Break to Breathe von _Scatach_ ================================================================================ Kapitel 45: Did I ever find you ------------------------------- „Ich brauche kein Chakra, um dich zu zerreißen.“   Shikamarus Muskeln verwandelten sich in Stein.    Wäre auch nur noch das kleinste Bisschen Luft in seinen Lungen gewesen, dann hätte er es jetzt verloren. Der harte Schlag dieser Worte, von dieser Stimme, rammte sich direkt in seine Eingeweide und riss sich wie eine rostige gezackte Klinge durch das Organ in seiner Brust nach oben.    Neji…   Gegen jede Vernunft und jede Sinnhaftigkeit kam seine erste und unmittelbare Reaktion.    Erleichterung.    Und eine Nanosekunde später kam die unmittelbare Realität.    Panik.    Draußen explodierte der Donner; ebenso heftig wie das Adrenalin in ihm.    Er zog die Schulterblätter zusammen und stieß sich hart von seinen Händen ab; versuchte verzweifelt, all sein Gewicht nach hinten zu werfen. Es war geradezu lächerlich, wie leicht Neji die Bewegung konterte. Der Jōnin trat einfach nur kurz zurück, ohne loszulassen, drehte sie einmal um die Achse und hämmerte ihn wieder gegen die Wand.    Die Seite von Shikamarus Gesicht schlug mit der doppelten Wucht des ersten Aufpralls gegen die Wand.    Schmerz explodierte in seiner aufgeplatzten Wange, jagte bis in sein Ohr und seinen Kiefer entlang.    Er gab keinen Laut von sich. Er konnte nicht. Seine Lungen schrien bereits.    Aber da war einfach keine Luft.    Diese eisigen Finger krümmten sich an seinem Hals und verschlossen sich wie Stahl um die Sehnen in seiner Kehle; zertrümmerten jeden Versuch, nach Luft zu schnappen. Mit einem erstickten Zischen versuchte er, den Daumen des Hyūga zu packen, um den Griff zu lösen – aber er schaffte es einfach nicht, ihn zu fassen zu bekommen.    Fuck!   „Wie fühlt sich das an, Nara…“ Diese tiefen Töne rollten leise gegen sein Ohr; absolut ruhig, vollkommen verstörend. „In dem Griff von etwas gefangen zu sein, dem du nicht entkommen kannst.“   Es gab nicht den geringsten Anstieg der Intonation, die darauf hingewiesen hätte, dass es sich dabei um eine Frage handelte.    Die Worte wurden wie eine distanzierte Observation ausgesprochen und das hohle Nachhallen ließ Shikamaru nicht in dem geringsten Zweifel darüber, wie diese Situation vermutlich ausgehen würde, wenn er nicht schnell reagierte. Aber der Druck, der sich immer mehr in seinem Kopf und hinter seinen Augen aufbaute, verkrüppelte seine Fähigkeit zu denken – oder lag das an dem völligen Mangel an Sauerstoff?   DENK NACH!   In dem verzweifelten Ansturm von Panik bockte er noch einmal nach hinten und stieß sich mit einem schwachen Schub von der Wand ab. Nur streckte er diesmal sein Bein nach hinten und hakte seinen Fuß um Nejis Knie.    Scharf ruckte er daran.    Nejis Bein gab nach und der Boden schoss ihm entgegen.    Shikamaru drehte sich, während sie fielen und landete hart auf der Seite. Er ließ seinen Ellbogen in einem brutalen Knacken nach außen schnellen, der auf Knochen traf. Er hörte Neji schmerzerfüllt grunzen. Der Griff um seine Kehle löste sich und gestattete es ihm, weg und auf den Rücken zu rollen; nach Luft schnappend wie eine wiederbelebte Leiche, während er bebte und hustete.    Die Luft füllte seine Lungen wie Säure; seine Brust hob sich stoßweise, Organe brannten und fühlten sich an, als würden sie jeden Moment wie Ballons platzen.    Und dann traf der Sauerstoff in seinem Netzwerk ein.    Adrenalin folgte nur einen Herzschlag später.    Kommandos wurden wie Kunai von seinem Hirn abgefeuert.    RENN. BEWEG DICH. LAUF. JETZT.   Er kämpfte sich auf die Beine; die Welt zog sich zusammen und dehnte sich aus wie ein verzerrtes Kaleidoskop, als er sich die Wand entlang tastete und versuchte, einen Griff um etwas Stumpfes zu bekommen, das er als Waffe nutzen könnte.    Ein Blitz bot eine grelle Warnung.    Diesmal duckte sich Shikamaru.    Die Handkante des Hyūga schnitt durch die Luft und strich durch seinen Pferdeschwanz, bevor sie in der Wand einschlug und Splitter in alle Richtung sandte.    FUCK!   Shikamaru taumelte zurück und schluckte Luft durch seine malträtierte Kehle. Er rollte sich mit einer raschen Bewegung auf das Bett und von der anderen Seite wieder herunter und brachte so etwas Distanz zwischen sie. Energisch kämpfte er darum, die Panik zu beruhigen, die durch ihn peitschte.    Ein Aufflammen zerriss den Himmel.    Und wie ein Geist, der eine Form annahm, materialisierte sich Neji in dem grellen Aufflackern der Illumination.    Shikamarus Gesichtszüge zuckten.    Emotionen krachten und taumelten und rollten durch ihn; lauter und grausamer als der Donner, der die Welt erschütterte. Aber er bewegte sich nicht, er konnte nicht. Er stand da, wie betäubt und paralysiert von dem Ausdruck in diesen Augen.    Augen so weiß wie Schnee und doppelt so kalt.    Neji bewegte sich vorwärts und die letale Anmut in seinem Körper war ebenso unmissverständlich wie die todbringende Weise, auf die sein Blick starr und vollkommen leblos blieb; leidenschaftslos und alarmierend ruhig.    Wie ein Scharfrichter.    Die kühle Betrachtung ließ Shikamarus Haut unangenehm kribbeln und rasch ließ er seinen Fokus über den Rest des Jōnins wandern; über die Roben, die noch immer mit Blut und Asche befleckt waren.    Eine bittere Wiederauferstehung dessen, was er gewesen war, als Shikamaru ihn das letzte Mal gesehen hatte.    Und was noch viel verstörender war, war die Tatsache, dass er direkt zu der Nara Residenz gekommen war. Er hatte nicht einmal die Kleidung gewechselt.    Shikamaru schluckte um den harten Knoten in seiner Kehle herum. „Neji…“   Keine Reaktion. Keine Veränderung in diesen kalten Augen. Neji drehte sich einfach nur und umrundete das Bett in weichen, getriebenen Schritten und zwang Shikamaru dazu, wieder auf die andere Seite zu springen. Ohne seine Bewegungen oder den Ausdruck auf seinem Gesicht zu unterbrechen, machte Neji auf dem Absatz kehrt und umrundete das Bett in die andere Richtung.    Sie bewegten sich vor und zurück.    Der eine hielt den anderen hin, während der sich leise anpirschte.    Das ist wahnsinnig.   „Neji…“, hauchte Shikamaru und hob eine Handfläche. „Hör auf.“   Es war, als würde er eine weiße Flagge in einen Zyklon halten. Neji hatte ganz offensichtlich nicht die geringste Absicht, aufzuhören und hielt den tigernden Halbkreis ihrer Bewegungen nahe dem Bett aufrecht. Seine scharfen Wendungen wurden mit jedem Umlauf immer ruckartiger und ungeduldiger.    „Würdest du bitte aufhören?“, versuchte es Shikamaru noch einmal mit heiserer Stimme und sprang zurück auf die Matratze, während Neji innerhalb eines Herzschlags seine Richtung änderte.    „Du hast mich in eine Rohrbombe laufen lassen.“   Die Worte kamen so unerwartet, dass Shikamaru einen Moment brauchte, um darauf antworten zu können. Er schüttelte den Kopf und Blut tropfte aus der Platzwunde an seiner Wange, um über die Neigung seines Kiefers zu rinnen. Auf dem Bett verlagerte er das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und der Lattenrost knarzte, als sich seine Muskeln anspannten; der Körper bereit dazu, jeden Moment los zu spurten.    „Es hat keine Möglichkeit gegeben, dass du diesen Weg nicht genommen hättest.“, erklärte Shikamaru und ignorierte den Schmerz, den es verursachte, wenn er seine Kehle nutzen wollte. „Und ich hatte auch eine Absicherung in diesem Tunnel, falls du es doch nicht getan hättest.“   „Wie überaus rücksichtsvoll von dir.“, erwiderte Neji tonlos. „Du wirst aber feststellen, dass deine Auswege versperrt sind, Nara…“   Der Hyūga hielt abrupt am Ende des Bettes inne. Shikamaru versteifte sich und sah zu, wie sich diese kristallkalten Augen hoben. Ihre Blicke trafen sich; ebenso wild wie sie auf der Lichtung in Hanegakure gewesen waren.    