Somewhere over the rainbow von DieLadi ================================================================================ Kapitel 17: Inszenierung Teil 3 ------------------------------- Der große Zauberer Sherlock lief in seinem Thronsaal umher. Hin und her wie ein Tiger, gefangen im Käfig. Er war nervös. Über die Jahre hatte er immer wieder diese Situation gehabt. Da war ein Besucher in das Land gekommen, und hatte sich auf den Weg zu ihm gemacht. Nur das waren eben immer kleine Mädchen gewesen, mit Zöpfen und Schleifen und geblümten Baumwollkleidchen. Unsagbar langweilig. Sie alle waren beseelt gewesen von dem Gedanken, so schnell wie möglich nach Hause zurück zu kehren. „Zu Vater und Mutter, buhuhu ...“ Er konnte das Geheul nicht mehr ertragen. Ihnen allen hatte er letztendlich geholfen heimzukehren und hatte damit seine Aufgabe erfüllt. Aber keines dieser Mädchen hatte es geschafft, den Fluch des Zauberlandes zu brechen, in dem es die einzige wirklich böse Hexe besiegte, nämlich Frau Adler. Sie alle hatten geglaubt, sie besiegt zu haben und waren guten Mutes in die Smaragdenstadt zurückgekehrt, und er hatte ihnen dann den Weg nach Hause gezeigt. Tja, aber dann dauerte es jeweils nicht lange, und sie war wieder da. Und das Zauberland musste auf die nächste Besucherin warten, die es wieder nicht schaffte und so weiter und so fort. Weil diese kleinen Mädchen alle so unsagbar dumm waren. Sonntags brav in die Kirche gehen, und immer auf Mutter und Vater hören und immer nett zu den Nachbarn sein und hilfsbereit zu alten Damen und fleißig im Haushalt helfen und nur nicht einmal um die Ecke denken. Pah. Wie unsäglich er das alles doch leid war. Und nun war John gekommen. John Watson, ein erwachsener Mann, noch dazu Soldat, der in seinem Leben sicher schon eine Menge Dreck gefressen hatte. Immerhin war nach seiner Ankunft das erste Mal seit ewigen Zeiten im Zauberland wieder geflucht worden. Und entgegen mancher Befürchtungen war nicht der Himmel über den grünen Auen, dunklen Wäldern und liebreizenden Dörfchen des Landes zusammengebrochen. Und – John hegte keinerlei Absichten, nach Hause „zu Vater und Mutter, buhuhu“ zurückzukehren. Hin und her. Hin und her. Heute würde Sherlock also John bei sich empfangen. Er würde ihn auf den Weg zu Irene Adler schicken und er konnte nur hoffen, dass John sich das entscheidende bisschen klüger anstellen würde als all die Mädchen es getan hatten. Aber wie sollte er mit John umgehen? Er war sich nicht sicher und er hatte Angst, dass er es versauen würde. Es hing so viel davon ab, dass John sich auf den Weg machte. Was wenn der sich weigerte? Immerhin gab es keinen Grund für ihn ... er wollte nicht „zurück“, er kannte sein „zurück“ nicht einmal, warum sollte er also Gefahren auf sich nehmen um es zu erreichen? Die ganze Situation erschien Sherlock kompliziert und schwierig. Er hatte vorhin noch mit Frau Hudson telefoniert, doch die wusste auch keinen Rat. „Es wird alles gut“, hatte sie gesagt und ihm damit den Rücken gestärkt. Was seltsam genug war, wenn man bedachte, dass er immerhin der Herrscher dieses Landes war, und sie nur eine Hexe, aber sie war schon immer für ihn da gewesen und er schätzte und mochte sie sehr. Der eiserne Mycroft dagegen hatte ihn in den letzten Wochen immer mal wieder kontaktiert und ihn von unterwegs auf dem laufenden gehalten. Er hatte ihm von Johns Mut und Tapferkeit berichtet, von seinen klugen Ideen aber auch von seiner Hilfsbereitschaft, die er immer wieder an den Tag legte. Nun, letzteres verwunderte nicht, denn immerhin war John zwar Soldat, aber auch Arzt. John war etwas besonderes. Er konnte kämpfen und dabei dem Feind die wüstesten Drohungen ins Gesicht schleudern. Doch dann ... als sie zum Beispiel die Räuberbande besiegt hatten, hatte er nicht nur Gregory die verletzte Flanke verbunden, Toto die Pfote, hatte Mycroft ausgebeult und Philipps Jacke neu ausgestopft und genäht. Nein, er hattet auch dem einen Räuber, der sich beim Kampfe das Bein gebrochen hatte, eben jenes geschient. Und anschließend hatte er ihn der Gerichtsbarkeit des nächsten Dorfes übergeben. Sherlocks Kopf rauchte, sein Herz klopfte. Gleich nun sollte er diesem John gegenübertreten. Gut, also. Er würde wie immer seine Rolle spielen. Er würde tun, was nötig war. Er betätigte eine Klingel. Kurz darauf trat eine Palastdienerin in den Thronsaal. „Bringt John zu mir“, sagte Sherlock leise. „Ja, Herr“, sagte die Frau und lächelte ihm aufmunternd zu. Dann ging sie wieder. Er straffte die Schulter und setzte auf seinen Thron. Ein letztes Mal fuhr er sich mit den Händen durch seine seidenschwarzen Locken. Befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge. Dann setzte er eine strenge und würdevolle Miene auf und harrte der Dinge, die da kommen mögen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)