Schleifen in Blut und Zeit von Hotepneith (Ein Todesfall, eine Hochzeit und die Krümmung der Raumzeit) ================================================================================ Kapitel 10: Spannung -------------------- Bokuseno schloss fast entsetzt seine Augen, als könnte er damit das Gehörte ungeschehen machen. „Nein,“ meinte er, noch immer die hölzernen Lider zusammenpressend. „Ich werde das Sesshoumaru nicht sagen. Der Kerl trägt immerhin Tenseiga und kann damit umgehen. Nicht auszudenken, was er anstellen könnte, wenn ich ihm mitteile, dass Inu Yashas Seele nicht im Jenseits eingetroffen ist. Und niemand eine Ahnung hat, wo sie abgeblieben sein könnte.“ Er öffnete die Augen, aber er war allein.   „Man darf doch zu Eurer Ehe gratulieren?“ Tomi lächelte, als sich der Rat niederließ.   Heute saßen hinter jedem der Daiyoukai zwei Berater. Kouga, begleitet von seinen alten Freunden Ginta und Hagakku, zwinkerte dem Jüngsten der Runde zu. Hinter dem kitsune no kyuu saß nicht nur dessen Berater, ein sehr alter Fuchs mit weißen Haaren und fünf Schwänzen, sondern auch Shippou, der solcherart angelernt werden sollte. Das einstige Kleinkind war in den vergangenen fünfhundert Jahren und durch viele Schulungen erwachsen geworden. Allerdings hatte er zu seinem Bedauern noch immer nur einen Schwanz. Jetzt hatte er natürlich mitbekommen, dass Kagome hier war – aber ebenso natürlich war ihm bewusst, dass ein Berater des Fuchsherrn nicht mal eben in das Zimmer der Gefährtin des Youkai no Taishou stürmen durfte, alte Bekanntschaft hin oder her. Das einzige Wesen, das Sesshoumaru in diesem Fall davon abhalten könnte ihn umzubringen, war leider tot. Auf Inu Yasha hatte der doch gehört. Und der kitsune no kyuu verstand bei persönlicher Ehre auch keinen Spaß. Der würde eher seinen Kopf Sesshoumaru auf dem Silbertablett überreichen, als das Verhalten seines Sekretärs zu entschuldigen. Irgendwann würde er sie schon zu sehen bekommen.   Der Taishou hatte Tomis nur scheinbar höfliche Bemerkung mit Nichtachtung gestraft. „Ihr wollt abreisen.“ „Es wird Zeit,“ meinte Toran. „Meine Geschwister und mein Volk warten bereits seit Wochen im Westen auf mich, auf uns. Ich glaube, es steht nur noch eine Zeremonie aus.“ Sie bemerkte, dass Sesshoumaru sie tatsächlich ein wenig verwundert anblickte und zuckte etwas die Schultern. „Nun, ich weiß, dass es bei den Panthern nicht üblich ist, Hikari-sama, wie ist das bei den Katzen?“ „Ich verstehe nicht, liebe Toran?“ Die Katzenkönigin strich ein wenig ihre weißen, goldschimmernden Haare zurück. „Jedes Volk hat gerade bei Heiraten andere Sitten.“ „Ja, ich benötige gar keine Zeremonie, da es vollkommen gleich ist, wen ich nehme oder mit wem ich ein Kind habe. Das älteste Kind des Pantherkönigs dominiert seine Geschwister. Aber nur ein Kind meines Bruders wird die nächste Generation anführen.“ Toran blickte erneut zu Sesshoumaru. Wenn man ihn kannte, konnte man sehen, dass er nicht begriff. So erläuterte die Pantherkönigin. „Bei Hunden und anderen, männlicher geprägten Völkern der Youkai ist es, meines Wissens nach, immer eine öffentliche Zeremonie, wenn die Ehe vollzogen wird.“ „Nein.