Under these Scars von _Scatach_ (Teil Vier der BtB Serie) ================================================================================ Kapitel 34: Victims of tragedy ------------------------------ BANG!   Shikamarus Augen schnellten auf und sein Körper kehrte nur Sekunden, bevor sein Verstand aufholen konnte, ruckartig zu Bewusstsein zurück. Das Erste, was ihn erfasste – abgesehen von einem übermäßigem Steifheitsgefühl seiner Glieder – war die Kälte. Eis gegen seine Wangen, Eis gegen seine Brust, gegen seinen ganzen verdammten Körper, der, wie er feststellte, verkrampft auf den kühlen, weißen Fliesen der Duschkabine lag.    Was zum?   Keuchend stieß er einen zerfetzten, zähneklappernden Atem aus und stemmte sich mühsam vom Boden fort, wobei er vor dem Tap, Tap, Tap eisiger Tropfen zurückschreckte, die aus dem Duschkopf sickerten. Verwirrt hob er den Blick und seine Eingeweide verdrehten sich ekelerregend.    Bin ich…in der Dusche eingeschlafen?   Wie zur Hölle hatte er das denn fertig gebracht? Zitternd wie ein Lähmungsopfer taumelte er in einem Beben ungeschickter Glieder aus der Kabine. Er war steif vor Kälte und alles schmerzte. So schnell er konnte packte er ein Handtuch, das auf einer Stange hing und schlang es sich um die Hüfte, während sein Herz wild hämmerte, als er nach etwas zum Anziehen suchte und sich das Haar aus den Augen strich. Ein entsetzliches Gefühl der Verletzlichkeit rasselte viel stärker als die Kälte durch ihn und auch stärker als das Zittern. Er drehte einen hilflosen Halbkreis und seine Augen trafen auf den Spiegel, das Glas an den Rändern benebelt, bevor die Kondensation einem deutlichen, schimmernden Fleck aus Reflexion wich.    Er blickte in das Gesicht, das ihn anstarrte und suchte die weiten, dunklen Augen ab…   Sah Flammen, die hinter dem Glas aufloderten…das Gesicht eines sommersprossigen Kindes…ihre großen, haselnussbraunen Seen glasig vor Tränen…vor Wahnsinn…der Mund bewegte sich…formte Worte…   „Mir nicht…“, wisperte Shikamaru, doch seine Stimme geriet heftig ins Stocken. Er streckte eine Hand nach der Reflexion aus und sah, wie sich das Mädchen zurück und fort lehnte, sich in das Feuer neigte…in die Flammen…   „Shikamaru?“ Die erhobene Stimme jenseits der Tür jagte ihm einen höllischen Schrecken ein.    Bei dem lauten Bang des begleitenden Klopfens machte Shikamaru einen Satz und wirbelte in Panik und mit weiten und stierenden Augen herum, wobei sein unterer Rücken gegen das Waschbecken stieß und eine Gänsehaut auf seiner Haut explodierte.   Bang, Bang, Bang hämmerten die Knöchel an die Tür.   Bang, Bang, Bang hämmerte das Klopfen in seinem Verstand; lauter und mit mehr Dringlichkeit.   Shikamaru versteinerte, starrte blind in die Richtung der Badezimmertür, bewegte sich nicht, atmete nicht und sein Fokus richtete sich eine Sekunde nach der anderen immer weiter nach innen.    Habe ich dieses Mädchen gesehen? Habe ich es geträumt? Habe ich -?   „Shikamaru?“, rief Neji erneut und ließ seine Stimme noch etwas lauter werden. „Mach die Tür auf.“   Der Hauch von Sorge und Alarmiertheit in diesen tiefen Tönen zerrte Shikamaru zurück und sein gesamter Körper neigte sich nach vorn und fort von der Kante, fort von der Panik. Herum nestelnd, um das Handtuch um seine Hüften festzuknoten, schob er sich gleichzeitig das Haar aus dem Gesicht und näherte sich der Tür, während sich das Zittern zu einem kaum erkennbaren Beben abmilderte.    Beruhig dich…beruhig dich…   Ja, klar. Er war nur ein nervöses Zucken davon entfernt, verfickt nochmal vollkommen auszuticken.    Er holte tief Luft, drehte das Schloss und zog die Tür einen Spalt breit auf. Ein Strahl aus Badezimmerlicht floss über seine Schulter und tauchte Nejis Gesicht in ein warmes Glühen. Doch es lag überhaupt nichts Warmes in dem Ausdruck in diesen kühlen, weißen Augen; nichts Weiches oder willkommen Heißendes in diesem blassen, ausgelaugten Gesicht.    Neji sah ausgezehrt aus, erschöpft und seine diamantharten Kanten waren rau und roh, als wären sie abgewetzt.    Blut bedeckte noch immer sein Haar, seine Kleider, seine Haut. Er hatte nicht geduscht, hatte nicht geschlafen. Staub und Schmutz hatten sich in den Winkeln seiner eingesunkenen Augen festgesetzt und drückten allzu deutlich die Müdigkeit aus, die vielleicht hindurch geschlüpft wäre, wenn er doch nur seine Porzellanmaske der Kontrolle abnehmen würde.    Der Drang, nach ihm zu greifen, war so unfassbar stark, dass sich Shikamaru sofort instinktiv nach vorn lehnte. „Neji…“   Scharf zog sich Neji zurück und sein Körper versteifte sich in einem Kräuseln. Ein Spasmus aus kummervoller Qual schien sein Gesicht zu erfassen, aber innerhalb eines Herzschlages war es fort. „Du bist seit zwei Stunden da drin“, schnappte der Hyūga mit abgehackter und angespannter Stimme. „Was zur Hölle hast du gemacht? Ein Schläfchen?“   Shikamaru starrte ihn an, während Wasser aus seiner Haarlinie und über seine Schläfe tröpfelte. Ein ersticktes Lachen verfing sich in seiner Kehle und verkeilte sich wie ein solider Ball aus Eis, was es ihm schwer machte, zu schlucken, ebenso, wie zu sprechen. Gott, er musste sprechen. Musste reden. Musste –    „Ich habe keine Zeit hierfür, Nara“, sagte Neji erschöpft in der Sekunde, als Shikamaru Luft holte. Seine Mondsteinaugen riegelten sich in einer Mondfinsternis der Emotionen ab und ließen nichts zurück außer Irritation und absolute Müdigkeit, während sich ein gefährlicher Sturm in seiner Stimme zusammenbraute. „Shino und ich gehen jetzt zu Nogusa, um Phase Zwei zu besprechen. Er muss über unsere Missionsziele informiert werden, besonders, was die Nagu angeht.