Die letzte Ehre von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 29: 29. The Way of Origami ---------------------------------- Xiang zitterten vor Angst, während Chiwa die Seile um seine Flügel enger zog. Der blaue Pfau lag auf dem Rücken, ausgestreckt auf einem Tisch, seine Flügel und Beine mit jeweils einem Seil an einem Tischbein festgebunden. Nachdem das letzte Seil seinen Platz gefunden hatte, beschaute Chiwa sich zufrieden ihre Arbeit. Anschließend streckte sie ihren Flügel nach ihrem hilflosen Neffen aus und strich mit einem Federfinger über seinen Kopf, über seinen Schnabel, dann über seinen Hals. Der ganze Körper des Pfaus bebte unkontrolliert unter ihrer Berührung. Er murmelte etwas, was wie ein Flehen klang. Die Schnur trug er immer noch um seinen Schnabel. Doch seiner Tante ließ sein Bitten völlig kalt. Mit langsamen Schritten begab sie sich zum kleinen Tisch, wo die vielen Messer lagen. Mit einem wehmütigen Lächeln hob sie eines der Messer auf und betrachtete sich darin im Spiegelbild. „Ach, mein lieber Xiang“, säuselte sie vor sich hin. „Ich dachte schon, ich müsste dich beerdigen, wenn mir schon die ersten grauen Federn gesprossen wären. Aber das wäre doch sehr unfein, oder?“ Sie schielte mit ihren dunklen Augen zu ihm rüber. Doch Xiang sah sie nicht an. Er starrte an die Zimmerdecke und atmete so schwer und schnell, dass sich sein Brustkorb sichtbar hob und senkte. Chiwa schmunzelte und begab sich wieder zu ihm, wobei sie sich flüsternd zu ihm herunterbeugte. „Na, hat dich dein ehemaliges Töchterchen so nett zu mir geführt, dass du dich jetzt darüber ärgerst?“ In dieser Sekunde sog Xiang scharf die Luft ein. Die dunkle Pfauenhenne lachte. „Hab ich den wunden Punkt getroffen, ja? Oh, tu kannst einem wirklich leidtun.“ Sie wandte sich wieder ab. Dem blauen Pfau stiegen inzwischen allmählich die Tränen in die Augen. Egal was andere behaupteten, aber für ihn war es klar, dass alle Frauen nur Verräter waren. „Ich entschuldige mich für die Verzögerung“, redete Chiwa weiter, wobei sie das eine Messer wieder an seinen Platz legte und stattdessen eines von Shens Federmessern in den Flügel nahm. „Es wäre bestimmt schneller gegangen, wenn du dich nicht selber so tief in den Abgrund gestoßen hättest.“ Sie schnalzte mit der Zunge. „Ich frage mich, was deine Mutter heute von dir denken würde. Ihr eigener Sohn, von den Hunnen festgenommen? Wie peinlich.“ Sie drehte sich wieder zu ihm um und sah tadelnd auf ihn herab. „Das hat mir die Arbeit doppelt erschwert. Denn man wollte nicht rausrücken, wohin sie dich verfrachtet hatten.“ Sie kam näher. Xiang spannte seine Muskeln an. Chiwa verzog den Schnabel und strich Xiang eine Feder glatt. „Also wirklich, du hast dich mit deinem Gefieder auch nicht gut gehalten. Du bist wirklich kein Ebenbild von einem Mann.“ Sie betrachtete das Federmesser in ihren Flügeln und drehte es nachdenklich. „Aber keine Sorge. Bald musst du dich nicht mehr länger mit deinem Aussehen herumquälen.“ Erneut strich sie über die scharfen Klingen. „Und eigentlich müsste ich diesem bleichen Vogel danken. Er hat meine Fantasie etwas angekurbelt.“ Xiang erstarrte, als sich das Federmesser zu ihm herabsenkte und sie die spitze Klinge auf seinen Brustkorb drückte. „Du kannst also genau dabei zusehen, wie dein Herz langsam aufhört zu schlagen.“ Ihr Blick wanderte zur Seite. „Und gib dir gefälligst Mühe. Deine Mutter schaut uns ebenfalls dabei zu.“ Xiang schaute zur Seite. Das Ölgemälde von seiner Mutter und seiner Tante stand nicht weit von ihnen entfernt an der Wand gelehnt. Xiang kniff die Augen zusammen, was Chiwa nur amüsierte. „Das weckt Erinnerungen, nicht wahr?“, raunte sie ihm zu. „Nur wirst du diesmal keine Möglichkeit haben, dich deiner Strafe zu entziehen.“ Sie strich ihm über den Brustkorb. „Ich werde ihre Arbeit für sie beenden. Aber nach meiner Methode. Meine Schwester war da mehr ein Freund der Strangulation.“ Sie drückte ihm ein wenig den Hals zu. „Aber ich bevorzuge immer noch die scharfkantige Methode.“ Wieder hielt sie ihm das Messer vor. Mit weitaufgerissenen Augen starrte er darauf. Chiwa kicherte. „Ich sehe, du willst es mir am liebsten aus dem Flügel reißen, nicht wahr?“ Sie erhob sich und legte ihm spaßeshalber das Federmesser in seinen linken Flügel. Xiangs Flügel zitterte, als er das Messer in seiner befiederten Hand spürte. „Na, willst du es haben?