But sometimes love hurts von Bara-sama ================================================================================ Kapitel 4: ~4~ -------------- „Wollen wir nicht wenigstens etwas zu trinken mitnehmen?“ Reita machte sich gerade hinter mir die Haare, während ich im Schneidersitz vor meinem Schrank saß und mich davor schminkte, da mein Eckschrank einen großen Spiegel besaß. „Können wir machen. Eigentlich meinte Totchi, dass er das übernimmt, aber ich fände es auch besser, wenn wir wenigstens eine Kleinigkeit zum Picknick beitragen würden. Wir können doch nicht mit leeren Händen dort aufschlagen. Das ist unhöflich“, sprach ich und tuschte mir nebenbei die Wimpern. „Baby, nicht so viel schwarz, ja? Ich kriege langsam Angst vor dir“, meinte Reita, als er mir dabei zusah, wie ich mir nachträglich etwas mehr schwarzen Lidschatten auftrug. „Tut mir leid“, wandte ich ein, legte den Applikator zurück und sah ihm nach, da er ins Bad ging, um sich die Hände zu waschen, weil er seine Haare gerade mit Wachs in Form gebracht hatte. Meine Mutter war längst nicht mehr im Haus. Sie hatte gesagt, dass sie sich ein wenig die Beine vertreten wollte, also hatte ich nicht weiter nachgefragt und hatte sie noch einmal daran erinnert, dass ich heute vielleicht nicht nach Hause kommen würde, da ich mit dem Gedanken spielte, das Wochenende bei Reita zu verbringen. Ich erhob mich also und strich mir den weißen Wollpullover glatt, ehe ich mein Zimmer verließ, um die Treppe hinunter zu gehen und dann unten in unserem Keller nach irgendwelchen Getränken zu sehen, da die Getränkekästen dort standen. Reita war mir natürlich sofort lautlos gefolgt, wovon ich erst nichts mitbekommen hatte, und knipste das Licht absichtlich aus, sodass ich die eigene Hand vor Augen nicht mehr erkennen konnte. Er wusste, dass ich mich in der Dunkelheit nicht wohl fühlte. Kellerräume waren im Allgemeinen schon beängstigend genug, aus dem Alter würde ich nie rauswachsen. „Mach das verdammte Licht wieder an, du Wichser!“, brüllte ich, meine Angst überspielend, hoch und konnte oben im Türrahmen seinen Schatten sehen. Ich musste ja nicht verschweigen, dass ich noch immer Angst hatte, in den Keller zu gehen, oder? Der war einfach unheimlich. Nachdem Reita genug gelacht hatte, machte er das Licht wieder an und hüpfte grinsend die Treppen nach unten, um sich von hinten an mein Gesäß zu drängen. „Verpiss dich bloß!“, fuhr ich ihn sauer an und trat nach hinten aus, damit er meinen Hintern in Ruhe ließ. „Bah, hat die kleine Schlampe wieder ihre Tage oder was?“, provozierte er mich taktlos und machte kehrt, um wieder hoch zu gehen. Also, manchmal könnte ich ihn.. Ich könnte ihn erwürgen, hier und jetzt! Nachdem ich die Getränkeflaschen in der Küche in eine Stofftüte gelegt hatte, warf ich mich in meine schwarze Lederjacke und schlüpfte in meine Stiefel. Reita, der gerade von oben die Treppen runterkam, hatte Schuhe und Jacke schon an. „Habe ich dir nicht tausendmal gesagt, dass du nicht mit deinen Schuhen im Haus herumlaufen sollst?“, schimpfte ich mit einem tadelnden Blick und schnaubte, als er, mich völlig ignorierend, aus dem Haus trat und auf mein Auto zusteuerte. Glaubt ihr’s? Da ärgerte mich dieser Penner erst und schnappte zum Schluss ein?! Ich griff mir die Tüte und meinen Schlüsselbund, um die Haustür hinter mir zweimal abzuschließen. Danach schritt ich auf mein Auto zu und schloss es auf, woraufhin Reita auch sofort einstieg und sich tonlos auf dem Beifahrersitz niederließ. Ich lief einmal um mein Auto und stieg auch ein, drehte mich leicht herum, um die Tüte auf den Rücksitz zu legen, und wandte mich wieder nach vorne, um mich anzuschnallen. Als ich den Motor startete, merkte ich, dass Reita sich noch immer nicht angeschnallt hatte. Ok, Ruhe bewahren. „Schnall dich an, oder du kannst zu Fuß in den Park latschen!