Under these Scars von _Scatach_ (Teil Vier der BtB Serie) ================================================================================ Kapitel 8: Get up and get on ---------------------------- Zahnräder innerhalb von Zahnrädern. Wände innerhalb von Wänden. Ein Labyrinth ohne Anfang oder Ende. Mentale Kammern ohne einen Ein- oder Ausgang und feste Wege, die sich zu einem Kreis schlossen. Ein zerebrales Verlies mit der Illusion von Türen. Er hatte sie alle ausprobiert, nur um festzustellen, dass jede Tür zum selben Ort führte; demselben Punkt. Der Punkt, an dem Inoichi gerade stand, direkt in der Mitte eines Verstandes, der kein Zentrum besaß. Unglaublich. In den Wahnsinn treibend. Eine meisterhafte Defensive.    „Ich hatte einen meisterhaften Lehrer.“   Angesichts dieser tiefen weichen Töne wandte sich Inoichi um und fühlte, wie ihn das Gewicht ihrer vertrauten Kadenz zu überwältigen drohte. „Ich hatte einen exzellenten Schüler“, murmelte er.    „Und das ist das Ergebnis. Bist du stolz?“   Inoichi stählte sich gegen diese leisen Worte; die grausame Frage. Es wäre nicht das erste Mal, dass er beim Klang dieser Stimme stockte, seit er diesen Geist betreten hatte, aber es musste das letzte Mal sein. Es hatte alles gekostet, so weit zu kommen – all sein Training, all seine Taktiken, alles, was seine mentalen Werkzeuge zu bieten hatte. Gott, aber er hatte so viele Fragen und keine davon stand mit den Informationen in Zusammenhang, die er sammeln musste. Das war der Grund, aus dem er hier war, oder nicht? Um kalte harte Fakten zusammenzutragen…völlig egal, was es mit seinem kalten harten Herzen machte.    „Ich habe viele kalte harte Herzen gesehen, Sensei. Habe sie aus der Brust von Menschen geschnitten. Sie schlagen nicht auf die Weise, wie deines im Moment schlägt. Im Leben hätte das vielleicht etwas bedeutet, aber hier ist es bedeutungslos. Ich bin für dich gestorben, erinnerst du dich?“   Inoichi erwiderte nichts und nahm sich einen Moment, um eine stärkere Verteidigung zustande zu bringen. Er hatte die letzten fünf Stunden damit verbracht, sich hierauf vorzubereiten, hatte Teile von sich abgeschaltet, um irgendwie damit zurecht zu kommen und weiter zu machen. Er musste objektiv bleiben, jetzt, da er endlich tief genug in das Bewusstsein des KERN Agenten eingedrungen war, um eine Verbindung herzustellen. Sie aufrecht zu erhalten war absolut entscheidend. Er konnte es sich nicht leisten, noch einmal aus dem Verstand vertrieben zu werden.   „Und ich kann es mir nicht leisten, dich hier bleiben zu lassen“, sagte die Stimme. „Wo bleiben wir dann, Inoichi-san? Am selben Ort wie vor zehn Jahren?“   Inoichi lokalisierte die Präsenz, drehte sich erneut; und sah in ruhige violette Augen, die ihn hinter einer schlichten weißen Maske beobachteten. Sie wies kein Tiergesicht auf, kein deutliches ANBU Bild oder KERN Muster. Wie ungenau. Da musste irgendetwas gewesen sein – im Leben – das sie einst hervorgehoben hatte.   „Das gab es“, sagte der violettäugige Mann. „Du hast es nur nie gesehen. Und hier spielt es auch keine Rolle. Nenn mich Tenka und gib mir welches Gesicht du willst.“   „Ich weiß, welches Gesicht ich dir gebe. Und welchen Namen.“   „Nein. Dieses Gesicht und dieser Name sind für uns beide gestorben. Brauchst du eine Erinnerung? Alles, was du tun musst, ist deine Augen zu öffnen.“   Außerhalb ihrer Verbindung zog sich Inoichis Kehle vor Emotionen zusammen. Er konnte das stete Piepsen der Lebenserhaltungsmaschine hören. So nah. Zu nah. Nah genug, dass all die physischen Empfindungen drohten, ihn zurück zu reißen; zurück in dieses Zimmer, zurück in dieses lähmende Fegefeuer, wo er nichts tun konnte – nichts – außer durch stechende Augen auf einen zerbrochenen Körper zu blicken, der durch die Hölle gezerrt worden war.    „Hölle?“ Ein leises Geräusch; weich und amüsiert. „Ja, ich schätze, ich bin das, was du ein wüstes Durcheinander nennen würdest.“   Wenn sich seine Lungen nicht verkrampfen würden, dann hätte Inoich vielleicht gelacht; ein hohes manisches Lachen, das irgendwo zwischen kalter Fassungslosigkeit und vollkommener Verzweiflung schwankte. „Götter, wie kannst du Witze machen? Wie kannst du-“   „Perspektive, Sensei. Du hast mich das gelehrt. Besser als ANBU. Besser als KERN.“   Perspektive. So simpel. So essentiell. Wenn er doch nur ausüben könnte, was er immerzu predigte. Wenn er Perspektive verlor, dann verlor er seinen Halt. Wenn er seinen Halt verlor, dann würde er innerhalb eines Herzschlages aus dieser Verbindung geworfen werden.    „Ein Herzschlag“, stimmte Tenka zu. „Das ist, wie schnell du mich deinen Worten zufolge aus ihren Erinnerungen löschen würdest. Tu dir selbst den gleichen Gefallen. Ich habe nichts zu sagen.“   „Wenn das wahr wäre, dann hättest du niemals diese Verbindung mit mir zugelassen.“   „Ich habe es nicht für dich getan.“   „Warum dann?“   Die Stille, die folgte, enthielt viel zu viel, um sie interpretieren zu können. Perspektive bot nichts an und die Wände veränderten sich weiter. Inoichi spähte durch die Verbindungskammer. Er hatte Tage gebraucht, um diesen Verstand zu navigieren; ein Verstand, der ebenso akribisch gefestigt war wie sein eigener. Allein diesen Punkt zu erreichen, diesen Ort, diese Präsenz – alles davon – war so nah wie er gekommen war und vielleicht das weiteste, wie er gehen konnte, ohne extremere Mittel zu nutzen.   „Extreme Mittel, hmn? Ich habe darauf gewartete, dass du darüber nachdenkst.“ Die violetten Augen zogen sich leicht zusammen. „Du hast mir meinen Willen gelassen. Oder vielleicht haben wir das auch gegenseitig getan. Wir beide wissen, auf was das hier hinauslaufen wird. Auf was sonst könnten wir hoffen?“   So viel mehr als das…   „Es gibt nichts mehr als das.“   „Das glaube ich nicht für eine einzige Sekunde“, knurrte Inoichi und klammerte sich an diese Hoffnung; wie traurig nur, dass je fester er sie packte, desto sicherer war er sich, dass er seine Chance bereits verloren und sie losgelassen hatte.    Weil ich dich losgelassen habe…nicht wahr? Ich habe dich gehen lassen.    „Mach das nicht.“ Tenkas Stimme war leiser, aber nicht weniger deutlich. „Es ist sinnlos.“    „Denkst du, ich weiß das nicht?“, fauchte Inoichi und wechselte seinen Griff auf den Zorn, der sich um sein Herz zusammenzog. Zorn konnte er nutzen. Er fand seinen mentalen Stand wieder und richtete seine Augen auf das verschwommene Bild des maskierten Mannes. Sein Verstand war jetzt wieder klar genug, um die Gestalt besser in den Fokus zu bringen.    Da bist du ja.   „Wo sollte ich sonst sein? Ich kann das hier nicht verlassen.“   Vergänglich wie ein Hologramm flackerte Tenkas Körper in und aus der Fabrikation. In der einen Minute war er noch wie ein Konoha Jōnin gekleidet, in der nächsten wie ein ANBU Agent und letztendlich wie ein KERN Agent, dann wieder von vorn, wieder und wieder; eine sich verändernde Projektion von Erinnerungen in Materie. Frustrierend und ablenkend.    