“, spottete sie. Xiang packte zu, doch Chiwa riss es ihm wieder aus der Hand. „Oh nein, du bekommst es nicht“, kicherte sie. „Böse Jungs bekommen gar nichts mehr. Ein Jammer, dass du ein böser Junge gewesen warst. Böse Jungs werde immer bestraft. Merk dir das. Immer.“ Xiangs Atmung beschleunigte sich. Dann zerrte er an den Seilen. Ich war nicht böse gewesen! Es war Notwehr gewesen… absolute Notwehr… Vor über 30 Jahren… Er wollte um Hilfe schreien. Doch niemand konnte ihn hören. Nicht mal das Universum kam ihm zu Hilfe. Er schaute hinter sich. Nein, sie stand immer noch hinter ihm. Sie hatte absichtlich eine Pause gemacht, nur um ihn noch länger zu quälen. Er schrie erneut auf, doch wegen dem Knebel im Mund erstickte er fast. Das war jetzt schon die 20te Feder seiner Farbenpracht, die sie ihm herausriss. „Ich hab dir gesagt, du sollst mitzählen!“, fauchte eine Frauenstimme hinter ihm. Der junge blaue Pfau schluckte schwer. „Mpmff.pf.f“, murmelte er. Die dunkle Pfauenhenne hinter ihm verschränkte genervt die Flügel. „Das konntest du wirklich schon mal besser… aber was solls.“ Etwas Metallisches fiel zu Boden. Der Pfau schaute hinter sich. Sie hatte das Messer weggeworfen und lag jetzt einen Meter von ihm entfernt. „Es wird eh langsam Zeit, sich zu verabschieden.“ Sie entfernte sich. Wegen dem spärlichen Licht im Raum verlor er sie kurzfristig aus den Augen. Am liebsten wäre er jetzt weggelaufen, doch er konnte nicht. Vergeblich rüttelte er an den Stricken. Seine Flügel waren an einer Säule zusammen festgebunden, sodass er mit dem Gesicht zum Balken stand. Er stöhnte erschöpft. Der junge Pfau war ein einziges Chaos, was seine Erscheinung anbelangte. Seine herausgerissenen Pfauenfedern lagen überall verstreut auf den Boden herum. Seine einst so ordentliche Robe war am Rücken durchtrennt, komplett auseinandergerissen. Sein Knebel war triefend nass vom den vielen Tränen, die ihm übers Gesicht liefen. Sein Rücken überzog blutige Stellen, die sie ihm mit dem Messer zugefügt hatte. Er hörte sie leise kichern. Erneut stieg in ihm die Panik hoch. Wieder wanderte sein Blick zum Messer rüber, das immer noch auf dem Boden lag. Er streckte seinen Fuß danach aus, doch er konnte es nicht erreichen. Verzweifelt zog er an den Stricken um seinen Flügeln und streckte sich weiter aus. Dabei berührte er eine der langen Schwanzfedern. Dann wusste er, was er machen konnte. Er packte mit seinen Krallen eine von den langen Federn und schob es Richtung Messer. Die Mitte der Feder konnte das Messer berühren. Keuchend zog er den metallischen scharfen Gegenstand näher und näher zu sich heran. Ihm blieb fast das Herz vor Aufregung stehen, als er das Messer endlich in seinem Fuß fühlte. Zitternd schob er das Messer weiter über den Boden, umklammerte den Griff und hob ihn zu seinen Flügeln, wo er sofort damit begann die Klinge an den Fesseln zu reiben. Er erschrak, als sich ihm ein Schatten von hinten näherte. Im schwachen Licht erkannte er eine Schnur, die sie zwischen ihren Flügeln spannte. Sie lachte. „Du warst wirklich ein ungezogener Junge gewesen.“ Sie zog seinen Kopf näher zu sich heran. „Jetzt wird es Zeit für einen Gute-Nacht-Kuss.“ Im nächsten Moment fühlte Xiang das Seil um seinen Hals, das sich schnell zuzog. Er rang nach Luft, aber wegen dem Knebel bekam er nur noch weniger Sauerstoff in die Lungen. Sie zog noch enger zu. Xiang wurde es langsam schwarz vor Augen. Doch das Messer hielt er immer noch feste umklammert. Schwer atmend rieb er die Klinge weiter an den Stricken, die seine Flügel zusammenhielten. Er bekam keine Luft mehr. Seine Schneidebewegungen wurden jetzt nur noch mechanisch durchgeführt. Er konnte nicht mehr denken. Seine Augen rollten nach hinten. Dann fühlte er wie sich der Strick um seine Flügel löste. Seine Flügel waren frei, das Messer hielt er in seiner Todesangst immer noch fest. Wie in Trance stach er damit hinter sich. Der darauffolgende Schrei hallte ihm noch lange in den Ohren. Er zog das Messer wieder zurück und stach nochmal zu, immer und immer wieder. Endlich ließ die Enge um seinen Hals nach. Zuerst drehte sich alles um ihn. Er wusste nur noch, wie er zu Boden sank. Es fühlte sich an, als würde er in eine Tiefe fallen, die ihn sanft auffing. Eine Weile lag er auf kalten Marmorstein. Er begann zu frieren. Alles schmerzte. Am meisten sein Kopf, der langsam durch die wiedergewonnene Luft wieder zu arbeiten begann. Allmählich verflog die Schwere. Mühsam erhob er sich. Etwas lag neben ihm, ausgestreckt und bewegungslos. Er fühlte etwas Merkwürdiges zwischen seinen Federfingern. Sein Blick wanderte auf den Boden. Da war etwas Nasses. Er hob seine Flügel und zerreib die dunkelrote Flüssigkeit zwischen seinen Federfingern. Sprachlos starrte er darauf. Dann wurde es ihm klar und begann zu zittern. „Ich hab sie umgebracht, ich hab sie umgebracht…“ Xiang kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. „Nein, es war nicht meine Schuld gewesen!