Die letzte Ehre von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 19: 19. Die Angst im Nacken ----------------------------------- Liu musste Shenmi das Gesicht zu halten. Die ganzen Holzsplitter prasselten wie Hagelkörner auf sie hernieder, als Panda und Ochse durch das Hindernis rasten. Po leistete mit seinem Kung Fu Kick die meiste Arbeit, während Wang nochmal ordentlich das restliche Holz bearbeitete, sodass im Nachhinein ein riesiges Loch in der Doppeltür entstand. Doch der Panda hatte wohl zu viel Schwung genommen. Ungewollt stolperte er über seine Füße und landete mit einem finalen Klatscher auf den glatten Marmorboden. Als der Panda endlich zum Stillstand kam, drehte er sich auf den Rücken und hob den Arm. „Yeah! Das war pandastark! Nochmal!“ Als er neben sich eine Bewegung wahrnahm, drehte er sich um und sah überrascht auf, als er eine bekannte Gestalt neben sich erblickte. „Oh, Yin-Yu!“ Sofort sprang der Panda auf die Beine und blickte völlig aufgewühlt auf die Pfauenhenne herab. „Wir haben dich gefunden! Aber…“ Erst jetzt fiel dem Panda im schwachen Lampenlicht auf, dass sie an der Säule gefesselt war. Yin-Yu sah mit einem schwachen Lächeln zu ihm hoch. Sofort beschaute Po sich das verknotete Desaster und tastete die Stricke ab. Die Fesseln waren nicht dick, sodass es für den Panda kein Problem war sie mit den Händen zu zerreißen. Dankbar sank die Pfauenhenne gegen den Panda. „Kümmert euch um Shen“, bat sie mit schwacher Stimme. Po sah sie verwundert an. „Wieso? Was ist mit ihm?“ Er schaute neben ihr, wo Shen nicht weit entfernt saß. Nichts nur gefesselt, sondern auch geknebelt. Der Panda konnte sich das Ganze nicht erklären, kam Yin-Yus Bitte aber sofort nach und beugte sich zum Lord rüber, der schwer atmend dasaß. „Was ist mit dir los?“, erkundigte sich der Panda besorgt. Normalerweise war es eine Seltenheit, dass der weiße Pfau froh war über das Erscheinen dieses stümperhaften Pandas. Doch in diesem Fall fiel ihm fast eine Last von der Seele. Die ganze Zeit hatte er sich darum bemüht sich freizukämpfen. Jetzt ließ er sich ungehemmt innerlich fallen und hing schlaff in den Seilen. Po erschrak förmlich und richtete Shens Oberkörper auf. „Hey! Was soll denn das? Du willst doch jetzt nicht etwa, oder?“ Hastig entfernte er den Knebel von Shens Schnabel und schüttelte den Pfau, um ihn wieder wach zu bekommen. Endlich hob der Pfau zitternd den Kopf. „Alles… in… Ordnung“, stieß er stoßweise hervor. „Shen! Sag doch nicht sowas“, erwiderte Yin-Yu und beugte sich nun ebenfalls zu ihm vor. „Sie hat ihm irgendetwas reingestochen.“ Mit zittrigen Flügeln versuchte sie etwas auf Shens Robe zu erkennen. Die Einstichstelle war so gut wie gar nicht zu sehen. Es war nur ein winziger kleiner Blutfleck, aber die Pfauenhenne befürchtete, dass der Einstich der langen Nadel weitaus verheerendere Folgen hatte. Da Po nicht wusste, was Yin-Yu meinte, runzelte er die Stirn und ihn beschäftigte nur eine Frage. „Wer?“ „Mama!