“ Sesshoumaru sagte es sachlich, ohne erkennen zu geben, dass er soeben versucht war Toran den Hals umzudrehen. Ja, sie hatte recht, aber das machte es nicht besser. Er hatte Kagome sein Wort gegeben. Und überhaupt! „Das geht nicht!“ knurrte Kouga förmlich. „Kagome ist keine Youkai, sondern ein Mensch. Sie würde lieber sterben als das mitzumachen.“ „Das kann ich mir lebhaft vorstellen,“ warf Youkio ein. Der Salamander legte das schwarze, schuppige Gesicht etwas schräg. „Menschen, werte Toran-sama, besitzen eine Eigenschaft, die uns fehlt. Schamgefühl. Zumal menschliche Frauen. Ich bin sicher, Kagome-sama würde das nicht nur als Zumutung, sondern als Höchststrafe betrachten.“ Zwei waren schon einmal auf seiner Seite. Sesshoumaru ertappte sich dabei etwas erleichtert zu werden, als er bemerkte, dass ein Ratsmitglied etwas die Hand hob. Hayasa! Der Herr der Falken sagte wenig, aber wenn, so verspürte er selbst oft genug das Bedürfnis aus dessen Innereien ein nettes neues Mosaik auf dem Saalboden zu legen. Die langen, grauen Haare des Falkenherrn glitzerten in dem gleichen metallischen Ton wie sein Brustpanzer. „Das mag ja sein, aber sie ist nur eine Frau, ich meine, vergebt, Toran-sama, Hikari-sama, sie ist nur eine Menschenfrau. Ihr Wille zählt nicht. Und wir müssen sicher gehen, dass ihr mögliches Kind auch wirklich Euer Kind ist, Sesshoumaru-sama.“ Das war doch …. Das Youki des Taishou flirrte für einen Moment derart auf, dass selbst die anderen Daiyoukai ein leichtes Frösteln verspürten, zumal die Luft um ihn vibrierte. Und das rote Leuchten seiner Augen deutete nur zu sehr darauf hin, dass er dabei war in Rage zu verfallen, seine wahre Gestalt anzunehmen. Instinktiv duckten sich die Berater hinter die Daiyoukai, die eilig ihre eigenen Energien aufriefen um sich und ihre Gefolgsleute zu schützen. Aber Sesshoumaru nahm sich zusammen. Allerdings erinnerten seine nächsten vier Worte an die Temperatur eines sibirischen Sees an einem Mittwintermorgen. „Ihr zweifelt an mir.“ Hayasa schluckte unwillkürlich. Ihm war bewusst, dass die Verträge bei persönlichen Beleidigungen das Recht beinhalteten den Verursacher zu einem Duell auf Leben und Tod zu fordern. Den letzten Zweikampf in wahrer Gestalt hatte er gegen Sesshoumaru verloren, danach die Verträge unterschrieben. Nicht notwendig sich dem mit dem Schwert gegenüber zu stellen, zumal, wenn der sich beleidigt fühlte und die Wahl der Waffen hatte. Offenkundig hatte der Taishou durch den Tod des Halbbruders und die nunmehrige, zugegeben, erzwungene Ehe, etwas mehr Impulsivität als gewöhnlich. Obwohl, es war wirklich unglücklich formuliert gewesen. Zweifel an der eigenen Männlichkeit hörte niemand gern. „Ich bedauere, wenn ich mich etwas missverständlich ausgedrückt habe, Sesshoumaru-sama. Ich zweifele selbstverständlich nicht an all Euren Fähigkeiten, die Euch zum Taishou machen. Es ging mir nur darum, dass Euer verstorbener Bruder ein Hanyou war, der lebende Beweis dafür, dass ein Kind zwischen einem Daiyoukai und einem Menschen möglich ist. Nur, es geschieht eben sehr selten. Kinder zwischen einfachen Youkai und Menschen sind doch häufiger. Man sollte aufpassen, dass Kagome, Kagome-sama, unter Beobachtung steht.