Die letzte Ehre von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 26: 26. Chiwas neues Ultimatum -------------------------------------- „Da unten ist der Palast!“, rief Xia und deutete von ihrem Adler aus nach unten. Der Anblick des riesigen Gemäuers rief in der jungen Pfauenhenne wieder Erinnerungen hervor. Seit ihrer Geburt hatte sie ihr Leben in dieser Stadt verbracht, wobei sie nie richtig raus durfte. Eigentlich hatte sie sich geschworen nie wieder einen Fuß auf dieses Gebiet zu setzen, doch heute musste sie eine Ausnahme machen. Ihr Bruder Sheng hatte weniger Hemmungen seine alte Heimat wieder zu sehen. „Hat sich nicht viel verändert“, meinte er gelassen. Meister Ochse wies die Adler an, einmal um das Gebäude herumzukreisen. „Seht ihr jemanden?“, fragte er. Doch jeder der Anwesenden musste seine Antwort verneinen. Selbst Tigress, die sehr gute Augen besaß, konnte nicht mal ihre Freunde entdecken. „Vielleicht sind sie drinnen“, vermutete Monkey. „Aber wo sind meine Brüder?“, fragte Xia in die Runde. Meister Kroko konnte nur raten. „Vielleicht sind sie irgendwo in den Bergen verschwunden. Und Mantis, Viper und Crane sind ihnen hinterher.“ „Dann landen wir am Palast“, entschied Meister Ochse. „Mal sehen was der Drachenkrieger dazu sagt.“ Xia verengte die Augen. Was ihr Vater über seine Söhne dachte, schien ihm wohl absolut nicht zu interessieren. Nachdem die Adler sie dort abgeliefert hatten, verabschiedeten sie sich wieder und flogen davon. „Merkwürdig“, murmelte Monkey. „Keine Wachen vor dem Tor?“ „Vielleicht haben die gerade Ausgang“, scherzte Meister Kroko. Meister Ochse verzog den Mund. Dann hob er den Huf und hämmerte kräftig gegen die große Eingangstür. Doch auch nach knapp einer Minute rührte sich nichts. Meister Ochse schlug kräftiger gegen die Tür und diesmal mit Rufen. „Hallo! Hallo!!!! Aufmachen! Sofort aufmachen!“ Als auch das nichts half versuchte der Ochse die Tür aufzubekommen, doch sie war verschlossen. Sheng konnte sich das nicht erklären. „Das ist merkwürdig. Normalerweise müsste doch wenigstens einer im Haus sein.“ Meister Kroko sah sich um. „Vielleicht braucht er solange. Bei diesen vielen Zimmern. Vielleicht ist er sogar im Keller und hat uns nicht gehört.“ Nach mehr als fünf Minuten vergeblichen Anklopfens, hielten es auch die anderen nicht mehr länger aus. Tigress suchte die Eingangswand ab. Die Fenster waren zwar hoch, doch mit ihren krallengesetzten Pranken leicht zu erreichen. „Ich könnte zu einem der Fenster hochklettern“, schlug sie vor. Monkey sah sie verwundert an. „Wäre das nicht Hausfriedensbruch?“ Sheng verschränkte die Flügel. „Ich denke, dass ist schon okay. Immerhin bin ich auch noch Eigentümer von diesem Gebäude, und aus meiner Sicht, ist das dann nur berechtigter grober Einlass.“ Tigress nickte. „Okay, ich klettere da jetzt hoch.“ „Na gut“, sagte Sheng. „Aber ich komme dann nach. Ich weiß wie es zur Tür geht.“ Die Tigerin kletterte geschickt an der Wand hoch. Oben angekommen schlug sie einen Teil des Fensters ein und öffnete es. Kaum war sie durch, flatterte Sheng hoch und stieg zu ihr ins Zimmer. Drinnen sahen sie sich um. „Wozu diese vielen Räume?