Ein weiterer strahlender Blitz erleuchtete den Himmel und ein weiteres Donnerrollen ritt erschütternd auf dem Wind.    Und dem folgte etwas, das so tödlich ruhig war, dass es doppelt so zerstörerisch war wie die Elemente.    Nejis Stimme.    „Hiervon gibt es keinen Ausweg.“   Shikamaru stürzte los.    Er bewegte sich so schnell, dass die Matratze nicht einmal nachgab.    Wie ein Blitz spurtete der Schattenninja im Zickzack; täuschte rechts an und sprang nach links, nutzte die Subtilität von Bewegungen, die sein Vater ihn gelehrt hatte. Es hatte ihm mehr Verletzungen durch systematisches Ausprobieren eingebracht, als sein Körper katalogisieren konnte.    Nara Shinobi verließen sich explizit darauf, wenn es darum ging, Geschwindigkeit gegen eine überlegene Stärke auszuspielen.    Wäre Nejis Byakugan aktiviert gewesen, dann hätte es vermutlich nie funktioniert. Aber die subtilen Veränderungen in Shikamarus Beinarbeit bewahrte ihn um Haaresbreite vor einem Zusammenstoß. Neji schwang herum, um dem Türrahmen auszuweichen und Shikamaru schoss wie ein Pfeil an dem Jōnin vorbei und hinein in den dunklen Tunnel des Korridors.    Er kam nicht weit.    Schmerz explodierte in seinem Schulterblatt.    Die Wucht des Schlages hämmerte ihn seitwärts und er krachte hart in die Wand, drehte und duckte sich, als Nejis Handballen gegen die Mauer donnerte.    SCHEIßE!   Shikamaru schnellte nach oben und seine Faust schoss auf Nejis Kiefer zu. Der Jōnin wich mit Leichtigkeit aus und wirbelte herum, um sein Knie in die Kurve von Shikamarus Wirbelsäule zu rammen. Der Aufschlag schleuderte ihn vorwärts und er folgte dem Momentum mit einer fließenden Rolle, kam wieder auf die Beine und bog aus dem Gang in die schwarze Höhle des Wohnzimmers ein.    Während er sich hinter das Sofa duckte, krümmte der Schattenninja einen Arm nach hinten, um mit den Fingern über sein Schulterblatt zu fahren. Als er die Hand zurückzog, waren seine Finger nass und klebrig von Blut.    Mit was hat er mich da getroffen?   Shikamaru verzog das Gesicht und biss die Zähne mit einem Zischen zusammen.    Spannung verdichtete die Luft und knackte mit Gewalt; pulsierte wie ein Herzschlag.    Beruhige dich. Atme. Denk nach.   Shikamaru verharrte in seiner Hocke und sog geräuschlos Luft ein.    Während er kalkulierte, schätzte er gleichzeitig ein, wie viele stumpfe Gegenstände er zu seinem Vorteil nutzen könnte. Auf keinen Fall würde Nejis Blut jetzt schon wieder normal gerinnen. Ihn mit der Absicht anzugreifen, ihm offene Verletzungen zuzufügen, wäre desaströs.    Genauso, wie verfickt nochmal gekillt zu werden, du Genie.   Doch der Gedanke ließ ihn kalt. Ebenso kalt wie die Absicht zu töten; die Neji ganz offensichtlich verfolgte, wenn das Versprechen in seinen Worten und Handlungen irgendwie ernst zu nehmen war.    Schnelligkeit. Das ist alles, was du hast.   Was rohe Gewalt und brachiale Stärke anging, hatte Neji ganz klar den Vorteil auf seiner Seite. Und wenn dem man noch die Absicht hinzufügte, diesen Vorteil auch gnadenlos zu nutzen, dann beschränkten sich Shikamarus Optionen sehr schnell auf die Möglichkeiten, die essentiell davon abhingen, wie schnell er sich bewegen könnte oder wie zur Hölle er Nejis Gleichgewicht lange genug ins Wanken bringen konnte, um durchbrechen zu können.    Er spähte zum Fenster und versuchte, eine Reflexion des Hyūga einzufangen.    Halte Abstand und sieh zu, dass du verfickt nochmal hier raus kommst.   Aufmerksam lauschte er nach Bewegungen, während er sich vorsichtig und tief geduckt durch den Raum bewegte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange sich Neji eigentlich schon im Haus befand; geschweige denn, durch welchen Raum der Hyūga überhaupt eingestiegen war. Nicht, dass es jetzt noch irgendeine Rolle spielte; jeder Eingang war auch ein Ausgang und Shikamaru musste ihn schnell nehmen. Rasch kalkulierte er die schnellste Route mit den meisten Hindernissen zwischen ihnen.    Er stemmte sich in eine Hocke.    Dann legte er seine Hand auf die Kante des Tisches.    Die gesamte Oberfläche davon ruckte nach oben zu seinem Gesicht.    FUCK.   Shikamaru zuckte zurück und das Holz traf beinahe seinen Kiefer, als Neji den Tisch mit einem heftigen Tritt umwarf. Er flog zur Seite und krachte knackend gegen das Sofa. Der Nara strampelte sich mit den Beinen nach hinten und packte den Griff eines Geweihornaments, das über den Boden gefallen war. Er wirbelte es in seiner Hand herum, um mit dem stumpfen Ende zuzuschlagen, während er auf die Füße kam. Das Aufblitzen von Nejis Hitai-ate verriet seine Position.    Shikamaru schätzte den Abstand ein und bewegte sich, um aus reinem Instinkt einen Treffer zu landen.  Draußen zuckten wilde Blitze.    Nejis Augen flackerten wie glühende Opale auf.    Shikamarus Herz zog sich zusammen und er veränderte seine Zielrichtung.    Der Schlag prallte von Nejis Schlüsselbein ab und verfehlte den Vagusnerv vollständig.    Sein Zögern kam ihn teuer zu stehen.   Die Handfläche des Hyūga rammte sich in seine Brust und katapultierte ihn durch den Raum wie ein Blatt, das von einem Sturm erfasst wurde. Seine Wirbelsäule krachte mit einem scharfen Knacken gegen die Wand und er sackte nach vorn auf seine Unterarme und Knie; die Luft wurde ihm aus den Lungen gerissen und ließ ihn atemlos und benommen zurück.   „Erbärmlich.“, bemerkte Neji ebenso harsch wie sein Schlag. „Ziel auf lebenswichtige Organe, Nara. Du solltest inzwischen gut darin sein. Ich habe kein Problem damit, dein Blut zu vergießen, also solltest du am besten damit anfangen zu versuchen, dir meines zu holen.“   Shikamaru kratzte einen schwachen Atemzug zusammen und sog ihn durch die Nase ein, während er energisch den Kopf schüttelte.    „Ich werde dir das nicht antun…“, keuchte er.   Nicht nochmal.   „Natürlich; du brauchst einen direkten Befehl dafür, oder?“, biss Neji zurück und die glatte Apathie in seiner Stimme wich beinahe einem Beben. „Ich hingegen brauche keine Erlaubnis für das, was ich mit dir machen werde.“   Shikamaru schüttelte scharf den Kopf und versuchte, etwas über das pochende Hämmern seines Pulses hinweg hören zu können, der wild ausschlug, als er bemerkte, wie Neji durch den Raum schritt; und das mit raubtierartigen Bewegungen, die beinahe schon verführerisch wirkten.    „Allerdings werde ich dir die Manipulationen ersparen, mit denen du mich beehrt hast.“, murmelte der Hyūga und strich um die Möbel herum wie eine eisige Brise. „Nicht einmal ich bin ein so guter Schauspieler.“   Shikamaru zuckte angesichts der Worte zusammen und Zorn rang mit dem Schmerz, der sich in seine Augen drängte.    „Es war kein Schauspiel.“, knurrte er und schob sich taumelnd hinauf auf die Knie und weiter auf die Füße, während einen Arm zur Seite warf, um sich an der Wand abzustützen. Seine Finger tasteten sich voran – suchten nach dem Lichtschalter.    „Nein. Es war nur ein Spiel.“, verkündete Neji und umrundete eine weitere Couch. „Und jetzt bin ich am Zug. Ich werde nicht gegen dich verlieren.“   Shikamaru betätigte den Lichtschalter.    Nichts.    Fuck.   „Deine Schatten werden dich diesmal nicht retten.“   Ein Muskel zuckte in Shikamarus Kiefer und seine Augen schnellten suchend durch die Dunkelheit. Der Regen stürzte vor den Fenstern endlos zu Boden und fing Funken von dem Licht des Sturmes auf.    Sieh zu, dass du nach draußen kommst.   