Dämonen niemals unsere Schwelle verdunkeln.‘   Sarutobi Hiruzens letzte Worte über den Nara Vorfall. Worte, die vor einundzwanzig Jahren gesprochen worden waren. An dem Tag, als er letztendlich die Tür zu der Angelegenheit des Shinjū Projekts verriegelt und das Schloss den Händen der Ältesten übergeben hatte, während die Schlüssel in die Finger einiger weniger, kostbarer Vertrauter gelegt worden waren.    Aber vielleicht waren diese Schlüssel, genau wie Karma, zu mehr als nur staubigen Taschen bestimmt.    Ein törichter Gedanke. Weder Mitokado Homura, noch Utatane Koharu waren besonders religiös. Zumindest nicht auf die Weise, wie es bei Sarutobi Hiruzen der Fall gewesen war; ein Buddhist von ganzem Herzen, Mitgefühl stets auf seinem Gewissen lastend und seine Hand zurückhaltend, ihn zur Gnade zwingend.    Gnade.   Koharu runzelte die Stirn und ihre dünnen Lippen spannten sich am Rand ihrer Teetasse an. Gnade? Sie wunderte sich über dieses Wort, sah durch ihre Wimpern auf das exquisite Bodhisattva-Seidengemälde, das von der Wand des alten Kriegsraumes hing. Es war von Hiruzen in Auftrag gegeben und von niemand anderem als dem verstorbenen Chiriku gemalt worden. Ein Alter Ninja-Wächter Freund von Sarutobi Asuma und führender Mönch des zerstörten Feuertempels.    So viel Zerstörung…   Wo war die Gnade an diesem Tag gewesen? Wo waren all die Götter gewesen? Gnade hatte Chiriku nicht gerettet, auch nicht Asuma, oder Hiruzen. Trotz seines Glaubens an höhere Mächte und heilige Pläne hatte der Sarutobi Clan Verlust nach Verlust erlitten. Und trotzdem konnte es Koharu nicht über ihr gepanzertes Herz bringen, das Bild zu entfernen. Ebenso wenig wie Homura. Es war eine unausgesprochene Angelegenheit und unberührt wie geweihter Boden. Und sogar Shimura Danzō respektierte das.    Danzō…   Langsam setzte Koharu ihre Tasse ab, nachdenklich über das sanfte Klack der Keramik und ihre Tendenz zur Schwerfälligkeit, wenn sie irritiert war. Sie wollte Homura nicht bei seinem Papierkram stören. Ah, aber der alte Fuchs hob dennoch den Blick, musterte sie über den Rand seiner Brille hinweg, bevor er sich wieder seiner Arbeit widmete. Er wusste es besser, als sich in ihre Gedanken einzumischen. Wenn sie sie mit ihm teilen wollte, dann würde sie den Mund aufmachen.    Doch sie goss sich noch etwas mehr Tee ein und wartete auf den richtigen Zeitpunkt.    Immerhin wollte sie Homuras volle Aufmerksamkeit. Sie waren hierher gekommen, um über Danzō zu diskutieren. Dieser durchtriebene alte Kriegshabicht hatte schon wieder seine Morgentreffen mit ihnen ausgelassen. Auf den ersten Blick war das nichts übermäßig Außergewöhnliches, wenn man bedachte, dass Danzō gerne mal seine Unabhängigkeit und anmaßende Autorität auf diese trotzigen und niemals endenden Wege unter Beweis stellte.    Ein Oberflächenschauspiel, eine gesichtswahrende Zurschaustellung.    Koharu und Homura wussten es beide besser, als das auch zu glauben. Danzō operierte niemals an der Oberfläche. Legte niemals einen Auftritt hin, ohne einfach alles aus den verborgenen Flügeln heraus zu dirigieren.    Was hast du jetzt schon wieder vor, Shimura?   Wenn es um Danzō ging, dann war Argwohn ein unaufhörliches Jucken zwischen Koharus Schulterblättern, aber sie hatte schon lange gelernt, den Unterschied zwischen ihren schwachen Ahnungen und ihrem Eingeweide verdrehenden Instinkt zu erkennen. Und jetzt gerade fühlte sie es; dieses unausweichliche Wissen…fühlte es so gewiss, wie Hiruzen seinen Glauben gefühlt hatte.    Etwas war falsch. Etwas war im Gange.    Und vielleicht hatte Koharu tief unter der Oberfläche ihres gepanzerten Herzens immer gewusst, dass wenn die Vergangenheit kam und anklopfte, dass sie ihre Schwelle dann nicht verdunkeln würde…sie würde sie eintreten. Und aus diesem Grund war es auch keine Überraschung, als die Tür zum Kriegsraum krachend in den Angeln aufflog.    Zumindest für Koharu war es keine Überraschung.    Homura hingegen sah aus, als befände er sich am Rande eines Aneurysma, als seine Augen mit Schock und Empörung aus den Höhlen traten. „Was im Namen von-?!“   Ibiki stand im Türrahmen, seine breiten Schultern bebten, die Gliedmaßen waren steif und straffgezogen gegen welche Dringlichkeit auch immer, die ihn dazu gebracht hatte, die Tür quasi einzutreten. Hinter ihm im Gang war das Flattern von erhobenen Stimmen zu hören; manche wütend, manche unsicher, aber alle auf Ibikis Impertinenz und imminente Festnahme gerichtet.    Jōnin kamen näher, dann blieben sie stehen.    Ein Flackern blauweißen Chakras und drei ANBU Agenten erschienen mit gezogenen Tantōs. „Morino-san“, sagte eine maskierte Frau. „Du kannst nicht einfach so-“   Mit schimmernden Narben knurrte Ibiki über die Schulter, seine Augen in den Schatten des dunklen Randes seiner Stirn getaucht. „Heute Abend wollt ihr euch wirklich nicht mit mir anlegen!“   Schon allein diese kleine, aggressive Reaktion von Ibiki wäre genug gewesen, um Koharus Aufmerksamkeit zu erregen, wenn die eingetretene Tür nicht schon genug gewesen wäre.    „Das reicht.“ Koharu setzte ihre Teetasse ab und richtete sich mit steifer Wirbelsäule auf. „Lasst uns allein!“, befahl sie. „Ihr alle!“   Zögern. Die ANBU Agenten verharrten noch eine Sekunde länger, warteten darauf, dass die anderen Jōnin zuerst zurückwichen, bevor sie ihre Tantōs wegsteckten. Sie bekamen nichtmal mehr die Gelegenheit, sich zu verneigen. Ibiki schlug ihnen die Tür vor der Nase zu.    Homuras Brauen wanderten unmöglich weit hoch. „Was soll dieses Eindringen, Ibiki?“   Bei diesen Worten wirbelte Ibiki herum, sein Kiefer so heftig verkrampft, dass die Muskeln hervortraten und sich Venen so dick und hässlich wie die Narben über sein Gesicht zogen. Gerade noch so schien er sich an der Kante einer gefährlichen Reaktion abzufangen, seine Nasenflügel bebten, der Atem verließ ihn zischend in einem heißen Strom, während er sich abmühte, seine diamantharten Zahnräder wieder unter Kontrolle zu bekommen.    Stirnrunzelnd drehte sich Homura auf seinem Platz und sah für Unterstützung zu Koharu.    Doch Koharu hob nur eine Hand und bat damit um Geduld, ihre kleinen, zusammengezogenen Augen starr auf Ibiki fixiert. Für einen langen, stummen Moment musterte sie ihn und die Instinkte in ihrem Inneren brannten heiß wie Kohlen. Seit über siebzehn Jahren arbeitete sie mit Ibiki. Sie hatte ihn als Soldat während einiger der erschütterndsten Katastrophen gesehen, die das Dorf jemals erlebt hatte, sowohl im offenen Feld, als auch inoffiziell. Sie hatte gesehen, wie er alle möglichen persönlichen, als auch politischen Stürme überstanden hatte; immer gefasst und eisern, beinahe wie eine Maschine.    Bis jetzt.    Jetzt lag da etwas in seiner Haltung, auf seinem Gesicht…in diesen kalten, schwarzen Augen, die sich ihnen zuwandten und das mit einem Aufblitzen von Emotionen, die nicht einmal seine eiserne Kontrolle verbergen oder auflösen konnte.    „Erzähl uns alles“, sagte Koharu.    Ohne ein einziges Wort griff Ibiki in die Innentasche seines Mantels, zog eine Akte hervor und klatschte sie auf den Tisch. Das laute Whack des Dokuments sorgte dafür, dass sich Homura auf seinem Platz versteifte.    Koharu zuckte mit keiner Wimper.    Zumindest nicht, bis sich Ibiki nach vorn lehnte und die Akte öffnete…und die Vergangenheit mit all ihren Dämonen schreiend aus den Seiten stürzte.    ~❃~   Der Mond hing wie ein vernarbter Opal in einem sternenklaren Himmel, ergoss sein silbrig blaues Glühen die bewaldeten Hänge hinab. In einem zügigen Tempo bahnte sich Neji seinen Weg zurück von dem Archiv und durchquerte dabei zwei der vier Gärten der Göttlichen Bestien.    Tatsu-en…   Der Drachengarten. Er konnte das entfernte Murmeln der Heißen Quellen hören, die Feuchtigkeit war schwer in der Luft und verursachte einen dünnen Nebel, der in gespensterhaften Bändern über den satten Farnen hing. Neji strich achtlos daran vorbei, fühlte das feuchte Streicheln von Blättern gegen seine blutgetränkten Roben und verzog das Gesicht.    Kami, ich muss duschen…   Tod hing noch immer an ihm. Er musste das fortwaschen, bevor er sich Shikamaru stellte. Ein sauberer Körper, ein klarer Verstand, ein frischer Sinn für Kontrolle. Kontrolle. Vorhin hatte er sie verloren; in der Sekunde, als er in Shikamarus weite und heimgesuchte Augen gesehen hatte.    Unglaublich, wie es immer noch nur einen einzigen Blick zwischen ihnen brauchte.    Ein einziger Blick, eine einzige Berührung.    Beides besaß die Macht, jeden Sinn für Perspektive und Selbsterhaltung wegzureißen.    Neji hatte es so sicher wie eine Klinge im Zentrum seiner Brust gespürt. Und er hatte sofort gewusst, dass wenn er sich gestattet hätte, in diesem Augenblick nach Shikamaru zu greifen, dann wäre er niemals in der Lage gewesen, fort zu laufen.    Und dann wäre ich nicht hier, mit dieser Entscheidung in meinen Händen…   Eine Entscheidung, ein Befehl, eine Wahl, die er so oder so getroffen hätte. Konsequenzen fluteten seinen Verstand, ruhten schwer auf seinem Herzen. Aber es war die richtige Wahl; und auch die sicherste für alle Beteiligten.    