“, schrie er in Gedanken. „Sie war es gewesen, sie war es gewesen…!“ „Nun denn“, holten ihn Chiwas Worte zurück. „Fangen wir doch dort an, wo wir aufgehört haben.“ Xiang zog an den Seilen und schrie herum. „MMmOOOOO!“ Chiwa quittierte das nur mit einem schnippischen Wimpernzucken. „Tz, ich hab noch nicht mal angefangen, und schon brüllst du herum wie ein kleines Kind.“ Sie strich über die Messerklinge. „Du wirst wohl nie erwachsen.“ Das weiße Federmesser nährte sich ihm. Vergeblich versuchte der Pfau dem herannahenden Messer auszuweichen. Genervt hielt sie ihn fest. „Nun halt doch endlich mal still. Das ist ja furchtbar mit dir.“ „Hier muss es gewesen sein!“ Liu deutete auf eine Felsenwand. Schnell rannten alle dorthin. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis sie die geheime Tür gefunden hatten. Kaum war sie offen, rannte Liu zuerst rein, wobei sie auch noch den Militärarzt mitriss. Dieser hatte sich spontan dazu bereit erklärt mitzukommen. Für den Fall, falls es doch was für ihn zu tun gab. „Okay“, rief Wang in die Runde. „Wer kommt noch mit?“ Diese Frage war hauptsächlich an die anderen gestellt. Für den Ochsen war es wohl keine Frage, dass Shen und Po auf jeden Fall mitkamen. Huan meldete sich sofort freiwillig. Da er der Verwalter des Gebäudes war, konnte er sie am besten durch die Räume führen. „Ich komme auch mit“, meldete sich Yin-Yu zu Wort. „Ich auch“, schloss Xia sich an. Shen verengte die Augen. „Ihr seid nicht trainiert genug. Ich kann nicht garantieren, dass man euch nicht angreift.“ Doch dann lächelte er. „Aber ich nehme an, dass ich euch eh nicht dazu überreden kann, draußen zu bleiben, oder?“ „Nein!“, verneinten die zwei Pfauenhennen. Po verzog den Mund. „Das muss wieder in der Familie liegen.“ Er beugte sich zu Shen vor. „Fühlst du dich denn fit genug?“, raunte er ihm zu. Shen schielte düster zu ihm rüber. „Bleibt mir eine andere Wahl?“ Wang nickte und wandte sich an seine Soldaten. „Na gut, die anderen warten draußen. Sobald wir das Signal geben, kommt ihr die Treppe hoch.“ Damit verschwand der Rest im Geheimgang. „Jetzt beeilt euch doch bitte!“, rief Liu ihnen zu. Po seufzte und hoffte, dass Xiang bei ihrer Ankunft noch an einem Stück war. Ansonsten befürchtete er, würde er sein Essen nicht im Magen halten können. Xiang kniff die Augen zusammen. Die Klinge durchdrang seine Haut auf seinem Brustkorb, allerdings nicht tief. Chiwa grinste. Dieser Pfau wollte nicht schreien, aber sie war sich sicher, dass er es nicht mehr lange zurückhalten würde. Langsam fuhr sie mit dem Messer weiter runter. „Hey, lassen Sie ihn!“ Chiwa fuhr hoch. Selbst Xiang riss die Augen auf. Zu seiner Erleichterung nahm seine Tante das Messer weg. Zitternd hob er den Kopf. Er konnte nicht glauben, was er sah. Shenmi hatte Chiwa am Kleid gepackt und zog kräftig daran. Verärgert stieß die dunkle Pfauenhenne sie weg. „Verschwinde gefälligst, du kleines Gör. Erwachsene stört man nicht bei der Arbeit! - Tongfu!“ Sofort sprang die Tür auf und der Gecko eilte herein. „Was ist denn jetzt schon wieder…“ Er erstarrte, als er das Pfauenmädchen neben der Pfauenhenne stehen sah. „Hast du dein Diplom im Selbständigem Denken in einem Kindergarten abgeschlossen, oder was?“, fuhr Chiwa ihn an. „Schaff mir gefälligst dieses Ding vom Hals!“ Zuerst stand Tongfu völlig verwirrt da. Doch dann nickte er hastig und packte das Mädchen an den Flügeln. Shenmi wehrte sich heftig. „Lass mich los!“ Chiwa schnaubte entrüstet. „Dieses Federvieh ist die reinste Plage.“ Sie beugte sich erneut über Xiang und wollte dort weiter machen, wo sie mit dem Schneiden aufgehört hatte. Auf dem blauen Federkleid hatte sich inzwischen schon ein kleiner Blutfleck gebildet. Chiwa lachte und rieb mit ihrem Flügel über die blutverschmierte Stelle. Xiang wandte sich unter ihrer Berührung. Er wolle weg, nur weg von diesem Ort. „Hey, lassen Sie ihn in Ruhe!“, schrie Shenmi. Chiwa stieß ein genervtes Schnauben aus. „Meine Güte, bring das kleine Monster endlich weg!