A Night in Roppongi von _Delacroix_ ================================================================================ «Hi, ich bin Minako», flötete sie, als sie endlich das Ende der Schlange erreichten und beugte sich mit einem naiven Lächeln dem Türsteher entgegen. Es war ein großer Kerl mit vielen Muskeln und einem unschönen blau-schwarzen Tattoo, das sich seitlich an seinen Hals nach unten zog und vermutlich eine Schlange darstellte. - Klischee! «Cooles Tattoo», behauptete sie trotzdem und zwirbelte ganz nebenbei eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern. «Wie weit runter geht das denn?» Der Türsteher hob die Augenbrauen. «Ihre Karten bitte.» Minako lächelte etwas stärker. «Weißt du, Süßer, ich fürchte, da ist mir ein klitzekleines Missgeschick passiert. Ich bin nämlich ein ganz furchtbarer Tollpatsch und vorhin, als ich meinen Boba (3) trinken wollte, du weißt schon, mit so einem ganz großen Strohhalm ... Na ja, da bin ich wohl dummerweise gegen den Becher gekommen und hab die schönen Karten unter Wasser gesetzt. Ich hatte gehofft, du kannst vielleicht trotzdem etwas für uns tun.» Sie klapperte mit den Wimpern, wie sie es sonst nur zu tun pflegte, wenn sie wirklich dringend etwas wollte. Der Türsteher schüttelte den Kopf. «Keine Karten, kein Einlass», grollte er. Minako warf die Haare zurück und beugte sich noch ein bisschen weiter nach vorne, sehr bemüht ihrem unwilligen Opfer einen günstigen Blick auf ihr Dekolleté zu bieten. «Bist du dir da ganz sicher?», säuselte sie. Der Türsteher blickte sie perplex an. «Allerdings», entgegnete er. «Keine Karte, kein Einlass.» Minako blinzelte überrascht. Wenn sie diesen Move bei ihren Klassenkameraden nutzte, bekam sie normalerweise immer was sie wollte. War dieser Typ kaputt, oder erkannte er ihre Schönheit nicht? «Wirklich?», fragte sie, die Stimme vielleicht eine Nuance höher als geplant. Vielleicht war jetzt der Zeitpunkt, wo sie es mit Weinen versuchen sollte. Krokodilstränen waren vielleicht nicht unwiderstehlich, aber doch ein Mittel, das die meisten Männer dazu brachte, von ihrem Standpunkt abzurücken. Manchmal funktionierten Tränen sogar bei ihrem Drachen von einer Mutter. Minako atmete tief durch und versuchte an etwas möglichst Trauriges zu denken. Hätte Bunny sie begleitet, sie hätte sicher sofort zu heulen beginnen können, doch jetzt musste sie es irgendwie alleine schaffen. Und sie durfte dabei nicht so aussehen, als würde sie das Ganze aus langer Hand planen. Ihre Gedanken schweiften zu ihrer letzten Mathearbeit. Zu der furchtbar schlechten Punktzahl und zu ihrer Mutter, die ihr ein weiteres Mal lautstark versichert hatte, dass sie ihr sicher keine teure Privatuniversität bezahlen würde, nur weil sie es nicht schaffte, ein paar einfache Zahlen zusammenzurechnen. Mühsam brachte sie ein Schniefen heraus, öffnete ihre Augen und blickte zu dem Türsteher, der bereits drauf und dran war, sich dem Nächsten zuzuwenden. «Aber, aber, aber ...», stammelte sie, vor ihrem inneren Auge nach wie vor den hässlichen roten Kringel mit der Zwölf darin. Auf Befehl loszuheulen war wirklich ganz schön schwierig. «I-Ich ...», schluchzte sie, da legte sich von hinten eine Hand auf ihre Schulter. «Sie gehört zu mir.» Der Türsteher vor ihr sank in sich zusammen. «N-Natürlich, Sir», beeilte er sich, zu erwidern, bevor er zur Seite sprang und sich tief verneigte. «Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Sir.»   Minako zog die Stirn kraus. «Und was war das?», wollte sie wissen, kaum das sie den Türsteher hinter sich gelassen hatten und einen engen, dunklen Gang betraten, der in das Innere des Klubs zu führen schien. «Watanabe-kun.» Sie warf Kunzite einen skeptischen Blick zu. «Du kennst den Kerl?», fragte sie weiter. Diese unwichtige Information hätte er ihr vielleicht mal fünf Minuten früher geben können, dann hätte sie sich die Nummer mit den falschen Krokodilstränen gespart! Kunzite seinerseits zuckte mit den Schultern. «Flüchtig», gestand er. «Das hier muss eine seiner Nebentätigkeiten sein.» Vom Ende des Ganges schallte ihnen laute Musik entgegen und Minako beeilte sich, sich wieder an den Arm ihres Begleiters zu hängen. Wenn sie gleich in einem Saal voller tanzender Menschen landeten, wollte sie ihn nicht verlieren. «Denk dran», rief sie ihm über die Musik hinweg zu, «Wir suchen nach allem, was irgendwie verdächtig ist.» Dann trat sie durch einen schweren Samtvorhang und erstarrte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)