“, fragte Tigress beim Anblick der weißen Laken auf den Möbeln. „Das war mal ein sehr einladender Palast gewesen“, klärte Sheng sie auf. „Aber seit Xiangs Herrschaft durfte niemand mehr hier herein. Die meisten Zimmer stehen seit Jahren unbenutzt herum.“ Es dauerte eine Weile, bis die beiden auf dem Fußweg die Haupttür von innen erreichten und die Verriegelungen entfernen konnten. Meister Ochse sah sie erwartungsvoll an. „Und? Habt ihr drinnen jemanden gesehen?“ Tigerin und Pfau zuckten die Achseln. „Drinnen ist uns keiner begegnet“, meinte Tigress. Meister Kroko kratzte sich am Kopf. „Vielleicht ist heute keiner zuhause.“ Monkey sah sich suchend um. „Aber wo ist dann Po?“ „Und Vater und Shenmi?“, fügte Sheng hinzu. „Und was ist mit Mutter?“, fragte Xia in die Runde. Doch auch darauf konnte sich keiner eine Antwort bilden. „Vielleicht sind sie auf eine andere Spur gekommen“, vermutete Monkey. „Und sind deshalb nicht mehr im Palast.“ Sheng war da nicht so überzeugt. „Aber warum ist dann keiner hier, der auf das Haus aufpasst? Das ergibt keinen Sinn.“ Der Affe zuckte die Achseln. „Vielleicht ging es nicht anders.“ Meister Ochse schnaubte. „Tja, wir haben wohl keine andere Wahl. Sehen wir uns um.“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Dank Sheng und Xia konnten sie sich in dem ganzen Gewirr von Gängen nicht verlaufen. Sie schauten, wenn möglich, in jedes Zimmer. Doch es schien, als wäre der Palast wirklich verlassen worden. Erst als sie in die Küche kamen, bemerkten sie eine Spur von einstigen Aktivitäten. „Dieser Herd war vor mindestens vielen Stunden benutzt worden“, schlussfolgerte Meister Ochse. Die anderen stimmten ihm zu. „Sogar das Geschirr ist noch an manchen Stellen feucht“, bemerkte Monkey. „Was hat es eigentlich gegeben?“ „Scheint Suppe gewesen zu sein“, meinte Tigress beim Anblick der Kochgeräte, die gespült worden waren. „Po muss in der Küche hantiert haben.“ Monkey sah sie verwundert an. „Woher willst du das wissen? Tigress hielt kurz inne, dann deutete sie auf die gewaschenen Schüsseln. „Er stellt die Schüsseln immer auf diese Art zum Trocknen hin.“ Auch Meister Kroko wurde fündig. „Seht mal. Hier liegt eine kleine weiße Feder unter dem Tisch.“ „Die kann nur Shenmi gehören“, meinte Xia. Monkey tastete den Tisch ab. „Entweder haben die hier nur zu Abend gegessen oder auch gefrühstückt.“ Auf einmal hörten sie ein dumpfes Rumpeln. Alle sahen sich um. „Das kam aus der Speisekammer“, schlussfolgerte Meister Kroko. Sofort begaben sie sich dahin. Meister Ochse nahm sich die Freiheit die kleine Tür aufzuziehen. Allen blieben die Münder offen, als sie da drinnen einen kleinen Gecko erblickten, der die Hände voller Lebensmittel hatte. Doch noch ehe jemand etwas sagen konnte, sprang der Gecko plötzlich auf und raste aus der Küche. „Hey, hinterher!“, schrie Meister Ochse. „Stehenbleiben!“ Sofort rannten alle hinterher. Erst als sie in einem der Flure ankamen, hielt Sheng seine Schwester zurück und drängte sie in eine Nische. „Xia, du bleibst hier.“ Sie sah ihn empört an. „Was?“ „Hier scheint es nicht sicher zu sein“, drängte Sheng. „Du bist noch nicht kampferfahren genug. Nur auf dem Trainingsplatz…“ „Ich hab mich auch gegen die Geckos verteidigt!