“ Gerade noch raus gewunden, Vogel. „Es sind zwei Wachen vor der Tür und eine Hundeyoukai bei ihr, alle mit dem Befehl sie nicht aus den Augen zu lassen.“ Irgendwann würde er diesem Falken alle Schwanzfedern einzeln ausreißen. Als Einstimmung, ehe er mit ihm den Boden pflasterte. „Eine weise Entscheidung, Sesshoumaru-sama,“ erwiderte der kitsune no kyuu scheinbar gelassen. „Natürlich habt Ihr dies bereits bedacht. - Wir sollten uns um neun am Teich treffen und noch einmal unsere Mächte vereinen, den Bannkreis verstärken, ehe wir abreisen.“ Das war nur zu gut, zumal die Fuchsmagie die Basis bildete – und einfachere Youkai, die unter Menschen gehen wollten, auf diese Macht zurückgreifen konnten, um sich zu tarnen.   Kagome drehte sich auf die Seite und öffnete die Augen. Sie hatte endlich einmal tief geschlafen. Für einen Augenblick war sie verwirrt als erstes in die braunen Augen einer Hundeyoukai zu sehen, die sittsam neben der Tür kniete, ehe sie sich erinnerte. „Oh, Noriko, guten Morgen,“ sagte sie höflich. Die konnte ja sicher nichts für die ganze Lage. Sie setzte sich auf. „Ich habe Hunger und Durst. Wo kann ich frühstücken gehen?“ Noriko erstarrte. „Äh, frühstücken? Das geht nicht, Kagome-sama.“ „Was?“ Sollte sie etwa verhungern? Oder meinte der Herr Schwager-Ehemannn das mit dem Raum nicht verlassen etwa buchstäblich? „Es gibt in diesem Schloss nichts für Menschen oder eine Küche. Ich müsste zusehen, dass ich etwas unten in der Stadt besorge.“ „Ja, mach das. Und ich möchte viel Tee, grünen Tee. Ich habe so Durst.“ Der Hysterieanfall gestern hatte sie anscheinend vollkommen ausgedörrt. Die Hundedame erkannte, dass ihre Strafversetzung schwerer wurde als sie bereits gedacht hatte. In einen menschlichen Supermarkt zu gehen, natürlich in Tarnung, und einzukaufen! Der Taishou war offenbar wirklich erzürnt über sie gewesen. Aber sie hatte keine Wahl als der Gefährtin zu gehorchen. Falls die sich über sie beschwerte … oh, nicht auszudenken. Noch heute erzählte man sich von den Strafen, die einst der Mutter des Herrn eingefallen waren um unbotmäßige Dienerinnen zu bestrafen. Stundenlang mit Eiswasser übergossen zu werden, stundenlang kopfüber von der Decke zu hängen, waren noch die harmloseren Varianten gewesen. So meinte sie nur: „Es dauert nur etwas, ich muss ja erst hinunter fahren.“ „Ja, danke. Ich gehe ja auch erst ins Bad. Wohin soll ich dann gehen?“ Ach du Schande. „Ihr sollt hier bleiben, lautet die Anweisung des Herrn, Kagome-sama. Soweit ich mitbekam hat sein Berater auch bereits Sachen für Euch vor die Tür gelegt.“ Sie sollte hier wahr und wahrhaftig eingesperrt werden? Aber, Moment mal, das musste sich dann um diese Gesetze handeln. „Ja, das lese ich dann. Und, jemand sollte zu meiner Mutter fahren, ich rufe sie an, wegen einiger Sachen, die ich noch benötige. Handykabel und so,“ ergänzte sie eilig. Sie wollte ihren Scheinehemann ja nicht unbedingt vor einer Hündin blamieren und ihm unterstellen, dass er nicht für sie sorge. „Ich werde jemanden schicken,“ erklärte Noriko hoheitsvoll. Frühstück holen gut. Handykabel und sonstiges, irgendwo musste man eine Grenze ziehen. Sie war eine Youkai aus gutem Haus, ihr Vater einer der mächtigsten Vasallen des Herrn der Hunde. Leider hatte sie ihren ersten