“ „Sofort.“ Tongfu zerrte das Mädchen hinter sich her. Shenmi stemmte sich mit aller Gewalt dagegen. Sie hörte Xiang laut schreien, wenn auch mit dumpfen Lauten. Chiwa hingegen verfiel in ein fieses Lachen. „Lass ihn in Ruhe, du hässliche Gans!“ Tongfu erstarrte zur Salzsäule. Zuerst meine er sich verhört zu haben. Doch als jetzt auch noch Chiwa wie vom Donner gerührt dastand, da wusste er, dass sie wirklich das Wort gesagt hatte. Hässlich. Plötzlich drehte sich die Pfauenhenne zu ihr um. Ihr Gesicht war verzerrt von Wut. „WIE?! WIE HAST DU MICH GENANNT?!“ Chiwa sah so fuchsteufelswild aus, dass sogar Tongfu eine Heidenangst bekam. Er wich zurück. Chiwa hatte mit dem Messer ausgeholt und ließ es auf das Mädchen niedersausen. „ICH BRING DICH UM!“ Schreiend rannte Shenmi davon, hinaus in den Flur. Chiwa verfehlte sie nur ganz knapp. Das Federmesser bohrte sich in den Marmorboden. Wutschnaubend stand sie wieder auf. Ihr zorniger Blick wanderte zu Tongfu. „Was stehst du hier herum?!!“, brüllte sie. „Fang das Gör gefälligst ein!!“ Sofort rannte Tongfu nach draußen und winkte seinen Leuten im Flur zu, die sich über das rennende weiße Mädchen sehr gewundert hatten. „Und du!“ Chiwa richtete ihr Augenmerk kurz auf ihren Neffen. „Du rührst dich nicht von der Stelle! Ich komme gleich wieder!“ Sie ließ das eine Federmesser im Boden stecken und krallte sich ein anderes Messer. Kaum war sie aus dem Raum gerauscht, zerrte der blaue Pfau an den Seilen. Es kam Liu wie eine Ewigkeit vor, bis der Lift endlich die oberste Etage erreicht hatte. „Schon recht nützlich so ein Aufzug“, bemerkte Po anerkennend. „Wir müssen hier lang“, wies Liu sie weiter an. „Von hier aus geht es in die Kellerräume.“ Liu lief den anderen immer weit voraus. Po war sich sicher, dass sie am liebsten alleine weitergelaufen wäre. Endlich kamen sie zur Geheimtür, die in den Keller führte. Der Panda sah sich verwundert um. „Waren wir hier nicht schon mal gewesen?“ „Hört auf zu reden!“, schnitt Liu ihm das Wort ab. „Wir müssen ihn finden!“ Sie raste die Treppe hoch, den Arzt riss sie immer noch hinter sich her. „Warte“, hielt Shen sie zurück. „Xia, weißt du, wo deine Brüder sind?“ Doch Xia schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab nicht gesehen, wohin man sie gebracht hatte.“ „Vermutlich im Kerker“, meinte Wang. Shen nickte. „Gut, wir teilen uns auf. Ihr sucht im Kerker nach ihnen. Ich gehe mit ihr.“ Liu sah ihn verwundert an. „Mit mir?“ Shen warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Nicht wegen ihn!“, zischte er. „Wegen meiner Tochter.“ Liu zog demütig den Kopf ein. „Natürlich, tut mir leid.“ „Äh, ich sehe mich auch etwas im Gewölbe um“, meldete Po sich zu Wort. „Kann doch sein, dass meine Freunde dort auch sind.“ Shen hatte nichts dagegen. „Meinetwegen, mach was du willst.“ Er sah zu Yin-Yu. Diese umfasste seine Flügel. „Und du bist dir sicher?“ Insgeheim hoffte sie, dass Shenmi irgendwo gefangen gehalten wurde, und nicht in den Flügeln dieser Wahrsinnigen gelandet war. Doch Shen scheute sich nicht davor es zu vermuten. „Falls Shenmi nicht im Kerker ist, werde ich sie höchstwahrscheinlich bei ihm finden.“ Er wandte sich ab. Er wollte nicht noch mehr Zeit vergeuden, was vor allem Liu nur recht sein konnte. Schnell verschwanden die zwei Pfauenvögel mit dem Militärarzt in die obersten Stockwerke. „Tja“, begann Po nach einer Weile. „Dann sehen wir uns mal um. Mister Huan, wo genau geht es zum Kerker?“ Shenmi wusste nicht wie lange sie schon lief, aber sie spürte wie ihre Kräfte langsam nachließen. Dennoch konnte sie sich nicht entscheiden, in welchen Raum sie flüchten sollte. Ständig trieb sie die Angst vom Entdeckt werden immer wieder vom neuen zur Flucht an. Plötzlich hielt sie inne. Sie kannte diesen Gang, und auch diese Tür. Wieder hörte sie fluchende Stimmen hinter sich. Schnell schob sie die Tür auf und huschte hinein. Chiwa sah gerade noch wie die Tür zuging. Sie rannte schneller. Kaum hatte sie die Tür erreicht, stieß sie sie mit lautem Krachen auf. Wutschnaubend schaute sie sich um. Sie befanden sich im großen Kunstraum. Die Geckos kamen ihr keuchend hinterher. „Na los, zeig dich! Wo bist du, du kleine Ratte?!“, fauchte Chiwa. Im Raum war es still. Nichts rührte sich. Jedes Bild und jeder Farbkasten standen immer noch an seinem Platz. Wie ein Raubtier rieb Chiwa über die Klinge von ihrem Messer. „Ich finde dich schon, du weiße Pestbeule.