“, maulte ich ungeduldiger als gewollt und hielt ihn panisch am Ärmel zurück, als er tatsächlich, ohne mit der Wimper zu zucken, die Tür wieder aufmachte, weil er aussteigen wollte. „Manchmal kotzt du mich sowas von an, echt..“, flüsterte ich wütend, während ich ihn anschnallte. Dass er schadenfreudig grinste, bemerkte ich nicht, da ich meinen Kopf gesenkt hielt. Nachdem auch er angeschnallt war, konnte es endlich losgehen. Es war jetzt viertel nach zwölf, also nicht zu früh und auch nicht zu spät. Wenn nicht schon wieder so ein Verkehrschaos herrschte, würden wir in fünfzehn Minuten dort sein. Wie hätte ich auch nur ansatzweise denken können, dass heute nicht so schlimmer Verkehr war? Es würde sich wirklich nie etwas ändern in dieser Stadt. Ich hatte meinen Wagen einige Ecken weiter weg geparkt, weil es keinen Parkplatz in der Nähe des Parks gegeben hatte. Und jetzt gingen Reita und ich die letzten Meter Hand in Hand zu Fuß. Ich schwenkte die Tüte im Gehen in meiner Hand leicht vor und zurück und genoss die Sonne, die warm auf uns nieder schien. Trotzdem war es ein wenig kalt und auch hing leichter Nebel über der Straße, sodass man die eigenen Füße nicht richtig erkennen konnte. Na hoffentlich froren wir uns dort nicht den Hintern ab. „Ich liebe dich!“, ertönte es plötzlich leise neben mir, weshalb ich auch verwirrt zur Seite blickte und Reita anschaute, der mit einem leichten Lächeln geradeaus sah und meine Hand leicht drückte, während wir weitergingen. Aww, er war so süß! Ich schmiegte mich im Gehen an seine rechte Seite und hauchte ihm, „Ich dich auch.. vielleicht. Manchmal jedenfalls“, ins Ohr, was ihn leise lachen ließ. Ich konnte das große Tor des Parks vor uns erkennen. Wir betraten den Park und ich fing an, mich suchend umzusehen. „Zum Brunnen“, murmelte ich leise und Reita zog daraufhin an meiner Hand und sagte bestimmend, „Komm!“ Der Kieselweg vor uns führte immer tiefer in den Park hinein, der in verschiedenen Grün-Tönen erstrahlte. Verzückt drehte ich meinen Kopf hin und her und nahm den Geruch der Sicheltannen wahr, die hier vereinzelt herumstanden. Auf Reitas Seite lichtete sich der Park dann und man konnte eine riesige Grasfläche mit einem großen Pyramidenbrunnen sehen, in dessen Nähe ein Fächerbaum stand, dessen waagerecht wachsenden Äste so tief hingen, dass man sich sicher mit Leichtigkeit dort rauf ziehen und sich auf einen der Äste setzen konnte. Unter dem Schutz des Fächerbaums konnte ich unsere Freunde erkennen, die sich auf einer großen Decke niedergelassen hatten und sich ausgelassen unterhielten. Doch ließ der Nebel auch alles ein wenig schwummrig wirken. Beinahe wie in einem Märchen. Reita bugsierte mich über den Rasen, hinüber zu unseren Freunden, die schon bald auf uns aufmerksam wurden und freudig zu winken und rufen begannen, als sie uns sahen. „Da seid ihr ja endlich! Was hat denn da so lange gedauert?“, fragte Toshiya neugierig und umarmte mich fest, als ich mich neben ihn auf die schwarze Decke setzte. „Sind wir denn so spät?