Gedanken, sich bei diesem über ihre Strafe zu beschweren, gleich verwerfen müssen. Vater war altmodisch und hatte gewiss keinen Sinn dafür, dass sie sich wie ein mehr als loses Mädchen benommen hatte, ja, ihre Heiratschancen mit Sesshoumaru ruiniert hatte. Was der Taishou nun von ihr hielt, demonstrierte er ja mehr als ausgiebig. Er war offenkundig ebenso altmodisch wie ihr Vater. Leider. Denn sie war einfach sterblich und unsterblich in ihn verliebt. Und, schrecklich eifersüchtig auf diese miko, die erst mit Inu Yasha und nun mit Sesshoumaru verheiratet war. Glücksmensch!   Da ihre Hofdame die Tür beiseite schob, stand Kagome auf. Irgendwie fühlte sie sich besser, aber der erste Schritt verriet ihr, dass ihr Knöchel nach der gestrigen Sprint zum Auto nicht gerade heiler geworden war. Nun gut. Sie sollte ja Texte lesen, da konnte sie ihn schonen. Und tatsächlich, Noriko bückte sich und nahm ein Tablett mit altmodischen Schriftrollen auf, aber sie erkannte auch Schulhefte und Kugelschreiber. Sie sollte arbeiten. Leider entdeckte sie auch zwei Hundekrieger, bewaffnet, die mit dem Rücken zu ihr standen. Sie wurde bewacht! Also, das musste sie noch einmal dringend mit ihrem Schwager, ihrem Ehemann, klären. Das war ja wohl … Was befürchtete der nur? Wenn sie sowieso schon hier im Schloss hausen sollte, konnte ihr doch gar nichts passieren? Selbst, wenn man davon ausgehen sollte, dass wirklich an ihr das Schicksal der Welt hing. Wer wohl dieser Bokuseno war? Offenkundig jemand, auf den sogar Sesshoumaru hörte. Davon gab es garantiert nicht viele Leute. Die Hundeyoukai platzierte das Tablett in einer Ecke. Die miko entdeckte daneben ein kleines Schreibpult, das auf einer Tatamimatte stand. „Danke, Noriko.“ Nun ja, höflich war sie ja, dachte die Youkai, die dennoch lieber hinausging um sich im Fuhrpark ein Auto zu besorgen.   Kagome zog sich das miko-Gewand, in dem sie geschlafen hatte, aus und ein anderes an. Tatsächlich. Dieser Jaken hatte ihr eine komplette Kiste davon besorgt, Unterwäsche und Pyjamas waren aber offenkundig als Ausgabe nicht einmal angedacht gewesen. So rief sie ihre Mutter an und bat um einige Dinge in einem Rucksack. „Ja, mir geht es gut, Mama. Wir müssen hier nur noch einiges klären Weißt du, für die hier gelte ich wirklich als Inu Yashas Witwe und er war doch an einigen Firmen beteiligt und so … Das hast du doch schon am Scheck gesehen.“ Das war nicht mal gelogen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie ihrer Mutter sagen sollte, dass sie mit jemand anderem als Inu Yasha verheiratet war, sie alle Zwei davon nicht begeistert waren … Ja. Diese dämlichen Gesetze. Und sie musste sich wirklich, wirklich noch bei Sesshoumaru für Soutas Stipendium bedanken. Sie setzte sich hin und rollte vorsichtig das Papier auf. Ach du Schande. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Das war ja kein modernes Japanisch. Das war alte Sprache, alte Schrift. Schön, sie hatte in den letzten Jahren auch einen Kurs belegt gehabt, aber das würde mühsam werden. Erst einmal sollte sie den Text abschreiben, in moderne Sprache übersetzen. Und dann richtig lesen. Das würde dauern!   Kagome war froh, als sie buchstäblich Säcke an Teedosen und Bentoboxen und Sandwiches gebracht bekam. „Danke.