“ In diesem Moment kamen Liu und Shenmi herein. Als das Mädchen ihre Mutter erblickte, war es kaum zu halten. Sie sprang von Lius Flügeln und rannte auf sie zu. Die arme Pfauenhenne wusste nicht, ob sie sich über Shens Zustand Sorgen machen oder über das Erscheinen ihrer kleinen Tochter freuen sollte. Das Pfauenmädchen klammerte sich an ihren Hals und schien sie nicht mehr loslassen zu wollen. Liu hingegen sah sich suchend nach Xiang um und hob ihre mitgebrachte Laterne höher. Mittlerweile hatten sich auch Wangs Augen an das wenige Licht im Raum gewöhnt. Dennoch war ihm die ganze Umgebung bei weitem nicht geheuer. Die junge Pfauenhenne nahm ein leises Stöhnen wahr und ihre Augen wanderten zu einem Bett. Als sie dort eine ausgestreckte Gestalt liegen sah, lief sie sofort darauf zu. Fassungslos starrte sie auf den Pfau, der geknebelt und von Seilen mit ausgestreckten Gliedmaßen auf der Matratze lag. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Wer war das gewesen? Und wie oft musste sie den Pfau noch von Fesseln befreien? Das wäre jetzt schon das dritte Mal. Ihr durchfuhr ein zweiter Schock, als sie sah, dass das Bettlaken mit Blut bekleckert war. Schnell suchte sie die Quelle der Blutung. Sie kam direkt von seinem lahmen Bein. Hastig betastete sie den Fuß. Zu ihrer Erleichterung waren alle Zehen noch dran, aber die Schnittwunde war dennoch so tief, dass fast der Knochen zu sehen war. Eilig riss sie sich ein Stück Stoff von ihrem Hemd und verband die blutende Wunde am Fuß. Wang gesellte sich zu ihr und schien nicht zu wissen, was er von diesem Szenario halten sollte. Inzwischen war es Po gelungen auch die Fesseln um den weißen Pfau zu lösen und Shen gab sich sogar alle Mühe aufzustehen. Doch kaum war er oben, sackte er sofort wieder zusammen. Die Schmerzen im Bauch wurden nahezu unerträglich. Po übergab Shen kurzfristig der Obhut von Yin-Yu als Huan jetzt auch neben ihnen aufgetaucht war und eilte zu Liu, um sich ein Bild von der Lage machen zu können. Liu war gerade dabei Xiang den Knebel zu entfernen. „Was war denn hier los gewesen?“, wollte Po sofort wissen, in der Hoffnung, zumindest von Xiang sofort eine Antwort zu bekommen, obwohl er sich auch zunächst extrem wunderte, dass Xiangs Federn überhaupt wieder nachgewachsen waren. Doch kaum war das Tuch von Xiangs Schnabel runter, gab der Pfau keinen Laut von sich. „Xiang?“ Besorg beugte sich Liu zu ihm runter. „Sagen Sie doch was?“ Po reckte den Hals. „Lebt er überhaupt noch?“ Liu nahm eilig ihre Laterne zur Hand und hielt sie dem blauen Pfau übers Gesicht. Seine Augen waren zwar offen und sein Brustkorb hob und senkte sich, aber er reagierte nicht. Liu bekam das erste Mal seit langem richtige Angst um ihn. „Wir müssen ihn sofort von hier wegschaffen!“ Sofort wollte sie eines der Seile lösen, doch auf einmal ließ sie eine Stimme zusammenfahren. „Das würde ich an deiner Stelle lieber lassen, kleines Flittchen.“ Im nächsten Moment löste sich ein Schatten von der gegenüberliegenden Wand und schritt langsam auf sie zu. „Madame Chiwa?“, entkam es Wang. „Das ist aber eine Überraschung.“ Die Pfauenhenne kicherte heiter. „Och, kennt man mich noch? Ich glaube, da bin eher ich überrascht.“ In der Zwischenzeit hatte Liu Xiangs Kopf gehoben und wedelte mit dem Flügel vor seinem Gesicht. Doch der Pfau zeigte überhaupt keine Reaktion. Er lag einfach nur da mit offenen Augen und sagte kein Wort. Liu überkam eine große Wut. „Was haben Sie mit ihm gemacht?!