Genug Denken…Zeit, mit ihm zu sprechen.   Zumindest war er mit einem legitimen Grund bewaffnet. Aufgrund von Besorgnis oder Emotionalität zu handeln stand außer Frage. Trotzdem fand Erleichterung beinahe einen Halt. Ein kurzlebiges Gefühl. Denn nur Kami wusste, wie Shikamaru reagieren würde. So oder so war der Befehl gegeben worden. Die Entscheidung war gefallen. Neji konnte endlich handeln und musste sich nicht mehr vor dem fürchten, was zur Hölle er tun sollte.    Taten sind, was zählt…   Völlig versunken in diesem proaktiven Mantra, beschleunigte Neji seine Schritte durch die Heißen Quellen und hatte schon die Hälfte des gewundenen Pfades aus breiten Trittsteinen hinter sich gebracht, als er eine Bewegung in dem seidigen Federgras bemerkte. Er hielt inne und drehte sich langsam auf den Fußballen, als sich sein Körper nahtlos und mit Leichtigkeit in eine defensive Stellung schob.    Doch es wäre nicht nötig gewesen.    Ein riesiger, flauschiger, weißer Kopf tauchte auf, gefolgt von dem großen, hin und her schwingenden Körper von Kibas Ninken. Akamaru schüttelte sich das feuchte Fell und sah mit seinen riesigen, ausdrucksstarken, goldbraunen Augen zu Neji hoch, während seine Rute in einem freundlichen Wedeln durch das Gras strich.    Neji löste seine Deckung und atmete aus. „Akamaru.“   Der Hund trottete herüber, schnupperte an Nejis Hand und schniefte, als würde er niesen.    „Verfluchte Scheiße, Hyūga“, murrte eine grummelnde Stimme. „Du stinkst.“   „Was für eine Freude, daran erinnert zu werden“, bestätigte Neji trocken und hob seinen Blick zu der vom Mond beleuchteten Gestalt, die mit nackter Brust und gerötet von den Heißen Quellen den angrenzenden Pfad entlang geschlendert kam. „Du solltest dich ausruhen.“   Die Brauen erhoben warf sich der Hundeninja ein Handtuch über die Schulter, während er mit einem Daumen zurück auf das Onsen deutete. „Hab mich sehr gut ausgeruht.“ Was nicht erklärte, warum er so unruhig aussah. Aufruhr summte in einem fast schon greifbaren Schwarm um ihn herum, brummte in seiner Aura und blitzte bissig in seinen Augen auf. „Was soll dieser Mitternachtsspaziergang, Eure Hoheit? Solltest du nicht deinen Schönheitsschlaf machen, wie die ganzen anderen Prinzessinnen?“   Neji ignorierte diesen Haken, sondern lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Pfad, den Kiba gekommen war. Während der Gedanke an ein erholsames Bad sehr vielversprechend erschien, würde er das Unvermeidbare nur hinauszögern. Er hatte keine Zeit für Ablenkungen. Er musste scharfsinnig und fokussiert bleiben.    „Machst immer noch einen auf passiv, huh?“, grunzte Kiba und wuschelte sich mit dem Handtuch durch sein zerzaustes Haar. „Sogar Shikamaru hat mehr Biss als du.“   Bei diesen Worten spähte Neji zu ihm zurück. „Ist es das, worüber du dich so aufregst? Was er zu dir gesagt hat?“   Kiba lachte ein wenig mit einem rauen, grollenden Geräusch, das eher belästigt statt humorvoll klang. „Pf, ich würd’s mir verfickt nochmal wünschen. Die Scheiße ist leicht zu verdauen.“   Perplex sah Neji seitwärts zu ihm. „Also was ist es dann?“   Kopfschüttelnd schlang sich der Hundeninja das Handtuch um seine Faust wie ein Boxer, der sich die Hände für einen Kampf einwickelte, den er aber nicht bekommen würde. Er warf Neji einen drolligen Blick zu. „Wird das einer dieser ‚sich gegenseitig das Herz ausschütten‘-Momente? Denn dann wäre mir eine Sanfte Faust in den Schritt doch lieber.“   Nejis Lippen zuckten in dem Millimeter eines Schmunzelns. „Die verteile ich nur bei besonderen Anlässen.“   Überrascht stieß Kiba ein Lachen aus und seine Augen warfen mit ehrlicher Belustigung Fältchen. Etwas von dem Aufruhr bekam Risse und fiel von ihm ab. „Na schau sich das einer an“, bewunderte er und trat hinauf auf den Pfad. Spielerisch stieß er Neji mit seiner eingewickelten Faust gegen den Arm, als er an ihm vorbei strich. „Wer hätte gedacht, dass du einen Sinn für Humor hast?“   „Das habe ich ernst gemeint.“   Ein weiteres kehliges Lachen und Kiba winkte über seine Schulter, schlenderte den Weg entlang und ließ Neji damit zurück, sich über die sonderbare Stimmung des Hundeninjas und seine eigene, halb amüsierte Nachsicht zu wundern. Friedenswahrung, redete er sich selbst ein. Er brauchte Kiba auf seiner Seite und nicht an seiner Kehle.    Hn. Wer hätte gedacht, dass Humor ihn auf Spur bringen würde…   Dafür musste Neji Shikamaru danken. Wäre nicht dieser alles durchdringende Einfluss des Schattenninjas über die letzten paar Monate gewesen, dann hätte Neji niemals die Geduld oder das Verständnis besessen, das nötig war, um mit Kiba klarzukommen.   Du hast mich mehr gelehrt, als ich je realisiert habe, Shikamaru…   Hatte ihn auf Arten und Weisen gelehrt, die hart gegen den Strich von allem rieben, was ANBU ihm beigebracht hatte. Zwei eigenständige Lehrmeister, zwei eigenständige Lektionen, zwei eigenständige Seiten von ihm selbst, die sich in einem ständigen Wandel befanden. Aber am Ende würde nur eine dieser beiden Seiten gewinnen. Und jetzt im Moment musste er sich auf der schmalen Linie bewegen, von der er es geschafft hatte, sie zwischen ihnen beiden zu ziehen.   Zumindest bis die Mission vorbei ist…   Nur dann könnte er sich endlich auf die Seite fallen lassen, die seine Freiheit garantierte.    Während er ein Seufzen ausstieß, sah er zu, wie Akamaru hinter Kiba her sprang und beschloss, einen schrägen Weg zu seinem Gästequartier einzuschlagen, da er keine weiteren Unterbrechungen oder Rückschläge wollte. Ein heißes Waschen, eine kalte Dusche und eine schwierige Unterhaltung.    Die lange Nacht schien immer noch länger zu werden.    Mit dem Mondlicht, das seinen Pfad erhellte, schaffte es Neji rasch zurück. Er schlüpfte aus seinen Sandalen, schritt mit geräuschlosen Schritten über die polierte Veranda und strich an den anderen Gästezimmern vorbei. Die Lichter waren aus, außer die weichen, glühenden Laternen, die von den Traufen hingen. Abgesehen von dem müßigen Flüstern der Brise, die durch die silbrigen Blätter und über den mondbeschienenen Rasen wirbelte, war die Welt regungslos und still.    Eine friedvolle Nacht, so ahnungslos vom Chaos des Tages und dem Kampf von Morgen…   Ein Schritt nach dem anderen.    Neji löste seinen schwarzen Schurz, legte ihn sich über die Armbeuge und nestelte mit einer Hand an dem Verschluss seiner blutigen Robe, während er mit der anderen nach dem Fusama Paneel griff, um es zurück zu schieben. In einem leisen Wispern glitt es über die Schiene.    Neji trat über die Schwelle, hob den Blick; und wurde vollkommen regungslos. „Shikamaru.“   Marginal drehte der Schattenninja bei dem sanften Ruf seines Namens den Kopf. Im schattigen Mondschein gab er eine beeindruckende Gestalt ab, sein Profil in silberblaue Linien geätzt. Mit dem Rücken zur Wand saß er auf dem Boden, ein Bein aufgestellt und das andere unter sich gekrümmt, den Unterarm auf seinem Knie abgelegt und eine Zigarette rauchte zwischen seinen locker eingerollten Fingern.    Er sagte nichts; zumindest nicht sofort.    Das untrainierte Auge hätte ihn als entspannt empfunden; sein Körper gegen die Wand gelümmelt, die Ärmel seines schwarzen Yukata hoch gekrempelt, um die festen, straffen Muskeln seines Unterarms bloßzulegen.    Aber Neji sah die verborgene Anspannung, wusste, wohin er blicken musste.    Shikamarus Finger krümmten sich steif, die Muskeln seines Kiefers traten hart hervor, als er die Zigarette an seine Lippen hob und tief an dem Rauch sog. Für fünf Herzschläge hielt er ihn in sich, dann atmete er ihn in zwei Strömen durch die Nase aus und seine Wimpern senkten sich in einem Flattern über seinen Augen, bevor er schließlich mit einer Stimme sprach, die heiser und müde hervor krächzte. „Du musst mich von dieser Mission abziehen.“   Fassungslos blinzelte Neji ihn an. Instinktiv suchte er den Raum ab, als würde ihm das vielleicht irgendeinen Hinweis, irgendeinen Einblick, irgendein Indiz geben würde, das ihm half, diese Szene zu erklären. Ganz sicher hatte er sich nicht vorgestellt, dass sie sich so abspielen würde.    „Hörst du mich, Hyūga?“, fragte Shikamaru und klang dabei stabiler, als Neji es vermutlich erwartet hatte, wenn man bedachte, worum er gerade gebeten hatte.    Opalaugen schnitten zu ihm zurück und richteten sich mit einer Gefasstheit auf Shikamaru, die die Kalkulationen in seinem Kopf Lügen straften. „Ich höre dich“, erwiderte er und dachte darüber nach, dass es geradezu kriminell war, wie einfach sich der Spieß umgedreht hatte, gemessen daran, dass er eigentlich derjenige hätte sein sollen, der dieses Gespräch anzettelte.    Schon wieder all diese Schritte voraus, Nara…   Nejis Lippen bogen sich in einem schwachen Lächeln und dieses grausame Gefühl von Ironie schloss die Szene in seinem Verstand. Natürlich hätte er Shikamarus Fähigkeit berücksichtigen müssen, sich in seine Strategie einzuschleichen und seinen Spielplan im Voraus zu durchschauen. Wenn das denn wirklich das war, was hier gerade passierte.    