Orientierte Offenbarung von Varlet ================================================================================ Kapitel 19: Tsutomu ------------------- Mit verschränkten Armen vor der Brust beobachtete Shuichi die Person die vorgab sein Vater zu sein. Während sich Jodie gegenüber von Tsutomu gesetzt hatte, hatte er die Wand bevorzugt und sich gegen diese gelehnt. Seinen Blick hatte er die ganze Zeit über nicht von dem Mann abgewendet und am liebsten wäre er ihm an die Gurgel gegangen. Leider konnte er Jodie bisher sehr gut einschätzen und wusste, dass sie dazwischen gehen würde. Ging er die Sache zu unbedacht an, würde Jodie verletzt werden und dann würde er vom FBI sicherlich suspendiert werden. Kam es hart auf hart würde man ihn nicht nur für seine Handlung rügen, sondern ihn auch von den weiteren Ermittlungen gegen die Organisation fernhalten. Und das konnte er auf gar keinen Fall zulassen. Zahlreiche Gedanken schossen dem jungen Agenten durch den Kopf. Handelte es sich bei dem Mann tatsächlich um seinen Vater, der so viele Jahre verschollen war? Oder war es einfach nur ein Schauspieler, der in dessen Rolle schlüpfte? Und wenn es sein Vater war, was war ihm die letzten Jahre passiert? Konnte er ihm überhaupt noch vertrauen? Was wenn sein Vater mittlerweile ein Verräter war und nur die Gunst der Stunde nutzte? Er hatte gewusst, dass Mary damals ihr drittes gemeinsames Kind unter ihrem Herzen trug und doch hatte er kein einziges Mal versucht mit seiner Familie in Kontakt zu treten. Selbst jetzt führte ihn sein erster Weg zum FBI und nicht zum Telefon um Mary zu erreichen. Konnte es tatsächlich sein? Hatte Shuichi sein Ziel erreicht? Akai verachtete sich für die Gedanken die er wegen seinem Vater hegte. Aber wahrscheinlich wäre es bei seiner Mutter und seinem Bruder ähnlich. Mary, die zum MI6 gehörte, würde Tsutomu sicherlich auch nicht sofort mit offenen Armen empfangen. Und auch Shukichi würde Fragen stellen. Nur Masumi – die er kaum kannte – konnte er nicht einschätzen. Doch möglicherweise hatte sie den gleichen Dickkopf und die gleiche Neugier geerbt, wie der Rest der Akai-Familie. Aber vielleicht wollte er auch einfach nur das Schlechte sehen und war nicht dazu bereit seinem Vater zu verzeihen. Dennoch hoffte ein kleiner Teil in ihm, dass der Mann sein Vater war. Dank des FBIs würde er die Antwort in einigen Stunden kennen. „Du kannst mir ruhig all deine Fragen stellen“, begann Tsutomu ruhig. „Ich werde alles wahrheitsgemäß beantworten.“ Shuichi verengte die Augen. „Ich nahm zwar an, dass wir auf Black warten würden, aber gut. Ich stelle die gleiche Frage wie zuvor. Wer bist du?“ „Tsutomu Akai.“ „Was ist in den letzten Jahren passiert? Wo warst du?“ „Shu!“ Jodie sah ihn missmutig an. „Wir sollten mit der Befragung warten.“ „Schon gut“, kam es von Tsutomu. „Er hat alles Recht der Welt mir diese Fragen zu stellen. Außerdem…habe ich den Großteil dem FBI bereits beantwortet. Ich denke nicht, dass Ihre Kollegen und Vorgesetzten etwas dagegen haben werden, wenn ich jetzt mit Ihnen Beiden rede. Sie dürfen selbstverständlich auch Fragen stellen, wenn Sie möchten.