Er würde eher sein Glück mit den Blitzen versuchen, als mit Neji – wenn es darum ging, wer ihn dabei schneller erwischen würde, könnte er seine Wetten gleichermaßen auf den Sturm und Neji setzen. Er schob sich die Wand entlang und schätzte den Abstand und die Möglichkeiten ein, diese Distanz zwischen ihnen aufrecht zu erhalten. Doch da war ein unerträglicher Schmerz, der sich in seiner Brust aufbaute und er hatte rein gar nichts mit dem Schlag zu tun, den er einstecken musste.    „Es war kein Spiel.“, sagte Shikamaru heiser.    „Es war niemals irgendetwas anderes.“   Ein weiteres Aufflackern von Illumination und Shikamaru erhaschte ein Aufblitzen des Gesichtes, das ihn seit Tagen heimsuchte. Ein flüchtiger Blick auf transluzent blasse und hagere Haut, die sich straff über die Konturen einer knochigen Struktur spannte, die definierter wirkte, als er sie jemals gesehen hatte.    Doch das war nichts im Vergleich zu Nejis Augen.    Das opaleszente Leuchten war verschwunden und ließ sie hart und abgetötet zurück.    Wie einen leblosen Stein.    ‚Du hast mich umgebracht…bevor es das schaffen konnte.‘   Shikamaru hörte sofort auf, sich zu bewegen.    Er presste sich gegen die Wand und war plötzlich nicht mehr in der Lage zu denken oder auch nur einen einzigen Schritt zu tun; seine Augen schlossen sich gegen den Kummer und die Traurigkeit, die seinen Körper in Kaskaden durchwogten. Sie waren stärker als die Panik in seinem Blut und stärker als der Schmerz in seinem Körper.    „Du hast eine Schwäche gesehen und sie ausgenutzt.“, fasste Neji mit erzählerischer Stimme zusammen, während er die Distanz in einer langsamen und gemessenen Geschwindigkeit schloss. „Gratuliere, Nara. Das habe ich nicht kommen sehen.“   „Nein…“ Shikamaru schüttelte seinen Kopf gegen die Wand; Schmerz verkrampfte sich sowohl seine Wirbelsäule hinauf und in seinem Inneren. „Das ist es nicht.“   „Das ist genau das, was es ist.“, konterte Neji und stürzte nach vorn.    Shikamaru ließ sich fallen und rollte sich mit einem Zischen ab. Energisch ignorierte er das Aufflammen von Schmerz in seiner Schulter, als er wieder auf die Füße kam und in Richtung der Küche spurtete. Neji holte ihn ein und rammte mit einer Wucht in ihn, die ihn über die Tischoberfläche schleuderte. Mit einem Krachen aus Gliedern und bemalten Tellern schlug er auf dem Boden auf.    Keramik schnitt sich in seine Seite und biss sich in seinen Arm, als er sich wimmernd herum drehte.    Er hörte, wie Scherben unter Nejis Sandalen knirschten.    Die stete Geschwindigkeit strahlte pure Kontrolle und Zerstörung aus. „Wehr dich, Nara.“   Angestrengt zerrte sich Shikamaru auf dem Ellbogen nach hinten und kickte hart gegen einen der Stühle, um ihn gegen die sich nähernde Gestalt zu katapultieren. Nejis Faust donnerte direkt durch ihn hindurch; zerbarst Holz als wäre es dünnes Glas.    Shikamarus Augen weiteten sich.    Er packte die ersten Waffen, die ihm irgendwie zur Verfügung standen und warf einen Teller nach dem anderen durch die Luft in Richtung der Schritte. Er wartete gar nicht darauf, ob er getroffen hatte, sondern beugte sich nach vorn, kam taumelnd auf die Beine und rannte los, während er einen Arm nach oben hielt, um sein Gesicht vor den Tellerfragmenten zu schützen, die wie Schrapnelle um ihn herum explodierten.    Raus. Beweg dich.   Er spurtete in das Wohnzimmer, stolperte über die Couch und den umgestoßenen Tisch und hastete zur Terrassentür. Seine Schulter traf mit einem Knacken auf das Shoji Paneel, das ein schmerzhaftes Rucken über seine Wirbelsäule jagte.    Ein Teller zerbarst direkt neben seinem Kopf.    BEWEG DICH!   Er riss die Tür zur Veranda auf.    Regen peitschte ihm in heftigen Bahnen ins Gesicht und die Welt jenseits des Hauses wurde von Donner erschüttert, während sie von weißen Streifen erhellt wurde, die den Himmel zerrissen.    Renn!   Der Sturm brüllte wie ein entfesseltes Biest.    Shikamaru schirmte seine Augen ab, zog den Kopf ein und warf sich selbst zwischen die Kiefer des Monstrums aus Elementen.    oOo   Das Feuerzeug schloss sich mit einem Schnappen, klappte auf, schnappte zu, klappte auf.    Wieder und wieder; ein stetes Klicken in dem unbeleuchteten Raum. Die Dunkelheit wurde nur von dem Zucken der Flamme unterbrochen, die verschwand und wieder auftauchte wie ein Glühwürmchen, das durch das Schwarz flog.    „Asuma…?“   Der Jōnin hielt inne; sein Daumen verharrte an dem glänzenden Gehäuse, während seine Augen von ihrem ausdruckslosen Starren in den Regen aufsahen. Die Flamme des Feuerzeugs zuckte leicht und verwandelte die Iriden des Sarutobi in Bronze.    In dem düsteren Zimmer war die Frau, die gesprochen hatte, zum Großteil in Schatten getaucht und vermittelte Asuma den verschleierten Eindruck einer zerzausten Mähne aus dunklem Haar, das sich von dem eleganten Faltenwurf blasser Seidenroben abhob, die locker zugebunden waren und in einem hauchzarten Tanz um lange Beine und nackte Füße wogten.    Ich muss an irgendeinem Punkt meines Lebens irgendetwas richtig gemacht haben, um das zu verdienen.    Er lächelte, als sie näher kam. „Ich rauche nicht, keine Sorge.“   Karmesinrote Seen musterten ihn sanft. „Du hörst immer nur dann damit auf, wenn du wegen etwas besorgt bist. Was ist los?“   Asumas Lächeln geriet ins Wanken. Er ließ das Feuerzeug zuschnappen und legte es neben die unberührte Zigarettenschachtel auf dem Tisch. Vier ganze Tage ohne einen einzigen Zug hätten seine Nerven eigentlich komplett aufreiben müssen; vielleicht war es also eine gute Sache, dass sie stattdessen vor Besorgnis vollkommen verknotet waren. Aber das war nicht das Einzige, was sie zusammenhielt.    Langsam lehnte er sich in der Couch zurück und streckte wortlos eine Hand aus.    Kurenai lächelte warm und verschränkte ihrer Finger ineinander; lilienweiße Glieder verwoben sich mit bronzefarbenen.    „Shikamaru.“, sagte sie nur.    Asuma seufzte und zog sie an sich. „Vermutlich werde ich den Jungen einfach umbringen.“   „Wenn du ihn denn zu fassen bekommst.“, triezte Kurenai zaghaft und schob sich auf seinen Schoß, während sie mit der freien Hand über die breiten kraftvollen Konturen seiner Brust strich und anschließend eine verkrampfte Schulter massierte. „Er wird es dir erzählen, wenn er soweit ist, Asuma.“   „Wie er das mit meinen Händen um seinen Hals anstellen will, ist mir ein Rätsel.“, grummelte der Jōnin mit ruppiger und schläfrig-heiserer Stimme.    Kurenai kicherte leise; der Klang schaffte es sofort, ihn mit Wärme zu erfülle. Er sah zu, wie sie ihre verschränkten Finger an die Lippen hob und einen zärtlichen Kuss auf seine Knöchel hauchte.    „Ist doch kein Wunder, dass er sich so verhält, wenn du ihm hinterher schnüffelst wie ein Ninjahund.“   Asuma zog die Brauen zusammen und sein Blick wanderte auf der vergeblichen Suche nach Antworten über ihr Gesicht. „Vier Tage, Kurenai…“   „Ich weiß.“, murmelte sie und zog ihre verschränkten Hände an ihr Herz. „Was willst du denn sonst noch tun? Du musst ihm einfach vertrauen.“   „Ja, ich vertraue ihm dabei, sich aus dem Staub zu machen. Und er wird dabei immer hinterhältiger und gerissener. Ich wünschte, ich könnte deswegen glücklich sein.“   Kurenai schmunzelte und drückte leicht seine Finger. „Ich weiß, dass du dir Sorgen um ihn machst.“   Asuma seufzte, lehnte seinen Kopf zurück gegen das Sofa und sah zu, wie die Spiegelungen des Regens über Kurenais Haut spielten. Wenn er über diese ganze Sache doch einfach nur die Achseln zucken könnte. Doch das krampfartige Gefühl in seinem Inneren war stark genug, um seinen Drang zu rauchen einzudämmen – das war nicht mehr passiert, seit sein alter Herr gestorben war. Trotz all der Dinge, um die er sich normalerweise nicht scherte, gab es doch ein paar Ausnahmen von seiner entspannten Regel und nur bei ein paar ausgewählten davon handelte es sich um Personen.    