Break to Breathe von _Scatach_ ================================================================================ Kapitel 36: A little less strong -------------------------------- „Shikamaru, hör auf zu rennen. Wenn du rennst, dann wird er angreifen.“   „Ich kann schneller rennen als ein Hirsch mit gebrochenem Bein.“   „Es ist nicht gebrochen, Junge.“   Gebrochen…   Die Erinnerung zerbrach in seinem Verstand…zersplitterte in vollkommen unzusammenhängende Gedanken…alle davon wirbelten als frakturierte Dialoge herum…Worte, die sich wie Glas in sein Hirn stachen.   Glas…   „Der ist aus Glas gemacht. Gefällt er dir?   „Deswegen hast du mich geweckt?“   „Shikamaru…“   „Schön. Er ist nicht übel.“   „Nicht übel? Das ist alles?“   „Er ist nicht übel und schwer?“   „Shikamaru! Ugh! Gib ihn mir zurück, bevor du ihn kaputt machst.“   Ihn…kaputt machen…   „Du hast ihn kaputt gemacht.“   „Ja, habe ich mitbekommen.“   „Ich glaube, du hast gemogelt.“   Neji…   Dunkelheit überschwemmte ihn, während farbige Sternenexplosionen hinter seinen Augen pulsierten.    Augen…gebrochene Augen…Neji…   Energisch kämpfte er nach irgendeiner Art mentalen Zusammenhaltes und versuchte, seine zersplitterten Gedanken zusammenzufügen.    Fuck…beweg dich…   Schmerz sägte sich durch seine Synapsen und schnitt jedes Signal an seine Glieder ab. Er fühlte sich, als wäre er vollkommen von seinem Körper getrennt, obwohl er sich gleichzeitig nicht von dem qualvollen und Übelkeit erregenden Pochen in seinem Schädel distanzieren konnte.   Ugh…   Schwärze rollte über ihn, schwer und dunkel und Erleichterung versprechend…ein süßes Wundermittel gegen den Schmerz…ein rasches Entschwinden durch die Risse…   „Shikamaru!“   Das Rufen seines Namens detonierte in seinem Kopf und prügelte ihn hart zu Bewusstsein. Er ruckte mit dem Kopf nach oben und stöhnte heftig über den Schmerz. Plötzliche Bewegungen jeglicher Art standen erstmal außer Frage.   Was…zum…?   Benommen kämpfte er darum, zu verarbeiten, was verflucht nochmal gerade passierte. Er hörte das dumpfe Nachhallen rennender Füße, die sich in seinem Kopf zu kleinen Explosionen verstärkten.    Ugh…warum fällt es mir so schwer, mich zu bewegen…? Bin ich im Fallen…irgendwo dagegen geschlagen? Warte…wo…?   Er versuchte, den Gedanken zu Ende zu führen, versagte jedoch in der Sekunde, als er ein raues nasses Klatschen spürte, das sich über seine Wange zerrte. Es roch nach Hund. Shikamaru stöhnte und öffnete einen Spalt breit ein Auge, nur um es sofort wieder zu schließen, als Akamarus Atem gegen sein Gesicht fächerte. Der zweite Schwung der feuchten Zunge bestätigte ihm, dass er es dann doch eher vorzog, gebissen zu werden.    „Shikamaru!“   Laut…   Doch es war nichts im Vergleich zu dem Bellen, das Akamaru hören ließ. Der verirrte Gedanke an eine Hirnblutung kam ihm in den Sinn; wenn er die nicht bereits hatte.    „Shikamaru.“, keuchte eine weichere Stimme, weniger grob und eindeutig weiblich.    Er spürte Fingerspitzen über die Seite seines Kopfes streichen und seinen Kiefer umfassen. Der Schmerz kam ohne Umschweife und er verzog das Gesicht, doch keinen Moment später erreichte ihn die Wärme und das Kribbeln kurativen Chakras. Die sanfte Illumination spielte über seine geschlossenen Lider und verschluckten das Schwarz.    „Shikamaru, beweg dich nicht.“ Sakuras Stimme. „Du hast vermutlich eine Gehirnerschütterung.“   Gehirnerschütterung?   Das Wort sickerte in seinen Verstand und er merkte, wie sich die Gelenke seines Kiefers lösten. Ein schwaches und raues Kichern stolperte von seinen Lippen.  „Warum lacht er?“ Naruto.   „Whoa, es hat ihn hart erwischt.“ Kiba.   Shikamarus Wimpern hoben sich flatternd und das heisere Kichern kratzte in seiner Kehle, als er schluckte. „Au…“   Azurblaue Augen – rund vor Besorgnis – waren auf sein Gesicht fixiert. „Shikamaru?“   Vorsichtig bewegte Shikamaru seinen Kiefer und fühlte, wie sich die Welt in einer schwindelerregenden Neigung drehte, als sich etwas wie ein Kissen unter seinen Kopf schob. Nach dem Winkel zu urteilen, handelte es sich dabei vermutlich um Sakuras Schenkel.    Während er ein flüchtiges Gefühl von Verlegenheit niederkämpfte, räusperte sich Shikamaru. „Wo…ist Neji…?“   „Bei Neji ist der verfickte Draht durchgeschmort.“   „Kiba!“, tadelte Sakura und hob ruckartig den Kopf. Shikamaru versuchte, seine Augen dazu zu bringen, der Richtung zu folgen, in die sich ihr Kinn neigte. Schlechte Idee. Punkte tanzten wild in seinem Sichtfeld.    „Was?“, schnappte Kiba. „Ist doch wahr. Er hat Shikamaru in eine verfickte Wand und KO geprügelt.“   Das wäre dann wohl das Schädelhirntrauma…erklärt aber noch nicht, warum ich so bewegungsunfähig bin…   Energisch versuchte Shikamaru zusammenzukratzen, was in den Sekunden passiert war, bevor er auf dem Boden aufgeschlagen war. Doch sein Hirn brachte es nicht fertig, eine Rückblende zustande zu bringen, die die große fette Lücke füllen konnte, die Neji in seinen Schädel gedroschen hatte.    Wundervoll…   Er spürte, wie Sakuras Hände die Seiten seines Kopfes umfassten und das heilende grüne Glühen pulsierte durch den Schmerz.   „Wo ist er?“, murmelte Shikamaru und hoffte inständig, dass seine Stimme auch wirklich seinen Mund verließ und er nicht einfach nur ausgestreckt dalag und Fratzen schnitt wie ein gestrandeter Fisch.    Sakura summte. „Shikamaru, versuch, für einen Moment nicht zu reden, okay? Zumindest, bis ich deine Schwellung losgeworden bin.“   Shikamaru kniff die Augen zusammen und bemerkte verschmiertes Rot an den Ballen von Sakuras Handflächen, als sie zaghaft seinen Kiefer ummantelte. Blutete er? Er musste härter auf dem Boden aufgeschlagen sein, als er gedacht hatte. Er hörte, wie Naruto neben ihm in die Hocke ging und lenkte seinen verschwommenen Blick auf das Gesicht des Uzumaki. Weite blaue Seen starrten zu ihm hinunter und schwammen vor Besorgnis; wirbelten vor Bestürzung.    „Warum verflucht nochmal hat Neji das getan?“, wisperte Naruto zu niemand bestimmten.    Shikamaru verzog das Gesicht und schloss die Augen. „Er hat…mich beschützt…“   „Wovor?“, schnaubte Kiba. „Seiner anderen Sanften Faust?“   „Einmischung…“, murmelte Shikamaru lahm und prüfte vorsichtig seine Kiefergelenke, als Sakura erneut seinen Kopf umfasste.    „Das ist doch Schwachsinn, Shikamaru!“, plärrte Naruto.   „Mann…du bist so verfickt laut…“   „Hör auf zu schreien, Naruto.“, sagte Sakura ernst und Shikamaru spürte, wie sie ihm die Hände auf die Schultern legte. „Geh und hol ein bisschen Eis.“   Naruto blinzelte. „Du willst mich wohl verarschen! Woher?“   „Lass es uns von Nejis Hintern kratzen.“, murrte Kiba leise.   „Würdet ihr jetzt endlich aufhören.“, wisperte Sakura und zischte die Worte in einem Tonfall hervor, der die beiden augenblicklich zum Schweigen brachte. „Naruto, geh und finde Isuka, sie wird wissen, ob und wo sie Eispacken oder sowas in der Art aufbewahren. Kiba, kannst du Hinata finden?“   Shikamaru hörte ein Murmeln widerwilliger Zustimmung. Langsam blinzelte er seine Augen zu seinem Halbmast Blick und sah zu, wie der Hundeninja und der Uzumaki aus seinem Sichtfeld verschwanden. Über ihm seufzte Sakura leise.   „Was ist passiert?“   Ich habe es vermasselt…das ist passiert…   Die Erinnerung an Nejis Augen kam zurück zu ihm. Shikamaru schluckte energisch die Galle hinunter, die seine Kehle hinaufkroch. Zentimeter für Zentimeter hob er seinen Kopf und zuckte angesichts der Beschwerden zusammen, war aber dankbar dafür, dass der brutal hämmernde Schmerz in seinem Schädel nachgelassen hatte. Vorsichtig führte er die Fingerspitzen an seinen Kiefer und rieb über die verkrusteten Blutflecken. Es war eine saubere Platzwunde.    „Ich muss ihn finden…“   Sakuras Hände pressten sich sachte an seine Schultern und versuchten, ihn wieder nach unten zu drücken. „Du musst stillhalten.“   „Verlockend.“, sagte er gedehnt und schob seine Ellbogen unter sich, um seinen Kopf aus dem Schoß der Kunoichi zu heben. „Scheiße…“   „Shikamaru.“   Er ignorierte die Warnung in ihrer Stimme, richtete sich etwas weiter auf und drehte sich, um seine Schulter in einer krummen Pose gegen den Türrahmen zu lehnen. „Keine Zeit für ein Schläfchen…“   Sakura schüttelte den Kopf. „Du solltest dich nicht bewegen. Ich konnte die Schwellung abklingen lassen, aber ich brauche wirklich Hinata, damit sie dich durchcheckt.“   „Hinata?“ Shikamaru runzelte die Stirn und rieb sich über den Kiefer, während er langsam blinzelte, als sich die Welt wieder ausrichtete.   „Ja.“ Sakura rutschte zu ihm herüber und hob die Hände, um sie an die Seiten seines Kopfes zu legen und ihn ein weiteres Mal mit Chakra zu überziehen. „Neji hat Chakra genutzt, Shikamaru. Der Schlag zusammen mit dem Aufprall deines Kopfes gegen die Wand und Chakra könnte irgendetwas aus dem Gleichgewicht gebracht oder verstopft haben. Ich muss sicher gehen.“   Shikamaru hob eine Braue. Neji hatte Chakra in den Schlag kanalisiert? Kein Wunder, dass der Schlag mehr als nur seinen Kiefer erschüttert hatte. Zumindest erklärte es auch das langsame Wiederkehren seiner motorischen Fähigkeiten. Auf seinen Motocortex zu zielen war ein sicherer Weg gewesen, ihn auf dem Boden zu halten – auch wenn er sich sicher war, dass Neji seine Attacke nicht bewusst gelenkt hatte.    Er hatte einfach nur blindlings ausgeschlagen.    ‚Gefällt dir, was du siehst, Shikamaru? Ist es das, wovon du willst, dass ich es rauslasse?“   Shikamarus Brauen zogen sich zusammen, als er sich an diese Worte erinnerte, die plötzlich eine völlig neue Bedeutung bekamen. Sie trieben sich wie Splitter in seinen Verstand. Es war nicht so, dass Neji ihn nicht vorher gewarnt hatte. Doch das änderte nichts an dem, was er jetzt tun musste.    Ich muss los.   Und was ihn deutlich mehr besorgte als das, was die Chakrawelle vielleicht in seinem Hirn kurzgeschlossen hatte, war der schädliche Effekt, den sie wahrscheinlich auf Neji gehabt hatte. Auf diese Art reflexartig Chakra aus seiner Faust auszustoßen war mit Sicherheit nicht gut für seine blockierten Tenketsu.    „Wie lange war ich weg?“, fragte Shikamaru stirnrunzelnd.    Sakura seufzte. „Wir haben circa zwanzig Minuten gewartet, bevor wir dir nachgegangen sind. Die anderen sind bei Hibari.“   Scheiße…zwanzig Minuten…ich verschwende hier nur Zeit…   Energisch schob Shikamaru Sakuras Hände von seinem Kopf fort. „Mir geht’s gut.“   „Ich meine es ernst, du musst stillhalten.“ „Und ich meine es auch ernst; ich muss ihn finden.“   Sakura klatschte die Hände auf ihre Schenkel und krümmte die Finger, während sich ihre Miene verdüsterte. „Warum hat er das getan, Shikamaru?