“ Tsutomu blickte wieder zu seinem Sohn. „Du weißt ja mittlerweile, dass deine Mutter und ich für das MI6 in England arbeiten. Genau wie das FBI sind auch wir irgendwann auf die Organisation aufmerksam geworden, allerdings sind wir Ihnen erst vor etwa 16 Jahren wirklich nah gekommen. Eigentlich hatten Mary und ich überlegt, dass wir mit den gefährlichen Fällen aufhören, immerhin war unser drittes Kind unterwegs, aber wir wollten zumindest noch dieses eine Thema abschließen. Ich bin einer Spur nach Amerika gefolgt und traf dort einen alten Bekannten. Er hatte zwar nichts mit der Organisation zu tun, kam ihnen aber zufällig in die Quere und wurde ermordet. Dann musste ich einfach weiter ermitteln, doch ich wusste, dass es noch gefährlicher werden würde und habe deiner Mutter die Anweisung gegeben, mit euch unterzutauchen. Leider haben sie bemerkt, dass ich gegen sie ermittel und bin ihnen dann in die Falle gegangen. Als sie schließlich herausgefunden haben, dass ich für das MI6 arbeite, haben sie alles versucht um über mich an weitere Informationen zu kommen. Wie ich mittlerweile weiß, waren sie damals noch nicht in England tätig, daher wollten sie das MI6 infiltrieren. Ich bin so lange standhaft geblieben wie es ging, auch wenn sie meine Familie gegen mich verwendet haben. Es dauerte zwar lange, aber da du immer noch meinen Nachnamen trugst, konnten sie dich finden und versuchten mich damit unter Druck zu setzen, sowohl körperlich als auch seelisch. Durch meine Ausbildung, meine Erfahrung und meine Ziele konnte ich das alles überstehen. Anfangs habe ich sie mit Lügen auf falsche Fährten angesetzt, aber – und dafür schäme ich mich - irgendwann musste ich ihnen Teile der Wahrheit sagen. Positiv für mich war, dass die Zeit weiterging und ich nicht mehr über alles informiert gewesen bin. Und nicht zu vergessen, habe ich auch erfahren, was aus meiner Frau und meinen Kindern wurde. Während meiner Zeit in ihrer Gefangenschaft konnte ich so tun, als hätte ich gar nichts von ihren Plänen mitbekommen.“ „Sie wurden gefoltert?“, wollte Jodie leise wissen. Tsutomu nickte. „Das wurde ich. Aber machen Sie sich keine Sorgen deswegen, ich komm damit klar. Und mittlerweile geht es mir, zumindest körperlich wieder gut.“ „Was hast du in Erfahrung bringen können?“ „Shu!“, kam es von Jodie. „Hast du deinem Vater eigentlich zugehört? Er wurde über Jahre von der Organisation gefoltert und dich scheint es gar nicht zu interessieren.“ „Natürlich habe ich zugehört“, antwortete Shuichi ruhig. „Ich stimme zu, dass Folter schrecklich ist und wenn sich die Identität meines Vaters bestätigt, werde ich mich auch um ihn kümmern.“ Jodie seufzte leise auf. „Es würde nicht schaden, wenn du schon vorher Mitgefühl zeigen würdest.“ „Kann sein, aber ich muss objektiv bleiben.“ „Mein Sohn hat Recht“, entgegnete Tsutomu. „Wenn man weiß, wie die Organisation tickt, muss man mit allem rechnen. Sie können sehr trickreich sein. Außerdem darf man die Schauspielerin in ihren Reihen nicht vergessen. Sie kann in jede Rolle schlüpfen und nahezu jedermann um den Finger wickeln. Außerdem ist nicht bekannt wem sie diese Verkleidungskunst beigebracht hat.“ „Mit Schauspielerin meinst du Sharon Vineyard?“, wollte Shuichi wissen. Tsutomu nickte. „Am Anfang war sie dort, aber dann wurde sie von ihrer Tochter Chris abgelöst.