Was hat dich dazu gebracht, dich zu verstecken, Shikamaru?   Er hatte jeden Winkel in seinem Verstand abgesucht, aber nichts als Sackgassen vorgefunden.    Asuma wusste, dass was auch immer es war – es hatte Shikamaru bereits vor der Mission nach Hanegakure beschäftigt. Die Art und Weise, wie der junge Nara auf den Teamwechsel reagiert hatte, war Hinweis genug gewesen; nicht zu erwähnen die ganze Sache mit den Nijū Shōtai.    „Asuma?“   Das sanfte Rufen seines Namens zog ihn zurück aus seinem Grübeln. Schweigend sah er zu Kurenai auf und hob seine freie Hand, um ein paar dunkle Strähnen aus ihrem Gesicht zu schieben. Wie eine Katze neigte sie ihren Kopf in seine Berührung und lächelte müde. Asuma schmunzele und legte seinen Kopf in die andere Richtung.    „Ninja Hunde. Eigentlich gar keine so schlechte Idee.“   „Asuma…“   Er schlang mit einem wölfischen Grinsen einen bronzenen Arm um ihre Taille. „Ich mag es, wie du denkst.“   Kurenai schnaubte spottend, doch ihre Augen waren voller Wärme. „Nun, ich glaube fast, dass du langsam weich wirst, Sarutobi.“   Asuma hob eine Braue und ein Hauch von Schabernack tanzte in seinen Augen, als er sie in einer spielerischen Warnung zusammenzog. „So, glaubst du das, huh?“   Kurenai fuhr mit ihren Fingern rasch über seinen bärtigen Kiefer hinauf bis zu seiner Schläfe und über seine Stirn und imitierte dabei rennende Füße. „Ich denke auch, dass dein liebster Schüler wahrscheinlich in der Lage sein wird, einen alten Wolf wie dich abzuhängen.“   Asumas Lippen bogen sich. Er wusste, dass sie versuchte, ihn abzulenken, ohne seine Sorge einfach so abzutun.    Er spannte seinen Arm um sie herum an und brummte tief. „Kannst du es?“   „Hmn?“ Mit ihren Fingern über seinem Mund hielt sie inne.    Asuma schnappte mit einem Grinsen nach den schlanken Gliedern. „Mich abhängen.“   Ihre Blicke hielten sich für ein paar Herzschläge und sie wurden näher gezogen von den Fäden aus Anziehungskraft und Zuneigung. Und dann sprang Kurenai auf einmal auf und rannte so schnell los, dass Asuma beinahe in den Tisch krachte, als er versuchte, sie an der Hüfte zu fassen zu bekommen.    Wie bei Erwachsenen, die wieder zu Kindern geworden waren, erfüllten die Geräusche ihrer kleinen Jagd die Wohnung. Sie erreichten ihren Höhepunkt in dem hohen Giggeln der rennenden Kunoichi und dem tiefen Rollen von Asumas Lachen, als er sie verfolgte.    Sie stürzten sich mit ihren feuergefangenen Herzen in das Spiel.    Draußen tobte und raste der Sturm.    Und auf der anderen Seite des Dorfes, schlugen zwei Herzen heftig in einer ganz anderen Art der Jagd.    oOo   Der Nara Wald.   Es war die unvermeidbare Fluchtmöglichkeit, vielleicht auch die einzige Fluchtmöglichkeit.   Der einzige Ausweg.    Und genau deswegen nahm Neji einen Weg, der den des rennenden Chūnins abschneiden würde, sodass er ihn abfangen konnte. Er würde weder gegen die Sicherheit des Waldes verlieren, noch den Hirschen ein Leid zufügen, um den Schattenninja zu fangen, den die Tiere mit Sicherheit beschützen würden.    Beschützen…   Nejis Lippen verzogen sich zu einem Knurren und der bösartige Zorn in ihm riss dieses Wort in Fetzen.   Er durfte nicht zögern.    Es würde ihn nur seine Schnelligkeit kosten; und die Stärke, die er jetzt brauchte.    Einmal entfesselt, war dieses lauernde Etwas in ihm explodiert; ein Rausch reiner und unverfälschter Raserei. Es trieb ihn vorwärts und verwandelte seinen Körper in eine einzige Woge raubtierhafter Muskeln. Jede Gliedmaße arbeitete in vollkommener Synchronisation mit den anderen, um ihn wie eine Waffe in die Nacht zu schleudern; wie eine Klinge schnitt er durch das undurchsichtige Prasseln des Regens.    Er schloss die Distanz schneller, als Shikamaru sie errichten konnte.    Der Nara fiel kostbare Meter zurück; ob es dabei an Verletzungen oder dem Mangel an Schuhwerk lag, machte keinen Unterschied. Shikamaru würde erfahren, wie es war, zu verlieren. Für Neji bedeutete das einen unausweichlichen Sieg und er würde ihn sich mit derselben kalten und distanzierten Objektivität nehmen, die Shikamaru genutzt hatte, um ihn mit Schatten fest zu ketten und einzusperren wie ein davon gelaufenes Haustier, das geimpft und dann an den Hyūga Haushalt zurückgegeben werden musste.     Bastard…   Er war durch Zärtlichkeit gezähmt worden; nur um damit in einen weiteren Käfig geführt zu werden.    Wie ein wildes Tier.    Wie passend also, dass er jetzt der Jäger war.    Er konnte den Schattenninja in der Ferne erkennen; er konnte die glatten nassen Ebenen seines Rückens sehen, während der Regen über die aufgeplatzte Haut strömte. Die Luft war wie Eis. Neji hoffte, dass sie den Nara ebenso verbittert zurückließ, wie es diese Jagd mit ihm machte.   Hier ist kein Platz für Gefühle…   Er knurrte tief und stürzte sich noch schneller vorwärts.    Hemmungslos ließ er die heiße Flut aus Zorn durch ihn peitschen und das verräterische Aufblitzen von Emotionen ertränken; Emotionen, die in ihn geatmet worden waren, nur um ihn damit zu korrumpieren.    Lügen. Ein Spiel. Eine Mission. Ein Mittel zum Zweck.    Und dann – das leiseste Wispern einer Stimme, die so weit hinten in seinem Verstand eingeschlossen war, dass er kaum bemerkte, dass sie da war. Eine Stimme, die nicht zornig war, nur unglaublich und qualvoll traurig.    Warum, Shikamaru?   Der Schmerz war wie Sprengstoff; doch genauso war es die Wut, die ihm folgte. Neji verschlang die letzten Schritte zwischen ihnen mit einem plötzlichen Ausbruch von Aggression, der ihn direkt in Shikamarus Seite rammte wie einen Hammer auf einen Amboss.    Etwas knackte scharf und laut.    Shikamaru würgte einen gellenden Schmerzschrei hervor, der es beinahe schaffte, den roten Nebel in Nejis Verstand zu durchdringen.    Beinahe; aber eben nicht ganz.    Hart schlugen sie auf dem Boden auf und krachten mit einem ekelerregenden Quetschen und Gleiten in den Teppich aus nassem Laub und Schlamm. Die regengeprügelte Erde wurde unter ihnen aufgewühlt, während sie miteinander rangen und der Matsch haftete wie klebrige Finger an ihnen.    Ein weiterer weißer Riss versengte den Himmel.    Neji schwang sein Bein herum und setzte sich rittlings auf den Körper unter sich, ruckte heftig an einem von Shikamarus Armen und pinnte das Handgelenk des Nara über seinem Kopf fest. Der Winkel zog den Rippenbogen des Chūnins wie auf einer Streckbank lang und der strangulierte qualerfüllte Schrei, den die Dehnung aus Shikamarus Kehle riss, wurde vom Donner ertränkt.    Neji hörte es nicht.    Alles, was er hören konnte, war das Brüllen von Blut in seinen Ohren und das Heulen des Windes.    Blitze knisterten und gingen in kurzer Entfernung wie gezackte Bolzen nieder.    Nejis Augen verengten sich und ruckartig kam er zurück auf die Füße, wobei er Shikamaru unsanft mit sich zerrte.    Er würde nicht zulassen, dass der Sturm all den Schaden anrichtete.    Benommen von dem Sturz und welchen Schmerzen auch immer, die er durchleiden musste, unternahm Shikamaru nur einen sehr schwachen Versuch, sich zu wehren, den Neji mühelos im Keim erstickte, indem er den Nara gnadenlos zurück zum Haus trieb. Derselbe Ausgang, den Shikamaru genommen hatte, wurde jetzt der Zugang und Neji stieß den Schattenninja mit dem Kopf voran in den Raum.    Und diesmal überraschte Shikamaru ihn.    Der Nara fing sich mit einer Hand gegen die Sofalehne ab, schob sich nach oben und wirbelte unbeholfen herum. Neji wehrte den Hieb gegen sein Gesicht ab und verhakte ruckartig ihre Handgelenke, bevor der Schlag treffen konnte. Das Geweihornament in Shikamarus Hand kratzte beinahe über die Wange des Hyūga.    „Hn.“ Neji spähte aus dem Augenwinkel auf die provisorische Waffe. „Nutzt du diesmal das scharfe Ende? Wie es scheint befinden wir uns endlich auf derselben Wellenlänge.