“, fragte ich verwundert an Reita gewandt, der nur knapp mit den Schultern zuckte und alle nacheinander grüßte. Ich besah mir Kai, der mir sein atomares Grinsen zeigte und richtig frisch wirkte. Gestern hatte er eher wie ein Junkie ausgesehen, aber heute erstrahlte er wieder in seinem guten, alten Aussehen. Das war wirklich beruhigend. Sobald wir mit allen durch waren, machten wir es uns gemütlich und konnten gar nicht so schnell gucken, wie uns Toshiya plötzlich Stäbchen in die Hände drückte. „Wir wollten nicht ohne euch anfangen“, sagte der Schwarzhaarige lächelnd und bat Aoi dann, das ganze Essen rauszuholen, was sich neben dem Ältesten in dem Flechtkorb befand. „Was ist das?“, fragte Toshiya neugierig und griff nach der Stofftüte in meiner Hand, um hineinzusehen. Gleich darauf schlug er mir empört gegen den Oberarm und zeterte, „Habe ich nicht gesagt, ich mach das schon?“, worauf ich nur entschuldigend lächeln konnte. „Jetzt haben wir so viel zu trinken“, seufzte er und presste die Lippen aufeinander, als Ruki wahrheitsgemäß, „Besser zu viel als zu wenig!“, sagte und mit seinen Stäbchen in Kais Seite piekte, was diesen immer wieder fiepen ließ. Bei all den Köstlichkeiten, die uns Toshiya vor die Nase hielt, klappte mir der Mund auf. Der Schwarzhaarige hatte sich wirklich selbst übertroffen, wie ich fand. Er hatte so viele verschiedene Sushi-Sorten gemacht, die sich in einer großen, schwarz glänzenden Bento-Box mit Rosenverzierungen befanden. Zudem hatte er diverse Nachtische vorbereitet, etwas zum Knabbern und es sah alles so unsagbar lecker aus! Wir aßen gemächlich und unterhielten uns dabei lautstark und ich bemerkte nebenbei, wie sich der Nebel endlich verzog und die Sonne plötzlich viel mehr Wärme spendete. Es war nun nicht mehr so kalt. Vorhin waren meine Finger noch taub gewesen vor Kälte. Auch füllte sich der Park mehr und mehr und schon bald spielten kleine Kinder mit ihren Hunden um uns herum und wurden dabei von ihren Eltern beaufsichtigt. Ich schnappte mir noch ein wenig von dem gebratenen Reis und merkte nebenbei, wie mich Reita grinsend von der Seite betrachtete, während er selber im gemächlichen Tempo aß. „Wasch’n?“, fragte ich schmatzend, schob mir gleich darauf eine Maki-Sushi in den Mund und guckte beleidigt drein, als er, „Ich wundere mich gerade nur, dass du so schlank bist, obwohl du andauernd so viel in dich reinspachtelst. Wie machst du das?“, grinste und lachte, da Ruki für mich geantwortet hatte. „Das macht der Sex!“, hatte der Kleine lässig gesagt, der jetzt seine dunkle Designer-Sonnenbrille aus der Tasche seiner zerfetzten Jeansjacke zog und sich diese aufsetzte, um den Kopf genießend und mit geschlossenen Augen in den Nacken kippen zu lassen und leise vor sich hin zu summen. Ich gab daraufhin nichts von mir, sondern kaute beleidigt weiter, während die anderen herzhaft lachten und Kai seinen kleinen Schatz auf den Schoß nahm, um ihn zu kitzeln. Die Zeit verging wirklich sehr schnell, wenn ich unter meinen Freunden war. Es erstaunte mich immer wieder, wie aus einem Augenblick plötzlich drei Stunden werden konnten, daran konnte ich mich einfach nicht gewöhnen. Aber heute würden wir noch etwas länger aufeinander herumhocken, was mich umso mehr freute. Toshiya hatte, nachdem wir fertig gegessen und uns mehrfach bei ihm bedankt hatten, weil es einfach köstlich gewesen war, das ganze Geschirr zurück in den Flechtkorb gepackt, und nur noch unsere Getränke und Knabbereien standen jetzt herum. Die Stimmung war gelassen und fröhlich. Der Schwarzhaarige hatte sich zwischen Aois ausgestreckte Beine gelegt, der mit Toshiyas Haar spielte und dabei ausgelassen mit Kai über dessen Studium redete. Ich fing nur einige Fetzen auf, während Kai redete. Mein eigentliches Augenmerk galt nämlich Reita, der mich die ganze Zeit so seltsam von der Seite betrachtete. Ich reckte leicht mein Kinn in seine Richtung, um zu verdeutlichen, dass ich wissen wollte, warum er so doof guckte. „Alles in allem macht es Spaß, wenn da nicht dieses hektische Hin und Her wegen meinem Aushilfsjob wäre. Manchmal krieg ich einfach nicht alles unter einen Hut!