But sometimes love hurts von Bara-sama ================================================================================ Kapitel 11: ~11~ ---------------- Nervosität. Genau das war das unangenehme Gefühl, welches sich gerade in mir breit machte. Das Essen, welches mir Reita vor ungefähr zwanzig Minuten ans Bett gebracht hatte, hatte ich nur mühevoll hinunter gekriegt. Er hatte mich zwingen müssen, überhaupt den Mund aufzumachen. Nun saß ich hier auf meinem Bett und bewegte mich nicht von der Stelle, während meine Mutter unten im Flur die Neuankömmlinge ins Haus ließ. Sie waren da oder besser gesagt, er war da! Der Übeltäter, der es doch tatsächlich wagte, nach der gestrigen Aktion noch hier zu erscheinen. Innerlich sträubte ich mich dagegen, Sui gegenüberzutreten, obwohl es genau andersherum sein sollte. Er sollte sich dafür schämen, dass er versucht hatte, mich mit so einem hinterhältigen Trick wie den letzten Idioten darzustellen. Und da traute er sich auch noch einfach so hierher. Abgesehen davon, dass er sich gestern auch noch so scheinheilig um mein Wohlbefinden gesorgt hatte. Aber auch wenn ich innerlich auf Rache aus war, so würde ich dennoch nichts Unüberlegtes tun oder sagen, da ich mich nicht auf Suis Niveau herablassen wollte. Soweit kam’s noch! Dass ich vielleicht zu schnell und zu Unrecht davon überzeugt war, dass es Sui gewesen war, kam mir gar nicht erst in den Sinn, hatte ich mich immerhin von meiner Mutter beeinflussen lassen. Wie denn auch, wenn sie so verbissen darauf bestand, dass er es gewesen war? Reita, der neben mir auf dem Bett hockte und meine Hand in seiner hielt, wartete ebenso stumm darauf, dass endlich Bewegung in meine Glieder kam. Doch da musste ich ihn leider enttäuschen, denn ich hatte nicht vor, mich in den kommenden Minuten zu erheben. Oder Stunden. Oder auch Tagen. Er wollte gerade den Mund aufmachen, um mich anscheinend sanft dazu zu zwingen, endlich runter zu gehen, als es sachte an der Tür klopfte. Noch ehe ich die Person hereinbitten konnte, tat es Reita für mich, und mein Blick wurde leicht verwundert, als ein müde wirkender Keisuke dahinter erschien und mich milde anlächelte. Ich hatte eigentlich gedacht, dass es meine Mutter war, die uns herunterbitten wollte. Was wollte er hier in meinem Zimmer? Und wo war Sui? Bei seinem Anblick zogen unverzüglich Bilder von gestern Abend vor meinem inneren Auge vorbei und mir wurde schlagartig komisch. Sein Gesichtsausdruck.. Der Blickkontakt. Jetzt konnte ich mich wieder daran erinnern! Irgendetwas stimmte nicht und ich musste Reita definitiv davon erzählen! Wie hatte ich das auch vergessen können? „Hey, ihr beiden“, grüßte er uns unbeholfen und wartete anscheinend darauf, dass ich ihm einen Platz anbot, da er verloren in der Tür herumstand und sich nicht rührte. Hey, ich hatte zwei Sofas im Zimmer, da konnte es ja nicht so schwer sein, einen Sitzplatz zu finden. Ich half ihm nach, indem ich beinahe mechanisch, „Komm doch rein und setz dich“, sagte. Meine monotone Stimme verwirrte mich selbst. Der Ältere nickte dankend und trat vollends ein, die Türe leise hinter sich schließend. Sobald sich Keisuke zögernd gesetzt hatte, fragte er mich, wie es mir ging. „Du wirkst blass“, merkte er noch an und nahm anscheinend keine Notiz von Reita, dem das wieder gehörig auf den Nerv ging. Er hatte dem Blonden nicht mal Ansatzweise Beachtung geschenkt. „Er wäre nicht so blass, wenn-“, fing Reita gewohnt angriffslustig an, doch kam er nicht weit, da ich ihm in einer hektischen Bewegung die freie Hand auf den Mund presste. Die andere hatte er immer noch fest umschlossen. Er sollte jetzt bloß nicht plappern, das würde meine Mutter schon übernehmen! Keisuke sah verwundert zwischen uns hin und her. Wie musste das wohl auch für ihn aussehen, wie ich hier saß und Reita den Mund zuhielt? Ich nahm meine Hand schnell wieder runter, obwohl ich schon längst Verdacht geweckt hatte, räusperte mich verhalten und wollte gerade etwas sagen, als es erneut an der Tür klopfte. Diesmal war es meine Mutter, die sich hereinbitten ließ. „Kommst du bitte runter?