“, fuhr sie die dunkle Pfauenhenne an. Diese zuckte nur die Achseln. „Och, er war nicht besonders höflich gewesen, da musste ich ihn etwas züchtigen.“ „Sie wollte ihn umbringen!“ Yin-Yu hatte keine Hemmungen es laut auszurufen. Sie war zwar bei weitem nicht gut auf ihrem Ex-Mann zu sprechen, aber die Wut auf seine Tante war um einiges größer. Liu hingegen war fassungslos. „Dazu haben Sie kein Recht!“ Mit einem Sprung war Chiwa auf der anderen Seite vom Bett von ihr und packte Xiang brutal am Pfauenkamm. „Wenn jemand seine Mutter umbringt - dann hab ich schon ein Recht dazu.“ Dem Hunnenkönig überraschte diese Aussage. „Er hat was getan?“ „Och, hab ich da was ausgeplaudert?“, meinte Chiwa scheinheilig, wurde jedoch von einer anderen Stimme unterbrochen. „Ich dachte, dass sollte vor anderen geheim gehalten werden.“ Doch Chiwa hob nur grimmig den Kopf. „Ach, lassen wir doch das Versteckspiel. Dadurch verlieren wir nur kostbare Zeit. Ich muss dringend meine Federpflege wieder nachholen.“ Tongfu, der mit seinen Gefolgsgeckos auftauchte, rollte genervt mit den Augen. „Die und ihr Schönheitsfimmel“, grummelte er. Als Po die kleinen Geckos neben ihr erkannte, fühlte er sofort wieder seine leichten blauen Flecken unterm Fell. „Hey, warst du es etwa gewesen, der mir die Schläge verpasst hat?“, fragte er empört. Jetzt musste Tongfu lachen. „Du bist kein schlechter Kämpfer, Dicker. Aber eine Diät würde dir auch nicht schaden.“ Po fühlte sich zwar ziemlich beleidigt, dennoch griff er sofort wieder das Thema auf weshalb sie eigentlich hierhergeeilt waren. Sein Blick wanderte zu Chiwa. „Also… dann warst du es gewesen, die alle hier entführt hat?“ Chiwa hob ihren Schnabel. „Und wenn schon.“ Po sog die Luft ein. „Hey, schon mal was von Freiheitsberaubung gehört?“ „Bitte, sagt ihr, dass sie uns gehen lassen soll“, drängte Yin-Yu, die immer noch ihre kleine Tochter in den Armen hielt und gleichzeitig einen sorgenvollen Blick auf Shen warf. Sie wollte nur weg von diesem Ort. „Ja“, stimmte Po ihr zu. „Wieso lassen Sie sie nicht gehen?“ Eine Weile herrschte Schweigen. Dann kicherte Chiwa und vollführte eine wegwerfende Handbewegung. „Meinetwegen, dann nehmt das Gesindel mit euch.“ Liu wollte sofort Xiangs Fesseln lösen, als Chiwa ihr brutal eines auf die Federfinger gab. „Aber er bleibt hier!“, fuhr die Pfauenhenne sie an. „Das ist eine Familienangelegenheit. Da hat sich keiner einzumischen!“ „Du bist gemein! Ich gehe nicht ohne ihn!“, konterte Liu zurück und wandte sich an Wang. „Sagen Sie doch was!“ Wang wollte gerade zu einem Satz ansetzen, als Chiwa ihm das Wort abschnitt. „Sie haben hier nichts zu sagen! Das ist nicht Ihr Reich! Aber er ist mein Neffe und er wird tun was ich ihm sage. Und nur alleine ich habe das Recht ihn auch zu bestrafen.“ Ihr Flügel wanderte langsam über Xiangs Hals und verübte etwas Druck auf seine Kehle. „Oder ist es nicht Gesetz bei Ihnen jemanden hinzurichten, wenn er sich an seiner eigenen Familie vergriffen hat?