“   Eine fremde Zunge hätte vermutlich mehr Sinn gemacht als das.    Phase Zwei?   Nichts. Nicht einmal eine vage Idee erschien in seinem Geist.    Völlig überrumpelt von dem massiven Loch in seinem Hirn, starrte Shikamaru Neji mit immer weiter werdenden Augen an und der Ball aus Eis glitt tiefer von seiner Kehle bis in seine Brust. „Neji…“, krächzte er, unfähig, die Worte ‚Wovon zur Hölle redest du?‘ zu formen, da sich alles in ihm panisch verkrampfte.    Ich sollte das wissen…er schaut mich an, als sollte ich das wissen…   Hilflos schüttelte er den Kopf und sog einen Atem ein.    Nejis Augen zogen sich zu ungeduldigen Halbmondschlitzen zusammen. „Wenn du irgendwas zu sagen hast, dann schlage ich vor, dass du es dir für Ino aufhebst. Ich werde keine Spaltung innerhalb der Gruppe zulassen und ich schlage vor, dass du das wieder richtest, bevor ich zurück bin. Wir müssen reden.“   Von all diesen Worten, wurden nur acht registriert.    Ich schlage vor, dass du das wieder richtest.   Diese Worte trafen tief. Aus Gründen, die nichts mit dem zu tun hatten, wovon Neji sprach – worüber sich Shikamaru, wie er feststellen musste, immer noch nicht klarer war. Vollkommen verloren verdrehte sich Shikamarus Gesicht perplex. Er öffnete den Mund, um zu antworten.    Doch Neji neigte seinen Kopf und hob warnend eine schlanke, blasse Hand; sein Kiefer so angespannt, dass sich die Sehnen in seinem Hals straff zogen wie Drahtseile, die kurz davor waren, zu reißen. „Richte es einfach wieder.“   WAS denn richten?   Selbst wenn Shikamaru die Stimme gefunden hätte, um zu sprechen; Neji hatte nicht vor, ihm zuzuhören. Der Hyūga machte auf dem Absatz kehrt und lief den Weg zurück, den er gekommen war. Seine langen, aufgewühlten Schritte trugen in über jede Vernunft und jede Reichweite hinweg und ließen Shikamaru schwankend zurück…schwankend…   Verzweifelt versuchte er, nach vorn zu treten, versuchte, seine Stimme zu heben: „Nej-“   Die Welt neigte sich heftig unter seinen Füßen und sein Hirn rollte in Finsternis hinein und wieder hinaus. Halb geblendet fing sich Shikamaru mit der Schulter am Türpfosten ab und presste die Lieder gegen den Schmerz zusammen, der durch seinen Schädel zu donnern begann wie eine gottverdammte Faust gegen seine Schläfen.    Aufhören…   Es hörte nicht auf. Und dieser eisige Ball in seiner Brust sackte noch weiter ab bis in seine Magengegend…genau wie der Boden beinahe unter seinen Füßen absackte. Taumelnd klatschte er eine Hand gegen die Tür, schloss sie halb kollabierend mit seinem Gewicht und presste seine Stirn gegen das Holz, während sein Handballen gegen die Fliesen donnerte auf der Suche nach einem Halt, den er nicht fand.    Bang, Bang, Bang ertönte seine Handfläche gegen die Wand.    Bang, Bang, Bang ertönte das Klopfen in seinem Verstand.    „Klopf-klopf. Wer ist da…?“   Mit der Handfläche gegen die kühlen Fliesen gestemmt erstarrte er und eine Augen öffneten sich langsam angesichts der spöttischen Stimme in seinem Kopf. Er kannte diese Stimme. Diese Stimme, die ihn diesen dunklen Korridor seines Verstandes entlang lockte.    Bang, Bang, Bang.   Seine Hand rutschte von der Wand und sein Körper neigte sich weg von der Badezimmertür, selbst als er mental nach diesem Türknauf in seinem Geist griff, ihn langsam drehte, die Tür zurück zog…   „Klopf-klopf“, sagte die Stimme.   Er wusste bereits, wer dort war, was dort war…und warum es gewartet hatte.   ~❃~   Die Masken in Genmas Verstand waren weiß und ohne Gesichter – nur die purpurnen ANBU Tierschnitzereien. Sie hingen an beschädigten Wänden, drehten und drehten sich an beschädigten Zahnrädern. Schaden. Schaden. Schaden.    So viel Schaden, dachte Inoichi, während seine Augen die Masken scannten und die Wände absuchten.    Risse breiteten sich in roten Brüchen über den Beton aus – symbolisch, signifikant – und Mörtel zerbröckelte wie Asche, lockerte die Steine der geistigen Gesundheit, die Grundfesten des Denkens. Das Unterbewusstsein sprach in Symbolen, genau wie bei Träumen – und hier war er und versuchte, die Bedeutung dieser Masken zu interpretieren, während er gleichzeitig nach Erinnerungen suchte.    Zeig mir deine Erinnerungen, Genma…   Inoichi berührte die Wände, zog seine Hand zurück und schüttelte sich das Blut von den Fingern.    Die Tropfen trafen wie Säure auf die Wand, begannen zu brennen und fraßen Löcher durch die Abtrennungen, die eine Erinnerung und eine Imagination von der anderen abriegelten. Zu viele Symbole, nicht genug Zeichen. Fluchend versuchte Inoichi, etwas stabilen Untergrund und eine Richtung zu finden, nur um vollkommen den Halt zu verlieren.    Er stolperte mit dem Kopf voran durch Flammen und Rauch.    Schreien.    Plötzlich und ohrenbetäubend.    Genmas wildes, gequältes Heulen füllte all die Leeren zwischen Raum und Zeit – welche Zeit? Welcher Raum? Es gab keine Konsistenz von Gedanken. Keine Vision, die auch nur den leisesten Hauch von Sinn machte. Die Masken verschwanden und Inoichi sah perplex zu, wie gigantische, fuchsienfarbene Pillen um die Zahnräder innerhalb von Zahnrädern herum rollten wie Bälle in einem riesigen Pachinkoautomaten.    Was zur Hölle ist das? Das ist wie der Verstand eines Mannes, der einen psychotischen Zusammenbruch erleidet.   