Orientierte Offenbarung von Varlet ================================================================================ Kapitel 8: Feierabend --------------------- Obwohl Jodie eigentlich einen recht ruhigen Tag im Büro hatte, fühlte sie sich am Abend wie gerädert. Es war lange her gewesen, dass sie sich auf den Feierabend freute und als es soweit war, flüchtete sie nahezu aus dem Büro. Jodie wollte einfach nur nach Hause und am liebsten alles vergessen. Sobald Jodie ihre Wohnung betrat, stellte sie ihre Tasche auf den Boden, schlüpfte aus ihren Schuhen, zog die Jacke aus und hing diese an die Garderobe. Seufzend ging die junge Agentin in ihr Wohnzimmer und warf sich auf das Sofa. „Oh man“, murmelte sie leise. „Was für ein Tag…“, fügte sie hinzu und schloss ihre Augen. Jodie hatte nie geplant gehabt an der Tür ihres Vorgesetzten zu lauschen, aber als sie die Stimmen von James und Shuichi hörte, konnte sie irgendwie nicht anders. Nahezu automatisch öffnete Jodie die Tür ganz leise und ließ diese einen Spalt weit offen. Sie hoffte, dass sie weder von James noch von einem anderen Agenten erwischt wurde und hörte Shuichi und James aufmerksam zu. „Sie wissen, dass wir auch Ihre Hintergrundgeschichte kennen. Ihr Vater wurde damals in einen Mordfall verwickelt und ist seitdem verschwunden. Lediglich Ihre Mutter erhielt vorher eine Abschiedsnachricht. Auch wir haben den damaligen Fall untersucht“, sagte James ruhig. Mit einem Mal fühlte sich Jodies Herz schwer an. Sie hatte nicht gewusst, dass ihr Partner seinen Vater auch verloren hatte. Und dann war die Art und Weise auch noch grausam. Es war bereits schlimm genug, wenn man ein Elternteil verlor, doch Shuichi wusste nicht einmal, was aus seinem Vater geworden wurde. Suchte er denn auch nach ihm oder hatte er sich bereits damit abgefunden? Und was am wichtigsten war, lebte sein Vater überhaupt noch? „Ihr Vater hat versucht den Tod von Mr. Haneda aufzuklären und verschwand. Arbeitet Ihre Mutter weiter daran das Verschwinden Ihres Vaters aufzuklären?“ „Es ist mir nicht bekannt, aber ich kann es auch nicht ausschließen“, antwortete Akai ruhig. „Meine Mutter lässt sich selten in die Karten schauen und zum MI6 pflege ich auch keine Kontakte.“ Es überraschte Jodie, dass ihr Partner Kontakte zum MI6 hatte. Arbeitete seine Mutter etwa dort? Hatte James diese extra deswegen erwähnt? Aber warum war Akai dann dem FBI beigetreten? Unweigerlich ballte Jodie ihre Hände zu Fäusten. Sie hatte durch dieses kurze Gespräch viel mehr über ihren Partner erfahren, als in den letzten Wochen. Vielleicht konnte sie ihn auch überzeugen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Gemeinsam hätten sie bestimmt eine Chance und konnten möglicherweise einen Hinweis finden. Und wenn sie ihm half, würde er ihr sicherlich auch helfen. „Wurde mir Starling zugeteilt, weil wir eine ähnliche Hintergrundgeschichte haben und ich sie dadurch besser verstehen kann?“, wollte Akai wissen. „Oder glauben Sie, dass mein Vater auch der Organisation zum Opfer fiel?“ „Wir können es nicht ausschließen.“ „Dann sollten Sie mich gegen die Organisation ermitteln lassen. Ich finde eine Spur zu Ihnen“, sagte der Agent. „Nein“, sprach James. „Das ist eine Anweisung von ganz oben. Nur erfahrene Agenten kümmern sich um diesen Fall.“ Es hatte Jodie schockiert. Sie wusste zwar, dass ihr Vater aufgrund seiner Arbeit von einem unbekannten Täter ermordet wurde, aber von einer Organisation – einer Verbrecherbande – hörte sie zum ersten Mal. Mit einem Mal schlug Jodies Herz schneller. Warum hatte man sie angelogen? Warum nur? Warum hatte ihr James dies nur angetan? Die ganze Zeit über hatte Jodie gedacht, dass die Ermittlungen gegen den Mörder ihres Vaters zu den Akten gelegt wurden, doch jetzt wusste sie, dass das FBI weiter daran arbeitete. Und das nur, weil eine Verbrecherorganisation dahinter stand. Wenn James sie schon deswegen anlog, was verschwieg er ihr noch? „…und ich fühlte mich am Tatort beobachtet, wobei ich nicht sagen kann, ob es mir oder Jodie galt.“ „Ich hoffe, Sie sagen das jetzt nicht nur, damit ich auf die Idee komme, dass die Organisation wieder aktiv ist und einer von Ihnen ihr neues Ziel ist.