Break to Breathe von _Scatach_ ================================================================================ Kapitel 39: No return --------------------- Sie wurden von Kindern begrüßt.   Es war eine ganze Truppe von Jungen und Mädchen, die sich sofort um Neji und Shikamaru scharten, als sie durch die deaktivierte Barriere schritten, um das Tunnelsystem der Rebellen zu betreten. Keiner der beiden Shinobi war auf ein solch enthusiastisches Willkommen vorbereitet, wobei Neji die Hauptwucht des Ansturms abfangen musste, da er als Erstes eingetreten war.    Shikamaru ließ sich weise einen Schritt nach hinten fallen und überließ Neji den Versuch, ihnen einen Weg zu bahnen. Doch am Ende stand der Hyūga einfach nur stocksteif auf der Stelle und versuchte, seine Reaktionen auf die Situation zu ordnen. Auf eine bestimmte Weise war das hier noch schlimmer als der Hinterhalt eines Feindes.    Es war eines der Dinge, das er jetzt am wenigsten um sich haben wollte…Kinder…   Lebensfrohe, lachende Gesichter von bewahrter Unschuld und Hoffnung.    Kinder, die vollkommen ahnungslos waren über ihren Zustand der Gefangenschaft, während die Erinnerung und die Realität seiner eigenen immer noch so roh und offen in ihm schmerzte. Es fühlte sich an, als hätte Shikamaru ihn brutal gegen die Stäbe seines Käfigs geschleudert und ihn gezwungen, endlich anzuerkennen, wer ihn darin eingesperrt und den Schlüssel fortgeworfen hatte.    Bleib konzentriert.   Er spürte diese unschuldigen Augen auf sich, die ihn um seine Aufmerksamkeit anflehten und wie kleine Hände an den Ärmeln seiner Robe zerrten…sie zerrten daran, wie er es in seinen Träumen tat…zerrten an dem weißen Stoff…niemals fähig, ihn fort zu ziehen…nur zusehend, wie er wuchs…und wuchs…   Stop…   Neji ballte seine Finger zu einer losen Faust, während sich der klaustrophobische Ring aus Kindern enger zog und lauter wurde.    Götter, nicht jetzt…   Er hätte sein Byakugan aktiviert, um sie zu erschrecken und sie ein paar Schritte zurückweichen zu lassen, doch er konnte es sich nicht leisten, seine Energie oder sein Chakra dafür zu verschwenden. Es wurde immer schwerer, es effektiv zu kanalisieren und der Schmerz, den es verursachte, wenn er es aufrecht erhielt, wurde immer stärker.   Ich muss meine Tenketsu überprüfen. Schnell.    Abgelenkt von dem fröhlichen Schnattern der Kinder und dem stetig wachsenden Druck in seinem Kopf, übersah Neji beinahe die blonde orange gekleidete Gestalt, die sich durch die wogende Masse schob.    „Hey!“, knurrte eine heisere Stimme.    Neji drehte sich in dem Moment, als Narutos Hand an dem erhobenen Arm eines kleinen Mädchens vorbei schnellte. Sie zuckte ängstlich zusammen und versteckte sich hinter Neji, als Naruto seine Finger in die Schulter des Jōnin krallte.    Der Uzumaki zwang sich zu einem angespannten falschen Lächeln und zischte durch zusammengebissene Zähne. „Du hast wirklich Glück, das gerade Kinder anwesend sind.“   Genau wie du.   Nejis Braue wanderte zu seinem Haaransatz und er hob langsam seinen Handrücken zu Narutos Handgelenk, um die Umklammerung von seiner Schulter zu schieben. Naruto griff noch härter zu.    „Lass mich los!“, warnte Neji und hielt seine Stimme dabei ebenso ruhig und stoisch wie sein Gesicht. Doch in seinem Inneren bebte er.    Narutos Augen verengten sich und sein Gesicht erhitzte sich mit unterdrücktem Zorn. „Sonst was? Wirst du auch mir deine Faust ins Gesicht hämmern?“   Nejis Augen blitzten auf, doch ein scharfes Rucken seiner Hand schlug Narutos Griff von seiner Schulter.    Der Uzumaki ballte seine Finger zur Faust, machte aber keinerlei Anstalten, sie auch zu nutzen. Wenn überhaupt, dann wurden diese turbulenten blauen Seen beinahe weich vor Verwirrung.    „Was zur Hölle ist nur los mit dir, Neji?“   „Es ist alles wieder gut.“, ergriff Shikamaru das Wort. Er schlenderte in einem trägen Schwung an dem Hyūga vorbei, der in totalem Kontrast zu Nejis stocksteifer Haltung stand. „Es ist alles geregelt und wir werden keine Zeit mehr damit verschwenden, darüber zu diskutieren. Verstanden?“   Es brauchte alles an Beherrschung, was Neji geblieben war, um nicht den Kopf zu drehen.    Shikamarus Stimme klang mehr nach einer Regenwolke als nach ihrem üblichen Rauch; schwer und bedrückt und das trotz seines unberührten Tonfalls. Es war nichts weiter als ein weiterer Chamäleon-Akt. Ein Akt, der das raue Sandpapier verschleierte, das seine Stimme vor gerademal einer Stunde gewesen war. Jetzt war sie trügerisch und unmöglich zu deuten und diese Tatsache strangulierte etwas tief in Nejis Brust, das einfach nicht aufhören wollte zu schmerzen.    Konzentrier dich.   Er hielt seine Augen auf Naruto gerichtet und sah zu, wie der Uzumaki ihn und Shikamaru aufmerksam musterte und etwas in der Stille zu lesen versuchte, die zwischen ihnen hing. Die Spannung baute sich weiter auf und pulsierte bedrohlich trotz des lockeren Kicherns der Kinder, das zwischen den drei Shinobi hin und her hallte.    „Schön.“, sagte Naruto letztendlich, auch wenn seine Brauen tief zusammengezogen waren. „Hibari meinte, dass ihr Chakra Pillen holen wolltet. War das eine lahme Ausrede oder was?“   Neji bot keinerlei Reaktion auf das argwöhnische Funkeln des Uzumaki an. Doch Shikamaru zog etwas aus seiner Flakweste. Das Rasseln der Pillen erscholl, als der Nara den Beutel schüttelte. Eines der Kinder streckte seine Hand danach aus, doch Shikamaru täuschte einen Zaubertrick vor, indem er ihn mit einem subtilen Neigen und Drehen seines Handgelenkes verschwinden ließ.    Das kleine Mädchen starrte ihn erstaunt und grinsend an. „Wow!“   Shikamaru erwiderte das Lächeln nicht.   Doch stattdessen grinste Naruto das Kind schief zu dem Kind hinunter. „Na gut, ich schätze mal, dass Hibari ziemlich froh sein wird, dass er die Dinger bekommt, huh?“   „Hibari-niisan!“, quietschte das Mädchen.    Shikamaru murmelte irgendetwas als Antwort, doch Neji hörte es nicht, denn der Klang wurde von dem Druck in seinen Ohren verzerrt. Das Rauschen von Blut ließ winzige Punkte und Farbflecken in seiner Sicht zerplatzen.    Atme.   Er atmete langsam ein und kämpfte den Drang nieder, sich gegen die Tunnelwand zu lehnen.    Verdammt. Ist das wegen der Anstrengung des Byakugan?   Glücklicherweise hatte er sein Dōjutsu bereits am Tag zuvor genutzt, um die Muster auf Ozukus Gesicht zu studieren und sie sich zu merken. Das war von zentraler Bedeutung gewesen. Und wenn er jetzt auf die Nutzung des Byakugan verzichten musste, dann würde er einen Weg finden, um damit zurecht zu kommen.    Taijutsu muss im Moment genügen; zumindest, bis ich einen Arzt außerhalb von Konoha ausfindig machen kann.    Ein leises glückliches Giggeln zog seine Aufmerksamkeit zurück zu Naruto, der gerade einen kleinen Jungen auf seine Schulter hob. Er zog etwas den Kopf ein und schwankte leicht, um die Balance halten zu können, als das Kind mit den Armen fuchtelte.    Sofort richtete sich Nejis Blick auf das Fluchmal, das in den Arm des Jungen gebrannt war.    Er spürte nicht, wie Shikamaru seinen Augen folgte.    „Also, was ist der Plan?“, fragte Naruto.   Nicht zu verlieren.   oOo   Einen Fuß vor den anderen.   Das war alles, was im Moment von Bedeutung war, denn sein Verstand war bereits all die notwendigen Schritte voraus. Er mustte nur noch dafür sorgen, dass er immer weiterlief. Simpel. Dämlich simpel.    Die Winkel von Shikamarus Augen zuckten; das leichte Blinzeln war das einzige Indiz seiner Züge dafür, dass sein Verstand viel schneller arbeitete, als er jemals laufen oder rennen könnte.    Er konnte Neji in seinem Rücken und ein paar Schritte entfernt spüren; der majestätische Gang energisch und beständig.    Shikamaru presste die Lider aufeinander und war froh darum, dass er zwischen Naruto und dem Hyūga lief, sodass keiner der beiden sein Gesicht sehen konnte. Er gab sich selbst ein paar Sekunden, um seine Miene zu stählen.    Das war’s. Es beginnt jetzt.   Er ließ seine Augen aufschnellen.  „Naruto.“   Der Uzumaki drehte sich in der Hüfte und taumelte ein bisschen, als sich das Kind auf seiner Schulter ebenfalls umwandte. Shikamaru schob seine Hände in die Taschen und senkte die Wimpern zu seinem vertrauten Halbmast Blick als er stehen blieb.    Neji schritt direkt an ihm vorbei und folgte den restlichen Kindern, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen.    Shikamaru zog jeden einzelnen Muskel in seinem Körper straff, um sich davon abzuhalten, ihm nachzulaufen. Er hatte das bereits hinter sich gelassen. Es würde kein weiteres Nachjagen mehr geben. Er hatte verloren – grausam, aber unausweichlich. Neji befand sich jenseits jeder Reichweite und Vernunft. Er war es schon immer gewesen. Shikamaru war einem Geist hinterher gerannt.    Dumm; zu denken, dass es irgendwie anders hätte enden können…   Die Logik fiel wie ein Gewicht aus Blei in seine Brust.    Und Gott, es schmerzte so sehr.    Er atmete langsam ein und räusperte sich.    „Naruto…“, begann Shikamaru noch einmal und zog den perplexen Blick des Uzumaki fort von Nejis Rücken. „Setz das Kind ab. Wir müssen reden.“   Narutos Gesicht verzog sich zu einer karikierenden Maske aus Verwirrung. „Und wohin geht Neji?“   Shikamaru zuckte mit den Achseln und tat so, als würde er sich nicht dieselbe Frage stellen. Die wahrscheinlichsten und direktesten Möglichkeiten kreisten darum, dass der Hyūga entweder seine Tenketsu überprüfte, oder sich sofort mit Waffen ausstattete, um sein fehlendes Ninjutsu aufwiegen zu können.    