Break to Breathe von _Scatach_ ================================================================================ Kapitel 47: I wasn't hiding --------------------------- „Du bringst einen Hund ins Spiel.“   Shikamaru hob nicht den Blick; seine Augen blieben starr auf die Risse auf dem Bürgersteig fixiert, obwohl er nur zu gut wusste, dass sich der Boden nicht öffnen würde, völlig egal, wie hart er ihn anstierte.   „Funktioniert jedes Mal.“, fügte Asuma noch mit einem schiefen Lächeln hinzu, das aber nicht die Besorgnis in seinen Augen verschleiern konnte. „Laut Kakashi.“   „Schätze mal, dass er nicht unrecht hatte.“, krächzte Shikamaru mit dem Blick weiterhin nach unten gerichtet.   „Ja und ich würde mir wünschen, dass ich ihm nicht sagen muss, dass er recht hatte.“   Shikamaru zuckte innerlich zusammen.    Der Ninjahund bellte und seine Krallen kratzten über die Pflastersteine, als er den Weg zurück tapste; ganz offensichtlich sehr zufrieden mit sich selbst. Shikamaru beobachtete Asumas Schatten, als der Jōnin eine Hand hob und nach hinten winkte. Weiter die Straße hinunter salutierte eine silhouettenhafte Gestalt mit einem schmalen Buch, bevor sie verschwand und der Ninken hinterher trottete.   Shikamaru zählte die Sekunden, bis das Klacken der Hundekrallen verhallt war.    Und dann wurde die Welt in eine angespannte Stille getaucht.    Erneut musterte er Asumas Schatten und bemerkte die deutliche Abwesenheit der Zigarette, die normalerweise wie ein unumstößlicher Bestandteil von den Lippen seines Senseis hing. Wenn das nicht schon genug aussagen würde, dann konnte er bereits spüren, wie sich die Augen des Jōnins wie die glühenden Enden von Zigaretten in ihn brannten.    „Ich schätze mal, dass ich endlich sagen kann, dass ich dich geschlagen habe.“, murmelte Asuma und sein tiefer Bariton wurde mit dem Hauch von Humor etwas lockerer; dazu gedacht, Shikamarus Blick auf sich zu ziehen. „Aber ich würde Shogi einem Versteckspiel jeden Tag vorziehen.“   Shikamarus Inneres verdrehte sich zu einem schuldbewussten Knoten; die Art, die sich wie ein Stacheldraht anfühlte, der die Konfrontation mit Hiashi geradezu schmerzlos erscheinen ließ. Diese Art von Schuld war Übelkeit erregend; die Art, die so viel schwieriger zu lösen war. Er zwang die Zahnräder seines Verstandes dazu anzuhalten, um das unmittelbare Durchdrehen zu einem ‚Zehn Schritte voraus‘-Versuch, diese Situation zu meiden, zu verhindern.    Er konnte sie nicht vermeiden.    Und selbst wenn er es gewollt hätte, er hatte nicht die Energie dazu – oder das Herz.    Während er sich ein wenig drehte, spähte der Schattenninja weiter zur Seite, um auf den blassen Bürgersteig zu starren, der ebenso abgenutzt wirkte wie jede mentale Richtung, die er vielleicht nach einem Ausweg abgesucht hätte.    „Ich habe mich nicht versteckt…“, murmelte er.   Er sah nicht, wie Asumas Augen flackerten und sich dann angesichts der Erinnerung weiteten, die diese Worte hervor riefen.    ~ Flashback: Zehn Jahre zuvor ~   Er versteckte sich nicht.   Nicht wirklich.    Er benahm sich intrigant – Shinobi Stil – subtil und unauffällig in den Schatten.    Ja klar…   Asuma seufzte und seine Lippen formten sich zu einem Fluch, der unausgesprochen mit dem Strom von Zigarettenrauch mit wirbelte. Er war zwanzig Jahre alt und versteckte sich vor seinem Dad wie ein Kind, das ein paar Ohrfeigen riskierte. Er würde das seinem alten Herrn auch durchaus zutrauen, doch das Schweigen seines Vaters war normalerweise schmerzhafter in seinen Ohren als irgendwelche tadelnden Gesten oder Worte.    Denn dieses Schweigen schien immer von Enttäuschung erfüllt zu sein.    Asuma verzog das Gesicht und kratzte sich über seinen stoppeligen Kiefer.    Was zur Hölle will er eigentlich von mir? Warum zur Hölle ist es niemals genug?   Er zog erneut an der Zigarette und hielt den Atem an, bis die wolkige Luft in seinen Lungen brannte. Langsam lehnte er sich zurück gegen den hölzernen Zaun und die Latten knackten wie steife Glieder. Der wackelige Zaun umgrenzte einen stark renovierungsbedürftigen Spielplatz.   Scheinbar so wie meine Attitüde…   Er atmete eine wolkenartige Rauchfahne zu dem ‚Rauchen verboten‘ Schild hinauf, das in das Holz neben seinem Kopf genagelt war. Keine direkten Antworten von seinem Vater zu bekommen brachte ihn immer dazu, seine eigenen Schlüsse über das zu ziehen, was zur Hölle er wohl falsch gemacht hatte – was vermutlich ein mehr als bewusster Schachzug war, den sein alter Herr immer wieder machte, um Asuma dazu zu bringen, sich öfter selbstbeobachtend zu verhalten.    Scheiß drauf…   Während er sich nach vorn lehnte, breitete der junge Sarutobi eine Karte auf dem Boden vor sich aus. Er entfaltete sie mit einer weitschweifenden und resoluten Geste und hielt sie mit seinen Handflächen fest.    Freiheit. Möglichkeiten.   Sein Blick wanderte über den großen Atlas und er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.    Ich bin es leid, niedergemacht zu werden…   Schnaubend entließ er zwei Rauchströme aus seiner Nase, bevor er einen weiteren langen und meditativen Zug nahm und seine Schachtel hervor fischte, während er entschlossen nickte.    „Ich verschwinde hier…“, murrte er um seinen Glimmstengel herum.    „Sie werden dich fangen.“   Asuma zuckte so heftig zusammen, dass die Bewegung dafür sorgte, dass sich die Karte wieder auf- und der Rauch mit einem erschreckten Keuchen aus ihm rollte. In einem schuldbewussten Reflex pfefferte er die Zigarettenschachtel von sich und klopfte sich mit der Faust gegen die Brust, als er abgehackt hustete. Seine Augen tränten und er blinzelte heftig, bis seine Umgebung wieder zurück in seinen Fokus ruckte.    Sein Blick traf auf ein Paar halb geschlossener brauner Augen, die mit abgestumpften Interesse nach oben starrten.    Auf keinen Fall. Ein Kind hat es geschafft, sich an mich anzuschleichen?   Das Erste, was ihn traf, war die Tatsache, dass er eigentlich das Haar des Kindes hätte bemerken müssen, wie es an seiner Peripherie durch den Rauch schnitt, lange bevor der Junge so nahe an ihn heran gekommen war.    „Du bist nicht besonders gut darin, dich zu verstecken.“, bemerkte der Kleine geradeheraus.    Asuma starrte für einen Moment benommen vor sich hin und seine Zigarette hing ihm von den Lippen. „Was?“   Der Junge mit der Ananas-Frisur nickte mit dem Kinn zu der Zigarette.    „Dein Rauch zieht über den Zaun…und du hast eine Spur hinterlassen…“   „Huh?“   Ohne seine Hände aus den Taschen zu befreien, neigte das Kind seinen Kopf zu den zahllosen Zigarettenstummeln, die auf dem Pfad zurück verteilt lagen.   Asuma lehnte sich von dem Zaun fort und folgte dem Blick des Jungen.    Scheiße…   Der Kleine sah wieder zu ihm und seine halb geschlossenen Augen verengten sich spekulativ. „Folglich…bist du nicht besonders gut darin, dich zu verstecken.“   Asuma lümmelte sich mit einem Schnauben wieder zurück gegen die Holzlatten und fühlte sich aus irgendeinem Grund viel ausgedrückter an als es seiner Zigarette vermutlich in einer Minute ergehen würde.    „Ich äh…habe mich nicht versteckt.“, kam seine grummelige und unglaublich lahme Antwort.    „Doch, das hast du…“, bestand das Kind, beobachtete die Rauchfahne und rümpfte die Nase gegen die beißenden Schwaden. „Und Rauchen ist dämlich.“   „Genauso, wie sich an einen gefährlichen Shinobi anzuschleichen.