“ Der Hunnenkönig rieb sich über den Kopf. „Nun, vielleicht ja schon… Aber da müsste man eine genaue Untersuchung anstellen…“ Liu warf Po einen hilfesuchenden Blick zu. Der Panda sah sich hastig um. Theoretisch könnten sie jetzt einfach gehen, aber hatte Yin-Yu es ernst gemeint, dass sie ihn umbringen wollte? Selbst wenn, was sollte man da tun? Schließlich räusperte sich der Panda. „Hören Sie“, begann er und ging einen Schritt nach vorne. „Ich kann Ihre Frustration ja verstehen. Ich komme auch nicht immer mit jedem klar. Ehrlich, es gibt sogar einige, denen ich auch mal gerne eine verpassen würde. Also, na ja, nicht unbedingt. Sie wissen schon. Das ist nicht der Sinn des Kung Fu. Ich meine… Ich bin immer für eine friedliche Lösung. Und deshalb denke ich… dass wir den ganzen Stress mal vergessen und uns erst wieder treffen sollten, wenn sich alle Gemüter beruhigt haben.“ Normalerweise hatte Po nichts gegen einen Kampf, doch angesichts dessen, dass ihm Chiwa ziemlich unberechenbar erschien, zog er es vor die ganze Sache erst mal mit Samtpfoten anzufassen. Vor allem da es Liu wohl sehr daran lag, dass Xiang nicht noch mehr passierte. Er ging langsam näher ans Bett heran und löste ein Seil nach dem anderen vom Bettpfosten. „Von daher werden wir jetzt erst mal etwas Abstand voneinander nehmen“, fuhr Po fort. „Und uns erst mal zurückziehen…“ Er zog den blauen Pfau etwas auf seine Bettseite, doch sofort packte Chiwa das Hemd von ihrem Neffen und zerrte ihn wieder auf die Bettmitte. „Das kannst du vergessen!“, fuhr sie ihn an. „Ich rate dir besser hier zu verschwinden!“ Jetzt wurde auch Po dieser harte Ton etwas zu viel und hob abwehrend die Hände. „Ich warne Sie. Ich bin zwar ein süß aussehender Panda, aber ich kann auch sehr entschlossen zuschlagen. Das gilt auch für Frauen.“ Er hielt kurz inne. „Na ja, ich meine, nicht schlagen. Ich meinte hauen… äh nein, einen Stoß verpassen. Na ja, kommt immer darauf an. Ich kann sie auch nur festhalten. Ich meine, bei feinen Damen bin ich auch sehr rücksichtsvoll…“ Plötzlich packte Chiwa die Stoffstreifen, die an ihrem Ärmel herunterhingen, schwang sie zurück und schlug sie gegen den Panda. Die Wucht der Ärmelstreifen trafen den Panda wie fünf Peitschen. Po taumelte nach hinten und prallte gegen die Wand. Stöhnend rieb er sich den Magen und den Rücken. „Das war aber jetzt nicht sehr damenhaft gewesen.“ Chiwa bäumte sich jetzt gefährlich auf. Sie machte einen leichten Sprung und blieb auf einem der Bettpfosten stehen. „Tongfu“, begann sie mit unheimlich ruhiger Stimme. „Würdest du bitte einen großen Besen nehmen und diese Schweinerei entfernen?“ Sofort sprangen die Geckos in die Presche. Wang reagierte sofort. Er schnappte sich Liu und sprang mit ihr zur Seite, bevor die Geckos auf sie springen konnten. Auch Huan machte sich sofort nützlich und zog Yin-Yu mit Shen aus dem Zimmer. Wang riss Liu mit sich zur Tür. Diese wehrte sich heftig. „Nein! Ich lass ihn nicht hier!“ Po, der immer noch an der Wand lehnte, sah sich hastig um. Die Geckos schienen ihren Spaß daran zu haben die Eindringlinge etwas zu hetzen und wollten sich auf sie stürzen wie herabfallende Vöge. Schnell schnappte sich Wang eines der Holzbretter, dass bei dem Einbruch zu Boden gerissen worden war und schlug die Geckos wie mit einem Baseballschläger von sich. Pos Blick fiel auf das Bett. Dann warf er einen Blick zum Himmel. „Na gut, ein Drachenkrieger rettet jeden in Not.