Außer natürlich, diese gigantischen Pillen, die in Genmas psychedelischen Phantasien herum rollten, waren tatsächlich mit seinem derzeitigen Zustand in der Realität verbunden – die Ursache seines scheinbaren Wahnsinns und seiner mentalen Labilität. Götter, wenn man daran dachte, dass einer der Goei Shōtai unter dem Einfluss von Drogen operierte. ANBU? Ja. Er hatte solche Fälle bereits zuvor gesehen.    Aber Goei Shōtai?   So entsetzlich dieser Gedanke auch war, es verlieh Inoichi einen ernstzunehmenden Einfluss auf den jungen Tokujō. Er könnte Genma mit einem solchen Wissen ohne irgendein Problem seines Ranges entheben – also, sollte Genma nicht kooperieren.    Das Problem ist…wie lange werde ich warten müssen, bis sich sein Verstand stabilisiert?   Und was noch wichtiger war – wie lange würde es dauern, bis die Hokage oder Raidō bemerkten, dass er fehlte?    Die Pillen rollten fort und der Boden unter seinen Füßen kräuselte sich wie Wasser.    Was zur Hölle?   Inoichi schrak überrascht zusammen, als eine gigantische Wasserspinne auf zarten, langen Beinen vorbei krabbelte und anfing, ein Netz zu spinnen; dünne, hauchfeine Fäden schimmerten silbrig und verwoben sich in einem Muster, das Buchstaben zu bilden und Worte zu formen begann, die mit den leisen, kratzigen Tönen einer Frau über Genmas Geist wisperten.    „Ich sehe das Nichts in dir.“   Inoichi runzelte die Stirn. Diese Stimme kannte er nicht und er versuchte, sich dem Netz zu nähern, nur um festzustellen, dass er darin gefangen war. Es lähmte seine Bewegungen. Energisch mühte er sich ab, seinen Verstand aus dieser Illusion zu lösen, nur um zu bemerken, dass er sich von Angesicht zu Angesicht mit einer heimsuchenden, geisterhaften Frau mit den atemberaubenden, blassen, silberblauen Augen eines arktischen Wolfes befand.    Sie schmunzelte ein langsames Lächeln, doch es lag eine tiefe Traurigkeit in der Gerissenheit.    Und dann waren ihr Gesicht und das Spinnennetz fort.    Nichts überall umher.    Bis dieses Nichts anschwoll und brach.    Fragmente von Bewusstsein wirbelten hinein in die Schwärze und wieder hinaus, Sternenschauer von Erinnerungen, die zu Staub explodierten, als Inoichi versuchte, sie zu berühren. Ein Funkenregen und Senbons schossen blindlings in gesichtslose Gestalten; Schatten, die sich bewegten wie Silhouetten im Feuer. Feuer. So viel Feuer.    „Genma!“, rief Inoichi, während er versuchte, nach einem Faden der geistigen Gesundheit im Verstand des Tokujōs zu greifen. „Du weißt, was Tenka zugestoßen ist. Naoki. Du warst bei ihm, als er…“ Hier brach Inoichi ab und musste die Worte an der Enge in seiner Kehle vorbei pressen. „Als er unter deinen Händen verblutet ist. Sag mir, was ihm zugestoßen ist. Was dir zugestoßen ist. Zeig mir, was passiert ist!“   Das Feuer milderte sich zu einem Schwelen, bevor es in einer plötzlichen Explosion aus Licht und Hitze nach außen schoss und in einem kalt brennenden Wirbel über Inoichi hinweg brüllte. Er schnellte herum, stellte fest, dass er in einem langen, dunklen Tunnel stand, der dämmrig von roten Notfalllichtern erhellt war.    Das ist es. Gott, das ist der Ort.    Der Ort, an dem er gewesen war, als er sich in Naokis Kopf aufgehalten hatte. Vage erinnerte er sich an das Gefühl eines Tunnels und einer Explosion, bevor Naoki Inoichi aus seinem Kopf katapultiert hatte…und nichts zurückgelassen hatte außer das Echo dieser letzten Worte…   „Du weißt, wie das läuft. Wir können uns nicht alle aus dem Staub machen.“   „Bitte mich nicht darum, das zu tun…“   „Was tun?“, murmelte Inoichi, als er mit einer Hand die dicke Tunnelwand berührte. „Worum hat er dich gebeten, Genma?“   Das Feuer kam erneut, nur langsamer diesmal und in einem flackernden Kriechen entlang der Wände. Zungen aus gelborangenen Flammen, die ihre Farbe und Textur änderten, nahmen das kalte, blaue Glühen von Chakra an, kletterten aufwärts, schimmerten in Regenbogenwellen wie Öl auf Wasser und gerannen dann zu einer lebendigen Ansammlung.    Inoichi stierte auf das Portal aus Farben und versuchte, die Bedeutung davon zu verstehen. „Genma“, sagte er erneut. „Was ist das?“   Eine gigantische Schriftrolle kam aus dem Portal und entrollte sich wie eine Luftschlange. Rasch sprang Inoichi einen Schritt nach hinten und seine Füße trafen spritzend auf Blut, knirschten auf Knochen. Das Blut besprenkelte das Pergament, sog sich in das Papier und begann, in einer roten Schrift, die sich in Schwarz verwandelte, über die Seite zu fließen…es rann wie Tinte…um drei Dinge in rascher Folge aufzuzeichnen…   Als Erstes, ein Fluchmal. Das, das Danzō auf die Zungen seiner KERN Agenten brannte…   Zweitens, das scharfe, kratzige Symbol von Kusagakure mit seinen drei Grasdornen…   Und als Letztes, das vertikale Kritzeln von Genmas altem ANBU Decknamen; Kaika.    Was zur Hölle ist das?   Zögernd fasste Inoichi das Pergament an. Bei seiner Berührung schrumpfte es und glitt in einem Fetzen aus Papier in seine Hand. Er blinzelte verwirrt, hob den Blick und sah, wie derselbe Papierfetzen vor seinen Augen hing; mit einer Klinge in eine Holzplatte genagelt.    „Es ist ein Menschenleben her, Genma.“   Naokis Stimme; älter, rauer, nur ein Schatten der Stimme, an die er sich erinnerte.    Inoichi drehte sich scharf, blieb ruckartig stehen und sein Herz hämmerte schmerzhaft hinter seinen Rippen. Naoki stand nur ein paar wenige Schritte entfernt, die Hände ausgestreckt und seine Daumen berührten sich beinahe in einem Gedankenübertragungssiegel. Er trug die Uniform von KERN und das Konoha Stirnband, seine violetten Augen so kalt und hart wie polierter Amethyst…leblos und ohne Gefühl, abgesehen von dem leichtesten Riss von Emotion…die schwächsten Linien brachen an seinen Augenwinkeln aus, als Genma seinen Namen krächzte.    „Naoki…“   So leise, dass es kaum ein Wispern war – bis es zu einem Schrei zersplitterte; einem Klang, der dieses winzige Erinnerungsfragment auseinander rüttelte und Spreißel der Qual stechend durch Inoichis Hirn schleuderte, als er sich rasch von den Tunnelwänden zurückzog, die in Genmas Kopf einstürzten.    Schreien. Dunkelheit. Blendendes Licht.    Zurückkatapultiert in seinen Körper, taumelte Inoichi seitwärts und schluckte einen schweren, bebenden Atem. Ein brutaler Spasmus packte seine Eingeweide und beinahe würgte er, als sich sein leerer Magen vor unverdauter Gefühle und unangenehmer Verwirrung drehte. Dieses seltsame Portal, dieser Papierfetzen und die Symbole, die darauf gekritzelt waren – KERN, Kusagakure, Kaika.   Kusa…Kusagakure…   War das der Ort, an dem Naoki gewesen war? Es machte Sinn, wenn man die Nähe zwischen Kusagakure und der alten Einrichtung bedachte, wo Shuken seine abscheulichen Forschungen durchgeführt hatte. Aber auch, wenn es Inoichi vielleicht einen Ort gab, so schaffte es das trotzdem nicht, die Fragen zu beantworten, die in seinem Kopf brannten, seit er das letzte Mal in Naokis Erinnerungen eingetaucht war; warum war Naoki auf dem Boden verblutet? Warum hatte er sich Genma überhaupt offenbart, wenn er doch undercover war? Und wer zur Hölle war der Junge, den Genma retten sollte?   Scheiße…   Energisch rieb sich Inoichi über den Knoten in seiner Stirn und sank auf den Stuhl, der neben Genmas Bahre stand. Der Shiranui war straff darauf festgeschnallt und seine Augen rollten wild unter flatternden Lider. Venen trat an seinem Unterarm und Bizeps hervor und die Sehnen in seinem Hals zuckten, als sich sein Kiefer verkrampfte und wieder lockerte, die Zähne in einer Grimasse qualvollen Schmerzes gebleckt.    Was tue ich hier?   Inoichi schluckte schwer und packte seine Schenkel, während er seine Augen von diesem Anblick fort zwang. Schuldgefühle kratzten unter der steinharten Sturheit seiner Entschlossenheit wie ein Dämon, der sich seinen Weg vom Zentrum seines Herzens aufwärts fraß.    Gott. Was tue ich hier?   Was auch immer notwendig war, um Antworten zu bekommen. Rational betrachtet, machte das Sinn. Aber Rationalität beherrschte nicht die Domäne seines Kopfes oder seines Herzens.    Kopf.    Herz.    Inoichi hatte ein ganzes Leben damit verbracht, diese beiden Dinge voneinander getrennt zu halten. Aber die Grenzen verwischten…wie seine Sicht. In dem Bemühen, die Tränen in Schach zu halten, presste er die Lider aufeinander, spürte aber, wie sie in heißen Strömen über seine Wangen brannten. Zornig wischte er sie fort, stieß sich auf die Füße und schritt die Länge des kleinen Raumes auf und ab, während seine Atmung rau und angestrengt wurde.    Es gibt andere Wege, das zu tun…bessere Wege…   Kami wusste, dass er die Grenzen seiner eigenen Moral ausreizte und die Grenzen seines Ranges bis zum Bruchpunkt beugte. Das hier war in keiner Weise professionell. Es war vollkommen und fraglos persönlich.    Wodurch es falsch ist…   Unwiderlegbar falsch. Was Danzō anging, hatte er keine Wahl. Es war seine einzige Möglichkeit, Zugang zu Naoki zu haben.    Aber das hier?   Diese Grausamkeit? Diese vollkommene Verletzung des Protokolls? Diese völlige Missachtung der Bedürfnisse von irgendjemand anderem, außer sich selbst.   Ist das die Art Mensch, die ich bin?   Wenn es um Familie ging – ja. Jedes Mal. Immerhin hatte er es vor dreiundzwanzig Jahren getan – ein willentlicher Teilnehmer in dem, was Ibiki das Netzwerk aus Lügen nannte. Welche Regeln würde er nicht brechen, um diese Geheimnisse begraben zu halten? Um dafür zu sorgen, dass Shikaku sicher war.    Und jetzt, was würde er nicht tun, um Naoki zu beschützen?    Nichts. Es gibt nichts, das ich nicht tun würde.    Sicherer, als zu glauben, dass es nichts gab, was er tun könnte. Nein. Diese Vergeblichkeit, diese Hilflosigkeit, war schlicht und einfach zu entsetzlich, um sie begreifen zu können. Er brauchte Antworten; Antworten, die in Genmas Wahnsinn eingeschlossen waren, in den Erinnerungen eingeschlossen waren, die er nicht erreichen konnte.    ‚Halte dich verfickt nochmal fern von ihm, Inoichi!‘   Inoichi blieb stehen, als diese Worte durch seinen Schädel hallten. Naokis Worte. Naokis Warnung. Was für Emotionen. Was für eine Verzweiflung. Es ließ Inoichi sich fragen, wie weit Naoki wohl gegangen wäre, um Genma zu beschützen, wenn er dazu in der Lage wäre…wenn er wach wäre…   Wenn er wüsste, was ich gerade tue…   Inoichi blickte zurück zu der keuchenden Gestalt, die sich auf dem Bett wand. Die Fesseln hatten Genmas Haut bereits wund gerieben. Er hatte seine Kleidung und die Laken durchgeschwitzt, geplagt von Spasmen und Krämpfen – gurgelnde Schreie und winselndes Flehen fielen von seinen aufgeplatzten Lippen…zusammen mit Naokis Namen.    Gott.   Krampfhaft drückte Inoichi seine Fäuste gegen seine Schläfen, wich vor dem Bett zurück, vor dem Beweis seines eigenen Wahnsinns, seines eigenen Verlustes von Objektivität und Kontrolle.    Was tue ich hier…was tue ich hier…   Hass und Kummer, Reue und Selbstabscheu gesellten sich zu dem beschissenen Fest aus Emotionen, die in ihm wirbelten und trieben Galle seine Kehle hinauf. Sein Verstand kämpfte darum, das Gift zu neutralisieren und machte Sinn aus diesen Entscheidungen, die nicht länger Entscheidungen waren – nur eine brachiale Kettenreaktion in seinem Inneren.    „Du wusstest es“, knurrte Inoichi Genma an, seine Stimme schwer und bebend mit dieser Wahrheit – mit dieser Anschuldigung. „Du wusstest, dass er gelebt hat…und du weißt, was ihm zugestoßen ist…“   Fürwahr. Genma wusste es und dennoch hatte er nichts gesagt, nichts berichtet. Inoichi hatte das überprüft. Keine Berichte, keine Papierspuren. Überhaupt nichts. Nicht einmal eine Fußnote eines Missionsberichts. Er hatte geschwiegen, hatte den Mund gehalten – und all diese Jahre hatte Inoichi geglaubt, Naoki wäre tot.    Vielleicht hat Genma das auch geglaubt, sagte die Stimme der Vernunft. Tritt einen Schritt zurück und denk nach. Naoki sagte, dass es ein Menschenleben her wäre. Er hat ihn auch gebeten, etwas zu tun…vielleicht, seinen Mund zu halten?    Ist mir egal, sagte die Stimme der Emotion. Ich werde ihn auseinander reißen, bis ich die Antworten finde. Ich vertraue ihm nicht. Nicht für eine Sekunde. Nicht für einen Augenblick, weil…   Weil…?   Inoichis Hirn krachte auf eine Mauer, einen soliden Fels aus Emotion. Und unter dem Hammer einer plötzlichen Erkenntnis bekam er Risse; zerschmetterte all die Ausreden, all die Agenden, all die halbgaren Lügen und ließ nichts zurück außer die Wahrheit. Die simple, ehrliche Wahrheit: nämlich, dass er Genma bestrafen wollte. Ihn auf dieselbe Weise bestrafen wollte, wie er sich selbst bestrafen wollte, weil…   Es ist meine Schuld…es ist meine Schuld…   Und da war sie. Die Vergangenheit. Sie flackerte an den Rändern von Inoichis Geist. Fragmente einer zerborstenen Zeit…reflektierten einen verängstigten, geschädigten, verlassenen kleinen Jungen, die Violettaugen jeder Hoffnung beraubt, seine Zukunft düster befleckt durch einen Vater, von dem sich Inoichi strikt geweigert hatte, das Monster in ihm zu sehen, das er war; und das trotz aller Warnungen von Shikaku.    Yamanaka Yacho.   Inoichis Cousin. Ein Monster, das sich in direktem Sichtfeld verbarg – nicht, dass es irgendjemand geahnt hatte, abgesehen von Shikaku. Und dann war da Naokis Mutter gewesen; eine distanzierte Verwandte des Nara Oberhaupts. Die fliederäugige Nara Kanako. Lieblich und sanft wie eine Ricke und dennoch so schwach wie ein Kitz. Zu geblendet von ihren eigenen Schatten der Verleugnung, um etwas zuzugeben, das Inoichi niemals vorhergesehen hatte…dass dieses ‚wie füreinander geschaffene‘ Nara und Yamanaka Paar für die Hölle vorbestimmt gewesen war. Und das Opfer dieser Tragödie? Ein violettäugiger Junge mit dem Blut beider Clans in seinen Venen…und dann, acht Jahre später, mit dem Blut beider Eltern an seinen Händen.    Fauliges Ei…verdorbenes Kind…verkommen geboren…falsch geboren…   Gerüchte, Lügen, Halbwahrheiten und ungerechtfertigte Urteile. Gerade einmal acht Jahre alt, hatten sowohl die Nara, als auch die Yamanaka Naoki – des Vatermordes für schuldig befunden – verstoßen. Ein Mord, der überhaupt keinen Sinn gemacht hatte, bis Shikaku die Wahrheit über Yamanaka Yacho aufgedeckt hatte, indem er diesen Mann aus den Schatten und ins grässliche Licht gezerrt hatte – ein Kinderschänder, ein Jäger, ein Monster.    Kanako konnte mit dieser Schande nicht leben.    Sie hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten.    Naoki hatte sie gefunden – und dann hatte Shikaku Naoki gefunden, über und über bedeckt mit dem Blut seiner Mutter, während er ihren leblosen Körper gewiegt hatte. Shikaku hatte sofort gewusst, was die Clans sagen würden, was sie glauben würden, was sie vermuten würden.    Fauliges Ei…verdorbenes Kind…verkommen geboren…falsch geboren…   Shikaku hatte das Chaos aufgeräumt, einen unter Schock stehenden und katatonischen Naoki in Sayuris und Inoichis Arme gebracht. Und in dem Versuch, Naoki zu beschützen, hatte Inoichi die Erinnerungen des Jungen gelöscht; vollkommen versessen darauf, zu retten, was von diesem gebrochenen Kind noch zu retten war.    Nur habe ich dich nie gerettet…oder? Du hast mich überflügelt. Hast all deine Erinnerungen wiederhergestellt.    Nicht ein einziges Mal hatte er das vermutet. Hatte nie vermutet, dass dieser Junge, sein Ziehsohn und meisterhafter Schüler, seine eigenen Talente übertroffen hatte und all die Erinnerungen zurück gebracht hatte, die eigentlich in den Schatten hätten begraben bleiben sollen. Bei Shikaku hatte es funktioniert. Es hätte auch bei Naoki funktionieren sollen. Um die Wahrheit zu sagen, fand es Inoichi mehr als erstaunlich, dass diese Technik überhaupt umgekehrt werden konnte; so hatte er das Jutsu nicht entwickelt.    Naoki hat es sich selbst beigebracht…   War das das Nara Genie, das in seinen Venen floss? Oder war die Verzweiflung zu wissen stärker gewesen als sein Verlangen danach, zu vergessen? Was für eine Art Trauma mochte das wohl als Folge ausgelöst haben? Und wer war da gewesen, um ihm dort hindurch zu helfen?    Nicht Sayuri. Nicht Shikaku. Nicht ich.   Inoichi sah zu Genma und Tränen brannten in seinen Augen.    Es warst du…nicht wahr? Du warst der Grund, aus dem er überlebt hat…du kanntest ihn…du kanntest ihn besser, als ich es jemals getan habe…   Und schlimmer als das…   Du hast ihn mehr und besser geliebt, als ich es jemals konnte…   Die Qual dieses Gedankens war wie ein Wesen in ihm. Ein Greuel in seiner Seele. Er konnte es nicht ertragen. Konnte kaum die Scham, die Schuld, die Reue ertragen…es erstickte die Luft in seinen Lungen, ein Herzrasen in seiner Kehle, das immer weiter zunahm, zu einem Brüllen in seinen Ohren wurde. Der Raum war zu heiß, zu klein, zu viel.    