Im Nebel der Vergangenheit von Charly89 (Mystery Spell) ================================================================================ Kapitel 13: Beichtvater ----------------------- Erkannter Irrtum führt zur Wahrheit. Kazimierz Bartoszewicz     EEs fühlt sich an als wäre Emma im Nichts; in einem Raum jenseits der Existenz. Keine Gedanken, keine Kälte oder Wärme, keine Emotionen. Eine große stille Leere. Nach all den Dingen der letzten Tage hat es etwas Friedliches hier zu sein … Unerwartet spürt sie Druck an ihrer Schulter; wieder und wieder. Sie wehrt sich zunächst dagegen, weil sie nicht gestört werden möchte. Es ist schön hier, so ohne alles … Doch der Druck wird kräftiger und das Nichts füllt sich allmählich. Wie Nebel an einem Herbstmorgen zieht die Realität langsam wieder auf. Es seufzt schwermütig und amüsiert. „Warum kannst du nicht einfach tun was wir dir sagen?“, flüstert es. Schwerfällig öffnet die Studentin die Augen. Das Zimmer ist dunkel und sie liegt auf der Seite in einem Bett. Vor ihr hockt Nicolae und sieht sie wohlwollend an. „Du?“, fragt sei leise und ist noch immer verwirrt. Ihr Geist hängt noch zwischen Schlaf und Wachsein fest und sie kann sich einfach nicht erklären wo sie ist; und warum. „Das kleine Ding; überrascht uns immer wieder“, neckt Drogo, der im Türrahmen steht. Auch er spricht betont leise. Das Kindermädchen ist irritiert über dieses extrem ruhige und vorsichtige Verhalten der beiden. An ihrem Brustkorb regt sich plötzlich etwas und sie sieht an sich herab. Ein rosa Haarschopf ist an ihren Oberkörper gekuschelt und ein kleiner Arm um sie gelegt. Erst jetzt registriert die junge Frau das sie nicht in ihrem eigenen Bett liegt; nicht in ihrem eigenen Zimmer ist. Angestrengt denkt sie nach und versucht die Bruchstücke wieder zusammen zubekommen. Sofort hat sie das Weinen des kleinen Mädchens wieder im Ohr. Wie es gelitten hat und wie sie selbst, mal wieder, dass gemacht hat, was sie nicht sollte. Sie ist zu dem Kind gegangen, weil es ihr so schrecklich leidgetan hat und es trösten wollte. Und dann … Emma erinnert sich nicht so richtig. Es war dunkel und … leer? Ist sie eingeschlafen? War sie in der Zwischenwelt? Ohnmächtig? Sie weiß es einfach nicht. Gedankenverloren streicht sie Lorie über den Kopf und löst sich langsam von ihr. Nicolae hilft ihr dabei und deckt seine kleine Schwester anschließend zu. Drogo steht immer noch im Türrahmen und beobachtet die junge Frau ganz genau. Erst als sie und sein Bruder in seine Richtung laufen dreht er sich um und geht in den Flur. Immer noch etwas neben der Spur steht die Studentin da und sieht sich um. „Was … was war los?“, fragt sie schließlich und richtet ihren Blick auf die Männer. Der Jüngere sieht kurz zu Boden und anschließend zum Familienoberhaupt. Er scheint nicht zu wissen was er sagen soll, oder darf. Nicolae räuspert sich und seine graugrünen Augen fixieren das Kindermädchen. „Ich finde es unfassbar was du gemacht hast.“ Das ist kein Vorwurf, eher eine Anerkennung einer, eigentlichen, Dummheit, die ihm aber trotzdem Respekt abverlangte. „Lorie lässt niemanden so nah an sich heran; in den meisten Fällen nicht mal uns.