Orientierte Offenbarung von Varlet ================================================================================ Kapitel 3: Einweisung --------------------- Obwohl Jodie der Weg zum Büro sehr lang vorkam, hatte sich ihre Nervosität immer noch nicht gelegt. Je mehr Zeit sie auf der Straße oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln verbrachte, desto schlimmer wurde es, da sie erneut alle verschiedenen Szenarien zu ihrem ersten Tag vor Augen hatte. Entweder es würde ein ruhiger Tag werden, was hieß, dass es eine Belehrung und Einweisung gab, danach den Rundgang durch das Gebäude und am Ende würde sie endlich ihrem neuen Partner vorgestellt werden. Anschließend würde sie nur am Schreibtisch sitzen, Dokumente lesen und Unterlagen wegsortieren. Oder aber es würde chaotisch werden und sie würde nicht einmal fünf Minuten zum verschnaufen haben. Vielleicht bekam sie sogar direkt ihren ersten Auftrag und musste sich eingestehen, dass die Arbeit beim FBI nichts für sie war. Auch wenn Jodie normalerweise keine Probleme mit Druck hatte und auch in jeder Stresssituation einen kühlen Kopf bewahren konnte, kam sie nicht umher, sich nun ihr Versagen vorzustellen. Außerdem gab es auch noch gewisse Erwartungen in die Tochter von Agent Starling, was hieß, dass es nicht einfach für sie werden würde. Aber Jodie wusste ganz genau was sie wollte und dieses Ziel durfte sie nicht aus den Augen verlieren. Sie musste alles in ihrer Macht stehende tun, um den Tod ihres Vaters aufzuklären, zu rächen und um seinen Mörder hinter Gittern zu bringen. Natürlich wusste die junge Agentin, dass es nicht einfach werden würde und dass sie noch einen langen Weg vor sich hatte. Auf ihren Partner war sie schon sehr gespannt gewesen. Selbst James hatte ihr bisher nur wenig zu ihm erzählt. So wusste sie nicht, ob der Agent älter war und ob er bereits mit ihrem Vater zusammen gearbeitet hatte oder ob es ein eher jüngerer Kollege werden würde. Vielleicht kannte er sogar den Fall an dem ihr Vater gearbeitet hatte und vielleicht war es auch sein Ziel, diesen Fall endlich aufzuklären. Oder würde er stattdessen ihre Ziele als jugendlichen Leichtsinn abfertigen? Vielleicht würde er sie auch nur auf ihre Herkunft reduzieren. Vielleicht würde sie sogar für einige Tage oder gar Wochen noch den Welpenschutz genießen. Andererseits wollte sie auch nicht, dass sie unnötig geschont wurde oder von ihm für die Drecksarbeit, wie Recherche oder Ablage, benutzt wurde. Doch schon sehr bald würden Jodies Fragen geklärt werden. Sobald sie das Gebäude betrat, reihte sie sich in der Schlange der Agenten ein. Es war normal, dass sowohl Besucher als auch Agenten bei ihrer Ankunft im Gebäude sicherheitshalber durchleuchtet wurden. Ziel war es zu verhindern, dass Besucher Waffen mitbrachten und Agenten gefährdeten oder Agenten, die außerhalb bedroht wurden, Kollegen in Gefahr brachten. Jodie beobachtete was ihre Vorgänger taten und als sie an der Reihe war, zog sie die Jacke aus und legte diese zusammen mit ihrer Tasche in die kleine Transportbox. Während sie im Dienst sein würde, wollte sie auf Schmuck verzichten. Lange Ohrringe, Ketten, Armbänder und sogar Ringe konnten ein Sicherheitsrisiko darstellen, wenn ein Verdächtiger oder Täter diese zu fassen bekam. Ein Ring konnte zudem auf die private Situation und eine gewisse Verletzlichkeit hindeuten. Ihren Ausweis – den ihr Black bereits vor einigen Tagen mitgebracht hatte – hielt sie fest in der Hand, während der Sicherheitsmann einen Knopf betätigte und die Box in den Scanner rollte. Anschließend zog Jodie ihren Ausweis durch das Lesegerät und wartete. „Alles klar, Agent Starling“, fing der Sicherheitsmann an und starrte auf den Bildschirm. „Sie können jetzt weiter gehen. Bitte strecken Sie die Arme aus und spreizen die Beine. Sobald Sie einen Ton vernehmen, können Sie weitergehen.“ Jodie nickte und betrat den Metalldetektor. Wie gefordert streckte sie die Arme aus und spreizte die Beine, während das Gerät die Aufnahme machte. Als sie den Ton hörte, ging sie weiter. Der Sicherheitsmann sah erneut auf den Bildschirm. „In Ordnung, das war es auch schon, Agent Starling“, sagte er. „Sie können Ihre Sachen jetzt wieder an sich nehmen.“ Er lächelte. „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag.“ „Danke“, kam es von Jodie und sie zog sich die Jacke wieder an. Danach nahm sie ihre Tasche und war froh, dass sie nicht mit einem Spitznamen wie Starling junior, mini Starling oder kleine Starling betitelt wurde. Aber vielleicht kannte der Sicherheitsmann ihren Vater auch nicht. Jodie musterte ihn interessiert. Ob er auch erst vor kurzem seinen ersten Tag hatte? Oder gingen täglich so viele Agenten ein und aus, dass er sich nicht alle Namen und Gesichter merken konnte? Aber Jodie würde sich vermutlich immer an ihn erinnern, wenn sie an ihren ersten Arbeitstag zurückdenken würde. Und bestimmt hätte sie sich bis dahin auch an die ständigen Kontrollen gewöhnt. Wie Jodie von James wusste, musste man diese auch dann überwinden, wenn man nur mal kurz nach draußen ging. Aber wie hieß es so schön: Sicherheit geht vor. Die junge Agentin schmunzelte und ging zu den Fahrstühlen. Außer ihr stiegen noch andere Agenten ein, doch sie war die einzige Person, die laut James, in der 15. Etage aussteigen musste. Nachdem sich die Aufzugstüren öffneten, stieg Jodie aus. Sie las die Namensschilder an der Tür und ging weiter. Je näher sie dem Raum des Direktors kam, desto schneller schlug ihr Herz. Es waren nur noch wenige Sekunden und… Jodie stockte als sie die anderen beiden Personen vor der Tür sah. Waren das auch Neulinge? Oder handelte es sich um Agenten? War einer von ihnen vielleicht ihr Partner? Oder wurde sie vielleicht Beiden zugeteilt? Irritiert blickte Jodie die Fremden an. „Guten Morgen“, fing sie an. „Guten Morgen“, antwortete die junge Frau. „Morgen“, gab der Ältere von sich. Jodie war zwar nicht schüchtern, aber sie hatte Hemmungen wieder das Wort zu ergreifen. Den anderen Beiden schien es ähnlich zu gehen und Jodie war froh, dass die Stille durchbrochen wurde, als die Tür zum Büro endlich aufging. Der ältere Agent sah auf die drei Neulinge. „Guten Morgen“, begrüßte er die Drei. „Schön, dass Sie bei uns sind, kommen Sie doch bitte rein und nehmen Platz“, fügte er hinzu und ging in sein Büro. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und wartete bis sich auch seine Gäste setzten. „Ich kann Sie beruhigen, meine Ansprache wird nicht allzu lange dauern, schließlich möchten Sie alle noch heute an Ihren Arbeitsplatz und Ihren Partner kennenlernen. Sie alle haben einen sehr langen Weg auf sich genommen, um hier anfangen zu können, aber stellen Sie es sich nicht zu einfach vor. Es hat gerade erst angefangen und sie werden nicht geschont. Denken Sie immer daran, dass Sie auch während Ihrer Probezeit Leistung bringen müssen. Bringen Sie diese nicht oder sind wir der Meinung, dass Sie für uns nicht mehr tragbar sind, werden wir uns leider von Ihnen trennen müssen. Bevor es jedoch soweit ist, werden Sie von Ihrem Partner die entsprechenden Hinweise erhalten.“ Er runzelte die Stirn. „Wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich nicht nur in den nächsten Monaten anstrengen, sondern auch darüber hinaus immer Leistung erbringen werden. Scheuen Sie sich nicht davor, Fragen zu stellen. Fragen sind wichtig und wenn Sie diese zu spät stellen, haben Sie unter Umständen schon sehr bald ein Problem. In den nächsten Monaten werden Sie nicht nur von Ihrem Partner und anderen Agenten beobachtet werden, Sie werden auch Ihre ersten eigenen Fälle bearbeiten und im aktiven Dienst tätig werden. Zeigen Sie uns, was Sie können, aber seien Sie weder nachlässig noch handeln Sie zu sehr nach Lehrbuch. Ab heute ist die ganze Welt Ihr Lehrbuch und Sie werden lernen, was es heißt eigenständige Entscheidungen zu treffen. Selbstverständlich werden Sie auch Fehler machen, aber das gehört zu Ihrem Lernprozess dazu. Glauben Sie nicht, dass jeder Agent von Anfang an perfekt war. Auch Ihr Partner hat in der Vergangenheit mindestens einen Fehler gemacht.“ Der Direktor räusperte sich. „Wie dem auch sei, ich bringe Sie jetzt zu Ihren Partnern. Haben Sie noch Fragen?“ Die drei Agenten sahen einander an. „Nein, Sir“, antwortete einer. „Gut“, gab der Ältere von sich und stand auf. Zusammen mit den Neulingen verließ er sein Büro und brachte jeden nacheinander zu seinem Partner. Als Jodie an der Reihe war, blickte er sie an und musterte sie. „Agent Starling“, fing er an. „Es freut mich, dass wir Sie bei uns im Team haben. Wir haben gehofft, dass Sie eines Tages unser Team bereichern werden und sind schon sehr auf Ihre Fähigkeiten gespannt. Agent Black spricht immer sehr gut von Ihnen.“ Machen Sie mir bloß keinen Druck, sagte sich Jodie. Dennoch lächelte sie. „Ich hoffe, ich enttäusche Sie nicht.