“ Er rannte nach vorne, doch noch ehe er das Bett erreichten konnte, sprang ihm Chiwa in den Weg. Wütend zog Po die Augenbrauen zusammen. „Okay, du willst ein Kämpfchen? Gut, das kannst du haben!“ Chiwa wollte zu einem neuen Schlag mit ihren Ärmelstreifen ausholen, doch Po sprang zur Seite und ärgerte sie mit verzerrten Grimassen. Das machte die Pfauenhenne zwar nicht unkontrolliert wütend, aber aggressiv. Ihre Griffe um ihren Ärmelstreifen verstärkten sich. Sie hob die Flügel und schlug erneut mit den peitschenähnlichen Ärmelstreifen nach dem Panda. Po wich ihnen aus und die Stofffransen ihres schwarzen Gewandes trafen nicht den Panda, dafür die Säule, die sich unfallmäßig drumherum wickelten. Po nutzte die Gelegenheit, nahm zwei der Gewandstreifen und knotete ihn an der Säule fest. Als die Pfauenhenne merkte, dass sie festhing, riss sie wie verrückt an ihrem Gewand. Schnell rannte Po zum Bett, zerriss die Seile, die den blauen Pfau festhielten und zerrte ihn zur Tür. „Steht da nicht so herum wie verfaulte Skelette!“, schrie Chiwa als sie das sah. „Schnappt sie euch!“ Die davon geschleuderten Geckos erholten sich nur langsam von diesem Schleudertrauma des Hunnen, nahmen aber sofort die Verfolgung auf. „Schnell raus hier!“, rief Po als er endlich über der Schwelle auf den Flur stand. Liu war total erleichtert, dass er Xiang rausgeholt hatte. Nur Shen war damit gar nicht einverstanden. „Wie… kannst du…?“ „Jetzt ist keine Zeit Analysen zu stellen!“, schnitt Po ihm was Wort ab. Da Xiang noch immer völlig von der Rolle war, blieb es an Huan hängen ihn zu tragen. Wang war stark genug und hievte die geschwächte Yin-Yu und den verletzten Shen gleichzeitig hoch. Po griff nach Shenmi und gemeinsam rannten sie den Korridor runter. „Los, hinterher!“, hörten sie die Stimme der Geckos. Im nächsten Moment kam Po eine Idee. Er stieß einen Krug um, der bei den ganzen Putzsachen an der Wand stand. Der Krug zerbrach und hinterließ eine Flüssigkeit auf den Boden. Da es im Flur dunkel war, bemerkten die Geckos nicht das Malheur und rutschten der Reihe nach darauf aus. „Wir müssen weg von hier!“, meinte Wang im Rennen. „Hier ist es nicht sicher.“ „Wohin sollen wir hin?“, erkundigte sich Po keuchend. „Zur Treppe!“ Mittlerweile hatte Chiwa sich ihr Messer aus dem Gewand geholt und zerschnitt die verknoteten Ärmelstreifen von ihrem Gewand. Wütend betrachtete sie sich ihr beschädigtes Kleid. „Verflixt. Das war mein bestes Abendkostüm!“ Endlich hatte die flüchtende Truppe die Haupttür erreicht. Dort angekommen, rief Wang die zwei Wachleute zusammen, die dort Wache standen. „Schnell, das Tor zu und die Treppe runter!“, befahl der Hunnenkönig. Die Wachen stellten keine Fragen. Kaum war der letzte durch, verrammelten sie das Tor. Gerade noch rechtzeitig noch bevor der erste Gecko ihnen hinterherspringen konnte. „Treppe runter?“, wiederholte Po. „Das ist die erste gute Nachricht, die ich heute zu hören bekomme.“ Po war extrem froh endlich wieder unten im Tal angekommen zu sein. Kaum hatte er die letzte Stufe überschritten, warf er sich auf den Boden und küsste ihn. „Endlich wieder auf berglosem Land.