“, erzählte Kai gerade angeregt, während er auf einer Salzstange herumkaute, und ich hörte, wie Aoi einen verstehenden Laut von sich gab. Toshiya spielte währenddessen an seinen manikürten Nägeln herum und Ruki, der sich in Kais Armen befand, betrachtete die ganze Zeit über die Kinder, die von ihren Hunden um den Platz gejagt wurden und dabei lautstark giggelten. Nur Reita stütze sich im Sitzen mit einem Arm nach hinten ab und musterte mich mit verengten Augen, was langsam an meiner Geduld nagte. „Was ist denn?“, fragte ich genervt und zog eine Grimasse, als er gedankenversunken, „Wieso ist mir noch nie aufgefallen, dass dein Mund von der Seite wie ein Entenschnabel aussieht?“, fragte und dabei meine Lippen genauer musterte. „Ich tret’ dich gleich, du Vogel!“, meckerte ich, woraufhin sich die anderen uns zuwandten und neugierig wissen wollten, was los war. Ich wollte Reita gerade zuzischen, dass er schweigen sollte, als dieser seine neue Erkenntnis auch sofort in die Welt hinausposaunte und mich damit nur noch mehr verärgerte. „Warte, lass mich sehen!“, rief Toshiya gehetzt, der sich sofort aufsetzte, seine Hand unter mein Kinn legte und meinen Kopf zur Seite drehte, um sich mein Profil prüfend zu besehen. Hatten die alle irgendwas gesoffen oder was?! „Hast Recht!“, quäkte er und lachte, als ich schnaubend seine Hand wegwischte und beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte. „Seid ihr bald fertig mit Lachen?“, fragte ich geknickt und schmollte, als Toshiya erneut zu mir herüberrutschte und in meine Wangen kniff. „Du bist so knuffig, wenn du schmollst, Schätzchen!“, schwärmte er mit großen Augen und drückte mir im nächsten Augenblick einen feuchten Kuss auf die Lippen, was mich wieder munter werden ließ. Die anderen lachten und Reita ging dazwischen, indem er laut, „Hey!“, machte und mich von Toshiya wegzog, damit er seine Arme besitzergreifend um mich legen und mich fest an sich drücken konnte. „Meins!“, zischte der Blonde mit zu Schlitzen verengten Augen, woraufhin Toshiya sich elegant eine dunkle Strähne aus dem Gesicht wischte, sich auf Aois Schoß setzte und unbeeindruckt, „Bleib mal frisch, Kindchen. Ich nehme dir deinen Schatz schon nicht weg. Immerhin habe ich meinen eigenen!“, säuselte. Darauf folgte ein kleiner Kuss, den Aoi verliebt lächelnd auf Toshiyas Wange drückte. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass es einfach niedlich war, die beiden zusammen zu erleben? Damals war es mir immer unangenehm gewesen, da sie als Jugendliche nie etwas Besseres zu tun gehabt hatten, als sich gegenseitig in der Öffentlichkeit beinahe flachzulegen, doch jetzt waren sie einfach ein süßes Vorzeigepärchen. Oder inoffizielles Ehepaar, wie man’s nahm. Ich kuschelte mich in Reitas Arme, dessen linke, kühle Hand vorwitzig unter meine Jacke geschlüpft war, um meine Haut zu streicheln. Ich schloss gerade schnurrend die Augen, als ich sie wieder aufriss, da Ruki plötzlich verwundert, „Ruha, ist das nicht deine Mom?