Narutos Miene verfinsterte sich. „Nach allem was passiert ist, lässt du ihn einfach so damit davon kommen?“   Shikamaru hob eine Braue, biss seine sarkastische Erwiderung zurück und sagte nichts.    Schnaubend ging Naruto in die Hocke und neigte sich vorsichtig, bis das Kind von seiner Schulter sprang. Er grinste den Jungen strahlend an, während der den anderen Kindern hinterher sprang.    Shikamaru war bereits auf den düsteren Blick vorbereitet, mit dem der Uzumaki ihn bedache, als er sich ihm zuwandte. „Was? Du erwartest von mir, einfach so zu tun, als hätte er deinen Kopf nicht in die nächstbeste Wand gedroschen?“   Shikamaru blinzelte nicht. „Ja…genau das erwarte ich.“   „Aber-!“   „Lass es gut sein. Wir müssen uns bald in Bewegung setzen.“, schnitt Shikamaru ihm das Wort ab und unterstrich seine Worte, indem er seine trägen Schritte wieder aufnahm. „Ich geh dir nicht auf die Nerven wegen dem, was du tun musst, also erwidere den Gefallen.“   Naruto lief neben ihm her und auf ein Handzeichen von Shikamaru hin, bogen sie nach links in einen der angrenzenden Tunnel. „Meine Freunde zu beschützen ist nichts, das ich als einen Gefallen eintausche, Shikamaru.“   „Es hat sich erledigt, ok?!“, erwiderte der Nara, seine Stimme war vollkommen flach angesichts des Faktes. „Also mach mir keinen Ärger.“   „Shikamaru…“   Der Schattenninja musste nicht zu dem Uzumaki hinüber spähen, um zu wissen, dass dieses leise, fast schon weinerliche Raunen voll tiefer Besorgnis nichts im Vergleich zu dem Ausdruck in Narutos Augen war.    „Hör auf mit diesem Dackelblick und versuch nicht, mir damit ein schlechtes Gewissen einzureden. Ich habe dir gesagt, dass es mir gut geht. Also, wenn du mir wirklich helfen willst, dann gäbe es da etwas, das ich von dir brauche.“   „Und zwar?“   „Krötenöl.“   Narutos Schritt geriet vor Verwirrung etwas ins Stocken, doch rasch joggte er nach vorn, um wieder neben Shikamaru zu laufen. „Na klar, kannst du haben. Uh…wofür brauchst du es?“   „Alles Teil des Plans.“, murmelte Shikamaru und blieb in seiner Antwort absichtlich sehr vage, als er in die bauartige Höhle trottete, in der sie gewohnt hatten.    „Shikamaru-kun!“ Lee barst aus einem der angrenzenden Räume und ein Band aus Bandagen  flatterte hinter ihm durch die Luft. „Geht es dir gut?“   Shikamaru nickte knapp, während sich seine Augen zu Lees Händen hoben, als der Ninja mit den buschigen Augenbrauen energiegeladen sein Handgelenk und Unterarm in das vertraute Weiß wickelte. Die Brauen des Schattenninjas zogen sich kalkulierend zusammen.   „Kannst du von dem Zeug was entbehren?“, fragte er und nickte mit dem Kopf in Richtung der Bandagen, die sich hinter Lee über den Boden schlängelten.    „Ja klar, ich habe Massen davon. Stets vorbereitet zu sein ist eine Faustregel!“   „Was dagegen, wenn ich mir etwas davon nehme?“, fragte Shikamaru und ignorierte Narutos argwöhnischen Blick.    Lee sprang ohne irgendeine Frage davon, um die Mullbinden zu holen und ließ Shikamaru zurück, der um den Tisch herum schlich, auf dem noch immer die Karten verstreut lagen. Er ging in die Hocke und zog zwei davon hervor, um den Grundriss des Dorfes zu studieren und mit dem Finger zweimal auf den Tempel zu tippen. Er sah nicht auf, als sich Naruto neben ihn stellte.    „Shikamaru…was ist passiert, als-“   „Wenn du alles Krötenöl, das du entbehren kannst, Chōji geben könntest und ihm sagst, dass er zu mir kommen sollen, dann würde mir das einiges an Zeit ersparen.“, murmelte Shikamaru ohne den Blick zu heben.   „Ich dachte, wir würden nichts in die Luft jagen.“, grummelte Naruto vorsichtig und verschränkte die Arme. „Sieht so aus, als würde sich auf einmal jeder seltsam aufführen, huh?“   Shikamaru sah unter seinen Wimpern auf und hob eine Braue.    „Ich glaube, du wolltest jetzt gehen, Naruto.“, befahl der Nara mehr, als dass er ihm einen Rat gab, während er eine rote Wachskreide und die beiden Karten aufnahm, die er rasch faltete und in seine Flakjacke schob. „Ich werde beim Verhörraum sein. Sag Chōji, dass er sich beeilen soll.“   „Schön, was auch immer.“ Naruto drehte sich leicht und runzelte die Stirn, als der Nara ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei marschierte. „Shikamaru…“   Doch der Schattenninja verlangsamte nicht einmal seine Schritte und fing mit einem kurzen Kopfnicken die Bandagenrolle auf, die Lee ihm zuwarf. „Danke. Lee, ich werde eine aufgezeichnete Strategie im Verhörraum liegen lassen. Schick in einer Stunde jeden dorthin, um sie aufmerksam durchzulesen, damit alle ihre Positionen kennen. Ich werde mit Chōji rechtzeitig zurück sein, um alles zu bestätigen.“   „Roger!“   „Shikamaru…“, versuchte es Naruto noch einmal; lauter diesmal.    Der Schattenninja lief weiter. „Was?“   „Bist du sicher, dass bei dir alles ok ist?“   Shikamarus Miene wurde düster und er rief über seine Schulter: „Was willst du eigentlich, einen Hirnscan? Es geht mir gut. Und jetzt beweg dich endlich.“   xXx   „Bleibt in Bewegung.“, wies Hibari die Kinder an, während seine grauen Augen jedes einzelne von ihnen musterte, als die Reihe aus Jungen und Mädchen in einem schnatternden Strom an ihm vorbei zog. „Bleibt auf einer Seite des Tunnels und blockiert nicht die Durchgänge.“   Ältere Kinder flankierten die Reihe und stellten sicher, dass die jüngeren in einer ordentlichen Prozession blieben, während sie die Evakuierungsroute entlang marschierten. Shikamaru hielt sich an der anderen Seite des Tunnels und schritt ihn in die entgegengesetzte Richtung entlang.    Hibari grüßte ihn mit dem Heben seines Kinns.    Shikamaru warf ihm den Beutel mit Chakra Pillen zu, den der Rotschopf mit einer Hand fing.    „Danke. Ich schulde dir was.“   „Dann werde ich den Gefallen direkt einlösen.“, informierte Shikamaru ihn und blieb auf der anderen Seite des Türrahmens stehen, während die Kinder zwischen ihnen hindurch schritten.    Hibari hielt seine Augen auf die Kinder gerichtet, hob aber seine Stimme. „Sollte ich mir Sorgen machen?“   „Nein. Aber ich brauche eine deiner Schriftrollen für ein Barrierejutsu.“   Shikamaru war bereits auf den fragenden Blick eingestellt, den Hibari ihm zuwarf und wehrte ihn mit einem schwachen Grinsen ab. „Reserveplan.“   Der Tsubasa musterte ihn für einen Moment; seine grauen Augen waren scharf und spekulativ. Geduldig wartete der Nara ab und beobachtete; seine Hüfte hatte er auf eine Weise gegen den Türrahmen gelehnt, die deutlich entspannter war als seine Miene.    Die unausgesprochene Sackgasse hielt nicht lange an.    Hibari schürzte die Lippen, bevor er einen Arm ausstreckte und seine Hand auf den Kopf eines der vorüberlaufenden Kinder legte, um den Jungen anzuhalten.    „Oww!“, überreagierte der Kleine und stampfte mit einem Fuß auf. „Nicht mein Haar!“   Hibari wuschelte ihm durch die Strähnen. „Sho-kun, bring mir die lilane Schriftrolle. Notiere es im Inventar, das du sie mitgenommen hast.“   Das Kind begann zu schmollen und versuchte, sein zerzaustes Haar zu glätten, das sich sofort wieder in igelähnlichen Spitzen aufstellte. „Oh Mann…“, murrte der Junge und schlurfte den Weg zurück, den er gekommen war.    Shikamaru neigte den Kopf, dankte Hibari aber noch nicht.    Der Rotschopf verstand sofort und lächelte grimmig. „Das ist noch nicht alles, oder?“   „Nein.“, gab Shikamaru zu und sah keinen Weg, mit der Wahrheit hinter dem Busch halten zu können, weswegen er offen sprach. „Ich brauche auch Kitori.“   Sofort erstarb das Schmunzeln auf Hibaris Gesicht; seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. „Warum?“   „Als ich mit ihr gesprochen habe, hat sie einen Fluchttunnel aus dem Tempel erwähnt.“ Shikamaru rieb mit den Knöcheln über die Tunnelwand. „Einen Durchgang, der von der Schriftrollenkammer in den Wald führt. Ist das wahr?“   „Ja. Auf diesem Weg ist meine Schwester mit dem verbotenen Jutsu entkommen.“   „Ich muss ganz genau wissen, wo sich dieser Weg befindet und wie er verläuft, damit verhindert werden kann, dass uns einer von Ozukus Leuten entwischt.“, erklärte Shikamaru und machte seine Dringlichkeit deutlich, als er sich von der Wand abstieß und sich aufrichtete. „Ich muss den Tunnel jetzt finden. Später bleibt keine Zeit mehr dafür.“   Hibaris Augen verengten sich und zuckten für einen Moment zu den Kindern. Shikamaru konnte das argwöhnische Flackern in den grauen Seen erkennen. Das Zögern gefiel ihm ganz und gar nicht, doch er befand sich auch nicht in der Position, den Rotschopf zu bedrängen. Das würde nur dazu führen, dass er zu viel preisgab und letztendlich wäre es umso besser, je weniger Schwachsinn er den Leuten auftischen musste. Denn desto geringer war die Gefahr, dass er den ganzen Scheiß zurück in sein eigenes Gesicht geschleudert bekommen würde.    Komm schon Tsubasa…lass mich nicht hängen…   Hibari bewegte angespannt den Kiefer und rieb sich mit einem Daumen über die scharfe Kante, während er langsam den Kopf schüttelte; ein schlechtes Zeichen, doch noch kein abschließendes. Glücklicherweise erschien der Igelkopf den Strom aus Kindern entlang sprintend und winkte mit einer lilanen Schriftrolle.    „Jo! Hibari-niisan!“   Shikamaru beobachtete, wie der Gesichtsausdruck des Rotschopfes beim Klang des Rufes ins Wanken geriet und ihn aus seinem Gegrübel riss. Hibari stieß ein gezwungenes, aber spannungslösendes Lachen aus und griff über die Köpfe der neugierigen Kinder hinweg nach der Rolle. Gleich darauf verpasste er dem Jungen damit einen Klaps auf den Hinterkopf, bevor er sie Shikamaru reichte.    „He!“, maulte das Kind. „Warum?!“   „Du sollst in den Tunneln nicht rennen.“, ermahnte Hibari ihn mit einem Grinsen.    Ein paar der Kinder giggelten.    Der Igelkopf verzog finster das Gesicht, bevor er wieder zu plärren begann, als Hibari ihm durch das Haar strubbelte.    „Mann, am Ende sehen meine Haare noch so aus!“, heulte der Junge bestürzt und deutete mit dem Finger auf Shikamarus Pferdeschwanz. „Das ist echt nicht fair!“   Shikamaru hob eine Braue, nahm an den Worten aber sonst keinen Anstoß.    Hibari klemmte sich den Kopf des Jungen spielerisch unter den Arm. „Zeig nicht mit dem Finger auf andere. Das ist unhöflich.“ Angesichts von Shikamarus leicht amüsierten Blick fügte er einen weiteren Klaps auf das stachelige Haar hinzu. „Und beleidige nicht unsere Verbündeten.“   „Nettes ‚Arbeitsethos‘, dem du bei den Kindern folgst. Ich verstehe jetzt, warum du Naruto einfach so ausgeknockt hast.“, sagte Shikamaru lässig, doch es klang erzwungen. Der Humor schaffte es kaum, sich durch die massive Mauer zu drängen, die er um alles außer seiner kalten kalkulierenden Logik errichtet hatte.    Er konnte es sich im Moment nicht leisten, sich von irgendetwas anderem ablenken zu lassen.    Die Menschen waren Spielsteine und das Spiel im Gange.    „Nun, ich habe dir bereits bis hierhin vertraut.“ Hibari seufzte und schob das schmollende Kind mit einem sanften Tätscheln auf den Kopf weiter, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Shikamaru richtete. „Es gefällt mir nicht, aber na gut. Kitori ist bei Isuka. Tu, was auch immer du tun musst, aber beeil dich lieber.“   Shikamaru nickte und wandte sich um. „Darauf kannst du dich verlassen. Sorg dafür, dass die Phiole bereit ist.“   „Jo.“ Hibari schnaubte und klopfte sich mit dem Rücken seiner Finger gegen das Gesicht. „Wenn ich blasser bin als vorher, dann weißt du, warum.“   Shikamaru brachte ein schwaches Heben der Mundwinkel zustande, doch die grimmige Belustigung erreichte niemals seine Augen.    Lass uns hoffen, dass Blut alles sein wird, was es uns kosten wird.    oOo   Er schmeckte das Blut, bevor er es sehen konnte.    Es stieg heiß und rot in seiner Kehle auf.    Gott, nicht schon wieder…   Der Schmerz zerrte es aus ihm heraus und es quoll mit einem erstickten Husten zwischen seinen Lippen hervor; Rot besprenkelte den Zement des Waschbeckens. Neji erschauerte, als er krampfartig den Rand umklammerte und seine Ellbogengelenke durchdrückte, um sich aufrecht zu halten, während er abgehackt durch die Nase atmete.    Nur noch ein bisschen länger…   Er ließ seine Augen halb aufgleiten.    Das Blut war zäher als sonst, die roten Perlen klebten eher und zogen Fäden als dass sie tropften.    Mit finsterer Miene ließ Neji seine Zunge über die Zähne wandern und spuckte aus. Der kupferartige Stich und der Geschmack von Eisen ließen ihn das Gesicht verziehen. Es bedeckte seinen ganzen Mund und zog ein zorniges Anspannen seines Kiefers nach sich. Er drehte den grob aussehenden Hahn und fing Wasser mit den Händen auf, um den roten Film von seinen Zähnen zu waschen.    Er hätte es erwarten müssen. Shikamaru hatte nicht unrecht gehabt, als er ihn darauf hingewiesen hatte, dass er diese Embolien nicht selbst heilen konnte, doch der Nara hatte seine Fähigkeit unterschätzt, seinen Körper noch für eine Weile länger zu betrügen.    Ein bisschen länger ist alles, was ich brauche. Nach dieser Mission werde ich mich dem stellen.    Neji spritzte sich Wasser ins Gesicht und blinzelte die Tropfen aus den Wimpern, während er sich aufrichtete und von dem Waschbecken zurücktrat. Er richtete seinen Blick auf die Wand und stierte auf den blasseren Fleck, an dem der Spiegel gehangen hatte. Er konnte noch immer das Glas unter seinen Sandalen spüren, das bei jeder Bewegung knirschte. Und es war dieses Geräusch, dass ihn auf die Päsenz an der anderen Seite des Raumes aufmerksam machte.    Ganz leicht wandte er den Kopf. „Du solltest nicht hier sein.“   „Neji…bitte…“   Die sanft gesprochenen Worte brachten den Jōnin dazu, sich umzudrehen. Die Stimme trug dieselbe tiefe Besorgnis in sich wie die lavendelfarbenen Augen, die auf seinen stählernen Blick trafen. Die beiden Hyūga Shinobi sahen sich für einen Moment schweigend an. Hinatas Fokus glitt etwas tiefer und richtete sich auf seine Brust. Ruhig zog Neji den Saum seiner Robe nach oben und verdeckte die frischen Male direkt unter seinem Schlüsselbein.    Hinatas Augen wanderten zurück zu seinem Gesicht. „Was auch immer es ist…Ich…ich werde es ändern…ich verspreche dir, dass ich es ändern werde.“   „Hinata-sama…“   „Bitte…“   Neji blinzelte langsam und eine mitleidlose Ruhe legte sich über sein Gesicht, als seine Cousine nach vorn trat; unbeeindruckt von der Kälte, die er ausstrahlte. Er respektierte sie dafür, dass sie ihn so direkt konfrontierte, aber es existierten klare Grenzen zwischen ihnen – die Art von Grenzen, die niemals aufgrund einer geheuchelten Nähe verwischt oder ausgelöscht werden konnte. Nicht, bevor die Veränderung, von der sie so leichthin sprach wirklich Realität werden würde – doch jetzt im Moment, war es nichts weiter als ein Traum.    Und er hegte kein Verlangen danach, sein Schicksal von dem Traum eines anderen abhängig zu machen; völlig egal wie gut gemeint er war.    Ganz offensichtlich bemerkte Hinata seinen Mangel an Vertrauen, denn sie flehte ihn mit einem Ausdruck solch selbstlosen Mitgefühls und Kummers an, dass er gar nicht anders konnte, als seinen Blick von ihr abzuwenden.    „Hinata-sama, du bist immer noch zu lieb und zu sanft.“ Er sprach die Worte leise aus und vollkommen ohne dieses herablassende Mitleid, mit dem er sie sonst immer bedacht hatte. „Ich kann nicht darauf warten, dass diese Tugenden all die Laster ersetzen, die mir keine andere Wahl lassen und mich zum Handeln zwingen.“   „Gegen dich selbst.“, wisperte Hinata energisch. „Du zwingst dich dazu, gegen dich selbst zu handeln…“   Die Erinnerung daran, wie seine chakrageladene Faust in Shikamarus Kiefer eingeschlagen war traf sein Herz mit einem ebenso schmerzhaften Hieb und zerbrach schon wieder eine der frischen Schichten aus Verleugnung, die er darum gelegt hatte.    „Wenn das nur wahr wäre.“, murmelte Neji leise.    „Neji-niisan, bitte warte noch ein bisschen länger. Ich verspreche dir, ich…ich werde alles richtig stellen, was dir angetan wurde.“   Es waren bittere und spröde Versprechungen.    Doch Nejis eisiger Blick wurde weich, als er sie ansah.    Ihre Miene veränderte sich voller Hoffnung und ihre Finger krümmten sich über ihrem Herzen, als würde sie darin die fragilen Versprechen tragen. Er wusste, dass Hinata sie auch halten würde, wenn sie nur jemals die Chance bekommen sollte. Aber es waren Träume und nur der Clan konnte ihr die Macht verleihen, sie auch in die Realität umzusetzen. Doch die Ältesten hatten Hinata als schwach gebrandmarkt. Und Schwäche war nicht einfach nur ein rostiges Gelenk in der Kette der Hyūga Kontrolle. Es war eine Bedrohung, die das ganze System kollabieren lassen könnte.    Eine weitere bittere Ironie der ‚Sanften Faust‘ war das Credo der Hyūga, den Clan mit einer eisernen zu regieren.    Doch Hinata würde eher eine offene Hand ausstrecken, als sie zur Faust zu ballen.    Gnade vor Stärke.   Und was hatte ihr diese Gnade eingebracht? Schneidende Worte und herablassende Abweisung. Hiashis Auge hatte sich Hanabi als Erbin zugewandt und während Hinatas Herz zwar stärker war mit Mitgefühl, würden Hanabis Potential und Ansporn, ihre Schwester zu übertreffen nur noch mehr wachsen, wenn Hiashi sie anwies.    Wenn man daran denkt, dass er sogar mich trainiert hat, ein Kind der Zweigfamilie…vor seiner eigenen Tochter…   Hinatas Fähigkeiten waren noch nie dazu ermutigt worden, ihr volles Potential zu entwickeln. Und das würden sie auch nie. Außer natürlich, jemand außerhalb des Kreises der Hauptfamilie würde einschreiten und sie trainieren; sie lehren, ihre eigenen Techniken und Stärken zu perfektionieren und das ohne Erwartungsdruck und Spott.    Jemand, der sie trainiert, ohne dabei ihren Fortschritt zu kontrollieren oder zu begrenzen…    Neji schüttelte den Kopf und kam sich absolut lächerlich vor, dass er diese Rolle überhaupt in Betracht zog.    Es wäre eine gefährliche Abschweifung von seinem Ziel.    „Ich werde die Dinge selbst für mich richtig stellen, Hinata-sama.“, sagte er leise und machte sich daran, an ihr vorbei zu laufen. „Ich brauche dabei keine Interferenzen.“   In der Sekunde, als er sich umwandte, glitt Hinatas linker Fuß etwas nach hinten; es war eine automatische Bewegung, die sie sofort in eine Defensivhaltung bringen würde. Neji hatte nichts weniger erwartet. Es war schließlich nicht so, als hätte er ihr jemals einen triftigen Grund dafür gegeben zu glauben, dass er nicht länger unkontrolliert um sich schlug. Selbst drei Jahre eines nach und nach gefestigten Vertrauens hatten es nicht geschafft, diese Furcht vollkommen auszulöschen.    Wenn ich das, was ich getan habe, zurücknehmen könnte…würde es irgendetwas ändern?   Hinata schluckte und ihr sanftes Gesicht bekam Risse wie das einer Porzellanpuppe.   Als sie mit überraschender Stärke sprach, ließen ihre Worte ihn augenblicklich innehalten.    „Neji-niisan, bitte tu das nicht…“   Und wie ein Dominoeffekt ihrer Worte, erklang Shinos Stimme an der vordersten Front seines Verstandes; ein Echo des neutralen Timbres des Aburame kroch unter seiner Gleichgültigkeit entlang.    ‚Sie macht sich Sorgen um dich. Das bringt sie in Gefahr. Als ein Hyūga, besorgt dich das etwa nicht?‘   Neji neigte ein winziges Stück den Kopf und sah hinunter zu Hinata.    Sie starrte mit sorgenvoll gerunzelter Stirn zu ihm hinauf, während sie eine Hand noch immer über ihr Herz hielt.    Nein, ihre Besorgnis für ihn bewegte ihn als Hyūga nicht.    Als ein Hyūga war es seine Pflicht, um sie besorgt zu sein, nicht umgekehrt.    Vielleicht haben sie uns beide in einen Käfig gesteckt…auch wenn der ihre vergoldet ist…es ist dennoch ein Käfig…   Und auf viele Arten und Weisen hatte der Clan ihr ebenso viel Schaden zugefügt wie ihm. Nur, dass sie Hinatas Selbstvertrauen zerstört hatten; seines hatten sie nicht angerührt. Auf der anderen Seite hatten sie es nicht geschafft, Hinatas Güte zu zertrümmern oder ihr Herz zu verkrüppeln. Doch Neji war sich sicher, dass sie sein Herz direkt an den Wurzeln herausgerissen hatten. Hinatas Wurzeln waren dagegen nicht so einfach zu erreichen. Selbst als Neji dieses lebenswichtige Organ in ihrer Brust direkt attackiert hatte, hatte es sich selbst mit demselben Mitgefühl geheilt, das Neji überhaupt erst dazu gebracht hatte, es zu verletzen.    Und trotz all seiner Stärke; die Narben um sein Herz hatten sich nur verhärtet – sie waren niemals verheilt.    Etwas in seinen Augen veränderte sich; vielleicht war es einer der vielen Geister aus Schmerz und Qual und Zorn in ihm, der eine Art stille Akzeptanz fand. Doch was immer es war, es überraschte Hinata genug, um unsicher einen Schritt zurück zu treten.    „Neji…?“, rief sie traurig seinen Namen.    Neji wandte sich ihr zu und seine Augen nahmen denselben ruhigen Ausdruck an wie sein Gesicht. Hinatas rasches Einatmen blieb nicht unbemerkt, als er eine Hand ausstreckte und sie zaghaft auf ihrer Schulter ablegte. Ihre Augen wurden so groß, dass es beinahe schon albern wirkte. Er hätte vielleicht gelächelt, aber das Zucken seiner Lippen war so unmerklich, dass sich sein Gesichtsausdruck eigentlich überhaupt nicht veränderte.    „Sie haben jedes familiäre Band, das wir vielleicht hätten haben können, zerbrochen, bevor wir überhaupt versuchen konnten, es zu knüpfen.“, sagte Neji sanft und voller Bedauern. „Und jahrelang habe ich die Lüge geglaubt, dass die Dinge niemals anders hätten sein können, auch wenn ich dachte, dass sie es hätten sein müssen.“   „Neji…“   „Zu glauben, dass die Dinge vielleicht anders hätten sein können ist nichts im Vergleich, zu wissen, dass sie wirklich anders hätten sein können.“   Hinata sagte nichts.    Sie war viel zu fassungslos wegen ihres Kummers, um antworten zu können.    Eine einsame Träne funkelte an dem Gitter ihrer Wimpern, bevor sie überlief und einen einzigen glänzenden Pfad über ihre Wange beschrieb. Und diesmal lächelte Neji. Es war ein Heben der Mundwinkel, das voller Kummer und Leid war, doch er konnte es ebenso wenig zurückhalten wie Hinata ihre nächste Träne, die in einem spiegelnden Weg ihr anderes Jochbein hinunter rann.    „Es tut mir so leid, Neji…“, hauchte sie.    Neji schüttelte den Kopf und zögerte, bevor er unbehaglich eine Hand an ihre Wange legte. „Genau wie mir. Sollte jemals der Tag kommen, an dem du die Macht hast zu verhindern, dass Hyūga Cousins und Geschwister das durchleiden müssen, was uns angetan wurde, dann vertraue ich darauf, dass du tun wirst, was notwendig ist.“   Hinata presste mit wässrigen Lavendelaugen fest die Lippen aufeinander. „Das werde ich.“   Neji nickte und wartete, bis sie dasselbe tat, bevor er seine Hand vorsichtig wieder auf ihre Schulter legte. „Eines Tages werden weder Gehorsam, noch Verpflichtung die Gründe sein, aus denen ich dich beschütze, Hinata-sama.“   Eine neue Flut aus Tränen schimmerte in den Augen der Kunoichi. Beschämt beugte sie den Kopf und schloss die Lider. Neji zog die Brauen zusammen, doch nicht unfreundlich.    „Senke nicht dein Haupt oder deinen Blick, Hinata.“, mahnte er sie leise. „Nicht vor mir und niemals vor ihnen.“   Hinata hob zuerst ihren Blick, bevor sie schniefend das Kinn reckte. Sie begegnete seinen Augen direkt und das mit einer stummen Stärke, die von dem Mut herrührte, den es brauchte, um all diese Emotionen in ihren Iriden preiszugeben, obwohl es das Risiko barg, angegriffen zu werden.    Ich würde dich um diese Stärke beneiden, wenn ich nicht glauben würde, dass sie mich eher zerstören statt retten würde.   Hinata öffnete die Lippen, um zu sprechen, doch keine Worte kamen. Und was immer es war, es war vermutlich besser, dass es unausgesprochen blieb. Das traf auf so vieles von dem zu, was wirklich von Bedeutung war.    Die Erinnerung an Shikamarus Lippen, die sich wortlos gegen seine Haut bewegten kam zu ihm zurück.    Nein.   Zwanghaft ignorierte er den dumpfen Schmerz in seiner Brust und Neji drückte zaghaft Hinatas Schulter, um eine zerbrechliche Geborgenheit anzubieten, die er nicht in Worte fassen konnte.    Und dann lief er davon.    Er hörte nicht das leise traurige Wispern ihrer Worte.    „Es tut mir so leid…Shikamaru-kun.“   oOo   Das sollte besser funktionieren…   Gebadet in das schwache Pulsieren des Laternenlichtes überprüfte Shikamaru seinen ausgearbeiteten Plan. Die Karte des Dorfes, auf der sich mit roter Kreide markierte Punkte befanden, war auf dem wackeligen Tisch außerhalb des Verhörraumes ausgebreitet.   Er starrte stur auf den Grundriss.   Es muss funktionieren…   Während er sich starr auf diese Notwendigkeit fokussierte, stellte er seinen linken Fuß auf einem der fadenscheinigen Stühle ab und lehnte sich nach vorn, um einen Ellbogen auf dem Knie abzulegen. Sein Verstand bewegte sich schneller als die Geschwindigkeit des Stiftes, den er über die Finger wirbeln ließ. Seine Augen waren kalkulierend zusammengezogen und folgten einem Pfad, der nicht existierte – noch nicht.   Kiba und Akamaru.   Zu seinen stummen Gedanken nickend zuckte Shikamarus Blick über die Skizze des Aviariums, während er mit der Kreide auf den Titel ‚TEAM A‘ tippte.   Naruto, Kiba, ich.   Er ließ seine Augen über die anderen markierten Punkte wandern, die sich über dem Atlas des Dorfes verteilten und ein Bild in seinem Verstand zeichneten, während er rasch die Strategie skizzierte.    Rebellen. Team R.   Er stieß mit der Spitze der Kreide auf den Tempel und kritzelte ‚TEAM T‘, nur um gleich darauf inne zu halten.    Neji…   „Shikamaru.“   Aufgeschreckt zuckte die Hand des Nara und zog eine wächserne Linie quer über den Tempel. „Scheiße…“   „Nervös, was?“, neckte Chōji. „Na das überrascht mich aber.“   Shikamaru grinste schwach und krümmte seine Finger, um die Kreide gegen seine Handfläche zu pressen, als er zu seinem Freund hinüber spähte. „Hey, hat Naruto dir das Krötenöl gegeben?“   „Ja, eine ganze Menge davon.“ Chōji schlenderte zu ihm herüber auf die andere Seite des Tisches. Das Laternenlicht spiegelte sich von seiner Plattenrüstung und warf ein warmes, entspanntes Glimmen über sein Gesicht. „Was gibt’s denn?“   Shikamaru begegnete dem Blick seines Freundes über die kurze Distanz hinweg. „Ich brauche deine Hilfe…“   Die Haut um Chōjis Augen warf fröhliche Fältchen. „Na klar, als ob du da groß fragen müsstest.“   Shikamaru erwiderte das Lächeln nicht.    Sofort ernüchterte der Gesichtsausdruck des Akimichi und seine Stirn legte sich in sorgenvolle Falten. „Shikamaru?“   Shikamaru hielt inne und senkte den Blick; seine dichten Wimpern warfen Halbmonde aus Schatten über seine Wangenknochen. Er starrte hinunter auf den Tisch und klopfte leicht mit dem Daumen gegen das flache Ende der Kreide.    „Du vertraust mir doch, oder?“, fragte er sehr leise.    „Mit meinem Leben.“ Keinerlei Zögern.    Shikamarus Lippen zuckten kurz, bevor sie sich mit einer düsteren Miene nach unten zogen. „Das hast du schon einmal getan, weißt du noch…“   „Shikamaru.“, sagte Chōji sanft, doch es lag die Kante einer freundschaftlichen Warnung in dieser Stimme, die dem Nara keineswegs entging. „Was ist los?“   „Es ist nicht die Art von Hilfe, bei der viele Fragen gestellt werden dürfen.“, erklärte Shikamaru und hob den Blick. „Kannst du das für mich tun?“   Chōji nickte. „Ja, wenn du mir eine einzige Sache beantwortest.“   „Und zwar?“   „Stimmt es, was Kiba sagt?“ Chōjis Augen wanderten prüfend über seinen Kiefer. „Hat Neji dich angegriffen?“   Fuck.   Shikamaru schürzte die Lippen und verharrte nach vorn über seinen Arm und ein Knie gebeugt.    Chōji wartete.    Sekunden verstrichen.    Unbehaglich wandte Shikamaru den Blick ab; wohlwissend, dass Narutos standardmäßiger Beschützerinstinkt vollkommen verblassen würde im Gegensatz zu dem, was Chōji entfesseln würde. Er musste jetzt sehr vorsichtig vorgehen.    Scheiße…   Shikamaru atmete langsam und kontrolliert ein, bevor er wieder zu seinem Freund hinüber spähte und nach der besten Möglichkeit suchte, einen menschlichen Felsbrocken davon abzuhalten, Neji ungespitzt in den Boden zu rammen.    „Chōji, so einfach ist das nicht.“   „Es ist eine simple Ja oder Nein Frage.“, erwiderte Chōji und klopfte mit seiner großen Faust auf einen der Stühle.    Shikamaru sah hinunter auf die Finger des Akimichi. „Und es ist eine ‚Ja, aber‘ Antwort.“   Chōjis Faust verkrampfte sich.    Und in der Sekunde, als das geschah, nahm Shikamaru den Fuß von dem Stuhl und erhob sich von dem Tisch, um Chōjis Aufmerksamkeit zurück auf sich zu ziehen, bevor der Akimichi sie auf ein Ziel jenseits der Tür fokussieren konnte. Eines, zu dem Shikamaru ihn nicht gehen lassen konnte.    „Ja, er hat mich angegriffen, aber ich habe ihn provoziert.“, fügte der Nara hinzu. „Du musst mir hierbei vertrauen. Bitte!“   Chōjis Brauen zogen sich zusammen und seine Plattenrüstung schimmerte, als er mit bebenden Nasenflügeln einen lauten kontrollierten Atemzug nahm. Shikamarus Augen wurden etwas weicher und baten seinen Freund nun ohne Worte. Chōji bemerkte den Ausdruck und verstand ihn sofort; er ließ seine Fast von dem Stuhl fallen.    „Bist du okay?“, fragte der Akimichi leise.    Shikamaru hob eine Augenbraue und tippte mit zwei Fingern gegen seine Schläfe. „Funktioniert immer noch.“   Chōji schnaubte und schmunzelte, was die Spannung etwas löste. „Also, was soll ich tun?“   Danke.   Shikamaru griff in seine Flakjacke und zog die Bandagen hervor, die Lee ihm gegeben hatte, um sie dem Akimichi zuzuwerfen. Chōji fing sie mit einem verwirrten Gesichtsausdruck auf und drehte die Rolle in den Fingern.    „Trainingsbinden?“   „Du musst sie mit dem Krötenöl tränken.“, sagte Shikamaru und schmunzelte angesichts Chōjis perplexer Miene. „Methode im Wahnsinn und der ganze Mist.“   Bevor Chōji etwas darauf erwidern konnte, öffnete sich die Tür zum Verhörzimmer. Ihre Blicke richteten sich auf Isuka, die hindurch schlüpfte. „Sie ist jetzt wach, Shikamaru-san.“   Ein zorniges Fauchen hinter der Tür bestätigte ihre Worte.    Ohne Zeit zu verschwenden schloss Shikamaru die Distanz in wenigen langen Schritten und stützte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen, als er in den dämmrig beleuchteten Raum spähte, der mit Schatten gefüllt war.    Kitori hörte sofort auf, an ihren Fesseln zu zerren und hob scharf den Kopf.    Ihre blutunterlaufenen, verquollenen Augen weiteten sich.    Shikamaru begegnete ihrem panischen Blick mit bedrohlicher Ruhe.    Kitori wurde sehr sehr still und beobachtete ihn wie ein in die Ecke gedrängtes Tier.  Ganz langsam streckte Shikamaru eine Hand aus, um sie vor einer der gesprungenen Lampen schweben zu lassen. Das Licht warf den Schatten seiner Hand in verzerrten Proportionen durch den Raum; in einer phantomhaften Drohung zog sie sich zusammen und schwoll an.   Kitori schluckte schwer und schlug mit einem zornigen Funkeln zurück. „Ich habe es dir bereits gesagt…“, krächzte sie.    „Das hast du.“ Shikamaru krümmte die Finger und die Schattenhand winkte dräuend. „Und jetzt wirst du es mir zeigen.“   oOo   Er konnte es nur dann sehen, wenn er die Augen schloss.    Und als er es tat, kam das Bild ebenso klar zurück zu ihm wie ein invertierter Schnappschuss.    Neji hielt ihn vor seinem inneren Auge fest, während seine Finger umherwanderten, bis er spürte, wie die Kreide umher rollte. Er griff danach und fing an, das Muster auf das Pergament zu zeichnen; nahtlos folgten seine Bewegungen der Gestaltung. Er reproduzierte das Bild mit einer Perfektion, bei der man denken könnte, dass das Original eher vom Sharingan als dem Byakugan erfasst worden war.    Fertig.   Nejis Augen glitten auf und er starrte hinunter auf das Muster auf dem Papier.    Ozukus Tattoos dienten genauso wenig einer Dekoration wie sein Fluchmal.    Neji legte den Stift beiseite und strich mit den Fingerspitzen über die Linien. Kitori hatte gesagt, dass sie der Schlüssel waren und nun verstand er auch, warum. Die Federtattoos und Markierungen bildeten ein Muster miteinander verbundener Symbole, wenn man sie erstmal von der verzerrenden Oberfläche von Ozukus Gesicht befreite und sie auf eine flache Oberfläche zeichnete. Es waren Symbole, die einen verschlüsselten Tsubasa Code enthielten; glücklicherweise konnte Hibari ihn zu entziffern.    Er war neben Kitori, Ozuku und dem Konzil aus Beratern der Einzige, der dazu in der Lage war.    Kein Wunder, dass sie ihn tot sehen wollten.    Nejis Miene verdüsterte sich, als er eine Bewegung aus dem Augenwinkel bemerkte. Er spähte hinüber zu der Tür und war nicht überrascht, das Gekicher von Kindern zu hören, als er zwei kleine Gestalten entdeckte, die neben dem Rahmen hockten.    „Ihr solltet bei den anderen sein und evakuiert werden.“, ermahnte der Hyūga leise.    Die Tür wurde ein Stück weiter aufgeschoben und offenbarte ein vertraut aussehendes Gesicht, das von blonden Locken eingerahmt wurde.   Nejis Augen weiteten sich ein wenig.    „Wo ist dein Freund?“, fragte das grünäugige Mädchen. „Ich habe diesmal auch eine Freundin mitgebracht.“   Gleich darauf streckte ein dunkelhaariges Mädchen ihren Kopf durch die Tür und grinste zähneblitzend. Neji erkannte die Kleine. Er hatte sie schon einmal in den Tunneln gesehen; sie war es gewesen, die so beeindruckt von Shikamarus ‚Zaubertrick‘ gewesen war.    „Er hat die Augen eines Engels.“, wisperte das blonde Mädchen ihrer Freundin zu.   „Maki-chan.“, tadelte das andere Mädchen unruhig. „Hibari-niisan wird wütend sein.“   Maki…?   Zumindest wusste er jetzt, wie er die Kleine nennen sollte. Da er seine Aufgabe bereits abgeschlossen hatte, rollte Neji das Papier ein und schob es in seine schwarzbraune Tasche, bevor er sich in einer fließenden und anmutigen Bewegung erhob, die nichts von dem Schwindel verriet, den er verspürte. Er schulterte seine Tasche und schritt hinüber zu der Tür, um sie ganz auf zu schieben – was das kichernde Duo dazu brachte, mit einem gemeinsamen Quietschen in den Raum zu stolpern.    Der Hyūga legte den Kopf schief und sah hinunter, während er in die Hocke ging, um den beiden wieder auf die Füße zu helfen. „Maki-chan, kannst du mich zu Hibari bringen?“   Glücklich über die Aufmerksamkeit nickte sie heftig und ihre Locken hüpften in den Bewegungen auf und ab, als sie die Hände in die Hüften stemmte, um die gleiche Naruto-ähnliche Pose einzunehmen, die sie schon einmal angenommen hatte. „Yup!“   Neji gestattete sich selbst etwas, das wie er hoffte ein freundliches Lächeln war und bemerkte kaum das Ziehen an seiner Robe, bis ihm klar wurde, dass das andere Mädchen versuchte, unter seinen Ärmel zu sehen. Fragend hob er eine Braue. Sofort errötete das Kind mit dem dunklen Haar und versteckte sich hinter ihrer Freundin.    „Maki hat gesagt, dass er den Beutel unter seinem Ärmel versteckt hat.“, wisperte die Kleine. „Er ist ziemlich trickreich.“   Verstehen zog ein ehrlicheres Lächeln auf Nejis Lippen, doch es hielt nicht lange an.    „Er ist klug.“, korrigierte der Hyūga abgelenkt.    „Trickreich zu sein, ist klug.“, sagte Maki mit unerschütterlicher Sicherheit. „Spielt dein Freund dir denn auch Streiche?“   Neji zögerte und zog den Kopf zurück, als wäre die Frage etwas Toxisches. Trotz all der Unschuld wühlte sie ungewollte Fragen in ihm auf; keine davon war unschuldig und alle würden wahrscheinlich den Anschein von Kontrolle korrumpieren, den er so mühsam zusammengekratzt hatte.    Streiche…Spiele…   Wie Rauch über seinem Verstand kehrte der Geist von Shikamarus Stimme zu ihm zurück; vollkommen verschleiert von Bedeutung.   ‚Das hier…ist kein…Spiel…‘   Neji atmete zitternd aus und erhob sich aus seiner Hocke. Die Signifikanz dieser Worte war ihm nicht entgangen; genauso wenig wie die Frustration, mit der sie ausgesprochen worden waren – geschweige denn, wie sie im wahrsten Sinne des Wortes in ihn gehämmert worden waren.    Es war kein Spiel. Und es war auch kein Streich. Es gab einfach so viele Dinge, die es nicht war.   Aber was es war…   „Es ändert nichts…“, murmelte er zu sich selbst und bemerkte nicht, dass Maki ihn mit verstörender Scharfsinnigkeit beobachtete.    „Sei nicht traurig.“, sagte sie strahlend und griff nach seinen Fingern.    Neji blinzelte sich zurück aus seinem glasigen Starren und richtete seine blassen Augen auf das Kind, dann auf seine Finger, die in ihrem Griff gefangen waren. „Was?“   „Du hast gesagt, dass dein Freund auf dich acht gibt.“, erwiderte Maki fröhlich; ihre kleine Hand fühlte sich warm gegen seine kalten Finger an. „Das ist es, was Freunde tun!“   Neji starrte sie an, vollkommen unfähig, darauf zu antworten. Doch Maki musste sein Schweigen als Zustimmung aufgefasst haben, denn sie lächelte ihn breit an, nahm die Hand ihrer Freundin und zog Neji hinter sich her. Er folgte ihr stumm, während das sanfte Kichern und lebensfrohe Plappern ihm weder ein Lächeln, noch irgendein Geräusch entlocken konnte.    Es war nicht ihr Giggeln, das diesen Schmerz in seine Brust zerrte.    Es war nicht ihr schrilles Geschnatter, das die Kälte in seinen Augen dazu brachte, aufzutauen.    Es war das Echo eines leisen kehligen Lachens, das in seinem Verstand in Rauch und Schatten gehüllt war und durch Bereiche von ihm rollte, die er einst ebenso leer und kalt wie diese Tunnel gehalten hatte.    oOo   Der Wald fühlte sich hohl und irgendwie heimgesucht an, jetzt, da die Vögel fort waren. Als wäre etwas hindurchgespült und hatte sowohl Hanegakures Lied, als auch die Gelassenheit des Dorfes verschluckt, um nichts weiter als Leere zurückzulassen.    Die Stille war unheimlich – unnatürlich – als würde der Wald den Atem anhalten.    Shikamaru widerstand dem Drang, genau das zu tun. Er hielt seinen Blick starr nach vorn gerichtet und auf den versteckten Eingang zentriert, zu dem Kitori sie geführt hatte. Obwohl er ihn nicht sehen konnte, wusste er, dass er da war; genau wie die Hütte an den Grenzen des Waldes da gewesen war. Das hier war nur eine weitere Illusion.    „Ladies first.“, sagte Shikamaru ohne irgendeine Art Humor. Seine Augen waren hart wie Stahl, als er mit dem Kopf in Richtung des Eingangs ruckte.    