Ohne die Augen von dem Schattenninja abzuwenden, trat Neji in den Raum und schob die Tür halb hinter sich zu. „Wusstest du, dass ich dir befehlen würde, hier zu bleiben?“   Shikamaru rollte in einer Geste mit der Schulter, die als Achselzucken durchgehen konnte. Für eine lange Sekunde musterte er das Ende seiner Zigarette und nahm einen weiteren Zug. „Ich bin aus meinem Spiel. Scheint also logisch zu sein, oder nicht?“   „Notwendig“, korrigierte Neji und ließ seine Robe in seine Armbeugen rutschen, bevor er das blutige Kleidungsstück abstreifte und es zusammen mit seinem Schurz fallen ließ. Vorsichtig näherte er sich dem Schattenninja und seine Haut begann zu prickeln. „Du hast mich angelogen, was dein Chakra angeht. Darüber, dass du es nicht benutzt.“   Shikamaru nickte ruckartig, während Rauch in einem zerfetzten Atem von seinen Lippen floss. „Ja…“ Kopfschüttelnd sah er durch seine Wimpern auf und starrte Neji für eine lange, suchende Sekunde an. „Und ich werde dich wieder anlügen und vorgeben, dass diese ganze Sache nur etwas mit meinem Chakra zu tun hat.“   Jede Strategie floh aus Nejis Hirn, stob auseinander wie ein Schwarm aufgescheuchter Vögel, die in viel zu viele Richtungen davon schossen, um folgen zu können. Seine Brauen zogen sich weich zusammen, als er vor Shikamaru in die Hocke ging und seinen Blick über all die Grate und all die Mulden auf dem Gesicht des Nara wandern ließ. Er studierte die Stellen, wo die Schatten hingen; unter seinen Augen, in den Rillen seiner Wangen und unter seinem Kiefer.    Kami, Shikamaru…   Schlagartig erhoben sich die Beunruhigung, die Besorgnis, die emotionalen Wellen, die Neji für die letzten paar Tage, paar Stunden, paar Sekunden in Schach gehalten hatte, mit einer Dringlichkeit und Stärke in ihm, die ihn sowohl überraschte, als auch entsetzte; dunkle, schlammige Wasser angefüllt mit viel zu viel Fühlen. Sie krachten gegen die spröde Hülle seiner Brust und seine Rippen hoben sich in der Anstrengung, sie wieder nach unten zu drängen.    Shikamaru sah den Kampf und zeigte mit dem leichtesten Zucken seiner Lippen Mitgefühl. „Es tut mir immer noch nicht leid. Das ist keine Lüge.“   Eine furchtbare Enge packte Nejis Kehle. „Als ich vorhin von dir fort gelaufen bin…“   Rasch schüttelte Shikamaru den Kopf und spähte durch den Raum. „Ich hab dir schon gesagt, dass du mich nicht  durch das hier hindurch führen musst. Das habe ich auch so gemeint. Außerdem muss einer von uns das alles clever spielen und wissen, wann man fortlaufen muss. Letzte Woche habe ich es kaum geschafft.“ Er setzte ein grimmiges Schmunzeln auf und sah aus dem Augenwinkel zu Neji. „Wie gut, dass du stärker bist als ich.“   Nein. Das bin ich nicht.   Und die Furcht vor dieser Wahrheit trieb sich wie ein Spreißel aus Eis unter Nejis Rüstung, fand einen Weg durch seine Deckung und verbreitete Frost auf den Wänden, die in seinem Geist standen. Er versuchte, sich auf diese Wände zu konzentrieren – lehnte sich mental nach Stärke suchend an sie, um sich irgendwie davon abzuhalten, eine Hand über die tosenden Wasser hinweg auszustrecken.    Er hatte nicht fort laufen wollen.   Er hatte es gemusst.   Um Shikamaru zu schützen. Um sich selbst zu schützen. Natürlich könnte er das niemals gestehen. Könnte Shikamaru niemals erzählen, dass er darauf eingeschworen war, alle Details über das Verhalten des Nara an einen Vorgesetzten weiterzugeben, der im Dunkeln lauerte, nach Schwächen suchte, die ausgenutzt werden konnten und auch nach jeder Gelegenheit, Neji als sowohl unpassend für ANBU, als auch als wortbrüchig zu befinden.    Götter, aber ich bin doch schon alles davon…   Denn er hatte Tsuno nicht die ganze Wahrheit erzählt. Er war dort gestanden, hatte mit Zähnen und Klauen um seine ANBU ‚Wände innerhalb von Wänden‘ und ‚Zahnräder innerhalb von Zahnrädern‘ gekämpft, während er direkt in das maskierte Gesicht seines Kommandanten gestiert hatte, nur um den Geist von Shikamarus Bild vorzufinden, der zu ihm zurück sah; personifiziert in dieser verdammten Hirschmaske.    Gott, hatte Shikaku es so geplant?    Oder Ibiki?   Hatte sich Tsuno speziell diese Maske ausgesucht, um ihn zu testen? Um ihn zu foltern?   Es funktioniert…   Es arbeitete gegen jede Wand und jedes Zahnrad in seinem Inneren; brachte ihn dazu, wichtige Fakten aus seinen Berichten wegzulassen, als wäre das irgendwie besser als offenes Lügen. Das war es nicht. Ein und dasselbe, das gleiche Ergebnis. Ob er log oder Informationen zurück hielt; beides waren unverzeihliche Übertretungen…ebenso unverzeihlich wie der Gedanke daran, Shikamarus Vertrauen noch mehr zu hintergehen, als er es ohnehin schon getan hatte.    Diese feine Linie, auf der er sich bewegte, wurde dünner…dünner…   Während er scharf die Luft einsog, senkte er ein Knie, um sich irgendwie zu stabilisieren, bevor er seinen Blick auf Augenhöhe mit Shikamaru brachte, zerrissen zwischen dem instinktiven Drang, einfach alles zu fragen und dem logischen Drang, zu viel Fragenstellen zu vermeiden. „Sag mir, was ich wissen muss“, war alles, was er rausbrachte.    Shikamarus Augen schlossen sich krampfhaft mit etwas, das wie Erleichterung aussah, bevor sie wieder aufglitten. Also er anfing zu sprechen, war seine Stimme flach und neutral, als würde er einen Missionsbericht darlegen. „Ich bekomme mehr Flashbacks und inzwischen geht mir das Zeitgefühl verloren. Manchmal Minuten, manchmal Stunden. Ich vergesse, was ich getan und was ich gesagt habe.“ Er stieß ein schwaches, freudloses Lachen aus und stierte leer vor sich hin. „Ich kann mich an keine verdammte Sache vom Ende der Mission erinnern. Auch nicht an die Nachbesprechung oder an das, was zur Hölle mit Ino passiert ist und was ich deiner Meinung nach wieder richten soll.“   Fassungslos zog sich Neji zurück, als wäre er physisch geschubst worden. Blinzelnd drehte er verwirrt den Kopf zur Seite und seine Augen verengten sich, als versuchten sie, die Welt zurück in den Fokus zu bringen. „Aber du warst bei Bewusstsein. Du hast geantwortet und gesprochen, als wärst du dir allem um dich herum bewusst.“   „Das war ich nicht.“   „Aber wie hast du dann…?“ Für einen Moment brach Neji völlig verloren ab und breitete die Hände aus. „Sag mir etwas, das Sinn ergibt, Shikamaru.“   Viel verlangt. Vielleicht sogar grausam, wenn man all die Verwirrung und all den Schmerz bedachte, die noch vor wenigen Stunden in Shikamarus Augen gestanden hatten. Aber diese Emotionen waren jetzt weg und von dieser seltsamen Leere ersetzt, dieser logischen Akzeptanz.    Für eine lange Zeit antwortete Shikamaru nicht, sein Blick war in einem blinden Starren durch den Raum fixiert. „Vielleicht ist das der Preis für meine Abtrennung und Distanzierung“, murmelte er letztendlich mit zuckenden Lippen. „Ist nicht so, als hättest du mich nicht davor gewarnt, dass das vielleicht passieren wird. Wieder und wieder. Erinnerst du dich?“   Gut genug, um sich daran zu entsinnen, wie beharrlich Shikamaru in Bezug auf das Vergessen gewesen war. Und gut genug, um zu wissen, dass eine zornige Erwiderung aus ‚Ich hab’s dir ja gesagt‘ absolut überhaupt keinen Zweck erfüllen würde. Eher würde sich Neji mit diesem widerwärtigen Punkt selbst die Kehle aufschneiden, statt ihn in Shikamarus Herz zu rammen. Außerdem war er nur noch einen einzigen Befehl davon entfernt, ein Messer in den Rücken des Schattenninjas zu treiben.    Wenn ich das nicht bereits getan habe…   Selbst ohne Tsunos direkten Befehl, Shikamaru von der Mission abzuziehen; Neji hätte es trotzdem getan. Minderte das den Verrat oder stumpfte das das Messer ab?   Wahrscheinlich nicht.   Denn bei ihm war es auch nicht so gewesen, oder nicht? Damals, als ihre Rollen in Hanegakure vertauscht gewesen waren. Aufgrund von Befehlen handeln und die Dinge unpersönlich halten…das war immer leicht gesagt.    Energisch wandte Neji seinen Geist von diesem grauen Gebiet ab und konzentrierte seinen Verstand auf die Gegenwart. „Ich weiß es zu schätzen, dass du mit dieser Sache zu mir gekommen bist. Das war bestimmt nicht einfach.“   Seufzend nahm Shikamaru einen langen Zug an der Zigarette und begann, sich selbst zuzunicken, während sein Körper ruckartig vor und zurück wippte, als würde er einem inneren Dialog zustimmen. „Hat keinen Sinn, es zu leugnen. Für Operationen auf offenem Feld bin ich unpassend, aber ich kann es immer noch an den Seitenlinien aussitzen und vom Hauptquartier der Nagu aus arbeiten.“   So ruhig, so akzeptierend. Neji konnte das nur bewundern…oder darüber argwöhnen.    Angesichts seines Schweigens hob Shikamaru eine Braue. „Was? Hast du erwartet, dass ich mich in dieser Sache gegen dich stelle?“   Da er sich mehr als nur ein bisschen durchschaubar vorkam, hob Neji das Kinn und kittete alle Lecks in seiner Miene und Stimme. „Ich weiß nicht, was ich erwartet habe.