“, fragte sie nur mit einem eindeutigen Blick zu Keisuke, der stockend nickte, mir und Reita noch einmal einen misstrauischen Blick zusandte und meiner Mutter dann gehorsam aus dem Zimmer folgte. Ich starrte den beiden nur mit Sorgenfalten auf der Stirn nach. Sollte ich denn nicht auch mit runter? „Deine Mutter sollte erst einmal mit ihnen reden. Allein“, sprach Reita sofort, dem anscheinend nicht entgangen war, das mich etwas beschäftigte. „Hm“, machte ich daraufhin und nickte, ehe ich mich gegen seine Schulter lehnte, damit er mich in seine Arme nahm. Gott, wie war ich nur froh, dass er bei mir war. Der Ältere tat dies sofort, zog mich noch etwas weiter zwischen seine Beine und fing an, meinen Nacken zu kraulen. Genau diese Zuwendung brauchte ich jetzt. Er wusste eben, wie er mir die Nervosität etwas nehmen konnte. Wie würde das Gespräch wohl ausgehen? Und was mich noch mehr interessierte. Was hatte Sui sich dabei eigentlich wirklich gedacht? Ich hatte gerade den Entschluss gefasst, Reita von der gestrigen Sache mit Keisuke zu erzählen, doch hatte ich die Chance erneut verspielt. Es dauerte nicht lange und wir wurden von meiner Mutter heruntergebeten. Mein noch immer zerzaustes Haar verkrampft mit den Fingern kämmend folgte ich Reita aus meinem Zimmer. Ich sah sicher richtig fertig aus. Dies sollte aber nicht meine Sorge sein. Zwar war mir Gott sei Dank nicht mehr so schlecht und Kopfschmerzen hatte ich so gut wie keine mehr, nebenbei waren die bunten Flecke auch verschwunden und meine Sicht hatte sich normalisiert, dennoch fühlten sich meine Augenlider so verdammt schwer an und meine Augen brannten, als hätte ich die ganze Nacht durchgemacht. Wie dem auch sei, kühlen Kopf bewahren, Uruha! Der Ältere ging vor mir her und hielt dabei trostspendend meine klamme Hand. Ich war ihm wirklich dankbar, dass er mir nicht von der Seite wich. Ich konnte mich eben auf meinen Reita verlassen. Mich von ihm mitziehen lassend, rieb ich mir mit einer Hand über die müden Augen und verspannte mich sofort am ganzen Körper, als wir das Wohnzimmer betraten und aller Aufmerksamkeit schlagartig auf Reita und mich gelenkt war. Sui, eben noch zusammengekauert auf dem Sofa sitzend, hatte sich sofort erhoben und schaute mich mit gespielter Sorge an. Oder war es doch aufrichtige Sorge um mich, die mir aus seinen blutunterlaufenen Augen entgegenblitzte? Wie sah er denn bitte aus? Hatte er gerade geweint? Allein sein Anblick löste Mitleid in mir aus, was ich aber so gut wie möglich nicht zu zeigen versuchte. Oh Gott, ich war zu gutherzig. „Setzt euch bitte, Jungs“, bat meine Mutter uns, und Reita war schon dabei, mich zu einem freien Platz auf dem langen Sofa zu bugsieren. Wir nahmen den anderen gegenüber Platz und ich merkte sofort, wie selbst Reita etwas nervös wurde. Er spielte unaufhaltsam an seinen Fingern herum, was er nur dann tat, wenn er aufgewühlt war. Beruhigend legte nun ich eine Hand mit Nachdruck auf seine zusammengefalteten Hände und wagte es, einen kurzen Blick in die Runde zu werfen. Diesmal war ich an der Reihe, ihm zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Mehr oder weniger. „Keisuke, Sui, schön, dass ihr da seid. Ich möchte jetzt auch gar nicht lange um den heißen Brei reden, also komme ich gleich zur Sache. Wir waren heute Morgen mit Kouyou beim Arzt, weil er sich immer noch nicht besser gefühlt hatte und es teilweise sogar schlimmer war, als gestern“, fing meine Mutter das Gespräch einfach an und ich merkte, wie Sui und Keisuke sich verstohlene Blicke zuwarfen, was meiner Mutter wiederum nicht auffiel. Was sollte das denn? Sie machte eine bedeutungsschwangere Pause, eine Chance für einen der beiden, das Wort zu ergreifen, doch da beide schwiegen, fuhr sie einfach fort und verriet ihnen, dass ich einen Drogentest hatte machen lassen, an den ich mich wirklich gar nicht mehr erinnern konnte. Wie konnte das sein, dass ich so eine riesige Gedächtnislücke hatte? Fühlten sich so also Filmrisse an? So alt war ich doch noch gar nicht. „Der Test ist positiv ausgefallen!