“ Eigentlich sollte das etwas Gutes sein. Es bedeutet die Kleine vertraut ihr und diese zarte Verbindung zwischen ihnen ist nicht nur Resultat ihrer eigenen Vorstellungskraft, aber es fühlt sich nicht so an. Diese Aussage beunruhigt Emma aus unbekannten Gründen. Ein wenig so, als wäre es der Vorläufer einer Hiobsbotschaft. „Aber das war auch unfassbar gefährlich“, tadelt das Familienoberhaupt halbherzig. Er scheint einen Moment zu überlegen und sich unsicher zu sein, doch dann fährt er fort. „Sie hätte dich töten können …“, fügt er betreten hinzu. Nun ist die junge Frau vollends verwirrt. Er hat ihr immer versichert, dass ihr Lorie niemals etwas tun würde, dass das immer nur leere Drohungen wären und nun sagt er, dass sie es womöglich doch tun würde? Hat er sie an der Nase herumgeführt? „Aber … du hast immer …“, stottert sie und runzelt die Stirn. Inständig hofft sie, dass er ihre Frage verneint. „Unter normalen Umständen wäre dem auch so, aber im Moment ist die Lage etwas heikel“, erklärt Nicolae und legt Emma die Hand auf die Schulter und dreht sie um. Mit sanften Druck führt er sie in Richtung ihres Zimmers. „Morgen nach dem Frühstück setzten wir uns zusammen und ich werde versuchen es dir zu erklären.“ Morgen. Das Ganze kommt ihr bekannt vor, doch sie sollte nicht an ihm zweifeln – nicht schon wieder. Das Kindermädchen nickt; und gähnt anschließend. Sie ist schrecklich müde, obwohl sie doch gerade mehrere Stunden geschlafen hat. Oder? Irgendwie weiß sie nicht so richtig. An ihrer Tür angekommen dreht sie sich um und sieht das Familienoberhaupt an; ihr ist gerade noch etwas eingefallen. Etwas, dass ihr enorm wichtig ist und sie jetzt noch loswerden muss. „Es lag nicht am mangelnden Vertrauen. Ich vertraue dir, aber ich wollte nicht … ich wollte nicht …“ Betreten senkt sie den Blick. Ihr schmerzt es in der Seele, dass er wegen ihrer Geheimniskrämerei noch mehr leiden musste wie ohne schon. „Schon gut“, beschwichtigt Nicolae sie und lächelt sanft. „Ich weiß das du es nur gut gemeint hast.“ „Immerhin weiß er jetzt wie es sich anfühlt, wenn jemand es „nur gut“ mit einem meint“, spottet Drogo von Seitenlinie. Fast schon argwöhnisch mustert er seinen Bruder, und dann die junge Frau. Kurz huscht Sorge durch seinen Blick und er wendet ihn ab. Emma weiß nicht was das bedeuten soll. Tatsächlich interessiert es sie gerade auch nicht wirklich. Sie ist viel zu müde und verabschiedet sich einfach und schließt die Tür. Träge schleppt sie sich zum Bett und lässt sich fallen. Schnell und übergangslos schläft sie ein. Der nächste Tag startet unspektakulär. Die übliche Morgenroutine und anschließend Frühstück. Wie bereits am Vortag sitzt die gesamte Familie versammelt um den Tisch. Entgegen allen Erwartungen benimmt sich Lorie wie immer. Als wäre nichts geschehen. Als hätte sie nicht versucht ihr Kindermädchen zu töten. Als wäre sie nicht völlig aufgelöst gewesen und hätte geweint als gäbe es kein Morgen mehr. Der jungen Frau kommt das gelegen, auch wenn sie es merkwürdig findet. Sie hat keine Ahnung, wie sie mit dem Kind hätte darüber reden sollen. Das Schweigen und so tun als ob nichts war, ist ihr im Moment dahingehend lieber. Und der Rest der Familie scheint sich ebenfalls diesem Kredo unterworfen zu haben. Nach dem Essen verabschiedet sich der Großteil der Familie; nur Emma und Nicolae bleiben zurück. Nach einem stummen Blickkontakt wechseln sie ins Wohnzimmer. „Du siehst besser aus“, stellt die Studentin erfreut fest. Und recht unverblümt, wie ihr im nächsten Moment bewusstwird. Mit großen Augen sieht sie das Familienoberhaupt an und spürt wie ihre Wangen warm werden vor Scham. Im nächsten Moment muss sie lachen, als sie sein amüsiertes Gesicht sieht. „Danke, ich freu mich, dass ich offenbar wieder deinen optischen Vorstellungen genüge“, witzelt Nicolae und muss selber lachen. Emma weiß gar nicht was sie davon halten soll. Er macht so selten Witze, das es unwirklich ist ihn so locker zu erleben. Aber es gefällt ihr und zeigt auch, dass sie einen guten Schritt vorwärtsgekommen sind. Sie ist glücklich, dass wenigstens an dieser Fronst scheinbar alles geklärt ist. „Freust du dich auf die Uni morgen?