“ Doch sofort stand er wieder auf den Beinen. „Aber was machen wir jetzt?“ Wang, der direkt hinter ihm herkam, war zwar stark, benötigte aber eine kurze Pause. Sachte setzte er Yin-Yu als erste ab und kurz danach Shen. „Wie geht es ihm?“, erkundigte sich Po besorgt. Doch nicht nur er machte sich Sorgen. „Daddy, geht‘s dir nicht gut?“, fragte Shenmi ängstlich. „Geht… schon… wieder…“, versuchte Shen sie zu beruhigen. Mühsam versuchte der weiße Pfau auf die Beine zu kommen, doch er krampfte immer wieder zusammen und hielt sich den Bauch. „Er braucht einen Arzt“, meinte Wang entschieden. Po sah sich suchend um. „Wo ist denn einer?“ „Unser Militärarzt hat sich hier niedergelassen“, klärte Wang ihn auf. Po hob verwundert den Kopf. „Ach, ist das nicht der, den wir auch schon kennen?“ Der ehemalige Militärarzt der Hunnen bewohnte ein kleines Haus im westlichen Teil der Stadt. Seit die Hunnen die Stadt verwalteten, hatte er es vorgezogen dort seinen Lebensabend zu verbringen. Allerdings würde ihm das heute Abend nicht gegönnt werden. Kaum hatte die Gruppe das Haus erreicht, klopfte Wang nicht an, sondern trat die Tür einfach ein. Er brauchte zum Glück nicht lange zu suchen. Kaum hatte er das Schlafzimmer gefunden, zog er den Affen einfach aus dem Bett. Doch dieser war sofort mit einem Schlag hellwach und erkannte in Sekundenschnelle, wer da in sein Haus eingedrungen war. Er war solche Blitzsituationen noch vom Krieg gewohnt. Im ersten Zimmer direkt hinter der Haustür hatten sich die anderen mittlerweile schon eingefunden. Shen lag auf einer Art Sofa. Yin-Yu stand neben ihm und strich Shenmi ab und zu über Rücken und Kopf, die in Pos Armen lag. Huan hatte Xiang irgendwo in eine Ecke abgesetzt. Liu hockte neben ihm und versuchte ihm immer wieder aus seinem Trancezustand rauszubekommen. Doch er reagierte immer noch nicht auf äußerliche Einflüsse. Alle hoben erleichtert die Köpfe, als der Arzt mit Wang hereinkam. „Was ist denn hier passiert?“, wunderte sich der Affe, der immer noch in seinem Schlafanzug steckte. „Sie müssen hierherkommen“, sagte Yin-Yu und winkte ihn zu sich rüber. Beim Durchqueren des Zimmers fiel der Blick des Arztes auch auf Xiang. „Oh, der hat sich ja besser wieder erholt als ich dachte“, bemerkte er im Vorbeigehen. Doch dann wandte sich seine ganze Aufmerksamkeit Shen zu, der verkrampft auf dem Sofa lag. „Wie geht es Ihnen?“, erkundigte sich der Arzt. „Ging schon… mal besser“, keuchte Shen. „Wo tut es weh?“ Shen deutete auf die linke Bauchseite. Der Arzt nickte und schob einen Teil der Robe beiseite und begutachtete die kleine Einstichstelle. Sachte tastete er den Bauch ab. Shen sog jedes Mal hörbar die Luft ein. Yin-Yu konnte nicht anders und hielt ihm beruhigend den Flügel. Mit jedem Abtasten bildete sich eine weitere Sorgenfalte auf der Stirn des Arztes. „Mm. Der Bauch wird hart…“, murmelte er. „Das ist nicht gut.“ „Was hat er denn?“, wollte Po sofort wissen. „Ich würde sagen, innere Blutungen.“ Schließlich nach einigen Abtastungen später hob der Affe entschlossen den Kopf. „Ich muss operieren.“ „Jetzt?!“ Po blieb der Mund offenstehen. Nicht wegen der OP, sondern wegen etwas anderem. „Wir können hier nicht bleiben! Die könnten uns hier jederzeit finden!