Unmöglich, ihn zu fassen zu bekommen…   „Das ist der Punkt. Du bist nicht der erste Yamanaka, der in meinen Verstand eindringt. Aber du bist extrem viel weiter gekommen als der letzte.“   Stirnrunzelnd entsann sich Inoichi an den KERN Agenten mit dem kastanienbraunen Haar und den Bernsteinaugen, den Danzō geschickt hatte, um beim ersten Mal die Informationen mit Gewalt zu beschaffen. „Fū“, sagte Inoichi. „Er hat mir erzählt, dass sein Versuch gescheitert ist. Er kam mit nichts aus deinem Geist zurück.“   „Nur mit Kopfschmerzen.“   Vielleicht hätte Inoichi etwas Wärme, etwas Humor bemerkt, doch die violetten Augen waren kalt. Und dann sah Inoichi es. Sah, dass Tenkas Körper mit jedem Flackern eine konkretere Form mit physischen Eindrücken annahm, die niemals schwankten, sich niemals veränderten; die violetten Augen hinter der Maske und die schwingenden aschblonden Strähnen, die sie einrahmten; die langen sehnigen Gliedmaßen und zisellierte Muskulatur…alles davon so vertraut…alles davon so familiär…die mageren Yamanaka Konturen, die Inoichi in der Höhe entsprachen, im Körperbau…   In so vielen Dingen…auf so viele Weisen…   „Such dir was aus. In meinem Tod werde ich dir geben, was ich dir in meinem Leben nicht geben konnte…einen jungen Mann, den du nach deinem eigenen Bild formen kannst.“   „Das war niemals das, was ich wollte“, wisperte Inoichi bitter und war dankbar dafür, dass die Überzeugung in seinen Worten stärker war als die Emotionen, die durch ihn bebten. Vielleicht waren es genau diese Emotionen, die ihn so weit gebracht hatten, so nah. „Ich wollte niemals irgendetwas davon.“   „Jetzt spielt es keine Rolle mehr.“   „Doch. Es spielt jetzt mehr als jemals zuvor eine Rolle. Du weißt das. Du weißt, dass ich hiervon nicht einfach fort laufen kann.“   Tenkas Schultern strafften sich und seine Brust spannte sich an, wobei die roten Riemen seiner KERN Jacke aufblitzten. „Du kannst. Du hast es schon zuvor getan. Du stehst auf und du machst weiter. Du vergisst das hier. Du bist sehr gut im Vergessen, oder nicht?“   Inoichi zählte ein paar Sekunden, um sich zu beruhigen und senkte die Stimme. „Ich werde nicht ohne Antworten gehen. Danzō hat davon gesprochen, dass das Shinjū Projekt in Kusagakure immer noch aktiv ist. Stimmt das?“   „Das hätte Danzō dir niemals gesagt.“   „Das hat er. Willst du, dass ich dir die Erinnerung zeige?“   „Du kannst Erinnerungen ebenso gut herstellen, wie du sie auslöschst, Sensei.“   „Aber ich kann keine Emotionen herstellen.“ Er legte eine Faust über sein Herz. „Willst du fühlen, was ich gefühlt habe, als er es mir gesagt hat? Willst du wissen, was es mit mir macht zu wissen, dass der Sandaime gestattet hat, dass diese Hölle fortbesteht; selbst nach dem, was Shikaku zugestoßen ist? Und jetzt du…“ Er erstickte an dem letzten Wort, nahm einen mentalen Atemzug, der die Verbindung erschütterte und seine Stimme wurde tiefer, schwärzer. „Willst du fühlen, was das mit mir gemacht hat? Es war genug, nur zu wissen, dass ich beinahe Shikaku an diesen Ort verloren habe. Aber jetzt zu wissen, dass Danzō dich dort hinein geschickt hat? Einen Bauern…einen Gefangenen…und Gott weiß was sonst noch-“   „Das reicht.“ Für einen Moment schwieg Tenka. „Selbst wenn das, was du sagst, die Wahrheit ist und Danzō verzweifelt genug war, um dir mehr zu erzählen, als du jemals hättest wissen müssen, dann willst du dennoch immer noch Antworten von mir, die ich dir nicht geben kann. Es ist nicht anders als das letzte Mal, als wir miteinander gesprochen haben. Überhaupt nicht anders.“   „Ist das die Waffe, die du weiterhin gegen mich einsetzen wirst? Mir all unsere vergangenen Fehler ins Gesicht zu schleudern?“    Tenkas Finger zuckten. „Ich habe an diesem Tag keinen Fehler gemacht. Ich wusste ganz genau, was ich tat.“   „Schwachsinn“, zischte Inoichi, doch seine Stimme hielt ebenso viel Kummer wie Zorn in sich. „Du warst neunzehn Jahre alt. Selbst mit sechs Jahren ANBU auf dem Konto, hat dich das wirklich auf das vorbereitet, in was Danzō dich geschickt hat?“   „Danzō.“ Das maskierte Gesicht neigte sich in einem langsamen kopfschüttelnden Schwung, der den Rest von Tenkas Körper dazu brachte, der Bewegung zu folgen. Er lief ein paar Schritte gegen die Reibung der sich drehenden Wände. „Komisch, nicht wahr? Danzō war es, der uns vor all diesen Jahren entzweit hat…wer hätte gedacht, dass es derselbe alte Bastard sein würde, der uns wieder zusammenbringt.“ Er legte eine behandschuhte Hand auf die Wand und abgewetztes schwarzes Leder wisperte leise über den Beton. „Du könntest genauso gut anfangen, gegen diese Wände zu sprechen, Inoichi-san. Ich habe Danzō nichts zu sagen. Und ich habe auch dir nichts zu sagen.“   Energisch biss Inoichi sein Weh zurück und klammerte sich an diese Worte. „Aber du hast dem Sandaime etwas zu sagen, oder nicht?“   Tenka blieb stehen. „Der Sandaime ist tot.“ Er zögerte, als würde er darauf warten, dass Inoichi ihm widersprach. „Ich habe davon erfahren, als ich bei Bewusstsein war.“   „Und in der Sekunde, als du es erfahren hast, schien es dich nicht länger zu kümmern, ob du lebst oder stirbst. Du hast lange genug durchgehalten, um zu erfahren, dass er tot ist und dann hast du deinen Verstand und Körper runtergefahren. Wieso?“   „Wissen die Ältesten, dass ich hier bin?“   Inoichi zog über dieses Abschweifen die Brauen zusammen und suchte nach dem Zusammenhang. „Nein. Sollten sie?“   Tenka krümmte seine Finger gegen die Mauer und tippte zweimal dagegen. „Abgesehen von KERN, bleiben also du, Danzō und Mushi.“ Seine Hand fiel von der Wand, doch sein Blick blieb darauf fixiert. „Nur ihr drei…“, murmelte er und dann – so leise, dass es Inoichi beinahe nicht gehört hätte: „Niemand sonst…“   Heftig getroffen von der Sanftheit in diesen Worten legte Inoichi den Kopf schief. „Gibt es sonst noch jemanden, der es wissen sollte? Jemanden, den ich für dich finden soll?“ Er erwartete keine Antwort und war nicht überrascht, als ihm seine Fragen nichts einbrachten außer ein Ausdehnen einer undeutbaren Stille. Er holte tief Luft und fuhr fort, als hätte er diese Fragen nie gestellt. „Du hast gefordert, den Hokage zu sehen, als du zurück gekommen bist. Warum? Warum nicht Danzō? Warum nicht deinen KERN Hauptmann?“   Ein leises Lachen, dem jede Belustigung fehlte. „Ich hätte wissen müssen, dass meinen Geist und Körper runterzufahren nicht genug sein würde, um dich draußen zu halten, Sensei. Ich hätte damit rechnen sollen, vor allem wenn man bedenkt, dass der Einzige, der eine Bedrohung für mein Kinjutsu darstellen könnte, der Meister ist, der es mir beigebracht hat.