“, rief Xia aufgebracht. Doch Sheng blieb bei seiner Meinung. „Sobald wir sicher sind, dass die Luft rein ist, dann holen wir dich.“ Mit diesen Worten rannte er los und ließ die junge Pfauenhenne entrüstet zurück. „Er ist da reingelaufen!“, rief Meister Ochse. Mittlerweile hatten sie den Gecko bis in die unteren Stockwerke verfolgt. Dort gelangten sie in einen großen Raum mit kahlen Steinwänden. Kaum waren sie drinnen, sahen sie den Gecko gerade noch durch eine weitere Tür wieder nach draußen laufen. Sofort steuerten sie alle darauf zu. Doch im nächsten Moment senkte sich eine Steinwand und der Zugang zur Tür war versperrt. „Was soll das denn?“, beschwerte sich der Ochse. „Die andere Tür schließt sich auch!“, rief Monkey. Entsetzt mussten sie zusehen wie der Rückweg ebenfalls jetzt mit einer Steinwand blockiert wurde. Die Meister sahen sich nach einem anderen Ausweg um. Doch außer diesen zwei Türen, gab es keine Fenster. Nur eine einsame Fackel beleuchtete den Steinraum. „Sucht die Wände ab“, befahl Meister Ochse und tastete einen Stein nach dem anderen ab, in der Hoffnung, dort einen versteckten Weg zu finden. Doch so sehr sie sich auch bemühten, außer den blockierten zwei Türen, schien es keinen Weg nach draußen zu geben. „Wir sitzen in der Falle“, kam Tigress verbittert zu dem Schluss. „Oh, nein, nicht mit mir!“, schrie der Ochse und nahm Anlauf. Dann raste er gegen die verschlossene Tür. Doch außer einem leichten Kratzer erlitt die Steinwand wenig Schaden, wohingegen der Ochse für einen Moment nur noch Sterne sah. Ratlos sahen sich die anderen an. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Meister Kroko und sah zu Sheng. Doch der Pfau hatte darauf keine Antwort. „Ich weiß es nicht. Diese Funktion des Raumes war mir bis jetzt unbekannt gewesen.“ Entrüstet lehnte sich Tigress gegen die Wand. „Dann scheint sich hier noch jemand anderes für schlau zu halten.“ Monkey sah sie unsicher an. „Denkst du etwa, diese Person hat auch vielleicht Po…“ Er wollte diesen Gedanken nicht unbedingt aussprechen. Tigress sah ihn nicht an und keiner wollte weiter über dieses Thema sprechen. Zufrieden faltete Chiwa ihre Flügel zusammen, nachdem sie den Hebel für die Türen betätigt hatte. „Tja, es ist schon vom Vorteil, wenn mein Neffe nicht alles wusste, was es in diesem Palast für Möglichkeiten gibt.“ „Ersticken die nicht darin?“, fragte der Gecko, der nach seiner Flucht sich zu ihr gesellt hatte. „Keine Sorge, es existieren Luftschlitze, aber die sind so klein, da könnte noch nicht mal ein Floh durch.“ Die Pfauenhenne entfernte sich. Der Gecko sah ihr verwundert nach. „Und was machen wir jetzt mit ihnen?“ Chiwa winkte abwertend mit dem Flügel. „Die können jetzt ruhig eine Weile schmoren. Ich hab etwas gegen Einbrecher. Die machen immer so einen unordentlichen Radau.“ In der Zwischenzeit verharrte Xia weiterhin in ihrem Versteck, wenn auch nur widerwillig. Erst als sie Stimmen im Gang hörte, richtete sie sich auf. „Sollen wir nicht doch sofort zum Schafdorf?