“   Das stimmte nicht. Er hatte das Schlimmste erwartet. Er war auf Zorn gefasst gewesen, auf Verwirrung…   Auf dieselbe Furcht in deinen Augen, die ich vorhin gesehen habe…   Davon gab es jetzt keine erkennbaren Spuren mehr, nur unergründliche Schatten und der leichteste Hauch von Resignation, der an den Winkeln dieser dunklen, rasiermesserscharfen Augen zupfte. Von all den Dingen, die er von Shikamaru erwartet hatte, war diese direkte, durch und durch sachliche Diagnose nicht das, was er im Sinn gehabt hatte. Es schien beinahe schon zu einfach zu sein.    Nein. Nicht einfach.    Aber vielleicht simpel.    Dämlich Simpel.   Neji war dazu bereit gewesen, den Schattenninja in eine Art Chakra blockierende Niederlage zu zwingen. Aber wie es schien hatte Shikamaru die Bedingungen seiner Kapitulation selbst entworfen und akzeptiert, lange bevor sie überhaupt offen gelegt worden waren; Hände hoch, Karten auf den Tisch. Keine Spiele, keine Tricks, nur kalte, unverblümte Wahrheit.    Oder so scheint es zumindest…   Weiße Augen verjüngten sich misstrauisch an den Winkeln, als er das Gesicht des anderen Ninjas musterte und nach irgendwelchen Zeichen suchte, die er vielleicht übersehen hatte. Mit Shikamaru war das immer eine Möglichkeit…und manchmal auch Teil des Spiels.    Das hier ist kein Spiel.   Also warum fühlte er sich dann, als würde er gerade ausgespielt werden?   Angesichts der Inspektion hoben sich Shikamarus Brauen langsam. „Sorry, dass ich dich enttäusche, Hyūga. Aber der Kampfgeist ist mir gerade ausgegangen.“   Ein Muskel in Nejis Kiefer zuckte heftig, bevor jede Miene sein Gesicht verließ. „Ich denke nur an alles, Nara. Du bist ungewöhnlich gefasst, wenn man alles bedenkt, was du mir gerade gesagt hast.“   Eine lange Pause…dann zuckte Shikamaru mit einer Lässigkeit mit den Achseln, die Neji sowohl besorgniserregend als auch sonderbar fand. „Was zur Hölle bringt es denn schon, noch mehr auszurasten, als es sowieso schon der Fall ist? Es ist außerhalb meiner Kontrolle, Neji.“   Umso mehr Grund, frustriert zu sein, dachte sich Neji. Obwohl, Kontrolle war immer sein Dämon gewesen, nicht Shikamarus. Aber mit Sicherheit musste die Tatsache, dass der Nara vor dieser Situation nicht wegrennen konnte, alle Arten von Höllen in seinem Kopf losgerüttelt haben…aber ihn anzusehen half Neji nicht, das herauszufinden oder ihn zu lesen. Es war ebenso sehr zum aus der Haut fahren wie immer; zu versuchen, diesen Schatten im Dunkeln zu jagen.    Ich kann nicht ihm nachjagen und gleichzeitig die Mission abschließen…   Für eine Sekunde suchte er Shikamarus Gesicht ab und debattierte lange und hart mit sich, bevor er letztendlich das Wort ergriff. „Brauchst du es, dass ich deine Tenketsu blockiere?“   Shikamaru bedachte ihn mit einem verwirrten Blick. „Du fragst mich?“   „Ich schulde dir so viel“, sagte Neji einfach nur und bot keine weitere Erklärung an, auch nicht, als Shikamaru den Kopf schief legte und ihn fragend beäugte.    Frag mich nicht…denn ich kann dir nicht antworten…   Wie sollte man erklären, dass diese Wahl das Kostbarste war, was Neji zu bieten hatte, statt einfach die Kontrolle zu übernehmen? Ihm selbst war eine solche Wahl viel zu oft verwehrt worden, um Shikamaru jetzt diese kleine Gnade zu verweigern, dieses winzige Recht…und vielleicht glaubte Neji ganz ehrlich, irgendwo tief hinter diesen kalten Wänden und sich immer drehenden Zahnrädern, dass es die Lügen zwischen ihnen wieder gut machte.    Shikamarus Blick fiel hinunter auf die Mulde in Nejis Hals und der Atem verließ ihn in einem langsamen, rauchigen Strom. „Nein. Ich brauche es nicht, dass du meine Tenketsu blockierst. Halt mich raus aus dem Geschehen und ich werde keinen Grund haben, einen auf Kampf-oder-Flucht-Psychose zu machen.“   Angesichts dieser Frivolität hätte Neji beinahe die Stirn gerunzelt, doch er spürte, dass das alles Teil von Shikamarus Bewältigungsmechanismus war; das alles hinunterzuspielen, die drohende Finsternis seiner eigenen Furcht auf nichts weiter als ein Schattenspiel auf den Wänden seines Verstandes zu reduzieren.    „In diesen Gehegen haben dich deine Schatten gerettet“, sagte Neji leise. „Ob du die Kontrolle über sie hattest oder nicht.“   „Das weiß ich“, knurrte Shikamaru und klang dabei fast schon defensiv, bevor er seine Miene neu anordnete und ein selbstironisches Schmunzeln an seinem Mundwinkel zupfte. „Schau dir das an. Ich bin ein strategischer Überlebenskünstler, sogar wenn ich quasi ohnmächtig bin.“ Schnaubend hob er die Zigarette an die Lippen. „Denkst du, das bringt mir eine Beförderung ein?“   Neji schüttelte den Kopf. „Tu das nicht.“   „Ich muss das tun.“   „Nicht mit mir.“   Shikamarus Gesicht verkrampfte sich und sofort wünschte sich Neji, er könnte die Worte zurücknehmen, da er wusste, dass er wieder einmal diese Linie überschritten hatte, die er selbst immer wieder zwischen ihnen zog.    ‚Du killst mich mit dieser Heiß und Kalt Scheiße.‘   Neji zögerte. Er wusste, dass eine Entschuldigung ein Geständnis riskierte und ein Geständnis riskierte mehr als er Rechenschaft ablegen konnte; ganz besonders jetzt, mit dem Blut von Kindern und dem imminenten Verrat an einem Kameraden so frisch an seinen Händen.    Kamerad…ist es das, als was du ihn jetzt bezeichnest?   Wie lächerlich. Er fragte sich, wie viele Male er diese Lüge in die ANBU Wände seines Verstandes ritzen müsste, bevor er sie letztendlich glauben würde.    Schweigen zog sich zwischen ihnen lang.    Asche zitterte in einer schwelenden, grauen Linie am Ende von Shikamarus Zigarette, die abbrach und in einem staubenden Weiß auf seinen schwarzen Yukata hinab stürzte. Blicklos stierte der Schattenninja für eine lange Sekunde darauf, sein Atem tief in seiner Kehle verkeilt...in sich haltend, zurückhaltend.    Kami, aber das taten sie beiden.    Es war notwendig, um den nächsten Moment, den nächsten Zug zu überleben. Langsam einatmend lehnte sich Neji ein Stück nach vorn und legte seinen Unterarm über sein Knie. Er senkte den Kopf und versuchte, Shikamarus Blick mit seinem eigenen einzufangen. „Ich werde jemanden anweisen, bei dir zu bleiben.“   „Nicht Ino oder Chōji!“, erwiderte Shikamaru schlagartig, schnippte seinen Daumen gegen den Filter der Zigarette und klopfte dadurch die sich ansammelnde Asche fort. „Ist nicht so, als würde ich überhaupt einen Babysitter brauchen.“   Nicht wirklich die Worte, die Neji benutzt hätte, obwohl der Anflug von Verärgerung in Shikamarus Augen weit beruhigender war als die Leere seines vorherigen Stierens. „Diesmal frage ich dich nicht, Shikamaru.“   „Jo. Ist mir klar. Ist ja auch irgendwie der Sinn eines Präventivschlags, oder?“   Neji hob leicht das Kinn, sparte sich aber seinen Kommentar. Wenn Shikamaru das hier wie ein Spiel behandeln musste, dann würde Neji ihm sicher nicht das Brett entreißen. Bei allem, was der Hyūga wusste, war diese distanzierte und strategische Attitüde die einzige Sache, die Shikamaru stabil hielt, während er auf dem von Tretminen durchsetzten Gebiet seiner Vergangenheit festsaß.   Und in dem, was auch immer dir während dieser Zeit zugestoßen ist…   Schon wieder stiegen all die nicht gestellten Fragen in Neji auf; eine immer weiter wachsende Flutwelle, die niemals ihren Kamm zu erreichen schien…niemals brach…sich nur immer weiter aufbaute…aufbaute…aufbaute…   Genug.   Sich des Stirnrunzelns bewusst, das an seinen Brauen zupfte, rieb sich Neji mit einer Hand über sein Gesicht und strich mit den Fingern über den kalten, harten Stahl seines Hitai-ate; eine immerwährende Erinnerung an seine eigene Vergangenheit, seine eigene Gegenwart…seine eigenen Teile auf dem Spielbrett…   Mission. Mission. Mission.   „Bist du dir sicher, dass du es dir leisten kannst, noch einen weiteren Spieler zu verlieren“, fragte Shikamaru.   Diese Frage fiel wie eine Rettungsleine. Rasch klammerte sich Neji an sie, ließ die Hand von seinem Gesicht fallen und seine Schultern rollten mit einem steifen Knirschen von Muskeln. „Nein“, gestand er leise, stierte direkt neben Shikamarus wachsamen Blick, bevor er diesen dunklen Augen direkt begegnete. „Ich bin mir nicht sicher, dass ich mir das leisten kann. Aber das ist meine Entscheidung.“   „Setz stattdessen einen Nagu Wächter auf mich an. Scheiße, sperr mich einfach in die Kerker.“   „Nein. Ich vertraue niemandem sonst.“   „Schwachsinn“, schnappte Shikamaru. „Du vertraust mir nicht.“   Für einen langen, erstickenden Herzschlag hielten sich ihre Blicke. „Im Licht von allem, was du mir gerade erzählt hast, Shikamaru…würdest du es an meiner Stelle tun?“, konterte Neji sanft.    Sofort verschwand der Zorn aus Shikamarus Augen. Nicht einmal ein Funke davon blieb zurück. „Nein. Das würde ich nicht. Aber ich würde auch nicht die Mission deswegen gefährden.“   Neji hob eine Braue und die Kühle in seiner Stimme passte sich seinen Augen an. „Dann ist es ja gut, dass es nicht deine Entscheidung ist.“   „Spielst du schon wieder die Rang-Karte aus, huh?“   „Ich hab sie im Ärmel, Nara.“   Schmunzelnd blies Shikamaru einen dünnen Rauchstrom aus und drückte die Zigarette im Deckel einer lackierten Teedose aus. Mit einem langsamen Schwung seiner Finger drehte er den Kippenstummel gegen das hochglanzpolierte Holz. „Na schön. Also wen hast du beauftragt, Wachhund zu spielen?