“ „So etwas würde ich nicht machen“, fing Shuichi an. „Ich habe Jodie beobachtet, ehe sie bei uns anfing. Sie hat es allerdings bemerkt, was ich ihr sehr zu gute halte. Dennoch stelle ich mir schon länger die Frage, ob es nicht auch jemand anderen gibt, der sie beobachtet. Wenn die Organisation erfährt, dass Jodie jetzt für das FBI arbeitet, werden sie sicher nicht untätig werden.“ „Und deswegen müssen Sie ruhig bleiben. Wenn Jodie tatsächlich zu ihrem Ziel werden sollte, braucht es jemanden, der auf sie aufpassen kann.“ Jodie schluckte. Ja, sie hatte natürlich bemerkt, dass sie beobachtet wurde, doch sie hatte es die ganze Zeit über auf ihren Partner geschoben. Es machte auch Sinn und er hatte ihr schließlich auch die Wahrheit eröffnet. Aber jetzt bestand auch noch die Möglichkeit, dass sie selbst im Visier dieser ominösen Organisation geriet. Doch was hieß das für ihre Mutter? War sie nun auch in Gefahr? Waren sie und ihre Mutter vielleicht schon lange in ihrem Visier? Oder war alles nur ein Zufall? Wurden sie deswegen so lange vom FBI beschützt und gefördert? War James vielleicht sogar nur deswegen mit ihrer Mutter zusammen, um auch weiterhin ein Auge auf Jodie werfen zu können? Sofort schüttelte Jodie den Kopf. Sie wollte das nicht glauben. „Und was hast du jetzt mit dem neuen Wissen vor?“ „Ich…ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“ „Mach dir nicht zu viel Gedanken darum“, fing Akai an. „Gegen diese Organisation dürfen nur erfahrene Agenten ermitteln, das heißt, wir Beide müssen noch viel mehr Fälle bearbeiten und für das FBI die Agenten erster Wahl werden. Erst dann lassen sie uns die alten Fälle aufrollen“, fügte er hinzu. „Sobald es möglich ist, werde ich dich bei deiner Suche nach dem Mörder deines Vaters unterstützen. Du kannst mir vertrauen.“ Und Jodie glaubte ihm. Sie war sich sogar sicher, dass er ihr helfen würde, wenn er nur die Möglichkeit dazu bekam. Aber wie sollten sie es hinbekommen? Wenn tatsächlich nur erfahrene Agenten gegen die Organisation ermitteln durften, waren sie erst einmal aus dem Rennen. Und was würde passieren, wenn man Akai dafür auserwählte und sie nicht? Würde ihre Partnerschaft abrupt enden oder würde man auch ihr eine Chance geben? Jodie öffnete die Augen. Es brachte nichts, wenn sie über alles grübelte und nur die theoretischen Aspekte im Auge behielt. Die junge Agentin seufzte leise auf und stand auf. Sie ging in den Flur und zog das Handy aus der Handtasche. Sofort tippte sie eine Nachricht an ihre Mutter und schickte diese ab. Es dauerte nicht lange bis sich ihre Mutter zurück meldete. Wie Jodie erwartet hatte, war Angela zu Hause. Dann kann ich mit ihr in Ruhe über James reden, sagte sich Jodie und machte sich mit einem Lächeln auf den Lippen auf den Weg zu ihrem alten zu Hause. Sie war sogar froh, als sie endlich dort ankam. Immer wieder geisterte in ihrem Kopf herum, dass sie von einer geheimen Organisation beobachtet wurde. Sie kannte weder ihre Mitglieder noch deren Aussehen. Aus diesem Grund hatte sich Jodie auch während des ganzen Weges umgesehen und verfolgt gefühlt. Als Jodie an der Haustür klingelte, hoffte sie, dass Gefühl ihres Verfolgungswahns enden würde. Es dauerte nicht lange bis ihre Mutter die Tür öffnete. „Jodie, schön, dass du gekommen bist.“ „Ich freu mich auch“, entgegnete Jodie. Sie versuchte zwar immer noch regelmäßig am Sonntag zum Essen vorbei zu kommen, doch manchmal ließ es ihre Arbeitszeit nicht zu. Sie trat ein und umarmte ihre Mutter. „Macht dir die Arbeit immer noch Spaß?“ „Ja, sehr“, nickte Jodie und zog sich die Schuhe und die Jacke aus. Ihre Jacke hing sie an die Garderobe und nahm ihre Tasche. „Du hast nicht zufällig Abendessen gekocht?“ Angela schmunzelte. „Zufällig hab ich das. Komm doch schon in die Küche. James deckt bereits den Tisch.“ „James“, murmelte Jodie leise. Damit konnte sie sich von ihren Plänen verabschieden. Statt mit ihrer Mutter über James zu sprechen, würde sie einfach eine gute Miene machen. „Ich verstehe.“ „Ist das ein Problem für dich?“, wollte Angela wissen. „Ich weiß ja, ihr seht euch schon oft im Büro…“ „Ist schon in Ordnung“, entgegnete Jodie ruhig. „So oft sehen wir uns gar nicht“, fügte sie hinzu. „Ich muss wieder an den Herd, sonst brennt das Essen an“, sagte Angela und ging in die Küche. „Jodie ist da.