Flucht von KatieBell (Ein Lächeln verändert alles) ================================================================================ Kapitel 16: Frei sein --------------------- Ohne dass er es bemerkte, beobachtete sie ihn. Katie saß im Schlafraum auf ihrem Bett und konnte durch die offenen Vorhänge wunderbar bis in den Küchenabschnitt schauen. Marcus stand an der Arbeitsplatte, vor einem Gasbrenner und rührte einen Kochlöffel im Topf herum, der auf diesem Brenner stand. Neben ihm standen zwei geöffnete Dosen Ravioli, die er zuvor in den Topf gegeben hatte. Katie seufzte und ließ ihre Schultern hängen, während ihr Blick wieder auf ihr Notizbuch fiel. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Bleistift. Ihr linker Ellenbogen stützte sich auf ihr Bein ab, während die Hand ihren Kopf hielt. In ihren Gedanken schwirrten so viele Gedanken umher, die sie kaum ordnen konnte. Also hatte sie wieder angefangen einfach drauf los zu schreiben. Und aus willkürlichen Worten, fiel ihr währenddessen einige Zeilen eines Liedes ein, welches sie sich Zuhause öfters angehört hatte. In der Zeit daheim,... hatte sie sich nicht nur barrikadiert, sondern war auch regelrecht am Laptop ihres Vaters versunken. So kam es, dass sie auf Amewu stieß. Einen Muggel-Musiker, dessen Lied „Wenn“ ihr so aus der Seele sprach, dass sie es immer und immer wieder angehört hatte. Und wie von selbst, schrieb sie die Zeilen in ihr Buch, die sie zumindest noch zusammenbekam. Wenn bunte Farben in deinen Augen nur grau erscheinen. Und alle außer dir einfach durch diese Mauer schreiten. Wenn deine Bauarbeiten ersetzt werden durch Trauerzeiten. Wenn nichts das Nichts davon abhält, sich weiter auszubreiten. Wenn Himmel Hölle ist und Erde irgendwas dazwischen. Gewinn die Völker frisst, und Werte durch Wirtschaft verwischen. Wenn meine Stimme bricht bei dem Versuch, es auszusprechen. Und ich noch innerlich versuche, etwas rauszupressen. Wenn Wellen brechen, was dein war, weil sie zu riesig sind. Wenn der Boden bebt, als ob plötzlich ein Krieg beginnt. Wenn Luft dich tötet, obwohl du sie doch zum Atmen brauchst. Wenn eine falsche Sonne scheint und dir die Nacht als Tag verkauft. Sie stoppte, als sie den Punkt gesetzt hatte. Wie nah diese Worte, ihre Seele widerspiegelten, wurde ihr erst jetzt wirklich bewusst. Obwohl sie keine fröhliche, bunten Farben sah und auch kein grau. Eher ein Dunkelgrau, bis schwarz. Und jedes Mal wenn sie überlegte, Marcus mehr zu erzählen, verwarf sie den Versuch wieder, da es so unfassbar schwer war, über ihre Ängste zu sprechen. Bisher schlug sich der ehemalige Slytherin ziemlich tapfer. So ganz nicht Slytherin-like. Aber was wäre, wenn er es erfahren würde? Er würde sie vermutlich für verrückt erklären. Durchgeknallt. Eine Irre. Katie hatte vor seiner Reaktion am meisten Angst. Die Furcht davor, nicht verstanden zu werden und dass er dann doch das Weite suchte. Sie alleine ließ. In der Nacht, in der sie sowieso nie schlafen konnte. Wann hatte sie das letzte Mal richtig tief geschlafen? Als sie im Koma lag vermutlich. Tagebuch hat sie darüber nicht geschrieben. Ihre Kräfte hatte sie schon längst verloren. Ein Grund mehr, wieso sie sich nicht bereit fühlte, ihren Zauberstab an sich zu nehmen. Das letzte was sie wollte war, einen Ausbruch mit Stab zu erleiden. Sie könnte Marcus verletzen. Oder sich selber. Sie konnte sich einfach nicht mehr selbst einschätzen. Ihr daher einen Zauberstab in die Hand zu drücken, war mehr als unverantwortlich. „Hier.“, durchfuhr Marcus Stimme ihren Gedankenfluss und panisch schlug sie das Notizbuch zu, bevor sie aufschaute. Der Schwarzhaarige hatte ihr einen Teller hingehalten, gefüllt mit dampfenden Maultaschen und Tomatensoße. „Danke.