“ Noch während sie die erste Dose öffnete und einen tiefen Schluck nahm, sah sie allerdings verwundert, dass sich die Dämonin neben der Tür niederließ. „Äh, danke, Noriko, aber du kannst doch jetzt gehen.“ „Der Befehl oyakata-samas lautet, dass ich stets zu Eurer Verfügung stehen soll.“ Und sie wollte wirklich nicht ausprobieren was die nächste Stufe seiner Sanktionierung wäre. „Auch, wenn ich dich wegschicke?“ Was sollte das denn? „Ich bedauere, Kagome-sama.“ Ja, wie hieß es so nett, der Ober sticht den Unter? Kagome war klar, dass ein Youkai, zumal ein Hundeyoukai, eher auf seinen Alpha hören würde als auf irgendein Menschenmädchen, das mehr oder weniger zufällig hier aufgeschlagen war. Aber sie verspürte nicht die mindeste Lust dauernd unter Beobachtung zu stehen. Das mochte ja für Youkaiprinzessinen üblich sein, aber .. Nein! Sie trank die Dose aus und stand auf. „Schön. Das will ich klären.“ Noch ehe Noriko begriff, was ihr Schützling vor hatte, war sie zur Tür geschritten, hatte die eigenhändig geöffnet - und prallte fast gegen vor ihrer Nase gekreuzte Schwerter. „Was soll das?“ „Ich bedauere,“ sagte der ranghöhere Hundekrieger. „Der Befehl lautet, dass Ihr diesen Raum nicht verlassen dürft.“ „Ich will mit Sess ...mit Sesshoumaru-sama sprechen!“ „Unser Befehl.“ „Ist mir gleich!“ fauchte sie. „Haltet mich doch auf!“ Sie war im Begriff die Klingen zu fassen. Das war allerdings ein Problem. Die Krieger sahen hilfesuchend zu Noriko, aber auch die war überfordert. Natürlich besaß niemand das Recht die Gefährtin des Herrn festzuhalten, anzufassen, aber da war eine klare Anweisung und … Zu allem Überfluss zeigte sich jetzt die läuternde Energie einer durchaus respektablen miko.   „Kagome, Kindchen, was machst du denn nur?“ Die so Angesprochene wandte unwillkürlich den Kopf. Krieger und Hofdame erkannten aufatmend den erfahrensten Berater des Taishou, der schon dessen Vater und jüngeren Sohn durch die Zeiten geholfen hatte „Myouga-sama!“ war daher die dreistimmige, durchaus erleichterte, Begrüßung. Der Flohgeist sprang ohne weiter das Hofprotokoll zu beachten auf die Schulter der sichtlich verärgerten miko. „Was ist denn hier los? Gehen wir mal ins Zimmer, ich soll dir ja die Regeln erklären. Und du sagst, wo dein Problem liegt, ja? - Denk doch bitte an Inu Yasha-sama. Er wäre nicht begeistert, wenn du ihn blamierst,“ flüsterte er nur mehr. Kagome seufzte und drehte zur Beruhigung der Hundeyoukai um. Noriko blieb draußen und schob die Tür zu, ehe sie aufatmete. „Myouga muss nur kommen,“ flüsterte der Krieger. „Er ist so alt und erfahren.“ „Aber er ist jetzt allein mit ihr,“ gab Noriko zu. „Ich sollte wohl …“ „Warte mal etwas, bis diese Energie weg ist. Sie läutert dich sonst noch aus Versehen.“ Ein weiser Rat.   Keine zwei Minuten später wusste Myouga, was Kagome störte, empörte und überhaupt. Er seufzte. „Nun ja. Erstens: du hast es wohl nicht so ganz erfasst, du hattest ja eine Menge um die Ohren, gestern. Wenn dir etwas passiert, endet die Zeit. Das gilt es doch unter allen Umständen zu verhindern, nicht wahr?“ „Man sollte annehmen, ich sei in diesem dämlichen Schloss voller Youkai und Militär sicher!