“, fiel sie nun mit einem ernsten Blick mit der Tür ins Haus. Ich konnte sehen, dass sie ihre Zähne fest zusammenbiss, weil sich ihr Kiefer komplett verspannte und ihre sonst so weichen Gesichtszüge plötzlich hart wirkten. Das tat sie nur, wenn sie wirklich wütend war. Und meine Mutter war so gut wie nie wütend, da sie die Personifizierung eines Regenbogens war. Immer am Strahlen und gute Laune verbreiten. Auf ihr Wort hin weiteten sich Suis Augen und er wirkte plötzlich überaus nervös, wie mir auffiel. Auch Reita bemerkte die Veränderung des anderen, und er flüsterte es mir flüchtig zu, da er mich darauf aufmerksam machen wollte. „Das soll heißen, dass-“, murmelte Keisuke in Gedanken und schreckte auf, als meine Mutter ungewohnt hart und laut, „Ja, irgendjemand hat ihm gestern Drogen in den Drink gemischt!“, sagte und versuchte, Sui nicht so auffällig und beschuldigend anzusehen. Und als hätte der Brünette dies gemerkt, versuchte er sofort sich unnötig zu rechtfertigen. Oder war es doch nicht so unnötig wie ich glaubte? „Ich war es nicht, ehrlich. Das müsst ihr mir glauben!“, heulte der Brünette fast und knetete dabei ununterbrochen seine Hände in seinem Schoß, dass es beinahe so aussah, als wolle er sich selbst sämtliche Finger brechen. Der Brünette sah flehend zwischen meiner Mutter und seinem besten Freund hin und her, beachtete Reita und mich gar nicht. Meine Mutter hob auf diesen Gefühlsausbruch hin eine Braue und schnarrte ungewohnt kühl und anspielend, „Ich habe dich niemals beschuldigt, Sui. Wie kommst du also darauf, dass ich die Schuld dir zuschiebe?“ So kannte ich meine Mutter nicht. Das war wirklich gruselig. Wie in die Ecke gedrängt saß Sui zusammengekauert auf seinem Platz, und ich merkte, wie sich meine Brust schmerzhaft zusammenzog, weil mir dieser Anblick gar nicht gefiel. Es war unfair, ihn hier vor allen so hinzustellen, auch wenn er vielleicht nicht ganz unschuldig war. Konnten wir das nicht auf eine etwas schonender Art regeln? „Ich weiß, dass Keisuke dir von meiner Vergangenheit erzählt hat, Nami. Er hatte mich um Erlaubnis gefragt und ich bin damit einverstanden gewesen. Aber dass du mich hierher bittest und mir dann so etwas Schreckliches zu unterstellen versuchst, finde ich wirklich.. Es ist wirklich nicht fair von dir! Das tut verdammt weh!“, krächzte Sui mit heiserer Stimme, den Kopf dabei demütig gesenkt haltend, als würde er sich schämen, uns anzusehen. Und erneut, mit einem vorwurfsvollen Ton in der Stimme, fragte meine Mutter abwertend, „Wie kommst du bitte darauf, dass ich dir hier etwas unterstellen will?“, worauf Sui beinahe verachtend schnaubte und sie jetzt schneidend ansah. „Dein Ernst? Denkst du etwa wirklich, dass ich so dumm bin?!“, brach es diesmal forsch aus ihm, was Keisuke endlich aus seiner Starre lockte. Bevor meine Mutter etwas erwidern konnte, und sie war kurz davor gewesen, stand der Größte im Raum auf, hob beschwichtigend die Hände und sagte laut, „Hey, hey, Leute. Wir bleiben jetzt erstmal alle auf dem Teppich, holen tief Luft und durchdenken die Sache noch mal!“ Und auf diese Worte hin zog der Brünette die Stirn fassungslos in Falten und kreischte fast, „Wie wäre es, wenn du auch mal etwas dazu sagst, Kei? Ich bin dein bester Freund, schon vergessen?!“, woraufhin sich Keisukes Augen ungläubig weiteten und er, „Wie bitte? Warum sollte ich dich verteidigen, wenn du dir das alles doch selbst zuzuschreiben hast? Ich habe dir schon immer gesagt, lass die Finger von dem Mist, verdammt noch mal!