“, sagte sie leise, bevor sie den Teller nahm, das Buch auf einen Nachttisch warf, um dann das Essen auf ihren Beinen ab stellte. Er lächelte kurz, bevor er sich an ihre Seite setzte. Ebenso mit einem Teller Ravioli bewaffnet. Sie aß ohne weiteren Kommentar. Immerhin kam allmählich ihr Appetit zurück. Nach diesem langen Fußmarsch, war das langsam echt nötig. Marcus sah sie eh immer viel zu skeptisch an, sobald es ums Essen ging. Als würde er denken, sie würde bald von der Stange fallen. Zugegeben. Sie hatte deutlich abgenommen, was ihr Unwohlsein immer mehr verstärkte. Wahrscheinlich war sie mittlerweile auch untergewichtig. Ein Rippengestell und absolut nicht schön anzusehen. Ganz zu Schweigen von ihren tiefen Augenringen. Ein Wrack sozusagen. Und während sie einen Löffel nach dem anderen in den Mund schob, fragte sie sich erneut, womit sie Marcus Geduld verdient hatte. Jeder andere wäre schon kreischend davon gelaufen. So jemand wie sie, brauchte doch niemand. „Wenn du noch Hunger hast, für einen Teller hab ich noch was.“, erhob er erneut seine Stimme, doch sie schüttelte den Kopf. „Danke, aber das reicht. Du machst eh schon mehr bei mir drauf.“ „Das ist dir aufgefallen?“, lächelte er kurz und kratzte gerade die Tomatensoße zusammen. Katie sah zu seiner Seite auf und fragte sich auch, wie er so unbeschwert manchmal sein konnte. Sicherlich überspielte er auch einige Dinge. Aber er versuchte immer sie mit etwas Witz aus der Reserve zu locken. „Wenn wir nach Hause kommen, muss ich sicherlich wieder Kalorien anfressen, um im Quidditch überhaupt zu bestehen.“, grinste er weiter und sie ließ den Löffel klirrend in den Teller fallen. Abrupt sah er nun ebenso zu ihr auf, doch sie wich ihm direkt aus. „Was ist los?“ Nach Hause kommen. Kamen sie überhaupt jemals wieder nach Hause? Diese Frage hatte sie sich bisher noch nie gestellt. Obwohl es nun schon so lange her war, dass sie in ihrem eigenen Bett geschlafen hatte. „Katie?“, fragte er erneut nach, „Hab ich was falsches gesagt?“ Sie atmete tief durch, bevor sie ihre Gedanken offen aussprach. „Meinst du, wir kommen je wieder nach Hause?“ Sie sah im Augenwinkel, wie er ebenso den Löffel senkte. Es dauerte einige Zeit, bis er antwortete. „Sicher. Mach dir keine Sorgen darum. Das Gute gewinnt immer, oder?“ Sie rutschte mit ihrem Körper zur Seite, in seine Richtung. „Ich fühl mich mies.“, schoss es so schnell über ihre Lippen, dass sie es nicht aufhalten konnte. „Wegen?“ „Ich... bin hier. Wir sitzen hier fest, während alle anderen dagegen kämpfen. Das ist nicht... richtig.“ „Wir hatten keine Wahl, Katie. Du bist alles andere, als dazu fähig in einen Krieg zu ziehen.“, murmelte er und lenkte seinen Blick gen Teller, „Es ist besser so.“ „Aber-“ „Was würdest du denn machen?“, stellte er die Gegenfrage und sah wieder zu ihr, „Stablos. Nicht fähig rational zu denken. Taktisch. Hier geht es weder um einen Pokal, noch um irgendeine Prüfung, Liebes.“, sagte er ernst und seufzte, „Es ist gut so, wie es ist. Ehrlich gesagt,... wenn du... nicht so eingeschränkt wärst, wäre es mir eh lieber gewesen, dich nicht an vorderer Front zu sehen.“ „Weil du es mir nicht zutraust.“, deutete sie seine Worte. „Nein.“, kam es energisch zurück, „Weil ich Angst habe, dich zu verlieren. Das ist es mir nicht wert. Lieber würde ich... auf einen anderen Kontinent mit dir fliehen, als dass du mitten im Krieg stehst.“ „Wenn aber-“, begann sie erneut, doch wieder unterbrach er sie direkt. „Nichts aber. Diese Debatte steht gar nicht zur Verfügung, okay. Wir sind nicht in der Situation, in der wir es uns aussuchen können.“ „Aber nur... rein rhetorisch gesehen...“ Sie konnte das Thema jetzt nicht sein lassen. Immerhin war es endlich eine Sache, mit der sie mit ihm offen darüber reden konnte. Marcus seufzte und stellte seinen Teller auf den Boden ab, bevor er mit seinen Händen durch seine Haare fuhr und lautstark seufzte. „Gut. Wahrscheinlich würde ich auf deinen wundervollen Dickschädel treffen, mit der man Titanwände einschlagen könnte und am Ende, würden wir mitten in einer Schlacht stecken. Zufrieden?