“ Plötzlich flog etwas durch die Luft. Es landete genau in Chiwas Gesicht. Die Geckos wichen erschrocken zur Seite, als grüne Farbspritzer auf sie herniederregneten, dicht gefolgt von einem Papierknäul. Verwundert hob Tongfu es auf. Es war ein Origami-Würfel, der mit grüner Farbe gefüllt gewesen war. „Meine Güte! Wie sehe ich denn jetzt aus?!“ Entsetzt befühlte Chiwa ihr Gesicht, das über und über mit grüner Farbe beschmiert war. Der nächste mit Farbe gefüllte Origami-Würfel traf den Gecko mit dem Verband am Arm ebenfalls direkt ins Gesicht. Tongfu, der direkt neben ihm stand, bekam einen solchen Schrecken, dass er mit der Faust ausholte und ihn schlug. „Autsch!“ „Sorry“, entschuldigte sich Tongfu. „Ich hab dich nicht erkannt, ich dachte zu wärst ein Ungeheuer.“ Chiwa hatte sich inzwischen wieder von ihrem Schock erhol und schäumte jetzt vor Wut. „OH! Ich reiße ihr jede Feder einzeln raus! – Sucht sie!!!“ Chiwa winkte nach rechts und nach links. Die Geckos verteilten sich. Aufmerksam gingen sie an jedem Regal vorbei, die gefüllt waren mit Mal-Utensilien und Kunst-Literatur. „Na endlich sind wir da“, rief Po erleichtert. Sofort rannte der Panda von einer Zellentür zur anderen. Endlich gelangte er zu einer Eisentür, die fest verschlossen war. „Hier muss jemand drinnen sein.“ Po griff nach dem Schlüssel, der daneben hing. Er schloss die Zellentür auf und sprang hinein. Dort fand er einen großen und einen kleinen Käfig vor. Po erkannte Viper und Crane sofort. Diese waren nicht unbedingt überrascht ihren schwarz-weißen Freund zu sehen. „Po! Es geht dir gut“, rief Viper erleichtert. „Hey! Leute! Ihr seid hier!“ Po sprang zu ihnen hoch, hielt aber sofort inne, als er nur Viper und Crane im Käfig erblickte. „Aber… wo sind denn die anderen?“ „Die Jungs sind in irgendeiner anderen Zelle eingesperrt“, berichtete Mantis, nachdem König Wang ihm aus dem Eisenkasten befreit hatte. „Wo die anderen sind, wissen wir leider auch nicht. Vielleicht sind sie auch irgendwo hier unten.“ Die Jungs sahen erschrocken auf, als jemand sich an der Tür ihrer Zelle zu schaffen machte. „Wer kommt da?“, fragte Jian ängstlich. Die Tür öffnete sich und ein Schatten tauchte im Türrahmen auf. Zuerst wichen die Jungs erschrocken zurück. Nur Zedong sprang in die Presche. „Komm nur nicht näher, du fiese Pute!“ „Aber Kinder.“ Die Gestalt trat ins Fackellicht. „MUM!“ Sofort stürmte Jian auf seine Mutter zu, die andern folgten ihm. Überglücklich schloss Yin-Yu sie in die Flügel. „Meine Kleinen. Ich bin so froh, dass es euch gut geht…“ Sie strich den Jungen über den Rücken, doch sie merkte sofort, dass sich etwas verändert hatte. „Was…“ „Sie hat uns die Federn rausgerissen!“, rief Zedong aufgebracht. „Die war ganz gemein gewesen!“ Yin-Yu sah sie bestürzt an. Jian begann zu weinen. Tröstend drückte sie ihn an sich. „Das tut mir ja so leid.“ „Wir haben versucht das zu verhindern“, klärte Viper sie auf. „Aber sie hat uns mit irgendetwas betäubt. Da konnten wir nichts mehr machen.“ Yin-Yu versuchte Jian zu beruhigen. „Keine Sorge. Die wachsen ja wieder nach.“ „Ich will sie schlagen!“, rief Zedong und stürmte raus zur Tür, wurde aber von seiner großen Schwester abgefangen. „Besser nicht“, riet sie ihm. „Um die kümmert sich schon Vater.“ Zedong sah sie überrascht an. „Vater ist auch hier?“ „Hey, Kumpel!“, begrüßte ihn Po. Der kleine weißgefleckte Pfau sah ihn überrascht an. „Drachenkrieger? Du auch hier?“ Po lächelte ihn an, wurde aber sofort wieder ernst. „Ich hab jede Zellentür abgeklappert. Aber Tigress, Monkey und die anderen Meister sind nirgendwo zu finden.“ „Oh nein, Shenmi ist nicht hier!“, rief Yin-Yu erschrocken. „Dann muss sie doch bei ihr sein.“ Po verengte die Augen. „Ich werde nachsehen. Geht ihr schon mal wieder zurück. Ich muss sowieso noch die anderen finden.“ „Po, wir kommen mit dir“, bot Viper sich an. „Das ist sehr nett, aber die anderen brauchen auch etwas Schutz.“ „Dann lass wenigstens Viper mitkommen“, meinte Crane. „Wir begleiten die anderen zurück.“ „Gut, dann gehe ich mit dem Drachenkrieger mit“, sagte Wang. Po hob den Daumen. „Alles klar. Gehen wir ein paar böse Buben aufmöbeln. Oder genauer gesagt, eine böse Tante. Wünscht mir Glück!“ Damit verschwanden Po, Wang und Viper in den Gängen. Huan rieb sich den Kopf. „Dann sollten wir uns besser sofort auf den Weg machen.“ Yin-Yu nickte. „Ist gut.