Die letzte Ehre von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 10: 10. Ein Tag voller Terror ------------------------------------- Normalerweise pflegte man zu sagen: ein neuer Tag ein neues Glück. Doch für Liu blieb dieser Spruch nur eine Anreihung von Worten ohne Bedeutung. Mit besorgtem Blick ging sie an diesem Morgen durch die Gänge der Kurresidenz. Seit dem Wechsel hatte sie Xiang nicht mehr zu Gesicht bekommen und von Duona konnte sie keine Auskunft erwarten. Die Pfauenhenne rieb sich nervös die Hände. Ständig fragte sie sich, ob mit ihm alles in Ordnung war. Doch das war nicht das Einzige was ihr Sorge bereitete. Viel mehr beschäftigte sie eine Tatsche: Heute war Xiang an der Reihe gebadet zu werden. Xiang hatte immer noch keine Idee wie er sich an der unverschämten Person rächen könnte. Stattdessen behielt er jeden Kommentar vorerst für sich und aß sogar sein Frühstück auf. Kaum war die Bärin dann mit dem Tablett aus dem Zimmer verschwunden, grübelte der Pfau weiter nach. Solange bis Duona wieder hereinkam. „Baden“, grunzte sie. Doch diesmal war Xiang nicht zu einem Kompromiss bereit. Stattdessen verschränkte er die Arme und drehte den Kopf zur Seite. „Mir ist heute nicht nach baden. Ich lass es ausfallen.“ Er zuckte zusammen, als die breitgebaute Pflegerin ein lautes Schnauben ausstieß. Xiang verkrampfte sich, doch er wollte nicht nachgeben. „Baden!“, knurrte die Bärin, diesmal in einem bedrohlicheren Ton. Xiang hob den Kopf höher. „Ich sagte doch, dass mir heute nicht danach ist… HEY!“ Die Bärin packte den Pfau am Hals, riss ihn aus dem Bett und schleppte ihn aus dem Zimmer. Wütend zappelte der Pfau in ihrem Griff. Doch die Bärin stieß einfach die Tür vom Badezimmer auf und setzte den Pfau so brutal auf den Hocker, dass ihm sein Gesäß schmerzte. „Erwarte nur nicht von mir, dass ich mich ausziehe!“, protestierte Xiang. Bei Liu hatte er nie Hemmungen gehabt. Doch jetzt war es ihm irgendwie peinlich sich vor einer wildfremden Person zu entledigen, auch wenn seine Federn seinen Körper verdeckten. Die Bärin stampfte auf ihn zu. Xiang wich zurück. „Hau ab! Verschwinde… LASS MICH LOS!“ Doch die Bärin packte den Pfau erneut am Hals, riss ihm das Hemd vom Leib und steckte ihn in die Wanne wie einen billigen, dreckigen Hund am Waschtag. Prustend kam Xiang wieder an die Oberfläche. „HEY! Willst du mich ertränken oder wa…?!“ Xiang kam nicht mehr dazu um Hilfe zu schreien. Im nächsten Moment packte die Bärin zu und drückte seinen Kopf unter Wasser. Der Pfau trat und schlug wie wild um sich, dass das Wasser nur so nach allen Seiten spritzte. Schließlich lockerte Duona etwas den Griff, sodass Xiang Möglichkeit hatte wieder nach Luft zu schnappen. Doch dies hielt nur für knappe zwei Sekunden, dann tauchte sie ihn wieder in die Wanne. Xiang geriet immer mehr in Panik und meinte jeden Moment ersticken zu müssen. In der Zwischenzeit schrubbte ihm jemand brutal den Rücken ab. Endlich schaffte er es wieder den Kopf aus dem Wasser zu heben, wobei er furchtbar hustete. Seine Lunge tat ihm weh und er merkte, dass er nicht nur Badewasser in den Augen hatte. Er war kurz davor laut zu Weinen. Rund ihm ihn herum schwammen Federn, die vom ganzen Schrubben herausgerissen worden waren. Plötzlich zerrte Duona ihn aus dem Wasser und warf ihn, klatschnass wie er war, einfach auf den Boden. Das Tuch flog gleich hinterher. Xiang hatte wegen dem glitschigen Wasser keinen Halt. Er schlitterte