“   Inoichi nahm seine Reaktion darauf schonungslos an die Kandare und machte einfach weiter, als hätten sich diese Worte nicht tief in ihn geschnitten. „Es macht keinen Sinn, dass du nach dem Hokage fragst. Hast du deswegen nach den Ältesten gefragt? Ist diese Information, die Danzō will, etwas, das du lieber ihnen mitteilen möchtest?“ Keine Antwort. Tenkas maskiertes Gesicht blieb abgewandt. Noch einen Moment wartete Inoichi, bevor er ein anderes Vorgehen versuchte. „Danzō glaubt, dass diese Informationen, die du versteckst, ihm gehören. Er glaubt, dass du ihm gehörst. Hast du überhaupt keine Loyalitäten? Als KERN hast du geschwor-“   In einer scharfen Bewegung schnellte das maskierte Gesicht herum. „Belehre mich nicht über meine Loyalitäten, Inoichi. Sie liegen nicht bei Danzō und das haben sie auch nie.“   Vielleicht hätte Inoichi einen Erfolg verspürt, weil er eine direkte Antwort bekam, aber der wurde sofort von dem Geständnis der Worte zerschmettert. Taumelnd wich er einen Schritt zurück, um dieser Wahrheit zu entfliehen – nein, dieser Lüge. „Was?“, lachte und spie er das Wort gleichermaßen hervor. „Erwartest du wirklich, dass ich das glaube?“   Tenka erwiderte nichts, aber sein Körper versteifte sich mit der Plötzlichkeit eines Mannes, der sich gerade noch so vor einem Fall abfangen konnte. Zu spät. Die Sehnen in seinem Hals zogen sich straff. Er hatte nicht vorgehabt, etwas zu sagen – schien sich seines Ausrutschers auch sehr bewusst zu sein und suchte rasch nach einem Weg, um ihn zu korrigieren.    „Vermute nicht“, murmelte Tenka, als er Inoichis Gedanken spürte. Aber es war zu spät, um es zu verstecken. Zu spät, um es zurück zu nehmen.    Inoichi stierte ihn an und ein Feuer erhob sich in seinen Augen; ein heißes Pochen in seinem Kopf. „Was sagst du da? Was zur Hölle sagst du da?“   Ein raues Rascheln von Luft und Tenka wandte den Blick ab, krümmte die Finger beider Hände, bevor er seine Daumen gegen die Handflächen zog, um die Knöchel knacken zu lassen. Inoichis Atem stockte hart. Er selbst machte genau dasselbe, wenn er gestresst war. Es war wie ein Familiending. Sogar Ino machte das. Ob vererbt oder Angewohnheit, es war durch und durch Yamanaka.    Inoichis Stimme bekam Risse. „Sag es mir“, flehte er. „Gott, bitte sag mir, dass das eine Lüge ist.“   Langsam sah Tenka hinunter auf seine Hände, als hätten sie ihn verraten. Er schüttelte den Kopf. „Ich habe dich nie in meinem Leben angelogen. Nicht einmal, als ich gegangen bin. Ich habe dir nur auch nicht die Wahrheit erzählt. Es war besser so. Besser, dass du geglaubt hast, was auch immer du über meine Entscheidung, KERN beizutreten, glauben musstest. Besser, dass du geglaubt hast, ich hätte Shikaku verraten. Dich verraten.“   „Besser?!“, würgte Inoichi hervor. Er schwankte nach hinten und fühlte sich von dem Drehen einer alten Klinge ausgeweidet, dem Aufplatzen einer alten Wunde. Er sah an sich hinunter, als erwartete er, Blut zu sehen, erblickte aber nur seine zitternden Finger. „Nein. Du hast dich für KERN entschieden, du hast dich für Danzō entschieden. Du hast dich aus dem Staub gemacht. Du hast von unserer Familie genommen, was du gebraucht hast…von mir…und dann hast du…“ Er brach ab und sein Kopf hob sich, unfähig weiter zu machen, als ihn diese violetten Augen mit einem Blick bedachten, der genauso wenig hinter diese Maske gehörten wie das Gesicht, an das sich Inoichi erinnerte. „Ich kann nicht…das kann ich nicht akzeptieren…ich kann nicht…“   „Ich weiß, dass du das nicht kannst“, murmelte Tenka. Für einen langen Moment musterte er Inoichi und dann summte er eine leise Note. Der Ton war weich und traurig in seiner Kehle. „Du bist immer noch so schwarz und weiß, nicht wahr, Sensei? Sogar nach all der Zeit. Wie gut, dass wir diese Unterhaltung nicht in Fleisch und Blut führen. Ich glaube nicht, dass ich mit deiner Reue mehr leben könnte als mit meiner eigenen.“   Reue. Schuld. Bedauern. Es schmerzte Inoichi wie ein Fieber, verbrannte seinen Zorn und ließ nur Kummer zurück. Solch bodenlosen Kummer. So tief und schwer in seinen Knochen – es hatte ihn auf eine Weise altern lassen, wie es kein Krieg, kein Kampf, kein noch so übles Blutvergießen jemals geschafft hatten. Er konnte fühlen, wie sein Körper bebte…hörte das Biepen der Maschine…schmeckte seine eigenen Tränen…   Gott nein…ich rutsche zurück…ich verliere die Kontrolle…   „Wir beide“, sagte Tenka. „Ich habe seit Jahren nicht mehr so viel gesprochen. Die letzte Person, mit der ich…“ Diesmal fing er sich rechtzeitig; direkt am Rande eines weiteren Geständnisses. Er ließ seinen Kopf nach hinten kippen und stieß ein flaches, atemloses Lachen aus. „Verdammt. Ich dachte, ich hätte das hinter mir. Schätze, dass ich immer noch ein bisschen Menschlichkeit zu verlieren habe.“   Und das war alles, was es brauchte. Inoichis Kehle verkrampfte sich und seine Stimme brach. „Naoki…“    Tenka wurde stocksteif. Die Sanftheit verließ seine Stimme, verließ seine Augen. „Nenn mich nicht so.“   Inoichi schüttelte den Kopf; viel zu zersplittert, um noch sprechen zu können.    Das maskierte Gesicht neigte sich gefährlich. Ein aufgewühltes Spielen von Muskeln und rau werdende Töne. „Ich bin nicht dieser Mann. Ich trage nicht sein Gesicht. Du hast mein Gesicht gesehen. Sieh es dir noch einmal an. Anders als Shikaku, konnte Naoki nicht mit seinen Narben leben.“   „Sag das nicht…nicht…“   Tenka ließ seine Daumen knacken und trat nach hinten, um den Worten auszuweichen, während er für einen Augenblick schwer keuchte. Dann beruhigte er sich wieder und seine Brust dehnte sich mit einem einzigen reinigenden Atem aus. „Was auch immer damals passiert ist…und was auch immer jetzt passiert. Es gibt nur eine Sache, die du über Naoki verstehen musst.“ Er sah zu Inoichi. Sein Blick war jetzt weicher und seine Stimme stärker. „Sein Blut war sein Band. Sein einziger Meister. Sein einziger Sinn. Er lebte und starb als Yamanaka. Das ist alles, was du wissen musst.“   Nein, das ist es nicht.   Aber offensichtlich war es nicht an Inoichi, diese Wahl zu treffen. Die Wände begannen, sich um ihn herum zusammenzuziehen. Die Zahnräder drehten sich hart. Mit aller Kraft kämpfte er gegen den Druck, gegen das Gefühl, nach draußen geschubst zu werden…fort gezwungen zu werden…   Tu das nicht. TU DAS NICHT!   Er wollte einen Schritt nach vorn treten, musste aber feststellen, dass seine mentale Projektion bereits um seine Füße herum zu verschwinden begann. Sie löste sich weiter auf, bis er ohne Beine schwebte; ein Phantom, das rasch entschwand. „Verdammt!“   „Es ist vorbei, Sensei. Ich werde nicht mehr aus diesem Koma erwachen und du weißt das. Jedes Kinjutsu hat seinen Preis.