“ Akai verengte die Augen. „Das heißt also, dass Chris Vineyard tatsächlich auch zu ihnen gehört…“ Er sah zu Jodie. „Jetzt wissen wir also, dass das alles mit dir kein Zufall war.“ „Ja“, murmelte Jodie leise. „Okay, erzähl weiter. Was hast du in der Zeit alles in Erfahrung bringen können?“ „Sie haben sich vermehrt darüber unterhalten, dass du, mein Sohn, zum FBI gegangen bist und mein Verschwinden aufklären willst. Sie konnten zudem davon ausgehen, dass du früher oder später auch gegen sie ermitteln würdest. Daher haben sie darauf geachtet, dass du nicht einfach so auf ihre Spur kommst. Außerdem habe ich gehört, dass sie sich Sorgen wegen der Tochter eines Agenten machen. Einen Namen weiß ich nicht, allerdings soll sie noch nicht so lange für das FBI arbeiten.“ „Hast du mitbekommen, warum sie es auf die Agentin abgesehen haben?“, wollte Shuichi wissen. Tsutomu sah zu ihm. „Wie ich gehört habe, haben sie Sorge, dass der Agent seiner Tochter etwas hinterlassen hat, dass sie zu Fall bringen könnte. Was genau das ist, kann ich euch aber auch nicht sagen.“ Shuichi sah wieder zu Jodie. „Wie wir es uns gedacht haben…“ „Moment? Sie ist die Agentin?“ Jodie nickte. „Mein Vater hat vor etwa 20 Jahren gegen die Organisation ermittelt und wurde dann getötet“, erklärte sie. „Ich war damals noch sehr jung und weil ich mich verletzt habe, sind meine Mutter und ich mit dem Leben davon gekommen. Seitdem war das FBI immer irgendwie in meine Nähe und haben auf mich aufgepasst. Allerdings hat sich die Organisation nie bei mir blicken lassen. Wenn mir mein Vater etwas hinterlassen hat, hätten sie es doch schon finden können.“ „Dazu kann ich leider nichts sagen. Es wäre möglich, dass Ihr Vater gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat.“ „Mhm…“, murmelte Shuichi. „Möglich, dass du erst mit gewissem Alter an die Informationen kommst. Daher sollten wir warten, was die Befragung deiner Mutter ergibt.“ „Ja“, gab Jodie von sich. „Allerdings sind mir das immer noch ein paar zu viele Zufälle“, entgegnete der Agent. „Das ist alles sehr merkwürdig. Vielleicht war auch deine Flucht geplant und sie spielen auch in diesem Moment mit uns.“ „Das kann ich natürlich nicht ausschließen“, antwortete Tsutomu. „Es ist allerdings sicher, dass sie nach mir suchen. Und nein, ich trage keine Wanzen oder andere Abhörgeräte bei mir. Das wurde hier bereits überprüft.“ „Ich verstehe.“ James kam wieder in den Raum. „Entschuldigung. Aber wie ich sehe, habt ihr bereits miteinander gesprochen.“ Akai nickte und fasste das Gespräch zusammen. „Mhm…das gleiche hat uns Ihr Vater auch erzählt“, sprach James und sah zu Jodie. „Ich habe deine Mutter bereits informiert. Sie ist auf dem Weg zu uns.“ „Danke“, entgegnete Jodie. „Was ist vorhin eigentlich passiert? Du bist raus gestürmt, als hättest du einen Geist gesehen.“ James seufzte. „Wir beobachten bereits seit längerem Sharon Vineyard, damit wir bereit sind, sollte sich eine Spur zur Organisation ergeben. Bis vor wenigen Stunden dachten wir auch, dass wir ihnen einen Schritt weiter sind und zumindest Chris Vineyard herlocken können. Allerdings haben sich die Umstände nun geändert“, erzählte James. „In den Medien wird vom Tod der Schauspielerin Sharon Vineyard berichtet.