“   Er wich der Frage aus, indem er nach dem Türrahmen griff, sich daran festklammerte und sich selbst auf die Füße zerrte. „Hör zu…du musst-…“ Er taumelte gefährlich und streckte beide Arme aus, um die Balance zu halten. „Ugh…halte die Mission am Laufen.“   Sakura rollte sich zurück auf ihre Fersen und erhob sich in einem scharfen Ruck. „Was? Ich?“   „Die Mission darf nicht scheitern.“ Shikamaru lehnte die Schulter gegen den Türrahmen, während sein Verstand bereits lossprintete und an Geschwindigkeit zunahm.    Wenn diese Mission scheitert…dann ist meine Abmachung mit Tsunade hinfällig…   Sakura schob sich ihm direkt in den Weg. „Und was ist mit Neji? Ist er nicht auch eine Mission?“   Shikamaru schloss die Augen und schluckte hart, tat dabei aber so, als würde er das nur tun, um gegen Übelkeit und Schwindel anzukämpfen. „Ja…“   „Er lügt.“   Shikamarus Lider hoben sich angesichts der sanft gesprochenen Worte und sein Blick glitt über Sakuras Schulter, um auf ein Paar pastellfarbener Iriden zu treffen. Die Hyūga Kunoichi sah ihn mit überraschender Entschlossenheit an.    Sakura runzelte die Stirn und drehte sich ein wenig, um zu Hinata zu sehen. „Was?“   „Er lügt.“, wiederholte sie mit ernster Stimme, doch ihre Augen waren weich und voller Mitgefühl.   Es war das Letzte, was Shikamaru im Moment sehen wollte. Es war, als würde man versuchen, einen Schlag auszuführen, um den Hieb abzufedern. Er hatte bereits einen beschissenen Treffer einstecken müssen; er glaubte nicht, dass er einen weiteren an einem Ort einstecken konnte, wo Lügen seine einzige Defensive waren.    Scheiße…   Shikamaru schüttelte den Kopf. „Hinata. Nicht.“   „Doch, Shikamaru-kun. Du  riskierst bereits Neji-niisans Vertrauen.“ Hinata fixierte ihre Fliederaugen unerschütterlich auf ihn. „Ich werde nicht einfach nur…dastehen und zulassen, dass du auch noch das Vertrauen von anderen verlierst.“   „Was meinst du?“, fragte Sakura und eine tiefe Furche grub sich zwischen ihre Brauen, als sie zwischen ihnen hin und her sah. „Shikamaru?“   Shikamaru stieß sich von dem Rahmen ab und nutzte den Schwung, um sich selbst in den Raum zurückzuziehen. „Nichts. Lass es gut sein.“   „Nein, das werde ich nicht.“, bestand Hinata und stellte sich in den Türrahmen, während Sakura dem Nara in das Zimmer folgte. „Ich bin diejenige, die zu dir gekommen ist, Shikamaru-kun. Ich…ich habe dich um Hilfe gebeten. Du hättest es nicht tun müssen, a-aber du hast dich dazu entschlossen, Neji zu helfen.“   Shikamaru zuckte zusammen, als Sakura wie angewurzelt hinter ihm stehen blieb.    Er drehte sich um.    Ihre Augenbrauen waren bis zu ihrer Haarlinie geschossen, vielleicht sogar jenseits davon. Doch eine Sekunde später fielen sie in einem Stirnrunzeln nach unten. „Entschlossen, zu helfen?“   Shikamarus Lippen verzogen sich zu einem verärgerten Knoten und seine dunklen Augen verengten sich anstelle irgendwelcher Worte. Was zur Hölle hätte er auch sagen können? Schweigen war im Moment seine beste Taktik. Er könnte zwar noch mehr Bullshit auf die Lügen auftragen, aber gerade war er viel zu sehr darum besorgt, Neji zu finden.    „Sakura-chan, bitte.“, ergriff Hinata erneut das Wort und zog Sakuras Blick von ihm fort. „Sei nicht sauer auf Shikamaru. Er versucht nur, Neji zu be-beschützen.“   Shikamaru schlug sich eine Hand vors Gesicht und nuschelte einen Fluch in seine Handfläche.    Super…Scheiße…   „Warte…“ Sakuras Stimme wurde leise, bevor sie um mehrere Dezibel anschwoll. „Was?“   …und jetzt ist die Kacke so richtig am Dampfen…   „Ugh…ich habe keine Zeit dafür.“, knurrte Shikamaru und ließ seine Hand sinken, während er in seinen pragmatischen Modus verfiel. Er musste Neji finden und sich eine Ausrede sowohl für Nejis Abwesenheit, als auch für seine eigene ausdenken.    „Ihn beschützen?“, echote Sakura und biss das letzte Wort geradezu heraus.    Shikamaru ignorierte sie völlig, was dank der massiven Kopfschmerzen, die eingesetzt hatten, auch ziemlich einfach war. Sie dominierten eine Seite seines Kopfes wie ein zehnfacher Kater. Energisch versuchte er, seinen Verstand scharf auf eine Strategie zu konzentrieren und umriss rasch einen groben Plan in seinem Kopf.    Die Notfalllagerplätze an den Grenzen…das könnte funktionieren…wenn ich es schaffe, ihn dorthin zu bringen…   Er wandte sich dem Tisch zu, auf dem immer noch Grundrisspläne und Karten ausgebreitet waren.    „Shikamaru, was meint sie damit, dass du Neji beschützt?“   Shikamaru hörte ihr nicht zu. Er umklammerte die Kanten des niedrigen Tisches so hart, dass seine Knöchel weiß hervor traten und ging unsicher in die Hocke, um durch die zerstreuten Dokumente zu blättern. Er suchte nach der Karte, die Hibari markiert hatte.    Verdammt, wo ist sie?   „Shikamaru…“   Mit finsterer Miene kam er auf die Füße und schwankte prekär, ignorierte das Pulsieren in seinen Schläfen aber, während er den Raum scannte und über den Knoten auf seiner Stirn rieb.   Denk nach!   Er hielt inne, ließ seine Hand sinken und schritt zu der Höhle von sich und Neji hinüber. An der Peripherie seines Sichtfeldes bemerkte er, wie Sakuras Augen seinen Bewegungen folgten.    „Hier geht es um mehr als einfach nur darum, dass Neji krank ist.“, drängte sie weiter und ging ihm nach, als er in dem Raum verschwand. „Dieser ganze ‚nur das, was du wissen musst‘ Müll kann nicht die Tatsache verschleiern, dass es irgendein anderes ernsthaftes Problem gibt.“   Shikamaru wirbelte den Futon mit einem zornigen Rucken herum und suchte unter Matratze und Laken. Er beäugte seine Chūnin Jacke und marschierte zu ihr hinüber, während Sakura mit den Händen in den Hüften im Türrahmen stehen blieb.    Während er in seiner Weste herumwühlte, strahlte die Kunoichi wortlos ihre immer weiter wachsende Frustration aus.    „Verdammt!“ Shikamaru erhob sich und stützte sich mit der Schulter gegen die Wand. Mit einem Grollen ließ er seine Flakjacke fallen und rieb sich die Augen; Frust zerrte an den Zahnrädern in seinem Verstand.    Er brauchte diese Karte.    „Stimmt es?“, fragte Sakura mit einer Stimme, die deutlich weniger zornig war als ihre Haltung. „Beschützt du ihn vor etwas?“   Shikamaru schüttelte scharf den Kopf und zog die Nase kraus. „Nein.“   „Doch!“, rief Hinata und tauchte hinter Sakura auf.   Ihre Stimme erklang so plötzlich und die Lautstärke war so fremd für ihre Töne, dass Shikamaru vermutlich überrascht gewesen wäre, hätte sich sein Gesicht nicht qualvoll verzogen. Der Druck, der sich in seinem Kopf aufbaute, machte es ihm immer schwerer, denken zu können.    „Ich weiß nicht, warum genau.“, fuhr Hinata leiser fort. „Aber ich weiß, dass es mit meinem Clan zu tun hat…war es mein Vater? Bitte…sag mir n-nur, dass es nicht mei-…“   „Nein.“, sagte Shikamaru angespannt. „Er war es nicht. Es hat nichts mit deinem Vater zu tun…“   Hatte es nie…   Oder zumindest nicht für die letzten zwei Monate…was auch immer das bedeuten sollte.   Schmerz breitete sich pochend hinter Shikamarus Augen aus. Er zog Luft durch seine zusammengebissenen Zähne ein und presste die Lider aufeinander, während er den Kopf zurück legte und versuchte, das Schrillen in seinen Ohren zu ignorieren. Es wollte einfach nicht aufhören. Langsam hob er die Hände, um die Daumen in seine Kiefergelenke zu graben und die Fingerspitzen um seine Ohren zu pressen.    Nicht gut…   Eine Sekunde später ging ihm Sakura verbal an die Kehle. „Shikamaru, du sagst mir jetzt besser, was hier vor sich geht!“   „Mein Hirn läuft gerade aus meinem verfickten Ohr, das geht hier vor sich!“, schnappte er ungehalten und rollte mit den Schultern, als er die Hände fallen ließ. Er stieß sich taumelnd von der Wand ab und marschierte an ihr vorbei aus dem Zimmer. „Wo zur Hölle ist diese Karte…?“   Sakura packte ihn am Handgelenk. „Setz dich hin.“   Shikamaru riss seinen Arm zurück und wäre beinahe auf dem Hintern gelandet. Sakuras Miene verfinsterte sich und sie zerrte ihn energisch zurück zu dem Futon, packte seine Schultern und drückte hart nach unten, bis seine Knie nachgaben und er mit einem peinlichen Mangel an Widerstand zu Boden sackte.    Verdammt…   Hinata kam an seine Seite und prüfte mit aktiviertem Byakugan seinen Kopf. Er fragte sich, ob sein Hirn genauso verletzt war wie sein Ego; sofort machte er sich eine mentale Notiz, herauszufinden, warum unvorteilhafte Ereignisse immer darin zu resultieren schienen, dass Frauen ihn in irgendeiner Weise misshandelten. Er spürte, wie Hinatas Fingerspitzen über seine Stirn klopften.    Sakura ging mit grollendem Gesichtsausdruck in die Hocke. „Bevor du aus der Haut fährst und die Wahrheit auf kreative Weise verbiegst, kannst du zumindest warten, bis Hinata wieder ins Lot bringt, was Neji angerichtet hat.“   Shikamaru hob eine Braue und bedachte sie mit ausdrucksloser Miene. „Ich bin beinahe froh, dass Ino nicht hier ist, um Teil dieses Bombardement Teams zu sein.“   „Oh hör schon auf.“, murrte Sakura stirnrunzelnd. „Er kann es sowieso noch nicht weit geschafft haben.“   Darauf würde ich nicht wetten.   Er ruckte mit den Schultern, als Hinatas Chakrabewährte Berührung irgendetwas tat, das sich wie ein Bruch in seinem Schädel anfühlte. Doch das Aufplatzen von Chakra führte zu einem sofortigen Ablassen des Druckes in seinem Kopf. Das Klingeln in seinen Ohren stoppte.   „Sakura-chan.“   Sakura lehnte sich auf den Knien nach vorn und umfasste erneut seinen Kopf; ihre Hände waren dabei deutlich sanfter als ihre Stimme. „Ich weiß nicht, was du zu Naruto gesagt hast, um ihn dazu zu bringen, sich aus der Sache raus zu halten, aber ich bin es leid, im Dunkeln gelassen zu werden, Shikamaru.“   Shikamaru hielt seine zornige Antwort darauf zurück und wartete, bis sie ihre Hände sinken ließ. In derselben Sekunde, in der sie das tat, erhob er sich und machte sich daran, so viel Abstand wie möglich zwischen sich selbst und ihre Fragen zu bringen.    „Danke.“, sagte er nur und wollte aus der Tür verschwinden.    Sie packte ihn am Unterarm. „Du hast mir gesagt, du wärst direkt damit beauftragt worden, Shikamaru. Und jetzt stellt sich heraus, dass du dich dafür entschieden hast? Du hast gesagt, es wäre nichts Persönliches.“   Shikamaru riss seinen Arm zurück. „Ist es auch nicht…“ Er lief weiter in Richtung des Tisches, der im Zentrum des Raumes stand.    „Hör auf, mich anzulügen!“, schnitt Sakura ihm das Wort ab und überholte ihn mit raschen Schritten, bis sie zwischen ihm und seinem Ziel stand. „Du hast mir gesagt, dir wäre befohlen worden, diese Mission mit Neji zu übernehmen. Du hast mir gesagt, es wären die Anweisungen der Hokage!