“   Shikamarus Gesicht verzog sich vor Schmerz.    Neji redete sich selbst ein, dass es rein physischer Natur war und dass der Ausdruck in diesen dunklen Augen nichts weiter als ein Trugspiel der Schatten und des mageren Lichtes war. Er wagte es nicht, sich zu lange auf irgendeinen Aspekt der Gesichtszüge des Nara zu konzentrieren.    Und in der Dunkelheit ging das auch nur allzu leicht.    In der Dunkelheit musste er nicht Shikamarus Blut und die Verletzungen sehen – sie waren ebenso unsichtbar wie die rohen Bruchstücke in seiner eigenen Brust. Wie leicht es war, einfach zu verleugnen und sich nur darauf zu konzentrieren, um sich zu schlagen, statt sich dem Schmerz zu stellen, den es verursachte und dem Blut, das dadurch vergossen wurde.    Und dann ließ Shikamaru das Geweih los.    Scheppernd schlug es auf dem Boden auf.    Angewidert schubste Neji ihn mit einem Knurren zurück. „Heb es auf.“   „Nein…“   Shikamaru krümmte einen Arm über seine Rippen und die von Knochen durchbohrte Haut. Sein Körper schimmerte vor Regen und Schweiß und etwas anderem, das rot gewesen wäre; und roher als beides, als er schwer keuchend zurück taumelte.    „Du hast einen verhängnisvollen Fehler begangen, wenn du dachtest, dass ich das einfach so auf sich beruhen lassen würde, Nara.“   „Ich habe niemals…gedacht…dass du das tun würdest…“, erwiderte Shikamaru qualvoll nach Luft schnappend. „Ich habe…niemals erwartet, dass du…“   „Deine Worte sind nichts weiter als Asche auf einer Zunge aus Lügen.“   Shikamarus Miene wurde düster und seine Stimme angespannt. „Ich würde darauf wetten, dass du dich dadurch mehr in der Kontrolle fühlst.“   Freudlos bogen sich Nejis Lippen nach oben. „Wirklich clever, Nara. Ich habe nichts weniger von dir erwartet. Meine Werte dafür zu nutzen, um mich zu manipulieren; ist schließlich nicht so, als wäre dir das nicht dienlich gewesen.“   „Das ist nicht wahr.“   Neji verhärtete seine Gesichtszüge, bevor er sich näherte. „Ach nein? Dann sag mir nochmal, dass du nur Befehle befolgt hast. Auf einen Schlag entscheidet sich ein immerzu wegrennender Feigling wie du dazu, sich wie ein pflichtbewusster Shinobi zu benehmen.“   „Nein, das ist nicht der Grund, aus dem ich es getan habe…“   Neji schnaubte und ließ zu, dass sein Zorn alle Gefühle auslöschte; eine sterbende Flamme in dem kalten Abgrund seiner Brust. Er näherte sich einfach immer weiter und zwang Shikamaru den Gang entlang zurück zum Zimmer des Nara.    „Erspar mir dein Gefasel, Nara.“, spie Neji überschäumend und verbittert aus; und da war noch etwas anderes dazwischen. „Du hast wissentlich meine Chance aufs Spiel gesetzt, das zu erreichen, von dem du genau wusstest, dass ich mein Leben dafür geben würde.“   „Und genau deswegen konnte ich es dich nicht tun lassen.“, krächzte Shikamaru und hielt so plötzlich inne, dass Neji ebenfalls stehen blieb und einen Schlag erwartete.    Doch der Nara machte keinerlei Anstalten, ihn anzugreifen.    Mit einem zerfetzten Keuchen lehnte er sich gegen den Türrahmen.    „Dein Leben ist mehr wert als dein finales Ziel…“, sagte Shikamaru und seine Stimme wurde schwer und rau vor Emotionen. „Und auch wichtiger als das, was auch immer ich für dich…“ Er brach ab und schüttelte den Kopf.    „Was auch immer du was, Nara?“   Shikamaru schloss die Augen und drehte seine Stirn gegen den Rahmen, als er sich darum bemühte, die Worte aus seiner Kehle zu zwingen. „Ich habe es dir schon gesagt…wenn du mich hassen musst…dann hasse mich…“   Nejis Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. „Wie nobel von dir.“   „Daran ist überhaupt nichts Nobles…“ Shikamarus Wimpern hoben sich ein wenig und offenbarten dunkle Augen, die seltsam erleuchtet waren, trotz des Mangels an Licht. „Aber ich kann es immer noch ertragen, dass du mich hasst…“   Für einen Moment schien der rote Nebel, der in Nejis Kopf wogte, dünner zu werden und sich in etwas weniger Konzentriertes aufzulösen. Etwas, das sich weniger sicher war. Shikamaru begegnete seinem Blick und die kummervolle Stimme des Nara wurde von krampfigen Atemzügen begleitet.    „Denn das zu tun, was ich tun musste…und daran zu denken, was passiert wäre, wenn ich es nicht getan hätte…oder es anders versucht hätte…das Ergebnis wäre immer dasselbe gewesen…und das zu wissen zerreißt mich schlimmer, als du es jemals könntest.“   Neji versteifte sich an Ort und Stelle.    Unfähig, darauf zu reagieren; unfähig zu denken, während diese Worte durch seinen Verstand schwebten.   Lügen…   Verzweifelt packte er nach dem rücksichtslosen Zorn in ihm; hielt sich an dem Bedürfnis fest, den zu strafen und zu attackieren, der ihn so tief zerbrochen und verraten hatte.    Doch die Wut entglitt seiner Reichweite.    Sie entschwand zwischen den Stäben, die nicht existierten, denn jetzt gab es nichts mehr, das sie hielt; keine Zurückhaltung, keine Kontrolle, keine Fluchsiegel oder Chakrablockaden. Götter und wenn die Wut entschwand…dann würde nur noch eine einzige Sache übrig bleiben; das verletzte Etwas in seiner Brust, das von seinem Zorn beschützt wurde.   Das Etwas, das roboterhaft um sich schlagen sollte; nicht noch einmal zerbrechen.   Nein…   Nejis Augen weiteten sich.    Götter, wenn er nicht schützen konnte, was von seinem Herzen noch übrig war; welchen Nutzen hatte er dann noch dafür?   Er wich einen Schritt zurück; aufgerüttelt und nieder gerissen zur selben Zeit.    „Neji…“   Shikamaru beging den fatalen Fehler, eine Hand nach ihm auszustrecken.    Und mit einem Aufblitzen, das ebenso plötzlich kam wie eine Stichflamme war der Zorn zurück und drängte sich an die vorderste Front von Nejis Verstand, um den Teil von ihm zu schützen, der vielleicht auf die Berührung geantwortet hätte; der vielleicht sogar lange genug über die Wut hinweg gesehen hätte, um zu fühlen, was darunter lag.    NEIN.   Neji knurrte und sprang vorwärts, um Shikamarus Hand zur Seite zu schlagen und ihn so brutal zurück zu stoßen, dass der Nara quer durch das Zimmer katapultiert wurde und mit einem Federn auf dem Bett aufschlug, das ihn gleich wieder davon herunter geworfen hätte, wenn Neji sich nicht auf ihn gestürzt hätte.    Shikamaru schrie gellend vor Schmerz auf und versuchte, stabilisierend und schützend einen Arm um seine Rippen zu schlingen.    Neji war vollkommen taub für seine Qual und blind für seine Panik; pinnte ihn rücksichtslos fest.    Opalaugen überzogen sich mit gefühllosem Frost.    „Es macht dir Spaß, meine Wunden aufzureißen, oder, Nara?“, zischte er mit einer Stimme, die so kalt war wie flüssiger Stickstoff und die Luft mit jeder Silbe in arktische Temperaturen tauchte. „Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, um ein paar von deinen aufzureißen.“   Shikamarus Augen weiteten sich und ihr feuchtes Schimmern wurde schlagartig von einer Welle aus Furcht erfüllt, die sich rasch zu eiskaltem Obsidian verhärtete. Er wurde vollkommen ruhig und sehr still unter Neji und starrte durch Augen zu ihm hinauf, die plötzlich unlesbar waren.    „Geh runter von mir, Neji.“, sagte er mit leiser und harter Stimme.    Da. Eine Narbe. Eine Wunde.    Die Reaktion machte Nejis Iriden noch wilder und er packte härter zu; die eine Hand um Shikamarus Kehle gelegt und die andere nagelte das linke Handgelenk des Schattenninjas fest, während das rechte unter seinem Knie gefangen war.    „Du bist nicht der Einzige, der Narben aufschneiden kann.“   „Geh runter von mir.