“, gefragt und somit unser aller Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Der Kleine deutete unauffällig in Richtung einer kleinen Ansammlung von hohen Scheinzypressen, die ungefähr fünfzehn Meter von uns entfernt standen. Ich schaute genauer hin und mir klappte der Mund auf, als ich tatsächlich meine Mutter erkannte. Das war sie, keine Frage! Ich hatte sie heute Morgen noch in den Klamotten aus dem Haus gehen sehen. Meine Mutter war aber nicht die einzige Person, die neben den Scheinzypressen stand und hingerissen lachte, sodass ich ihre wohlige Stimme sogar bis hierhin hören konnte und dadurch eine Gänsehaut bekam. Ein Mann, ungefähr zwei Köpfe größer als sie, hatte sich an den drei Meter breiten Baumstamm gelehnt, stand meiner Mutter von Angesicht zu Angesicht und lachte ebenfalls dunkel. Mir ging sofort nur eines durch den Kopf. Wer zum Teufel war das? Auch die anderen sahen hin, doch keiner sagte etwas. Es schien plötzlich so, als wären alle nebensächlichen Geräusche im Park verstummt, sodass ich nur die Lache der beiden Personen hören konnte, die voreinander standen und gar keine Notiz von ihrer Umgebung nahmen. Reita hatte schnell dafür gesorgt, dass ich meinen Mund wieder schloss, um mögliche Sabberattacken zu vermeiden. Auch er sah zu dem Gewächs hinüber und mir blieb das Herz schmerzhaft stehen, als ich den großen, schwarzhaarigen Mann dabei betrachtete, wie er beinahe viel zu sanft eine Strähne aus dem Gesicht meiner Mutter wischte. Zu allem Übel schloss diese auch noch verliebt lächelnd die Augen und schmiegte sich in die Berührung. Woah, schämte sich diese Frau denn nicht, so in aller Öffentlichkeit mit einem wildfremden Kerl herumzustehen, zu lachen und sich auch noch von dem anfassen zu lassen!? Ok.. Überreaktion. Ich spürte, wie Reita mir in die Seite zwickte, und ich zuckte zusammen und sah mit offenem Mund zu ihm hoch. „Uruha?“, wiederholte sich Ruki vorsichtig und ich wusste nichts anderes zu tun, als nervös zu lachen und dann abzuwinken. „Nein, nicht doch, niemals! Das ist nicht meine Mutter. Ne, Reita? Ne?“, plapperte ich völlig von der Rolle und lächelte unbeholfen, als Reita sofort nickte und, „Nein, das sieht man doch, dass das nicht Nami ist!“, versicherte. Ruki, der nur perplex in die Runde sah, entschuldigte sich gleich danach kleinlaut für die Verwechslung und blieb still. Nur Kai sah mit zusammengezogenen Brauen zu meiner Mutter rüber und fixierte mich dann, worauf es mir unangenehm den Rücken hinunterkroch. Dann lächelte er jedoch nur und sagte nichts weiter dazu. Aber ich wusste genau, dass auch er gemerkt hatte, dass dort meine Mutter stand. Kannte er sie doch beinahe genauso gut wie ich. Warum, in aller Welt, traf sich meine Mutter mit einem Mann, und das auch noch hinterrücks ohne mein Wissen? Mir war diese Entdeckung den Rest unseres Aufenthalts im Park einfach nicht aus dem Kopf gegangen. Egal wann die anderen einen Witz gerissen hatten, ich hatte nicht lachen können. Egal wann sie mich angesprochen oder mich etwas gefragt hatten, ich hatte sie nicht gehört und war in Gedanken gewesen. Jetzt saß ich in meinem Auto und ließ mich von Reita nach Hause fahren, weil ich nicht die Lust dazu verspürt hatte, mich hinters Steuer zu setzen. Wahrscheinlich wäre ich vor lauter Abwesenheit irgendwo gegen gerasselt. Das konnte ich nicht verantworten. Ich empfand die Stille, die im Inneren des Wagens herrschte, zum ersten Mal als sehr unangenehm und erdrückend. Unbewusst spielte ich an meinen Zeigefingern und kaute auf meiner Unterlippe herum, während ich versuchte, das überglücklich wirkende Gesicht meiner Mutter aus meinem Kopf zu bannen. Wann hatte sie das letzte Mal so ehrlich gelächelt? Ich glaubte, das war damals vor drei Jahren gewesen, bevor mein Vater an dem Autounfall gestorben war. Damals hatte sie immer dieses strahlende Lächeln auf den Lippen gehabt und heute hatte ich genau dieses nach drei Jahren zum ersten Mal wieder gesehen. Irgendwie brach es mir das Herz, wenn ich daran dachte, dass es nicht mein Vater gewesen war, der ihr dieses Lächeln entlockt hatte.. „Das war sie“, bemerkte Reita nur, weil ihm die Stille zwischen uns anscheinend auch nicht bekam. Ich gab ein heiseres, „Ja“, von mir und verfiel wieder dem Schweigen. „Wirst du sie darauf ansprechen?