“   Shikamaru blieb stehen und versuchte, auch sein voran preschendes Hirn zum Anhalten zu bewegen. Er schloss die Augen und verkrampfte den Kiefer; wiederholt spannte er die Muskeln an, während er darum kämpfte, seine Energie und Geduld aufrecht zu erhalten. Er brauchte beides. Herumschreien war so lästig; und Sakura würde das Thema nicht einfach fallen lassen. Daher bestand im Moment die empfohlene Maßnahme darin, die Grenzen des unvermeidbaren Territoriums irgendwie zu umgehen. Entweder das, oder sich einfach blind auf dieses Gebiet begeben und darauf hoffen, nicht Sakuras Fäusten ausweichen zu müssen, wenn er auf eine Landmine trat.    Gott verdammt.   Shikamaru holte leise Luft und ließ sie durch die Nase ausströmen wie Rauch. „Es spielt keine Rolle, wie es zu dieser Mission gekommen ist. Tatsache ist – Mission oder nicht – dass wir nicht versagen dürfen…in beiden Fällen.“   „In beiden Fällen?“, echote Sakura ungläubig angesichts seiner ausdruckslosen Miene. „Was ist dir denn jetzt bitte wichtiger? Neji zu helfen, oder diese Mission zu beenden?“   Shikamaru seufzte und seine Lider schlossen sich bebend. „Ugh, du kapierst es einfach nicht.“   „Was kapieren?“   „Sie hängen zusammen, verdammt nochmal.“, knurrte er und versuchte, sich zu beherrschen. „Scheitert die eine, dann schlägt auch die andere fehl…Ich habe nur diese eine Chance, ihm zu helfen. Diese Mission ist diese Chance. Danach ist Schicht im Schacht. Ich muss dafür sorgen, dass es klappt!“   Sakuras Faust löste sich gemeinsam mit ihren angespannten Zügen; ihr Zorn floss davon. „Also diese Mission…Hanegakure…“   Shikamaru winkte mit einer Hand und drehte sich, um an ihr vorbei zu laufen. „Reines Mittel zum Zweck, ist halt zufällig auch noch eine Win-win-Situation, wenn sie nicht vermasselt wird.“   Sakura hielt ihm den Rücken zugewandt, als er neben dem Tisch in die Hocke ging und sich methodisch durch die Karten und Pläne wühlte. Er drehte Blätter und Schaubilder herum; das Rascheln und Knistern des Papiers war das einzige Geräusch, das die schwere Stille füllte.    Hinata trat näher, die Faust lose gegen ihre Brust gekrümmt, als würde sie ihr Herz darin halten. Er konnte spüren, wie ihre Besorgnis von allen Seiten auf ihn eindrückte. Und dann erklang Sakuras Stimme, sanft und gebändigt von ihrem vorherigen Zorn.    „Dann war Neji also die Priorität…die ganze Zeit über…“   Shikamaru seufzte, stellte die Ellbogen auf dem Tisch ab und rieb sich übers Gesicht. „Ich musste ihn aus Konoha raus bringen, um es tun zu können, okay? Und ich habe dich und Hinata gebraucht. Die einzige Möglichkeit, das zu erreichen, bestand in einer durchführbaren Mission. Ihr hättet nicht zu viele Fragen gestellt-…“ Er schnaubte und ließ seine Hände in einem abschließenden Aufprall fallen. „Dieser Teil hat schätzungsweise nicht sehr gut geklappt…aber ich wusste, dass Neji diese Mission nicht ablehnen würde.“   Leise hörte Shikamaru das Schlurfen von Sakuras Schritten, als sie den Tisch umrundete. „Weil er Kitoris Tochter getötet hat?“   Der Schattenninja hielt seinen Blick auf die Karten gerichtet und suchte aufmerksam die Grundrisse ab. „Ja. Ich wusste, dass er die Mission annehmen würde; selbst ohne Tsunade-samas Anweisung. Das soll keine Respektlosigkeit gegenüber Kitoris Kind sein…aber ihr Tod bot eine Möglichkeit, sein Leben zu retten.“   Sakura kniete sich ihm gegenüber auf den Boden und strich mit der Handfläche über die Karten, um sie zu glätten. „Er will die Sache mit den Leuten hier wirklich richtig stellen.“   Shikamaru nickte und zerrte die Karte vom Tisch, auf die Naruto gekritzelt hatte; Erleichterung erfüllte seine Augen, als er die mit Hibaris Anmerkungen und Kreisen darunter erblickte.    Endlich gefunden.   „Warum war er so kalt Kitori gegenüber?“, fragte Sakura zaghaft und wagte sich vorsichtig auf ein Gebiet, von dem Shikamaru eigentlich erwartet hatte, dass sie mit einem Rammbock hindurchmarschieren würde. „Ich meine, so herzlos zu sein…“   Der Nara schürzte grimmig die Lippen, die Augen auf die Karte gerichtet, um die Informationen in seinen Verstand zu brennen. „Weil er es zu etwas Persönlichem gemacht hat. Er versteht sehr gut, was hier im Clan der Tsubasa vor sich geht. Er versteht, was sie durchleiden müssen und er muss es miterleben, dass diese Dinge richtig gestellt werden.“   „Ist das der Grund, aus dem du den medizinischen Eingriff verschoben hast?“   Einer der Gründe…   Shikamaru hielt seinen Blick weiter stur auf den Plan gerichtet und tat so, als wäre er abgelenkt. „Jetzt im Moment braucht er das. Er muss das tun.“   Sakuras Hand legte sich an den Rand des Papiers, das er studierte. „Er braucht medizinische Hilfe, Shikamaru, Dasist es, was er braucht.“   Shikamaru hielt inne und sah unter seinen Wimpern auf. Er bedachte sie mit einem ruhigen aber pointierten Blick, der ebenso beständig war wie seine Stimme. „Er braucht ebenso sehr, das hier zu tun. Im Moment eigentlich sogar mehr als alles andere.“   Sakuras Brauen zogen sich zusammen. „Warum?“   Weil es nie jemand für ihn getan hat…   Das kummervolle Anschwellen von Schmerz stach in seine Brust und er zog rau die Luft dagegen ein, während er den Kopf schüttelte. „Für seine geistige Gesundheit. Es ist die eine Sache, sein Leben zu retten, aber was hat das für einen Sinn, wenn er dabei seinen verdammten Verstand verliert?“   Sakura zog ihre Hand zurück, als hätten die Worte sie verbrannt. Stattdessen umklammerte sie die Kante des Tisches. „Shikamaru…“   „Man kann nicht einfach so jemanden sein geistiges Fundament entreißen.“, murmelte er und fragte sich, ob er das nicht bereits getan hatte. „Es wird schlimmer kollabieren als sein Körper. Er muss daran glauben, dass er die Dinge unter Kontrolle hat.“   „Aber das hat er nicht.“   Shikamaru seufzte und faltete rasch die Karte zusammen. „Das weiß ich. Du weißt es auch. Aber er kann diese Möglichkeit nichtmal in Betracht ziehen.“ Er legte seine Hände auf die Tischplatte und richtete sich auf. „Ich werde ihm schon genug nehmen…ich kann nicht riskieren, ihn in ins kalte Wasser zu stoßen, bevor ich ihn von seinem Abgrund zurück gezogen habe.“   Hinata trat auf ihn zu, als er durch den Raum schritt. „Shikamaru-kun…“   „Das ist der Grund, aus dem diese Mission nicht scheitern darf.“, fuhr er fort und blieb stur auf seinem Weg in die kleine Höhle, um seine Flakjacke zu holen. „Wenn sie misslingt, dann verliere ich jeden Einfluss in dieser Sache und der Hyūga Clan wird einschreiten.“   Er hörte, wie Sakura verwirrt schnaubte. „Naja…ist das denn nicht gut?“   „Nein!“, sagte Hinata kopfschüttelnd. „Sie…sie dürfen nicht wissen, dass Neji sich das angetan hat.“   Shikamaru schlüpfte in seine Chūnin Weste, und zog sie mit einem scharfen Rucken in Position. Die zusammengefaltete Karte schob er in eine Tasche. „Richtig.“   „Ist es das?“ Sakura warf die Hände in die Luft und unterstrich ihre Frustration mit einem Seufzen, als sie auf die Füße kam. „Warum? Und warum hat er das getan?“   Shikamaru warf ihr einen warnenden Blick zu. „Ich habe dir bereits viel mehr gesagt, als du wissen musst. Ich werde dir sicher nicht von seinen Beweggründen erzählen.“   „Aber-…“   „Das wird nie passieren!“, knurrte er mit Augen, die scharf und hart genug waren, um diese Aussage in Stein zu meißeln.    Sakura erwiderte das unnachgiebige Starren und kaute auf der Innenseite ihrer Unterlippe. „Na schön.“, gab sie letztendlich nach und ließ die Schultern fallen.    Shikamaru nutzte die Gelegenheit sofort und fuhr fort. „Gut. Passt auf, völlig egal, was von diesem Zeitpunkt ab passiert; er muss wissen, dass ihr nichts weiter getan habt, als einfach nur Befehle zu befolgen.“   „Befehle…“, wiederholte Sakura flach und verschränkte die Arme, während sie um den Tisch lief.    Shikamaru nickte, band sich sein Tantō um und prüfte rasch seine Ausrüstung. „Meine Befehle und die der Hokage. Er muss in dem Glauben sein, dass du und Hinata nur so gehandelt haben, weil ihr keine andere Wahl hattet.“   Sakura hielt ein paar Schritte von ihm entfernt inne; sie beobachtete seine Bewegungen mit einem unfokussierten Starren, das deutlich darauf hinwies, dass sie gerade versuchte, in all dem einen Sinn zu erkennen. „Warum?“   „Weil das etwas ist, das er verstehen kann. Direkte Befehle sind absolut. Er wird verstehen, warum ihr es getan habt.“   Sakura schnaubte, doch es war keineswegs streitlustig. „Du meinst, er wird uns vergeben, was wir getan haben. Aber wo bleibst du bei dieser ganzen Sache, Shikamaru?“   „Ich werde sehr schnell wegrennen.“   Der Humor war in etwa so flach wie Sakuras Miene. „Götter, mach darüber keine Witze…“, wisperte sie kopfschüttelnd und mit einem sehr grimmigen Ausdruck auf den Zügen. „Du kannst ihn nicht einfach in dem Glauben lassen, dass du ihn nur manipuliert hast. Du musst ihm die Wahrheit sagen.“   Shikamaru zögerte und trat einen großen Schritt von ihr fort, als ob das garantieren könnte, dass diese Worte nicht sein klares Denken kontaminierten.   „Nein. Ich muss diese Angelegenheit richtig machen.“ Er hielt inne, um seinen Blick durch den Raum schweifen zu lassen und scannte ihn, ohne nach etwas Bestimmtem zu suchen, während er sorgfältig seine Gedanken ordnete. „Meine Beweggründe werden ihn nicht interessieren.“   Sakura packte ihn in dem Moment am Arm, als er sich der Tür zuwandte. „Das kannst du nicht wissen!“   „Es spielt keine Rolle.“ Shikamaru sah hinunter auf ihre Finger an seinem Arm und weigerte sich, ihrem Blick zu begegnen. „Egal wie man es dreht und wendet, er würde jeden hassen, der in diese Angelegenheit eingreift.“   „Also warum muss diese Person dann ausgerechnet du sein?“   Er sah zu, wie sich ihr Griff verstärkte, ihn fest an diesem Platz verankerte und ihn anflehte, eine Alternative in Betracht zu ziehen, die er nicht hatte.    „Weil es eben so sein muss.“, sagte er ernst; die kühle Stimme der Logik sprach inzwischen aus ihm und überging diese andere Stimme, die in seiner Brust eingesperrt war und an seinen Rippen rüttelte wie an Käfigstäben.    „Warum?“ „Anweisungen der Hokage.“   „Lügner. Du hast dich hierfür entschieden, erinnerst du dich?“ Sakuras Finger zuckten, bevor sie noch härter zupackten. „Lass es irgendjemand anderen sein.“   „Nein.“ Shikamaru befreite mit einem Rucken seinen Arm, drehte ihr den Rücken zu und schaffte es fast bis aus der Tür, bevor ihre Stimme ihn erstarren ließ.    „Du bist sein Freund! Was soll das? Willst du, dass er dich hasst?“   Shikamaru schloss die Augen. Das wollte er ganz bestimmt nicht. Es könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Doch um eine Stille zu vermeiden, die möglicherweise dazu geführt hätte, dass sie ihre eigenen Schlussfolgerungen zog, warf Shikamaru einen ruhigen und ungerührten Blick über die Schulter.    „Ich bin nicht Naruto. Das hier ist nichts Persönliches.“   Die vollkommen flach gesprochenen Worte brachten Sakura dazu, das Kinn zurückzuziehen, doch er wusste bereits, dass sie ihm keines davon glaubte. „Shikamaru…lass es die Familie sein, der er ohnehin nicht vertraut, die er am Ende für ein Einschreiten hasst. Nicht dich!“   Hinata verlagerte auf ihr Gewicht und zog die Blicke der beiden anderen auf sich – doch bevor Sakura irgendwelche Entschuldigungen machen konnte, ergriff die Hyūga Kunoichi das Wort. „Sie hat recht, Shikamaru-kun!“   Der Nara blinzelte und sah Hinata mit verengten Augen an. „Was?“   „Ich…ich habe gesagt, dass er jemanden braucht, der ihn aufhält und wieder zurück holt, aber…“ Hinatas Stimme verlor sich, doch sie erholte sich rasch mit einer gequälten Miene. „Aber ich hätte niemals gedacht, dass es einen derart hohen Preis kosten würde.“   „Alles hat seinen Preis.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln; diese Lässigkeit fühlte sich so gezwungen an, als müsste er schwere Steine mit seinen Schultern anheben. „Ich wusste das, als ich Teil dieser Sache geworden bin.“   „Aber es ist nicht dasselbe…“, erwiderte Hinata und blinzelte wie ein Reh. „Jetzt ist die Situation eine andere.“   Shikamaru hob eine Braue. „Es hat sich nichts verändert.“   Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, nahm Hinatas Blick einen Ausdruck ruhigen Verständnisses an, das ihn schneller betäubte, als es Chakra jemals bei seinen Nerven geschafft hätte.    „Doch…das hat es…“, wisperte sie.    Fuck…   „Mach es nicht auf diese Weise, Shikamaru!“ Sakura trat einen Schritt nach vorn und ihre grünen Augen kniffen sich beinahe traurig zusammen. „Du wirst es bereuen.“   Ich will es ja auch gar nicht auf diese Weise tun…   „Es ist nur ein kleiner Preis für sein Leben. Passt auf, jetzt im Moment muss ich ihn erst einmal finden. Und zwar schnell.“ Shikamaru wandte sich um und begann zu laufen, ohne einen Blick zurück zu werfen. Seine Stimme war knapp und rational, als er sich durch die Tunnel bewegte; seine Schritte verlängerten sich in Proportion zu der Geschwindigkeit, in der sein Verstand eine Strategie ausarbeitete. „Hinata, vielleicht brauche ich dich hierbei.“   Er hörte den raschen Lauf der beiden Kunoichis hinter sich.    „Ich verstehe.“, sagte sie leise.    „Was soll ich machen?“, fragte Sakura mit ebenso abgehackter Stimme, doch zumindest arbeiteten sie jetzt wieder auf demselben Level. Priorität.    Shikamaru zog seinen Transmitter hervor und schwenkte ihn vielsagend durch die Luft, ohne über die Schulter zu sehen. „Ich habe mein Funkgerät bei mir. Behalte deines in Reichweite. Ich werde dich kontaktieren, sollte ich den Eindruck haben, dass der Eingriff bei Neji imminent ist.“ Er schob sich den Transmitter in sein Ohr und schlang das dünne Kabel um seinen Nacken, um das Funkgerät zu sichern. „In der Zwischenzeit werdet ihr euch zusammen mit Hibari an den Plan halten. Du stehst stellvertretend für mich und Neji.“   „Was soll ich den anderen sagen?“   Shikamaru seufzte, umrundete eine weite Kurve des Tunnels und öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn aber sofort wieder. Beinahe wäre er mit Naruto zusammengeprallt, schwankte aber gerade noch rechtzeitig zur Seite, um eine desaströse Kollision zu vermeiden. Ihre Schultern schlugen dennoch gegeneinander, was dafür sorgte, dass beide stehen blieben und sich anstarrten.   „Shikamaru! Du bist wieder okay?“, rief Naruto sichtlich erleichtert und lächelte, während er mit zwei Eispacken herumfuchtelte. „Hätte nicht gedacht, dass es dir schon wieder gut geht…“, seine Worte versiegten langsam, als seine Augen von der Flakjacke des Nara zu dem Transmitter in seinem Ohr wanderten.    Shikamaru fluchte innerlich und stierte den Tunnel entlang, um seinen Mangel an Geduld und Zeit deutlich zu machen. „Es geht mir gut. Ich muss los und me-…“   „Wenn du Neji suchen gehst…“ Narutos Finger zerdrückten das Eis in seinen Händen, „dann komme ich mit!“   „Nein. Du bleibst hier.“   „Na klar werde ich das.“ Naruto schnaubte und ließ die Eispacken fallen, um wieder ein Gefühl in seine tauben Hände zu klatschen.   Shikamarus Gesicht verblieb ebenso kompromisslos wie seine Stimme. „Ich meine es ernst.“   Sakura schaltete sich zu seiner Unterstützung ein und trat einen Schritt nach vorn. „Ich brauche dich hier, Naruto.“   „Bist du vollkommen bescheuert, Shikamaru?“ In sich sträubender Manier verzog sich Narutos Gesicht.    Shikamaru schürzte die Lippen und dachte über all die Beweise nach, die klar für diese Anschuldigung sprachen; doch er entschied sich für ein Vermeiden statt einer Diskussion.    Er drehte sich ein Stück, um weiter zu laufen. „Wir haben keine Zeit für sowas.“   Er schaffte kaum drei Schritte, bevor ihm der Weg versperrt wurde. Naruto grub stur die Fersen in den Boden und funkelte ihn durch tiefblaue Iriden an, die vor lästiger und leidenschaftlicher Entschlossenheit glühten. Als Antwort darauf verhärtete Shikamaru sowohl seine Augen, als auch sein Herz gegen diese gutgemeinten Intentionen.    „Halt dich raus, Naruto.“   „Diesmal nicht.“, knurrte Naruto und diese selten gesehene Ernsthaftigkeit verdunkelte seine Augen zu einem wilden saphirfarbenen Schliff. „Das habe ich bereits das letzte Mal getan.“   „Ja und du hast gesagt, dass du es wieder tun würdest, erinnerst du dich?“, erwiderte Shikamaru und machte Anstalten, an ihm vorbei zu laufen, nur um sofort wieder abgeblockt zu werden, als Naruto seitwärts und ihm in den Weg schritt.    „Erinnerst du dich, was ich darüber gesagt habe, diese Sache auszusitzen?“   Frustriert verzog Shikamaru die Lippen. „Verdammt, es wurde niemand verletzt.“   „Du Vollpfosten! Kapierst du wirklich nicht, dass das dich einschließt?!“   „Es geht mir gut!“   Narutos Kiefer klappte nach unten und er starrte ihn fassungslos an, als seine Worte über seine Lippen stolperten. „Neji hat dich verfickt nochmal mit seinem Schlag ins Traumland geschickt.“   „Ja na und? Jetzt bin ich wieder wach.“, murrte Shikamaru und wurde mit jeder Minute, die sie hier verschwendeten, zunehmend ungehaltener und besorgter. „Jetzt kapier’s endlich und lass es einfach gut sein.“   Doch offensichtlich konnte er Naruto zwar verbal zur Seite zu schieben, doch es erwies sich als sehr schwer, das auch in die Tat umzusetzen. Denn in der Sekunde, als sich Shikamaru an ihm vorbei schieben wollte, wurde er mit dem Rücken flach gegen die Wand gepresst – schon wieder. Seine Erfolgsbilanz in dieser Hinsicht sah gar nicht gut aus, besonders, als sich Narutos Finger in sein Rollkragenoberteil krallten.    „Naruto!“, bellte Sakura und schritt vorwärts. „Hör auf!“   Naruto schüttelte ihn einmal. „Ich werde dich sicher nicht hier raus marschieren lassen, damit du nochmal verprügelt wirst!“   Shikamarus Miene wurde finster und er starrte auf den Uzumaki hinunter, während er den Kopf zurückzog. Doch Naruto gab ihm nicht einmal die Gelegenheit zu sprechen.    „Ich habe dir gesagt, dass ich mich gegen dich stellen würde, Shikamaru. Hast du mir nicht geglaubt? Das ist aber wirklich zu blöd.“   Shikamaru spannte den Kiefer an und bohrte mit seinem Blick Dolche in den Uzumaki. Doch unglücklicherweise war sein Starren nicht halb so tief schneidend wie die Worte, die seine Kehle hinaufkrochen und sich wie Rasierklingen auf seine Zunge legten. Er hatte diese Waffe bereits bei Sakura genutzt. Und auch wenn er es hasste, sie einzusetzen; wenn er derart in eine Ecke getrieben wurde, waren seine Optionen ebenso beschissen wie Narutos Hartnäckigkeit.    „Verschwinde!“, presste Shikamaru zornig hervor und bot Naruto damit eine letzte Chance, das Thema fallenzulassen. „Es geht mir gut, okay?“   Naruto schüttelte jedoch nur den Kopf. „Ja klar, bis du wieder ausgeknockt auf dem Boden liegst! Neji hätteernsthaften Schaden anrichten können. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass das passiert!“   „Warum?“, schnappte Shikamaru. „Wir lassen es bei dir jedes Mal zu, wenn du Sasuke hinterher jagst!“   Die Worte schlugen scharf und schmerzhaft wahr ein.    Naruto versteifte sich, als sie sich tief in ihn schnitten und ein verletzter Blick zuckte durch seine Augen. Sein Gesicht verzog sich in einer Mischung aus Bedauern und Schmerz, bevor sich seine Lippen zu einer dünnen, harten Linie zusammenpressten. Fest schloss er die Lider, bevor er sie mit einem Grollen wieder aufschnellen ließ.    Noch einmal schüttelte er Shikamaru und umklammerte heftig den schwarzen Stoff, während er durch zusammengebissene Zähne hindurchzischte. „Das ist etwas anderes…“   „Warum zur Hölle soll das etwas anderes sein?“   Keine Antwort.   Narutos Mund verzerrte sich vor Emotionen; seine Nasenflügel bebten. Es war überhaupt nichts anderes; was es für den Uzumaki vermutlich nur noch wichtiger machte, jeden anderen von solch einer dummen und leichtsinnigen Gefahr abzuhalten.    Super, das ging wohl nach hinten los…   Doch dankbarerweise hatten die Worte Naruto von der Gestalt abgelenkt, die sich ihm von hinten näherte.    „Shikamaru.“, warnte Naruto mit einer Stimme, die nicht mehr als gutturales Beben war. „Ich werde nicht zulassen, dass du diese Tunnel verlässt!“   Shikamaru seufzte und ein schwaches, beinahe reuevolles Lächeln verzog seine Lippen. „Doch, das wirst du.“   Naruto runzelte die Stirn, doch seine Verwirrung schlug nicht so schnell ein wie Hibaris Attacke auf seine Druckpunkte. Der schraubstockartige Griff und der Druck der Finger des Rotschopfes legten Narutos Hirn lahm, bevor der Uzumaki überhaupt bemerken konnte, dass sich der Tsubasa an ihn heran geschlichen hatte.    „Naruto-kun!“, kreischte Hinata.    Doch Naruto hörte sie nicht. Der Uzumaki sackte nach vorn, während sich seine Augen in den Schädel drehten. Shikamaru fing ihn unter den Armen ab und ließ ihn vorsichtig den restlichen Weg zum Boden sinken.    „Sorry.“, sagte er leise und überließ den Uzumaki Sakura und Hinata, als er sich aufrichtete.   Er begegnete Hibaris Blick. „Danke, schätze ich mal.“   Hibari hob eine Braue. „Du hast echt ein ziemlich dysfunktionales Arbeitsethos, wenn es um deine Shinobi geht, ist dir das klar?“   „Das ist noch lange keine Entschuldigung für dich, das zu tun!“, fauchte Sakura und legte Narutos Kopf in ihren Schoß.    Hibari sah neugierig zu ihr hinunter und nahm keinerlei Anstoß an ihren Worten. „Es wird ihm gut gehen. Aber schön zu sehen, dass ihr immer noch loyal zueinander seid, selbst wenn sich einer von euch rücksichtslos verhält.“   Shikamaru zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Nicht, dass du irgendetwas darüber wüsstest, wie es ist, rücksichtslos zu sein, oder?