Der Sommer, den wir bei Garroway's verbrachten von DieLadi ================================================================================ Kapitel 2: Vorbild und Schandtat -------------------------------- Die Morgensonne fiel auf Alecs Gesicht und er rümpfte die Nase. „Zu hell!“, brummte er. Ein Kichern durchbrach die Stille. „Mmmpf“, grummelte Alec, „will schlafen!“ Alec war durchaus ein Frühaufsteher, sein streng geregeltes Leben am Institut in New York ließ gar nichts anderes zu. Aber hier im Urlaub, möglicherweise die letzte wirklich entspannende Zeit in seinem Leben, gedachte er, entgegen seiner Gewohnheit bis in die Puppen zu schlafen. Nun, Isabelle hatte offenbar andere Pläne. „Aufstehen, Schlafmütze!“, rief sie und warf Alec ein Kissen, das sie offenbar aus Jaces Bett geklaut hatte, ins Gesicht. „Mann!“, knurrte Alec. Doch dann richtete er sich auf. Sein Blick fiel auf das Bett seines Adoptivbruders auf der anderen Seite des lichtdurchfluteten Raumes. „Ist Jace schon aufgestanden?“ „Ja“, kicherte Izzy. „Der hat sich schon früh aus dem Staub gemacht, noch bevor Mom und Dad aus den Federn sind. Die haben mich übrigens geschickt. Es ist schon neun Uhr, mach dich fertig, dann gehen wir frühstücken!“ Neun Uhr. Alec hatte vorgehabt, bis mindestens elf Uhr im Bett zu bleiben. Aber Izzy kannte keine Gnade. Also gut. „Ich komme ja schon.“ Eine halbe Stunde später trat er frisch geduscht und angezogen - wie immer in schwarz - in den großen Wohnraum des Bungalows. „Alexander“, sagte Vater mit strengem Ton. „Ich erwarte, dass du ab morgen pünktlich um neun Uhr fertig bist, so dass wir gemeinsam zum Frühstück aufbrechen können!“ Izzy, die hinter den Eltern stand, verdrehte die Augen, und Alec musste sich ein Grinsen verkneifen. Dennoch ärgerte er sich. Ehrlich, sein ganzes Leben lang war er der brave, gehorsame Sohn. Der pflichtbewusste Schattenjäger. Der zielstrebige zukünftige Leiter des Instituts. Konnte man ihn da nicht einmal hier, in den Ferien, in Ruhe lassen? Aber er hatte keine Lust auf Streit, deswegen sagte er nur: „Ja, Vater.“ „Wo steckt eigentlich Jace?“ Maryse zog die Augenbrauen hoch. „Bin hier draußen!“ Jace stand auf der Veranda, zu allen Schandtaten bereit. „Siehst du, nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder“, sagte der Vater ernst. Diesmal schwieg Alec. Dazu würde es kein ‘Ja, Vater’ geben. Wie oft wurde ihm Jace als Vorbild vorgehalten? Ausgerechnet Jace, der ein Draufgänger war, und eine Menge Dinge ausheckte, von denen die Eltern nie erfuhren … Nein, Alec hatte eine Grenze dessen, was er am ersten Urlaubsmorgen zu ertragen bereit war. Und das gehörte nicht dazu. Nun, Jace selber konnte nichts dafür, der war von der Sache genau so genervt wie Alec. Auch er verdrehte versteckt die Augen, und das machte es für Alec wieder besser. Und das freche Grinsen, das sich auf Jaces Gesicht zeigte, war ebenso geeignet, Alecs Stimmung zu verbessern. Der Tisch, der für sie im Restaurant im Hauptgebäude bereit stand, war elegant eingedeckt. Die Eltern legten Wert auf einen gewissen Stil, das war sicher auch ein Grund, weshalb sie das Garroway’s ausgewählt hatten. Das - und die Tatsache, dass sich die Schattenjäger hier als das geben konnten, was sie waren. Sie konnten sich über alles unterhalten, was das Schattenjäger-Leben betraf, denn: es gab hier nur wenige Mundis, und wenn, waren es