“ Sie nahm Jian auf den Arm, der immer noch ein wenig schluchzte, wobei er sein Musikinstrument immer noch fest umklammert hielt. „Ist ja gut, wir gehen nach Hause“, redete seine Mutter beruhigend auf ihn ein. „Xia, nimmst du Fantao und Zedong.“ Xia nickte und wollte Zedong an den Flügel nehmen, doch dieser wich seiner Schwester aus. „Ich will aber auch kämpfen!“, protestierte Zedong und wollte Po hinterherrennen. „Nein, wir gehen jetzt zurück“, sagte Xia entschieden. „Nun komm.“ Xiang lag in der Zwischenzeit erschöpft auf dem Tisch. Er hatte den Versuch sich von den Stricken loszureißen inzwischen aufgegeben. Er hob ängstlich den Kopf, als er Schritte im Gang vernahm. Seine Atmung beschleunigte sich erneut. Plötzlich tauchte die Gestalt einer Pfauenhenne in der Tür auf. Er schrie auf und zappelte wie verrückt. „Xiang!“ Liu vergaß den Titel „Lord“ und rannte auf ihn zu. Xiang hatte noch nicht mitbekommen, wer ihn gerufen hatte und lag völlig verkrampft in den Seilen. Er wartete nur auf den nächsten Schmerz, den man ihn bereiten würde. Als ihn stattdessen sanfte Flügel und eine besorgte Stimme empfing, öffnete er zögernd die Augen. Er meinte seine Sinne würden ihm einen Streich spielen, als er Liu sah. „Was hat sie mit dir gemacht?“, fragte sie besorgt, beim Anblick vom Blutfleck auf seinem Brustkorb. „Keine Sorge. Ich hol dich hier raus.“ Sie schnappet sich eines der Messer vom Tisch und durchtrennte schnell die Seile, die den Pfau festhielten. Kaum war er frei, riss Xiang sich die Schnur vom Schnabel. Schwer atmend rang er nach Luft. Liu hielt ihn beruhigend an den Schultern. „Doktor, könnten Sie sich das schnell ansehen!“ Sofort kam der Affe herbeigeeilt. In der Zwischenzeit war auch Shen eingetroffen. Sein Blick fiel sofort auf das Federmesser, dass im Boden steckte. Anschließend wanderte sein Blick zum Tisch. „Sieh mal einer an. Da sind sie ja.“ Shen hob eines seiner Federmesser auf, das auf dem Tuch auf dem Tisch lag. Prüfend tastete der Arzt Xiangs Wunde ab. „Keine Sorge. Ist nur eine oberflächliche Schnittwunde. Nichts Ernstes.“ „W-was machst du hier?“, brachte Xiang mühsam hervor. Liu sah ihn überrascht an. „Dachtest du wirklich, ich würde dich einfach alleine lassen?“ „War Shenmi hier gewesen?“, wollte Shen wissen und sah Xiang streng an. „W-wie?“ Der blaue Pfau war noch völlig neben sich. „Wo ist Shenmi?!“, schrie Shen ihn an und packte ihn am Hemd. „Wo ist meine Tochter?!“ Xiang wies zur Tür. „Da raus. Irgendwo hin.“ Shen ließ ihn los. Er schnappte sich die Federmesser vom Tisch und rannte den Gang runter. Liu sah ihm nach. Sie hatte schon Angst gehabt er würde sich noch auf Xiang stürzen. Ihr Blick wanderte wieder auf Xiang, der immer noch zittrig war. „Komm, ich bring dich von hier weg“, bot sie ihm an. Nur mit Mühe bekam sie ihn vom Tisch runter und brachte ihn mit Hilfe des Arztes aus dem Zimmer. „Am besten wir gehen zum Ausgang“, beschloss Liu. „Xiang, weißt du wo es zur Haupttür geht?“ Xiang stand völlig teilnahmslos da. Erst als Liu vor seinem Gesicht mit dem Flügel wedelte, reagierte er und deutete den Gang nach rechts. „Dort hin.“ Po hielt inne. Er befand sich noch in der unteren Etage, als ihm ein krachendes, dumpfes Geräusch aufhorchen ließ. „Hey, habt ihr das auch gehört?“, fragte er und wandte sich an Viper und Wang. Sie lauschten angestrengt. „Ja, jetzt hab ich es auch gehört“, bestätigte Wang. „Was kann das sein?“ „Diese schmetternden Geräusche kenne ich“, sagte Po. „Das kann nur von Meister Tosender Ochse sein.“ „Dann müssen die anderen irgendwo in der Nähe sein“, meinte Viper. Sie folgten den Schlägen, als ob irgendjemand die Wände verprügeln würde. Endlich kamen sie an der gesuchten Stelle an. „Es kommt von hinter dieser Steinwand“, bemerkte Po und drücket dagegen. „Puh, die lässt sich aber nicht öffnen.“ „Po, sieh mal hier. Hier ist ein Hebel.“ Viper deutete um die Ecke. „Oh, mal sehen ob das unser Problem löst.“ Er legte den Hebel um. „Das hat doch gar keinen Zweck“, seufzte Meister Kroko, während sein Freund Meister Tosender Ochse nicht aufhörte gegen die verschlossene Steinwand zu schlagen. „Unsinn!“, schnaubte der Ochse. „Irgendwann muss sie nachgeben. Kein Stein auf der Welt konnte sich mir dauerhaft widersetzen.“ Er nahm erneut Anlauf. Mit einem lauten Schrei raste er dagegen. Allerdings ging sein Lauf diesmal ins Leere. Die Steinwand hatte sich urplötzlich geöffnet und der Ochse rauschte gegen die nächstdicke Wand gegenüber. Erschrocken sahen die anderen Gefangenen auf. „Was war das denn?