“, sagte er vollkommen sarkastisch.    „Ich? Nie.“ Hibari grinste, ernüchterte aber rasch. „Also worum geht es hier?“   Scheiße. Denk schnell nach.   Shikamaru schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn nicht mit in das Team aufgenommen.“   Hibar verzog das Gesicht. „Was für ein Team?“   „Du sagtest, dass ihr Chakra Pillen von eurem Notfallvorrat braucht, um morgen das riesige Barrierejutsu aufrecht erhalten zu können.“, sagte Shikamaru, zog die Karte aus seiner Flakjacke und entfaltete sie, um mit dem Finger auf einen der eingekreisten Punkte an der Grenze von Hanegakure zu tippen. „Aus dieser Hütte, oder?“   Hibari nickte vorsichtig. „Das stimmt. Ohne den Chakranachschub können wir auf keinen Fall das ganze Gebiet für euch abdecken.“   „Ich weiß. Daher habe ich ein Team zusammengestellt, das diese Pillen jetzt holen wird.“, erklärte Shikamaru und formulierte seine schnell improvisierte Strategie flüssig genug, um jeden davon überzeugen zu können, dass er sie schon lange im Voraus geplant hatte. „Sakura wird mich vertreten, solange ich weg bin. Sie wird mich über das Funkgerät auf dem Laufenden halten.“   Hibari zuckte mit den Achseln. „Na schön, damit ersparst du es mir, mich bis zu der Hütte durchschlagen zu müssen. Komm zu mir, sobald du wieder da bist. Wir werden bereit sein, den Plan weiter durchzuführen. Vorausgesetzt natürlich, du willst den Tempel immer noch morgen Mittag angreifen?“   Shikamaru nickte und zehrte von allen Nerven, die ihm noch geblieben waren, um seine Miene und Geduld unter Kontrolle zu halten. „Das gibt uns die Zeit, die Barrieren zu errichten und jeden von uns im Dorf in Position zu bringen. Hoffentlich haben wir bis dahin alle Antworten von Kitori, die wir brauchen.“   Hibari sah ihn schief an und hob eine Braue. Der Ausdruck ließ Shikamarus Herzschlag aussetzen. Es war ein Blick, der darauf schließen ließ, dass der Rotschopf etwas wusste, was der Schattenninja nicht wusste – es aber eigentlich wissen sollte.   „Was?“   „Ich komme gerade von der Befragung.“, erwiderte Hibari. „Isuka hat mir gesagt, dass meine Mutter bereits alle Informationen darüber preisgegeben hat, wie man in den Tempel gelangt.“   Shikamarus Körper wurde eiskalt.    „Das hat sie?“   „Ja, sie hat alles eurem Hyūga gesagt; vor ungefähr zwanzig Minuten.“   xXx   Die Tür glitt mit einem rauen Kratzen auf und ein scharfer Lichtstrahl schnitt in den schummrigen Verhörraum. Shikamarus Schatten fiel über den groben Stein des Bodens, als er im Türrahmen stehen blieb.    Kitori hob nicht den Kopf, doch ihre Augen folgten seinem Schatten.    „Shikamaru.“, murmelte sie; ihre aschfarbenen Lippen bewegten sich langsam um seinen Namen herum. „Er ist fort, weißt du. Ich habe bereits darauf gewartet, dass du kommst.“   Shikamarus Kiefer spannte sich an und er drehte seinen Kopf ein winziges Stück; gerade genug, um seine Stimme über seine Schulter tragen zu lassen. „Bleib hier.“   Er musste sich nicht komplett umdrehen, um Isuka direkt anzusprechen. Die dünne Frau hatte bereits zugestimmt, ihm seine fünf Minuten zu lassen, bevor sie den Befehl, Kitori zu sedieren, durchführen würde. Shikamaru trat einen Schritt nach vorn und schob die Tür hinter sich zu; er tauchte den Raum damit wieder zurück in das dürftige und schwefelfarbene Licht, das von Schatten unterbrochen wurde.   Eine Motte flatterte immer wieder gegen eine der gesprungenen Laternen.    Kitori beobachtete sie abwesend; ihr Profil wurde von dem Fall ihres Haares verborgen.   „Shika. Hirsch…Maru…“ Sie hielt inne und schien den Geschmack des Wortes zu kosten. „Maru ist ein sehr interessantes Suffix. Weißt du, was es bedeutet?“   „Kreis.“, antwortete Shikamaru flach.    Kitoris Lippen bogen sich hinter dem Sturzbach ihrer Haare; wegen des Schattenspiels auf ihrem Gesicht war es jedoch kaum bemerkbar. „Das ist viel zu wörtlich…es meint etwas von Perfektion oder Vollständigkeit. Etwas, das geliebt wird.“   Shikamaru hob eine Braue und seine scharfen Augen verengten sich noch weiter, als die Tsubasa Frau ihm den Kopf zuneigte. Jede psychologische Skizzierung von Kitoris Persönlichkeit hätte das Wort ‚psychotisch‘ dick und fett unterstrichen, doch das dünne, listige Lächeln, mit dem sie Shikamaru bedachte, drängte ihm die Frage auf, ob sie nicht sogar als ein klinischer Fall von dissoziativer Persönlichkeitsstörung angesehen werden konnte.    Das war nicht die Frau, die ihre sprichwörtliche Kehle für Neji bloßgelegt hatte.    Das hier war die gelassenere und deutlich kältere Kreatur, mit der er sich herumgeschlagen hatte, als sie Strategien diskutiert und sich verbale Schläge verpasst hatten. Ihre grauen Augen wanderten ruhig und abwägend über ihn.    Super…   Shikamaru schloss mit langsamen, aber sicheren Schritten die Hälfte der Distanz zu ihr. Sollte dies das Gesicht sein, das zu tragen sie sich entschieden hatte, dann würde er in derselben freimütigen Sprache mit ihr kommunizieren wie zuvor.    Daher kam er auch direkt zum Punkt. „Wo ist Neji?“   Kitori lehnte sich summend zurück. „Du machst dir Sorgen um ihn, nicht wahr? Das solltest du auch.“   „Ich bin nicht hier, um dieses Spiel mit dir zu spielen.“   „Spielen wir denn, Shi-ka-ma-ru?“ Sie sprach die einzelnen Silben seines Namens mit einem langsamen, pointierten Schnurren aus. „Ah, ich glaube nicht, dass er dich weiterhin im Spiel haben will.“   Shikamaru beobachtete sie ruhig. Er konnte deutlich erkennen, was sie hier zu tun versuchte. Es war so offensichtlich, dass es schon beinahe schmerzhaft war. Doch leider verärgerte es dieses irrationale Ding tief in seiner Brust, das er energisch zu ignorieren versuchte. Er schob seine Hände in die Taschen und knickte die Hüfte zu einer lässigen Pose ein, die nichts von der Spannung verriet, die sein Inneres verkrampfte.    Sie mochte ja ihre Klauen in Neji gegraben haben, doch auf keinen Fall würde er sich zum Opfer ihrer kleinen Psychospielchen machen lassen. Besonders dann nicht, wenn ihr Verstand in etwa so stabil war wie ein Erdrutsch; es brauchte nur noch den richtigen Druck, um ihn auszulösen. Wäre er in der Lage gewesen, sonst noch jemanden zu involvieren, hätte er vermutlich Hibari als Vorschlaghammer dafür genutzt – aber er konnte es nicht riskieren, Nejis Labilität irgendeinem Tsubasa preiszugeben, völlig egal ob Freund oder Feind.    Super. Dann also nur ich und diese Frau mit dem Sprung in der Schüssel.   „Du hast ihm gesagt, wie man Zutritt zum Tempel bekommt.“ Shikamaru hob eine Braue. „Ich frage mich ja, ob er dir geglaubt hat.“   Kitoris Augen zogen sich zusammen und ihre Zungenspitze schnellte wie die einer Viper über ihre Lippen.    „Das muss er wohl, oder?“ Sie hielt inne; ein träges Feixen verzerrte ihre Lippen. „Ansonsten wäre er ja hier – mit dir, Shikamaru.“   Shikamaru ignorierte den Hohn. „Wäre eine gute Möglichkeit für dich, eine Gelegenheit wahrzunehmen, die du das letzte Mal ungenutzt gelassen hast, oder? Biete ihm einen Happen falscher Informationen und hoffe darauf, dass er anbeißt.“   „Du hast ihn gern.“, sagte Kitori. „Ich frage mich, wie sehr?“   Shikamaru blinzelte langsam und wich ihren Worten aus. „Oder vielleicht hoffst du auch, dass er das tut, wozu du nicht in der Lage warst.“   „Ist es wirklich so schwer für dich, es zuzugeben, Shikamaru? Ich bin überrascht, dass es eure Shinobi noch nicht herausgefunden haben. Aber auf der anderen Seite; vielleicht kennen sie weder dich, noch ihn so gut, wie sie denken.“   „Und du bist wohl ganz scharf darauf, dass er dich ‚kennt‘, oder?“   Kitoris Augen flackerten auf, als er diese Worte zu ihr zurück schoss; ein flüchtiges Aufblitzen von Verletzlichkeit, bevor sie es mit einem gezwungenen Lächeln überdeckte. „Cleveres Bürschchen.“   „Also hast du ihm die Informationen über den Tempel gegeben, damit er noch mehr Leute ‚befreien‘ kann?“, fragte Shikamaru gedehnt und ließ Worte folgen, die darauf abzielten, sie endlich von ihrer evasiven Position zu stoßen. „Oder vielleicht bist einfach nur viel zu feige, dich Ozuku selbst zu stellen. Du brauchst wohl jemand anderen, der die Drecksarbeit für dich erledigt.“   Kitori wandte die Augen von ihm ab und richtete den Blick zurück auf die masochistische Motte, die immer wieder gegen die Laterne schlug. „Weißt du, was mir klar geworden ist, Shikamaru?“   Ganz offensichtlich nicht besonders viel…und es interessiert mich einen Dreck.    Shikamaru schwieg, während sein Verstand bereits die Zeit hinunterzählte, die ihm noch blieb und über die Taktiken nachdachte, die er nutzen würde, sollte sie nicht innerhalb der nächsten drei Minuten mit ihm kooperieren.    „Mir ist klar geworden, dass wir so lange im Licht stehen können, wie wir wollen…darauf hoffend, dass es all die Fehler, die wir begangen haben, bereinigt und verbrennt…“ Kitori schnaubte und Verbitterung verfärbte ihre Stimme wie ein uralter Makel. „Aber die Wahrheit ist, dass wir nur dann, wenn wir im Licht stehen, unseren dunkelsten Schatten werfen. Wir sind dazu gezwungen, uns ihm zu stellen…und diese Finsternis ist ebenso unentrinnbar wie die Wahrheit darüber, wer oder was wir sind.“   Shikamaru schloss seine Lider zu seinem trägen Halbmast Blick; es war alles, was er tun konnte, um sich vom Augenrollen abzuhalten. Er hatte diesen fatalistischen Mist schon einmal gehört; allein der Gedanke daran, dass diese Frau Neji zurück in ein psychologisches Gefängnis zerrte, aus dem er es vor drei Jahren geschafft hatte, auszubrechen, war Motivation genug für ihn, sie auszuknocken, bevor es das Sedativum schaffen konnte.    „Unser Schicksal ist genauso festgelegt wie unser Schatten.“, summte Kitori; ihre Lippen pressten sich zu einer zornigen Linie zusammen. „Es kann nicht von uns gelöst werden, völlig egal, unter was für ein Licht wir uns selbst stellen. Der Schatten bleibt.“   Shikamaru sah zu, wie sich ihre ätzenden Schichten, die sie der Öffentlichkeit zeigte, mit jedem Wort zurückzogen und den verrotteten Kern ihres Glaubens offenlegten. Er spähte hinunter auf eine Frau, die vor Angst verfault und vor Verzweiflung zerfressen war. Kein Wunder, dass sie sich jemanden wünschte, zu dem sie eine Verbindung hatte; jemanden, der ihren Schmerz nachempfinden konnte – oder ihn beenden.   Also denkt sie, dass Neji diese Person ist, huh?   „Ich weiß, dass euer Hyūga das versteht.“, wisperte Kitori; offenkundig verzweifelt danach, es selbst zu glauben. „Selbst wenn er jetzt noch keine Gnade für mich zeigt, später wird er es tun. Und weißt du auch, warum, Shikamaru?