“ „Ja.“, nickte sie und konnte sich dann, merkwürdigerweise ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. „Und selbst dann, würd ich dein Leben, immer über das meine stellen.“ Ihr Kopf hob sich erneut zu seinem und wieder lächelte er, wenn auch seine Mimik eine leichte Spur von Ernsthaftigkeit hatte. Katie wollte etwas darauf erwidern, doch plötzlich stand er auf. Sie sah ihm irritiert hinterher. Er verschwand kurz in einem Nebenzimmer, in denen sie ihre Reisesachen verstaut hatten, als er kurze Zeit wieder vor ihr stand. Sie wollte fragen, was los war, als er ihr dann etwas reichte. Ein unförmiges Päckchen in blauem Geschenkpapier eingepackt, mit weißen Alpakas darauf. Sie zog eine Augenbraue noch oben. „Was zum-“ „Es ist Mitternacht. Happy Birthday.“ Sie blinzelte ein paar Mal mehr, als gewöhnlich und sah zu ihm auf. „Du hast daran gedacht?“, hauchte sie, als Marcus ihr das Geschenk einfach in den Schoß drückte. „Natürlich.“, grinste er wieder unverschämt und setzte sich erneut neben sie, „Denkst du ich vergesse deinen Geburtstag, nur weil wir in der Pampa sitzen?!“ „Na ja... ehrlich gesagt, hab ich das selbst vergessen.“ „Tja...“, zuckte er mit den Schultern, „Los pack aus.“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sie war in letzter Zeit vieles. Nachdenklich, melancholisch, oft unzufrieden mit dem Lauf der Dinge. Aber das hier, ließ sie breiter lächeln und kurz diese gesamte Situation vergessen. Wie ein kleines Kind, zerriss sie das Geschenkpapier und keuchte, als etwas starres, glitzerndes, grünes Etwas in ihr Auge stach. Kurz huschte ein Blick zu Marcus, der sie nur weiterhin grinsend ansah, bevor sie das restliche Papier entfernte. Zum Vorschein, kam die Drachenfigur, die sie noch auf dem Dorffest so bewundert hatte. „Marcus...“ „Ich wusste dir gefällt's.“, grinste er immer noch über beide Ohren. Wie Recht er damit hatte. „Wie hast du...“ „Du hast es ewig angestarrt, aber du sagst nie gerade heraus, was du willst. Ich muss ständig raten, was dich anspricht.“, sagte er, „Eigentlich... wollte ich Karten für die Holyhead Harpies besorgen zu deinem 17. Geburtstag. Mit VIP-Plätzen, Rundum Komfort. Übernachtung, Frühstück. Ein Wochenende nur wir beide. Aber... na ja... fiel ins Wasser...“, sagte er leise zum Schluss, „Also... die Figur. Notlösung. Ich hab mich daran erinnert, wie irre du abgegangen bist beim Trimagischen Turnier, als die Drachen in der Arena waren.“, sagte er und ihre Augen weiteten sich. „Das war... ein Jahr bevor du mich überhaupt wahrgenommen hattest.“, sagte sie argwöhnisch. „Und? Deine laute Rufe, mit den Weasley Zwillingen, konnte man kaum überhören.“ Es war lange her, dass sie rot anlief. Aber das hier war so ein Moment. Sie erinnerte sich ebenfalls gut daran, wie sie mit Fred und George über die Zuschauertribünen gelaufen war und die Wetteinsätze begutachtet hatte und wie sie am Ende bei Harrys Prüfung den Ungarischen Hornschwanz angefeuert hatten... Im Nachhinein war das mega peinlich. Aber hey, sie war ein Teenager und absolut Drachenfanatisch. Dass er das allerdings mitbekommen hatte, gab der Sache noch eine extra Note von Scham dazu. „Du bist verrückt.“, murmelte sie und versuchte diesen peinlichen Moment zu übergehen, indem sie die Figur in ihren Händen drehte. „Verrückt nach dir.