“   „Sei still“, schnappte Inoichi und die heiße Empfindung fraß sich weiter in ihn, um ihn noch körperloser zurück zu lassen – ein schwebender Torso. „Wenn du sterben wolltest, dann wärst du niemals zurück gekommen! Du bist aus einem Grund zurück gekommen. Sag mir, was es ist!“   Ein haarfeiner Riss erschien nahe einem der Augenlöcher der Maske; so klein und doch so bedeutungsvoll. Und dann verloren diese violetten Augen ihre Farbe, schienen beinahe grau zu sein in dieser blanken, konturlosen Maske. „Dieser Grund spielt nicht länger eine Rolle…“, sagte Tenka mit einer Stimme, die ebenso neutral und farblos war wie seine Augen. Selbst sein Körper erschien äschern…transparent…   Nein…es gibt so viel mehr, was ich sagen muss…so viel mehr, das ich wissen muss!   Inoichi hätte einen Arm ausgestreckt, wenn der nicht bereits verschwunden wäre. Doch er besaß noch immer eine Stimme. Schwach, aber stark genug, um telepathisch übertragen zu werden. Diese Verbindung war nicht verloren. Noch nicht.    Bitte noch nicht! Wenn ich gewusst hätte…lass es mich WISSEN…lass mich verstehen, was mit dir passiert ist!   „Ich bin gestorben, als ich meine Pflicht getan habe. Das habe ich dir schon vor Jahren gesagt.“   Und in all den Jahren hatte dieser Glaube nicht dafür gesorgt, dass sich Inoichi mit irgendetwas in seinem Herzen abfand. Nicht mit der Trauer, nicht mit der Schuld. Doch Naoki war noch nicht tot. Es war immer noch Zeit. Es gab immer noch Hoffnung. Immer noch eine Chance.    „Lass es los, Sensei. Diese Chance ist mit dem Sandaime gestorben. Und jetzt sterben seine Geheimnisse mit mir.“   Genug von dem Gerede über den Tod! Hier geht es nicht um Hiruzen! Gott, hier geht es auch nicht um Danzō. Oder um Pflicht. Verdammt, Naoki! Sag mir, was mit dir passiert ist! Wer hat deinen Körper so geschändet? Wer hat dir das angetan? Sag es mir, damit ich-   „Was? Damit du Rache nehmen kannst?“ Kopfschüttelnd wich Tenka zurück und sein Körper begann zu flackern. „Das kann ich nicht zulassen.“   „WARUM?“ Im Geiste schlug Inoichi um sich, fühlte, wie sein Bewusstsein fort geschoben, hinaus geschubst wurde. Ihm blieben nur noch kostbare Sekunden…und während sein Kopf tausend Fragen brüllte, ließ ihn sein Herz taub für alle zurück; alle bis auf eine: „War es jemand, der mit Shuken in Verbindung stand?“   Angesichts des Namens schnellte Tenkas Kopf ruckartig nach oben und seine violetten Augen flammten weit auf.    Es war alles an Antwort, was Inoichi brauchte…und all der Horror, von dem er gehofft hatte, ihn niemals zu finden. Außerhalb ihrer Verbindung trafen seine Knie auf den Boden und seine Zähne prallten hart aufeinander. Blut füllte seinen Mund, seinen Verstand, seine Erinnerungen. Sie spülten rot und zähflüssig um die bröckelnden Mauern und ächzenden Zahnräder. Er fühlte, wie er unterging und hielt seinen Geist gerade lange genug zusammen, um in die sprudelnde Leere zu schreien…   NAOKI!   In derselben Sekunde, die Inoichi brauchte, um den Ausdruck in diesen violetten Augen zu registrieren, wurde er aus Naokis Geist geschleudert. Mit einem herzstockendem PENG kehrte er in seinen Körper zurück. Blut spritzte aus seiner Nase und sein Magen hob sich, um Säure und Galle auf den Boden zu entleeren.    Er hörte einen distanzierten Schrei; leise und beunruhigt: Dr. Mushi.    Doch es war die andere Präsenz in dem Raum – die stumme und regungslose Präsenz – die ihn anschrie. Ein komatöser Patient. Eine ausgemergelte Gestalt, die sich kaum noch ans Leben klammerte.    „Nein“, hauchte er das Wort und schüttelte wieder und wieder den Kopf.    Nein. Nein. Nein.    Es war einfach nicht möglich. Shukens Leute waren tot. Shuken war tot. Tot und begraben, tot und verrottend in einer Hölle, die schlimmer war als die, die er in dieser gottverlassenen Einrichtung zusammengebraut hatte. Und dann kehrten Danzōs Worte zu ihm zurück. Heimtückisch wie eine Schlange, die durch seinen Verstand kroch.    ‚Du glaubst, dass Hiruzen es begraben wollte.‘   Es meinte das Shinjū Projekt? Oder meinte es Shuken? Ein Albtraum innerhalb eines Albtraums. Inoichi hatte ja kaum seine Gedanken darum sammeln können, dass diese Einrichtung immer noch operierte…war es möglich, dass der Psychopath, der jeden einzelnen verdrehten Kreis dieser Hölle konstruiert hatte, immer noch lebte, immer noch atmete, immer noch darin arbeitete?   Nein…nein…   Noch mehr Galle, noch mehr Blut. Inoichi würgte erneut, konnte sich nicht dazu bringen, aufzustehen. Das würde bedeuten, sich dem Körper auf dem Bett stellen zu müssen. Das würde bedeuten, die Narben zu sehen, den Beweis, die Vernichtung.    Ich kann nicht…ich kann nicht…ich habe ihn losgelassen…ich habe ihn gehen lassen…   Sayuri hatte recht. Er war mehr ein Monster als Danzō, dafür dass er zugelassen hatte, dass sein Schüler, seine Familie, sein Blut zur Schlachtbank geschickt wurde.    Und wofür? WOFÜR?   Naoki würde es ihm nicht sagen – was Inoichi nur noch die Möglichkeit ließ, Verstand auseinander zu nehmen, Narben aufzureißen und Gräber auszuheben, um die Antwort zu finden.    Gott helfe mir, aber ich werde es finden…ich werde es finden…ich werde es finden und wenn es mich umbringt…   „Inoichi-san?“   Ruckartig drehte sich Inoichi von der Berührung an seinem Rücken fort und krümmte sich mit den Fäusten auf dem Boden vornüber, während ein qualerfülltes Brüllen aus seiner Kehle drang. Er bemerkte den kleinen Schatten nicht, der im Türrahmen hockte. Er bemerkte nicht einmal Dr. Mushi, der direkt neben ihm kauerte. Hörte nicht, was der Doktor sagte; hörte nur das schrille und Übelkeit erregende Piepen der Lebenserhaltungsmaschine. Tränen brannten auf seinen Lippen und die Luft verwandelte sich in seinem Rachen zu Feuer. Er presste die Lider aufeinander und sah diese blanke weiße Maske in seinem Geist hängen; sah durch ihre kalte weiße Lüge auf das entstellte Gesicht und die getroffenen Augen eines Mannes, den er wie einen Sohn geliebt hatte.    „Es tut mir leid…es tut mir leid…“, krächzte er wieder und wieder.    Dr. Mushis Brauen zogen sich traurig zusammen. „Inoichi-san…hat Tenka gesa-”   „Das ist nicht sein Name…“, fauchte Inoichi, während er die Finger in seine Kopfhaut grub, die Augen noch fester zudrückte und sich sein Verstand mit Gesichtern und Namen füllte; und der letzte, den er jetzt hören musste, war diese bösartige Lüge.    Sandaime…was hast du getan? Götter, was hast du getan?   Und was hatte Shuken getan?   Er hat überlebt…   Die Reaktion auf Inoichis letzte Worte an Naoki hatte das bestätigt; in seinem Herzen, wenn auch noch nicht in seinem Kopf.    Doch was ihn mehr zugrunde richtete, als Shukens Namen auszusprechen, war der Ausdruck in Naokis Augen gewesen, als er ihn gesagt hatte. Nur ein einziger Blick und Inoichi war in tausende zersplitterte Teile zersprungen. Doch was sein Herz brach, war nicht das Entsetzen und nicht einmal die Traurigkeit, die er brennend in diesen violetten Augen gesehen hatte – es war die Scham.    ~❃~   Nur noch drei Schlucke von einer leeren Shōchū Flasche entfernt kam Genma zu dem erleuchteten Schluss, dass Glück keine Dame war, sie war eine –    „Bitch“, fauchte er und stürzte den Rest der Flasche hinunter.    Er hatte nicht geplant, sich zu beduseln. Er hatte nicht geplant, übermäßig betatschend mit einem bronzebäuchigen Budai und einem verschlossenen Schrank zu werden. Er hatte geplant – sogar ziemlich nüchtern – schnell wie eine gottverdammte Brise in Mushis Büro hinein und wieder hinaus zu gehen. Vielleicht hatte seine kleine, im Hintern herumwühlende Schändung der Statue sein Karmarad ins Schleudern gebracht. Oder vielleicht hatte er es einfach auch schon seit einer Weile verdient. Aus welchem Grund auch immer; das kosmische Wirken des Universums hatte heute als den Tag auserkoren, an dem der evasive Dr. Mushi seine morgendliche Terminlücke mit überflüssigen Renovierungen füllte.    Phan-fucking-tastisch.   Kopfschüttelnd biss Genma auf den Rand der Flaschenöffnung. Zusammengekauert in den Schatten des gegenüberliegenden Gebäudes blinzelte er rasch, um die Handwerker besser in den Fokus zu bringen, während er darüber grübelte, wie genau seine Beobachtung über diese Distanz hinweg wohl sein würde.    Wie dieser Tag bisher abläuft? Könnte genauso gut gegen den Wind pissen.    Vielleicht hatte dieser Hyūga Junge Recht gehabt. Vier Jahre und mehrere Chūnin Prüfungen zuvor, hatte Genma über dem besiegten Körper von Hyūga Neji gestanden und in das Gesicht von Fatalismus gespottet. Und jetzt konnte Genma dem nicht entkommen. Das Schicksal hatte seine Eier in einem verfickten Schraubstock eingespannt. Schnaubend schwenkte er die Flasche über seine verletzten Knöchel und runzelte die Stirn, als die Gestalten, die er beobachtet hatte, ineinander zu verschwimmen begannen. Sein Kopf pochte und seine Augäpfel schmerzten in ihren eingesunkenen Höhlen.    Konzentrier dich.   Mit zusammengezogenen Brauen wimmerte er leise über den Stich in dem verheilenden Narbengewebe über seinem rechten Auge; ein Andenken seines Zusammentreffens mit der Faust eines Sicherheitsmannes letzte Woche. Genma hatte die verzerrte Vision eines Namensschildes, das vor seinen Augen aufblitzte; oder vielleicht war es auch die messingknöcherne Faust, die auf sein Gesicht zugesegelt war. Langsam rieb er über die blasse Narbe und wünschte sich, er könnte die Erinnerung an den Einbruch in das Ryokan aus seinem Verstand schrubben.    Oushi, dachte er abgelenkt. Das war der Name auf dem Schildchen.    Es wäre der Name auf einem Leichensack gewesen, wenn Genma zurück geschlagen hätte. Er erinnerte sich nicht mehr, warum er das nicht getan hatte; fühlte sich aber auch nicht in der Stimmung, eine Zeitlupendarstellung Revue passieren zu lassen, in der Oushi die Scheiße aus ihm rausprügelte. Seufzend richtete Genma seine Aufmerksamkeit zurück auf das Duo schlaksiger Jugendlicher, die versuchten, ein neues Set von Gleisrollos zu dem großen offenen Fenster zu wuchten. Ah, dieses Fenster. Dieses verfickte Fenster. Er hätte bereits vor zwei Stunden dort hinein und wieder heraus geschwungen sein sollen.    Zwei Stunden…   Der Tag lief in Zeitraffer ab. Genma blinzelte heftig, als könnte er die Arbeiter durch schieren Willen dazu zwingen, fünf Zähne zuzulegen. Er wusste einen Scheiß über Wartungsarbeiten – seine Wohnung konnte ein Lied davon singen – aber mal im Ernst, wie lange konnte es schon dauern, ein paar Rollos aufzuhängen? Die ungeschickten Bemühungen der beiden Hänflinge hätte von dem stämmigen Kerl, der auf Mushis Schreibtisch saß, wahrscheinlich beschleunigt werden können; wenn dieser Vollidiot nicht mit der Sekretärin schäkern würde.    Ich kann hier nicht einfach nur rumhocken…   Jo, das hatte er sich schon vor einer Stunde gesagt, ziemlich genau zum selben Zeitpunkt, als er sich für ein Frühstück aus der Flasche entschieden hatte. Dämliche Entscheidung – aber von denen hatte er in letzter Zeit einige getroffen. Was war da schon eine weitere? Es schlug auf jeden Fall die Alternative, sich wirklich Zeit zu nehmen, um seine Wohnung wieder auf Vordermann zu bringen und ein paar Lebensmittel aufzufüllen. In der vergangenen Woche hatte er sich nur von Shōchū und Suppe ernährt. Wie sich herausstellte, hatte er nicht gelogen, als er Kakashi gesagt hatte, dieser Alkohol wäre inzwischen sein Grundnahrungsmittel.    Kakashi…   Genmas Zähne bissen härter zu und sein Seufzen zischte die leere Flasche hinunter. Wirklich erbärmlich; all diese leeren Flaschen und er war immer noch kein Stück näher, seine eigene Leere zu verkorken. Eine Leere, in die Kakashi gefallen war und Genma mit altem Feuer und alten Gefühlen füllte. Sie wirbelten spöttisch und verlockend in seiner leeren Brust herum.    „Shit.“   Kakashi war wirklich die letzte Person, über die er nachdenken sollte. Es gab weit wichtigere Leute, an die er denken musste – und meiden. War das auch nicht einer der vielen Gründe, warum er seine Mahlzeiten aus lange abgelaufenen Konservendosen schlürfte? Denn Essen in einem richtigen Laden zu finden barg das hohe Risiko, Leuten zu begegnen, möglicherweise Freunden – möglicherweise Raidō.   Raidō…   Ein weiteres Schlamassel, das Genma richten musste. Wenn Kakashi ihn unvorbereitet schnappte, war das die eine Sache – aber Raidō? Genmas Magen verdrehte sich bei diesem Gedanken. Er war mehr als nur ein bisschen unvorbereitet.    Eher sturzbesoffen und total drauf…   Und Kami wusste was sonst noch. Er erinnerte sich nicht mehr genau daran, was er zu Raidō gesagt hatte. Oder was er getan hatte. Diese kleinen pinken Pillen gaben keine gute Mischung mit dem Shōchū ab. Die beiden Substanzen tendierten dazu, dieses ganze ‚Wasser auf Fettbrand‘-Ding zu machen, was einen üblen Trip und ein noch übleres Ausnüchtern nach sich zog. Mizugumo hatte ihn davor gewarnt, mit zu vielen Giften gleichzeitig zu spielen. Und sie würde ihn vermutlich wieder davor warnen, wenn er auf ihrem Dach auftauchte und ein weiteres Rezept haben wollte. Was ihn daran erinnerte, dass er seinen Lohn abholen musste.    „Shit“, raunte er noch einmal.    Normalerweise schob Raidō ihm das Geld jeden Monat durch die Tür. Das hatte er immer gemacht, seit Genma vor zwei Jahren aus ihrer gemeinsamen Wohnung ausgezogen war. Damals hatte er es nicht geschafft – oder einfach vermieden – den notwendigen Papierkram auszufüllen und abzugeben, damit seine Post an seine neue Adresse geschickt wurde. Doch egal wie das wirkte, es hatte nichts mit Faulheit zu tun, sondern alles damit, Leute aller Art so weit von seinem persönlichen Fegefeuer fernzuhalten wie irgend möglich. Raidō hatte den Spieß allerdings umgedreht – hatte es als Entschuldigung genutzt, um jedes Mal bei Genma aufzutauchen, wenn der entschied, von der Bildfläche zu verschwinden. Nur hatte Raidō, das letzte Mal, als er ‚vorbei geschaut‘ hatte, kein Bündel Bargeld in der Hand gehabt – nur Kürbissuppe und Klebreis.    