“   Shikamarus Miene verfinsterte sich, als sie ihre Augen wieder auf ihn richtete. Der bittere Samen ihrer Obsession vergrub sich tief in der angespannten Luft zwischen ihnen. Und dann beging sie den fatalen Fehler, ihn mit ihren nächsten Worten zu wässern.    „Weil er mich sieht. Du kannst diesen Schmerz nicht verstehen. Er schon. Ich habe es in seinen Augen gesehen, als er gerade eben bei mir war.“   Sofort sägten sich die Dornen eines todbringenden Beschützerinstinktes durch Shikamaru; schlangen sich in Ranken um sein Herz, um jedes noch verbliebene Mitleid für diese Frau in Fetzen zu reißen. Shikamarus Augen verschärften sich zu vulkanischem Glas; schwarz und schneidend. Sein Blick bohrte sich direkt durch Kitori und sie zuckte unter seinem mörderischen Starren zusammen, als hätte er sie erstochen.    „Ich bin an deinem Schmerz nicht interessiert, Kitori. Und ehrlich gesagt, könntest du oder deine Tragödie mich nicht weniger kümmern.“, raunte Shikamaru; seine leisen, gelangweilten Töne standen in hartem Kontrast zu dem gefährlichen Glühen in seinen Augen, als er langsam die Hände hob. „Du wirst mir sagen, wohin Neji gegangen ist.“   Kitori beobachtete seine Finger und ihre grauen Augen flackerten unsicher im Laternenlicht.    „Denn wenn dein Schicksal ebenso festgelegt ist wie dein Schatten.“ Langsam faltete er die Finger zu einem vertrauten Zeichen. „Dann solltest du bei allem, was dir in deinem erbärmlichen Leben noch teuer ist hoffen, dass ich gnädiger bin als er.“   oOo   In der Sekunde, in der er sich von allen Gedanken freimachte, schien die Richtung geradezu zu ihm zu kommen.    Sie kam, weil es dafür nichts anderes brauchte als seinen Körper; und alles was sein Körper brauchte, waren Anweisungen. Neji ließ sie in einer mentalen Schleife abspielen; ein endloser Strom von Befehlen, die Blut, Atmung und Knochen lenkten. Er navigierte sich nahtlos die Äste entlang und folgte puren logischen Signalen, funktionierte rein nach Autopilot und dem Monochrom seines Dōjutsus.    Die kalte Distanz einer Zielvorgabe; die sichere Zone einer Mission.   Adrenalin zirkulierte in seinem Netzwerk wie eine Droge; sandte die Befehle noch schneller aus und bewegte seinen Körper weiter voran. Er bewegte sich mit roboterhaftem Gehorsam, seine Gliedmaßen operierten anhand knapper Anweisungen.   Konzentration. Weiter. Vorwärts. Schneller.    Er konnte sein Tempo nicht verlangsamen. Nicht für eine einzige Sekunde.    Der schrille Schrei eines Vogels durchstach die Kuppel seiner Sinne und zog seinen Blick hinauf zu dem dunkler werdenden Himmel. Kitoris Vogel schwebte hoch über den Bäumen auf einer Luftströmung; beobachtete, wartete. Neji ignorierte ihn. Er bewegte sich vorwärts, ließ sich auf Bodenlevel fallen, rannte schneller. Er schnitt im Zickzack zwischen den Bäumen hindurch, während er gegen einen Wind sprintete, den er nicht spüren konnte, weil die Taubheit alles in ihm erstickte außer die Stimme der Priorität.    Die Mission. Die Mission. Die Mission. Da.   Abrupt kam er zum Stehen, drehte sich mit einem geschmeidigen und plötzlichen Schritt und griff in seine Ninja Tasche; seine Finger zitterten.    Das ist das Adrenalin. Adrenalin. Adrenalin.   Er zerrte den Behälter heraus, den er mitgenommen hatte; sein Griff war beinahe so hart, dass er das Glas zerbrach. Statt nach dem Deckel zu greifen, ließ er es einfach fallen. Er sah zu, wie es zersplitterte und donnerte seine Ferse hinunter auf die parasitäre Chakra Markierung, die zwischen den Scherben hervorkrabbelte; zerschmetterte sie mit einem ekelerregenden Knacken von Glas und Chitin.   Kitoris Vogel schrie; das hohe Kreischen war wie Fingernägel auf einer Tafel.    Neji griff nach den sensenartigen Klingen, die er sich auf den Rücken geschnallt hatte, schob seine bebenden Finger in die Schlaufen, die die aerodynamischen Waffen an ihrem Platz hielten.    Er drehte sich ein Stück nach links, grub einen Fuß in den Boden und wartete.    Er konnte sie bereits sehen.   Als Ozukus Shinobi aus den Bäumen brachen, flogen die Sensen schneller als sie.    oOo   Lauf. Lauf. LAUF!   Shikamaru spürte wie sich das Brennen durch die schlanken Bänder seiner Muskeln fraß. Blut rauschte in seinen Ohren, kochte in seinen Adern und flutete sein Inneres mit Feuer, das sofort vor purer Angst erkaltete.    Nein. Ich werde es schaffen. Ich muss es schaffen.    Dieses innere klimatische Chaos wogte in mächtigen Wellen durch ihn, beschleunigte die Geschwindigkeit, mit der er überraschend leichtfüßig durch Hanegakures Wald jagte, jetzt, da Anstrengung nicht länger nur eine Option war; sie war unabdingbar.    Er rannte schneller, als er es jemals für möglich gehalten hätte.   Bitte…   oOo   Blut sprühte in einem hässlichen arteriellen Spritzen aus der Wunde.    Es tränkte das Weiß von Nejis Roben mit Rot.    Tropfen trafen auf seine Haut, sammelten sich und rannen über die Neigung seines Kiefers.    Ein ersticktes Gurgeln erklang.    Der Hyūga starrte ausdruckslos in die hervortretenden, geschockten Augen des Tsubasa Ninja; der Mund des Mannes bewegte sich wortlos, während das Leben aus ihm sprudelte, wie ein purpurner Geysir.    Neji blinzelte nicht.    Er stellte seinen Fuß an die Hüfte seines Feindes und drückte, um die Sense mit einem ekligen Schmatzen aus dem Körper zu ziehen. Der Mann sackte an seine Füße, eine blutige Hand klammerte sich an sein Bein. Neji riss es los und trat über den zuckenden Leib hinweg; sah nicht einmal darauf hinunter, als er sein Handgelenk nach unten ruckte und die purpur getränkte Klinge in seinem Griff herumwirbelte.    Ein rosa Nebel hing in der Luft, schwer von Tod und gesättigt von Schweiß und Blut.   „Grausam.“, murmelte eine tiefe Stimme aus den Schatten.    Neji ließ die Sense fliegen.    Die scheußliche Klinge segelte durch die Luft und schlug Funken auf einer zurückkehrenden Schneide. Die Waffen trafen aufeinander und neutralisierten sich gegenseitig, als sie sich aus ihren Flugbahnen warfen und sirrend im Wald verschwanden.    Neji richtete sich auf und als er sich seinem Ziel zuwandte, legte sich um seine Gestalt eine majestätische Ruhe, die ihm von Geburt an anerzogen worden war. Blut tropfte von der Seite des Gesichtes des Hyūga und lief über die Sehnen in seinem Hals. Es tränkte seine Roben und klebte sie an seine Haut. Warm und nass.    Er konnte es nicht spüren.    Sein Byakugan flammte auf und seine Pupillen nahmen unheimliche Definitionen an, als sich sein Blick auf die Person richtete, die auf ihn zuschritt. Der Mann war schwer eingehüllt, gekleidet in Roben die ebenso blauschwarz waren wie die Federn des Vogels, der auf seiner Schulter saß. Neji konnte sein Gesicht bereits sehen, als sich sehnige Hände hoben, um die samtene Kapuze zurückzuschieben und ein tätowiertes Gesicht offenbarten.    „Hyūga.“ Ozuku trat mit langen und beständigen Schritten näher. Ihm war die Anmut und Haltung eines Mannes zu eigen, der sich seiner Machtposition bewusst war. „Beeindruckend, aber nicht das, was ich erwartet habe. Viel zu chaotisch. Kein Ninjutsu? Ich bin enttäuscht.“   Neji ignorierte seine Worte, während seine Augen über das tätowierte Gesicht wanderten, ohne es danach aussehen zu lassen; er folgte der Struktur der Tinte, prägte sich jeden Abdruck der gefiederten Muster ein.    „Gleich beim ersten Mal, als ich dich gesehen habe, konnte ich klar erkennen, warum sie dich mochte.“, bemerkte Ozuku und strich mit einer Handfläche über den tiefblauen Samt seines Mantels. „Selbst ohne deine Augen würdest du den meinen immer noch gefallen.“ Der Mann ließ seinen Blick unverhohlen über Nejis mit Scharlach besprenkelte Haut und Roben gleiten. „Rot steht dir, Hyūga.“   Neji blinzelte langsam und deaktivierte sein Dōjutsu, nachdem er sich das Muster der Markierungen auf der Haut des Tsubasa gemerkt hatte. Ozukus Starren berührte ihn nicht; es traf wirkungslos auf die Wand aus Apathie, die Neji zwischen ihnen aufrecht erhielt. Seine Gesichtszüge waren ebenso makellos und glatt wie Marmor.    Doch auch genauso leblos.    Es würde kein Festfahren der Situation geben. Kein Einschätzen von Stärken oder Schwächen.   Ozuku legte den Kopf schief und seine Lippen verzogen sich zu einem einstudierten Lächeln. „Die Arroganz von Konoha ist wirklich erstaunlich. Mir Frieden anzubieten? Ich mag Verhandlungen ganz generell nicht.“   „Es wird auch keine Verhandlungen geben.“, informierte Neji ihn mit unheilvoller Ruhe.    Ozuku hob die Brauen, die durch die Muster darum herum noch dichter erschienen. „Du willst mich töten, so wie du meinen Bruder getötet hast? Wie poetisch.“   Neji wandte sich dem Mann mit stoischer Miene etwas mehr zu; seine geistgleichen Augen waren vollkommen leer. „So wird es nicht für dich enden.“   „Aber ich weiß, wie es für dich enden wird; für dich und deine kleinen Shinobi Nestlinge.“ Ozuku hob die Hände; es war eine ehrfurchtsvolle Geste, die auf seinen eigenen Sinn von Überlegenheit gerichtet war. „Ihr befindet euch jetzt in meinen Himmeln. Solltest du mich herausfordern, dann wird es ein tiefer und langer Fall.“   Neji legte angesichts dieser Worte katzenartig den Kopf schief und die minimale Neigung zeigte vorgetäuschtes Interesse. Doch es war nicht Ozuku, den er ansah; seine Augen folgten den Tattoos auf den Handgelenken und Unterarmen des Mannes.   In dem Glauben, dass Nejis Aufmerksamkeit auf seinen selbstpreisenden Moment gerichtet war, lächelte Ozuku nachsichtig. Er streckte eine Hand aus wie ein Gott, der einen einfachen Sterblichen mit seiner Gnade segnete.    „Komm zu mir, Hyūga. Der Priester in mir betet. Doch der Herrscher wartet einfach nur. Ich bin ein geduldiger Mann.“   Neji starrte ihn teilnahmslos an; gebadet in Blut und Schmutz.    Er sah zu, wie Ozuku die Arme in einer einladenden Geste ausbreitete und sich der Samt seiner verhüllten Gestalt kräuselte. „Du wirst mir meine mächtigsten Flügel bringen.“   Neji summte leicht.    „Ja.“, versprach er leise und sein Atem verwandelte sich in der kalten Luft zu Nebel.    Der Dunst bekam nicht einmal die Chance, davon zu schweben.    Neji schnitt durch ihn hindurch.    Er bewegte sich in stroboskobartiger Unschärfe; ein Blitz aus Weiß und Rot scheuchte Ozukus Vogel zu einer hektischen Flucht auf.    Ozuku blieb keine Zeit, sich zurückzuziehen.    Neji packte den rotbraunen Schopf und strich mit der anderen Handfläche über Ozukus Kiefer, als wäre es die flache Seite einer Klinge. Scharf drehte er das Gesicht des Mannes zur Seite, als er seine Lippen nahe an das gepiercte und tätowierte Ohr brachte.   „Ich werde dir deine Flügel bringen, Priester.“, raunte Neji mit einer Parodie seiner sinnlichsten Stimme. „Und wenn ich das tue, dann wirst du darum beten, vor dem davonfliegen zu können, was ich mit dir machen werde.