Atemlos wirbelte Inoichi schwankend zur Tür herum…brach in Schweiß aus…   Raus. Ich muss hier raus…   Er war aus der Tür hinaus, gerade, als sich Genmas zerfetzter Schrei aus dem Zimmer riss, den Korridor entlang und direkt durch Inoichis Herz. „NAOKI!“   ~❃~   „NAOKI!“   Der Schrei ließ Kakashi abrupt an Ort und Stelle innehalten.    Auch Shiba erstarrte neben ihm und sein Rückenfell sträubte sich.    Das war unmissverständlich Genmas strangulierte Stimme, auch wenn sie in einem verzerrten, akustischen Splittern die Wände des Korridors entlang hallte. Schritte erschollen forsch und laut um die nächste Kurve.   Na klasse…   Rasch wich Kakashi zurück und bog mit Shiba auf den Fersen um eine scharfe Abzweigung. Er verschwand gerade rechtzeitig in einer Pfütze aus Schatten, als die sich nähernde Gestalt die Ecke umrundete und den Korridor entlang marschiert kam.    Scheiße.   Kakashi presste sich flach gegen die Wand und griff mit einer Hand nach hinten und unten, um mit den Fingerspitzen Shibas gerunzelte Schnauze zu berühren. Sofort unterließ der Ninken jegliche Aggression und wurde regungslos, aber wachsam, als er sich auf seltsam katzenhafte Art an die Fersen des Kopierninjas kauerte. Bereit dazu, Kakashi bei dem kleinsten Fingerschnippen oder Schnalzen der Zunge zu verteidigen.    Doch nichts davon war nötig.    Die Person schritt ohne irgendeine Pause an ihnen vorbei und wurde kaum langsamer, als sie die nächste Ecke umrundete. Für eine flüchtige Sekunde erhaschte Kakashi einen Blick auf das Profil der Gestalt; geschmeidiges, dunkles Leder und lange, blonde Strähnen, ein Gesichtsausdruck angespannt vor Qual.    Inoichi…   Kakashis Augen weiteten sich, als er der Gestalt nachsah und er wartete, bis die Schritte des Yamanaka vollständig verklungen waren, bevor er zurück in den Flur schlüpfte und Inoichis Weg zurück in Richtung des anderen Ganges folgte. Shiba schlich neben ihm her, die Augen auf Kakashis Finger gerichtet und wartend auf irgendwelchen visuellen Signale.    Sie nahmen den nächsten Durchgang in einen langgezogenen Korridor. Auf der einen Seite standen Rollwägen und manche davon waren die Art medizinischer Bahren, die man wohl in einem Krankenhaus vorfand, die anderen hingegen waren mit Gerätschaften beladen, die eher zu einer Folterkammer passten.    Haus des Schreckens von F&V, dachte sich Kakashi düster und schlängelte sich um einen hervorstehenden Wagen herum.    Er musste in etwa zwei Viertel des Weges den Korridor hinab gegangen sein, als auf einer Seite Türen aufschwangen und eine Liege heraus gerollt kam, die einhändig von einem Mann geschoben wurde, der ein Klemmbrett in der anderen Hand hielt. Seinen Kopf hielt er seitlich gesenkt, während er über welche Notizen auch immer die Stirn runzelte, die auf die Papiere gekritzelt waren.    Mit Shiba einen Schritt hinter sich, erstarrte Kakashi.    Er konnte nirgendwo hin. Kein Winkel oder eine Ecke, in der er sich verstecken könnte.    Der Mann schwang die Liege in demselben Moment in ihre Richtung, als er den Kopf hob. Seine leuchtend grünen Augen flogen weit auf und sein Mund klappte nach unten; nur Sekunden davon entfernt, den Atem zu nehmen, den er brauchte, um zu schreien.    Doch Kakashi kam diesem Luftholen zuvor.    In einem blitzschnellen Kick stieß er seine Ferse gegen die Bahre und rammte die Liege nach hinten in die Eingeweide des Mannes. Es war ein brutaler Schlag und der gesamte Körper des Mannes klappte sich um das hintere Ende der Bahre zusammen, während ihn sämtliche Luft mit einem heftigen Oumpf! verließ.   Kakashi schnippte mit den Fingern. „Finde Genma!“   Sofort stürzte Shiba los, sprang auf die Liege und über den Kopf des wimmernden Mannes hinweg, bevor er rennend auf dem Boden aufkam. Seine Krallen klickten über den rauen Boden, als er den Korridor mit tief gesenkter Nase entlang schoss.    „W-warte…“, würgte der F&V Typ hervor.    Aber Kakashi wartete nicht. Er umrundete die Bahre, packte die Kehle des erschöpften Mannes in der Armbeuge, krallte seine Hände ineinander und vollführte eine acht sekündige Blutdrosselung, wobei er mit Bizeps und Unterarm gerade genug Druck auf die Halsschlagadern ausübte.   5…4…3…2…   Lichter aus.    Bewusstlos sackte der Mann in seinen Armen zusammen.    Kakashi hievte den Körper auf die Liege, schnallte ihn daran fest und rollte das Ding zurück in den Raum, bevor er die Tür schloss und die Zeit einschätzte. Gerade wandte er sich wieder um, als Shiba den Korridor zurück gesprungen kam, die Rute aufgestellt und wedelnd. Es war die einzige Bestätigung, die Kakashi brauchte. Er ruckte mit dem Kinn und bedeutete Shiba damit, den Weg zu zeigen. Als der Ninken losrannte, folgte Kakashi ihm im Laufschritt. Ein Laufschritt, der begann, in ein Humpeln überzugehen.    Verdammt…   Vorhin hatte er einzig und allein mit Taijutsu rasche Gerechtigkeit verübt und versucht, Energie zu sparen. Diese F&V Frau hatte nicht gelogen, als sie von seinem Chakraschwund gesprochen hatte. Er brauchte Nahrungspillen…und wahrscheinlich einen Sanitäter, um die Wunde in seinem Schenkel zu versorgen.    Zuerst Genma…Gesundheit später…   Ah, das wurde sehr sehr schnell zu seiner Tendenz, nicht wahr?    Abrupt hielt Shiba an und stand vor wie ein Jagdhund. Bei der angezeigten Tür blieb Kakashi stehen, legte seine Finger um den Griff und drehte ihn langsam, während er den leichtesten Druck mit seiner Schulter ausübte, den Körper geneigt und das Gewicht auf die Ballen seiner Füße verlagert; auf alles vorbereitet – auf jeden.    Weich wie ein Seufzen öffnete sich die Tür.    