“   Neji beugte sich weiter nach vorn; Regenwasser tropfte aus seinen Strähnen und auf Shikamarus Gesicht. Es rann über die scharfen Konturen, die von einer Maske verhärtet wurden, die es jedoch nicht schaffte, die Wahrheit zu verbergen. Angst. Angst unter stählernem Zorn. Neji konnte es beinahe riechen. Er packte Shikamarus Kehle fester und krümmte seinen Daumen, um damit über den Kiefer des Nara zu streichen; eine Parodie von Zärtlichkeit.    „Du hast gesagt, niemand hätte dich jemals so gesehen und so berührt, wie ich es getan habe.“, säuselte er. Seine Lippen schwebten nahe genug an Shikamarus, um erkennen zu können, dass der Schattenninja den Atem anhielt. „War das eine weitere Lüge, Nara?“   „Geh. Runter. Von. Mir.“   „War es das? Ich glaube ja, dass mir da jemand anderes zuvor gekommen ist.“   Shikamaru schloss die Augen. „Ich werde mich nicht mit dir dorthin begeben.“   „Wer war es?“ Neji strich ihre Lippen übereinander; sein Atem liebkoste Shikamarus Mund wie ein Todeskuss – gespenstisch und eisig. „Wem hast du diese Kontrolle über dich gegeben, Shikamaru?“   „Kontrolle…“ Shikamaru knurrte und riss mit noch immer geschlossenen Augen seinen Kopf zur Seite. „Bei dir geht es immer wieder nur darum, oder?“   Neji hob eine Braue und drehte den Kopf, um seine Lippen weiterhin in kalter Intimität direkt über Shikamarus halten zu können. „Du solltest es wissen. Aber das hast du ja bereits, oder?“   Shikamarus Lider pressten sich noch fester zusammen.    Nejis Finger schnellten nach oben und zwangen das Kinn des Nara in seine Richtung. „Du hast es gewusst und trotz dieses Wissens hast du sie mir entrissen, als ich am schwächsten war.“   Shikamarus Augen flogen auf und glühten wie heiße Kohlen. „Das ist nicht, was passiert ist!“   „Ach nein?“, konterte Neji und eine scharfe Kante schlich sich in seine Stimme. „Dann sag mir, dass dazu gezwungen zu werden sich ‚zu fügen‘ nicht viel anders war als das, was auch immer dir zugestoßen ist.“   Die Schneide seiner Worte traf genau ins Schwarze.    Shikamaru bockte scharf nach oben und grollte gegen seinen Mund. „Wie zur Hölle kannst du das dasselbe nennen?!“   „Ist es das, was mit dir passiert ist, Nara?“   Ebenso schnell wie Shikamarus qualvoller Zorn explodiert war, schrumpfte er wieder zu einem kontrollierten Brennen zusammen, das tief in diesen dunklen Seen schwelte. Neji spürte, wie der Kiefer des Nara in seiner Umklammerung zuckte und er beobachtete, wie sich die Sehnen im Hals des Schattenninjas ruckartig straff zogen.    Nur der Donner sprach und brüllte tief, während der Regen herab stürzte.    Neji ließ seine Augen über das beschattete Gesicht unter sich wandern; musterte es intensiv. „Was ist dir zugestoßen?“   Shikamaru schluckte schwer und würgte ein bitteres Schnauben hervor. „Was denn, stehst du etwa auf den Gedanken daran, Hyūga?“   „Beantworte meine Frage.“   „Nein.“   „Wer war es?“   „Fahr zur Hölle, Neji.“   „Du hast mich bereits dorthin geschickt. Sag es mir…“ Neji lehnte sich nach vorn und ihre Stirnen berührten sich beinahe; es täuschte Zärtlichkeit auf eine so bittere Weise vor, dass es nach Galle schmeckte. „War es jemand, dem du ebenso sehr vertraut hast, wie ich dir?“   Shikamarus Lider pressten sich hart aufeinander und seine Gesichtszüge zuckten heftig. „Wenn du einen weiteren Grund haben willst, um kämpfen zu können…dann werde ich dir einen geben…aber nicht diesen…“   „Du musst mir nicht wirklich einen Grund geben, Nara. Ich versichere dir, dein Verrat hat bereits alle Kriterien dafür erfüllt.“   „Ich habe es nicht getan, um dich zu verraten.“   „Natürlich, denn es war ja nichts Persönliches, oder?“ Neji zog seinen Kopf etwas zurück und fuhr mit den Lippen über Shikamarus aufgeplatzte Wange, um seinen Mund an das Ohr des Schattenninjas zu legen. Das verführerische Murmeln seiner Stimme war so schwer wie verschüttete Tinte; befleckt und schwarz vor Bedrohung. „Ich jedoch sehe es als sehr persönlich an, gefickt zu werden.“   Shikamaru versteifte sich.    Neji grinste bitter angesichts der Reaktion. „Sag mir; hat dir die Godaime explizit aufgetragen, mich bis zur Hirnlosigkeit zu vögeln, sodass ich töricht genug wäre, zu denken, dass ich dir vertrauen kann? Oder sollte ich dieses Manöver einzig und allein deinem Hirn zuschreiben?“   Shikamaru atmete bebend aus und seine Stimme war nicht mehr als ein raues Wispern. „Neji.“   Der Klang dieser Stimme und wie sie bei seinem Namen zerbrach trieben Risse in das Eis von Nejis Miene, doch er verhärtete sie sofort wieder. Seine Augen schlossen sich, als er energisch die wilde Rüstung seines Zorns anlegte und sie eisig um seine Worte und sein Gesicht legte.    Er würde sich nicht von dieser List aus Emotionen einwickeln lassen.    Lügen…   Neji zog sich zurück und hob die Lider, um unberührt nach unten zu starren. Doch seine Stimme verriet ihn; ein haarfeiner Riss zog sich durch sie hindurch.    „Du bist wirklich ein exzellenter Stratege und Manipulator. Du hast mich makellos ausgespielt.“ Er machte eine Pause und schüttelte etwas ungläubig den Kopf, während sich sein Daumen in Shikamarus Kiefergelenk grub. „Ich wäre beeindruckt gewesen; wenn es nicht auf meine Kosten gewesen wäre.“   Shikamaru drehte mit einem scharfen Rucken sein Kinn frei. „Hast du jemals auch nur eine Minute innegehalten, um darüber nachzudenken, warum zur Hölle ich es überhaupt getan habe?“   „Du hast es selbst gesagt.“, erinnerte Neji ihn und lehnte sich wieder nach vorn. „Befehle der Hokage, was im Klartext bedeutet, alle Mittel einzusetzen, die nötig sind. Und deine bestanden darin, meine Defensiven nieder zu reißen; und das auf eine Weise, auf die es noch niemand jemals zuvor gewagt hat. Eine gleichgültige, aber durchaus effektive Taktik.“   Shikamarus Augen flogen auf und stierten mit einem weiteren heißen Ansturm von Gefühlen nach oben. „Es war niemals eine Taktik.“   „Du musst deine Motive nicht verteidigen, Nara.“   „Als würdest du zuhören, selbst wenn ich es versuchen würde…“   „Spar dir den Atem.“, schnappte Neji erhitzt und rammte Shikamarus Handgelenk wieder nach unten, als es der Schattenninja beinahe frei bekommen hätte. „Du hast die Dinge rücksichtslos bis zum Ende durchgezogen; völlig ungeachtet der Mittel.“   „Das ist nicht wahr!“   „Ungeachtet des Preises. Und was hat es dich gekostet, Nara? Nichts!“   Shikamaru schüttelte heftig den Kopf. „Gott, du liegst so falsch…“   „Lügner. Du hattest nichts zu verlieren. Und ich hatte alles zu verlieren!“   „Dein verdammtes Leben mit eingeschlossen!“, schrie Shikamaru heiser und sein Nacken bog sich durch, als er seine strangulierten Worte gegen Nejis Mund brüllte; seine Augen glommen vor Schmerz. „Du willst, dass ich sage, ich würde es bereuen, dass ich dich nicht habe sterben lassen? Schön, dann fick dich, denn das wird niemals passieren!“   Getroffen und auf der raschen Suche danach, zurück zu schlagen, schnaubte Neji bissig. „Mich ficken? Was für eine traurige Wortwahl, Nara.“ Er schob seine Hand zwischen ihnen nach unten, um brutal Shikamarus Hüfte zu packen. „Vor allem jetzt, da ich dich unter mir habe.“   Und nur einen Herzschlag nach diesen Worten passierte es.    Shikamaru bäumte sich mit einer Kraft auf, die Neji vollkommen überraschte.    Sie explodierte geradezu.    Der Schattenninja schoss nach oben und brachte Neji genug aus dem Gleichgewicht, um seine Hand zu befreien, eine Faust zu ballen und sie so hart in Nejis Kiefer zu hämmern, das Blut aufspritzte und beinahe der Knochen brach. Der Kopf des Jōnins wurde nach hinten gerissen.    Fauchend reagierte Neji aus reinem Instinkt und schnappte die Hand, um sie hoch nach oben zu halten.    Der Winkel zog ihre Oberkörper direkt aneinander und die Schenkel des Hyūga schlossen sich wie Granit um den Nara; ebenso hart wie der Griff um die sich windenden Handgelenke.    „Geh verfickt nochmal runter von mir!