“   „Sai.“   „Sai.“ Shikamarus Brauen zuckten, während er auf den verdrehten Stumpen der Zigarette stierte. „Gute Wahl.“   Die einzige Wahl, wenn man alle Dinge in Betracht zog. Sai war unparteiisch, professionell und darauf getrimmt, das zu tun, was notwendig war, um eine Mission abzuschließen. Er operierte anhand eines ‚Alles, was man wissen muss‘-Prinzips. Keine gestellten Fragen. Keine Befehlsverweigerung. Das hatte er Neji bereits bewiesen. Keine Reue darüber, seine Mission auszuführen, keine Beschwerden darüber, sich die Hände schmutzig zu machen. Er würde tun, was auch immer Neji von ihm verlangte, wenn es darum ging, Shikamaru zu überwachen. Sai war im Endeffekt all das, was Neji sein musste…alles, was er werden musste.    Wie viel mehr Kraft?    Wie viel mehr Opfer?   Hier kniend, am Altar seiner größten Schwäche, waren das gefährliche Fragen. Er hätte um Stärke gebetet, für irgendein anderes Opfer, wenn er nicht geglaubt hätte, dass der Himmel höllisch versessen darauf war, seinen Pfad zur Freiheit so gnadenlos wie nur möglich zu machen.    Und schon wieder…immer, wenn er in meiner Nähe ist, will ich aufhören zu kämpfen…   Nichts könnte grausamer sein.    Angestrengt wehrte sich Neji gegen diesen Gedanken, schob sich auf die Füße und schritt hinüber zur anderen Seite des Raumes, während er sich zum Mantra aus Mission, Mission, Mission bewegte. Er holte sich einen schmalen Ordner aus einer Tansu Kiste und lief wieder zurück. Sein blutverkrustetes Haar floss über seine Schulter, als er sich nach unten beugte, um die Akte neben Shikamarus Schenkel zu legen.    „Die derzeitigen Missionsausarbeitungen für Phase Zwei“, erklärte Neji. „Ich werde sie heute Nacht noch ändern müssen, um zu berücksichtigen, dass du und Sai abgezogen wurdet. Ich könnte deine Meinung dazu gut brauchen, falls du dich dir Aufgabe gewachsen fühlst.“ Er wusste, dass er es eigentlich als einen Befehl hätte formulieren sollen, aber er dachte sich, dass ein Angebot den Weg leichter machen würde. Er hatte seinen Rang bereits ausgespielt und genug Kontrolle genommen.    Lass ihm die Wahl, wenn schon sonst nichts…   Außerdem bestand der einzige Weg, durch den er sicher über Shikamaru wachen konnte, darin, mit ihm zusammenzuarbeiten. Es wäre für sie beide von Vorteil. Das Beste war, ihn beschäftigt zu halten. Ihn geerdet zu halten.    Ihn in der Nähe zu halten.   Mit schief gelegtem Kopf hob Shikamaru den Ordner auf und rappelte sich in derselben Bewegung auf die Füße, um zu dem niedrigen Tisch hinüber zu trotten, während sein Daumen bereits in einem Flattern von Papier durch die Seiten blätterte. „Gutenachtgeschichte, huh? Ich kann eine Ablenkung gut brauchen.“ Er machte eine Pause und spähte zu Neji, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. „Und du könntest ein Bad brauchen, Hyūga.“   Neji brachte ein müdes Lächeln zustande und Staub und Blut verklebten an seinen Augenwinkeln. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar und wandte sich der Tür zu. „Mein nächstes Ziel, das versichere ich dir.“   ~❃~   Die Akte lag offen auf dem Tisch…zusammen mit all den anderen Muttern, Bolzen und Schrauben eines Verfahrens, das viel zu abgefuckt war, um zu funktionieren. Auf Anfrage von Koharu, hatte Ibiki genau das getan, wozu sie ihn aufgefordert hatte. Er hatte den Ältesten alles erzählt. Und indem er das getan hatte, hatte er das System der Lügen geradezu auseinander genommen und auf dem Tisch ausgebreitete…in Teilen, in Bruchstücken.    Die zerbrochenen Zahnräder; Genma, Inoichi, Danzō.    Die Schraubenschlüssel, die ins Getriebe geschmissen waren; Naoki, Mushi, Kakashi.    Und das Opfer, das von der Maschine durch die Mangel gedreht wurde; Shikamaru.    Es war alles da. Rostig, ruiniert und besudelt von Blut. Jede angeknackste Komponente, die darauf wartete, restauriert und wieder zusammengesetzt zu werden – angenommen natürlich, dass sich dieses System der Lügen nicht vollkommen jenseits jeder Reparatur befand. Während er die schweigenden Ratsmitglieder musterte, hingen mehr als einfach nur Zweifel und Verwirrung von den Scharnieren in seinem Verstand; es fehlte ihm an der völligen Überzeugung, dieses System überhaupt wieder richten zu können – und der Sandaime war auch nicht mehr da, um ihn daran zu erinnern, warum er es überhaupt tun sollte.    Sogar den Ältesten schienen die Worte zu fehlen.    Homura nippte an einem Becher heißen Sakes und litt, so wie es aussah, an hirnbetäubenden Kopfschmerzen. Seine faltige Stirn war nach unten geneigt und von seiner Hand beschattet. Ein Mann im Griff von Unentschlossenheit.    Koharu auf der anderen Seite blieb zu ihrer Ehre ihrem Titel treu, den Ibiki immer mit ihr in Verbindung gebracht hatte; die Eiserne Jungfrau. Nicht ein einziger Kratzer in ihrer Rüstung. Sie saß steif und unnachgiebig auf ihrem Stuhl, weigerte sich, sich zu ergeben, weigerte sich, zurückzuweichen. Eine bewundernswerte Frau, aber nicht weniger eine Mittäterin in dieser Katastrophe, in diesem nie endenden Verbrechen gegen das Gewissen.    Scheiße, Ibiki war nicht hier, um zu urteilen.   Ehrlich gesagt war er nicht weniger schuldig. Er würde das blutrünstig wieder richten, wenn es das war, was sie ihm befehlen würden. Aber er konnte es nicht blind wieder richten – und sie wussten das, denn ansonsten hätten sie ihm bereits seine Befehle gegeben. Offensichtlich hatte er sie mit der Bombe, die er abgeworfen hatte, völlig geschockt. Aber was auch immer ihre Gedanken, was auch immer ihre Gründe dafür waren, ihn so lange im Dunkeln zu lassen, jetzt war es höchste Zeit, in diesem langen und schweren Hinhalten ein Ultimatum zu stellen.    „Keine Lügen mehr“, sagte Ibiki und senkte seine Stimme dabei um mehrere Dezibel. „Sollte ich auch nur die leiseste Chance haben, dieses abgefuckte Chaos ins Lot zu bringen, dann wisst ihr, dass ich sie ergreifen werde. Aber ich muss alles wissen.“ Er lehnte sich schwer auf dieses Wort, sowohl psychisch, als auch physisch, indem er sich in seinem Stuhl nach vorn beugte. „Keine Zweideutigkeiten und keine Verlogenheiten mehr. Wenn ihr von mir erwartet, ein System aus Lügen zu fabrizieren und es am Laufen zu halten, dann muss ich die ganze Wahrheit wissen. Alles davon.“ Hier spähte er zu Homura. „Keine Ausnahmen. Oder ihr seid auf euch allein gestellt.“   Homura errötete leicht bei der Andeutung, dass er leichter anfällig für Drohungen oder Einschüchterungen war, doch er verteidigte sich nicht und attackierte auch nicht. Er spähte einfach nur zu Koharu und senkte seine Hand von seiner finster zusammengezogenen Stirn. „Das ist nicht, was Hiruzen wollte.“   Scharf hob Koharu mit zu Schlitzen verengten Augen den Blick. „Nein. Aber genauso wenig war es das“, erwiderte sie und ruckte mit dem Kinn in Richtung von Nara Shikamarus Akte. „Irgendwas davon. Alles davon.“   Sie stierten sich an wie zwei alte Schlachtrösser, die einen verherrlichten Wagen persönlichen Glaubens und politischer Agenda zogen, angepeitscht von Pflicht und getrieben von ihren eigenen Überzeugungen. Hiruzen hatte es immer geschafft, sie im Zaum zu halten, aber hatten sie erstmal ihren Verstand auf denselben Kurs konzentriert, waren sie ebenso schwer zu händeln wie Danzō.    Ich habe keine Zeit, auf ihre Entscheidung zu warten.   Ibiki sah zwischen den beiden hin und her, die Daumen hart über seinen gefalteten Fingern zusammengepresst. Der dumpfe Schmerz in seinen Gelenken brannte kalt. Langsam atmete er durch die Nase ein. „Uns rennt die Zeit davon, Ratsmitglieder.“   Überraschenderweise war es Homura, der das Wort ergriff. „Wo sollen wir überhaupt anfangen, Ibiki?“   Und da war sie wieder; diese dämliche Redewendung, die in Ibikis Hirn aufblitzte: Das wichtigste zuerst. Und es waren hunderte Dinge, die seinen Verstand fluteten und um Präzedenz fochten. Ja, das war vielleicht eine Frage. Wo zur Hölle sollte man anfangen?   „Shuken.“ Ibiki spie den Namen aus und spürte, wie er sich hinter seinen Zähnen verfing. „Bevor ihr mir irgendwas erzählt, erklärt mir das: Für zwei ganze Jahre seit Shikamarus Vorfall habt ihr mich glauben lassen, dass Shuken und sein Shinjū Projekt endlich eliminiert waren. War das eine Lüge?“   Koharu begegnete seinem Blick direkt und mit weit mehr Eiern als jeder Mann, den Ibiki jemals gekannt hatte, bevor sie antwortete: „Ja. Es war eine Lüge.“   Keine Entschuldigung. Nur Überzeugung. Dieselbe Art, die Ibiki vor dreiundzwanzig Jahren in ihren Augen hatte brennen sehen, als die Ältesten Shikaku, Inoichi und Chōza genau dieselbe Lüge aufgetischt hatten. Natürlich war Shuken tot. Natürlich war das Projekt eliminiert. Die schwärzeste Falschheit in den Leben der Nara und dennoch hatten das Konzil und der Sandaime es als reine, weiße Lüge betrachtet; gemessen an der Finsternis, die entfesselt worden wäre, wenn die Ino-Shika-Cho Trinität jemals die Wahrheit erfahren hätte. Nämlich, dass Shuken und seine Einrichtung immer noch operierten…und das aus Gründen, die so entsetzlich politisch waren, dass es auf die schlimmste Weise zum Gespött gemacht hatte, wie unfassbar persönlich das alles gewesen war…wie verheerend…   Und dennoch…   „Du verstehst es“, sagte Koharu und vervollständigte seine Gedanken mit verstörender Genauigkeit. „Du verstehst, warum wir dich diese Lüge haben glauben lassen. Warum es entscheidend war, dass auch Genma und Shikamaru diese Lüge geglaubt haben. Du verstehst es, Ibiki. Das tust du immer.