“   „Du bist kein gefährlicher Shinobi.“   „Woher willst du das wissen?“   „Wenn du ein gefährlicher Shinobi wärst, dann hättest du mich kommen sehen.“   Asuma starrte ihn für einen Moment ungläubig an.   Klugscheißer.   Wie alt war der Dreikäsehoch überhaupt? Sieben?   Der Sarutobi schürzte die Lippen um seine Zigarette herum, als er darüber nachdachte, wie idiotisch es war, ein Kind zu einem intellektuellen Gegner zu machen. Er schmunzelte leicht; widerwillig amüsiert. Das Kind jedoch hielt seinen Halbmast Blick bei, als wollte er unterstreichen, wie unglaublich gelangweilt er von dieser Interaktion war. Asuma hätte es ihm vielleicht sogar abgekauft, aber der Junge wollte ja offensichtlich auch nicht gehen. Tatsächlich trat das Kind mit einem faulen Schlurfen noch näher und nickte zu dem Zaun.    „Ein gefährlicher Shinobi wäre sich auch bewusst, wenn er dabei ist, Ärger zu bekommen.“   „Du versetzt mich nicht gerade in Todesangst, Kleiner.“   „Du rauchst unter einem ‚Rauchen verboten‘ Schild.“   Der Sarutobi grunzte aufgrund dieser arglosen Beobachtung, dachte sich aber auch, dass er in Gesellschaft eines Kindes zumindest ein paar Skrupel wiederbeleben sollte. Achselzuckend nahm er die Zigarette von seinen Lippen und schnippte sie gegen den Zaun.    „Zufrieden?“, murrte er und musterte das Symbol auf dem Ärmel des Shirts, das der Junge trug. „Nara, huh?“   Das Kind nickte. „Ich bin Nara Shikamaru und wer auch immer du bist; du wirst Ärger bekommen.“   Asuma blinzelte und legte argwöhnisch die Stirn in Falten. „Achja? Bist du ein kleiner Möchtegernninja, den der Hokage geschickt hat, um mir hinterher zu schnüffeln oder sowas in der Art?“   Shikamaru hob für jemanden, der noch so jung war, in einer amüsant trockenen Geste eine Braue. „Nein, ich bin gekommen, um die Wolken zu beobachten.“   „Da sind doch aber gar keine…“, bemerkte Asuma und linste himmelwärts zu der Leinwand aus klarem Blau, auf dem kaum der Hauch von Weiß zu finden war.    „Doch, da waren welche.“, erwiderte Shikamaru und nickte zu der weggeworfenen Zigarettenschachtel.    Asuma spähte zur Seite auf seine aufgegebenen Rauchmöglichkeiten, widerstand aber dem besitzergreifenden Drang, sie sich wieder zu holen. Er würde sie später retten. Langsam wandte er sich wieder dem Nara Jungen zu und hob fragend seine Augenbrauen.    Der faul verschleierte Blick zuckte fort, als Shikamaru ihn stirnrunzelnd über die unebene Maserung des Holzes wandern ließ. „Ich weiß, dass es nicht echt ist…aber…der Rauch sieht aus wie Wolken…“   Asuma schmunzelte leicht und legte den Kopf schief, um die Aufmerksamkeit des Jungen auf sich zu lenken. „Du magst also Wolken, huh?“   Shikamaru nickte und sein kleiner Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Sie sind das Beste.“   „Jo, ich schätze mal, sie sind wirklich ziemlich cool.“   „Rauchen ist nicht cool.“, sagte Shikamaru und trottete an Asuma vorbei zu dem verlassenen Päckchen Zigaretten. „Es ist lästig.“   Asuma warf seinen Arm nach außen und streckte sich mehr oder weniger auf dem Boden aus, um die Schachtel zu packen zu bekommen, bevor sie in den Besitz oder vielleicht auch eher Konfiszierung des Jungen übergehen konnte. Shikamaru hielt inne und bedachte ihn mit einer Art wachsamen Blick, den man normalerweise vermutlich einem unberechenbaren Betrunkenen zugeworfen hätte. Sofort richtete sich Asuma wieder zu etwas auf, das etwas präsentabler wirkte; nicht, dass er versuchte, den Kleinen zu beeindrucken. Scheiße, mit seinen Zigaretten in der Hand und dem Plan abzuhauen in Arbeit, war er ein 1A-Vorführbeispiel für eine Kampagne über schlechte Vorbilder.    Er drehte seine Zigarettenschachtel in Händen.   Shikamarus Blick folgte der Bewegung. „Es brennt in den Lungen und sticht in den Augen.“   „Jo, aber es ist immer noch meine beste Angewohnheit.“   Für einen langen, gemessenen Moment starrte Shikamaru auf sein Gesicht und runzelte die Stirn. „Du bist komisch.“   Asuma lachte und klopfte sich mit einem schelmischen Schmunzeln die Zigarettenschachtel gegen die Schläfe. „Und allein dafür werde ich jetzt sofort wieder eine rauchen.“   „Das ist dämlich.“   „Darauf kannst du wetten. Lauf lieber weg und rette deine kleinen Lungen.“   Schon wieder hob Shikamaru eine Braue. „Du bist komisch und du wirst Ärger bekommen.“   „Ich bin ein Shinobi von Konoha.“, sagte Asuma mit viel zu viel Stolz für jemanden, der aus seinem Dorf abhauen wollte und warf dem Kind ein wildes Grinsen zu. „Ich kann mich aus dem Ärger herausholen, in den ich mich gebracht habe. Ich habe keine Angst vor Ärger.“   „Deswegen versteckst du dich auch.“   „Klugscheißer. Ich werde trotzdem eine rauchen.“   oOo   Er wünschte sich so sehr, Asuma würde eine dämliche Zigarette anzünden.    Oder irgendetwas sagen.    Shikamaru wich unbewusst einen Schritt zurück; die schlurfende Bewegung war vollkommen ungeplant. Wie diese ganze verdammte Situation. Trotz all seiner hochgepriesenen Fähigkeit, im Voraus denken zu können; er hatte nicht ansatzweise geplant, was er zu Asuma sagen sollte, falls er erwischt wurde. Er war auf alles und jeden vorbereitet, nur nicht hierauf.   Und Asumas Schweigen begann, ihn auf eine Weise zu beunruhigen, wie es nicht einmal bei Hiashi der Fall gewesen war.    Denn egal wie wenig Shikamaru darauf gab, was die Leute von ihm dachten; diese Faustregel erstreckte sich nicht auf seinen Sensei. Es war ein haarfeiner Riss in seiner desinteressierten Attitüde; der sprichwörtliche Kratzer in seiner Rüstung.    Doch Asuma hatte das niemals ausgenutzt.    Denn obwohl er manipulativ war, um zu motivieren – und es war nicht zu leugnen, dass Asuma Chōji öfter mit einem Barbecue bestochen hatte, als es sein Geldbeutel zuließ – er hatte diese Art Spielchen niemals mit Shikamaru gespielt. Er überließ es den Gelegenheiten an einem Shogibrett, um solche Dinge auf vertrautem Gebiet und mit vertrauten Begrifflichkeiten zu ‚diskutieren‘. Asuma wusste die Sprache des Schattenninjas zu sprechen, weil er sich viel Zeit genommen hatte, sie zu lernen.    Fünfzehn Shogipartien nach ihrem ersten Spiel beherrschte Asuma sie relativ fließend.   An diesem Tag hatte Shikamaru mitten im Spiel inne gehalten, war aufgestanden – und davon gelaufen.    Anders als der Vater des Schattenninjas, der geduldig darauf gewartet hätte, dass sein Sohn einfach zurückkam, war Asuma ihm gefolgt – in gemessenen Abstand und in träger Geschwindigkeit – einfach nur, um sicher zu gehen, dass er in Ordnung war. Sie hatten niemals über diesen Tag gesprochen, aber ab da hatten sich die Dinge verändert.    Und von all den Menschen in seinem Leben, schätzte Shikamaru seinen Sensei in höchstem Maße.    Aus diesem Grund war dieser Moment die Hölle; und sie wurde mit jeder Sekunde heißer.    „Was ist mit deinem Gesicht passiert?“   Achselzuckend blinzelte Shikamaru. „Ich wurde von einem angepissten Vogel bombardiert.“   Eine Lüge, die nahe genug an der Wahrheit war; wenn man bedachte, dass der kranke Vogel ihm wirklich fast die Augen ausgekratzt hatte.    Scheiße, ich muss ihn füttern…muss schauen, ob es ihm gut geht…sicherstellen, dass die Zeltplane nicht…   Shikamaru zuckte zusammen und kehrte schlagartig von seinen Gedanken zurück, als sich eine von Asumas Händen nach seiner Schulter ausstreckte. Die bronzenen Finger erstarrten kurz, bevor sie sich beruhigend nach oben bogen.    