“, schrie Shikamaru, tobte und schlug so wild um sich, dass das Bett ruckte und ächzte.   Blut sickerte schwallartig aus der Wunde an seinen Rippen, die von Nejis vorherigem Angriff gebrochen waren. Doch ganz offensichtlich nahm der Nara diesen Schmerz überhaupt nicht wahr, denn er kämpfte wie etwas Besessenes. Wie ein Tier, das in der Schlinge gefangen saß und dessen Leben an einem seidenen Faden hing.    Brutal, verzweifelt, wahnsinnig.    Neji starrte nach unten; vollkommen schockiert von der Wucht dessen, was sich dort unter ihm in blinder Panik und aufbauendem Zorn entfesselte. Er war jenseits seiner Vorstellungskraft, wie diese Art tollwütiger Angst und brachialer Wut in jemandem wie Shikamaru existieren konnte.   Götter, was ist dir nur zugestoßen?   Er konnte spüren, wie das Chakra in dem Schattenninja brodelte wie kochendes Öl; es spritzte und knisterte und bräuchte nur einen winzigen Funken aus Licht, um sich zu entzünden und die Schatten wie eine Feuersbrunst aus schwarzen Flammen zu entfesseln.    Doch Shikamarus Waffen waren fort; er war bloßgelegt und ohne Defensiven.    Wie Neji es gewesen war.    Der Hyūga hätte Genugtuung verspüren müssen.    Aber alles, was Neji fühlen konnte, war eine grauenhafte Qual, die sich durch seine Brust stach.    Als hätte er sich eine Klinge durch sein eigenes blutendes Herz gerammt, um es eigentlich in Shikamarus zu treiben; es war eine entsetzliche Art von Schmerz.    Eine, die er noch nie zuvor verspürt hatte.    Der Hyūga hielt sich selbst angespannt; seine Muskeln waren wie Marmor unter seiner Haut. Doch Shikamaru dabei zuzusehen, wie er versuchte, um sich zu schlagen und wie er kämpfte, ließ Nejis Zorn bröckeln; es brach das Eis in seinen Augen und den Stahl in seiner Stimme auf.    „Hör auf!“, schnappte er und presste sich fest gegen den sich heftig windenden Körper. „Ich bin in meinen Methoden nicht annähernd so gefühllos wie du.“   Shikamaru fuhr unbeirrt fort zu kämpfen, aber die Anstrengung machte seinen Atem dünn und sein Blut schwer. Neji hielt ihn weiterhin fest und wartete, bis das Adrenalin ausblutete. Die Anspannung zog sich durch den Körper des Nara und entriss ihm etwas von der Stärke – doch zu Nejis Überraschung kämpfte er immer weiter; seine Brust hob sich ruckartig und seine Haut war nass von Schweiß, Regen und Blut.    „Sadistischer Bastard…“, keuchte Shikamaru gegen Nejis Kiefer. „Wenn du mich umbringen willst, dann mach es einfach!“   „Was denn?“, knurrte Neji. „Willst du, dass ich dir stattdessen danke?“   Shikamaru ließ seinen Kopf zurück auf die Matratze sinken und schüttelte ihn heftig, als er seine Lippen zurück zog und die Zähen fletschte. „Ich wollte niemals irgendetwas von dir! Das ist doch genau der Punkt!“   „Du lügender Bastard. Du wolltest, dass ich in meiner Wachsamkeit und Verteidigung nachlasse.“, behauptete Neji geradeheraus und versuchte, irgendwie den furchtbaren Druck und den Schmerz in seiner Brust ablassen zu können. „Und du warst erfolgreich. Beglückwünsche dich selbst. Du bist der erste, der das geschafft hat…und Gott weiß, du wirst der letzte sein. Niemals wieder!“   Shikamarus Winden und Kampf wurden weniger bösartig und sein Atem kam in flachen Beben; ein entsetzlicher Schmerz schlich sich in seine Augen. „Neji…“   „Vielleicht sollte ich dir wirklich danken.“, zischte Neji und versuchte verzweifelt, das ihm Zaum zu halten, was Shikamarus Qual und Panik aus ihm gezerrt hatten; den Drang, das zu beschützen, was er eigentlich bestrafen sollte. „Du hast erreicht, was ich seit zwei Monaten versuche. Endlich; zum ersten Mal, fühle ich nichts. Psychologisch gesehen bin ich bereits ein ANBU.“   Shikamaru hörte vollkommen auf, sich zu bewegen. „Nicht…“   „Schmerzt dich das? Es könnte mich nicht weniger kümmern.“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Warst du denn immer so viele Schritte voraus, Nara? Bist du in deinem Kopf so weit voraus gerannt, dass du diesen Moment zwischen uns vorhergesehen hast?“   „Gott.“, wisperte Shikamaru zitternd und ein nasser Schleier legte sich über seine Augen, während ihn die Strapazen erschütterten. „Ich habe niemals vorhergesehen, was sich zwischen uns abspielen würde…und ich habe die Chance nicht ergriffen, es aufzuhalten…selbst dann nicht, als mir klar wurde, dass da etwas passierte…“   Neji wurde still und hob den Kopf gerade genug, um hinunter in diese schimmernden Seen blicken zu können und versuchte den Stich zu ignorieren, die sie ihm versetzten. „Warum?“   „Ich hätte es aufhalten sollen…jedes verdammte Mal…aber das habe ich nicht…ich konnte nicht…“   „Warum?“   Dunkle Augen schlossen sich erneut. „Wenn du Rache willst, dann solltest du dich besser beeilen.“   „Beantworte meine Frage!“   „Weil ich dich wollte!“, brüllte Shikamaru, während seine Augen aufflogen; die Wimpern und Lider nass, aber die Tränen wollten nicht fallen. „Ich wollte dich so gottverdammt sehr!“   Neji erstarrte; stierte nach unten.    Eine Falte grub sich zwischen seine Brauen wie Shikamarus Worte durch sein Herz. „Warum?“   Shikamaru schüttelte den Kopf und seine Finger krümmten sich zu Fäusten. „Ich weiß nicht warum! Ich will nicht wissen warum! Du warst die eine Sache, von der ich nicht wollte, herausfinden zu müssen, was es ist; ich wollte es nicht verstehen müssen!“   Und wie gerissene Drahtseile in seinem Inneren, spürte Neji, wie sein Zorn kollabierte. Er packte Shikamarus Handgelenke fester, aber es war ein vergeblicher Versuch festzuhalten. Er starrte in Augen, die so sehr von Kummer und Schmerz überschwemmt waren, dass es dafür sorgte, dass er seinen eigenen vollkommen vergaß.    Nein…   „Nein…“, wisperte er kopfschüttelnd.    Shikamarus Blick wanderte über Nejis Gesicht und die Art und Weise, wie er das tat, war so viel potenter als eine Berührung; so viel liebevoller und zärtlicher als ein Streicheln. „Ich wollte dich. Vielleicht habe ich dich gebraucht. Was auch immer es war, ich habe alles genommen, was du mir gegeben hast; wie ein selbstsüchtiger Bastard, als du mich eingelassen hast. Dämlich simpel, genau so.“   Neji biss so hart die Zähne zusammen, dass er mit seinen Kiefern Stein hätte zerbrechen können. Krampfhaft schloss er die Lider und er ging tief in sich, um diesen Zorn zu suchen. Er rief danach, verzweifelt versuchend, ihn wieder an die Oberfläche zu zerren, um sich vor diesen lügenden Augen schützen zu können; und diesen brutalen Worten.    „Sei still…“   „Es wäre nicht das erste Mal, dass ich dir gesagt habe, dass ich nicht weiß, was zur Hölle ich tue, wenn es um dich geht.“   „Sei still, Nara…“   Er verstärkte den Griff um Shikamarus Handgelenke; fühlte, wie sich der Druck aufbaute, anschwoll und wuchs mit Wildheit und Wucht. Nur war es kein Zorn, es war keine Rage.    „Ich neige dann dazu, aufzuhören zu denken-“   „Es reicht!“   „- und dann vermassle ich es. Genau so ist es, Hyūga. Da hast du deine Antwort! Das ist es, was du verfickt nochmal nicht hörst!“   „Weil alles, was deinen Mund verlässt berechnet ist! Eine Lüge!“, biss Neji mit bebender Stimme zurück.    Die Emotion in ihm war inzwischen in seiner Kehle und sickerte in seine Stimme.    Schnitt sich in sein Herz.    Aber da war keine Wut mehr…kein Zorn mehr…keine Verleugnung mehr…   Gott warum…warum…warum du…?   „Sieh mich an, verdammt! Es war niemals eine Lüge!“ Shikamaru drehte die Hüften und versuchte Neji dazu zu bringen, die Augen zu öffnen. „Es wäre so viel einfacher, wenn es das wäre! So viel einfacher, wenn ich einfach nur genauso wäre, wie jeder andere auch! Wenn ich dich einfach verarschen und verraten würde, anstatt dass es mich kümmert. Ich bin nicht dein verfickter Clan!“   „GANZ GENAU!“, brüllte Neji – und es explodierte aus ihm mit einem zerfetzten animalischen Heulen.    