“, fragte er leise weiter und löste somit so etwas wie Unwohlsein in mir aus. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich traute mich nicht, ihr ins Gesicht zu sehen und sie darauf anzusprechen, auch wenn es albern klang. Ich kam mir plötzlich so hilflos vor, weil ich immer gedacht hatte, dass ich meine Mutter genauestens kannte. Aber heute hatte sich das Gegenteil bewiesen. Sie hatte mir verheimlicht, dass sie sich mit einem Mann traf. War ich ihr denn nicht vertrauenswürdig genug? Oder hatte sie Angst gehabt, es mir zu sagen und mich somit vielleicht zu enttäuschen? Und seit wann sahen sich die beiden eigentlich schon? Es hatte wirklich nicht so gewirkt, als hätten sie sich erst vor ein paar Minuten kennengelernt. Es war so vertraut rübergekommen. „Baby?“, kam es leise von Reita, der mich besorgt musterte. „Hm?“, machte ich verwirrt und lächelte hilflos, als er sich wiederholte. „Ich.. Ich weiß es nicht..“, fing ich an und überlegte angestrengt vor mich hin, während Reita darauf wartete, dass es wieder grün wurde. „Ich denke, ich warte, bis sie es mir von selbst sagt“ Ja, ich denke, genau das würde ich tun. Das war immer noch das Beste. Immerhin wollte ich nicht, dass sie sich von mir in die Ecke gedrängt fühlte. Wenn sie noch nicht wollte, dass ich es erfuhr, dann würde ich eben warten. Nach dem heutigen Tag hatte ich wirklich auf nichts mehr Lust, also blieb ich auch zu Hause. Reita hatte vollstes Verständnis dafür gehabt. Er hatte mich an der Haustür verabschiedet und war den Rest bis zu sich nach Hause zu Fuß gegangen. Dass bei meiner Ankunft keiner im Haus gewesen war, hatte mich doch irgendwie nieder gemacht. Bis jetzt hatte mich meine Mutter immer empfangen, wenn ich zurückgekommen war. Wahrscheinlich dachte sie, dass ich gerade bei Reita war. Immerhin wollte ich ja eigentlich bei ihm bleiben. Aber er hatte selbst gesagt, ich solle nach Hause gehen und mir einen klaren Kopf machen. Ja.. Nur wie? Meinen Kopf aufschrauben und mir das Hirn rausnehmen konnte ich ja schlecht, und anders verstand ich das “im Kopf klarmachen“ auch nicht. Hatte ich also Pech, hm? Ich hatte mich nach meiner Ankunft erst einmal ausgiebig geduscht und hatte mich danach warm angezogen, um mich sogleich auf mein Bett zu legen. Ich setzte meine Lesebrille auf, schnappte mir mein Buch über verschiedene Massage-Griffe und deren richtige Anwendung und begann, zu lesen, da ich in dieser Stille sonst noch wahnsinnig werden würde. Ungefähr eine Stunde lang versuchte ich mich mit dem dicken Klotz zu beschäftigen, doch als ich plötzlich hörte, wie unten die Haustür aufging und meine Mutter hereintrat, sank mir das Herz in die Hose und meine Finger wurden schwitzig, worauf ich das Buch schnell zuklappte. Jetzt ja nicht aufregen, Uruha, immer mit der Ruhe. Pah, wenn das mal so einfach wäre! Ich blieb auf dem Bauch liegen und tat wieder so, als würde ich lesen. Die polternden Schritte meiner Mutter waren zu hören. Sie klopfte an und riss sogleich die Tür auf, was mich prusten ließ. Also, das würde sich sicher nie ändern! „Kouyou mein Schatz, was machst du denn hier?“, fragte sie leicht außer Atem und sprintete auf mich zu, um sich sogleich johlend auf mein Bett zu schmeißen und sich auf mich zu legen. „Ich wohne hier, Ma!