Scheiße, reiß dich zusammen.   Shikamaru zwang sich energisch dazu, sich von dieser dämlich schreckhaften Reaktion zu erholen, indem er still dastand, als der Jōnin seinen Daumen in den aufgestellten Kragen seiner Flakjacke hakte und das grüne Gewebe beiseite zog.    Asuma starrte auf seinen Hals.    Dunkle Brauen zogen sich alarmierend über dem steinhart werdenden Braun der Augen des Sarutobi zusammen.   Reflexartig schluckte Shikamaru und sah zur Seite weg.    Als sein Sensei endlich sprach, war seine Stimme tief und leise. „Ziemlich großer Vogel, huh?“   Shikamaru zögerte und sah dabei unglaublich zerrissen aus.    Die sanft formulierten Worte hätten ihn zumindest ein bisschen beruhigen müssen, aber sie zerrten ihn noch weiter aus dem Territorium voller Schwachsinn und stießen ihn hinein in den zerbrochenen Ort, wo all die Bruchstücke von Wahrheit immer noch wie Glasscherben verstreut lagen.    Ich kann diesen Scheiß nicht schon wieder machen…   Physisch wich er noch einen weiteren Schritt zurück, als wollte er diesem Ort entkommen und wenn Asumas Hand nicht auf seine Schulter gefallen wäre, dann wäre er vermutlich noch weiter gegangen.    Langsam und bedächtig atmete Asuma aus. „Ich werde hierfür eine rauchen müssen, oder?“   Shikamaru bemühte sich verzweifelt, einen schwachen Faden von Humor in dem massiven Knoten seiner rohen Nerven zu finden, während er aus den Augenwinkeln zu seinem Sensei spähte. „Ich sollte mich öfter in Ärger hinein manövrieren. Es ist offenbar gut für deine Gesundheit.“   „Das ist es ganz sicher nicht. Ich war schon nah dran, auf Senbons rumzukauen.“   „Hn. Schätze mal, dass das noch dämlicher ist als deine Zigaretten.“   „Ich werde Genma erzählen, dass du das gesagt hast. Und dann werde ich ihn dazu bringen, der Hund zu sein, wenn du das nächste Mal Verstecken spielst.“   Shikamarus Blick glitt zur Seite und er versuchte, das Gesicht zu verziehen, doch die Miene zerbröckelte und seine Stimmbänder fühlten sich an, als würden sie in seiner Kehle rosten. „Ich habe mich nicht versteckt…“, krächzte er noch einmal.    Asuma summte und der Klang war wie begrabener Donner in seiner Brust. „Klar…“   Shikamaru spürte, wie die große Hand auf seiner Schulter zaghaft zudrückte und ihn sanft festhielt, bis er zu seinem Sensei aufsah. Sofort wurde er von der Besorgnis auf den Zügen seines Lehrers entwaffnet und er war kaum in der Lage, den Augenkontakt zu halten wegen all der lästigen Schuldgefühle, die er in ihm hervor rief.    Doch dann lächelte Asuma leicht; ein Schatten seines normalen schelmischen Grinsens.    „Ich werde trotzdem eine rauchen.“   „Hn.“ Shikamarus Mundwinkel zuckte nach oben. „Wie lästig.“   oOo   Stille; das war es, was er jetzt brauchte.    Neji machte das Zentrum seines Geistes zu einer Oberfläche ohne Wellen; glatt und beständig.    Gelassen genug, um zerstreute Gedanken und zersplitterte Gefühle fortwaschen zu lassen…   Und dann beging er dem Fehler, einem davon zu folgen…   Nur eines…ein einziges Gefühl…   Und ein einziges Gefühl war alles, was es brauchte, um die Meditation in eine Erinnerung ausbluten zu lassen…   ‚Neji…‘   Der klare Strom von Nejis Gedanken verdichtete und vernebelte sich zu einem aufwühlenden Kribbeln, das sich tief in seinem Kern sammelte und spiralartig wirbelte.    ‚Warum kann ich dich nicht austreiben?‘   Die Ruhe von Nejis Atmung wich etwas Tieferem; etwas Zerfetztem…und das Bild in seinem Verstand wurde schärfer…stärker…und plötzlich war er nicht mehr der Einzige, der atmete…da war eine erregende rauchartige Empfindung von Atem auf seinen Lippen.    ‚Ich weiß nicht…‘   ‚Sag es mir…‘   ‚Ich...weiß nicht…fuck…‘   ‚Sag es mir, Shikamaru…‘   ‚Gott…nicht…bitte mich nicht…zu denken…‘   Neji spürte das Spielen von Muskeln; schlank und fest, wie sie sich unter dem schimmernden Salz von Haut bewegten, die heiß wie Feuer war…heißer als die Flamme seiner Zunge, als er sie über die Länge einer gezeichneten Kehle wandern ließ; die Sehnen angespannt und zuckend.    ‚Dann denke nicht…antworte einfach nur…‘   Er biss zu, zerrte Farbe in die Haut und presste seine Lippen gegen den Puls. Das Feuer flammte in einem kontrollierten Knoten auf und jagte einen Schauer aus Hitze über seine Wirbelsäule. Shikamarus Atmung wurde tiefer, wurde entzwei gerissen und zog sich selbst in einem Beben wieder zusammen.    ‚…ich weiß nicht…ich will…es nicht wissen…‘   ‚Willst du stattdessen das?‘   Diese dunklen, geschlossenen Augen rollten kurz in den Schädel, bevor sie sich flatternd öffneten und stärker brannten als ihre Körper.   Brennen…brennen…brennen…   Flammen füllten Shikamarus Augen und sein Körper hob sich auf der Hitze…ohne ein einziges Geräusch…ohne sich zu ergeben…da war keine Unterwerfung…kein Nachgeben…so nah daran zu fallen…   ‚Gib dich mir hin, Shikamaru…‘   Nejis Zähne kratzten über den Kiefer des Schattenninjas und die scharfe Neigung wurde hart, presste sich zusammen, bebte vor Zurückhaltung.   ‚Du…zuerst…‘   ‚Nein…‘, schnurrte er tief in das gepiercte Ohr. ‚Diesmal nicht.‘   Und dann brandmarkte er die Haut unter seinem Mund und mit einer wispernden, kaum vorhandenen Berührung traf Shikamarus Körper so intensiv auf seine Erlösung, dass Neji fühlen konnte, wie das Herz des Schattenninjas für die kürzesten Sekunden aufhörte zu schlagen.   Neji versteifte sich.   Die Erinnerung dieses Augenblickes fror ein.    Sie verstärkte sich immer weiter in Nejis Verstand und breitete sich in jede Zelle seines Körpers aus, als würde er sie noch einmal durchleben.   Den Augenblick noch einmal durchleben, als Shikamaru von dieser glühenden Kante taumelte.    Der exakte Moment, als der Puls des Schattenninjas ins Wanken geriet.    Denn genau in diesem Moment…Sekunden bevor Shikamaru wieder seinen Atem erhaschte, fing Neji seinen Tod ein…und er hatte ihn mit einer Sehnsucht festgehalten, die seine Brust angesichts der Erinnerung zusammenzog. Die Erinnerung an den tiefen Wunsch, die tiefe Sehnsucht, in der Lage zu sein, dieses Herz anzuhalten und wieder aufleben zu lassen.    ‚War es der beste Weg, um zu gehen, Shikamaru?‘   Shikamaru hatte nicht mit Worten geantwortet…   GENUG!   Neji riss seinen Verstand heftig von der Erinnerung fort und seine glasigen Augen flogen auf.    Bebend kam er zur Besinnung; seine Haut gerötet und roh und getaucht in einen Schimmer. Selbst das kühle Streicheln der Brise fühlte sich verführerisch an, als hätte sich die Luft wie ein Liebhaber um ihn gelegt. Sie pulsierte und wisperte und klammerte sich in den feuchten Falten seines Yukata an ihn.    Götter, ich kann dich immer noch nicht austreiben…   Neji fuhr sich mit zitternden Fingern durch sein Haar und krallte sie in die dunklen Strähnen, als er darum kämpfte, seine Atmung zu beruhigen und die honigsüße Empfindung schwerer Erregung fort zu zwingen, die sich tief in seinem Inneren und hart in seinem Schritt sammelte.    Verdammt sei das…   Er hatte meditiert, um in die Stille zu entfliehen…nicht, um seinen Körper in ein Fieber zu zerren, das berauscht wurde von der erotischen Droge einer Erinnerung…   So real…   Aber auf der anderen Seite; warum sollte es auch nicht real sein? Es war eine Erinnerung, keine Vorstellung.   Neji seufzte bebend und starrte ausdruckslos in die schwere Dunkelheit seines bescheidenen und traditionell eingerichteten Zimmers. Die schwarzen und milchigen Farbtöne der Nacht spielten über die Fusama Paneele, durchschnitten von einer einzigen Klinge aus Mondlicht, die schräg durch das Fenster fiel.    