“   Mit dem Verklingen des letzten Wortes erscholl das laute hässliche Knacken von Knochen und Knorpel.    Mit einer scharfen Bewegung von Nejis Handgelenken zerbrach Ozukus Genick wie ein trockener Zweig.    Der Körper des Tsubasa sackte zu Boden und zerbarst in Federn, als der Doppelgänger verschwand.    Neji starrte hinunter auf die wirbelnden Daunen, sah zu, wie sie sich auf einer Brise drehten und davon schwebten.   Seine Hände begannen zu zittern, auch wenn der Rest von ihm vollkommen kalt und unbeweglich dastand.   Vollkommen losgelöst folgte sein Blick dem wispernden Gleiten einer eigenwilligen Feder. Er beobachtete, wie sie über die blutgetränkte Erde schwebte und über tote Körper und abgetrennte Gliedmaßen getragen wurde. Das rotgetränkte Taumeln der Daune endete erst kurz vor der Baumgrenze und verlor sich in dem abendlichen Nebel, der noch immer rosa vor Blut war. Nebel, die wirbelten und wogten, bis sie sich wie phantomhafte Vorhänge teilten, als eine Gestalt aus ihnen auftauchte; ebenso leise wie die Schatten, in denen sie gestanden hatte.    Nejis Atem erstarb in seiner Kehle.    Seine Rippen schienen sich zusammenzuziehen.   Die Taubheit, die sich über seine Sinne gelegt hatte, begann zu kribbeln…heimtückisch vor Gefühlen. Gefühle, die begannen, die Anweisungen, die in Dauerschleife in seinem Hirn abliefen, außer Kraft zu setzen. Die gleichgültigen und roboterhaften Prozesse, mit denen er operiert hatte, wurden mit jedem sich nähernden Schritt lahmgelegt.    Diese Füße bewegten sich in einem weichen und langsamen Weg direkt auf ihn zu.    Das Beben in seinen Fingern erreichte seine Arme; ein unverkennbares Zittern schlug Wurzeln.    Nejis Augen weiteten sich und ein bitteres Brennen ließ seine Sicht verschwimmen.    „Halte dich fern von mir…“   Die Gestalt hielt direkt vor ihm inne.    Nahe genug, dass Atem über sein blutverschmiertes Gesicht spielen konnte; warm und rauchig. Er konnte es auf eine Weise fühlen, auf die er das Blut, das seine Haut bedeckte nicht spüren konnte.    Zeit hing wie eine Klinge über allem und ihre Schneide biss sich mit jeder verstreichenden Sekunde tiefer.    Neji spürte Fingerspitzen über die Rücken seiner zitternden Hände wandern. Sie bewegten sich über seine Knöchel, strichen über seine Handgelenke, strichen seine Arme hinauf und glitten höher hinauf bis zu seinen Schultern, bevor sie sich um seinen Hals schoben.   Die Berührung hielt an seinem Nacken inne und die Finger begannen sanft zu massieren.    Und als sich Shikamarus Stirn an sein Hitai-ate legte, spürte Neji, wie mehr als nur sein Atem zerbrach.    oOo   Der Mond stand hoch am Himmel, als sie die Grenze von Hanegakure überquerten. Die Baumgrenze begann sich auszudünnen und der Boden wurde immer härter und grobkörniger. Erde wich Fels und das Land begann, sich in sanften Hängen zu wellen. Shikamaru lief in Nejis Fußstapfen einen Abhang hinauf und folgte dem Hyūga einen gewundenen und bemoosten Pfad entlang, während Kieselsteine unter ihren Füßen knirschten und rollten.    Er hielt seine Augen starr auf Neji fixiert, vertraute keine einzige Sekunde darauf, dass der Hyūga nicht jeden Moment wie ein scheuer Hirsch Reißaus nehmen oder angreifen würde. Der Jōnin hatte noch kein einziges Wort gesagt. Genauso wenig hatte er Shikamaru in die Augen gesehen, seit er ihn gefunden hatte; blutüberströmt und semi-katatonisch, nachdem er Ozukus Shinobi im wahrsten Sinne des Wortes zerhackt und das Genick des Doppelgängers gebrochen hatte.    Zu diesem Zeitpunkt hatte das tiefgehende Gefühl von Erleichterung darüber, Neji lebend gefunden zu haben, Shikamarus ursprüngliche Furcht fort gespült. Doch jetzt konnte er deutlich spüren, wie sie wieder zurückgeschlichen kam. Neji nachzujagen hatte keinerlei Vorausdenken darüber eingeschlossen, wie er vorgehen wollte, sobald er den Hyūga gefunden hatte. Shikamaru wusste, dass er rein automatisch über jede Möglichkeit hätte nachdenken sollen, wie er mit dieser Situation umzugehen war.    Doch er musste feststellen, dass ihm keine Lösungen dafür in den Sinn kommen wollten.    Ein seltsames Gefühl von Stillstand verharrte hartnäckig zwischen ihnen; es hielt Shikamarus Verstand in einem konstanten Schwebezustand. Was dazu führte, dass er einzig und allein aus reinem Instinkt auf Neji reagierte. Es war kein kluger Modus, um darin zu operieren, aber statt hilflos in einem Zustand vollkommener Verwirrung zu zappeln, entschied er sich dafür, einfach der Führung dieses seltsamen Impulses zu folgen.    Bis jetzt war er immerhin noch nicht angegriffen worden.    Neji hatte weder die Flucht ergriffen, noch war er ausgerastet und hatte ihn angegriffen; was bedeutete, dass er Shikamaru nicht als Bedrohung ansah. Doch er hatte keine Ahnung, als was Neji ihn momentan betrachtete, geschweige denn, ob Neji ihn überhaupt wahrnahm. Der Hyūga schien distanziert zu sein, doch nicht auf die Art und Weise wie zuvor.    Die Verleugnung war fort, was ein lauerndes Desaster oder aber Schadensbegrenzung als mögliche Ursachen zurückließ. Doch selbst wenn es das war, was Neji zu tun versuchte, dann war es nur schwer zu sagen. Es wurde auch noch dadurch erschwert, dass es Shikamaru nicht schaffte, einen Blick auf diese Augen zu erhaschen. Und mit dem aktivierten Byakugan war es sehr unwahrscheinlich, dass sie irgendetwas preisgeben würden.    Sag mir nicht, dass ich dich in dieser Höhle verloren habe, Hyūga.   Neji führte sie ein von Bäumen gesäumtes Plateau entlang, dann einen weiteren felsigen Abhang hinauf, der sich dem Rand eines neuen Waldes näherte; einer, der die Grenze zu den Nachbarländern kennzeichnete. Sie durchquerten ein paar kleine Lichtungen, die mit dichtem Nebel bedeckt waren.    Neji hörte auf zu laufen.    Shikamaru hielt neben ihm inne.    „Hier?“, fragte Shikamaru mit heiserer Stimme.    Neji nickte ein einziges Mal und strich mit seiner Hand in einem Bogen durch die Luft.    Shikamaru konnte es nicht sehen, doch er wusste, dass es da war. Genau dort, wo Nejis Handfläche nach außen wanderte und flach über eine unsichtbare Mauer wanderte, als würde er Staub aus der Luft wischen.    Das Barrierejutsu.    Shikamaru drehte den Kopf. „Ist es sicher?“   Neji nickte wortlos.    Shikamarus Augen glitten über sein Profil, das im Mondlicht silbern schimmerte.    Es konnte jedoch nicht von all dem Blut ablenken – und da war eine ganze Menge davon.    Der Nara spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust.    Blinzelnd erholte sich von seinem Starren und wandte seinen Fokus wieder der unsichtbaren Barriere zu, die dem Byakugan vermutlich als eine schwarze Wand erscheinen musste. Shikamaru schätzte die Distanz ein und trat einen Schritt zurück, um die Karte auszubreiten, die er aus den Tunneln mitgenommen hatte. Er sah auf Hibaris Anmerkungen, summte und schob das Papier wieder in seine Jacke.    „Na schön.“, seufzte er und hob die Hände, um die nötigen Handzeichen zu formen. „Lösen.“   Eine Sekunde später begann die Luft zu wabern.    Flackernd erschien eine kleine Blockhütte.    Es war eine einfache Konstruktion, die zu einem bewohnbaren Außenposten umgebaut worden war. Die Hütte stand zwischen überwuchertem Blattwerk und zwei kleinen Bäumen. Die Balken waren verwittert und rissig, moosbewachsen an den Sägekanten und die Dachrinne war auf der einen Seite des Daches ein wenig abgesackt; an den Fensterrahmen begann das Holz bereits teilweise zu verfaulen. Eine kleine Tafel war in die Balken genagelt und zeigte den steinernen Kopf eines Adlers. Erosion hatte den stolzen Schnabel abgetragen und stattdessen nur einen verzerrten Stumpf zurückgelassen.    Neji bewegte sich als Erster und schritt in einem ziellos wirkenden Schweben zur Tür.    Shikamaru beobachtete ihn für einen Moment, bevor er ihm folgte und nur kurz innehielt, um das Barrierejutsu mit den nötigen Handzeichen und den passenden Worten wieder zu errichten. Direkt nach Neji überquerte er die Türschwelle und zog den Kopf ein, um ein paar Talismanen auszuweichen, die vom Rahmen hingen. Sie baumelten an faserähnlichen Fäden und erschufen eine Illusion von kleinen, schwebenden Sphären.    Shikamaru runzelte die Stirn und hob eine Hand, um nach einer der sich drehenden Münzen zu greifen.    Auf jeder einzelnen war die Skizze eines anderen Vogels eingraviert. Schwebend und drehend tanzte Mondlicht von den Amuletten und reflektierte kleine Lichtflecken durch den Raum, bis die Tür ins Schloss fiel.    Shikamaru ließ seinen Blick durch die dunkle Hütte schweifen.    Das Knarzen und Ächzen des Holzes war das einzige Geräusch, abgesehen von dem sanften Wispern des Windes, der durch die Sparren pfiff. Die Brise zerrte eine durchdringende Kühle in die Luft. So wie es aussah, handelte es sich hier um einen einzigen großen Raum, doch es gab eine Tür mit vielen Schnitzereien, von der Shikamaru vermutete, dass sie zu einem Badezimmer führte. Dieses Versteck musste regelmäßig genutzt werden, wenn sich die Tsubasa Rebellen sogar die Mühe gemacht hatten, es mit Talismanen, abgenutzten Teppichen und einem Bett auszustatten, auf dem ein Haufen Laken und Felle lagen.    Der Nara hob eine Braue und nahm eine schnelle Bestandsaufnahme weiterer Details der Hütte vor; was eine Feuerstelle, verschiedene Truhen an den Wänden, ein paar Stühle und Kisten und etwas, das wie ein Shogi Tisch aussah, einschloss.    Das Knarzen des Dielenbodens zog Shikamarus Fokus zurück von seinem prüfenden Blick.    Er wandte sich Neji zu und beobachtete, wie der Hyūga langsam in die Mitte des Raumes schritt, schweigend dort stehen blieb und durch das Fenster starrte, um den Wald jenseits des Glases zu überblicken. Statt das kalte Gefühl von Angst in sich sinken zu lassen, lenkte Shikamaru seine Schritte in einem langsamen Trott durch den Raum und suchte in einer der großen Kisten, die als provisorischer Tisch dienten, nach einer Lichtquelle. Er fand die dicken Stumpen gekrümmter Kerzen und zog eine halbleere Schachtel Streichhölzer hervor. Bedächtig machte er sich daran, die wächsernen Blöcke anzuzünden, die sich alle in unterschiedlichen Stadien des Schmelzens befanden.    Kurz darauf tauchten weiche Pfützen aus Kerzenlicht die Hütte in eine Illusion von Wärme und verscheuchten die Dunkelheit. Doch leider warfen sie auch Licht auf Nejis verheerenden Zustand. Das Spiel von Orange und Gelb über den unzähligen Blutflecken wirkte wie Flammen auf dem Eis von Nejis Körper.    Er hatte wirklich ein regelrechtes Massaker angerichtet.    Und das nur mit Taijutsu.    