“, presste ich nach Luft ringend aus mir und nahm schnell meine Brille ab, damit ich mich nicht verletzte. Komisch.. Sie war so gut drauf. Beinahe wie ein verliebter Teenager. „Das weiß ich doch auch, du Scherzkeks! Ich dachte nur, dass du heute bei Akira übernachten willst“, erklärte sie lachend und stutzte, als mir, „Ach, willst du mich etwa nicht hier haben?“, rausrutschte und ich mir sofort die Hand auf den Mund presste. „Was?“, fragte sie verwirrt und hockte sich auf meinen Steiß, beugte sich vor und schielte mich dann von der Seite an. „Ich glaub, du spinnst wohl, Freundchen!“, grinste sie und gab mir einen übereifrigen Kuss auf die Wange. Ok, das war mir wirklich zu viel gute Laune. „Ma, hör auf mich abzuschlabbern!“, protestierte ich und rollte mich herum, sodass sie seitlich von mir runterkippte und vergnügt zu lachen begann. Was hatte dieser dreckige Mann mit meiner Mutter angestellt, dass sie jetzt so aus dem Häuschen war?! Wenn ich den je wieder sehen sollte, würde ich ihn verprügeln! „Wie lief euer Picknick?“, fragte sie lächelnd und sah zur Seite, um mich zu mustern. Ich hatte mich seitlich hingelegt, meinen Kopf in einer Hand abgestützt, und sie lag auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt. „War schön. Toshiya hat uns mit seinen phänomenalen Kochkünsten so richtig verwöhnt. Und außerdem war der Park für das heutige Treffen wie für uns gemacht“, erzählte ich und wählte meine Worte sorgsam aus. Ich hatte meiner Mutter nicht gesagt, dass wir in einem Park hatten picknicken wollen. Ich merkte, wie sie kurz die Luft anhielt, diese dann jedoch leise und pfeifend entließ und mich anblinzelte, ehe sie, „In welchem Park wart ihr denn?“, fragte und neugierig auf eine Antwort wartete. „Im Yamashita Park, Ma“, gab ich so unberührt wie möglich von mir und entdeckte mit aufkommender Zufriedenheit, wie sie plötzlich nervös wurde, es aber zu überspielen versuchte. „Ach, echt? D-da bin ich auch gewesen, um mir die Beine zu vertreten und sowas“, sagte sie stotternd und grinste mich schief an, was ich leider nicht erwidern konnte. Mir stand wirklich nicht der Sinn nach Grinsen. „Ach, warst du das?“, entgegnete ich gespielt überrascht und fügte im sarkastischen Ton, „Hab dich dort nicht gesehen“, hinzu. Und genau die unscheinbare Reaktion, die sie nach meinem Satz zeigte, verletzte mich wirklich. Sie atmete erleichtert aus, legte sich eine Hand auf die Brust und schloss lächelnd die Augen. Danke, Ma, wirklich. Es war schön zu sehen, wie wenig du mir vertraust.. „Könntest.. Könntest du jetzt bitte gehen? Ich bin ein bisschen müde und würde nun gerne schlafen“, murmelte ich leise, und meine Mutter, die so etwas gar nicht von mir kannte, sah mich perplex an und wirkte plötzlich nicht mehr so erleichtert und fröhlich. „Geht’s dir nicht gut, mein Schatz?“, fragte sie besorgt und rollte sich zur Seite, um sanft meine Stirn zu befühlen. Ich zeigte ein seichtes Lächeln und versicherte ihr, dass alles in Ordnung war und ich nur schlafen wollte. „Aber es ist doch noch so früh“, flüsterte sie und neigte ihren Kopf zur Seite, als ich bedeutungslos abwinkte und sie noch einmal höflich darum bat, mein Zimmer zu verlassen. „Na gut, ich bin ja schon weg!“, ergab sie sich geschlagen und stieg aus meinem Bett, jedoch nicht, bevor sie mir einen Kuss auf die Stirn gab und mir süße Träume wünschte. Sobald die Tür hinter ihr zufiel, gab ich ein trauriges Seufzen von mir und wälzte mich in meinem Bett herum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)