Es traf auf den Futon, auf dem die Laken knittrig und zerknüllt von seiner Rastlosigkeit lagen.    Genau wie auch sonst alles in mir…   Sich selbst an Schlaf und Stille zu verlieren war niemals so kompliziert gewesen, seit Shikamaru und er aufeinander getroffen waren. Doch die Ironie war, dass er im Auge des Chaos dennoch einen unglaublichen seelenberuhigenden Frieden mit dem anderen Ninja gefunden hatte.    Niemals zuvor war ich auf eine solche Weise entspannt und ruhig…ich glaube nicht, dass ich mich jemals vorher wirklich ausgeruht habe…   Shikamaru hatte ihm diese Erholung und Ruhe gebracht…die tiefe Art, die hinuntersank bis in müde Teile seines Selbst, die sich älter und kälter anfühlten, als es seine achtzehn Jahre hätten zulassen dürfen…   Ja, Shikamaru hatte ihm Ruhe gebracht.    Und jetzt konnte er sie nicht mehr finden.    Und in ihrer Abwesenheit kam die bittere Retrospektive.   Denn trotz all dem Schmerz; Neji konnte den Frieden nicht leugnen.    Und trotz all den Schlägen gegen seinen Stolz; er konnte auch das Vergnügen nicht leugnen.    Er presste die Lider aufeinander und rammte den Kopf hart genug zurück gegen die Wand, um sich von dem steifen Pochen zwischen seinen Beinen und dem grausamen Schmerz in seiner Brust ablenken zu können.    Er konnte Shikamaru beinahe auf seiner Zunge und an seinen Zähnen schmecken.    Das heiße Salz seiner Haut…   Oder waren es seine Tränen?   Nejis Augen öffneten sich und das Feuer in seinem Blut dämmte sich zu einem Schwelen ein, als er an das letzte Mal dachte, als er in diese beschatteten Augen geblickt hatte. Augen, die vernarbt waren wie das bewölkte Schwarz eines rauchigen Quarzes…sich verändernd und kämpfend gegen die Macht dessen, was sie gemeinsam geschmiedet hatten…eine Begierde, die einen Stich in Nejis Brust trieb, der so scharf war, dass Neji nach unten sah, als erwartete er, eine Klinge dort begraben zu finden.    Shikamarus Herz aufzureißen um sein eigenes zu retten hatte einen bitteren Rückschlag verursacht.    Das hatte er niemals kommen sehen.    Wie so vieles andere auch.    ‚Ich habe niemals vorhergesehen, was sich zwischen uns abspielen würde…und ich habe die Chance nicht ergriffen, es aufzuhalten…selbst dann nicht, als mir klar wurde, dass da etwas passierte…‘   Und das Wahnsinnige war; er hatte es auch nicht getan.   Völlig egal, wie er es in seinem Verstand drehte und wendete; es gab kein Entkommen von der Wahrheit, dass Shikamaru ihm mehr Gelegenheiten gegeben hatte, es aufzuhalten, als der Nara Möglichkeiten ergriffen hatte, es zu beginnen.   Ich muss es wissen…was es war…   Neji schloss die Augen und schob sich auf die Füße – obwohl es sich eher so anfühlte, als würde er gezogen.    oOo   Konoha funkelte mit dem spätabendlichen Brennen gedämpfter Aktivitäten; ein sanftes Sprenkeln von Lichtern erschuf den Eindruck, als würden gefallene Sterne hell schimmern oder erkalten, als Ladenbeleuchtungen gedimmt wurden und Laternen und Straßenlampen die Illumination übernahmen.    Vertraut. Sicher.    Shikamaru lehnte sich gegen die raue Rinde eines Baumes und ließ sich lümmelnd in eine sanfte Kurve des Stammes auf den Boden sinken, während sich Asuma neben ihn hockte. Der provisorische Sitz des Jōnin bestand aus einer Gabelung von knorrigen Wurzeln, die sich in einem verknoteten Gitter aus der Erde krümmten.    Die Art von Entgegenkommen der Natur.    Doch im Moment war alles, dem Shikamaru entgegenkommen wollte Schlaf.     Das wird eher nicht passieren…   Asuma hatte sie zu einem Ort geführt, den sie oft besuchten. Es war ein ruhiger grasbewachsener Hang, der von dem Hokage Anwesen hinab führte. Die Aussicht war beeindruckend und friedvoll und der Geruch von nassem Gras hing schwer in der Luft, um gleich darauf von einer weiteren Rauchwolke durchdrungen zu werden.    Er hörte, wie sich Asuma drehte, um seine Zigarette auszudrücken.    Sein Sensei hatte die vergangenen paar Minuten damit verbracht, den Rauch mit dem zufriedenen Gesichtsausdruck eines Mannes zu genießen, der überglücklich war, von einem Rückfall direkt wieder zu einer alten Angewohnheit zurückzukehren.    Shikamaru rutschte unbehaglich auf der Stelle.    Seine eigene irritierende Angewohnheit, den Dingen irgendwie zuvorzukommen, presste sich unangenehm gegen seinen Schädel.    Doch in einer Situation wie dieser waren seine Vorhersagen in etwa so nützlich wie die Prognose anzustellen, welche exakte Form eine Wolke annehmen würde. Manchmal hatte er Glück, indem er die skulpturierende Hand des Windes genau examinierte – aber Wolken waren eben kein Lehm. Sie waren niemals festgelegt und veränderten sich unablässig und ihre Möglichkeiten dabei waren endlos.    Ebenso endlos wie die derzeitige Stille…sie dehnte sich immer weiter aus…   Zog sich straff vor Anspannung.    Seine Nerven fühlten sich an wie ein Gummiband, das kurz davor war, zurück zu schnappen…   „Weißt du, dass Chōji für dich ein Barbecue abgelehnt hat?“, begann Asuma kopfschüttelnd. „Ich war beeindruckt. Sieht also aus, als wäre es nicht nur für meine Gesundheit gut, wenn du dich in Ärger hinein manövrierst, sondern auch für seine.“   Shikamaru spähte zu ihm hinüber und suchte vorsichtig das Profil seines Senseis ab; soweit er es beurteilen konnte, sah Asuma ehrlich amüsiert aus. Aufmerksam beobachtete er seinen Sensei dabei, wie er eine weitere Zigarette in seinen Mundwinkel steckte und sie hinter der Kurve seiner Hand anzündete. Das Glühen der Flamme verfing sich in seinen Augen.    Shikamaru nahm einen tiefen bebenden Atemzug tabakstichiger Luft.    „Sogar Ino hat dicht gehalten.“, fügte Asuma hinzu und schob sein Feuerzeug in die Tasche. „Sie ist nicht eingebrochen.“   „Jo, sie hat stattdessen versucht, meinen Kopf aufzubrechen.“   „Was?“   „Sie hat einen Ziegelstein aus Mist nach mir geworfen…“   Asuma hustete eine Lunge voll Rauch aus. „Einen Ziegelstein aus was?“   „Aus Mist.“   „Wie hat sie das denn angestellt?“   „Sie hat ihn aufgehoben, auf meinen Kopf geworfen und nicht daneben geschmissen.“   Asuma brachte seine Zigarette zurück an seine Lippen und grinste hinter seiner Hand. „Was ist das nur mit dir und gewalttätigen Frauen, Shikamaru?“   „Ganz offensichtlich einfach nur glückliche Fügung.“, erwiderte er sarkastisch.   „Nun, Glück ist eine Dame, oder?“   „Das erklärt einiges.“ Shikamarus bebendes Schmunzeln verzog sich zu einem Wimmern, als er seine Position veränderte, beide Beine anwinkelte und einen Arm über seine Rippen bog. „Hn. Lästiges Mädchen.“   Das leise Rumpeln von Asumas Lachen rollte zu einer lockeren Stille aus. Und diese Stille wurde zu einer nachdenklichen Ruhe zwischen ihnen. Es fühlte sich fast nach der entspannten Stimmung an, die normalerweise zwischen ihnen herrschte.    Fast, aber nicht ganz.    „Shikamaru.“ Asuma ließ seinen Namen in die Stille taumeln.    Der junge Nara blinzelte sich augenblicklich alarmiert von seinem glasigen Starren zurück. „Jo?“   „Da wir schon beim Thema sind; was denkst du über ‚Glück‘?“   „Dass ich es nicht habe.“   Asuma grinste kopfschüttelnd. „Und?“   „Und dass es erklärt, wie dumme Leute vorwärts kommen.