über den Boden und knallte gegen einen Schrank, wobei ein Korb mit lauter Haarpflegeutensilien herausfielen. Stöhnend richtete Xiang sich wieder auf. Fröstelnd lag er in einer Wasserlache. Erst jetzt bemerkte er wie ihm sein linkes Bein wehtat. Prüfend schaute er auf sein Knie, dass er sich beim Sturz etwas aufgeschlagen hatte. Xiang drehte den Kopf weg. Beim Blutsehen wurde ihm zwar nicht schlecht, doch das war einfach zu viel. Keuchend stützte er sich auf den Armen ab. Er starrte auf den Boden und auf die zerstreuten Haarmaterialien, die hauptsächlich aus Kämmen bestand und… eine Schere. Schnell warf Xiang seinen langen nassen Pfauenschwanz darüber, der die Schere bedeckte. Dann rutschte er rückwärts über den Boden. Kaum spürte er die Schere in seinem Flügel griff er danach. Doch noch ehe er sie benutzen konnte war die Bärin auch schon bei ihm, packte den halbnassen Pfau am Rücken und schleifte ihn über den Boden. „HEY, ich bin doch noch gar nicht trocken!“, schrie Xiang sie an. Kurz darauf wurde er wieder auf den Boden geschmissen. Anschließend wurde das Abtrocknerhandtuch um ihn wie einen Sack übergestülpt. Dann wurde er wieder hochgehoben und aus dem Raum getragen. Der Pfau gab sich Mühe nicht laut herumzuschreien, aus Angst sie würde ihm noch das Genick brechen. Am Ende der Reise wurde er aufs Bett geworfen. Hektisch wuselte er sich aus dem Handtuch raus. Doch Duona schenkte ihm keine weitere Beachtung. Sie warf das neue Hemd einfach neben ihn hin und verließ den Raum. Xiang schlug das Herz bis zum Hals und drückte sich im Bett gegen die Wand. „Die wollte mich umbringen“, schoss es ihm durch den Kopf. „Das war eindeutig ein Mordversuch gewesen!“ Auf einmal spürte er wieder die Schere im Flügel. Zitternd presste er sie an sich. Dann fiel sein Blick wieder auf sein blutendes Knie. Ausgerechnet auf seinem gesunden Bein musste er landen. Auf dem rechten hätte er gar nichts gespürt. Langsam strich er mit der Scherenklinge über das Blut. Eine Weile betrachtete er das rote Geschmiere auf dem Metall. Vor Wut verkleinerten seine Pupillen. Dafür wirst du bezahlen! Es war nicht mehr lange bis zum Mittagessen. Xiang saß kerzengerade in seinem Bett und starrte zur Tür. Er wartete nur darauf, dass sie reinkam. Die Schere hatte er in der Zwischenzeit in zwei Hälften geteilt. Jetzt waren sie genauso gefährlich wie zwei Messer. In Xiang baute sich die Spannung mit jeder Minute immer weiter auf. Er kontrollierte nochmal, dass die beiden getrennten Scherenhälften unter der Decke nicht zu sehen waren. Es war ein Risiko mit dem was er vor hatte. Nach dieser Tat konnte er nicht von hier fliehen. Aber das war ihm im Moment völlig egal. Selbst wenn er dafür die Hinrichtung erhielt, aber diese Demütigungen, die er hier erhalten hatte, wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Sein Federnkamm stellte sich auf. Schwere Schritte nährten sich seinem Zimmer. Xiang ließ sich nichts anmerken, als die Bärin mit dem übelgelaunten Gesicht mit einem Tablett das Zimmer betrat und es ihm wie immer auf den Nachttisch knallte. Kaum hatte sie ihm den Rücken zum Gehen gewandt, tastete der Pfau nach der ersten Scherenhälfte und schleuderte es auf sie. Das scharfe Metall sauste durch die Luft, doch noch ehe es das Fell des Opfers berühren konnte, drehte Duona sich blitzschnell um und fing das Geschoss im Flug auf. Xiang riss geschockt die Augen auf. Doch er griff sofort nach der zweiten