“, hörte sie eine Stimme. „Ich will nur nicht, dass sie mir gleich an die Gurgel geht, wenn sie erfährt, dass ihr heißverachteter Neffe sich immer noch in der Nähe herumtreibt“, antwortete eine andere ihr bekannte Stimme. Sie wagte einen Blick um die Ecke. An einer Gangkreuzung sah sie eine Gruppe von Geckos. Die Pfauenhenne erkannte Tongfu sofort wieder, was in ihr eine Wut hochtrieb. Aber noch mehr beschäftigte sie die Frage, ob die anderen auf diese dazugekommenen Eindringlinge vorbereitet waren. Und vor allem, warum waren Po, ihr Vater und ihre kleine Schwester nicht im Palast auffindbar? Nachdem die Gruppe vorbeigezogen war, verließ sie die Nische und folgte ihnen im sicheren Abstand. Schließlich endete der Gang im Spiegelsaal, ein Raum, der zu beiden Seiten mit Spiegeln bestückt war. Eigentlich war dies der Raum für die Herren, aber Chiwa hat es sich nicht nehmen lassen, um ihr nochmal neues Gewand von allen Seiten zu bewundern. Als die Pfauenhenne Tongfu hereinkommen sah, wandte sie den Blick von ihren Spiegelbildern ab. „Oh, schon so früh zurück, Tongfu?“, fragte sie verwundert. „Wo ist meine Ware?“ Der Gecko räusperte sich. „Darüber wollte ich mit Ihnen noch darüber reden.“ Chiwa verengte ein kleinwenig die Augen und zog einen schwarzen Fächer hervor, denn sie mit einem lauten Knall öffnete und sich frische Luft zufächelte. „Na da bin ich ja neugierig“, sagte sie bissig. Xia unterdessen hatte sich nahe genug an den Türrahmen zum Spiegelsaal gewagt, um alles mitzuhören. Doch noch ehe sie dem Gespräch folgen konnte, stieß sie jemand von hinten in den Rücken. „Hey!“, keifte sie eine dunkle Stimme an. „Lauschen ist unhöflich.“ Die junge Pfauenhenne kam nicht mehr dazu sich zu verteidigen. Der schwarze Schatten breitete seine dunklen Flügel aus, packte sie mit seinen Krallen und zerrte sie brutal in den Spiegelsaal. Xia wollte sich sofort wieder aufrappeln und zum Angriff übergehen. Doch der schwarze Geier ließ ihr dazu keine Gelegenheit. Er schlug das Mädchen zu Boden, sprang auf ihren Rücken und presste sie mit dem Bauch nach unten. Chiwa blieb der Mund offen. „Ist heute Tag der offenen Tür?“, beschwerte sie sich und ihr giftiger Blick wanderte zu Tongfu. Der Gecko zeigte sich höchst verwundert. „Ich hab sie nicht hierhergebracht!“, rief er. „Ich dachte, die wäre in Gongmen.“ Wieder klappte die Pfauenhenne ihren Fächer lautstark auf und zu. „Na offensichtlich nicht. Sonst wäre sie ja nicht hier. Genauso wie der Rest von ihnen.“ Dem Gecko-Anführer klappte die Kinnlade runter. „Hä? Versteh ich nicht.“ Chiwa rümpfte den Schnabel und wandte sich an den Geier. „Ah, Laishi, lange nicht mehr gesehen. Was macht das Totengräber-Geschäft?“ Der Geier kicherte. „Oh, es welkt, im positiven Sinn gesagt.“ „Runter von mir!“, rief Xia, die mühsam den Kopf hob. „Wo sind meine Brüder?! Ich will meine Brüder! Wo sind sie?!!“ Chiwa verengte die Augen und versetzte Xia mahnend mit dem Fächer ein paar leichte Schläge auf den Kopf. „Na, na, na. Benimm dich mal. Ich nehme an, dann bist du wohl die nicht-leibliche Tochter von Xiang.“ Xia sah sie verwundert an. „Woher wissen Sie das?“ „Deine Mutter und ich hatten ein bisschen geplaudert, und haben dabei die Zeit vergessen.