“   Das leise Donnern von Asumas Lachen wurde von dem sanften Rascheln von Blättern über ihnen begleitet. Der Klang zog Shikamarus Blick von dem Dorf fort und höher zum Himmel, während er seinen Kopf nach hinten lehnte.    „Komm schon, du musst doch darüber nachgedacht haben.“, drängte Asuma und schmunzelte hinter einem Schwall aus Rauch.    Shikamaru grunzte irgendetwas Unverbindliches und widerstand dem Drang zu seufzen. „Glück bedeutet gar nichts. Ursache und Wirkung sind, was zählt und Fügung ist nichts weiter als eine beschissene Grauzone dazwischen. Es wird nur dann ‚Glück‘ genannt, wenn es für einen von Nutzen ist. So. Zufrieden?“   Das sanfte rote Glühen von Asumas Zigarette flackerte wie ein Glühwürmchen in der Dunkelheit und Asche fiel vom Ende. „Ja, das macht Sinn, wenn man so darüber denkt.“   „Wie soll ich sonst darüber denken?“, murrte er und wollte eigentlich überhaupt nicht daran denken.    Asuma stellte einen Fuß auf seine provisorische Sitzstange und ließ einen Arm von seinem Knie baumeln. „Wie wäre es mit einem zufriedenen Rückblick? Oder angenehm überrascht zu sein?“   Shikamaru beobachtete, wie der Rauch davon schwebte und starrte unter seinen müden Lidern hervor, während er über die Worte nachdachte. Und dann runzelte er die Stirn, bevor er seinen Blick über das Dorf wandern ließ und zusah, wie die Lichter glitzerten. Auf einmal brauchte er eher die Ablenkung des punktierten Musters statt der Obskurität von Rauch.    „Worauf willst du hinaus, Asuma-sensei?“, seufzte er.    Asuma machte eine Pause und nahm einen langen tiefen Zug von seiner Zigarette. Dann atmete er aus und der Rauch schwebte über Shikamarus Sichtlinie, was dem jungen Nara sagte, dass sein Sensei himmelwärts sah.    „Als wir unseren Geninteams zugewiesen wurden, dachte ich, dass ich der Jōnin war, dem man die miesesten Karten zugespielt hat.“, sagte Asuma. „Ich dachte, mein alter Herr hätte es absichtlich so geplant.“   Shikamaru blinzelte, als hätte er gerade einen verschrecktenSatz gemacht und warf seinem Sensei einen verwirrten Blick zu, der sich zu einem finsteren Ausdruck zusammenzog. Die empfundene Beleidung wäre vermutlich zu jedem anderen Zeitpunkt harmlos von ihm abgeprallt – aber jetzt im Moment, wenn er sich so verdammt roh fühlte, war es wie ein Tritt in die Eingeweide, das von Asuma zu hören.    „Danke dafür.“, knurrte Shikamaru.    Asumas Lippen bogen sich liebevoll.   Das Lächeln überraschte Shikamaru und warf seinen Zorn aus der Bahn, bis sich sein Stirnrunzeln von Anstoß zu Verwirrung wandelte. Asuma fuhr einfach nur fort, zu den Sternen hinauf zu lächeln und schüttelte den Kopf gegen welche Erinnerung auch immer an, die sich gerade in seinem Verstand abspielte.    „Ino-Shika-Cho.“, raunte der Jōnin und grinste durch seinen Rauch. „Ich habe ein Großmaul, einen Drückeberger und einen Fresssack zugespielt bekommen. Naruto hatte mehr Motivation als ihr alle drei zusammen.“   Shikamarus Lippen zuckten leicht. „Ino war motiviert.“   „Wettbewerbsmotiviert.“, betonte Asuma und unterstrich diese Aussage mit einem Klopfen seiner Zigarette. „Aber fixiert auf die falschen Ziele und aus den falschen Gründen, was auch der Grund dafür ist, warum ihr Selbstwertgefühl inzwischen im Keller ist. Und was Chōji angeht…“ Der Jōnin warf ihm einen spielerischen Seitenblick zu. „Nun, ich schätze mal, dass mein Geldbeutel mehr geblutet hat, als der Junge jemals geschwitzt hat. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du die meiste dieser Zeit über im Koma warst.“   Zugegebenermaßen war das vermutlich eine mehr als treffende Portraitierung ihrer frühen Genin Tage. Shikamaru gab die Wahrheit also mit einem Schulterzucken und einem schiefen Lächeln zu, das es aber kaum über seine gesamten Lippen schaffte. Asuma zog langsam an seiner Zigarette und summte leise, während er sinnierte.    „Aber ihr drei hattet – und habt immer noch etwas, dass den anderen Teams fehlt.“   „Was denn? Dich?“, erwiderte Shikamaru trocken.    Asuma setzte ein wildes Grinsen auf. „Darauf kannst du wetten, aber das meinte ich eigentlich nicht.“   „Sag mir jetzt bitte nicht, dass ‚Glück‘ die Antwort ist.“   „Für mich – ja. Für euch? Nein.“   Shikamaru rollte mit den Augen und seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Das ist so nervig; warum kommst du nicht endlich zum Punkt?!“   „Klar. Ihr hattet Teamzusammenhalt.“   „Teamzusammenhalt…“, echote Shikamaru.    „Ja…eine seltene Sache, wenn man sich gerade erst auf Genin Level befindet. Aber ihr drei hattet es auf Anhieb.“   Shikamaru zögerte und versuchte immer noch einzuschätzen, worum genau es hier eigentlich ging. „Na und?“   „Als ein Team seid ihr also sehr unkompliziert. Ich kann mich hier überhaupt nicht beschweren. Von allen Jōnin habe ich das beste Team bekommen. Ein Glücksfall. Damals war es mir nicht bewusst…“ Für einen Moment brach er ab. „Wie es scheint, bin ich bei solchen Dingen immer zu spät dran. Aber letztendlich zu der Erkenntnis zu gelangen ist besser, als nie darauf zu kommen. Und hier haben wir den zufriedenen Rückblick.“   Shikamarus Augen zuckten zu Asumas Zigarette und verengten sich auf eine Weise, die seinen deutlichen Argwohn darüber zeigte, was zur Hölle sein Sensei da gerade rauchte. Asuma bemerkte den dubiosen Blick und lachte leise eine Wolke aus, die ebenso nebulös war wie die Unterhaltung.    „Super, ich bin richtig weise und tiefsinnig.“   Shikamaru verzog das Gesicht. „Nein, du bist nur komisch.“   „Du weißt, dass du das zu mir gesagt hast, als du noch ein Kind warst.“, schnaubte Asuma mit gespielter Beleidigung und zog gemächlich an seiner Zigarette. „Eigentlich solltest du mich inzwischen als einen ‚coolen‘ Erwachsenen ansehen; schätze mal, dass ich daran lieber mal arbeiten sollte.“   „Klar. Viel ‚Glück‘.“   „Klugscheißer.“   „Ich verstehe immer noch nicht, was dein Punkt ist.“   „Mein Punkt ist, dass Team 10 eine solide Einheit ist.“, antwortete Asuma. „Von allen Teams habt ihr bis heute den besten Zusammenhalt. Kein Konflikt. Kein Wettbewerb. Keine jugendlichen Liebesdreiecke. Ihr seid ein starkes Team.“   Und dann, ebenso unvorhersehbar wie Wolken, veränderte sich Asumas Stimmung.    Seine Gesichtszüge veränderten sich vollkommen und es war, als würde Donner über seine Miene ziehen, seine Brandyaugen verdunkeln und seine Brauen zu einem tiefen Stirnrunzeln zusammenziehen. Selbst seine Zigarette glitt – beinahe vergessen – zu seinem Mundwinkel, als sich sein Ausdruck verdüsterte.    „Ihr arbeitet gut zusammen.“, murmelte er.    Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben, als er seinen Sensei aus den Augenwinkeln beobachtete und einzuschätzen versuchte, warum Asuma aufgrund dieser Feststellung eher besorgt statt glücklich aussah.   „Achja?“, drängte Shikamaru ihn vorsichtig. „Solltest du deswegen nicht zufrieden sein?“   Asuma lächelte ohne die geringste Spur von Humor; die Zigarette hüpfte mit dem ausdruckslosen Biegen seiner Lippen.    „Weißt du, genau hier ist mein Glück mit euch Dreien sowohl Segen als auch Fluch.“   Shikamaru legte den Kopf schief. „Wie kann das eine schlechte Sache sein? Du hast selbst gesagt, dass wir dir als Team nicht das Leben schwer gemacht haben.“   „Ja, ihr macht mir stattdessen als Individuen das Leben schwer.“, grunzte Asuma und hielt seine Hände auseinander, um seine Worte zu demonstrieren. „Und dann…“ Er klatschte seine Fingerspitzen aneinander und ließ sie leicht voneinander abprallen. „Kommt ihr alle zusammen und untermauert den Mist der jeweils anderen in einer großen zusammenhängenden Teamleistung.