Scherenhälfte. Doch auch diese wurde von der Bärin eingefangen, wie die Fliege vom Frosch. Jetzt saß der Pfau völlig waffenlos im Bett. Damit hatte er jetzt gar nicht gerechnet. Und noch weniger mit einer vor Wut rasenden Gigantin. Schnaubend hob die Bärin die beiden Scherenhälften in jeweils einer Hand und verbog sich mit dem Daumen. Mit einem armseligen Klirren fielen die ramponierten Metallhälften zu Boden. Zu Xiangs Entsetzen presste die Bärin jetzt beide Hände aufeinander und knackte bedrohlich mit den Fingern. Der Pfau sprang im Bett auf und drückte sich vor Angst gegen die Wand. Wie angewurzelt blieb Liu stehen. Sie war gerade dabei gewesen den Korridor zum Yoga-Raum hinunterzugehen, als sie meinte einen dumpfen Schrei gehört zu haben. Als aber nach mehreren Sekunden angestrengten Lauschens sich nichts mehr tat, setzte sie ihren Weg fort. Allerdings mit einem unguten Gefühl im Magen. Als die Pfauenhenne später wieder durch die Gänge ging, war sie sehr überrascht als Duona ihr im Flur entgegenkam. „Hallo!“, grüßte Liu. „Wie geht es denn…?“ Die Pfauenhenne erschrak, als die Pflegerin sie so grob zur Seite stieß. Die Bärin hatte einen fiesen, wütenden Gesichtsausdruck. Ohne ein Wort ging sie einfach weiter. „Hey, was sollte das denn?“, murmelte Liu erbost und sah ihr hinterher. Die Bärin war noch übler gelaunt als sonst. Hatte Xiang sie geärgert? Liu durchfuhr ein schrecklicher Gedanke. Eilig rannte sie zu Xiangs Zimmer. Mit Herzklopfen hielt sie vor der Tür an. Sie lauschte kurz, konnte aber nichts hören. Alles schien so wie immer zu sein. Zögernd öffnete sie die Zimmertür. Sie hatte kaum einen Schritt nach vorne getan, blieb sie geschockt im Türrahmen stehen. Sie hielt sich die Flügel vor dem Mund, um nicht zu schreien. Xiang lag auf dem Boden an der Wand. Die Bettdecke war in Streifen gerissen worden und um ihn herumgewickelt, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte. Weder Flügel noch Beine. Er war zusammengeschnürt wie ein Bündel Holz. Doch das alleine erschreckte sie nicht. Auf dem Holzboden waren ein paar verschmierte Blutflecken zu erkennen. Daneben lagen zwei verbogene Metallteile. Zudem lagen ein paar Federn verstreut auf dem Boden. Der Pfau regte sich nur sehr leicht. Liu hörte ein stumpfes Keuchen. Endlich kam wieder Leben in sie. Schnell rannte sie auf ihn zu und beugte sich über ihn. Als ihr Blick auf seinen Kopf fiel, bemerkte sie erst jetzt, dass man ihm noch ein Tuch in den Mund gestopft und mit einem zerrissenen Tuch zusätzlich verschlossen hatte. Der Pfau hatte die Augen geschlossen und wirkte ziemlich erschöpft. Lius Augen weiteren sich. Unter den Federn war ihr das nicht sofort aufgefallen, doch anhand von dem blauen Auge erkannte sie, dass der Pfau geschlagen worden war. Wo genau konnte sie nicht sagen, doch es musste mehr als nur das Gesicht gewesen sein. Ihr Blick fiel wieder auf die verbogenen Metallteile auf dem Boden. Zögernd hob sie eines davon auf und betrachtete die scharfe Klinge. Als sie den Ring am Ende sah, wusste sie, dass es ein Teil einer Schere war. Suchend besah sie sich den Körper des Pfaus. Wo hatte er sich das Blut hergeholt? Die Antwort erhielt sie an den Schnitten an den Beinen. Die Wunden waren zwar nicht tief, aber Liu konnte es nicht fassen, dass man sowas tun konnte. Sachte berührte sie Xiangs Rücken. Der Pfau zuckte zusammen und stieß ein gequältes Stöhnen aus. Die Pfauenhenne streichelte ihn behutsam. Diese ungewohnten Berührungen auf seinem Körper veranlassten ihn die Augen zu öffnen. Als sich ihre Blicke trafen, schüttelte Liu ungläubig den Kopf. „Was hat sie mit dir gemacht?