Somewhere over the rainbow von DieLadi ================================================================================ Kapitel 4: Traum Teil 2 ----------------------- Es dauerte einige Augenblicke, bis John, für den das Sprechen im Gegensatz zu seinem Hund ja eigentlich nichts ungewöhnliches war, die Sprache wiederfand. Nun, genau genommen fand er erst einmal ein relativ unstrukturiertes Stammeln. „Toto ... du ...äh ... kannst ... spre.,.. sprechen?“ „Selbstverständlich. Immerhin sind wir hier in einem Zauberland, und für irgendwas muss dieser Umstand ja gut sein, nicht wahr?“ „Aha,“ sagte John, „Zauberland.“ Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Aber ja“, sagte Toto und kratzte sich mit der Hinterpfote hinter dem rechten Ohr. „Toto ... mal abgesehen davon, dass ich immer noch nicht glauben kann dass du einfach so sprichst, mein Kleiner, aber … woher weißt du das denn?“ Toto verdrehte die Augen. „Oh John, ich hab dich lieb, wirklich, aber manchmal bist du ein ganz schöner Idiot. Du siehst, aber du beobachtest nicht!“ John schmunzelte. Wie es aussah hatte sein kleiner Hund ein ganz schön loses Mundwerk. „John, schau dich doch um! So grün, sauber, bunt und klar wie hier alles ist, und dann die Vögel – hast du mal genau hin gehört? Die reden. Sie sind lange nicht so sprachgewandt wie ich, sondern zwitschern dummes Zeug und schwätzen sinnlos daher. Aber sie reden. Außerdem riecht es hier nach Magie, und wenn ich mich auf eines Verlassen kann, dann auf meine Nase.“ Er schnupperte. „Meine Nase sagt mir übrigens, dass es da draußen jede Menge Früchte gibt. Ich habe Hunger. Wärest du so freundlich?“ Und Toto sprang durch die noch immer offen stehende Tür und begann, fröhlich im Gras herumzutollen. John machte sich daran, eine weitere Frucht vom Baum zu pflücken. Sie ließen sich leicht in Stücke teilen und er legte ein paar Stücke auf ein Taschentuch auf den Boden vor ihm. Toto kam angesprungen und machte sich geräuschvoll darüber her. „Na ja“, sagte er als er damit fertig war, „Früchte sind ja eigentlich nicht mein Fall, aber diese hier sind ganz in Ordnung. Und auf jeden Fall machen sie satt.“ Er schleckte sich das kleine Schnäuzchen. Dann spitzte er die Ohren. „Also John“, sagte er, „Auf meine Nase ist Verlass, aber auf meine Ohren auch. Und wenn das, was ich da höre, nicht das Geklingel von Schellen ist und das Getrappel von Schritten, sowie das Rauschen von einem seidenen Rock, dann weiß ich auch nicht. Dann will ich nicht mehr Toto heißen.“ Nun, es zeigte sich, dass keine Notwendigkeit zu einer Namensänderung bestand, denn schon wenige Augenblicke später trat eine kleine Gesellschaft auf die Lichtung. Es war eine kleine alte Frau mit grauem, sorgfältig frisiertem Haar, einem seidenen Kleid und einem seltsamen spitzen Hut auf dem Kopf. Solche Hüte trugen die Männer, die bei ihr waren auch. An ihren Hüten jedoch befanden sich kleine, silbern schimmernde Schellen, die bei jeder Bewegung unablässig klingelten. Erstaunlicherweise waren die Männer relativ klein, kleiner sogar als John, der nicht durch übermäßige Körpergröße glänzte, was er aber durch sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein im allgemeinen wettmachte. Trotzdem empfand er die Tatsache, einfach mal der Größte der Anwesenden zu sein, als ausgesprochen angenehm. Die Frau sprach mit sanfter, warmer Stimme: „Guten Tag und willkommen im Zauberland, mein Kind.“ Dann stockte sie, und während Toto leise zischte: „Hab ichs nicht gesagt!?“, nahm sie ihre Brille ab, drehte an den Gläsern herum und setzte sie wieder auf die Nase. Sie schüttelte den Kopf, nahm sie erneut ab, begann, sie mit einem Zipfel ihres Rockes zu putzen und setzte sie sie wiederum auf den ihr zugedachten Platz. „Nun, also“, sagte sie dann langsam und mit sichtlichem Erstaunen in der Stimme, „wer immer du auch bist, ein Kind bist du ganz offensichtlich nicht.“ „Nein,“ sagte John freundlich, „ich bin Captain John Watson und ziemlich genau vierzig Jahre alt. Also kein Kind im eigentlichen Sinne. Nein.“ Die Männer, die die Frau begleiteten, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. John fand das nun nicht besonders höflich. Daher wandte er sich der Dame zu und fragte: „Und mit wem habe ich die Ehre?“ Sie machte eine Handbewegung in Richtung ihrer Begleiter. „Diese hier sind Bewohner des Landesteiles, in dem wir hier sind. Und mein Name ... nun, du kannst mich Frau Hudson nennen.“ „Angenehm, Sie kennenzulernen, Frau Hudson“, sagte John. „Angenehm? Das muss sich erst noch erweisen“, knurrte Toto leise. „Nun, wie auch immer, dann eben herzlich willkommen, John Watson“, sagte Frau Hudson. „Wir, also diese Herren und ich, sind gekommen, um dir zu danken, dass du das Land von der bösen Hexe befreit hast und um dir für deinen weiteren Weg behilflich zu sein.“ „Hexe...?“ John war schon wieder fassungslos. „Ja, natürlich. Frau Donovan, die böse Hexe. Sie hat die armen Leute hier ganz schön gepiesackt und gequält. Und nun ist sie tot, und das haben wir dir zu verdanken.“ John schüttelte den Kopf. „Hexen. Hier gibt es Hexen. Du meine Güte.“ Dann schaute er auf. „Aber ... ich habe niemanden getötet. Also nicht, dass ich das im Notfall nicht könnte. Ich bin immerhin Captain, habe einige Kampferfahrung und auch Nahkampftraining. Aber erstens bin ich auch Arzt ...“ Ja, daran erinnerte er sich ganz plötzlich. „... und bin daher eher daran interessiert, Leben zu erhalten, und nicht, Leben zu nehmen. Und zweitens habe ich seit ich hier, wo auch immer 'hier' ist, angekommen bin, niemanden getroffen, außer Toto und Ihnen, und ich habe ganz gewiss niemanden getötet.“ Noch bevor die Hexe etwas sagen konnte, begann Toto zu kläffen und sagte dann: „Ach John, wie es aussieht, hast du wieder einmal nur die Hälfte mitbekommen!“ Er bellte auffordernd und lief dann um die verbeulte Blechhütte herum. Dort setzte er sich auf den kleinen Hintern und sah John erwartungsvoll an. Johns Blick schweifte über die Hütte, dann zum Erboden hinunter, und was er da sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren: Unter der Hütte schauten zwei in mit silberner Farbe besprühten Springerstiefeln steckende Füße hervor. Offensichtlich war, wer auch immer das war, ach ja, die Hexe Frau Donovan, von dieser zerquetscht worden. Johns Augen weiteten sich, sein Magen krampfte sich zusammen, er drehte sich um und begann, sich hier im smaragdgrünen Grase des Zauberlandes die Seele aus dem Leib zu kotzen. 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