“   Shikamaru runzelte erneut die Stirn und seine Augen blitzten auf. „Was soll das denn jetzt heißen?“   „Es heißt, dass ich euch kenne.“, sagte der Jōnin scharf. „Euch alle drei.“ Er zog die Zigarette von seinen Lippen und drückte sie mit einem langsamen ruhigen Drehen aus. „Besonders dich, Shikamaru.“, fügte er leise hinzu.   Shikamarus Augen weiteten sich.    Ein Anflug von Panik traf ihn hart in der Brust.    Aber es war nichts im Vergleich zu der Schuld, die ihn am gleichen Ort noch härter traf.    Er starrte auf das Ende der Zigarette seines Senseis, das gegen den feuchten Boden gedrückt war. Asuma nahm sich derweil etwas Zeit, ein wenig klare Luft einzuatmen und ließ die geschwängerte Pause sinken, während er sich etwas mehr aufsetzte und einen weiteren Glimmstengel anzündete, um einen langsamen, genussvollen Zug zu nehmen, bevor er einen Strom in den Himmel ausatmete.    Und als er wieder sprach, tat er das so leise und mit einem Murmeln, dass Shikamaru die Ohren spitzen musste. „Und ich weiß, dass Chōji und Ino sich gegen so ziemlich alles stellen würden – auch mich – um dich zu beschützen.“   „So ist das nicht.“ Shikamaru schüttelte den Kopf und starrte mit großen Augen zu Asuma, während er nach einem Weg suchte, die Situation irgendwie zu verbessern. „Sie haben sich nicht gegen dich gestellt. Sie hätten das niema-“   „Hey, ganz ruhig. Es ist alles ok.“, murmelte Asuma sanft. „Egal wie mühselig es die Dinge für mich auch macht; ich bin froh, dass sie sich meinem Verhör so vehement widersetzt haben. Es sagt etwas.“   „Ja, aber du sagst im Grunde gar nichts.“, bemerkte Shikamaru und Unbehagen schlich sich sowohl in seine Stimme, als auch auf sein Gesicht. „Warum?“   Asuma klopfte schweigend auf seine Zigarette.    Er drehte nicht einmal den Kopf.    Scheiße…sag irgendwas…   „Warum sagst du nichts?“, drängte Shikamaru ihn und zwang seine Stimme dazu, so eben wie möglich zu bleiben.    Wie ein Falke beobachtete er seinen Sensei und versuchte, zwischen den Zeilen der ernsten Miene des Jōnins zu lesen. Er kämpfte mit einer vergessenen Empfindung von Angst und Verzweiflung, die er mit Asuma nicht mehr erlebt hatte, seit er ein Genin war.    Shikamaru schluckte schwer und seine Augen weiteten sich noch mehr.    Es war dieselbe Empfindung, die ihn immer dann überkam, wenn er vor etwas davon lief, das zu schmerzhaft oder zu lästig war, um sich ihm zu stellen, während er aber die ganze Zeit über wusste, dass Asuma ihm mit gewissem Abstand folgte und über ihn wachte.    „Warum zur Hölle nimmst du mich nicht in die Mangel?“   Warum folgst du mir nicht?   Es war ein dämlicher und kindischer Gedanke, aber dieser dämliche und kindische Gedanke war lauter als seine Logik; als würde dieser Teil von ihm es brauchen, dass ihm versichert wurde, dass er nicht vollkommen allein war. Selbst dann nicht, wenn das alles war, was er wollte, seit er zurück gekommen war.    Denn auch wenn er Asuma gemieden hatte, hatte er dennoch gewusst, dass sein Sensei ihm nachjagte wie ein verdammter Schatten.    Aber jetzt?   Asuma hielt seinen Blick weiter geradeaus gerichtet und die Zigarette zwischen seinen Lippen schwelte beständig vor sich hin.    Er sagte nichts; bot nichts an.    Shikamarus Kehle zog sich zusammen und Furcht krallte sich eiskalt in seine Brust. „Warum machst du das Ganze nicht leichter und fragst mich einfach, verdammt?!“   Der zornige Ausbruch brachte Asuma dazu, zu ihm herüber zu spähen; sein grübelnder Ausdruck wurde dabei von etwas Traurigerem überschattet, bevor er seinen Blick zurück auf das Dorf richtete.    „Ja…ich wünschte, das würde es leichter machen.“, seufzte Asuma und seine Stimme war rau und schwer von Tabak und Anspannung. „Aber das letzte Mal, als ich derart besorgt um dich war, habe ich niemals eine Antwort bekommen.“   Sofort erstarb Shikamarus Zorn.    Für eine lange entsetzliche Sekunde starrte er einfach nur und seine Augen wurden noch runder.    Asuma schüttelte den Kopf. „Bevor du nach Hanegakure aufgebrochen bist, habe ich gesagt, dass ich mich niemals zuvor fragen musste, was mit dir los ist. Du weißt genauso gut wie ich, dass das eine Lüge war.“   Shikamaru wünschte sich, er würde es nicht wissen. Es war schon verdammt bezeichnend, wenn man sagte, dass Ignoranz ein Segen war. Aber Ignoranz war ein Luxus, den er nie erlebt hatte, wenn er es am nötigsten gebraucht hätte.    Jetzt im Moment war keine Ausnahme.    „Du weißt, dass ich dich nicht erreichen konnte, als du es das letzte Mal getan hast…und bis heute, beschäftigt mich das immer noch.“ Asuma hob eine Hand und streckte zwei bronzene Finger aus. „Zwei Wochen. Für zwei ganze Wochen warst du ein vollkommen anderer Mensch. Niemand hat etwas geahnt. Aber selbst auf Missionen wusste ich es in meinem Innersten…und in der Art und Weise, wie du Shogi gespielt hast. Wie ein Fremder. Du warst körperlich anwesend; aber du warst nicht da.“   Shikamarus Gesicht war kaum mehr als eine Silhouette in der Dunkelheit. Nur das Flackern von Asumas Zigarette fing die verletzten, verkniffenen Neigungen seiner Gesichtszüge ein, als er sich bemühte, auf diese Worte zu reagieren.    „Du bist verschwunden. Und dann…“ Asuma schnippte mit den Fingern. „Einfach so warst du wieder zurück. Du hast gefaulenzt und dich benommen, als wärst du nie fort gewesen.“ Asuma lächelte traurig. „Aber ich wusste, dass du fort warst. Und das war die schwerste Prüfung, mit der ich jemals als dein Sensei konfrontiert wurde.“   Nichts, einfach nichts hätte Shikamaru hierauf vorbereiten können.    Er hielt sich selbst steif aufgerichtet und wappnete sich gegen die schwankende Erinnerung an eine Zeit, die er zurück gedrängt hatte und von der sich geschworen hatte, sich nie wieder daran zu erinnern. Er hatte keine Antwort; fürchtete, dass wenn er überhaupt irgendwie reagieren würde, dann wäre es nur, indem er aufspringen und fortrennen würde, statt zu antworten.    Fuck, bitte versuch nicht, mich dazu zu bringen, darauf zu antworten…   Sofort drohte sein Verstand, sich in einer wilden Umlaufbahn zu drehen; bereit für einen verzweifelten Versuch, irgendeinen Ausweg zu finden. Aber der beständige Blick, mit dem Asuma ihn bedachte, war beruhigend und anspruchslos.   „Also.“ Asuma nahm einen langen Zug von seiner Zigarette und ließ den Rauch aus seiner Nase strömen, während seine Lippen schwach zuckten. „Du hast besser nicht vor, sowas nochmal abzuziehen. Denn ich glaube ich nicht, dass ich zwei Wochen lang aufhören kann zu rauchen, ohne dass es meinem Nervensystem ernsthaften Schaden zufügt.“   Der Humor überrumpelte Shikamaru.    Es dauerte einen Moment, bis er ihn wirklich aufgenommen hatte.    Und als die Worte dann schließlich in ihn sanken, realisierte er, dass sie in demselben lockeren und ruhigen Ton gehalten waren, den Asuma immer bei ihm nutzte, wenn er sich auf unberechenbares Terrain begab. Er gewährte ihm durch den Humor einen Ausweg, während er gleichzeitig einen sicheren Hafen anbot, sollte Shikamaru sich dazu entschließen, sich nicht unterkriegen zu lassen und diese Situation wirklich zu konfrontieren.    Nicht wegzurennen, wie ich es sonst immer tue…   Der Gedanke ließ ihn zerrissen und müde zurück; und unfähig, diese Tatsache zu verbergen.    