“, rief, was mich dazu brachte, die Augen zuzukneifen und die Hände auf die Ohren zu legen. Um Himmels Willen, war ich hier im falschen Film oder was? „Was?!“, schrie Sui nun wirklich aufgebracht und selbst meine Mutter wusste nicht, wie sie den femininen Mann wieder beruhigen sollte, der kurz davor war, in Rage zu geraten. Reitas Mund war nur aufgeklappt und er sah hilflos zwischen den Anwesenden hin und her, als würde er ein Tennismatch mitverfolgen. Mit Tränen in den Augen und einem verletzten Gesichtsausdruck wütete Sui, „Du willst mir jetzt auch noch die Schuld in die Schuhe schieben?! Was bist du eigentlich für ein Freund? Du bist gestern doch selbst dabei gewesen, als ich die Drinks bestellt habe! Du hast gesehen, dass da nichts war! Ich würde so etwas niemals tun, ich bin doch kein verdammtes Monster!“, und meine Mutter, bis vorhin noch mit geordneten Gedanken, hatte nun anscheinend vollends den Faden verloren und sich zu Sui gesetzt, um tröstend einen Arm um den schmächtigen Mann zu legen, der jetzt erbarmungslos in seine Hände schluchzte und dabei von ihr wegzurutschen versuchte. Bei Tränen konnte meine geliebte Mutter nun mal nicht standhalten. Und ich wollte noch einmal erwähnen, dass es bei mir genauso war. Diese Eigenschaft hatte sie mir mit Sicherheit vererbt. „Oh Sui, es.. Es tut mir so aufrichtig leid. Ich dachte, weißt du, ich meine. Das war zu dem Zeitpunkt der einzig logische Gedanke, immerhin.. Also-“, begann meine Mutter hilflos, und Sui unterbrach sie mit zittriger Stimme und Tränen im Gesicht. „Ja, ja, ich weiß. Die alte, drogensüchtige Schlampe. Immerhin kann man der ja alles in die Schuhe schieben, weil die ja niemals davon wegkommt, was? Und weil ich als junger Mensch einen Fehler begangen und Kontakt zu irgendwelchen Dealern gehabt hatte, kann ich ja immer noch mit Leichtigkeit an so etwas herankommen. Das willst du mir sagen, richtig?!“ Es musste schwer für Sui sein, dies überhaupt zuzugeben, und dass, wenn es mich und erst recht Reita eigentlich nichts anging. Mit einem Mal kam ich mir so fehl am Platz vor, als hätte ich gar nicht hier sein dürfen, da diese Information doch so intim war und niemanden etwas anging. Mit einem beleidigten und doch durchschauten Gesichtsausdruck senkte meine Mutter beschämt den Kopf, während sie immer noch den Rücken des Brünetten tätschelte, der noch immer von ihr wegzurutschen versuchte. Völlig verständlich. Keisuke hatte sich indessen wieder hingesetzt, die Miene kühl und abwertend und ein langes Bein über das andere geschlagen, während die Arme abweisend vor der Brust verschränkt waren. Er machte einen ziemlich herzlosen Eindruck, was nur durch den Anblick von Sui weiter bestärkt wurde. Er hatte seinem eigenen besten Freund so derart wehgetan und befand es nicht einmal für nötig, sich zu entschuldigen? War er doch nicht so gutherzig, wie ich anfangs gedacht hatte? Weiter mit meinen Gedanken kämpfend, merkte ich nicht, dass Reita sich längst wieder gefasst hatte. Mein Freund räusperte sich laut, womit er immerhin die Aufmerksamkeit meiner Mutter und Keisuke bekam. Sui war noch immer damit beschäftigt, sich zu beruhigen, da er vom Weinen schon Schluckauf bekommen hatte. „Da man hier anscheinend kein klärendes und geordnetes Gespräch führen kann, werde ich das jetzt mal übernehmen!“, sagte er mit klarer Stimme, und ich hätte beinahe breit gegrinst vor Stolz. Da das aber nicht in diese Situation hineinpasste, verkniff ich es mir kurzerhand. Seine Reaktion war so pflichtbewusst. Hach ja, man wurde eben erwachsen. Keisuke hob zweifelnd eine Braue und starrte Reita durchdringend an, was dieser mit demselben Blick und einer gehobenen Braue erwiderte. Oh, wenn Blicke töten könnten. „Wir fassen jetzt mal in Ruhe zusammen. Ihr wart gestern gemeinsam an der Bar, Getränke holen“, summierte Reita und erntete ein stockendes Nicken von Sui und ein hartes, „Ja!