“ Jodie weitete schockiert die Augen. „Was? Nein…das kann nicht…“ „Ich habe unser Team bereits darauf angesetzt. Sie prüfen, ob die Nachricht auch wirklich der Wahrheit entspricht. Wenn ich ehrlich bin, gehe ich davon aus, dass wir keine andere Information dazu erhalten werden.“ „Was für ein weiterer Zufall“, murmelte Shuichi und schloss die Augen. „Gerade dann, wenn wir Chris ins Büro eingeladen haben. Durch ihn wissen wir aber bereits, dass Chris mit der Organisation in Verbindung steht. Es ist nur eine Frage der Zeit bis wir mehr darüber herausfinden.“ Black runzelte die Stirn. „Bevor ich das Büro verlassen habe, rief der Manager von Chris an. Er hat das Treffen für heute abgesagt.“ „Eine verständliche Reaktion.“ Shuichi dachte nach. „Sie ist als Schauspielerin ein Profi. Wir können davon ausgehen, dass sie die Szenen für den Film zu Ende dreht.“ „Die Möglichkeit besteht, allerdings glaube ich nicht, dass die Beiden hierherkommen werden. In Anbetracht der nächsten Vorkehrungen wegen der Beerdigung wird Chris sehr stark im Fokus der Medien stehen. Gut möglich, dass die Organisation selbst einen Leibwächter stellt.“ James blickte zu Jodie. „Vermutlich wollte sie auch testen, ob du von diesen Informationen weißt, weswegen sie dir die Geschichte mit dem familiären Hintergrund erzählt hat.“ „Da komm ich gerade nicht mit“, entgegnete Jodie. „Wenn dir dein Vater tatsächlich etwas hinterlassen hat, was du erst mit einem bestimmten Alter erhältst und davon weißt, wäre deine Reaktion auf die potentielle Schwesternschaft eine andere. Vermutlich hätte Chris erwartet, dass du mit Das wollte er mir also mitteilen oder so etwas in der Art, reagierst. Das denken Sie doch, nicht wahr, Agent Black?“ James nickte. „Mhm…verstehe…sie wollten also nur meine Reaktion testen.“ Jodie seufzte. „Und ich bin darauf reingefallen.“ „Ich weiß zwar nicht worum es geht, aber Sie sollten sich keine Vorwürfe machen. Es gibt kaum jemanden der der Schauspielerin nicht auf den Leim geht.“ „Die Frage ist nur, was sie jetzt vor haben. Weil wir noch nicht gewusst haben, dass Chris auch für die Organisation tätig ist, haben wir sie unfreiwillig gewarnt und ihnen eine Chance gegeben wieder unterzutauchen.“ Shuichi sah zu seinem Vater. „Es wird das Beste sein, wenn du erst einmal in unserem Sicherheitsgewahrsam bleibst, zumindest solange bis wir wissen, wie du uns am besten unterstützen kannst. Da Chris eine Person des öffentlichen Interesses ist, sollten wir sie weiter beobachten.“ Black nickte. „In der nächsten Zeit wird sie sich um die Beerdigung ihrer Mutter kümmern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese auch im Medienrummel stattfinden wird. Wir müssen nur auf die Zeit danach vorbereitet sein und sie nicht aus den Augen lassen.“ Tsutomu seufzte leise auf. „Es wird nicht reichen. Ihr seid nur in Amerika tätig, aber ich glaube nicht, dass hier ihr Hauptstandort ist.“ „Was meinst du damit?“ „Während meiner Gefangenschaft konnte ich ihre Mitglieder immer wieder auf Japanisch reden hören. Ich könnte mir vorstellen, dass sie dort sind.“ „Mhm…“, gab Black von sich. „Wir haben schon damals gewusst, dass Sharon Vineyard öfters nach Japan flog, allerdings lag das an ihrer Ausbildung und ihrer Freundschaft zu einigen anderen Schauspielern.“ „Japan“, murmelte Shuichi. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)