“, fragt der Vampir und scheint sich zunehmend zu entspannen. Er sieht die junge Frau wohlwollend und herzlich an, ein bisschen wie ein Vater seine Tochter. Kurz ist sich das Kindermädchen unsicher. Versucht er einfach nur etwas Smalltalk zu betreiben, oder redet er um den heißen Brei? Schwierig … Nun, sie will ihm eine Chance geben ihr zu sagen was los ist, ohne, dass sie darauf bestehen muss. Also erstmal Belangloses, wenn es ihm so besser gefällt. „Ja. Versteh mich nicht falsch, aber es ist schön, wieder raus zu kommen.“ „Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht immer angenehm hier ist.“ Ein wenig gedankenverloren sieht das Familienoberhaupt zum Fenster hinaus. Der erste Schnee lässt immer noch auf sich warten, die Welt ist einfach nur grau und trostlos. Die graugrünen Augen richten sich wieder auf die Studentin. „Wird Professor Jones bis dahin zurück sein?“ Emma wäre beinahe von der Couch gefallen vor Schreck. Die Bartholys und Sebastian sind keine Freunde, werden sie auf Grund ihrer Arten wohl auch nie werden … Warum interessiert ihn das also? Sie ist kurz davor ihm eine gepfefferte Antwort zu geben, da sieht sie einen eigenartigen Schimmer in Nicolaes Augen. Da ist Unruhe, und tiefe Sorge. Irgendetwas sagt ihr, das die Frage nichts mit herumschnüffeln in ihrem Privatleben zu tun hat. Trotzdem fühlt sich nicht wohl mit dem Interesse des Vampirs an ihrem schönen Professor. Sie gibt sich schließlich einen Ruck. „Er sollte morgen zurück sein“, antwortet sie vage. Das Familienoberhaupt nickt. „Das ist gut.“ Kurz schweigt er und sammelt sich. Eine lange Pause folgt, bevor er endlich beginnt auf den Kern des Gesprächs einzulenken. „Das gestern Abend war nicht Lorie; also nicht wirklich sie.“ Er seufzt und ringt um Fassung. „Er hat einen sehr großen Einfluss auf sie. Ihre Verbindung ist … anders. Sie ist tiefer; mehr als nur eine bloße Schöpfer-Schützling-Verbindung.“ Die junge Frau runzelt die Stirn. „Er?“, fragt sie nach. Ihr kommt die Formulierung bekannt vor, aber sie weiß gerade nicht so recht. Der eindringliche Blick, den ihr der Vampir zuwirft und die Abscheu die sie darin sieht, erklärt allerdings recht schnell wer mit er gemeint ist. Und auch die erwähnte Schöpfer-Schützling-Verbindung. Viktor; ihr Vater, Schöpfer. Es läuft ihr kalt den Rücken hinunter und ein eigenartiges Gefühl von Beklemmung macht sich in ihr breit. Nicolae nickt ohne etwas zu sagen. Anhand ihrer Reaktion wusste er sofort, dass sie auf der richtigen Spur ist. „Er hat auch Einfluss auf uns, aber nicht in dieser Intensität. Bei ihr ist das anders, er kann …“ Nicolae schließt einen Moment die Augen, bevor er weiterredet. „Er kann mit ihr kommunizieren und sie ist sehr anfällig für seine Worte …“ Die Studentin ist überfordert und muss das erst einmal sortieren. Er, also Viktor, hat Einfluss auf das kleine Mädchen. Wohl auch aus großer Distanz. Was will er ihr damit sagen? Dann fällt der Groschen urplötzlich. „Diese kalte Aura die von ihr ausging …“, wispert sie verstört. „War er“, bestätigt der Vampir. Seine Augen suchen nach halt und schweifen durch den Raum. Schließlich bleiben sie an denen des Kindermädchens hängen. Schmerz und Ohnmacht lassen seine Stimme schwer klingen, als er weiterspricht, „Er hat Lorie benutz. Sie ist ein Kind, sie begreift die Tragweite seiner Worte nicht, lässt sich verführen und … ist am Ende die Leidtragende.