Kakashi legte den Kopf schief und sein Sharingan Auge spähte in den Raum. Rasch scannte er ihn und schwarze Tomoe kamen in der Sekunde zu einem wirbelnden Stillstand, als sich sein Blick auf die belegte Liege und die Infusionseinheiten fiel.    Genma…   Angeschlossen an ein ganzes Netz aus Infusionstropfen, kontrahierte Genmas auf dem Rücken liegende Gestalt in plötzlichen Anfällen und Zuckungen, sein Kopf war gegen das Kissen nach hinten in den Nacken geworfen, der Kiefer verkrampft und seine Augen rollten wild. Mit einem Lederriemen war er über die Brust an die Bahre geschnallt und Rückhaltegurte hielten Handgelenke, Oberarme, Hüfte, Schenkel und Knöchel fest. Alles, was er an Bewegung zustande brachte, waren spasmische Zuckungen. Die Muskelkontraktionen sorgten dafür, dass sich Venen in scharfen, zornigen Linien gegen seine Haut wölbten.    Ein eiskalter Zorn verzerrte Kakashis Gesichtszüge und dämpfte das Entsetzen in seinen Augen.    Seine Finger schlossen sich hart um den Türgriff und ein Knistern von Chakra flirrte über seine Knöchel, was einen statischen Schlag gegen seine Haut auslöste.    Winselnd sah Shiba zu ihm auf.    Das nasse Stupsen der Hundenase riss ihn zurück aus dem roten Neben und er blinzelte rapide, als er in den Raum trat. Sein Bein knickte ein wenig ein und er zischte, als er auf die verräterischen Stiche stierte, die sich wie kleine schwarze Maden aus dem aufgerissenen Fleisch in seinem Schenkel stachen. Bei seinem kleinen Taijutsu Tanz mit dem F&V Team waren sie aufgegangen und hatten zusammengenähte Haut aufgerissen. Blut rann in einem beständigen Strom heraus.    Gottverdammt.   Er humpelte zu Genma hinüber, musterte dabei bereits die medizinischen Gerätschaften, die neben dem Bett aufgestellt waren und schaffte es, sich eine Mullbinde zu schnappen. Nachdem er sein Bein auf dem Stuhl abgestellt hatte, der an Genmas Liege gezogen worden war, fing er an, den Verband in schnellen, ruckartigen Bewegungen um seinen Schenkel zu winden. Seine Finger waren klebrig von Blut und sein Fokus teilte sich zwischen den verschiedenen Tropfbeuteln auf, an die Genma angeschlossen war.    Was zur Hölle haben sie ihm da alles gegeben?   Rasch scannte er die Etiketten, fand mehrere Markierungen für Elektrolytlösungen, aber nichts, was die seltsamen, psychoaktiven Reaktionen erklärte, die Genma zeigte.    Ist das der Effekt von dem Dukkha, das er genommen hat? Als wir gekämpft haben, hat er überhaupt keine Anzeichen davon gezeigt.    „Was ist mit dir passiert?“, murmelte Kakashi und suchte dabei nach Intubationsschläuchen oder Anzeichen für eine Magenspülung. Er fand nichts.    Gut. Es sollte also sicher genug sein, ihn zu bewegen…   Naja, auf jeden Fall sicherer, als ihn hier zu lassen. Obwohl, dieser Aktionsplan drängte ihm die unmittelbare Frage auf: Wohin zur Hölle könnte er ihn bringen, wo es wirklich sicher war?    Plötzlich keuchte Genma mit einem Klang, der sich heftig in Kakashis Herz verfing.    Sanft zog er die Brauen zusammen, doch seine Augen blieben auf die Infusionsbeutel gerichtet, als er mit einem leisen ‚Sshh‘ eine Hand ausstreckte und mit den Fingern Genmas Stirn berührte. Bei der brachialen Hitze, die von der geröteten Haut ausgestrahlt wurde, verzog er das Gesicht. Wo auch immer er Genma hinbringen würde, er bräuchte definitiv einen Mediziner auf Abruf.    „Gefallen einzufordern wird zu einer Gewohnheit mit dir“, murmelte Kakashi und wandte sich ab, um nach irgendeiner Art Beruhigungsmittel zu suchen. Er fand eine Reihe unbenutzter Injektionsnadeln und einige Ampullen mit Flüssigkeiten in einem Styroporbehälter, der mit einem Klebestreifen markiert war, auf dem  ‚Intravenöses Methohexital‘ stand.    Das wird reichen.    Rasch griff er sich eine der Nadeln, öffnete den Plastikverschluss, schraubte eine der Ampullen auf und fing an, eine Dosis des Sedativums abzumessen, während sein Herz heftig in seiner Kehle hämmerte.    Mach das langsam. Mach das ordentlich.   Das absolut Letzte, was er wollte, war, Genmas Netzwerk zu überlasten – nur die Götter wussten, was für eine Art chemischer Cocktail bereits in seinen Venen herum schwamm.    Das könnte ein Desaster werden…   Aber auch nicht mehr ein Desaster, als Genma hier der Gnade der Folter und Verhör Abteilung zu überlassen. „Shiba“, sagte er angespannt, während sich sein Fokus auf die Nadel zusammenzog, als er den Kolben testete. „Bewach die Tür.“   Beim Klang von Kakashis Stimme drehte Genma schwach den Kopf und seine eigene Stimme bebte in einem benommenen Lallen hervor. „Du bist gestorben…du bist gestorben…“   Kakashi hielt inne, sah hinüber in diese glasigen, halb geschlossenen Augen und spürte, wie Schuld heftig und stark hinter seinen Rippen pochte. Er schluckte schwer und griff nach dem Katheter, der auf Genmas Handrücken fixiert war. „Es ist alles in Ordnung“, hauchte er, als er das Sedativum verabreichte. „Du bist in Ordnung.“   Genmas Kopf kippte nach hinten und seine Wimpern schlossen sich flatternd über rollenden Augen.    Bedächtig legte Kakashi die Injektionsspritze beiseite und strich ohne nachzudenken mit den Fingern zaghaft über die dicke, blaue Vene, die sich über Genmas Handrücken zog, um der Ader hinauf über den Unterarm des Shiranui zu folgen und über schweißnasse Haut zu streicheln.    „Lass los, Genma…“, lockte er und sah zu, wie die Anspannung einen zerfetzten Atemzug nach dem anderen aus dem Gesicht und dem Körper des Tokujō glitt. „Lass los…lass dich selbst diesen Ort verlassen.“   Genmas Lippen bewegten sich schwach, formten ein einziges Wort. „Nein.