“ „Ja, natürlich. Aber, gerade du als Mensch solltest wissen, dass es immer wieder den ein oder den anderen Verwirrten gibt, der eben das Weltende will. Auch Youkai sind nicht vor Wahnsinn gefeit. Sesshoumaru will dich unbedingt beschützen, um eben das Ende der Welt zu verhindern. Das solltest du verstehen.“ „Deswegen die Wachen.“ „Ja, und Noriko. Sie ist eine junge Hundedame aus recht vornehmen Haus. Keine Kriegerin, aber gut erzogen …“ Fast, aber das sollte er ihr lieber nicht sagen. „Und im Notfall sicher auch mit ihren Klauen ganz gut. Zweitens steht dir als Gefährtin des Taishou eine Hofdame zu, ja, Sesshoumaru ist verpflichtet sie dir zu stellen, will er sich nicht selbst bloß stellen. - Ah, Jaken hat dir die Gesetze gegeben.“ „Ja, aber ich muss sie erst noch umschreiben,“ erklärte sie unwillig, „Aber, ich lasse mich hier doch nicht einsperren!“ „Das ist der nächste Punkt. Niemand wird sich einem Befehl des Taishou widersetzen. Und, wenn du so unhöflich bist … Kagome, das war unhöflich, in Worten, aber auch mit deiner Energie zu drohen.“ „Ach ja, was hätte ich denn dann sagen sollen?“ „Ich bitte den mächtigen Youkai no Taishou um Audienz, meinetwegen um Gehör.“ Kagome bemerkte, dass sie schon wieder haltlos zu kichern begann. „Komm, das ist albern. Er ist mein Schwager!“ „Er ist dein Ehemann und damit dein Schutzherr und dein absoluter Herr.“ Der Flohgeist klang ernst. „Das solltest du um seiner Stellung willen nicht vergessen.“ „Hat das Inu Yasha auch gemacht?“ Das konnte sie sich nicht vorstellen. „Er war ein Mann und die Nummer Zwei.“ Altmodisches Patriarchat! „Das ist doch ….“ „Aber auch er fragte an. Sieh, Sesshoumaru hat die Youkai, aber auch die Firma. Inu Yasha hat ihm da, eben in der Verwaltung, wirklich viel abgenommen, jetzt hat er das alles allein. Im Moment ist er noch im Schloss, danach aber in der Firma. Du weißt ja gar nicht, ob er überhaupt hier ist.“ Das mochte ja alles richtig sein, aber … „Aber er darf jederzeit bei mir hier reinschneien?“ „Theoretisch ja, aber, wenn er was von dir will, wird er dich sicher in sein Schlafzimmer rufen lassen.“ Myouga sah besorgt, wie blass sie wurde. „Kagome, alles in Ordnung?“ Er wusste nichts von der Zusage, rief sie sich in Erinnerung. „Ja, irgendwie schon. Es ist nur alles so irrsinnig, seit einigen Tagen.“ „Ja, das kann ich mir vorstellen.“ „Ich freue mich übrigens, dass es dir wieder besser geht. Hast du so mit Inu Yasha mitgelitten.“ „Ja, sozusagen. Ich brauchte Blut, aber ich wagte nicht das seine zu trinken, da ja niemand wusste, warum er so krank geworden ist.“ „Dann hast du jetzt jemand anderen … aber …“ Er würde doch nie der Hundefamilie untreu werden? Ihre Augen wurden weit. „Sag nicht, dass du …“ „Sesshoumaru-sama war so freundlich, ja.“ „Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Aber, naja, ich kannte ihn ja auch vor fünfhundert Jahren. Da ist einiges passiert.“ „Ja. - Noriko!“ „Was soll das?“ Kagome war froh gewesen mal allein mit Myouga zu reden. „Du kannst nicht allein mit einem männlichen Wesen in einem Zimmer sein,“ erklärte der Flohgeist. Da er sah, dass sie fast in Lachen ausbrach: „Kagome, denk an deinen Ruf und an den deines Ehemannes!