Er wandte den Blick ab und brauchte einen Moment, um die Erinnerung nach unten zu zwingen, die Asuma nach oben gezogen hatte. Er hatte geschworen, sich nie wieder auf diese Weise in Schatten zu hüllen. Doch Asuma hatte diese Wunde nicht gesehen, als sie roh und hässlich in ihm geschwärt hatte.    Shikamaru hatte zwei Wochen gebraucht, um sie zu nähen.   Zwei Wochen voller Ablenkung und absoluter Verleugnung, während er die stärksten mentalen und emotionalen Fäden und Nadeln genutzt hatte, die dafür gesorgt hatten, dass der Schaden bereits verkrustet war, als Asuma ein Aufblitzen der Narbe bemerkt hatte.    Und zu diesem Zeitpunkt war es bereits leicht gewesen, so zu tun, als wäre nie etwas passiert.    Es war so tief begraben, dass nichts und niemand es erreichen konnte…   …außer Neji. Der hinein gegriffen und es aufgerissen hatte, als wäre es niemals wirklich verheilt.    Als würde es eine Rolle spielen…   Er hatte nun eine andere Wunde, aber diese war offen und schmerzte und auf keinen Fall könnte er sie jetzt schon vernähen. Er wusste das. Asuma wusste das. Und Shikamarus Augen begannen, sich zu weiten, als ihm klar wurde, dass das hier das Ende des Weges war.    Es gab keinen Ort mehr, an den er wegrennen konnte.    Die Luft begann in seinen Lungen schmerzhaft anzuschwellen und verfing sich hart in seiner Kehle.    Energisch sagte er sich selbst, dass es an Asumas Zigarettenrauch lag und richtete seine Augen entschlossen auf die verschwindenden Schwaden; beobachtete, wie sie in der Nachtluft schwebten…und mit einem schneidenden Wind der Flucht davon wirbelten…   „Ich kann nicht…“, hauchte Shikamaru plötzlich; die Worte waren angespannt und hart in seinem Hals.    Asuma blinzelte sehr langsam und sah hinaus auf das Dorf. „Versuche es.“   Shikamaru bewegte den Kiefer und versteifte sich noch mehr gegen den Baum, als hätte ihn etwas eingeholt und in eine Ecke gedrängt. „Ich kann nicht…“   „Es ist okay. Sag es einfach.“   „Ich weiß nicht wie…“   „Du bewegst deinen Mund und hörst dabei nicht auf.“   „Ich brauche es aber, dass es aufhört. Nur lange genug, um wieder Halt finden zu können…“   Asuma erwiderte nichts und Shikamaru hätte vielleicht bemerkt, wie diese bronzenen Augen auf ihn fixiert waren; doch seine eigenen fühlten sich an, als würden sie sich mit Säure füllen.    Worte überfluteten seine Kehle und strangulierten seine Fähigkeit zu atmen, bis sie in einem heiseren Rausch hervorquollen. „Jeder sieht mich an, als würde ich wissen, was zur Hölle ich eigentlich mache…sie machen das immer…sie erwarten, dass ich immer all diese Schritte voraus bin…am Anfang glaube ich auch, dass ich das bin…aber ich…ich kann nicht immer herausfinden, was es ist…ich kann es nicht immer verstehen…und manchmal…manchmal will ich es nicht…ist das der Grund, warum ich es nicht wieder gut gemacht habe? Oder vielleicht war ich niemals dazu gedacht, das zu tun.“   „Was hast du versucht wieder gut zu machen?“   Was ich niemals gefunden…aber dennoch zerbrochen habe… Mit einem bitteren Schnauben schüttelte er den Kopf. „Was zur Hölle spielt es jetzt noch für eine Rolle?“   „Es spielt eine Rolle…“   Shikamaru schluckte und blinzelte hart, bevor er mit der Hand durch den Rauch fuchtelte.    „Dein Rauch brennt in meinen Augen…“, grollte er mit rauer zerfetzter Stimme.    Asuma legte die Stirn in Falten und streckte eine Hand aus, um sie zögerlich an Shikamarus Nacken zu legen.    Shikamaru knurrte und griff mit beiden Händen nach hinten, um die Berührung fort zu schieben und stattdessen seine Finger in einem Griff um seinen Nacken zu legen, der hart wie Stahl war und gnadenlos zudrückte.    Stop…Gott ich brauche es doch einfach nur, dass es aufhört…ich verliere meinen Halt…   „Shikamaru, rede mit mir.“   Shikamaru legte seine Stirn auf seinen Knien ab und drehte den Kopf von Seite zu Seite, während er das zornige Aufflammen von Schmerz wegen seiner gebeugten Position ignorierte.    „Shikamaru…“   Die raue Besorgnis in Asumas Stimme traf ihn an demselben Ort wie jedes Mal, als er ein verängstigtes Kind gewesen war. Er konnte nicht einmal flüchten, denn er spürte, wie seine mentalen Schaltkreise überlastet wurden und zu explodieren drohten, als er seinen Schädel wieder zwischen seine Arme klemmte, wie er es im Gehege bei dem Vogel getan hatte.    „Ich kann es nicht wieder gut machen…“, er biss die Worte hervor und erwartete nicht, dass sein Sensei sie auch wirklich mitbekommen würde.    Er hörte, wie sich Asuma bewegte; ein Kratzen von Sandalen auf Rinde.    Fest legte sich die Hand des Jōnin an seine Schulter. „Was wieder gut machen?“   „Was ich vermasselt habe.“   „Was hast du vermasselt?“   Shikamarus Knöchel knackten und die Haut wurde knochenweiß, als sich seine Finger noch krampfhafter um seinen Nacken legten. „Alles…“   „Das ist nicht möglich.“   „Woher verfickt nochmal willst du das schon wissen?“, knurrte Shikamaru und bleckte die Zähne, als er die Hand von seiner Schulter ruckte und so schnell auf die Füße kam, dass er taumelte.   Seine Rippen verkrampften sich vor Schmerz und er zischte qualvoll.    Asuma beobachtete ihn unter dem scharfen V seiner Brauen.    Shikamaru wandte ihm den Rücken zu und trat einen Schritt von Asuma fort, während er eine Hand über seine Kopfhaut schob, bis sie auf seinen Haargummi traf. „Du warst nicht da…du warst nicht dabei, als ich damit angefangen habe, Menschen in Spielsteine zu verwandeln…“   „Das ist nicht das, was du tust, Shikamaru. Das ist nicht das, wer du bist.“   „Ist es nicht?!“, schnappte Shikamaru und wirbelte herum; eine Flutwelle an Worten quoll wie schwarzes Wasser in ihm nach oben. „Was, wenn es genau das ist, was ich tue, Sensei? Was, wenn es genau das ist, wer ich bin? Und weißt du was noch schlimmer ist? Dass es vollkommen natürlich für mich ist. Was zur Hölle bedeutet das?“   „Es bedeutet gar nichts. Was du damit tust ist das, was von Belang ist.“   Shikamaru schnaubte bissig. „Ja, was man tut, nicht was man beabsichtigt, richtig?“   „Falsch.“, schoss Asuma zurück. „Es ist immer von Bedeutung, was man beabsichtigt.“   „Warum?“   „Weil wir es deswegen überhaupt erst tun, Shikamaru.“   Shikamarus Augen leuchteten auf wie bei einem ertrinkenden Mann, der eine Rettungsleine fand, bevor sie sich rasch wieder verdunkelten und er ein bebendes Lachen hervor bellte; seine langen Finger krümmten sich zu Fäusten. „Achja? Nun, vielleicht brauche ich ja auch gar keine Absichten, sondern nur direkte Befehle.“   Asumas Gesichtszüge verkrampften sich. „Du bist kein ANBU. Vergiss das nicht.“   „Ja, ANBU bekommen keine stehenden Ovationen dafür, Leute zu verarschen und niederzumachen, so wie es bei mir der Fall ist. Aber andererseits mache ich das aus den Schatten heraus, also wo liegt schon wirklich der Unterschied?“   Asuma zog den Kopf zurück, als wäre er physisch von diesen Worten getroffen worden. „Woher zur Hölle kommt das jetzt, Shikamaru?“   „Ich bin ein Stratege…ein Manipulator…“, spie Shikamaru zwischen dem scharfen Schnappen seiner Zähne aus, als er den Kiefer verkrampfte. „Das ist es, was ich bin.“   „Das ist es, was du tust, aber das ist nicht, wer du bist.“   „Wer zum Teufel bestimmt das?“, fauchte der Schattenninja. „Du?“   „Dieser Augenblick.“, sagte Asuma ernst. „Die Tatsache, dass es dich derart mitnimmt und dass es vermutlich immer so sein wird.