“ Sie stoppte in der Bewegung und sah ihn wieder so sanft lächeln, dass es schwer in ihrem Herzen wurde. Der nächste Impuls kam so schnell, dass sie es selbst nicht begreifen konnte. Sie stellte die Figur hinter ihrem Rücken auf das Bett ab, so dass sie ihre Hände frei hatte und legte diese auf seinen Hals ab. Sie zog ihn einfach zu sich und er ließ es geschehen. Ihre Lippen, rau und spröde, aber mit so viel Leidenschaft traf sie seine. Ihr Kuss wurde im nu erwidert und sie spürte zugleich seine Hände auf ihrer Taille. Hielten sie fest und sie fühlte sich wie zurückgeschleudert in die Vergangenheit. In das Klassenzimmer von Zaubertränke. Als sie ihn das erste Mal geküsst hatte. Es war wie früher. Als alles noch in Ordnung war. Als sie die Schmetterlinge in ihrem Bauch fand, wenn sie an ihn dachte und... an die Sommerferien, nach seinem Abschluss. Marcus zog sie näher zu sich, sodass ihr Oberkörper seine Brust berührte und spürte, wie er den Kuss vertiefte. So schön und... auf einmal wollte sie mehr als das. Am liebsten wäre es, er würde sie nie mehr loslassen. Sie würden einfach hier alles vergessen und- Doch abrupt löste er schwer atmend den Kuss. „Ich hab... noch eine kleine Überraschung.“, hauchte er leise. „Hä?“, kam es nur wirr aus ihrem Mund, da sie die plötzliche Kehrtwende von ihm nicht nachvollziehen konnte. Als sie in den Sommerferien bei ihm war, fing es genauso an und sie war es damals gewesen, die das ganze dann unterbunden hatte. Jetzt war sie schon so weit in ihren Gedanken, dass alles über Bord zu werfen und was tat er? Es verwirrte sie schlicht und einfach. „Ich... hab deine Zeichnung gesehen.“ „Welche...“, sie räusperte sich und schluckte den Kloß hinunter, „... Zeichnung?“ „Die vom... Quidditchfeld. Du vermisst das Fliegen, oder?“ „Bisschen.“, gab sie kleinlaut zu und nun entfernte sie sich selbst von ihm. Diese Situation war ihr nun zu merkwürdig. „Ich hab meinen Besen dabei. Wenn du willst,... kannst du morgen ein paar Runden darauf fliegen.“ „Du lässt nie jemand auf deinen Besen.“, hakte sie wissentlich nach. „Ausnahmen bestätigen die Regel.“, zuckte er mit den Schultern, „Er ist mir heilig, ja. Aber-“ „Heilig warum? Weil du ihn von Malfoys Vater gesponsert bekommen hast?“, fragte sie erneut nach und verschränkte ihre Arme ineinander. „Nei- ja. Gut. Erwischt. Aber du musst mir schon zustimmen, dass mir schwarz steht.“ „Blödmann.“, grinste sie dann doch und schubste ihn leicht, bevor sie noch einmal nachfragte, „Morgen? Vor... oder nach dem Frühstück?“ „Weder noch...“, sagte er dann jedoch vorsichtig, „Es gibt eine Voraussetzung.“ „Welche?“ Okay, jetzt wurde ihr doch wieder mulmig zumute. Der Nimbus 2001 war nicht ohne Grund sein wertvollster Besitz, wenn es auch mittlerweile schnellere Besen gab. Und auch, wenn sie es ihm nie unter die Nase reiben würde. Schwarz stand ihm verdammt gut. „Du trainierst mit mir.“ „Quidditch?“ „Nein.“, schüttelte er direkt den Kopf, „Verteidigungszauber. Duellieren. Ich bring dir alles bei, was ich weiß. Jeden Zauber, jeden Fluch...“, er stoppte kurz, bevor er seine Aussage definierte, „Okay, nicht jeden Fluch...“ Ihre Nackenhaare stellten sich bei dem Gedanken sofort wieder auf. „Vergiss es.“, schaltete sie direkt auf Notschalter. „Katie...“ „Ich kann das nicht.“ „Doch, du kannst. Nein, du musst.“, korrigierte er sich, „Wir fangen auch klein an. Das ist die einzige Bedingung, die ich habe.“ Sie befeuchtete ihre Lippen und sah ihn skeptisch an. „Ich weiß, du hast Angst, dass du dich entfremdet haben könntest, aber das stimmt nicht. Du brauchst einfach nur ein bisschen mehr Selbstvertrauen. Wir kriegen das schon wieder hin.“ „Wie sieht... klein aus?“, kam es leise über sie. „Normale Selbstverteidigung. Damit du dich wehren kannst, für den Notfall. Mehr will ich gar nicht.“ Sie schluckte zögerlich. Es war für sie eine Horrorvorstellung morgenfrüh ihren Zauberstab wieder in den Händen halten zu müssen. „Angenommen... du merkst, wie ich Anzeichen zeige eines Ausbruchs-“ „-hören wir sofort auf.“, versicherte er ihr. Aber wenn sie dafür wenigstens ein bisschen sich frei fühlen durfte. Danach? „Und ich darf auf deinem Nimbus fliegen?“, fragte sie noch einmal deutlich nach. „Paar Runden. Kurz Höhenluft schnuppern.“ Würde sie es in Kauf nehmen. „Abgemacht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)