“   Und was sagt das über mich?   Warum stellte er diese Frage überhaupt? Er hatte doch schon vor Jahren aufgehört, diese Fragen zu stellen.    Ja, weil ich es verstehe.   Für einen Moment schloss Ibiki die Augen. Ja. Er verstand. Die Lügen, die Täuschung, die schmutzige Politik, die involviert war. Genau das war der Grund, warum man ihn ins Vertrauen gezogen hatte; seine Fähigkeit, innerhalb des Systems unparteiisch, rational und immer funktionstüchtig zu bleiben, ohne von den Mechanismen zerstört zu werden.    „Ja“, sagte er letztendlich. „Ich verstehe es.“   Koharu nickte langsam und dann machte sie sich daran, sie in eine andere Richtung zu lenken, indem sie sich räusperte. „Wie viel konnte Inoichi aus Genma rauskriegen?“   „Nichts von Substanz, soweit ich das sagen kann“, erwiderte Ibiki, während er mit solcher Geschwindigkeit und Leichtigkeit zurück in die Professionalität seiner Rolle schlüpfte, dass es für jeden Beobachter beängstigend gewesen wäre – für jeden, der nicht Teil des Konzils war. Das war, worauf sie bei ihm vertrauten. Das war, was er am besten konnte. „Die psychoaktive Droge, die ich Genma verabreicht habe, haben ein luzides Lesen des Verstandes durch Inoichi verhindert.“   „Wie lange wird die Wirkung der Droge anhalten?“, fragte Homura.   „Bei dem chemischen Cocktail, von dem Genma gelebt hat?“ Ibiki tippte seine Daumen aneinander und blies die Lippen auf. „Wer weiß das schon.“   „Denkst du, dass Genma irgendetwas zu Kakashi sagen wird?“   Ibiki grübelte darüber nach. „Ich kann nicht über seinen Geisteszustand spekulieren oder darüber, was er vielleicht sagen wird.“   „Wie kannst du dir dann so sicher sein, dass er nichts zu Inoichi hat durchsickern lassen?“, drängte Koharu. „Kannst du dir gewiss sein, dass Inoichi nicht mehr weiß, als er zugibt?“   „Auf keinen Fall weiß er mehr“, erwiderte Ibiki mit absoluter Gewissheit. „Wenn das der Fall wäre, dann hätten wir eine weit explosivere Reaktion miterlebt, als die, die wir eindämmen konnten. Inoichi weiß nichts über Shikamaru. Er war nur angepisst, dass er seine zweite Spur verloren hat, was mich zu seiner ersten bringt.“   Während er sich auf seinem Platz nach hinten lehnte, griff Ibiki in seinen Mantel und zog die Akte hervor, die er auch schon bei Genma in dem Verhörraum benutzt hatte. Er klatschte sie auf den Tisch und ein Polaroid Porträt rutschte heraus, um über den Tisch zu wirbeln.    Von dem Foto sah Yamanaka Naoki zu ihnen auf.    Ibiki hielt seine eigenen Informationen zu Naoki zurück und täuschte vollständige Ignoranz vor, als er mit einem Finger auf das Bild tippte. „Wer zur Hölle ist Yamanaka Naoki und wie ist er in Shikamarus Vorfall involviert? Oder sollte ich ihn lieber Tenka nennen?“   Koharu versteifte sich marginal und streckte eine Hand aus, um sie auf eine Ecke des Fotos zu legen und es mit dem Daumen gerade zu richten. Sie holte tief Luft. „Yamanaka Naoki, Deckname Tenka. Er ist eine tragische Geschichte…umso mehr, wenn man erfährt, dass er immer noch am Leben ist.“   „Das ist keine Antwort“, sagte Ibiki und scherte sich nicht einmal darum, seine Verärgerung zu verbergen. „Ich habe gefragt, wie er in diese Sache involviert ist. Ist er KERN? Ist er ANBU? Inoichi sagt mir, er ist KERN und dennoch weigert sich Tenka, mit dem Ursprung zu kooperieren und die Informationen preiszugeben, von denen Danzō behauptet, sie würden ihm gehören. Warum um alles in der Welt sollte er so etwas tun?“   Koharu holte erneut Luft und sah auf, um Ibikis Blick direkt zu begegnen. „Weil ihn nicht Danzō in Kusagakure eingesetzt hat, Ibiki. Es war Hiruzen.“   Das warf die Welt aus der Bahn. Fassungslos sackte Ibiki auf seinem Platz nach hinten. „Was?“   Hier übernahm Homura und stellte die Ellbogen auf den Tisch, um sich aufzustützen, als würde er mit einer schweren Last kämpfen, wobei er mit jeder Faser wie seine zweiundsiebzig Jahre aussah. „Nach dem Vorfall mit Nara Shikaku hat Danzō uns dazu gedrängt, ANBU Agenten in Kusagakure und der benachbarten Provinz zu platzieren, wo das Shinjū Projekt angesiedelt war. Er hat Hiruzen überzeugt, dass es wichtig wäre, einen politischen Fuß in die Tür von Kusagakures Eingeweiden zu bekommen, um Shukens Forschungen zu infiltrieren und zu überwachen.“   Koharu nickte feierlich. „Es war eine hoch riskante Operation; tiefe Undercoverarbeit, lebenslanges Engagement. Hiruzen wusste, dass völlig egal, was er entscheiden würde, Danzō so oder so einen Agenten dort platzieren würde. Der einzige Weg, die Kontrolle dieser Angelegenheit übernehmen zu können, war, einen Präventionsschlag einzuleiten.“   „Präventionsschlag?“, echote Ibiki, während seine Augen zu dem Foto wanderten. „Tenka?“   Nickend tippte Koharu mit den Fingerspitzen auf das Bild von Yamanaka Naoki. „Hiruzen hat ihm die Gelegenheit geboten, undercover in Kusa zu arbeiten und er hat sie ergriffen.“   Einfach so? Ibiki legte den Kopf schief, musterte das Foto und fragte sich, was einen Mann dazu trieb, so rasch alle Bande zu durchtrennen; zu Familie, zu Freunden…   Zu Genma.   Scheiße. Genma.    Mein Gott.    Ibikis Gedanken trafen gegen eine Leitplanke und krachten eine mentale Treppe hinunter. Ein verspäteter Fall. Und ein langsames Zurückklettern an die Spitze, als sich alles, was er bereits erfahren hatte, versammelte; seine Unterhaltung mit Inoichi, seine Unterhaltung mit Genma im Verhörzimmer.    ‚Es war absolut unmöglich zu wissen, dass Shuken den Zwischenfall mit Shikaku überlebt hat.‘   ‚Das ist Bullshit, Ibiki. Es war ein KERN Agent in dieser Einrichtung. Er war da über Jahre im Undercovereinsatz.‘   ‚Das sagst du.‘   ‚Er war da.‘   ‚Dann bitte, beschreib ihn mir.‘   Aber das hatte Genma nicht. Konnte nicht.    ‚Du kannst mir ja nichtmal einen Namen geben. Kein Deckname. Keine Maske. Und ANBU hat nichtmal irgendwann einen Körper geborgen.‘   Und jetzt verstand Ibiki endlich, warum. Scheiße. Man hatte niemals einen Körper geborgen, weil trotz allem, was Genma geglaubt und berichtet hatte - dieser KERN Agent Tenka war an diesem Tag nicht gestorben.    Aber Genma hat wirklich geglaubt, dass das der Fall war…genau, wie er es schon vor all den vielen Jahren geglaubt hatte, als Naoki angeblich im Alter von neunzehn im Einsatz umgekommen war…   Gott, jetzt machte es alles so viel Sinn. Warum Genma so ins Trudeln geraten war, nachdem er Shikamaru da rausgeholt hatte. Warum er sich den Drogen zugewandt hatte, dem Alkohol, der Zerstörung...   Naoki wiederzusehen…nachdem er geglaubt hatte, er wäre seit all diesen Jahren tot…   Was für ein Hirnfick. Sein Team und seinen Geliebten im Alter von neunzehn zu verlieren…durch die Hölle zu gehen, um das hinter sich lassen zu können…sich endlich zu erholen, sich endlich ein Leben aufzubauen…nur, damit es dann alles um ihn herum zusammenbrach, als er Naoki zehn Jahre später lebendig und undercover in Kusagakure vorgefunden hatte.    Ja…und das nur, um ihn direkt wieder zu verlieren…   Bei allen Göttern, was musste das mit Genma gemacht haben? Und was noch besorgniserregender war als das – was zur Hölle würde es jetzt mit ihm machen zu erfahren, dass Naoki immer noch lebte? Dass trotz der überwältigenden Unwahrscheinlichkeiten, er schon wieder den Tod betrogen hatte. Er hatte überlebt…und endlich war er nach Hause gekommen.   „Ibiki?“, drängte Koharu und ließ seinen Gedankengang dadurch entgleisen. „Was ist los?“   Rasch blinzelnd rieb sich Ibiki über die Narbe an seiner Lippe und seine Brauen zogen sich schwach zusammen, als er darüber debattierte, ob er seine Erkenntnisse teilen sollte oder nicht. Er hatte absolut niemandem seine Informationen über Genmas persönliche Verbindung zu Naoki preisgegeben. Und auch, wenn er sich ziemlich sicher war, dass Inoichi irgendetwas in diese Richtung wusste, konnte er nicht davon ausgehen, dass das bei den Ältesten auch der Fall war.    Und es ihnen zu erzählen? Was für einen Zweck würde das jetzt im Moment schon erfüllen?   Überhaupt keinen. Zumindest noch nicht. Sollte er Genmas Verhalten vor ihnen verteidigen müssen, dann würde er es in Betracht ziehen. Aber jetzt im Moment, ging das niemanden etwas an. Mit akribischer Sorgfalt faltete er diese Information in seinem Verstand zusammen und steckte sie weg. „Also Naokis Tod mit neunzehn?“, fragte er. „Dieser IEG Status war ein Trick?“ Koharus Brauen hoben sich. „Woher weißt du davon?“   Ibiki schmunzelte grimmig, hielt es aber nicht für angebracht, jetzt von seinen kleinen Hintergrundrecherchen in Genmas Privatleben zu berichten. „War das Teil eures Plans, um Naoki dazu zu bringen, sich für KERN zu melden? Ihn dazu zu bringen, seinen Tod vorzugaukeln? Danzō hat nichts geahnt?