“ Der Arzt zuckte die Achseln. „Ich kann ihn doch nicht im Laufen aufschneiden. Wenn wir länger warten, dann verblutet er noch innerlich.“ Das brachte die Umherstehenden erst mal zum Verstummen. Shenmi begann leise in Pos Armen zu Weinen. Po dachte angestrengt nach und rieb sich übers Kinn. Dann hellte sich seine Miene auf. „Hey! Ich hab eine Idee!“ Alle sahen ihn an. „Und die wäre?“ „Zum Schiff!“ Die Seeleute waren sichtlich überrascht, als man sofort zum Aufbruch aufrief. Noch dazu beim Anblick der ganzen zusätzlichen Passagiere. Doch als sie den verwundeten Lord in den Armen des Hunnenkönigs erblickten, waren sie endlich hellwach und lösten die Leinen. „Wir bringen ihn am besten unter Deck“, schlug Wang vor, da er annahm, dass der Arzt für seinen Eingriff eine ungestörte Ecke benötigte. Dieser hatte in der Eile nicht nur seine Tasche, sondern auch noch seinen Schlafanzug angelassen. „Das ist eine gute Idee“, stimmte der Affe ihm zu und eilten eine Holztreppe nach unten. Schnell drückte Po die kleine Shenmi wieder in Lius Flügel. „Okay, ihr bleibt hier. Ich komm gleich wieder.“ Kaum hatte Shenmi den Platz gewechselt, streckte sie jammernd ihre Flügel nach Po aus. „Ich will bei Daddy bleiben!“ Po hob beruhigend die Arme. „Keine Sorge. Ich komme sofort wieder.“ Er eilte die Treppe nach unten. Wang und der Arzt hatten sich in die Hauptkabine zurückgezogen. Po schlüpfte schnell mit hinein. „Was brauchen Sie jetzt?“, erkundigte sich Wang. „Eine gerade Fläche“, sagte der Arzt. „Ein Tisch wäre am besten.“ Po sah sich um und erblickte den großen Essenstisch. Schnell warf er alles runter was sich darauf befand, schüttelte die Tischdecke aus und legte sie wieder glattgestrichen darauf. Anschließend bettete Wang den Pfau drauf. Shen gab sich alle Mühe ruhig zu bleiben. Er kannte Verletzungen wo Blut floss, aber diese war ihm weitreichend unbekannt. Der Affe verlor keine Zeit. Kaum lag der Pfau auf dem Tisch, holte er eine Flasche heraus und tränkte mit der darin enthaltenen Flüssigkeit ein Tuch. „Schön inhalieren“, befahl er und hielt es Shen vor die Nase. Shen nahm sofort ein paar kräftige Atemzüge. Er wollte keine Schmerzen mehr spüren. Und es dauerte nicht lange und sein Körper erschlaffte. „Es wäre gut, wenn mir jemand eine Lampe halten würde“, meinte der Arzt und warf einen Blick auf den Panda. „Denken Sie, Sie könnten das tun?“ Po sah ihn unsicher an. „Äh, na ja… also ich weiß nicht…“ In diesem Moment holte der Arzt ein kleines scharfes Messer aus der Tasche. Als Po das Skalpell erblickte, zog er es vor den Rückzug zur Tür anzutreten. „Äh, ich warte besser draußen. Vielleicht finde ich jemanden, der sich besser dafür eignen würde…“ „Ich mach das schon“, bot Wang sich an. Po lächelte ihm dankbar zu und schloss hastig die Tür. Kaum war sie zu, atmete er erleichtert auf. Dann eilte er wieder an Deck. Dort rannte ihm Shenmi entgegen. „Was ist mit, Daddy?“, fragte sie ihn sofort. „Stirbt er jetzt doch?“ Beruhigend strich der Panda ihr übers Köpfchen. „Nein, nein, natürlich nicht.“ Mit einem gequälten Lächeln neigte er sich zu ihr runter. „Mach dir keine Sorgen. Deinem Vater geht es nur im Moment nicht so gut. Er wird nur kurz beim Arzt sein und danach geht es ihm auch wieder besser. – Aber du könntest ihm einen Gefallen tun.