“ Sie konnte trotzdem keinerlei Gefahr für sich von diesem winzigen, uralten Geist ausgehen sehen. Die Hundeyoukai kam prompt und ließ sich wortlos neben der Tür nieder, doch froh, dass der alte Flohgeist wenigstens Ahnung hatte, wie man mit dieser temperamentvollen miko umgehen sollte. Kagome hätte fast geseufzt, ließ es aber vor der Youkai aus persönlichem Stolz sein. „Ich bin langsam …. ach, egal. Schön, dann erkläre mir noch ein paar Regeln, Myouga-jiiji. Und dann werde ich die Gesetze übersetzen. Da muss es einfach einen Fehler geben,“ Schön, dachte Noriko. Wieder etwas gelernt. Einen Berater des Taishou, des Ratsvorsitzenden, als Onkelchen anzusprechen war für Menschen doch eigentlich gewagt, oder? Den schien es freilich nicht zu stören. „Kagome, bedenke einfach, dass du dich wie bei Hofe verhalten musst. Also, ungefähr. Und du bist als Gefährtin eben die ranghöchste Dame. Das wirst du hinbekommen?“ Da er besorgt klang, erwiderte die miko prompt: „Ja, wenn ich weiß, was ich machen muss.“ Sie wollte den bemühten hilfreichen Geist nicht beunruhigen. Aber langsam wurde ihr klar, dass es auch die Sorge um das eigene Prestige gewesen war, das Sesshoumaru dazu gebracht hatte sie hierher zu verbannen. Nun, da sollte sie ihm zeigen, dass sie sich benehmen konnte. Und nützlich war. Alles, was sie zu Letzterem brauchte, war ein Fehler in diesem dämlichen Gesetz der Vier. „Also, erzähle.“   Sesshoumaru betrat den Privattrakt nach der Sitzung in nicht sonderlich guter Laune, gefolgt von Jaken. Myouga hatte sich bereits vor Minuten verabschiedet mit Hinweis auf den Befehl, dass er Kagome Nachhilfe in Benehmen geben sollte. Nun ja, da dürfte einiges fehlen. Sie war zu diesem Zeitpunkt achtzehn oder neunzehn, alles was sie von Youkai wusste war, dass sie sie im Notfall umbringen konnte. Sie hatte gegen Naraku gekämpft, gemeinsam mit Inu Yasha und auch ihm … Und dabei nicht unbedingt immer eine schlechte Figur gemacht. Kampffähig, ja, stur wie Inu Yasha selbst, und impulsiver als der, wozu schon etwas gehörte. Hoffentlich würde der Floh wenigstens etwas Vernunft in sie bekommen. Gut. Zwei Krieger vor ihrem Zimmer, die eilig die Köpfe neigten. Hm, warum nicht. Da er abbog, und einer der Youkai eilig die Tür öffnete, meinte er nur: „Jaken, in mein Arbeitszimmer.“ Ein Rundlick in dem Schlafzimmer ließ ihn beruhigter werden. Myouga saß da, die Gesetze lagen herum, seine sozusagen Ehefrau wirkte deutlich entspannter. Und eine Hofdame war auch dabei. Gut. „Kagome.“ Wollte er gucken, wie ihr ihr Gefängnis gefiel? Sie wollte sich schon wieder aufbäumen, erkannte gerade noch, dass Myouga fast hektisch den Kopf neigte. Ach ja, sie sollte ja höflich bleiben, zumal vor anderen. So senkte sie den Kopf und erwiderte mühsam verbindlich: „Guten Morgen, Sesshoumaru-sama.“ „Komm mit.“ Sie sprang sofort auf, mit einem geradezu eifrigen Gehorsam, der ihn fast stutzig gemacht hätte, wüsste er nicht, das sie hoffte, er habe eine Lösung dieser unsäglichen Lage. Nun, hatte er nicht, aber ihm war klar, dass sie ein Vier-Augen-Gespräch führen sollten, ehe er sich erneut mit dem Rat beschäftigen musste. Was war nur in den vergangenen Tagen aus seinem Leben geworden?   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)