“ Xias Augen weiteren sich. „Meine Mutter? Wo ist sie?“ „Abgehauen“, antwortete Chiwa. „Zusammen mit dem Rest, die hier noch gestern Abend sich in meiner Residenz breit gemacht haben.“ „Ihre Residenz?“ Xia verstand noch nicht alles, doch im Moment wollte sie nur eines wissen, als ihr der Gecko wieder ins Blickfeld rückte. „Warum haben Sie meine Brüder entführen lassen!? Wo sind sie?!“ „Diese Maßnahme war notwendig“, entgegnete die ältere Pfauenhenne. „Man wollte ihn mir nicht überlassen.“ „Von wem reden Sie?“ „Von meinen Neffen Xiang.“ Das ließ Xia erst einmal verstummen. Sie hatte nie viel über Xiangs Familie gewusst. Xiang hatte sich immer dagegen gesträubt nur etwas darüber zu sagen. Einzig nur die Familiengalerie war ihr bekannt. Xia hatte Mühe alles im Kopf zu sortieren, doch dann wurde ihr etwas anderes bewusst. „Heißt das, Xiang war auch hier?“, fragte sie fassungslos. Chiwa hob verwundert die Augenbrauen. „So, wolltest du ihn gerne sehen? Wenn dann hast du ihn nur knapp verpasst.“ Xias Flügel verkrampften sich. „Ich hasse ihn!“, schrie sie. „Ich will ihn nie wieder sehen! Wo ist mein Vater?! Und meine Mutter?!“ Chiwa hob mahnend den Flügel. „Nun zügele mal deine Zunge!“ Ihr Blick wanderte zu Tongfu. „Also, was ist jetzt? Hast du nicht ausgeführt, was ich wollte?“ „Ich sagte doch, dass ich einen Grund dazu haben“, verteidigte sich der Gecko. Die Pfauenhenne nahm den Gecko beiseite und scheuchte ihn in einen Gang, wo sie ungestört miteinander reden konnten. Dann entfächerte die Pfauenhenne ihren Fächer und sah ihn streng an. „Also, ich höre.“ „Die Geflohenen sind nicht wie angenommen wieder nach Hause geschippert“, erzählte Tongfu. „Sondern unterwegs abgestiegen. Sogar ganz in der Nähe. Ich dachte, Sie wollten dann selber ihnen direkt den Hals durchschneiden. Oder was auch immer.“ Chiwa überlegte. „Mm, klingt zwar frohlockend. Doch mir deswegen die Mühe zu machen… Nein, geh vor wie vereinbart. Überbring ihnen die Nachricht, dass sie mir meinen Neffen ausliefern sollen, sonst kann er sich seine Bälger als Wodupuppen ins Fenster hängen.“ Der Gecko knöterte genervt und zuckte die Achseln. „Na schön, dachte nur, der Panda könnte sonst wieder Ärger machen. Wenn er schon damals einen Pfau mit Waffen übers Kreuz legen konnte. Sieht nicht so aus als ob der Rest von den andern dumm ist, wenn die uns schon so austricksen konnten.“ Chiwa legte die Stirn in Falten und ihr Blick wanderte dabei zu Xia rüber, die immer noch unter den Klauen des Geiers kauerte. „Warte mal einen Moment“, befahl sie und hielt mit dem Fuß den Gecko am Schwanz fest. „Hey!“ Entrüstet zog Tongfu seinen Schwanz wieder an sich. Doch die Pfauenhenne kümmerte sich nicht länger um ihn und kehrte in den Spiegelsaal zurück. Xia schaute zu ihr auf, während Chiwa misstrauisch auf sie herabblickte. „Du scheinst deinen Ex-Vater nicht sonderlich zu mögen, oder?“, fragte die dunkle Pfauenhenne belanglos. Xia verengte verbittert die Augen. Chiwa war dieser Ausdruck nicht entgangen und redete weiter. „Ich hab so allerhand gehört, was er angestellt hatte“, fuhr sie mit neutraler Stimme fort. „Zum Beispiel auch, dass er ziemlich milde davongekommen ist, nachdem er beinahe jeden von euch umgelegt hatte.