welche, die über die Welt der Schattenwesen und der Schattenjäger Bescheid wussten. Außerdem waren die Angestellten hier zum großen Teil Schattenwesen. Das Abkommen zwischen dem Rat der Schattenjäger und den Führern der Schattenwesen hatte ermöglichst, dass letztere in Frieden leben konnten, sofern sie keinem Mundi Schaden zufügten. Das Garroway’s bot Schattenwesen einen guten und sicheren Arbeitsplatz, und so kam es, dass es hier Elfen, Werwölfe und Hexen gab. Sie machten ihre Jobs im allgemeinen sehr zu Luke Garroways Zufriedenheit. Vampire allerdings hatte er nicht unter seinem Personal, und jeder, der sich mit Schattenwesen auskannte, konnte das verstehen. Nicht, dass es nicht auch anständige Vampire gab, sicher tat es das. Aber insgesamt gesehen waren diese einfach zu unberechenbar, und Luke wollte seine Gäste keinen unnötigen Gefahren aussetzen. Unter den Gästen jedoch waren keine Schattenwesen. Oh nein. Als Angestellte waren sie gut und schön, da konnte und musste man sie mit einem professionellen Respekt behandeln. Aber als gleichwertige Wessen? Nun das waren sie nach Meinung der meisten Schattenjäger nun mal nicht, und es wäre kaum jemandem eingefallen, sich auf einer privaten Ebene mit ihnen abzugeben. Alec sah das anders. Wie sollte es denn dauerhaft ein friedliches Miteinander zwischen ihnen und den Schattenjägern geben, wenn die einen als blutrünstige Rächer betrachtet wurden, und die anderen als minderwertige Wesen, die man eben tolerieren musste? Aber solche Gedanken bei seinen Eltern oder gar dem Rat zu äußern … Nun, Alec war nicht gerade lebensmüde. Vielleicht würde er ja eines Tages, wenn er das Institut leitete, Veränderungen herbeiführen können … nun, bis dahin würde noch viel Wasser den East River hinunter fließen, und hier und heute war nicht der Moment, sich darüber Gedanken zu machen. Alecs Sinne wandten sich daher dem Frühstück zu. Luke Garroway war an ihren Tisch getreten, um Robert und Maryse Lightwood, immerhin Vorstände eines der wichtigsten Institute der Welt, in seinem Resort zu begrüßen. Er winkte einen jungen Mann heran, der perfekt in Kellneruniform mit schwarzer Hose, weißem Jackett und weißer Fliege gekleidet, äußerst elegant wirkte. „Das ist Raphael“, sagte er. „Er ist ein Elf und wird Ihr persönlicher Kellner sein. Wann immer Sie etwas wünschen, wird es ihm eine Freude und eine Pflicht zugleich sein, es für Sie und Ihre Familie zu beschaffen.“ Raphael war für einen Elf ungewöhnlich dunkel. Er hatte beinahe schwarzes Haar und glänzende dunkle Augen. Sein Gesicht war vergleichsweise braun gebrannt. Normalerweise waren Elfen eher von helleren Farben. Aber auch da gab es persönliche Unterschiede, und die schlanke, feingliedrige Gestalt sowie die spitz zulaufenden Ohren wiesen ihn eindeutig als einen Angehörigen des lichten Volkes aus. „Zu Ihren Diensten, Familie Lightwood“, sagte der junge Mann, und sein Blick blieb einen Augenblick länger an Izzy hängen, als an den anderen. Alec schmunzelte. Das war verständlich, den Izzy war nunmal eine Augenweide. „Ich bringe Ihnen erst einmal Kaffee, wenn es recht ist?“, fragte der Kellner mit einer Stimme wie schmeichelnde Seide. Alle nickten zustimmend, und Izzy, nun, auf Izzys Wangen schlich sich eine sanfte Röte, die Alec von seiner selbstbewussten und vorlauten Schwester so nicht gewöhnt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)