“, von Keisuke. „Was bedeutet, dass wir nicht nachvollziehen können, was genau gestern beim Bestellen vorgefallen ist. Wie genau lief das ab? Ich meine.. Wer von euch hat die Bestellung abgegeben?“, wollte der Brünette streng blickend wissen, und verwundert sahen er, meine Mutter und ich den Schwarzhaarigen an, als der unberührt und auf die selbstverständlichste Art und Weise, „Ich“, antwortete und nonchalant in die Runde blickte. „Jedoch wurde ich gleich darauf von einem Bekannten angesprochen und habe mich von der Theke abgewandt, um mich mit diesem zu unterhalten. Sui war derjenige, der darauf gewartet hat, dass die Getränke fertig gemixt werden“, redete er weiter und gab uns erneut einen Grund, verwundert aus der Wäsche zu schauen. Es kam mir beinahe so vor, als versuchte Keisuke, sich ungeschickt zu rechtfertigen. Sui hatte auf diese Worte hin nur verzweifelt aufgestöhnt und hatte den Kopf erneut geschlagen zwischen die Schultern sinken lassen. „Stimmt das, Sui?“, fragte Reita ganz in Verhörmanier und erhielt ein schwaches Nicken von dem Älteren. „Aber ich war es wirklich nicht! Ich habe mir damals geschworen, dieses Zeug nie wieder auch nur anzusehen, da ich doch weiß, was der Mist mit einem anstellen kann. Wieso sollte ich also Kouyou so etwas antun? Der einzige Sohn der Partnerin meines besten Freundes? Ich bitte euch!“ Der traurige und zeitgleich flehende Blick Suis galt diesmal nur mir persönlich und ging mir durch Mark und Bein. Ich wusste nicht wieso, aber mein inneres Gefühl sagte mir, dass Sui ganz bestimmt die Wahrheit sagte. Und wenn mein Inneres mir das sagte, dann konnte ich mich auch darauf verlassen! Konnte ich schon immer! Na ja, meistens jedenfalls. Trotzdem konnte ich einfach nicht meinen Mund aufmachen, um etwas zu sagen und dem Brünetten somit das Gefühl zu geben, dass ich ihm nichts vorwarf. Auch Reita erweichte anscheinend langsam und fing an, Mitgefühl zu zeigen, von meiner Mutter ganz zu schweigen. Sie war schnell aufgestanden, um dem Brünetten, der noch immer leise vor sich hin hickste, ein Wasser und Taschentücher zu bringen, und nun saß sie wieder neben ihm und konnte es sich nicht verkneifen, mit ihren Daumen den verschmierten Eyeliner von seinen Wangen zu wischen. Sui wiederum sah sie nur verschüchtert und gekränkt an. Nur Keisuke sah irgendwie wütend zu Boden, die Brauen dabei so sehr zusammengezogen, dass sich tiefe Furchen auf seiner sonst so glatten Stirn bildeten und ihn somit unsympathisch und streng aussehen ließen. „Trotzdem erklärt das immer noch nicht, wie die Drogen da hineingekommen sind!“, fuhr Reita jetzt fort, der eine Hand an sein Kinn geführt hatte und sich überlegend den nicht vorhandenen Bart zwirbelte. Leicht nickend stimmte ich dem zu und drängte mich näher an meinen Freund, hakte unsere Arme ineinander und warf zurückhaltende Blicke in die Runde. Allein der Gedanke, dass dieses Theater hier nur wegen mir veranstaltet wurde, ließ mich ziemlich unwohl in meiner Haut sein. Und ich brachte es nicht einmal über mich, den Mund zu öffnen und etwas zu sagen. Ich konnte nicht einmal ansatzweise beschreiben, wie verloren ich mir gerade vorkam. Reita allein war der Grund, wieso ich nicht schon völlig in mich zusammengesunken war. “Ich möchte niemanden beschuldigen, weil ich nicht das Recht dazu habe-“, Sui warf Keisuke einen anschuldigenden und sehr bedeutungsschwangeren Blick zu, was dieser jedoch gekonnt ignorierte, und redete weiter, „Aber ich kenne den Barkeeper von gestern persönlich. Ich will ihm nicht vorwerfen, dass er die Drogen da hineingemischt hat, aber ich weiß, dass er noch immer in solchen Kreisen verkehrt“ „Wie?! Und da lassen sie diese Person noch dort arbeiten?!