Was bedeutet, dass ich bei ihm vorbei schauen muss. Klasse. Das ist echt das Letzte, was ich jetzt noch brauche. Eine verfickte Gardinenpredigt.    Oder noch schlimmer, diesen Blick, der seit dem Tag in Raidōs Augen lebte, als Genma ihm unverblümt gesagt hatte, er bräuchte seine eigene Wohnung. Sein eigenes Gefängnis. Scheiße. Die Gardinenpredigt war halb so schlimm. Raidō musste ihn nur ansehen und Genma fühlte sich schmutzig, lädiert und verzweifelt wie eine Crack-Hure.   Yep, das ist ziemlich zutreffend.    Und das Karmarad drehte sich einfach weiter.    Mein Glück? Wahrscheinlich habe ich ihn auch noch angebaggert, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe.    Er bellte ein kurzes dunkles Lachen hervor, drehte die Flasche in seinen Händen und stierte in die eingesunkenen, blutunterlaufenen Augen, die aus dem Glas zu ihm zurück starrten. Verdammt. Was für ein erbärmlich aussehender Hurensohn. Er schloss die Augen.    Was zur Hölle mach ich eigentlich?   Es war die eine Sache, ein abgefuckter Süchtiger zu sein; und eine ganz andere, auch wie einer auszusehen. Raidō gegenüberzustehen war schon schlimm genug, aber um nichts auf der Welt könnte er zu seiner nächsten Sitzung mit Mushi auftauchen und dabei aussehen, als hätte zehn verschiedene Arten von Schlafstörung, während er versuchte, sich zusammenzureißen, bis ein Kater seine Bemühungen mit einem Fußtritt in den Rinnstein beförderte.    Ich muss mich selbst richten, bevor ich irgendwas anderes richten kann.   Ihm blieben vierundzwanzig Stunden, um seine Scheiße zusammenzusammeln und klar zu kommen und nur noch fünf kleine pinke Pillen, um über die Runden zu kommen, bis er die Zeit stehlen konnte, um Mizugumo zu besuchen.    Ich muss wichtigere Dinge stehlen. Wie diese Akte.    Und dazu kam auch noch die Tatsache, dass er immer noch herausfinden musste, wo zur Hölle Mushi weiterhin seine Morgende verbrachte. Was weit mehr bedeutete, als einfach nur Wanzen einzusammeln und neue zu pflanzen. Also musste er mit drei Prioritäten jonglieren. Außer, er konnte sie alle in einem Schwung erledigen; die Akte einschieben, die Wanzen einsammeln und herausfinden, wohin zur Hölle Mushi immer wieder krabbelte. Er konnte das.    Ambitioniert, aber nicht unmöglich.    So langsam wurde Genma mit der Idee warm und lehnte sich zurück in die Schatten des Überhangbalkons, während er zu kalkulieren begann. Wenn er ein Einbrechen bei Tagesanbruch riskieren würde, könnte er sich die Akte schnappen, die Abhörgeräte einsammeln und sich vielleicht noch ein paar der Aufzeichnungen anhören, bevor er seine Sitzung am Nachmittag hatte. Nachdem das erledigt war, wäre es ein Leichtes, Mushi nach Feierabend zu einer nächtlichen Überwachung im Haus des Seelenklempners zu folgen.    Klasse. Das wird mich also zwei weitere Tage kosten.   Die Ältesten saßen ihm bereits im Nacken. Als nächstes würde Ibiki nach seinen Hacken schnappen. Die Drohung des Morino, ihn einzubestellen, sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden und die Ratsmitglieder wären das nächste Mal sicher nicht so nachsichtig – was jeden verdammten Tag der Fall sein konnte.    Solange es nicht morgen ist…oder übermorgen…   Doch angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich dieses Karmarad drehte? Da fühlte sich Hoffnung ebenso leer an wie die Flasche in seiner Hand.    ~❃~   Irgendjemandem wird der Kragen platzen…   Gar kein Zweifel. Es war ein Ergebnis, das von der dämlich simplen Physik der Situation vorgegeben wurde; die lotrechte Kraft der Unbehaglichkeit nahm immer mehr an Gewicht zu und die Fläche der Geduld wurde immer kleiner. Fügte man dieser Last auch noch das Totgewicht des Schweigens hinzu, dann spürte Shikamaru geradezu, wie das Manometer seiner äußersten Grenze immer näher kam.    Yep, irgendjemandem würde der Kragen platzen.    Aber das werde ganz bestimmt nicht ich sein.   War bereits dort gewesen, hatte es bereits getan. Er hatte seinen blendenden Moment der Dummheit bereits bei Amaguriamas gehabt; jetzt war es für jemand anderen an der Zeit, die Gleichung auszubalancieren. Mit abgeschirmtem Blick musterte Shikamaru seine Teamkameraden unter dichten Wimpern und begann, die Zeichen abzuwägen; Naruto zog seine Füße schon hinter sich her, Shinos Käfer schwirrten aufgeregte Kreise auf den Handrücken des Aburame und Chōji hörte nicht auf, jedem von ihnen verwirrte Blicke zuzuwerfen. Und dann war da noch Kiba. Er saß stocksteif und gerade auf einem Akamaru, der deutlich fluffiger war als sonst und hatte die angespannte Miene eines Kerls aufgesetzt, der einen Nierensteinabgang durchlitt. Seine Wangen waren gerötet, die Kehle straff gezogen und seine Backenzähne mahlten.    Alles klar. Ihm wird als Erstes der Kragen platzen.   Komisch, wenn man bedachte, dass Naruto Kiba üblicherweise bei sowas zuvorkam. Doch der Uzumaki war seltsam still, seit sie das Dorf verlassen hatten. Und vielleicht hätte Shikamaru irgendetwas Verdächtiges vermutet, wenn er stattdessen nicht vermuten würde, dass seine Rippe irgendwo schwamm, wo sie nicht sein sollte – eine Vermutung, die ihm schlagartig mehr Sorgen bereitete, als der Zustand seiner Teamkameraden.    Vielen Dank auch, Hyūga. Das ist dann schon das zweite Mal, dass du mir meine Rippen brichst.   Nur hatte der diesmal nicht die Entschuldigung blinder Raserei oder schlechter Koordination. Scheiße, nein. Dieser letzte Schlag war ein ruhiges und strategisches Manöver gewesen, vollkommen absichtlich durchgeführt und dazu gedacht, etwas Schaden anzurichten – dazu gedacht, ihn aufzurütteln.    Tz. Als müsstest du meine Knochen brechen, um das zu schaffen…   Zorn kochte hinter Shikamarus Rippen und verband sich mit dem kummervollen Schmerz, der sich noch immer in seiner Brust hielt. Scheiße, Neji hatte ihn mal so richtig durchgeschüttelt. Aber rechtfertigte eine momentane Überreaktion seinerseits wirklich diesen absolut überzogenen Angriff, mit dem Neji ihn getroffen hatte?   Shit…erinnert er sich an etwas von letzter Woche?   Etwas, wie vielleicht diesen gestohlenen Kuss? Oder die Tatsache, dass Shikamaru ihn sich vielleicht – möglicherweise – definitiv gestohlen hatte, als die meisten Lichter hinter Nejis Augen ausgeknipst gewesen waren und die Welt für eine Weile dunkel geworden war?    Er weiß es.   Mit weit werdenden Augen stockte Shikamarus Atem hörbar in seiner Kehle. Das scharfe Geräusch zog sofort Chōjis Blick zu ihm und drohte mit einer ganzen Wagenladung an Aufmerksamkeit. Und Shikamaru war alles andere als bereit dazu, dass sonst noch irgendjemand auf diesen Zug aufsprang. Rasch räusperte er sich und tat so, als würde er in seine Faust husten.    