Shikamaru erstarrte angesichts des Klanges; angesichts der verheerenden Emotion dahinter.   Die Wahrheit unter jeder Lüge, die jemals erschaffen wurde, um sie zu beschützen.    Nejis Lider flogen auf und die opalhaften Seen waren von einer Trauer überflutet, die brannte und seine Sicht verschwimmen ließ. Seine Stimme war kehlig und tief und zerfetzt.    „Hast du jemals daran gedacht, dass mir deine Motive überhaupt nichts bedeuten würden, Shikamaru?! Handlungen sind das, was zählt – was du tust, nicht was du beabsichtigst!“   Das Leid in seinen Augen ließ Shikamarus Stimme brechen. „Neji…“   Neji ließ die Handgelenke des Chūnins los und schob sich auf den Knien zurück, während er mit einer Hand ruckte, um dem anderen Ninja das Wort abzuschneiden. „Erspar mir deine guten Absichten, Shikamaru! Ich bin mein ganzes verficktes Leben mit den Intentionen anderer zwangsernährt worden! Wie kannst du es wagen, mir meine eigenen zu nehmen?!“   Shikamaru verharrte mit gequältem Gesichtsausdruck steif auf den Laken und starrte durch weite, verwundete Augen nach oben.    Und wie eine Wand, die in seiner Brust zerbarst, konnte Neji seine Worte genauso wenig noch länger in sich halten wie den Schmerz, von dem sie getrieben wurden; sie strömten in einer Woge aus ihm heraus, die an jeder Sehne seiner Kehle riss und seine Stimme zu einem heiseren bebenden Brüllen verzerrte.    Als würde der animalische Zorn in ihm seinen letzten Atemzug herausschreien.    „Das eine Mal, als ich entschieden habe, mein Schicksal in meine eigenen Hände zu nehmen, wurde es mir entrissen!“, schrie er und packte den Kiefer des Nara, um seine nächsten Worte in einem gebrochenen Knurren zu unterstreichen. „Und es warst DU, Shikamaru! Nicht sie, sondern du!“   „Es hat dich umgebracht!“, brüllte Shikamaru zurück und die Tränen verwandelten seine Augen in flüssiges Schwarz, als er sich selbst durch den Schmerz und trotz seiner gebrochenen Rippen nach oben stemmte.    Neji drückte ihn wieder zurück und schob sich rittlings auf Shikamarus Schenkel; sein Körper bebte vor unterdrückter Kraft. „Du hast getan, was ich dir niemals zugetraut hätte.“   „Ich musste es tun, verdammt!“, krächzet Shikamaru hervor und griff nach Nejis Nacken um ihre Gesichter aneinander zu ziehen. „Es hat dich umgebracht…“   „Nein…“ Nejis Finger gruben sich in Shikamarus Genick; gedacht dazu, ihn fort zu ziehen, aber letztendlich verankerte es sie nur noch enger miteinander. „Zu sein, wo ich bin und zu wissen, dass es anders sein könnte. Dasbringt mich um!“   Und dennoch war der einzige Schmerz, den er spürte, der, der sich zwischen ihnen aufbaute, als ihre Münder übereinander strichen. Beide atmeten abgehackt, ihre Stirnen pressten sich aneinander und sie schüttelten ihre Köpfe in entgegengesetzte Richtungen, auch wenn sie den Nacken des jeweils anderen mit derselben Verzweiflung packten.    „Das ist nicht das Gleiche…“, murmelte Shikamaru gegen seine Lippen und seine freie Hand krallte sich in die dichte feuchte Mähne von Nejis Haar, presste und drehte ihre Stirnen noch fester aneinander. „Du weißt, dass es nicht das Gleiche ist…“   „Es alles das Gleiche…“   „Nein, das ist es nicht.“   Nejis Lippen öffneten sich gegen Shikamarus und seine Zähne bissen sich in einem Knurren aufeinander; doch seine Gesichtszüge zerbrachen. „Wenn mich das umgebracht hat, Shikamaru, dann hättest du es zulassen sollen…“   „Nein.“   „Es war meine Entscheidung; verdammt seist du!“   Shikamaru riss an den Mokkasträhnen und zog ihre Gesichter ein Stück auseinander, um ihre Blicke verschmelzen zu können; schimmernder Mondstein auf glühendem Schwarz.    „Dann hasse mich dafür, Neji.“   „Denkst du nicht, dass ich das will?“   „Warum kannst du es dann nicht?!“   „Weil du für mich so nah an Freiheit bist, wie ich es noch nie erlebt habe, du Bastard!“, brüllte Neji; eine einsame Träne entkam ungesehen und unbemerkt aus dem Winkel seines linken Auges. „Hast du irgendeine Ahnung, was zur Hölle du mit mir machst, Shikamaru?!“   Stille.    Eine Stille, die so schwer war mit Emotionen, dass die Luft unter ihrem Gewicht zu taumeln schien.    Selbst der Sturm schien auf einmal weit entfernt zu sein.    Alles, was existierte, war der, der zischen ihnen rollte.    Shikamarus Stirnrunzeln zerbarst und in dem Glühen eines Blitzes schimmerten seine Tränen wie Silber in den schwarzen Seen seiner Augen. „Ja…“, hauchte er.    Es war genauso wenig eine Lüge wie der Ausdruck auf seinem Gesicht.    Nur ein einziger Blick verursachte einen einzigen Riss – und das war alles, was nötig war.    Die letzte Mauer in Neji – stürzte ein.   Er erschauerte ein einziges Mal, als würde ihn das Kollabieren jeder einzelnen Lüge durchbohren; schwer und brutal und pochend in seinem Puls. Bebend schloss er die Lider.    „Götter, du zerbrichst mich…“, wisperte er.    Lippen strichen zaghaft über seine eigenen. „Neji…“   Neji hob seine Hände, um Shikamarus Kopf zu umfassen und lehnte sich nach vorn, bis seine Worte zitternd gegen den Mund des Nara rollten. „Du zerbrichst mich…und dennoch bist du alles, was ich atmen kann…“   Und die Wahrheit hätte roher nicht kommen können; sie drang in Nejis Lungen ein und wogte wieder hinaus, kroch durch jede Vene und jede Faser und zog sich noch stärker durch die Saiten dieses unentrinnbaren Bandes, das beide Shinobi an den jeweils anderen gebunden hatte.    Neji war gekommen, um dieses Band zu zerbrechen.    Um Shikamaru zu zerreißen, um es zu finden; es zu zerstören und fort zu schleudern.    Ich kann nicht…   Neji zog sich ein wenig zurück und sah tief in die das tiefe Siennabraun von Shikamarus Augen; dorthin, wo die Wellen nasser Emotionen noch immer kummervoll schimmerten.    Ich konnte es nie.   Der Klang zitternden Atems zog seinen Blick hinunter auf den Mund des Nara. Der Schattenninja atmete krampfhaft um seine locker zusammengebissenen Zähne. Die flachen, scharfen Luftzüge deuteten klar auf den wachsenden Schmerz hin, den er verspüren musste.   Shikamarus Stimme brach aus ihm heraus; roh und heißer wie zermahlener Fels. „Habe ich dich jemals gefunden…nur ein einziges Mal…bevor ich dich verloren habe…?“   Die Frage hätte Neji auf die Knie gezwungen, wenn irgendetwas in ihm noch stehen würde. Intensiv und lang sah er in Shikamarus Augen. Und dann lehnte er sich wortlos nach vorn. Shikamarus Wimpern neigten sich; dicht und schwarz, als Neji seine Lippen über die geschlossenen Lider strich und den bitteren Stich von Salz schmeckte.    „Gott, habe ich dich jemals gefunden…?“, wisperte Shikamaru gegen seine Kehle.    Der Jōnin antwortete nicht. Er schob einfach nur eine Hand nach vorn, um zaghaft Shikamarus Nacken zu massieren; und dann griff er mit einem kalkulierten Druck zu, der den Schattenninja in die schmerzlose Umarmung von Bewusstlosigkeit fallen ließ.    Shikamaru sackte nach hinten.   Neji fing ihn auf und legte ihn behutsam auf den Laken ab.    Und dann setzte sich der Hyūga zurück auf seine Fersen und starrte auf ihn hinunter; mit nur der einzigen schimmernden Bahn einer Träne, die eine Narbe in die Maske grub, die er über sein Gesicht gezogen hatte.    „Jedes Mal…“, wisperte er.   _____________________   Ehrlich gesagt will - und kann - ich zu diesem Kapitel nicht wirklich viel schreiben...außer die Bitte an alle Leser/innen, mir hierzu eine Meinung oder Kommentar dazulassen, denn das war das bisher am schwersten zu schreibende Kapitel von ganz BtB. Ich danke wie immer allen Reviewer/innen und Leser/innen für eure Unterstützung! Ich hoffe, ihr findet das Kapitel gelungen, über ein paar Worte würde ich mich wirklich riesig freuen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)