“   Kopfschüttelnd lächelte Kakashi beinahe darüber. „Immer noch kämpfend.“   Immer kämpfend.    Dieser Gedanke sandte ein ernüchterndes Frösteln durch Kakashi und stahl alles an Amüsement, um nur Kummer zurückzulassen. Als Genmas Körper endlich auf den Laken erschlaffte, wusste Kakashi, dass es weniger mit seiner Berührung und mehr mit dem schnellwirkendem Sedativum zu tun hatte…doch seine Finger verharrten trotzdem auf der Haut…sein Daumen strich zärtlich über Genmas Handgelenk.    Shiba erhob sich aus seinem Kauern an der Tür und legte den Kopf fragend auf eine Seite. „Kakashi.“   Kakashi versteifte sich, zog seine Hand zurück und krümmte seine blutigen Finger gegen seine Handfläche. So eine Verschwendung von Zeit, die er nicht hatte.    Zeit ist nicht das Einzige, was ich kaum habe…   Er konnte das Pochen erwachender Verletzungen fühlen, als sein Adrenalin nachließ. Während er Shiba befahl, den Korridor etwas weiter zu erkunden, setzte er sich rasch in Bewegung, um Genmas Gurte und Riemen zu lösen. Sein Verstand suchte derweil jeden Winkel seines Hirns nach einem Gefallen ab, den er einfordern könnte, oder nach einem Freund, auf den er zählen konnte. Asumas Gesicht blitzte vor seinem inneren Auge auf…ein Bild ebenso schmerzhaft und vergangenheitsbehaftet wie eine Fotografie.    Verdammt.   Ein paar mehr Gesichter kamen ihm in den Sinn – im Speziellen das von Gai sprang mit einem Überschwang an die Spitze seines Hirns, der Kakashi bei jeder anderen Gelegenheit amüsiert hätte…bis er realisierte, dass er wirklich darüber nachdachte.    Gai? Gott, nein.   Und dennoch…    Nein. Überleg dir jemand anderen.    Leicht gesagt – Kakashi hatte kein Schwarzbuch für diese Art kleiner Black Ops Gelegenheiten. Naja, das war so nicht ganz korrekt…aber der Name an der Spitze dieser Liste war bereits ausgestrichen.    Ich kann Yamato nicht noch mehr in diese Sache reinziehen, als ich es sowieso schon getan habe…   Ein anderes Gesicht kam ihm in den Sinn. Ein Freund, auf den er sich vielleicht berufen konnte, auch wenn alles in ihm verabscheute, es zu tun. Er hatte den emotionalen Hebel – aber nicht das Herz, um ihn auch einzusetzen. Glücklicherweise übertraf die brüllende Dringlichkeit in seinem Kopf das unbehagliche Brüllen in seinem Herzen.    Er traf seine Wahl.    Jetzt führ sie aus…   Fluchend schob Kakashi seine Arme unter Genma und packte ihn in einem unbeholfenen Brautstil, wegen dem der Shiranui Zeter und Mordio gebrüllt und ihm einen langsamen Tod angedroht hätte, wäre er bei Bewusstsein gewesen. Ah, die kleinen Segen. Kakashi grübelte darüber nach, noch ein paar der sedativen Spritzen in seine Tasche zu schieben. Er war sich nicht sicher, wie lange die betäubende Wirkung anhalten würde…und er hatte keine Lust auf eine weitere Runde.    Das wird nicht passieren…   Nein, und selbst wenn Genma durch irgendeine übermenschliche Meisterleistung tatsächlich die Kraft, das Chakra und die geistige Koordination für eine weitere Runde besaß, dann würde sich Kakashi einfach mit der Begründung ergeben, dass er entweder einen Gott oder aber einen Dämon bekämpfen müsste.    Genma war kein Gott. Und trotz all seiner Dämonen; er war immer noch einfach nur menschlich.    Genau wie du, schien sein Körper zu schreien, als sich heiße Ausbrüche aus Schmerz durch seine Muskeln rissen. Nur menschlich; und dennoch, zerschlagen und zerbrochen, wie er sich fühlte, Kakashi fand trotzdem die Kraft, Genma festzuhalten, ihn von der Liege zu heben und dabei nicht in die Knie zu gehen.    Ein Schritt nach dem anderen…   Er konnte das schaffen.   Er würde das schaffen…langsam…langsam…   Shiba erschien im Türrahmen. „Zeit zu gehen“, sagte der Ninken mit zuckender Nase und fiebrig schimmernden Augen – Zeichen, die Kakashi auf eine unmittelbare Gefahr hinwiesen, die in ihre Richtung kam.    Klasse…   So viel dazu, das hier langsam zu machen.    „Ich brauche eine Ablenkung“, sagte Kakashi, während er sich Genma mit einem Grunzen gegen die Brust drückte. „Kannst du sie aufhalten, bis ich dich mit dem Beschwörungsjutsu da raushole?“   Shiba fletschte die Zähne in einem wölfischen Grinsen und wedelte mit dem Schwanz. Der Ninken hatte die üblen Auswirkungen seiner vorherigen Gefangenschaft abgeschüttelt und, genau wie Kakashi, war der Hund überhaupt nicht in der Stimmung, unterschätzt, oder durch die Gegend geschubst zu werden. Shiba hatte noch seine eigene Vergeltung zu verüben, seine eigene Dominanz zu behaupten – und wie immer, wenn es darum ging, die Achtung seiner Ninken aufzubauen, ließ Kakashi sie gewähren.   Er nickte scharf. „Geh.“   Ein verabschiedendes Wuffen und Shiba verschwand, um seinen Befehl auszuführen, als er den Gang entlang wetzte und sein kurzes, scharfes Bellen das Stampfen rennender Füße und das Echo erhobener Stimmen entstehen ließ.    Kakashi verstärkte seinen Griff um Genmas schlaffe Gestalt und schloss die Augen. Er holte langsam Luft; ein Heraufbeschwören von Kraft, die sich von den Sohlen seiner Füße bis hinauf zum Scheitel seines Schädels zu ziehen schien.    Es würde später Zeit zum Ausruhen geben.    Jetzt war es Zeit, zu rennen.   _______________________ Hey meine Lieben :)  Jetzt erfährt man endlich mal etwas Konkreteres über Naokis Vergangenheit, ich bin schon sehr gespannt, was ihr dazu sagen werdet ;)  Und Kakashi hat Genma gefunden, mal sehen, was er jetzt mit ihm machen wird.  Ich hoffe auf jeden Fall sehr, dass es euch gefallen hat und vielen vielen Dank an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)