“   Amüsiert schnaubte Homura. „Geahnt? Überhaupt nicht. Danzō hat ihn rekrutiert.“ Angesichts von Ibikis skeptischem Blick, erklärte der Älteste: „Tenka war ein Yamanaka und Nara Ausnahmetalent. Er wurde bereits in einem sehr jungen Alter ANBU Kommandant, hatte eine vorbildliche Erfolgsbilanz vorzuweisen und zeigte die emotionale und mentale Dissonanz, die Danzō bei seinen Rekruten so zu schätzen weiß.“   „Emotionale und mentale Dissonanz?“, echote Ibiki flach und eine Braue hob sich bei dieser delikat formulierten Phrase. „Willst du damit sagen, er war labil?“   „Versehrt“, sagte Koharu, als sie ihre Hand von dem Foto löste. „Aus Gründen, die wir hier nicht diskutieren werden. Es reicht zu sagen, dass seine Vergangenheit zerbrochen war. Das ist genau das, wonach Danzō Ausschau hält. Tenka wusste das. Er darauf gespielt, hat es zu seinem Vorteil genutzt. Er war sehr engagiert, was Hiruzens Bitte anging und ging in die Extreme, um sicherzustellen, dass er rekrutiert wurde.“   Ibiki spähte zwischen den Ältesten hin und her und schloss den Kreis: „Wie zum Beispiel, seinen eigenen Tod zu inszenieren? War das wirklich nötig?“   Nickend schürzte Homura die Lippen und griff nach seinem Sake. „Ja. Er hat alle seine Bande zerschnitten, sowohl persönlich als auch professionell. Tatsächlich wurde er zu einem Geist. Perfekt für den Ursprung. Ein frischer Bauer für Danzō zu manipulieren.“   Ja, leck mich doch…   Wortlos schüttelte Ibiki den Kopf, als er das zu verarbeiten versuchte. Dieser Kerl musste ein paar ernsthafte Angelegenheiten mit diesen beiden Clans haben, um einfach alles für sie zu opfern…Genma eingeschlossen. Nach den Beweisen zu urteilen, die Ibiki in Genmas Wohnung gefunden hatte, hatten er und Naoki eine tiefgehende Beziehung geführt. Das war nicht einfach nur eine Fickfreund-Dynamik. Es war die Art von Bindung, die die ernsthafte Frage aufwarf, ob sie weiterhin Shinobi bleiben wollten oder nicht, mit ihrem Herz ununterbrochen unter einer Klinge.   Koharus Stimme zerrte ihn zurück. „Yamanaka Naoki löschte alles aus, was er gewesen war, um zu werden, was er sein musste. Um Tenka zu werden“, murmelte sie, sah von dem Bild auf und ihr Mund verzog sich zu einem traurigen Lächeln, als sie Ibikis straff gezogene Miene sah. „Es ist nicht das erste Mal, dass ein Agent so etwas getan hat, Ibiki. Aber massive Opfer tendieren dazu, Vertrauen in der Unterwelt zu schaffen. Und Danzō hat den Köder geschluckt.“   „Köder, Schnur und Bleigewicht, wie es klingt“, wisperte Ibiki und ein seltenes Empfinden von Respekt driftete dabei durch ihn. Jeder, der es schaffte, Danzō hinters Licht zu führen, verdiente sich einen Ehrenstempel des Beifalls in Ibikis Verstand. Und trotzdem waren da immer noch zu viele Fragezeichen, die um diesen Anwärter herum schwebten. „Also war Naoki-“   „Tenka“, korrigierte Homura. „Der Naoki, von dem du sprichst, ist vor langer Zeit gestorben.“   Ibiki glaubte ihm das nicht, aber er spielte mit. „Tenka“, räumte Ibiki leise ein. „Er war also ein Doppelagent? Ein ANBU der als KERN Agent arbeitete?“    „Das ist korrekt.“ Koharu schob das Bild zu Ibiki zurück. „Er hat sich Danzō gegenüber niemals verantwortet. Er war immer loyal dem Sandaime gegenüber. Uns gegenüber. Den Yamanaka und Nara gegenüber.“   Stirnrunzelnd hob Ibiki das Foto mit zwei steifen Fingern auf. „Und er wurde einfach zum Verrotten zurückgelassen, sobald die ganze Scheiße den Bach runter ging?“   Stirnrunzelnd setzte Homura bei diesem anklagenden Tonfall seinen Sake beiseite, bevor er Ibiki mit einem strengen Blick bedachte. „Du musst verstehen, Ibiki. Wir haben wirklich geglaubt, dass Tenka vor zwei Jahren gestorben ist, als er Genma dabei geholfen hat, Shikamaru aus Kusagakure rauszuholen. Dass er überlebt hat, ist für uns ebenso sehr ein Schock, wie es für Danzō sein muss.“   „Was uns zu der derzeitig dringendsten Angelegenheit bringt“, sagte Koharu. „Was auch immer Tenka für Informationen hat; es darf auf keinen Fall zugelassen werden, dass diese Informationen in Danzōs oder Inoichis Hände fallen. Wenn sie von Shikamaru erfahren…“ Sie brach ab. Ibiki konnte sich diese Katastrophe auch vorstellen, ohne dass sie sie illustrierte.    Ein Desaster sintflutartigen Ausmaßes.    Seufzend legte Ibiki Naokis Foto ab. „Also was schlagt ihr vor, sollen wir tun, Ratsmitglieder?“   Koharu und Homura tauschten Blicke aus. Ibiki entging das nicht, aber er sprach sie nicht darauf an. Sie waren viel zu ungeschützt, um ihn zu hintergehen.    Und Koharu hatte genug Vernunft, seine Intelligenz nicht zu beleidigen. „Wir werden darauf zurückkommen. Aber sag mir zuerst, wo stehen wir in Bezug auf Mushi?“   „Er wird bei F&V festgehalten“, antwortete Ibiki und schickte direkt eine eigene Frage hinterher. „Wusstet ihr, dass er Nara Shikamaru wegen PTBS und dissoziativer Störung behandelt hat?“   Beide Ältesten schüttelten den Kopf. Aufmerksam las Ibiki ihre Gesichter und fand keine Lügen. Keine verstohlenen oder ausgetauschten Blicke, um anzudeuten, dass sie die erbärmlichen Geschichten des jeweils anderen bestätigten. Wäre dafür sowieso etwas zu spät gewesen. Trotzdem spähte Ibiki mit offensichtlichem Argwohn zwischen ihnen hin und her.    Koharu zog die Brauen zusammen. „Ibiki, wenn wir von diesem Bericht gewusst hätten, dann hätten wir niemals zugelassen, dass Shikamaru noch einmal dorthin geschickt wird. Vorher hätten wir auf eine gründlichere, psychologische Untersuchung bestanden.“   „Ihr hättet in der Sekunde darauf bestehen sollen, als Genma ihn vor zwei Jahren zurück gebracht hat“, knurrte Ibiki und machte sich keine Mühe, seinen Zorn im Zaum zu halten. „Nach dem, was Shikaku zugestoßen ist, gab es Gründe und Berechtigung dafür.“   „Vielleicht“, gab Koharu zu, aber es lag keine Entschuldigung in ihren Augen. „Aber wir konnten nicht riskieren, dass Tsunade-sama etwas darüber herausfindet. Außerdem, nach dem, was Genma uns damals erzählt hat, hat Tenka den letzten Rest seines Chakras genutzt, um Shikamarus Erinnerungen auf dieselbe Weise zu versiegeln, wie es Inoichi bei Shikaku getan hat.“   „Wie man es von einem Yamanaka Ausnahmetalent erwartet“, sagte Homura. „Tenka hat die Ereignisse im Verstand des Jungen neu angeordnet und verändert und alle dissoziativen Teile versiegelt. Alle Alter Egos wurden weggesperrt.“   „Alles in einem letzten Versuch, einer letzten Anstrengung“, erwiderte Ibiki kopfschüttelnd. „Inoichi hat bei Shikaku monatelang gearbeitet, um seine frakturierte Psyche zu integrieren. Und ihr erzählt mir, dass Tenka was hatte? Minuten? Und noch dazu kaum noch Chakra? Unmöglich, unter den Umständen alles zu versiegeln. Er muss gewusst haben, dass es ein Risiko geben würde, dass sich Shikamaru wieder erinnert.“   „Das hat Genma auch gesagt“, gab Koharu zu. „Aber Shikamaru schien stabil genug zu sein, um anzunehmen, dass die Erinnerungsversiegelungstechnik funktioniert hat.“   Mit finsterer Miene rieb sich Ibiki erneut über den Mund, um nicht frustriert aufzuseufzen. „Ganz offensichtlich war es nicht so erfolgreich, wie ihr gehofft habt, wenn man bedenkt, dass er Mushi direkt unter eurer Nase aufgesucht hat.“   „Und nochmal, wenn wir davon gewusst hätte, dann wären wir die Dinge anders angegangen“, beharrte Homura. „Genma wurde eingesetzt, um Mushi genau aus diesem speziellen Grund zu überwachen. Um uns zu alarmieren, sollte er jemals herausfinden, dass Shikamaru behandelt wird.“   „Genma ist an dieser Sache nicht Schuld“, grollte Ibiki mit kaltem Zorn, der schon verdammt nah an Beschützerinstinkt lag. Töricht. Sofort brachte er sich wieder unter Kontrolle und amputierte diese Emotion, bevor sie streuen konnte. „Mushi hat inoffiziell gearbeitet. Genma hat absolut alles abgedeckt, was es abzudecken gab. Er hat einen gottverdammten Kriegsraum in seiner Wohnung. Er hat diese Praxis Tag und Nacht überwacht.“   Kopfschüttelnd breitete Homura die Hände aus. „Das ist alles gut und schön, Ibiki, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass das hier das erste Mal ist, dass wir von Shikamarus Behandlung hören. Für die letzten zwei Jahre erschien er perfekt stabil.“   „Stabil genug, um es allein mit einem Akatsuki Mitglied aufzunehmen und mit Asumas Tod fertig zu werden“, fügte Koharu hinzu, um Homuras Argument noch mehr Gewicht zu verleihen. „Wir hatten keinerlei Grund, irgendetwas Negatives über seinen Geisteszustand anzunehmen. Jeder Shinobi dieses Dorfes leidet an irgendeiner Form der psychologischen Vernarbung. Für die letzten beiden Jahre schien Shikamaru mit seinen Narben sehr gut leben zu können.“   „Und wir haben keinen Grund gesehen, an diesen Narben zu zupfen“, argumentierte Homura. „Dasselbe gilt für Shikaku. Es war schon immer eine Frage der Eindämmung, nicht der Genesung. Von solchen Dingen gibt es keine Genesung.“   Ein fairer Punkt, auch wenn er Ibiki sauer aufstieß. Während er auf die Akte stierte, rollte er auf seinem Platz mit den Schultern und stützte seine Ellbogen gegen die Armlehnen. „Also was sind eure Anweisungen was Mushi angeht?