“ Das Pfauenmädchen neigte den Kopf. „Welchen?“ „Geht zu deiner Mutter und pass ein bisschen auf sie auf. Ich denke, sie braucht jetzt jemanden, der sie tröstet.“ Er nahm das Mädchen und ging mit ihr auf die Seite des Schiffes, wo die anderen sich erschöpft niedergelassen hatten. Mittlerweile hatte das Schiff fast den Hafen verlassen. Besorgt schaute Po zum Berg hoch. Hoch oben im Palast stand die schwarz-violette Pfauenhenne am Fenster und starrte in die Nacht auf das Tal. Sie drehte sich auch nicht um, als Tongfu ins Zimmer hereingelaufen kam. „Wir haben sie kurzfristig aus den Augen verloren“, berichtete der Gecko. „Aber sie sind mit dem Schiff abgefahren.“ Er wartete einen kurzen Moment. Als er keine Antwort erhielt, hakte er weiter nach. „Sollen wir sie verfolgen?“ Die Pfauenhenne wandte sich vom Fenster ab. „Aber, aber. Wozu die Eile?“ Und ging seelenruhig durch das Zimmer. Dem Gecko überraschte diese Reaktion. „Hä? Aber das war doch die ganze Zeit Ihr Ziel gewesen. – Oder haben Sie Ihre Meinung geändert? Dann wollen wir aber unser Geld für unsere Mühe.“ Chiwa hielt kurz an. Dann lachte sie. „Wer sagt denn, dass ich meine Meinung geändert habe?“ Sie strich sich über ihre abgeschnittenen Ärmelstreifen. „Und warum sitzen wir dann noch hier?“, wollte Tongfu wissen, doch Chiwa blieb gelassen. „Egal wo sie auch hinflüchten, sie werden zurückkommen.“ „Und warum sollten sie das tun?“ „Das silberäugige Ding war sehr gesprächig gewesen. Wir brauchen nur ein neues Lockmittel.“ Der Gecko verstand gar nichts mehr. „Hä? Für wen? Ich dachte, Sie wollten nur den blauen Vogel. Ich glaube kaum, dass der sich freiwillig locken lässt wie eine Maus mit Käse.“ Mittlerweile hatte sich Chiwa auf einem Stuhl niedergelassen und faltete bedächtig die Flügel zusammen. „Seine Ex erwähnte, dass sie noch drei weitere kleine Küken hat.“ Sie ließ ein paar Sekunden verstreichen bevor ihr Blick auf Tongfu fiel. „Mach dich auf den Weg nach Gongmen und hol mir die anderen kleinen Bälger von ihm“, befahl sie. Tongfu hob überrascht die Augenbrauen. „Wozu denn?“ Die Pfauenhenne stieß ein genervtes Schnauben aus. „Euch ist wohl nicht aufgefallen, dass dieser blasse Vogel einen Groll gegen meinen Prachtneffen hegt.“ „Ist das nicht normal?“, fragte der Gecko und kratzte sich am Kopf. „Ich habe gehört, Pfauenmännchen wären ziemlich Revier veranlagt…“ „Wie auch immer“, unterbrach sie seine Ausführungen und winkte ihn weg. „Also los. Nimm am besten ein paar Berggeier. Mit ihnen werdet ihr spätestens morgen früh dort sein.“ Der Gecko wollte sich schon umdrehen, als ihm noch etwas anderes einfiel. „Und falls der weiße Vogel doch mittlerweile gestorben ist? Ich kenn mich ja nicht so sehr mit Ihren Tötungsmethoden aus, aber er sah ja nicht gerade gut aus nach Ihrer Behandlung.“ „Dann bleibt es eben an ihr hängen“, meinte Chiwa gleichgültig. „Dann muss sie sich eben alleine entscheiden. Entweder das Leben von meinem Neffen oder… das Leben von ihren Sprösslingen.“ Ein kaltes Lächeln glitt über ihren Schnabel. „Nur vielleicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)