“, wunderte sich Monkey. „Hat die Wand jetzt Angst bekommen?“ „Hey! Leute!“, begrüßte sie ein strahlender Panda. „Po!“ Die anderen konnten ihr Glück kaum fassen, als sie den Drachenkrieger hereinstürmen sahen. Schnell zählte Po durch. „… fünf… und sechs.“ Er deutete auf sich. „Ja! Wir sind alle wieder zusammen!“ Voller Freude umarmte er Tigress und Monkey. „Ich hab mir ja solche Sorgen um euch gemacht! Ihr doch euch auch um mich, oder etwa nicht?“ „Wieso sechs?“, fragte Monkey verwundert. „Wo sind Crane, Viper und Mantis?“ „Ich bin hier“, meldete sich Viper. Po rieb sich verlegen den Kopf. „Oh, tschuldigung, hab ich vergessen zu sagen. Denen geht es bestens. Crane und Mantis bringen Yin-Yu und die anderen in Sicherheit.“ „Yin-Yu?“ Tigress hob verwundert die Augenbrauen. „Ist sie doch hier gewesen?“ „Und die Jungs, was ist mit ihnen?“, wollte Sheng wissen. Po sah ihn überrascht an. „Oh, du bist auch hier? Oh, natürlich. Deine Schwester war ja auch hier.“ „Xia?“ Sheng sprang auf. „Wie geht es ihr?“ „Es geht allen gut. Keine Sorge“, beruhigte Po hin. „Auch Shen… zumindest hoffe ich das.“ „So, so“, mischte sich nun Meister Ochse in das Gespräch ein, nachdem er sich von der Begegnung mit der anderen Wand erholt hatte. „Und wo ist er jetzt?“ „Vermutlich dort, wo wir auch hinwollen. Aber das ist eine lange Geschichte. Kommt, ich erzähl sie euch unterwegs. Erst mal müssen wir diese verrückte Taube finden.“ „Eine Taube?“, fragte Monkey überrascht. „Und hier ist wirklich ein Aufzug?“, fragte Zedong aufgeregt. „Ja, gleich hier drüben“, sagte Xia und deutete den Gang nach vorne. Als sie endlich im Schacht angekommen waren, hielten sie inne. „Wo ist er denn?“ Diese Frage stellen sich jetzt auch der Rest der Gruppe. Der Lift war verschwunden. „Vor kurzem war er doch noch oben gewesen“, beharrte Xia. „Vielleicht benutzt ihn gerade ein anderer“, vermutete Mantis. „Das glaube ich nicht“, meinte Yin-Yu, die immer noch Jian im Arm trug. „Sonst würde man doch etwas hören.“ „Ihr hört gleich was anderes“, sprach auf einmal eine düstere Stimme über ihren Köpfen. „Nämlich eure Todesschreie.“ Auf den Balken saßen fast fünf Geier, einer davon war Laishi und blickte Mordlüsten auf sie herab. „Weg hier!“, schrie Xia und drängte alle wieder zurück in den Gang, noch bevor die Geier sich auf sie stürzen konnten. Crane wehrte den heranrasenden Laishi gerade noch ab, und verschwand schnell mit den anderen durch den Geheimgang zurück in den Keller. „Wo lang jetzt?“, fragte Xia ihre Mutter im Rennen. „Am besten zum Eingang. Vielleicht sind die Soldaten ja schon dort.“ Im großen Kunstraum, hatte sich Shenmi auf die oberste Stufe eines Regales versteckt und lugte vorsichtig nach unten. Zwei Geckos, Tongfu und ein anderer, befanden sich direkt neben dem Regal. „Schauen wir mal oben nach“, schlug der Gecko-Anführer vor, was Shenmi die Panik hochtrieb. Schnell krallte sie sich ein paar Papierstreifen, die sie sich mitgenommen hatte und faltete so schnell sie nur konnte. In der Zwischenzeit erklommen die zwei Geckos das Holzregal. Doch kaum waren sie oben flogen ihnen spitze Gegenstände entgegen. „Autsch! Hey, was soll das?“ Schnell warf Shenmi ihnen noch ein paar weitere Papierflieger entgegen, dann sprang sie vom Regal und flüchtete um die Ecke. „Hey, wir haben sie!“, schrie Tongfu und rannte ihr hinterher. Als er um die Regal-Ecke bog, war sie verschwunden. „Hey, wo ist sie hin?“ Er hielt inne, als er einen kleinen Schatten an der Wand erblickte. „Hab ich dich“, dachte er Gecko triumphierend. Er sprang um die Ecke und stürzte sich auf die kleine Figur, die den Schatten auf die Wand geworfen hatte. „Haaa! Hä? Was…?“ Verwundert erhob er sich, denn was er in den Händen hielt war kein Pfauenmädchen, sondern nur eine Pfau-Papierfigur. „Hey!“, rief ein anderer Gecko auf der anderen Seite der Regale. „Hier ist sie!“ Er sprang. Doch dann… „Das ist ja nur eine Origamifigur.“ Tongfu schnaubte wütend. „Sucht weiter. Eine davon muss echt sein!