Kitori schoss ihm einen bösartigen Blick zu und spiegelte seine Haltung wider, bis er ihren Schatten losließ und es ihr gestattete, ein Handzeichen zu formen.    „Lösen.“, wisperte sie und deaktivierte das Jutsu, das den Fluchtweg verborgen hatte.    Flackernd kam der Pfad zum Vorschein.    Rasch überprüfte Shikamaru die Umgebung und bedeutete Kitori mit einem weiteren Nicken des Kopfes, weiter voran zu gehen.    Die Kunoichi schniefte verächtlich, fügte sich aber, während sie ihn wütend anfunkelte. Ihr Zorn kümmerte ihn nicht; er prallte vollkommen wirkungslos an seinen Defensiven ab und ließ ihn genauso unberührt, wie er aussah.    „Beweg dich!“, sagte er nur, gelangweilt von dem versuchten Trotz.    Kitori presste die Lippen aufeinander und ein Flackern berührte ihre grauen Augen, von dem Shikamaru wusste, dass es Kalkulation war. Er machte sich keinerlei Illusionen, was das Vertrauen in Bezug auf diese Frau anging, doch im Moment war es unerlässlich, diesen Tunnel so zu präparieren, wie er es brauchte und dann zur Basis zurückzukehren.    „Du kannst niemanden vor sich selbst beschützen, Shikamaru.“   Shikamarus Kiefer verkrampfte sich angesichts dieses berechneten Stachels, doch sein Blick zuckte vielsagend zur Tür und zurück. „Beweg dich!“   Sie befand sich zwar nicht in der Position, irgendetwas Waghalsiges zu tun; doch er war trotzdem darauf vorbereitet. Aufmerksam beobachtete er, wie sie die Tür aufzog. Die Scharniere ächzten protestierend gegen die Bewegung. Während er eine Taschenlampe hervorzog, die er sich von Isuka geliehen hatte, drückte er auf den Knopf und warf den Lichtkegel hinein in den dunklen Tunnel.    Er ließ Kitori zuerst eintreten, bevor er einige Schritte später zusammen mit Chōji folgte.    „Wir versehen unsere Fluchtwege nicht mit Fallen, Shikamaru.“, sagte die Kunoichi mit einem herablassenden Schnauben.    Shikamarus Miene wurde mörderisch; doch nicht wegen ihrer Worte, sondern eher wegen der Tatsache, dass sie sich dazu entschlossen hatte, konsequent seinen Namen zu verwenden – und das mit einem Sinn perverser Vertrautheit, die seine Haut angewidert kribbeln ließ. Er konnte sich nur vorstellen, wie sich Neji wohl gemessen an ihrer Obsession mit ihm fühlen musste.    „Du bist diesmal nicht sonderlich gesprächig, Shikamaru.“   Eine Braue des Schattenninjas wanderte nach oben, bevor der Nara stehen blieb und Chōji bedeutete, es ihm gleich zu tun. Der Lichtkegel hörte auf zu schwanken und die Lampe fiel scheppernd zu Boden. Kitori erhielt nicht einmal die Chance, sich umzudrehen. Schatten legten sich um sie und schlossen sich um ihre Kehle, um sie so unnachgiebig an Ort und Stelle festzubinden wie eine mumifizierte Leiche.    „Chōji.“, sagte Shikamaru.   „Klar.“ Der Akimichi nickte grimmig und zog ein Paar Handschellen und eine lange Kette aus einer Tasche.   Shikamaru überließ es Chōji, sie sorgsam zu fesseln, bevor er sein Jutsu löste. Er ließ sich nicht dazu herab, sich zu Kitori umzudrehen, als sie auf die Knie sackte und heiser hustete, während sie sich die Kehle rieb und einen scharfen Atemzug nahm, der zu einem zischenden Fluch auslief.    „Jo, fang an, durch die Nase zu atmen.“, riet der Nara ihr emotionslos und hob die Taschenlampe auf.   Er ließ den Lichtstrahl rasch über die Tunnelwände wandern. Während er die Größe des Durchganges einschätzte, begann er noch einmal von vorn und drehte sein Handgelenk in einer kalkulierenderen Bewegungen, um die Illumination die Wand entlang gleiten zu lassen, bis sie auf eine Treppe traf, die zweifellos zu der Schriftrollenkammer führte.    Da.   Shikamaru seufzte und spürte, wie sein Atem als Nebel zurück gegen sein Gesicht schlug; feucht und warm in der kalten Luft des Tunnels.    Kein Zurück…   Er ging in die Hocke und griff in seine Ninjatasche, um verschiedene Gegenstände daraus hervor zu ziehen; Explosionssiegel, die lilane Barriereschriftrolle von Hibari und die ölgetränkten Bandagen. Erst als Chōji zu ihm herüber kam, sah er auf; Kitori blieb gefesselt und geknebelt an einer Seite des Tunnels.    „Bereit?“   „Ja…“ Shikamaru packte die Taschenlampe und griff nach einem Kunai, während er sich erhob.    Er schwang den dünnen Lichstrahl zu einer Tunnelwand. „Na schön, du musst es bitte so machen, dass es hier heraus führt. Beschreibe einen nicht zu steilen Bogen bis an die Oberfläche.“   Er ließ das Licht wieder hinunter auf den Boden fallen und ruckte mit dem Fuß über den staubigen Grund, während er den Lichtkegel den Durchgang entlang und näher dorthin wandern ließ, wo sie eingetreten waren.    Das sollte reichen.   Er warf das Kunai, um den Punkt zu markieren. „Da.“   Als Chōji keine Antwort gab, spähte Shikamaru mit einem Stirnrunzeln zu ihm hinüber. Doch seine Miene glättete sich, als er den Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes sah. Chōji hatte den Kopf eingezogen und verlagerte sein Gewicht auf eine unsichere Weise von einem Fuß auf den anderen, die Shikamaru nur zu gut kannte.    „Chōji, du kannst das.“   Chōji schürzte die Lippen und klopfte unbehaglich mit seiner Faust gegen die Tunnelwand. „Kiba hätte das sicher besser gemacht als ich, weißt du.“   Shikamarus Mundwinkel hoben sich, als er sich in Bewegung setzte und eine Hand auf die Schulter des Akimichi legte. „Ich weiß, dass du das kannst.“   „Es wird ziemlich laut.“   „Kein Problem.“ Shikamaru angelte in seiner Ninjatasche herum und zog eine winzige Schriftrolle hervor, um die eine Kette gewickelt war. Am Ende hing ein silberner Anhänger, der wie eine Musiknote geformt war.   Chōji sah nicht überrascht aus – was wiederum Shikamaru überraschte.    „Ein Geräusch unterdrückendes Jutsu.“, erklärte der Schattenninja.    „Das kommt mir bekannt vor.“   „Achja? Naja, es sieht wie ein Amulett aus.“, erwiderte er vergnügt und ließ die Kette hin und her schwingen.    Chōjis Augen verengten sich zu Schlitzen und fixierten sich auf die Note. „Wo hast du das her?“   „Asuma-sensei hat mir eine ganze Packung von den Dingern gegeben.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und drehte die Rolle über seine Knöchel. „Ino meinte, es wäre ein lausiges Geschenk, aber ich beschwere mich nicht.“   „Geschenk…?“ Für einen kurzen Moment sah Chōji seltsam nachdenklich aus, bevor sich seine Augen weiteten, als wäre ihm gerade ein Licht aufgegangen. „Also so hast du es geschafft, die komplette gemeinsame Party letztes Jahr durchzuschlafen.“   Shikamarus Augen wurden rund.    Aufgeflogen.   Er winkelte seufzend seinen Arm hinter dem Kopf an und sah irgendwie beschämt zur Seite weg, während er murrte: „Hn. Wie lästig.“   „Ino hat glaube ich volle fünf Minuten durchgehend geschrien, aber du hast nicht einmal gezuckt.“, kicherte Chōji über die Erinnerung. „Kiba dachte du wärst bis zur Bewusstlosigkeit besoffen. Vielleicht sogar unter Drogen.“   Shikamarus Lippen bogen sich und seine Braue wanderte amüsiert nach oben. „Achja? Er denkt auch, dass ich angefangen habe zu rauchen, also heißt das nicht viel.“   „Dir ist schon klar, dass du damit dieses Jahr nicht davon kommen wirst.“   „Mann, das nervt. Vielleicht lass ich mich dann freiwillig in die Luft jagen.“   Die Kindheitsfreunde tauschten ein leises Lachen aus, das etwas von der Furcht und dem Zwiespalt lockern konnte, die sich wie Dornen im Inneren des Schattenninjas drehten. Es war eine mehr als nötige Atempause, von der er wusste, dass er sie die nächsten Stunden sicher nicht bekommen würde. Auf jeden Fall war es nicht mehr als eine kurze Verschnaufpause. Die Zeit würde sicher nicht wegen der Vergangenheit und ihrer Erinnerungen anhalten.    Die Zahnräder in Shikamarus Verstand bewegten sich in dem Moment, als sein Lächeln verschwand.    Konzentration legte sich über seine Augen und machte sie erneut messerscharf und kalkulierend.    „Lass uns das hinter uns bringen.“   oOo   „Wenn das hier vorbei ist, dann begebe ich mich sofort auf eine Solomission zu Ichiraku.“   „Guter Plan, wenn du nicht von deinen kleinen orangenen Kumpels einen eingeschenkt bekommst, Turteltaube.“   „Achja? Na dann hoffe ich mal, dass wenn sie mich schon zu Tode picken, sie mich dann hinterher auf dich auskacken.“   „Würdet ihr beide aufhören?“, grummelte Sakura zwischen ihren Fingern hindurch. Sie hatte ihr zornig verzogenes Gesicht in einer Hand vergraben. „Im Ernst, das ist so widerlich.“   „Ich würde es eher Karma nennen.“ Naruto zuckte mit den Achseln. „Kiba bringt Akamaru die ganze Zeit dazu, auf Leute zu strullen, also ist es nur fair, dass er auch derjenige ist, auf den geschissen wird.“   Kiba fiel die Kinnlade nach unten. „Karma am Arsch.“   Hibari hielt mit seinem Glas Saft halb zu seinen Lippen inne. „Also war es dein Hund, der auf mein Schwert gepisst hat?“   „Na klar.“ Kiba grinste. „Und dabei hast du damit herumgefuchtelt wie mit einem Schlagholz. Gut gezielt würde ich sagen, oder?“   „Man, das klingt so falsch.“, kicherte Naruto, bevor er auch schon aufkreischte, als Sakura ihm am Arm einen Pferdekuss verpasste. Der heftige Schlag stieß ihn gegen Lee.    Sofort fing Lee ihn auf. „Es ist nichts falsch daran, gut zu zielen, Naruto-kun.“   Naruto und Kiba brachen in schallendes Gelächter aus.   Hibari konnte wegen dieser Interaktion nur eine Braue heben und spähte zu Neji hinüber.    Doch der Hyūga schüttelte nur in einer stummen Bitte den Kopf, die anmutig vermittelte: Zieh mich bloß nicht in diese verkommene Idiotie mit rein.   