“ Xiang kniff die Augen zusammen und wich ihrem Blick aus. Liu seufzte schwer. Dann setzte sie das verbogene Metall an die Stoffstreifen, die als Fesseln benutzt wurden waren und begann sie zu zerschneiden. Kaum spürte der Pfau die sägenden Bewegungen schrie er auf. Liu wich erschrocken zurück. Wenigstens hatte sie den Stoffstreifen durch, sodass der Pfau sich trotz seiner Verletzungen selber daraus befreien konnte. Er schaffte es sogar sich den Knebel herauszureißen. Besorgt beugte sich Liu zu ihm vor. „Ist alles…?“ Als Xiangs Augen wieder auf sie trafen, wich er panisch von ihr weg. Er war so hysterisch, dass er sich in die Ecke zwängte und sie mit weitaufgerissenen Augen anstarrte. Liu versuchte ihn zu beruhigen. „Ist gut, ist gut, es… ich tu doch gar nichts.“ „HAU AB!“, brüllte der Pfau. „Nein! Leg es weg! Leg es weg!“ Verwundert hielt Liu inne. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die verbogene Scherenhälfte immer noch im Flügel hielt. Mit Horror starrte der blaue Pfau darauf, als wäre es ein Fleischerbeil. „Ist ja okay, ist ja okay“, sagte sie ruhig und warf die Schere schnell weg. Doch das konnte den Pfau nicht mehr beruhigen. Auch als sie auf ihn zukam, drückte er sich nur noch tiefer in die Zimmerecke. „LASS MICH IN RUHE!“, schrie er weiter. Liu wusste nicht mehr was sie noch machen sollte und versuchte beruhigend auf ihn einzureden. „Es ist okay, niemand tut Ihnen was. Kann ich irgendetwas tun…?“ „VERSCHWINDE!“ Liu erschrak. Er hatte Tränen in den Augen. Solche verweinten Augen hatte sie nicht mehr bei ihm gesehen seit er… „VERSCHWINDE! HAU AB! VERSCHWINDE! VERSCHWINDE!“ Panisch flüchtete Liu aus dem Zimmer und rannte den Flur hinunter. „Herr Furu, Sie müssen Xiang unbedingt eine neue Pflegekraft zuteilen!“ Der alte Pika machte gerade ein paar Entspannungsübungen in seinem Büro. Als Liu allerdings mit diesem Anliegen auf ihn einstürmte, spitzte er überrascht die Ohren. „Erst beschwerst du dich, dass er dir auf der Nase herumtanzt und jetzt verlangst du, dass man ihn mit Samthandschuhen anfassen soll?“ Liu stieß einen verzweifelten Seufzer aus. „Natürlich nicht. Aber doch nicht so, dass sie ihn fast umbringt! Als ich ihn vorhin vorgefunden habe, war er total verstört gewesen.“ Der Pika rümpfte die Nase und machte mit seinen langsamen Bewegungen einfach weiter. „Dann muss er sich eben fügen. Entweder er tut das, was man von ihm verlangt, oder er kann auch gleich in ein Hochsicherheitsgefängnis wandern. So hatten wir es mit dem König vereinbart. Er wäre kein einfacher Gast, und wenn er sich weiter aufmüpfig verhält, dann muss er eben die Konsequenzen dafür tragen. Duona hat mir schon berichtet, dass er sie erstechen wollte. Wäre sie nicht so darin geübt gewesen im Umgang mit gefährlichen Kriminellen, hätte ich ihn jetzt von dieser Residenz verwiesen.“ „Aber das muss doch auch gehen, ohne dass man ihm dafür weh tun muss! Am Ende bricht sie ihm noch was!“ Allmählich wurde dem Pika die Unterhaltung zu lästig. „Möchtest du denn wieder in die Wäscherei zurück?“ Liu rollte die Augen, doch sie fügte sich, indem sie den Kopf schüttelte. „Nein.“ „Dann kümmere dich nicht weiter darum und geh wieder an deine Arbeit. Er ist nicht mehr dein Patient.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)