Das war’s.    Kiba explodierte. „Was verfickt nochmal ist eigentlich Nejis Problem?“   Niemand meldete sich freiwillig für eine Antwort. Chōji verstand ja nichtmal die Frage. „Huh?“   Seufzend berührte Shikamaru seinen Freund am Ellbogen und drückte kurz zu. Chōji begegnete seinem Blick, las die Bedeutung und blieb stumm. Keiner schien ihre nonverbale Kommunikation zu bemerken, auch wenn Shino ganz leicht den Kopf drehte.    „Mit deinem antagonistischen Gehabe wird Neji ziemlich bald ein Problem mit dir haben“, sagte der Aburame. „Du hast richtig Glück gehabt, dass er sich auf Shikamaru konzentriert hat, als er eingeschritten ist. Warum? Weil er wahrscheinlich etwas viel Übleres gemacht hätte, wenn du ihn provoziert hättest.“   „Schwachsinn.“ Kiba bleckte die Zähne. „Neji ist derjenige, der Glück hatte. Glück, dass du Teams zum Vorteil von Hyūga gewechselt hast. Außerdem, wovon verfickt nochmal soll er denn bitte provoziert worden sein? Was er abgezogen hat, war mal richtig asozial und das weißt du; Shikamaru derart miese und unerwartete Prügel zu verpassen.“   Chōjis Hände ballten sich zu Fäusten. Noch einmal berührte Shikamaru seinen Ellbogen; wie eine Hand am Zügel. Wie gut, dass Ino mit Neji und dem Rest der Aufklärungseinheit voraus gegangen war. Auch noch sie hier zu haben, hätte diese Hölle in einen abartigen Porzellanladen verwandelt. Und auch wenn sich Chōji noch nicht benahm wie ein trampelnder Elefant oder angreifender Stier, bebten dennoch seine Nasenflügel und er sah aus, als wäre er nur ein Stampfen davon entfernt, die Fassung zu verlieren. Zumindest wenn die hervortretenden Adern auf den Rückseiten seiner Fäuste irgendein Indiz waren.    Es half auch nicht gerade, dass Kibas Zunge einfach nicht aufhörte, sich zu bewegen wie das rote Tuch eines Matadors. „Wäre nicht das erste Mal, dass er so eine miese Nummer abzieht“, krakeelte der Hundeninja weiter. „Wenn er eine Provokation will, dann geb ich ihm eine.“   „Kiba“, knurrte Naruto. Seine Stimme erklang so plötzlich und so gefährlich leise, dass absolut jeder verstummte. „Halt die Klappe, okay?“   Vollkommen baff klappte der Kiefer des Hundeninjas nach unten, bevor er ein ungläubiges Lachen ausstieß und die Arme zur Seite warf, als würde er alle anderen dazu einladen, seine Fassungslosigkeit zu teilen. „Ist das dein Ernst?“ Mit einem Finger stach er zurück über den Pfad. „Du hast doch gesehen, was da vorhin abgegangen ist! Neji hat sich mal so richtig daneben benommen.“   Naruto blieb stehen, was die ganze Gruppe zu einem zögerlichen Stillstand veranlasste. Ohne den Körper zu drehen, sah er zu Kiba hinüber. „Jo, er hat sich daneben benommen. Genauso wie die alte Frau. Das ist mir klar. Aber wenn Neji nicht eingeschritten wäre, dann -“   „Dann hätte diese verdrehte alte Spinatwachtel genau das bekommen, was sie verdient hat.“ Niemand argumentierte dagegen, aber es stimmte auch niemand zu. Knurrend schwang sich Kiba von Akamarus Rücken und drehte einen weiten Kreis, der Staub und drohende Gefahr aufwirbelte, während seine Augen nach Unterstützung suchten. „Was? Seht ihr das vielleicht anders?“   Es war ein Moment, in dem man sich für ein Team entschied, doch Shikamaru hielt den Mund. Und Narutos Blick zog sich auf Kiba zusammen – und er plärrte nicht. Die Ruhe vor dem Sturm; ein übernatürliches Ereignis in der Welt von Uzumaki Naruto, wenn man bedachte, dass der Sturm üblicherweise zuerst kam. Das würde nicht gut ausgehen.    Seufzend trat Shikamaru nach vorn. „Kiba.“   Doch Kiba stieß eine Hand nach außen und warnte Shikamaru dadurch eindringlich, sich verfickt nochmal fernzuhalten, oder vielleicht machte er das nur, um sich davon abzuhalten, Naruto einen Schritt zurück zu schubsen, als er sich dem Jinchūriki näherte. „Hast du vielleicht gedacht, ich würde das einfach nur aussitzen und zulassen, dass sie so respektlos von meiner Sensei spricht? Denkst du, dass das okay für mich ist?“   Kopfschüttelnd holte Naruto langsam Luft. „Nein“, raunte er. „Aber du warst es ja auch nicht, der sie dafür bestrafen wollte, was sie gesagt hat.“ Er hielt kurz inne und sein Blick schwang herum. „Nicht wahr, Shikamaru?“   Ein Shuriken direkt zwischen die Augen hätte ihn vermutlich weniger geschockt. Festgenagelt von Narutos Starren spannte sich Shikamarus Stirn gegen ein Runzeln an und seine Augenwinkel zogen sich zusammen. Kein Herauswinden aus dieser Anschuldigung. Neji hatte ihn immerhin auf frischer Tat ertappt.    Also was? Willst du einfach hier rumstehen und ihn niederstarren?   Das war genau das, was er tat. Er stand einfach nur da, mahlte eines Verbrechens angeklagt schweigend mit dem Kiefer und war nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Er hatte weder Argument, noch Entschuldigung, keinen Advokaten außer Kiba – der an diesem Punkt nicht gerade von Vorteil war.    Und das machte Shikamaru vollkommen verantwortlich; einer Kurzschlussreaktion und unbesonnenen Erwiderung schuldig.    Hätte mich weit Schlimmerem schuldig machen können, wenn Neji nicht eingeschritten wäre…   Doch was ihn mehr verstörte als der Gedanke über das, was er vielleicht getan hätte, war, wie wenig er deswegen fühlte. Was zur Hölle hatte er denn zu diesem Zeitpunkt gefühlt? Abscheu? Zorn? Übermäßigen Beschützerinstinkt?   Ich kann mich nicht erinnern, irgendetwas gefühlt zu haben…   Nichts kam ihm in den Sinn. Nicht einmal die exakte Abfolge der Ereignisse. Er hatte nichts außer ein dickes fettes Loch, wo eigentlich seine Erinnerungen hätten sein sollen – wo sein Hirn hätte sein sollen. Und das Entsetzen über dieses Realisieren hämmerte die Anspannung aus seinem Gesicht. Es ließ ihn weitäugig und heftig blinzelnd zurück. Er sah zur Seite weg, kämpfte darum, sich zu erinnern und sein Verstand wühlte nach Beweisen und Motiven, als er die Geschehnisse noch einmal durchging und sie zurückspulte; die Frau hatte die Lebensgefährtin seines Sensei beleidigt, hatte das Kind seines Senseis beleidigt und dann…   Nichts…   Eine blanke Leinwand. Als wäre die Reihe der Ereignisse abrupt abgeschnitten und dann in der Sekunde wieder zusammengespleißt worden, als Nejis Handfläche in seiner Brust aufgeschlagen war. Shikamarus Herz stotterte. Warum konnte er sich nicht daran erinnern, wie er über diesen Picknicktisch gesprungen war? Denn er erinnerte sich ganz sicher daran, zurück dagegen gekracht zu sein.   Shit…hat Nejis Schlag irgendwas mit meinem Kopf angestellt?   Das machte absolut keinen Sinn. Aber die Schuld Neji zuzuschieben fühlte sich besser an, als auf die massive blanke Wand in seinem Verstand zu stieren. Eine Wand, die er nicht niederstarren konnte. Eine Wand, über die er nicht sehen konnte; die er nicht überwinden konnte. Er hatte keine Ahnung, ob er seinen Erinnerungen voraus war, oder ihnen hinterher hinkte.    