“   „Er bleibt festgesetzt“, befahl Homura und spähte für Bestätigung zu Koharu. „Ich schlage vor, dass wir Mushi verhören und alles herausfinden, was es über Nara Shikamarus Zustand zu wissen gibt, bevor wir in Betracht ziehen, unseren jungen Schattenninja von seiner derzeitigen Mission zurück zu holen.“   „Dem stimme ich zu“, sagte Koharu und faltete spekulierend ihre Finger. „Ibiki. Haben wir immer noch unsere ANBU Agenten, die alle Angelegenheiten in Kusa überwachen?“   Ibiki neigte den Kopf. „Tsuno steht auf Abruf. Morgen ist ein Statusbericht fällig. Ihr müsst nur ein Wort sagen, dann lasse ich ihn und Shirataka eine sofortige Extraktion veranlassen.“   „Noch nicht“, lehnte Homura ab. „Lass uns erst die Dringlichkeit einschätzen. Momentan hat die Eindämmung auf unserer Seite höchste Priorität. Die erste Aufgabe ist Genma. Ich schlage vor, dass du unsere persönlichen ANBU Agenten anheuerst, um dir bei der Fahndung zu helfen.“   Alle Mann an Deck, dachte Ibiki trocken und fragte sich, ob das Schiff nicht bereits abgelegt hatte und auf Grund gelaufen war. Obwohl es eine ganze Ecke sicherer war, die private ANBU Truppe der Ältesten anzuwerben, statt irgendwelche anderen Agenten. Die Einheit der Ratsmitglieder war nicht durch Eid daran gebunden, die Details ihrer Missionen an die Hokage weiterzugeben. Sie mussten nur den Ältesten Rede und Antwort stehen. Eine sehr kleine Einheit, aber eine loyale.    „Und was ist mit Kakashi?“, fragte Ibiki. „Wenn ich ihm meine Deckgeschichte über Genma auftische, brauche ich eure Bestätigung.“   „Und die hast du“, versicherte Homura ihm. „Hast du schon etwas im Sinn?“   „Ist alles schon erledigt“, erwiderte Ibiki und sah den massiven Ordner vor sich, der in seinem Büro lag. Ein schwacher Trost, zu wissen, dass er bereits einen höllischen Fall gegen Shiranui Genma aufgebaut hatte. „Ich habe vollständige Berichte über Rauschmittel, die von Blutbildern gestützt werden, zusammen mit Zerstörung von Eigentum, Tatzeugen, plus Mushis psychologische Evaluation…“ Langsam verstummte er und zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen, dass der Rest gegeben war und die Aufzählung nicht wert war. „Es ist ein wasserdichter Fall gegen Genmas geistige Gesundheit. Ich werde hieb- und stichfeste Gründe haben, ihn festzusetzen…dazu kommt noch, dass sein Rang als Goei Shōtai in dieser Sache gegen ihn arbeitet.“   „Ein Goei Shōtai, der so nah am Abgrund lebt“, seufzte Koharu, als sie für einen Moment durch den Raum spähte. „Shikamarus Risiko der Labilität kann ich verstehen. Aber Genma?“ Kopfschüttelnd verengten sich ihre Augen, als könnte sie dadurch dieses Mysterium in den Fokus bringen. „Dass er nach dem Vorfall mit Shuken derart labil werden würde, macht keinen Sinn. Wie bei dir, Ibiki, ist er einer der kampferporbtesten von allen Jōnin…dass er wegen etwas auseinander fällt, das für ihn so unpersönlich ist…“   Es kostete Ibiki einen großen Teil seiner Seele, nicht auf das zu reagieren.    Unpersönlich für ihn? Ihr ignoranten Bastarde.   Ibiki schluckte die Worte hinunter, verkrampfte den Kiefer und nahm seine Zunge an die Kandare. Es war weder seine Aufgabe, noch hatte er das Recht, sie damit zu behelligen. So wie es aussah, hatten sie wirklich keine Ahnung davon, dass Naoki und Genma Partner oder Liebhaber gewesen waren. Als Jugendliche hatten sie es sehr gut geheim gehalten. Vor ihren Clans. Vor ANBU. Vor KERN.   Vor der Welt.   Was auch genau das war, was es sie gekostet hatte…eine ganze Welt voller Schmerz, eine ganze Welt voller Verlust.   Steif rollte Ibiki mit den Schultern, spürte rostige Bolzen, die in seiner Brust rasselten, das entfernte Knirschen und Ächzen eines Organs, das er schon vor Jahren lahmgelegt hatte. Scheiß drauf. Er musste das nicht fühlen. Das war nicht, wie er operierte.    „Jetzt zurück zu unserem letzten Problem der Eindämmung“, lenkte Homura um, sah erneut zu Koharu und runzelte die Stirn. „Tenka.“   Ibiki sah zwischen den beiden hin und her. „Nach dem zu urteilen, was Inoichi mir über das Kinjutsu erzählt hat, das Tenka genutzt hat, um seinen eigenen Verstand herunter zu fahren, wird er auf keinen Fall mehr aus diesem Koma erwachen. Shikamarus Geheimnis ist in seinem Verstand eingeschlossen.“   „Das wird Danzō nicht davon abhalten, seine Versuche fortzuführen, an diese Informationen zu kommen.“   „Das kann er nicht“, argumentierte Ibiki, da er es gar nicht mochte, wie Homura und Koharu bedeutungsschwere Blicke und unausgesprochene Worte austauschten. „Wenn Danzō auch nur den Hauch einer Chance hätte, an diese Informationen zu gelangen, dann hätte er Inoichi niemals hinzugezogen. Er ist verzweifelt.“   „Das ist Inoichi inzwischen auch“, konterte Koharu. „Er hat Grund, noch beharrlicher zu sein als Danzō. Er wird keine Ruhe geben, bis er die Wahrheit erfährt. Er war sogar bereit dazu, Genma zur Strecke zu bringen, um sie zu bekommen.“   Ein exzellenter Punkt, aber völlig irrelevant, was Tenka anging. Ibiki parierte mit kalter, harter Logik. „Die Situation mit Genma haben wir bereits besprochen. Jetzt reden wir über Tenka. Da sein Verstand völlig außer Kraft gesetzt ist, stellt er keine Bedrohung dar.“   Auf der anderen Seite des Tisches stieß Homura einen angestrengten Atem aus und nahm seine Brille ab, um die Linsen mit dem Ärmel zu reinigen. „Das weißt du nicht mit Sicherheit, Ibiki. Wir haben keine Ahnung von den Umständen seiner Flucht, oder ob Shuken ihm irgendetwas angetan hat.“   „Oh und wie Shuken ihm etwas angetan hat“, sagte Ibiki und seine Lippe kräuselte sich angewidert dabei. „Nach dem, was Inoichi mir erzählt hat, ist es ein Wunder, dass er überlebt hat.“   „Ich glaube nicht an Wunder, Ibiki“, blaffte Koharu. „Hier gibt es viel zu viele Variablen.“   Etwas baute sich hinter diesen Worten auf; Ibiki konnte spüren, wie es Sekunde für Sekunde und Stein um Stein wuchs. Sie wollten ihn mit dem Rücken zur Wand, aber er wich aus, ließ seinen finsteren Blick von einem zum anderen wandern. „Tenka war luzide genug, um zu wissen, dass er seinen Verstand lahmlegen musste, um den Nara und seine Agenda als Doppelagent zu schützen. Ihr habt es selbst gesagt, er war Hiruzen, seinen Clans und auch euch gegenüber loyal. Das wird das dritte und letzte Mal gewesen sein, dass er sein Leben wegwirft, um diesen Eid zu wahren und dieses Versprechen zu schützen.“   „Nicht das letzte Mal“, sagte Homura leise und beinahe reuig.    Bei diesen Worten beschleunigte sich Ibikis Puls. „Was redest du da?“   Stirnrunzelnd setzte Homura seine Brille wieder auf und spähte zu Koharu, seine Miene vollkommen blank gewischt. Sein Gesicht war leer und entschieden. „Ich sage, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, wie das ausgehen kann, Ibiki. Idealerweise würden wir Tenka aus KERN entfernen.“   Ibiki starrte Homura an, als hätte der gerade einen schlechten Witz gerissen.    Niemand lachte.    Mit unbewegter Miene studierte Ibiki die Akte und musste feststellen, dass sie mit mehr politischen Explosiven verkabelt war, als er effektiv entschärfen konnte. Einen Gefangenen aus der Unterwelt des Ursprungs zu entfernen war ja schon schwierig genug…aber zu versuchen, einen Agenten zu entfernen, der als offizielles Eigentum von KERN angesehen wurde, war quasi unmöglich.    Bisher war das erst ein einziges Mal gelungen.   Mit Yamato.   Aber das hatte trotzdem das Interferieren des Hokage gebraucht. Und es hatte beinahe zu einem offenen Krieg zwischen ANBU und KERN geführt.   Und sie erwarten von mir, das abzuziehen, ohne die Godaime oder ANBU einzuschalten…?   Scheiße. Sie verlangten das Unmögliche von ihm, wenn sie erwarteten, dass er dafür eine Lösung fand. Als wäre es so simpel. So geradlinig.    Die Zeit tickte weiter, Sekunde für Sekunde…   Die Ratsmitglieder blieben stumm, warteten auf seine Antwort.    Ibiki bedachte sie mit einem äußerst flachen Reptilienstarren, das er normalerweise über einen Verhörtisch hinweg auf Täter richtete, während seine Miene unergründlich blieb. „Angenommen, die Extraktion scheitert?“, fragte er, da er alle Optionen, alle Ergebnisse kennen wollte. „Was dann?“   Es dauerte lange, bis sie antworteten. Keiner wollte aussprechen, was Ibiki bereits wusste, was sie sagen würden. Letztendlich war es Koharu, die das Wort ergriff, als ihr Blick von einem Bodhisattva Gemälde zurück glitt, das an einer Wand hing.    Ein Bild der Gnade, doch es lag nichts von dieser Gnade in ihren Augen. „Sollte Tenka nicht von dort entfernt werden können, dann muss er eliminiert werden.“   _________________ Hey meine Lieben :)   Oh Mann, so lange habe ich wirklich NOCH NIE für ein Update gebraucht und es tut mir wahnsinnig leid, dass Animexx auf meiner Prioritätenliste so weit abgerutscht ist...ich weiß auch gar nicht, ob diese Geschichte hier überhaupt noch irgendwer liest ^^ Aber für alle, die noch da sind, die Geschichte geht weiter und wie immer würde ich mich sehr über ein paar Meinungen freuen.  Ganz liebe Grüße,  Scatach Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)