Während Neji nur mit halbem Ohr dem absurden Geplänkel folgte, blieb er vollkommen davon distanziert. Es flog einfach nur unzusammenhängend über den Tisch hin und her und wurde immer wieder von unangenehmem Schweigen unterbrochen. Schweigen, in denen er sich sicher war, dass sich die meisten Augen des Konoha Teams auf ihn richteten. Energisch lenkte er sich davon ab, indem er die Strategie durchlas, die Shikamaru über die ausgebreitete Karte gekritzelt hatte. Während alle aus dem Team sie bereits durchgesehen hatten und wussten, wo ihre Positionen waren und was für Ausrüstung sie brauchten, gab es immer noch ein paar Punkte, die detaillierter geklärt und bestätigt werden mussten.    Wo bist du, Nara?   „Hey Chōji, ist Shikamaru verloren gegangen, oder was?“, fragte Kiba.    Die Worte zogen Nejis Blick über den breiten Tisch und fort von der Karte. Kibas Füße lagen weiterhin auf der Kante und der Hundeninja saß auf seinem kippelnden Stuhl, die Hände in einer blasierten Manier hinter dem Kopf gefaltet, die in hartem Kontrast zu dem wilden Glühen in seinen Iriden stand.    Die tiergleichen Augen verengten sich minutiös, als sie über den Tisch hinweg auf Nejis Blick trafen.    Neji erwiderte das Starren und sein Stolz trieb ihn dazu, Kiba regelrecht nieder zu stieren. Allerdings war es die Anstrengung nicht wert, die für diese sinnlose Herausforderung nötig wäre. Er brauchte schon genug Energie, um den Schwindel zu bekämpfen und den Schmerz in seiner Brust zu ignorieren. Er beendete das Duell ohne aufzugeben und indem er sich für eine ‚Da stehe ich drüber‘-Taktik entschied, die seinem vermittelten Bild von Arroganz entsprach. Zu solch einem Punkt war es besser, vorhersehbar zu erscheinen – besonders wenn man bedachte, wie wechselhaft er gerade unterhalb der Oberfläche war.    Neji wandte seine Aufmerksamkeit Chōji zu, als der Akimichi antwortete.    „Er wollte noch etwas aus dem Sanitätsraum holen.“   Nejis Inneres verkrampfte sich.    „Geht es ihm gut?“, fragte der Hyūga in neutralem Ton.    Kiba schnaubte. Sakura warf ihm einen warnenden Blick zu.   Chōji bewegte sich unbehaglich unter dem Gewicht der wachsenden Spannung, die sich zwischen den Freunden und Kameraden ausbreitete. „Ja schon, ich glaube, er hat nur Kopfschmerzen.“   „Ach sag bloß.“, murrte Kiba mit seinen Augen fest auf Neji fixiert.    Fragend runzelte Hibari die Stirn und folgte dem Ganzen schweigend, während er an seinem Saft nippte. Nejis Gesicht wurde hart wie Granit, doch bevor er auch nur versuchen konnte, diese Situation zu konfrontieren und richtig zu stellen, ergriff Naruto das Wort.    „Kiba, lass den Scheiß.“, knurrte der Uzumaki und überraschte Neji vollkommen mit dieser unerwarteten Verteidigung. „Das hilft uns nicht weiter.“   „Was auch immer.“, schnappte der Inuzuka, sagte sonst aber nichts mehr, auch wenn seine scharfen Iriden weiterhin auf Neji gerichtet blieben.    Geflissentlich ignorierte der Hyūga das Starren und war deutlich weniger genervt von Kiba als von Akamaru. Der Hund hatte den Kopf auf seinen großen Pfoten abgelegt und die goldenen Augen wieder einmal ihm zugewandt. Und um alles noch schlimmer zu machen, wirkte Akamarus Blick nicht einmal aggressiv; wenn überhaupt, dann hatte sich das Fell über seiner Schnauze zu etwas zusammengezogen, das nur als animalischer Ausdruck von Besorgnis gedeutet werden konnte.    Der Hund winselte leise und zog Kibas Aufmerksamkeit auf sich. Auch Hinata sah herüber und fing beinahe Nejis Blick auf.    Energisch hielt Neji seinen Fokus auf Chōji gerichtet. „Vielleicht sollte ihn jemand suchen.“   „Nah.“ Kiba legte den Kopf schief und schnüffelte in die Luft. „Nicht nötig.“   „Sollte ich mich beleidigt fühlen?“ Shikamarus Stimme schwebte in den Raum, wenige Momente bevor der Schattenninja folgte.    Kiba grinste. „Du riechst nach Krötenöl.“   „Es gibt schlimmere Dinge, nach denen man riechen kann.“ Der Nara zuckte mit den Achseln und kam zu dem Tisch herüber, um einen Stuhl neben den von Chōji zu ziehen.    „Ja, zum Beispiel Zigaretten.“   „Hn, witzig.“   Neji sah auf, ohne den Kopf zu heben oder zu drehen, um seine Augen kritisch über Shikamaru wandern zu lassen und nach irgendwelchen Anzeichen für Verletzungen zu suchen. Der Schattenninja stellte einen Ellbogen auf dem Tisch ab und legte mit gesenktem Blick die Finger an seine Schläfe.    „Na schön, passt jetzt bitte alle gut auf.“   Beinahe sofort klatschte Naruto seinen Handrücken mit einer Geste auf die Karte, die eindeutig Missbilligung und Ablehnung ausdrückte. „Shikamaru, du hast unserer Widerstandsgruppe einen total beschissenen Namen gegeben.“   Shikamaru blinzelte. „Bitte was?“   Naruto zog die Brauen zusammen und klopfte mit einem Fingerknöchel auf das gekritzelte Wort auf einer Seite der Karte. „Was zur Hölle soll das heißen? Ausgerüstet, rabiat und treffsicher, oder was? Dein Ernst?“   Neji schloss in beherrschter Verzweiflung die Augen.    Kami, gebt mir Kraft…   „Das ist kein Akronym für eine Widerstandsgruppe, Naruto.“, erklärte Neji leise.    „Akro- was?“   „Es ist kein Gruppenname.“, klarifizierte Kiba.    „Na hoffentlich nicht, weil ART ist nicht wirklich furchteinflößend.“   „Das sind die drei Teams, du Volltrottel.“, schnaubte Sakura, obwohl sie so aussah, als versuchte sie nicht zu lachen.    Naruto verzog das Gesicht und zog seine Hand von dem gekritzelten Wort auf der Karte zurück. „Eh? Aber was…?“   Lee streckte enthusiastisch die Hand über den Tisch und deutete auf jeden einzelnen Buchstaben. „Team Aviarium, Team Rebellen und Team Tempel. ART.“   „Ooooh, verstehe.“   „Genie bei der Arbeit, hm?“, grinste Kiba.    „Halt die Schnauze, Scheißemagnet. Nummern hätten viel mehr Sinn gemacht.“   Shikamaru fuhr sich mit einem Finger über die Braue. „Auf die Weise wirst du es dir besser merken, glaub mir.“   „Und denk auch daran“, warnte Hibari, „dass ich mich daran erinnern werde, wie oft du mich geschlagen hast, wenn du auch nur einen dieser Vögel verletzen solltest.“   „Hey, wir sind quitt.“, murrte Naruto. „Wenn man bedenkt, dass du mich verfickt nochmal ausgeknockt hast!“   Neji hob eine Braue.    Wann ist das denn passiert?   „Dann sind wir beinahe quitt.“, erwiderte Hibari.    „Ja, wenn du ihn nochmal schlägst, dann begleicht das die Rechnung.“, fügte Kiba vollkommen überflüssig hinzu.   Hibari nickte. „Das klingt gerecht für mich.“   Naruto wurde knallrot, bevor er in die Luft ging. „Das von dir war quasi ein total unfairer Schlag unter die Gürtellinie. Du hast mich ausgeknockt, als ich dir den Rücken zugedreht hatte!“   „Und du mich, als ich mich nichtmal rühren konnte.“   „Das zweite Mal habe ich nichtmal auf dich gezielt!“   „Was mir sagt, dass der Hund deines Kumpels besser im Zielen ist als du.“, erwiderte Hibari erhitzt, auch wenn er trotz seines Zorns widerwillig amüsiert aussah. „Was mir die Frage aufdrängt, was zur Hölle du bei so einer misskalkulierten Zielsetzung eigentlich in dem Aviarium treffen wirst, wenn ich dich da rein lasse?“   Naruto sah aus, als würde er jeden Moment in Flammen aufgehen.    Kiba schnaubte, während er ein Lachen unterdrückte und dem vor Wut überschäumenden Uzumaki zuzwinkerte. „Vielleicht solltest du einfach die Vögel ins Visier nehmen und dann triffst du ganz bestimmt den Feind.“   Hibaris Humor begab sich in einen augenblicklichen Sturzflug. „Das ist ungefähr so lustig wie dein Gesicht aussehen wird, wenn du noch einmal Witze darüber machst, unsere Vögel zu verletzten.“   Kibas Augen blitzten auf.    Neji starrte ausdruckslos auf dieses surreale und äußerst lächerliche Wortgefecht, das über den Tisch hinweg abgefeuert wurde. Unauffällig spähte er zu Shikamaru hinüber. Der Schattenninja knetete sich einfach nur mit Daumen und Zeigefinger die Schläfen, während er irgendetwas leise vor sich hinmurmelte.    Nejis Besorgnis hätte sich beinahe auf seinen Zügen bemerkbar gemacht, doch rasch entschied er sich für eine produktivere Reaktion und machte Anstalten, diese sinnlosen Streitereien zu beenden. Er schnitt Kibas Antwort ab und zog eine gelassene aber eiskalte Maske über sein Gesicht.    „Wir verstehen und respektieren die Bedeutsamkeit der Vögel, Hibari.“, sagte Neji und seine tiefen Töne trugen eine zielsichere Ruhe in sich, die sich bis an jedes Ende des Tisches ausbreitete und augenblicklich Naruto und Kiba auf ihren Stühlen zum Schweigen brachte. „Sie werden nicht verletzt werden.“   Shikamarus Finger zuckten an seiner Schläfe; es war eine kleine Bewegung, die sofort Nejis Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Nara beobachtete ihn zwischen seinen Fingern hindurch und mit einem undeutbaren Ausdruck auf den Zügen. Die unmittelbare Anziehungskraft dieser dunklen Augen brachte Neji dazu, als erster den Blick abzuwenden.    „Hibari.“, ergriff Sakura das Wort und sah dabei ein bisschen nervös aus. „Wie genau soll Team A deinen Vogel einfangen?“   Naruto schnaubte und kratzte sich an einem Mundwinkel, um sich vom Grinsen abzuhalten. „Du meinst wohl eher, wie Shikamaru ihn einfangen wird.“   Kiba kicherte. „Bitte sag, dass er es mit einem Netz macht. Ich würde morden, um das sehen zu können.“   Shikamaru warf dem Inuzuka einen äußerst flachen Blick zu. „Mit Hibaris Blut.“   „Und so wie es aussieht brauchst du eine ganze Menge davon, huh?“, murrte Hibari, doch ein Schmunzeln zupfte an seinen Mundwinkeln.    Shikamaru schüttelte den Kopf. „Hilft nichts.“   „Was meinst du?“ Sakura runzelte die Stirn und sah zwischen den beiden hin und her.    „Wir brauchen Hibaris Blut, um den Vogel zu Shikamaru zu locken.“, erklärte Neji. „Und um Zugang zum Tempel zu erhalten.“   Der Nara und sah auf einmal abgelenkt aus. „Darum geht es, ja.“   Neji blieb keine Zeit, um herauszufinden, was los war, denn in diesem Moment wandte sich Hibari ihm zu.    „Vorausgesetzt, wir setzen Ozuku außer Gefecht, Hyūga“, begann der Tsubasa, „ab der Sekunde, in der ich mit diesem Jutsu verbunden sein werde, wird es an dir sein, die Schriftrollenkammer zu erreichen und Ozukus Ratgeber vor einer Flucht aufzuhalten. Sie zu stoppen ist noch wichtiger, als meinen Onkel aufzuhalten.“   Neji summte leise, hielt den Blick aber weiter auf Shikamaru gerichtet. „Verstanden.“   „Neji“, sagte Shikamaru ohne ihn anzusehen, „vergiss nicht, dass du Ozukus Blut brauchen wirst, um die Schriftrollenkammer betreten zu können.“   „Das wird mit Sicherheit kein Problem sein.“, erwiderte Neji bescheiden und sein Tonfall ließ keinerlei Zweifel daran, dass er seine Worte ernst meinte.    Naruto schnitt eine Grimasse. „Was soll das nur mit all dem Blut?“   Hibari lief mit seinen Fingern über die Karte und tippte auf die Skizze des Tempels. „Innerhalb des Tempels wird Blut genutzt, um die Räume zu versiegeln und Zugang zu ihnen zu bekommen. Außerdem kommt es zum Einsatz, wenn wir die Verbindung mit unseren Vögeln eingehen. Wie ein Blutpakt.“   „Ah ich verstehe.“ Narutos Augen leuchteten auf. „Wie bei dem Jutsu des vertrauten Geistes, oder?“   „Ähnlich, aber ohne die Signatur auf einer Schriftrolle. Mein Vogel kennt mein Blut. Sie haben sie mir weggenommen und halten sie in dem Aviarium gefangen, seit ich mich gegen sie gestellt habe.“ Hibari lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und das Laternenlicht schimmerte auf den geflügelten Amuletten um seinen Hals. „Niemand hat es jemals geschafft, das Gedankenübertragungsjutsu bei ihr anzuwenden. Sie reagiert einzig und allein auf mich.“   „Ziemlich beeindruckend.“, sagte Kiba ernst.   „Das ist sie.“, murmelte Hibari und seine Lippen bogen sich sanft.    Neji sah quer über den Tisch, als Kiba den Kopf zur Seite legte und Hibari mit einem Ausdruck musterte, der Respekt sein könnte; er schien Verständnis für den Tsubasa zu haben.  „Was für eine Art ist sie?“, fragte der Inuzuka und ließ unbewusst eine Hand sinken, um Akamarus Kopf zu kraulen.    „Ein Steinadler.“, antwortete Hibari und versuchte nicht einmal, seinen Stolz zu verbergen. „Ein verehrtes Tier. Selbst von den anderen Vogelarten.“   „Daher auch unsere Strategie.“, erinnerte sie Shikamaru und richtete sich etwas auf, um seine Finger vor sich in seiner üblichen taktierenden Pose aneinander zu legen.    Die Geste zog eine sofortige Veränderung in dem Kreis der Shinobi nach sich. Die Luft schien einen scharfen Schliff anzunehmen und der Fokus veränderte sich, als sich sämtliche Aufmerksamkeit augenblicklich auf den Nara richtete.    Nejis Lippen zuckten mit dem geringsten Hauch eines Lächelns.   Er fragte sich, ob es sich dabei um eine kalkulierte Bewegung vonseiten des Schattenninjas handelte, oder ob es eine vollkommen unterbewusste war. Es war immer schwer, solche Kleinigkeiten festzustellen, wenn es um jemanden ging, der stets so viele Schritte voraus war. Es war, als würde es dem Nara nur in die Karten spielen, wenn man rannte und versuchte, zu ihm aufzuholen.    Und es geht los.   Shikamaru enttäuschte ihn nicht und fing ohne Umschweife an. „Kiba, wenn du mit deiner Aufgabe anfängst, dann denk daran, den Durchgang so breit wie möglich zu machen. Es ist eine ganze Menge, um was du dich da kümmern musst.“   Kiba rieb über Akamarus Ohr. „Ich liebe Nasenbluten.“   „Wirst du es schaffen?“   „Scheiße, na klar, ich pack das!“   Shikamaru nahm ihn beim Wort und sein Blick zuckte zu dem Uzumaki. „Naruto? Die Rebellen werden ihren Teil beitragen, aber du musst das Aviarium mit deiner offenen Finte hart treffen. Also mach was draus!“   „Verstanden und verlass dich drauf!“   Shikamaru wartete auf irgendwelche Fragen, doch es kamen keine. Neji sah ihm zu, wie sich seine Augen Hinata zuwandten. Und hier begannen die Finger des Nara – obwohl noch immer in einem Kreis an den Fingerspitzen zusammengelegt – leicht zu zucken. Sein taktierender Verstand arbeitete in einer Geschwindigkeit, die Neji nur sehr vage einschätzen konnte.    „Hinata, du bist sowohl unsere Augen, als auch unsere Ohren. Bleib also weit außerhalb der Reichweite und stell sicher, dass du ein Funkgerät für alle Teams hast.“ Shikamaru nickte in Richtung der Karte. „Ich muss wissen, dass wir alle synchron operieren und das zu jeder Zeit. Wenn Neji also das Signal gibt, dann muss mein Team das sofort wissen.“   Hinata nickte. „Ich verstehe.“   „Gut. Isuka wird uns durch die Veterinärpraxis Zugang zum Dorf beschaffen.“ Geduldig wartete Shikamaru auf Hibaris bestätigendes Nicken. „Stellt sicher, dass die Rebellen mit den übertragbaren Wasserfeld-Schriftrollen ausgestattet sind.“   „Schon geschehen.“, versicherte Hibari. „Team R ist bereit.“   „Sehr gut. Team T. Lee, Chōji.“ Er sah einen nach dem anderen an. “Die Tempel Shinobi sind eure Aufgabe.” Erneut wartete Shikamaru auf das Nicken, bevor er langsam einatmete. „Sakura, während die beiden alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, musst du dafür sorgen, dass es alle wirkenden Shinobi und Kinder sicher aus dem Tempel schaffen. Unterstütze aber auch Neji und Hibari, wenn sie es brauchen sollten.“   Die Kunoichi nickte scharf. „Verstanden.“   Shikamaru hielt inne und senkte seine Augen hinunter auf die Karte; nur ein Blick davon entfernt, seine Aufmerksamkeit auf Neji zu richten. Automatisch spannten sich sämtliche Nerven des Hyūga an und seine Muskeln stählten sich…doch seine Augen schafften es nicht, sich mit schützendem Eis zu überziehen.    Er war dem Weg von Shikamarus Blick über die ganze Gruppe gefolgt und hatte sich gefühlt, als hätte er der Flugbahn einer Waffe nachgesehen; einer Waffe, die einen gefährlichen gebogenen Pfad beschrieb – direkt auf ihn zu. Er wusste nur zu gut, dass er die gerissene kluge Macht in diesen Augen nicht unterschätzen durfte…doch jetzt im Moment und nach allem, was in der Spanne weniger gestohlener Stunden geschehen war, hielten diese Augen eine völlig andere Art der Macht in sich. Denn noch viel verheerender als ihre Fähigkeit, in zu dechiffrieren, war ihre Kraft, ihn vollkommen zu entwaffnen. Das letzte Mal, als er in diese dunklen Seen geblickt hatte, war ihm bewusst geworden, dass jeder Zorn, den sie vielleicht in ihm provozierten, niemals auch nur annähernd genug sein würde, um ihn von dem Schmerz ablenken zu können, den er jetzt verspürte.    Der Schmerz war stärker als der Zorn; und vielleicht sogar stärker als die Angst.    Kummer und Traurigkeit verkeilten sich hart und schwer in Nejis Brust und brachten den Schmerz in seiner Brust dazu, immer weiter anzuschwellen.    Fuck…   Seine Finger verkrampften sich auf seinen Schenkeln und beinahe beugte er sich vornüber, als wäre er vollkommen außer Atem und erschöpft.   Akamaru und Hinata sahen zu ihm herüber, als er sich so unbemerkt wie möglich aufrichtete.    Gott, konzentrier dich einfach…nur ein bisschen länger.   Distanz und Gefasstheit waren jetzt entscheidend. Und als Shikamaru endlich sein Kinn hob, war Nejis Gesicht ebenso geschützt und verschlossen, wie es immer gewesen war.    Doch obwohl Shikamaru den Kopf drehte; er hob nicht für eine Sekunde die Augen zu ihm.    „Neji…“, sagte der Schattenninja schließlich und schaffte es, sein Zögern als nachdenkliche Pause herunterzuspielen. „Sobald du Ozukus Blut hast, werden sich seine Ratgeber in Bewegung setzen, um den Fluchtweg zu nutzen. Du musst schnell sein.“   Neji musterte ihn eindringlich, bevor er antwortete. „Dieser Fluchtweg; hat Kitori euch gesagt, wo er zu finden ist?“   Shikamaru schüttelte den Kopf. „Sie hat zwar bestätigt, dass er existiert, aber wir konnten ihn nicht rechtzeitig lokalisieren. Du musst ihn einfach schneller erreichen, als sie ihn verlassen können.“   Neji schürzte die Lippen.    Na super.   Schmerz stach sich durch seinen linken Arm und schoss bis hinauf in seine Schulter.    Er wollte schon eine Hand zu seiner Brust heben, hielt sich aber noch rechtzeitig davon ab und legte sie stattdessen auf dem Tisch ab.    Steif und abgehackt nickte er. „Also gut.“   Shikamaru hielt seinen Blick noch immer abgewandt, doch seine Stimme war klar und direkt. „Wir müssen uns jetzt in Bewegung setzen; bevor sie uns mit ihrem Jutsu treffen können. Hast du dir das Tattoomuster gemerkt?“   „Ja.“   „Dann gibt es nichts mehr zu sagen.“   „Na dann mal los!“ Naruto kam mit einem entschlossenen Grollen auf die Füße und rieb sich mit dem Daumen über das Kinn; seine blauen Augen glühten vor Überzeugung. „Lasst uns das ein für allemal erledigen!“   Neji registrierte all die sich hebenden und zuversichtlichen Gemüter und Köpfe, die sich Naruto zuwandten.    Alle bis auf einen.    Shikamaru sah niemals auf.    Der Schattenninja neigte seinen Kopf hinunter in die Stütze seiner Hand, als wäre er zu schwer, um ihn tragen zu können…und schloss die Augen.   ___________________ Dieses Kapitel war auch wieder gar nicht so einfach zu schreiben. Vor allem die Szene zwischen Neji und Hinata hat mir emotional viel abverlangt. Ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat! :) Über ein paar Meinungen würde ich mich wieder sehr freuen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)