Somewhere over the rainbow von DieLadi ================================================================================ Kapitel 18: Traum Teil 11 ------------------------- Das erste Mal seit Wochen wieder ein richtiges Bett. John hatte hervorragend geschlafen. Als er erwachte, schien die Morgensonne bereits durch die Palastfenster und ein vorwitziger Sonnenstrahl kitzelte seine Nase. Er streckte sich und stellte fest, dass er Hunger hatte. Ein Klopfen an der Tür ließ ihn „herein!“ rufen. Eine Frau betrat den Raum, die eine Art Livree trug. Offenbar eine Palastangestellte. Sie lächelte John freundlich zu und sagte: „Eure Freunde warten schon auf Euch, werter John Watson. Wenn Ihr möchtet, wascht euch im Nebenraum und dann werde ich Euch zum Frühstück begleiten.“ John tat wie geheißen und trat nach wenigen Minuten frisch und auch in sauberer Kleidung wieder vor die Tür, denn auf einem Stuhl im Badezimmer hatten eine Jeans und ein T-Shirt sowie Unterwäsche und Socken gelegen, alles erstaunlicherweise in genau seiner Größe. Die Palastdame führte ihn ein ein Zimmer, das gemütlich eingerichtet war und in dessen Mitte ein kleiner Tisch mit einem köstlich aussehenden üppigen Frühstück stand. Mycroft und Philipp, die auf einem kleinen Sofa saßen und in eine Diskussion darüber verstrickt schienen, was nun besser sei, ein Herz oder ein Gehirn, begrüßten ihn mit einem freundlichen „guten Morgen!“ Toto war gerade dabei einen Napf auszuschlecken und der Löwe nagte an etwas, was wie ein gebratenes Ochsenbein aussah. „Guten Morgen!“, sagte nun auch John, setzte sich an den Tisch und ließ sich das Frühstück schmecken. Wohl gesättigt schenkte er sich eine weitere Tasse von dem köstlichen Tee ein, den man ihm serviert hatte. Dann sah er seine Freunde an. „Und wie geht es nun weiter?“ „Keine Ahnung“, sagte Philipp. „Leider bin ich zu dumm, um Bescheid zu wissen. Wenn ich ein Gehirn hätte, wüsste ich so etwas vielleicht.“ „Nun“, sagte Gregory, „Ich habe einfach Angst vor dem, was auf uns zu kommt.“ Er seufzte. „Aber ich habe ja auch vor allem Angst.“ „Wenn ich“, sagte Mycroft, „ein Herz hätte, vielleicht könnte ich dann auch Angst fühlen.“ Und er schaute sehnsuchtsvoll. Die Palastdienerin erschien in der Tür. „Sherlock, der große und mächtige Zauberer“, intonierte sie mit bedeutungsschwerer Stimme, „wünscht, dass ihr bedenkt: ist euer Anliegen wichtig? Denn wehe dem, der es wagt, die Denkprozesse des Zauberers zu stören für Nichtigkeiten! Der Zorn unseres Herrschers würde über ihn kommen!“ Wieder erwies sich der Löwe als bejammernswert feige, denn sein Herz klopfe voller Angst, als er sich der jungen Dame entgegenstellte und mit sicherem und standhaftem Ton sagte: „Wir haben es bedacht. Und unsere Anliegen sind wichtig.“ „Ja“, sagte John, „und ich kann versichern, dass unser Wunsch an ihn mindestens eine Acht ist auf seiner berühmten eins-bis-zehn-Skala.“ Nun, er musste zugeben, so sicher war er sich da gar nicht, er verließ sich einfach mal auf die Worte der Frau Hudson. „Gut. So wartet hier“, sagte die Dame und ging davon. Wieder hieß es also warten. Und diesmal ließ man sich Zeit. Die Freunde saßen zusammen und erzählten sich Geschichten. Versuchten, die Zeit totzuschlagen. 'Verdammt,' dachte John. Das ganze ist doch bescheuert, wenn man bedenkt, dass ich eigentlich nicht mal weiß, was ich hier überhaupt soll. Und auch nicht weiß, was ich will. Na ja, doch, das weiß ich schon. Ich will hier bleiben. Ein Mädchen finden, heiraten, eine Farm beackern ... oder so. Das will ich doch, oder?' Er straffte sich. 'Ja, verdammt. Genau das will ich.' Er trommelte mit den Fingern auf die Lehne des Stuhles, in dem er saß. Inzwischen redeten die Freunde nicht mehr. Man schwieg, weil sie alle das Gefühl hatten, dass es im Moment nichts mehr zu sagen gab. Der Löwe zucke unruhig mit der Schwanzspitze. Mycroft saß wie eine Statue auf dem Sofa. Philipp kratzte sich am Strohkopf. Toto dagegen war der einzige, der gelassen und vergnügt war und genug innere Ruhe fand, um schließlich einzuschlafen. John seufzte. Zum wie vielten Male? Plötzlich öffnete sich erneut die Zimmertür und die Dienerin trat ein. „Der große Zauberer Sherlock“, sagte sie ohne weiter Umschweife, „Wird John Watson empfangen. Er hat befohlen, dass die anderen hier warten. Er wird sie später zu sich rufen.“ Dann wurde ihr Gesichtsausdruck freundlicher. „Kommt, John Watson“, sagte sie nun in einem sehr viel persönlicheren Ton, „ich werde Euch zu ihm bringen.“ Also machte John sich auf und folgte ihr. Sie liefen durch weite Flure, enge Gänge und prachtvoll geschmückte Säle. All die Pracht des Schlosses überwältigte John. Und wieder empfand er etwas ganz ähnliches wie zuvor: es war zu schön, zu prachtvoll, zu großartig um wirklich schön zu sein. Es erschlug eine geradezu mit Schmuck und Glanz und Reichtum, und John stellte wieder einmal fest, dass er es drei Nummern dezenter wohl wesentlich mehr gemocht hätte. Wie der Zauberer wohl sein wird? Ob seine Gewänder auch so von Pracht und Protz strotzen? Ein weiter, wehender Mantel voller Goldstickerei und aufgenähter Edelsteine? Magische Symbole aufgestickt, schwere Ketten mit Amuletten um den Hals, einen spitzen Zaubererhut? John kicherte bei dem Gedanken, bis die Dienerin ihm eine strafenden Blick zu warf. Schnell strengte er seine Gesichtsmuskeln an, um einen ernsten, der Situation angepassten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Sie liefen weiter, du meine Güte ist das Schloss riesig, dachte John, bis sie endlich vor der Tür des Thronsaales standen. Die Dienerin fegte John ein Stäubchen von der Schulter, strich ihm ein Haar aus der Stirn und sagte dann freundlich: „Macht Euch keine Sorgen, John, er wird Euer Anliegen wohlgesonnen anhören.“ John seufzte. Das war ja gut und schön, aber er wusste ja nicht einmal, was sein Anliegen überhaupt war! Er straffte seinen Rücken, fasste nach der Klinke und drückte sie nach unten. Mit einem aufmunternden Lächeln der jungen Frau öffnete er die Tür und trat in den Saal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)