“ Seine Stimme wurde weicher. „Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass es mir leidtut. Aber es ist gut, wenn es dich mitnimmt.“   „Gut?“ Ein ätzendes Stirnrunzeln verzerrte Shikamarus Gesichtszüge, doch seine Kehle zog sich sichtbar straff und seine verletzten Sehnen spannten sich an. „Was ist damit ‚einen klaren Kopf zu behalten‘? Du hast mir doch gesagt, wie wichtig das für mich ist.“   „Das stimmt. Aber wir sprechen hier nicht über deinen Kopf, oder?“, erwiderte Asuma leise.    Shikamaru zuckte zusammen und seine eigenen Worte kamen zurück zu ihm.    ‚Lästiger Hyūga, hör auf, das zu einer Angelegenheit deines Kopfes zu machen.‘   Sein Ausdruck wurde von einem finsteren Blick zu etwas Getroffenem zerfetzt.    Blicklos starrte er seinen Sensei für einen Moment an.    Fuck…was zur Hölle bin ich jetzt? Auch noch ein Heuchler?   Asuma setzte ruhig die Füße auf dem Boden ab und machte Anstalten, aufzustehen, bis Shikamaru zurückwich wie ein Kind, das eine Tracht Prügel befürchtete. Sofort hielt der Jōnin inne und rutschte stattdessen ans Ende seines provisorischen Sitzes, um Abstand zu halten.    „Shikamaru…was du in deinem Kopf tust und was du darüber fühlst, passt vielleicht nicht immer zusammen, aber das ist nur eine der Bürden ein Shinobi zu sein. Genau das ist der Grund, aus dem unsere Absichten immer von Bedeutung sind.“   „Was wenn ich es nicht kann…?“, fragte Shikamaru und seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen, die ebenso blass und angespannt war wie der Rest seines Gesichtes. „Was, wenn ich diese Bürde nicht tragen kann?“   „Du kannst. Aber du vergisst dabei, die Last zu teilen.“   Ich kann nicht…   Shikamaru schloss krampfhaft die Lider, bevor er sie wieder auffliegen ließ. „Leicht gesagt. Dabei muss viel zu viel Rechenschaft abgelegt werden; zu viel könnte schief gehen.“   „Weißt du…“, seufzte Asuma. „Das ist genau das, was ich meinte, als ich über den Mist von jedem Einzelnen von euch gesprochen habe. Vertraue den Leuten um dich herum dabei, dass sie dich unterstützen werden.“   „Vertrauen? Du kapierst es nicht, Asuma…“   „Du hast recht.“, biss Asuma zurück. „Ich kapiere es nicht. Aber du wirst es mir erklären. Und es schert mich nicht, wie dämlich simpel du es machen musst, denn ich werde nicht zulassen, dass du noch einmal in einen zwei Wochen langen Akt des Verschwindens abtauchst, bei dem ich gezwungen sein werde, dich daraus zurück zu zerren.“   „Dann mach es nicht.“, schnappte Shikamaru, doch seine Augen flackerten verletzt auf. „Das ist nicht deine Rolle, Asuma, du bist nicht mein-“   „Nein, ich bin nicht dein Vater.“, erwiderte Asuma und pinnte ihn mit einem steten Blick fest. „Ich habe nicht seine Geduld und ich habe auch nicht die Verantwortung und ich beschwere mich auch nicht für eine Sekunde. Ich bin genauso begeistert von persönlichen Problemen wie du. Aber im Fall von Team 10 werde ich immer eine Ausnahme machen. Wann hast du das verdammt nochmal vergessen?“   Nur für eine Sekunde wurde Shikamarus Gesicht panisch. „So simpel ist das nicht.“   „Doch, das ist es.“   „Ist es nicht. Es geht hier nicht um andere.“   Asuma zog die Brauen zusammen und Rauch quoll neblig zwischen seinen Lippen hervor. „Wer auch immer seine Hände um deinen Hals gelegt hat, muss wirklich etwas Übles mit deinem Hirn angestellt haben, wenn es dich dazu gebracht hat, die Menschen um dich herum zu vergessen.“, grollte er. „Deine Freunde werden immer zu dir halten, Shikamaru. Sie werden sich immer für dich einsetzen!“   „Aber was ist, wenn ich es nicht kann?!“, schrie Shikamaru und ließ seinen Arm nach außen schnellen, während er weiter zurück wich. „Sie haben ihr Leben in meine Hände gelegt, während ich sie in Positionen gebracht habe, die sie hätten umbringen können! Sie vertrauen mir dabei, dass ich es richtig mache, aber was, wenn ich das nicht kann?!“   „Dann kannst du es nicht. Wir sind nicht immer erfolgreich. Das hast du durch deine erste Chūnin Mission gelernt.“ Als Shikamarus Augen zuckten, ließ er seine Stimme etwas weicher werden. „Ich weiß, wie hart dich das trifft. Ich weiß, dass du es hasst, aus Fehlern lernen zu müssen, die vielleicht das Leben anderer kosten könnten. Aber du hast niemals versucht, dein Herz von deinem Kopf zu trennen. Warum versuchst du es diesmal?“   Shikamaru stierte ihn vernichtend an und sein Kiefer bebte, als er sich darum bemühte, ihn zu schließen und seine Zähne zusammenzupressen, um sich vom Brüllen abzuhalten. „Weil es diesmal anders ist…“   Asuma bemerkte seinen inneren Kampf und die Spannung um seine Augen herum löste sich etwas. „Inwiefern ist es anders? Der Zwiespalt, den du fühlst, ist der moralische Kompass, den du als Shinobi brauchst. Du bist klug genug, um das zu wissen. Du hast das schon immer gewusst.“   Aber warum macht es mich dann so abartig fertig? Warum habe ich es zugelassen?   Shikamaru taumelte noch einen weiteren Schritt nach hinten und schüttelte den Kopf. Er konnte spüren, wie die Flut in ihm anschwoll…bebend und unberechenbar…verseucht von Panik…geschüttelt von ungezügelter Wut und wilder Verwirrung…   Warum zur Hölle habe ich zugelassen, dass das zwischen uns entstanden ist…?   „Shikamaru…“, drängte Asuma und sein Blick wurde tiefsinniger und suchend. „Sag mir, warum es anders ist.“   Warum habe ich gebraucht, was zwischen uns passiert ist…?   „Shikamaru.“   Warum kann ich es immer noch nicht AUFHALTEN?   Der Donner von Asumas Stimme explodierte. „SHIKAMARU!“   „Weil es mich vollkommen DURCHEINANDER GEBRACHT HAT!“, brüllte Shikamaru. Die Worte brachen in einem heiseren Beben aus ihm heraus, das den Versuch seines Hirns, sie aufzuhalten, vollkommen überrollte. „Vielleicht hatte er die ganze Zeit recht und ich lag falsch! Emotionen machen dich fertig, sie machen den Kopf unbrauchbar! Und dann macht dein Kopf dich fertig und man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass alles andere danach zwangsläufig vermasselt wird! Und man kann es sich nicht leisten, es zu vermasseln, wenn man tut, was ich tue!“   Stille senkte sich wie eine Mauer.    Die Wucht von Shikamarus Worten prallte davon ab und hing schwebend und schwer zwischen ihnen.    Asuma rührte sich nicht.    Genauso wenig wie Shikamaru.   Nur der Rauch bewegte sich und driftete hinauf zu den Blättern, die im Mondlicht silbern und schwarz tanzten.    Shikamaru stierte geradeaus; seine tiefbraunen Augen waren wild und dunkel von der Macht seines Ausbruchs.    Und dann fror sein Hirn in Panik ein und er konnte nicht ein einziges Wort dessen abrufen, was er gerade gesagt hatte.    Nicht ein Wort.    Zumindest bis Asuma sehr langsam die Zigarette von seinen Lippen nahm und Shikamaru mit einem ernsten und Nerven aufreibenden Ausdruck bedachte – und ein einziges Wort aussprach, das den Schatteninja sofort dazu brachte, sich zu wünschen, er hätte überhaupt nichts gesagt.   „Er?“  ___________________ Oja, Shikamaru hat es gerade wirklich nicht leicht...ein sehr Asuma/Shikamaru zentriertes Kapitel, aber ich hoffe, dass euch auch die kurze Szene mit Neji gefallen hat und natürlich auch der Rückblick ;)  Hier kommt wieder deutlicher raus, dass Shikamaru in seiner Vergangenheit auch irgendetwas zugestoßen ist ;) Würde mich freuen zu erfahren, was ihr davon so haltet :) Noch drei Kapitel...Gott es ging so schnell...zumindest der erste Teil... 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