“ James nickte und sah dann zu der Agentin. „Wenn ich gewusst hätte, dass du heute herkommst, hätte ich dich nach der Arbeit mitgenommen.“ Jodie setzte sich an den Tisch. „Als ich Feierabend gemacht hab, wusste ich noch gar nicht, dass ich Mom besuchen will. Das war eine spontane Eingebung.“ „Ich verstehe“, gab James von sich und setzte sich. Angela trat an den Herd und nahm das Essen runter. „Es ist schön, dass ich meine zwei Lieblingsmenschen jetzt hier hab. Wir müssen wirklich häufiger zusammen Zeit verbringen.“ Jodie tat sich damit schwer ihr Gesicht nicht zu verziehen. Eigentlich hatte sie James gemocht, doch mittlerweile war sie sich nicht sicher, welche Ziele er mit allem verfolgte. Wieso spielte er ihr gegenüber nicht mit offenen Karten? „Die Arbeitszeit wird es uns nicht einfacher machen“, begann Jodie ruhig. „Jetzt arbeiten wir ja alle im Schichtdienst. Ich werde sicherlich nicht an jedem Sonntag herkommen können.“ „Ja, das stimmt“, nickte Angela und stellte die Töpfe auf den Tisch. „Greift zu und lasst es euch schmecken.“ Sie setzte sich und wartete, bis jeder etwas auf dem Teller hatte. „Jetzt erzähl mal, Jodie, wie ist es so mit James als Chef?“ Jodie zuckte mit den Schultern. „So viel Kontakt haben wir im Büro gar nicht. Meistens bring ich nur Akten vorbei.“ Sie stocherte in ihrem Essen. „Und ich versuche auch James möglichst aus dem Weg zu gehen, damit so wenig Kollegen wie möglich erfahren, in welcher Verbindung wir stehen. Es ist eh schon schwer als Dads Tochter dort zu arbeiten…mit James im Nacken würde es nicht einfacher werden. Allerdings musste ich feststellen, dass nicht alle Kollegen wussten, wer mein Vater ist.“ Angela nickte verstehend. „Es freut mich, dass dir die Vergangenheit keine Probleme bereitet. Und wie geht es mit deinem Partner voran? Du hattest erzählt, dass es am Anfang nicht so einfach mit ihm war.“ „Mhm?“ James wurde hellhörig. „Ach ja? Stimmt das?“ „Wir brauchten eben Zeit um einander kennen zu lernen“, sagte Jodie. „Er hat natürlich gewusst, dass Dad auch beim FBI war und war dementsprechend mir gegenüber auch vorsichtig. Vielleicht wusste er sogar, dass James hier ein- und ausgeht und nahm daher an, dass ich vom FBI bevorzugt wurde. Ich denke, wir sind jetzt gut miteinander warm geworden und arbeiten auch als Team zusammen. Unseren ersten Fall haben wir auch schon zusammen gemeistert.“ „Ja? James, das hast du mir gar nicht erzählt.“ „Ich wollte dich nicht beunruhigen und ich dachte, dass dir Jodie selbst davon erzählen will“, antwortete der ältere Agent. „So viel konnte ich gar nicht bei meinem ersten Fall machen. Kaum dass er anfing, war er auch schon vorbei. Das gute ist, dass ich jetzt öfters aktiv mitarbeiten kann.“ Jodie sah den besorgten Blick ihrer Mutter. „Mom, mach dir keine Sorgen um mich. Ich weiß was ich tu und mein Partner passt auch auf mich auf. Mir wird nicht das gleiche passieren wie Dad.“ „Das weiß ich doch“, murmelte Angela. „Ach, Mom…ich werde bestimmt nicht im Einsatz sterben. Ich weiß doch, was du wegen Dad durchgemacht hast. Das werde ich dir nicht antun. Und…“ Jodie sah zu James. „James wird bestimmt auch darauf achten, dass mir nichts passiert.“ „Aber natürlich“, entgegnete der Agent. „Jeder Agent sammelt zuerst Erfahrungen, ehe er an einem gefährlichen Einsatz teilnehmen kann. Außerdem achtet der Partner auch auf einen.“ „Und wenn…“, sprach Angela leise. „Also wenn…es jemanden gibt, der…noch eine Rechnung mit…“ Jodie sah in ihr Essen. „Dad hat viele Verbrecher hinter Gittern gebracht“, entgegnete sie ruhig. „Bestimmt gibt es den ein oder anderen, der mit ihm noch eine Rechnung offen hat und Rache an ihm nehmen will…aber…auch wenn ich nicht zum FBI gegangen wäre, hätte ich in ihr Visier geraten können.“ In ihr Visier? James runzelte nachdenklich die Stirn. Weiß sie etwas? Angela schluckte. „Ich will dich nicht verlieren.“ „Ach Mom…“, Jodie seufzte leise auf. „Lasst uns doch das Thema wechseln“, schlug James vor und sah in die Runde. „Wir könnten doch nächste Woche gemeinsam Essen gehen.“ „Ja, warum nicht“, gab Angela von sich. „Oder Jodie kocht für uns.“ Jodie sah irritiert zu den Anwesenden. „Wenn ihr wollt, dass ich euch vergifte…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)