“, regte sich meine Mutter sofort auf und konnte sich nur schwer wieder abregen, als Sui, „Er wird sicher nicht so unüberlegt mit dem Fakt hausieren gehen und seinem Arbeitgeber und seinen Kollegen mal so nebenbei stecken, dass er zum Spaß Drogen nimmt und gerne mal benebelt bei der Arbeit erscheint, Nami. Du wärst überrascht, wie viele Etablissements dieser Art sowas sogar zulassen oder gar gekonnt ignorieren, Liebes“, murmelte und nervös mit dem Zeigefinger in dem Loch seiner ausgewaschenen Jeans herum pulte. „Haben du und der Barfutzi irgendeine Beziehung zueinander, die von Belang wäre, Sui?“, wollte Reita direkt wissen, und wir alle konnten sofort sehen, wie Sui leicht rot um die Nase wurde und die Situation anscheinend Unbehagen in ihm auslöste. Beschämt kratzte sich der feminine Mann am Hinterkopf und brachte somit seine hochgesteckte Frisur weiter durcheinander. „Wie soll ich sagen.. Mir fällt das jetzt nicht leicht, aber.. Wir haben damals während meiner Suchtphase oft unter Einfluss miteinander geschlafen. Er steht noch immer auf mich und hat auch schon öfter versucht, mich um seinen Finger zu wickeln, aber ich habe jedes Mal abgelehnt, weil ich mich nicht erneut in so etwas hineinreiten lassen wollte“, verriet er uns und Reita dachte ein wenig weiter und meinte anschließend triumphierend, „Und da dachte er vielleicht, dass der Bambi für dich ist und hat deswegen die Pillen reingeschmissen als du nicht hingesehen hast!“ „Völliger Quatsch!“, unterbrach Keisuke das Gejubel Reitas und das erlöste Lächeln meiner Mutter mit einem ungeduldigen Schnauben und sah durchdringend zu seinem besten Freund rüber, der den Blick nur mit einem erschlafften Gesichtsausdruck erwiderte. Aller Augen waren wieder auf den 29-Jährigen gerichtet. „Was meinst du damit?“, wollte meine Mutter zweifelnd wissen und legte die Stirn überfordert in Falten, als Keisuke schnarrend an den Brünetten gerichtet, „Eiji weiß ganz genau, dass du niemals ein Getränk ohne Alkohol trinken würdest! Warum also sollte er gedacht haben, dass der Drink gerade für dich bestimmt war?“, fragte. Täuschten mich meine Ohren oder beharrte Keisuke immer noch darauf, dass Sui der Übeltäter war? Ich fasste einen Entschluss und sagte endlich auch mal etwas dazu. „Sag mal, Keisuke. Versuchst du gerade wirklich deinen besten, ich wiederhole, besten Freund schlecht zu reden?“ Diesmal waren alle Augenpaare verwundert auf mich gerichtet, da ich bis eben nicht ein Wort gesagt hatte und mich nun so zu Wort meldete. Ja, hallo? Das war ja wohl eine berechtigte Frage! Doch der 29-Jährige war am meisten überrascht und wusste wohl nicht so recht, was er nun dazu sagen sollte. Diese simple Frage meinerseits hatte ihn so sehr aus dem Konzept geworfen, dass er nur herumdruckste und nichts zu sagen wusste. Ich konnte an Suis Blicken, die er mir zuwarf, sehen, dass er sich aufrichtig bei mir bedanken wollte. Der Kerl tat mir echt leid.. So heruntergemacht zu werden aufgrund einer Vergangenheit, die zugegebenermaßen nicht so blumig gewesen war, fühlte sich sicher schrecklich an. Und dass Keisuke so ein Arschloch zu ihm war, konnte ich nicht nachvollziehen. Was einmal passiert war, war passiert und gehörte nun der Vergangenheit an. Wieso also andauernd das Thema erneut aufwirbeln? Vor allem, wenn Keisuke doch anscheinend derjenige gewesen war, der Sui aus diesem Loch herausgeholt und ihn unterstützt hatte und nur zu gut wissen musste, wie Sui sich bei solchen Anschuldigungen fühlte? „Woher soll dieser Eiji wissen, was Sui macht und was nicht? Kennt der Typ seinen Lebenslauf? Sui hat Kouyou und mir gestern Abend noch selbst erzählt, dass er besagten Cocktail mag und ihn manchmal selber gerne trinkt, wenn er eben keine Lust auf Alkohol hat!