Was zur Hölle passiert hier?   „Shikamaru?“, rief Chōji vorsichtig.    Vage wandte sich der Schattenninja um und bemerkte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Narutos Anschuldigung donnerte wie ein Hammer gegen seinen Schädel und versuchte, irgendeine Art Erklärung für sein Verhalten und Mangel an besserem Wissen aus ihm heraus zu prügeln. Und er leistete eine geradezu hervorragende Arbeit darin, sich selbst mit einem höllischen unbeholfenen Schweigen zu verurteilen.    Sag irgendwas, du Genie…   Die logischste Erklärung war, dass er mit seiner Bruchlandung auf den Boden von heute morgen irgendeinen Schaden angerichtet hatte. Das würde vielleicht die Verschwommenheit erklären. Vielleicht hatte er sich wirklich eine Gehirnerschütterung verpasst. Und wenn man diesen Schlag auf den Kopf mit dem Stress von zu viel Denken und zu wenig Schlaf mischte?    Und du bekommst einen blendenden Moment einer ‚gewaltiger Satz‘-Dummheit. Mit ‚blendend‘ als Schlüsselwort.   Erledigt. Verkauft. Und er kaufte sich diese Erklärung ohne einen weiteren Gedanken ab. Bis er mehr Anhaltspunkte hatte, war es die einzige Sache, die einen Sinn aus einer Situation machte, bei der alle seine ‚Sinne‘ komplett versagt hatten.    Ich bin auch nur menschlich. Das ist erlaubt.   Fall abgeschlossen. Jetzt war es Zeit, das Drama aufzuwischen. Aufmerksam musterte Shikamaru die Szene und suchte nach dem schnellsten Ausweg. Er spähte zwischen Naruto und Kiba hin und her, da er wusste, dass er eine Wahl treffen musste – und der schnellste Ausweg war nicht immer der leichteste. Kiba mochte ihm zwar beistehen, aber diese ganze Situation hatte dafür gesorgt, dass er mit dem Rücken zur Wand stand. Und da gab es nur eine Möglichkeit.    „Naruto hat recht“, sagte Shikamaru letztendlich. „Wenn Neji nicht eingeschritten wäre, dann hätte ich vermutlich etwas wirklich Dummes getan. Und im Moment kann ich diese Art von Ärger echt nicht brauchen.“ Er hob seine Brauen in Kibas Richtung. „Du?“   Sprachlos stierte Kiba ihn für volle fünf Sekunden an, bevor er die Hände mit einem Lachen in die Luft warf, das denselben bitteren Biss enthielt wie sein viel zu scharfes Grinsen. „Un-fucking-fassbar, Shikamaru. Und ich hab echt fast gedacht, dass du da vorhin ein paar Eier bewiesen hast.“   Shikamaru schenkte ihm einen äußerst flachen Blick zusammen mit einem eisigen Schweigen. Alles, was er vielleicht als Antwort darauf erwidert hätte, war etwas, an das er sich ganz sicher erinnern und das er ganz sicher bereuen würde.    Sorry, Kiba. Aber ein angepisster Teamkamerad ist alles, womit ich im Moment umgehen kann.   Und wenn besagter ‚angepisster Teamkamerad‘ beides war, sowohl sein Vorgesetzter, als auch sein…   Was? Größter Schwachpunkt?   Zu blöd, dass er in diesem Fall nicht das Schuldzuweisungsspiel mit Neji spielen konnte. Der letzte Fehler, der letzte gestohlene Augenblick, war einzig und allein Shikamaru zuzuschreiben. Hier gab es keine Lücken in seinen Erinnerungen – und wie es schien auch nicht in Nejis – was nicht gerade das war, worauf der Schattenninja gehofft hatte. Er hatte darauf gezählt, dass die Opiate eine Art Schall und Rauch Magie wirkten, die Neji dazu brachte, zu vergessen, dass dieser Kuss jemals stattgefunden hatte.    Selbstsüchtig UND dämlich. Klasse. Ich hab einen richtigen Lauf…   Einen Lauf, der seine Knochen brach. Ein chaotisches Abwärtsstolpern, das ihn mit Sicherheit in der Scheiße landen ließ. Ganz bestimmt war das der Grund hinter Nejis überzogener Reaktion. Der Hyūga war angepisst. Berechtigterweise angepisst. Genug angepisst, um Shikamarus Tenketsu in einen Kurzschluss zu briezeln. Und während sich das Chakra des Schattenninjas wieder beruhigt hatte, war das beim Rest von ihm nicht der Fall.    Was? Sind wir dadurch wieder gleichauf?   Shikamaru bezweifelte das ebenso sehr, wie er Nejis Gewissheit bezweifelte, dass persönliche Gefühle und vergangene Übertretungen keinen Einfluss darauf hatten, wer sie waren und was sie tun mussten.   Hn. Deine Worte, Hyūga. Nicht meine.   Niemals seine. Aber das machte es nicht weniger notwendig zu versuchen, das zu glauben, was Neji gesagt hatte. Und so sehr Shikamaru diese Worte auch hasste; zu tun, ‚was notwendig war‘, war in letzter Zeit zu einer treibenden Kraft für ihn geworden. Immer seit seinem Geburtstag…immer seit Asuma…   Begib dich nicht dorthin…   Kein Problem. Vermeidung fand sich leicht und an jeder Ecke. Eine Reihe mentaler Blockaden stationierte sich entlang all der gefährlichen Wege, die sein Verstand entlang zu wandern drohte. Jetzt im Moment brauchte er einen gut ausgetretenen und vorhersehbaren Pfad; die Mission und seine Rolle darin. Konoha beschützen, die Kinder des Dorfes beschützen und die beschützen, die ihm wichtig waren. Seine Konzentration zog sich auf dieses Ziel zusammen, auf diese Vision.    Auf dieses Versprechen.   Sich neu fokussierend wandte sich Shikamaru ab und fing wieder an zu laufen. „Wir sollten einen Zahn zulegen, wenn wir alle Kontrollpunkte abdecken und rechtzeitig bei der Tenchi Brücke sein wollen. Die anderen werden warten.“ ‚Die anderen‘ bedeutete Neji; der sehr wahrscheinlich Shikamaru für die Verspätung verantwortlich machen würde. Seufzend begegnete der Schattenninja Narutos Blick, als er an ihm vorbei schritt. „Bist du fertig?“   Naruto zwang sich zu einem schwachen Schmunzeln und sah zu Kiba. „Alles wieder gut?“   „Leck mich, Turteltaube.“   Naruto lachte. Es war ein bisschen heiser und ein bisschen unsicher, doch das hielt ihn nicht davon ab, dass sich seine Miene aufhellte, was Shikamaru als Segen wertete. Vor allem angesichts der dunklen Wolke, die über ihrer Gruppe gehangen hatte. Da die Spannung nun gelöst war, fühlte sich sein Verstand klarer und schärfer an. Diesen kühlen Kopf und eine deutliche Perspektive zu haben, stattete ihn mit allem aus, was er brauchte.    Und nichts wird daran etwas ändern.   Nicht sein Fehler mit Neji und auch nicht seine Fehleinschätzung mit dieser großmäuligen alten Schachtel. Er würde dieses Durcheinander richten, denn er wusste genau, was er tun musste; genau das, was er immer getan hatte. Es kam unmittelbar zu ihm; eine Anweisung, die direkt aus seinem Unterbewusstsein abgefeuert wurde. So schnell und so sicher, dass er die Quelle oder den Fremden, der sie gesagt hatte, nicht infrage stellte.    Ich steh auf und ich mach weiter.   __________________ So und hier lernen wir ihn endlich mal 'persönlich' kennen...Naoki. Auch wenn das hier nur eine mentale Unterhaltung, ein mentales Treffen war und nicht viele Informationen zu ihm kommen, hoffe ich doch sehr, dass es euch gefallen hat ;)  Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen!! *-* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)