“ Das Grauen packt Emma. Viktor hat das arme Mädchen benutzt um … sie zu töten? Aber warum? Und warum jetzt? Sie ist schon über ein Jahr hier … Das ergibt irgendwie keinen Sinn, oder zumindest keinen, der sich ihr erschließt. Während sie über mögliche Gründe nachdenkt, fällt ihr etwas Anderes wieder ein. Mia Cooper hatte auch von ihm gesprochen. Hat sie auch den Patriarchen der Bartholys gemeint? Falls ja, scheint er auch auf Drogo Einfluss zu haben … und er hat die arme Frau mitgenommen und ihr wer-weiß-was angetan … „Emma?“, hakt Nicolae misstrauisch nach und reißt sie so aus ihren Gedanken. Er sieht das Kindermädchen argwöhnisch an. Natürlich hat er mitbekommen, dass sie angestrengt über etwas gegrübelt hat. Und jetzt? Er weiß das sie etwas verheimlicht, schon wieder. Die Studentin ist hin und her gerissen. Sie will ihm keinen neuen Kummer bereiten, also beschließt sie mit offenen Karten zu spielen. „In der Nacht, als mich Drogo im Wald gefunden hat … Vorher bin ich jemanden anderen begegnet.“ Das Familienoberhaupt richtet sich etwas auf und scheint verunsichert. „Wem?“ „Mia. Mia Cooper.“ Die junge Frau atmet kurz durch. „Sie hat mich vor Drogo gewarnt, dass er sich nicht immer im Griff hat und, dass er einen recht großen Einfluss auf ihn hat.“ „Ja, aber das ist anders. Lorie macht es … freiwillig, daher hat er auch mehr Möglichkeiten durch sie und mit ihr. Bei Drogo hingegen … Wenn er seine Triebe nicht unter Kontrolle hat, kann sich Viktor dieser bemächtigen, aber nicht seiner selbst“, erklärt Nicolae mit betretener Stimme. Es herrscht Schweigen, eine ganze Weile. Die Studentin versucht zu begreifen, wirklich zu begreifen, was das nun bedeutet. Viktor kann Drogos Triebe kontrollieren, wenn dieser sie nicht selbst kontrolliert? Was genau heißt das? Sie will gerade fragen, da … „Sag ihm nicht, dass sie wieder hier ist“, bittet der Vampir schließlich leise und sieht sie traurig an. „Ich glaube nicht, dass ihm das guttun würde.“ Perplex sieht Emma ihr Gegenüber an. Sie denkt nach und plötzlich versteht sie den Fehler. „Sie war nicht echt. Sie war ein Seelenfragment“, erklärt sie. Wie konnte er denken, dass sie …? Ihr Malheur wird ihr plötzlich bewusst. Viktor hat sie mitgenommen, also sind die Brüder wohl davon ausgegangen, dass er sie zu einer der ihren gemacht hat … Ihr rutscht schlagartig das Herz in die Hose. Sie hat gerade extrem taktlos davon berichtet, dass die arme Mia tot ist. „Sie ist …?“ Auch wenn es nach einer Frage klingt, ist es eher eine Feststellung Seitens Nicolae. Er versteift sich und man kann es förmlich in seinem Kopf arbeiten hören. Die graugrünen Augen sehen tief und eindringlich in die des Kindermädchens. „Das … das darf er nie erfahren. Er macht sich bereits mehr als genug Vorwürfe wegen der ganzen Geschichte.“ Sie nickt; was soll sie auch sonst tun? Die junge Frau fühlt sich schrecklich unwohl wegen all dem. Und überfordert. „Ich gehe in mein Zimmer“, sagt sie leise und abwesend. Sie steht auf und geht nach oben ohne auf das Familienoberhaupt zu achten. Den Rest des Tages verlässt sie ihren Raum nicht mehr, sie igelt sich einer kleinen Blase ein und füllt sie mit Filmen und Serien. Verzweifelt versucht sie alle Erkenntnisse, Informationen und Geschehnisse seit dem Start des Jahres, der erst vor vier Tagen war, weit von sich zu schieben. Dieses Jahr sollte doch besser werden, aber nun ist es noch schrecklicher wie das letzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)