“, war es nun auch Reita, der noch einmal grundlegend dafür sorgte, dass Keisuke sich nicht mehr in Worte fassen konnte und entrüstet, wie ein Fisch nach Wasser, nach Luft schnappte. „Ich weiß nur so viel. Als Kei gestern abgelenkt wurde, habe ich akribisch aufgepasst, dass Eiji alle bestellten Getränke anständig für uns mixt. Und kurz nachdem ich ihn bezahlt habe, wurde auch ich von jemandem angesprochen, den ich aber nicht kannte. Ich habe natürlich versucht, das Gespräch sofort zu beenden, da ihr unsere Priorität wart, und habe dann nur gesehen, wie Kei überfordert versucht hat, alle Gläser auf einmal in die Hände zu nehmen. Daraufhin habe ich ihm natürlich geholfen und hab den Bambi und zwei weitere Gläser geschnappt, um beim Tragen zu helfen. Und das war‘s auch schon gewesen“ Und dieses Geständnis Suis rückte Keisuke in ein völlig neues Licht, was der Schwarzhaarige, mit ihm deutlich anzusehenden Unwohlsein, wohl auch bemerkte. „Was schaut ihr mich jetzt so an? Wollt ihr mir etwa damit sagen, dass ihr denkt, ich war‘s?“, fragte er versucht unbefangen, die Arme ausgebreitet, als wollte er verdeutlichen, dass die direkte Anschuldigung an ihm vorbeiging. „Nein, nein, wollen wir nicht.. Und ich würde sagen, das reicht erst einmal für heute. So kommen wir nicht weiter“, versuchte meine Mutter, die Versammlung zu beenden, was auch wunderbar klappte. Sui entschuldigte sich noch einmal kleinlaut und ließ sich von meiner Mutter umarmen, die sich ebenfalls reuleidig bei ihm entschuldigte, bevor er aufstand, gefolgt von Keisuke, der direkt auf meine Mutter zuging, um sie in den Arm zu nehmen und ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Ich konnte sehen, wie meine Mutter verstehend nickte und dabei die Umarmung so innig erwiderte, wie Keisuke selbst sie begonnen hatte. Um dem Anblick nicht ausgesetzt zu sein, stand ich auch auf, worauf auch Reita reagierte und sich erhob. Hätte ich doch nur etwas zu dem Vorfall von gestern gesagt.. Jetzt war es erneut zu spät dafür. „Ich weiß nicht, aber mir kommt die ganze Sache ziemlich faul vor“, tat er leise kund. Und wieder einmal teilte er mit mir denselben Gedanken. Wir beide begleiteten Sui in den Flur, der es bis eben nicht gewagt hatte, mich direkt anzusprechen. „Es tut mir wirklich aufrichtig leid, was dir gestern widerfahren ist, Kouyou. Das hätte niemals passieren dürfen. Wäre es nicht nach meiner Nase gegangen, hätten wir wahrscheinlich doch noch einen schönen Abend gehabt. Aber ich wollte ja unbedingt in diesen verkorksten Laden..“ Ich erinnerte mich an Toshiyas gestrigen Worte. „Na ja, aber im “Juice“? Die sind da alle ein wenig, wie soll ich sagen, seltsam!“ Wie recht er gehabt hatte. Der selbstsichere und eingebildete Sui von gestern Abend war wie weggepustet, und vor mir stand plötzlich ein Häufchen Elend, was sich nicht einmal traute, mir richtig ins Gesicht zu schauen. Um es ihm zu erleichtern, überwand ich mich einfach und zog ihn in meine Arme, was ihn perplex die Augen weiten ließ. So sehr er mich gestern mit seiner Art noch auf die Palme getrieben hatte, konnte ich nicht anders, als ihn jetzt fest an mich zu drücken und darüber hinwegzusehen, um ihm zu zeigen, dass ich an seine Unschuld glaubte. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie viel dieser Mann schon durchgemacht haben musste. Gleich darauf konnte ich seine schwachen Arme um meinen Rücken spüren. „Das war ganz sicher nicht deine Schuld und ich bin dir auch nicht mehr böse. Wobei ich ehrlich sein will. Ich hatte dich genauso verdächtigt, wie meine Mutter. Mir tut es leid, dass ich so oberflächlich war, dich nach deiner Vergangenheit zu beurteilen, die mich bei weitem nichts anging“, nuschelte ich beschämt und konnte förmlich das dankbare Lächeln spüren, was sich auf Suis schönen Lippen ausbreitete. „Ich wünschte, wir könnten noch einmal von vorne beginnen, ohne diesen schrecklichen Zwischenfall. Ich glaube, wir würden uns gut verstehen, wir beide“, äußerte der Brünette seinen Gedanken leise, was mir ebenfalls ein Lächeln auf die Lippen trieb. Ob wir uns denn nun wirklich gut verstehen würden, war ein anderes Thema. Ich glaubte, wir beide passten vom Charakter her eher nicht wirklich zueinander. Nur