“ Xia schnaubte. Sie ärgerte sich bis heute noch, dass Xiang nicht wenigstens in den Kerker geworfen wurde. „Tja“, meinte Chiwa und fächelte sich erneut Luft mit dem Fächer zu. „Wegen ihm, habe auch ich einen Verlust erlitten, den er nie wieder gut machen kann.“ Sie seufzte. „Er war nicht immer ein braver Junge gewesen, weshalb ich ihm eine harte Strafe unterziehen möchte, die man ihm nie gegeben hatte. Doch als ich das tun wollte, sind mir die anderen dazwischengekommen. Vielleicht werden sie es ja noch einmal verhindern. Offensichtlich sympathisieren sie sehr mit meinem verkommenen Neffen, sodass ich etwas Überredenskunst mit Hilfe der drei Sprösslingen benötige. Ich wollte ihnen damit nur einen Tausch vorschlagen.“ Xia schwieg betroffen. Chiwa drehte sich zu ihr um. „Und was ist mit dir? Möchtest du das auch?“ Xias Flügel verkrampften sich. Da war noch viel mehr, was ihr die Zornesglut hochtrieb…. Vor über 20 Jahren… Das kleine Pfauenküken-Mädchen konnte nicht um Hilfe schreien. Selbst wenn sie es täte, so würde man sie nicht hören. Das Zimmer ihrer Mutter war zu weit entfernt und ihre Türe war abgeschlossen. Ängstlich drückte sie sich in die Ecke von ihrem Kinderzimmer. Der blaue Pfau stand drohend vor ihr und schaute böse auf sie herab. Irgendetwas Metallisches blitzte im Mondlicht auf. „Ich werde dich lehren dich nicht gegen mich zu stellen!“ Er kam näher. Das Mädchen begann zu weinen… „Also?“, hakte Chiwa nach. „Würde es dir gefallen, wenn er eine harte Strafe erhält?“ Xia sah zu ihr entschlossen auf. „Ja, das will ich!“ Die dunkle Pfauenhenne sah sie etwas überrascht an. Doch dann zuckte sie die Achseln. „Dann machen wir es doch kurz und einfach. Du sorgst dafür, dass Xiang zu mir kommt, und erhältst dafür deine Brüder.“ Xia hob die Augenbrauen. „Tun Sie ihnen auch nichts an?“ Chiwa rümpfte den Schnabel. „An ihnen hab ich kein Interesse. Ich will nur ihn. Richtete es so ein, dass du Xiang an meine Leute an einer bestimmten Stelle übergibst. Er wird irgendwo von deinen Freunden draußen versteckt gehalten. Dann bekommst du auch deine drei Brüder. Sobald Xiang bei mir ist, werden auch die andern freigelassen.“ Xia riss die Augen auf. „Die anderen? Heißt das…?“ „Ich hab sie nur in einen Raum sperren lassen“, beruhigte Chiwa sie. „Es geht ihnen gut. Ich möchte nur ungern mir Ärger einhandeln.“ Sie hob die Augenbrauen. „Oder ändert das etwas an deiner Entscheidung?“ Sie wedelte wieder mit ihrem Fächer vor ihr Gesicht. „Es sei denn du willst, dass Xiang doch eventuell ungeschoren davonkommt. Obwohl mir das sehr missfallen würde…“ „Nein, ich mach was Sie wollen!“, fuhr Xia ihr dazwischen. „Wenn sie dafür jeden freilassen.“ „Aber natürlich. Solange du tust, was ich dir sage.“ Sie beobachtete die junge Dame ganz genau. Es schien ihr etwas zuwider zu sein, ihren Eltern etwas zu verschweigen. Doch dann kamen Xia die Bilder ihrer Kindheit wieder in den Sinn, die sie zum frösteln brachte. „Ich bin einverstanden“, rief Xia. „Was genau soll ich tun?“ Chiwa kicherte innerlich. Heute musste ihr Glückstag sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)