“ „Bestimmt nicht“, entgegnete der Mann ruhig. „Wir haben uns die Entscheidung über Ihren Partner nicht leicht gemacht, aber ich denke, Sie werden sich sicher mit Agent Akai gut verstehen.“ „Agent Akai“, murmelte Jodie leise, als der Direktor an die Tür klopfte. Wieder schlug Jodies Herz höher und als die Tür des Büros aufging, traute sie ihren Augen nicht. „Sir“, begann Akai und sah anschließend zu Jodie. „Passen Sie gut auf Agent Starling auf, Agent Akai.“ „Natürlich“, nickte Shuichi. „Ich werde Ihre Erwartungen nicht enttäuschen.“ Der Direktor lächelte und verabschiedete sich. Jodie sah ihm nach und blickte anschließend zu Shuichi. „Komm doch rein“, sagte er und ging zu seinem Schreibtisch. „Und schließ die Tür.“ Jodie schluckte, folgte ihm rein und schloss die Tür. Sie blickte auf die beiden Schreibtische im Raum und ging auf ihren zu. Langsam strich sie mit den Fingerspitzen über die leere Arbeitsfläche und lächelte. „Auf deinem Tisch findest du einen Ordner mit den Log-in Daten für den Computer, wichtige Telefonnummern, die Raumpläne und Passwörter für unsere Software sowie das Archiv. Nachdem du dich das erste Mal damit angemeldet hast, musst du ein neues Passwort vergeben. Wenn du mit der IT Probleme hast, kannst du den IT-Administrator informieren, er kümmerte sich zeitnah darum. Dein Diensthandy liegt in der Schublade, hab es immer an und sei immer erreichbar. Nachtdient ist auch während deiner Probezeit nicht ausgeschlossen. Gewöhn dich daran, dass ich auch außerhalb der Arbeitszeiten anrufen könnte. Wenn ich sage spring, springst du. Du stellst keine Fragen und stellst meine Autorität nicht in Frage“, erklärte Akai. „An deinen ersten Tagen lasse ich dich noch nicht am aktiven Dienst teilnehmen. Auf dem Server findest du ein paar Unterlagen zu Standardübungen, lies sie dir durch. Wenn du dein Wissen auffrischen musst, sag es mir frühzeitig. Ich möchte nicht, dass du mich behinderst, weil du starr vor Angst bist. Bevor ich dich aktiv einen Fall bearbeiten lasse, schaue ich mir deine Fähigkeiten an. Sei immer dazu bereit, ich werde dich nämlich nicht vorwarnen. Hast du dazu fragen?“ Jodie war wie vor den Kopf gestoßen. Ihr Partner schien nicht älter zu sein als sie, aber scheinbar besaß er bereits viel mehr Erfahrung. Und er hatte sich einen Plan zurecht gelegt, was sie alles tun sollte, oder nicht tun sollte. „N…noch nicht…“, murmelte sie leise. „Das kommt…sicher noch.“ Shuichi nickte verstehend und widmete sich wieder seinen Unterlagen. „Sag mal…“, kam es von Jodie. „Mhm?“ Akai sah wieder auf. „Du hast mich in der letzten Woche beobachtet, nicht wahr?“ „Wie kommst du darauf?“, wollte Shuichi wissen. „Anfang der letzten Woche sind wir im Café ineinander gelaufen und ich bekam den Kaffee ab, während du mich kaum angesehen hast und nur entschuldigend rausgelaufen bist. Danach hast du mir den Parkplatz vor dem Supermarkt weggenommen und mich im Supermarkt so komisch angesehen“, antwortete Jodie. „In den nächsten Tagen hab ich dich zwar nicht gesehen, aber gemerkt, dass mich jemand beobachtet. Sei ehrlich, das warst doch du.“ Akai schmunzelte. „Du hast mich soeben positiv überrascht“, gab er von sich. „Nachdem ich wusste, wer mein neuer Partner wird, habe ich mich über dich informiert. Dein Vater war auch FBI Agent und ich kann niemanden gebrauchen, der mich in meiner Arbeit behindert und mir im Weg steht, nur weil er sich auf seinen Namen ausruht. Deswegen habe ich mir erlaubt, deine Reaktionen zu testen. Aber bilde dir nicht zu viel darauf ein. Diese wenigen Momente sind noch nicht aussagekräftig genug.“ „Ich verstehe“, murmelte Jodie. „Mach dir keine Gedanken, ich habe nicht vor, dich in deiner Arbeit zu behindern, denn auch ich habe ein Ziel.“ „Den Mörder deines Vaters finden.“ Jodie öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. „Selbstverständlich habe ich mich auch mit deinen Bewerbungsunterlagen auseinander gesetzt, aber auch ohne diese, war mir dein Ziel schon lange klar. Keine Sorge, ich verurteile dich nicht deswegen. Bei deiner Familiengeschichte ist dein Ziel sehr verständlich, ich hoffe aber, du hast dir überlegt, was du machen willst, wenn du es erreicht hast.“ Jodie schluckte. „Ich gehöre zum FBI, egal was passiert.“ Akai beobachtete sie. „Damit kann ich arbeiten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)