Reita sah ratlos zwischen uns hin und her und ergriff dann das Wort. „Da wir die Sache nun mehr oder weniger geklärt haben und ich anscheinend einen Barkeeper zur Strecke bringen muss, würde ich sagen, wir verabschieden uns vorerst voneinander. Ich will nicht unhöflich sein, aber immerhin muss Kouyou noch etwas essen und ein wenig Schlaf nachholen“ Hellhörig sah Sui Reita an, traute sich aber anscheinend nicht wirklich, etwas gegen dessen Wort einzuwenden. Der Brünette verbeugte sich noch einmal respektvoll und dann kamen auch schon meine Mutter und Keisuke um die Ecke. Man verabschiedete sich eher kleinlaut voneinander, und Keisuke drückte mich noch einmal kurz an sich, reichte Reita mit überaus kalter Miene die Hand und folgte Sui wortlos aus der Tür. Sobald die Haustür ins Schloss fiel, atmeten wir drei synchron auf und mussten deswegen leise lachen. „Verdammt, war das anstrengend..“, seufzte meine Mutter, sich die Schläfe massierend, und wurde sogleich von Reita gehänselt. „Mit den Nerven am Ende, Nami? Weißt du, was das bedeutet? Das bedeutet, du wirst alt!“ Empört, doch gleich darauf lachend ließ meine Mutter einen Arm von Reita um ihre Schulter legen und ging mit dem Blonden Richtung Küche. Ich rief nur hinterher, dass ich mich noch ein wenig hinlegen würde, da die ganze Aktion an meinen Nerven gezehrt hatte. Mir die noch immer müden Augen reibend erklomm ich die Treppen nach oben und stieß die Tür zu meinem Zimmer auf. Beinahe leblos ließ ich mich vornüber auf mein Bett fallen und blieb so liegen, hatte nicht einmal die Lust, mich zuzudecken, obwohl es durch das offene Fenster doch recht frisch im Zimmer wurde. Doch dies übernahm Reita für mich, der eine Viertelstunde später ebenfalls in mein Zimmer kam, bewaffnet mit zwei Tellern dampfender Suppe. „Baby, schläfst du?“, hauchte er mir zärtlich ins Ohr und küsste sogleich mein Ohrläppchen, was mich wohlig aufatmen ließ. „Nein, bin noch wach..“, murmelte ich und kuschelte mich tiefer in die Decke und somit auch in seine Arme, da er sich neben mich gelegt hatte. „Nami hat Suppe aufgewärmt, wenn du willst“, murmelte er und verteilte dabei leichte Küsse auf meinem Gesicht, was mich selig lächeln ließ. Der heutige Tag war mit Sicherheit der merkwürdigste und auch anstrengendste Tag in meinem bisherigen Leben gewesen, und ich hoffte, dass dies eine einmalige Erfahrung blieb. Jetzt hatte ich also offiziell einen Drogenrausch hinter mir, und ich konnte mir bei bestem Willen nicht erklären, wie sich einige Menschen diesen Mist freiwillig antun konnten. Ich ließ mir von Reita hoch helfen, setzte mich aufrecht hin und nahm den Teller, den er mir reichte. Gemeinsam löffelten wir unsere Suppe und wechselten dabei vielsagende Blicke untereinander, da wir nicht reden konnten, was sowieso nicht nötig war. Wir verstanden uns auch so. Sobald wir beide fertig waren, legten wir uns wieder gemeinsam hin, Reita unter mir, ich über ihm. „Schlaf dich jetzt noch mal schön aus, Baby. Da du morgen sowieso krankgeschrieben bist und ich mir deswegen Urlaub genommen habe, können wir gemeinsam etwas unternehmen“, säuselte mein Schatz, während er mein Haar mit seinen Fingern kämmte und dabei gen Zimmerdecke schaute. Stimmt ja, ich war für morgen von der Arbeit befreit. Das kam mir sehr gelegen. Ich könnte ja morgen gemeinsam mit Reita unsere Freunde besuchen und ihnen erzählen, was heute alles passiert war. Immerhin wollten sie sicher auch wissen, was sich hier abgespielt hatte. Und ich denke, ich müsste von nun an Keisuke besser im Auge behalten. Eine Person, die den eigenen besten Freund versuchte, ins schlechte Licht zu rücken, konnte doch nicht so rein sein, wie ich es mir vorher gedacht hatte, oder? Mit wirren Gedanken ließ ich die Augen zu driften und schlummerte schon bald ein. Mal sehen, was mir der morgige Tag so bringen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)