“ Die Geckos schwärmten erneut aus. Doch jedes Mal, wenn sie meinten den Schatten des Mädchens zu sehen, fanden sie immer nur eine Pfaufigur aus Papier vor. Shenmi hatte sich in der Zwischenzeit über die Leiter auf die balkonähnliche Etage geflüchtet. Von hier aus, konnte man die oberen Fenster erreichen, die den Malern wahrscheinlich dazu gedient hatten von diesem Punkt aus, einen schönen Blick auf die Stadt zu haben. Während die Geckos im unteren Bereich des großen Zimmers damit beschäftigt waren das Mädchen zu finden, öffnete sie lautlos eines der Fenster. Sie lugte über den Rand. Von hier aus ging es tief nach unten. Sie schluckte schwer. Doch der Eingang zum Zimmer wurde bewacht. Sie konnte sich nicht in den Flur flüchten. Schnell schnappte sie sich einen Papierdrachen, der zur Deko in einer Ecke stand und kletterte aufs Fenstersims. Sie selber war nicht schwer, sie könnte locker damit durchs Fenster entkommen und wegfliegen. Sie holte nochmal tief Luft, dann stieß sie sich von der Fensterbank ab und segelte nach draußen. Der Wind war stark und gab dem Flugdrachen auftrieb. Plötzlich umwickelte ein Stoffstreifen das weiße Pfauenmädchen. Der Stoff strafte sich und Shenmi wurde wieder zurück ins Zimmer gezogen. Im nächsten Moment fand sie sich in den Flügeln von Chiwa wieder, die das Mädchen mit ihren Ärmelstreifen wie ein Lasso in der Luft eingefangen hatte. Shenmi erstarrte vor Angst. Chiwa war zwar immer noch im Gesicht mit grüner Farbe beschmiert, doch ihr böser Blick ließ jedem das Blut in den Adern gefrieren. Doch noch bevor Shenmi schreien konnte, hielt die dunkle Pfauenhenne ihr eisern den Schnabel zu. „Du kleine hässliche Kröte!“, fauchte sie. „Ich drehe dir den Hals um!“ In diesem Moment tauchten Tongfu und die anderen auf. „Da ist sie ja endlich…“ Er presste die Lippen zusammen, als er Chiwa im Sonnenlicht sah. Die Pfauenhenne kniff zornig die Augen zusammen. „Hört auf zu lachen! Hol mir einen Schüssel Wasser damit ich diesen Sud aus dem Gesicht abwaschen kann!“ Mürrisch rieb Chiwa sich das Gesicht trocken. Wenigstens war die Farbe nicht wasserfest, sonst hätte sie noch alles in Grund und Boden geschrien. Shenmi lag zusammengeschnürt zwischen ein paar Geckos und sah hilflos zu, wie Chiwa das Tuch in eine Ecke schmiss und ihre vor Wut glühenden Augen wieder auf sie richtete. Shenmi zog den Kopf ein, als Chiwa sie packte. „Jetzt gehen wir zurück zu meinem Neffen“, zischte sie. Sie hatte ein teuflisches Grinsen im Gesicht. „Dann kannst du ihm Gesellschaft leisten.“ Shen rannte durch die Gänge. Sie musste irgendwo sein. Sein Herzschlag beschleunigte sich mit jeder Minute. Der Gedanke, dass ihr irgendetwas zugestoßen war, würde er sich nie verzeihen. Plötzlich hielt er mitten im Lauf inne. Irgendwo schrie ein kleines Mädchen. „Shenmi!“ Po sah sich verwundert in den Gängen um. „Hey, habt ihr das auch gehört.“ „Mm, klang wie ein Mädchen“, meinte Viper. „Wo kam das her?“, fragte Monkey. „Das kam von dort drüben!“, rief Po und rannte den anderen voraus in den nächsten prunkvollen Korridor. „Hör endlich auf, du verdammtes Ding!“, fluchte Chiwa und schlug dem Mädchen auf den Schnabel. „Du wirst nachher noch genug schreien.“ Sie hielt inne. Irgendetwas rannte auf sie zu. Sie drehte sich um. Sie erblickte gerade noch die weiße Figur am anderen Ende des Ganges. Shen zögerte keine Minute und warf seine Federmesser auf sie. In Chiwas Augen blitzte es. Doch noch ehe die Federmesser sie erreichen konnten, schwang sie sich herum, zog ihren schwarzen Fächer hervor und fing die Federmesser wie in Zeitlupe, einer nach dem anderen, ein. Als Shen das sah, war er für einen kurzen Augenblick wie gelähmt. Diesen Moment nutzte die dunkle Pfauenhenne schamlos aus. Sie schleuderte die eingefangenen Federmesser wieder mit voller Wucht auf den weißen Pfau. Shen reagierte eine zehntel Sekunde zu spät. Er sprang zur Seite, aber er wusste, dass dieser Sprung nicht ausreichen würde. Plötzlich stieß ihn etwas zur Seite, der seinen Sprung beschleunigte. Ein schneidender Schmerz durchbohrte seinen linken Flügel nahe der Schulter kurz bevor er auf den Boden aufschlug, dicht gefolgt von einem dumpfen Aufprall neben ihm. Die fünf Meister, Sheng und König Wang konnten nicht glauben, was Po da machte. Shen stand nur ein paar Meter weiter weg von ihnen. Po schaute um die Ecke. Chiwa hatte Shens Federmesser ohne Probleme mit dem Fächer eingefangen. Po ahnte, sie würde sie zurückwerfen. Für Shen war es schon zu spät. Er würde den Ausweichsprung nicht packen. Po warf sich nach vorne und stieß den weißen Pfau zur Seite. Kaum waren beide zu Boden gefallen, richtete Shen sich keuchend auf. Po lag auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Tigress riss die Augen auf. „Nein!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)