Shikamaru atmete leise durch die Nase aus; ließ die Luft davon schweben, während sein Blick hinüber zu dem Hyūga wanderte. Neji ignorierte ihn, starrte einfach nur schweigend durch das Glas des Fensters. Vollkommen bewegungslos stand er da; abgesehen von dem Beben in seinen schlanken Fingern, während sich die Venen und Sehnen in dem vergeblichen Versuch anspannten, diese kleinen Bewegungen zu stoppen.    Gott, es schmerzte so sehr, ihn so sehen zu müssen.    Shikamaru schüttelte traurig den Kopf und begann, seine Flakjacke auszuziehen und seine Ninjaausrüstung abzulegen, wobei er sein Tantō als Erstes beiseite schob. Er hielt seine Bewegungen langsam und bewusst, führte sie mit einer Art von Ruhe aus, die dazu gedacht war, Neji davon abzuhalten, seine Intentionen einzuschätzen und sich bedroht zu fühlen.    Nicht, dass Shikamaru überhaupt selbst gewusst hätte, was zur Hölle seine Intentionen waren.    Und noch dazu kam die Tatsache, dass Neji eine viel größere Bedrohung für ihn darstellte als umgekehrt.   Doch nichts davon war im Moment von Belang, da erfahrungsgemäß etwas Anderes das Ruder übernahm, wenn sein Hirn aufhörte, in einem rationalen und selbstverteidigenden Zustand von geistiger Gesundheit zu funktionieren. Sich dessen bewusst, ließ er ‚etwas anderes‘ seine Schritte lenken und näherte sich Neji mit beständigem Tempo; langsam und leicht und nichts als Ruhe ausstrahlend. Er hatte das bereits unzählige Male zuvor bei den Hirschen seines Clans getan und bisher war er noch nie angegriffen worden.    Es gibt immer ein erstes Mal…   Er brauchte keine mahnende Erinnerung daran, wie schnell Neji handgreiflich werden konnte. Eine Wiederholung dieser Situation war keineswegs auszuschließen, doch Shikamaru bewegte sich trotzdem weiter nach vorn. Er blieb direkt neben Neji stehen, wartete kurz und schob sich dann sehr langsam und Stück für Stück um ihn herum, bis er zwischen dem Hyūga und dem Fenster stand. Neji blinzelte, bewegte seinen Kopf nicht, ließ seinen Blick aber von der einen Schulter des Nara zur anderen wandern und folgte dem dunklen Stoff des Rollkragenoberteils.    Shikamaru wartete ab und musterte ihn unter dichten Wimpern.    Er bemerkte, wie sich die Sehnen in Nejis Kehle anspannten und zuckten, was seine Aufmerksamkeit zu dem Blut zerrte, das beide Seiten des eleganten aber starken Halses bedeckte. Shikamaru konnte keine Wunden unter dem ruinierten Weiß der Roben erkennen und Neji hatte während ihres Weges auch nie den Eindruck gemacht, als wäre er verletzt.    Demzufolge handelte es sich nur um Feindesblut.    Vorsichtig hob Shikamaru eine Hand, die Finger nach außen gestreckt und die Handfläche bloßgelegt, während er sie immer höher wandern ließ, um Nejis Gesicht zu berühren.   Keine Reaktion.    Eine volle Minute musste vergangen sein, bevor er sich traute, mit dem Daumen über die Neigung von Nejis Kiefer zu streichen und der ernsten Linie zu folgen, bis seine Fingerspitzen den Hals des Hyūga berührten und dem blutbesudelten Hals nach unten folgten.    Neji schluckte hart und hörbar in der Stille, die sich hartnäckig zwischen ihnen hielt.    Shikamaru schüttelte langsam den Kopf. „Gott, bitte sieh mich an.“   Neji schloss die Augen, während sich eine tiefe Furche zwischen seine Brauen grub, als sie sich zusammenzogen.    Dieser schmerzerfüllte Ausdruck schlug heftig in Shikamarus Brust ein und Schuld rieb sich wie Salz in eine offene Wunde. Sie stach sich in Bereiche von ihm, in denen er sich noch nie zuvor verletzt gefühlt hatte. Nicht so. Er legte seine andere Hand auf Nejis Schulter; nicht hart genug, um Bewegungen zu unterbinden, aber stark genug, um die Vibration zurückgehaltener Kraft spüren zu können, die tief in den zitternden Muskeln begraben lag.    „Alles gut.“, wisperte er heiser. „Es ist alles gut.“   Neji hielt die Augen geschlossen und atmete kurz und scharf durch die Nase ein, während er den Kopf schüttelte. Welcher Kampf sich auch immer in seinem Inneren abspielte, Shikamaru konnte nicht einschreiten. Mit all den Antworten, die er inzwischen hatte, konnte er dennoch einfach keine Lösung finden. Keine Möglichkeit, es irgendwie besser zu machen.    Selbst jetzt, obwohl er endlich die Antworten hatte, war er sich sicher, dass er sie alle wieder zurückgegeben hätte, wenn es nur dafür sorgen würde, diesen Ausdruck von Nejis Gesicht fernhalten zu können. Nur zu wissen, dass er derjenige war, der den Hyūga zurück in diese Arena aus Geistern und schmerzhafter Erinnerungen gestoßen hatte…   Gott…sag mir, wie ich dich wieder zurück bringen kann…   Shikamarus Stirn legte sich in Falten und er fuhr mit den Fingern durch die blutgetränkten Strähnen, strich durch die Mähne aus Mokkafarbenen Haar, um zaghaft Nejis Hinterkopf zu streicheln.  „Neji…“, sagte er sanft.    Die Antwort war ein zerfetztes Beben von Nejis Atem und das heftige Schütteln seines Kopfes, als er versuchte, sich zurück zu ziehen. Shikamaru fühlte sich bis in sein Innerstes zerrissen; der eine Teil von ihm drängte ihn dazu, nach vorn zu treten, während der andere Teil ihn eindringlich warnte, zurückzuweichen. Gefangen zwischen diesen beiden Bewegungen, fiel es ihm schwer, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.    „Neji…“, wisperte er und hob beide Hände zu dem zitternden Kopf des Hyūga. Er schob seine Finger in die schwingenden Strähnen, um sie von Nejis Gesicht fort zu streichen. „Tu das nicht.“   Neji packte grob seine Handgelenke.    Shikamaru konnte noch immer spüren, wie diese Finger bebten.  Er ignorierte die quetschende Umklammerung, legte seine Berührung an Nejis Hinterkopf und neigte sich nach vorn, um ihre Stirnen aneinander zu lehnen. „Neji…Gott…hör auf zu kämpfen…“   „Geh…weg von mir…“ Nejis Stimme war wie zerschmetterter Fels; rau und gebrochen.   Doch er ließ nicht los.    „Neji…“   „Warum…?“, wisperte Neji gegen seine Lippen, die Lider fest aufeinander gepresst und seine Stimme so roh, dass Shikamaru die Worte kaum verstehen konnte; doch er konnte den Schmerz in ihnen schmecken. „Er hat…es einfach gehen lassen…“   Shikamarus Brauen zogen sich zusammen und er krümmte die Finger, als sie langsam taub wurden; er nutzte die Berührung, um zaghaft Nejis Kopf zu streicheln. „Was hat er gehen lassen?“   „Schwach…“, raunte Neji und bleckte die Zähne. „Er war…schwach…“   „Neji…“   Neji zischte und sein Kiefer verkrampfte sich gegen ein Fluchen, einen Ruf, einen Schrei; Shikamaru konnte es nicht sagen.    Er konnte allerdings deutlich an der angespannten Stille erkennen, dass Neji aufgehört hatte zu atmen.    Scheiße…atme…   Mit einigen Mühen schaffte es Shikamaru, eins seiner Handgelenke zu befreien.    Das heiße Kribbeln von Blut flutete in seine Finger.    Sofort ließ Neji seinen anderen Arm mit einem Zucken los.    „Neji.“ Shikamaru drehte leicht den Kopf, um sanft gegen das Ohr des Hyūga zu murmeln. „Neji, atme.“   Neji schüttelte ihn ab und wich nach hinten wie ein verstörtes Tier, während er die Hände hob, um hart seinen Schädel zu umklammern; die Finger krümmten sich und gruben sich tief in seine Kopfhaut. Shikamaru sah ihn an, vollkommen ahnungslos von den Emotionen, die sich in seinen eigenen Augen verrieten. Er beobachtete, wie Neji bebte und sich heftig gegen einen inneren Ansturm wehrte; seine Schultern verkrampften sich hart dagegen.    Energisch schluckte Shikamaru den Knoten in seiner Kehle hinunter, trat einen Schritt nach vorn und schloss seine Hände um Nejis blasse Fäuste. Langsam fuhr er mit den Fingerspitzen durch die Täler der knochenweißen Knöchel.    „Atme.“, wisperte er noch einmal, während er sanft die Handrücken des Hyūga streichelte und zaghaft versuchte, sie vom Kopf des Jōnins fort zu ziehen. „Neji…“   Nejis Schulterblätter schlugen wie Hacken aneinander und ein leises, gutturales Knurren kroch seine Kehle hinauf wie ein verweigertes Heulen. Shikamaru erwartete, weg gestoßen zu werden, aber dann verwandelte sich dieser zornige Klang rasselnd in etwas Heiseres und Gequältes und brach aus Nejis Kehle, bis er beinahe daran erstickte. Der strangulierte Klang schnitt sich geradewegs durch Shikamaru; geradewegs durch die schmerzenden Knochen und Muskeln seiner Brust, um sich tief in einen Ort zu graben, von dem er wusste, dass Neji dort bereits blutete.    Gott…bitte sag mir, was ich tun soll…   Shikamaru schüttelte hilflos den Kopf.    Fuck…sag mir einfach nur, was ich tun kann, damit es endlich aufhört…   Er fuhr weiter fort, mit den Fingern über die Hände des Hyūga zu reiben und versuchte, den brutalen Griff zu lockern, mit dem Neji seinen Schädel umklammerte; er wollte so viel tiefer greifen, um den Schmerz des Jōnin an seinen Wurzeln zu packen und heraus zu reißen.    Noch nie zu vor hatte er sich so unglaublich nutzlos gefühlt.    Der Kummer, der sich in seiner Kehle verkeilte, machte es ihm schwer, zu sprechen oder zu atmen.    Sag mir, wie ich es wieder gut machen kann…bitte…   Nejis Finger bewegten sich unter seinen eigenen und zwangen Shikamaru dazu, seine Hände fort zu ziehen. Doch bevor ihn Traurigkeit bei der Kehle packen konnte, griff Neji so plötzlich und unerwartet nach seinen Handgelenken, dass sich Shikamaru bereits auf Gewalt von Seiten des Jōnins einstellte.    Doch sie kam nie.    Diese immer noch bebenden schlanken Finger blieben einfach nur um seine Handgelenke geschlungen.    Shikamaru stand wie festgefroren da und der bittere Stich von Salz an den Winkeln seiner Augen brannte, während er Neji einfach nur ansah und die Signifikanz dieses Momentes zu verstehen versuchte. Er konnte nicht erklären, warum er es fühlte; aber er wusste es.    Neji sah ihn immer noch nicht an; diese opalhaften Augen blieben fest verschlossen. Schatten und Kerzenlicht vereinten sich, um die gequälten Züge des Hyūga noch schärfer zu definieren. Und sie ätzten sich in Shikamarus Herz, als würde ein glühendes Messer dieses Bild hineinschneiden.    Lass es mich wieder gut machen…   Beinahe hätte er die Worte laut ausgesprochen, doch seine Kehle war verschlossen.    Und dann realisierte er, dass Neji ihn nicht so hart gepackt hatte, wie er es hätte tun sollen.    Tatsächlich griff er überhaupt nicht hart zu.    Er hielt sich einfach nur fest.    Festhalten…   Eine Erkenntnis breitete sich in Shikamarus Kopf aus und dämmerte auf seinem Gesicht mit dem leichtesten Weiten seiner Augen. Ohne nachzudenken trat er näher, ließ Neji weiterhin seine Handgelenke umfassen und neigte den Kopf, um ihre Schläfen statt ihrer Stirnen aneinander zu lehnen. Diese Position richtete die Längen ihrer Körper aneinander aus, legte Schulter an Schulter und Hüfte an Hüfte. Ihre linken Seiten pressten sich nahe genug zusammen, dass das markerschütternde Schauern, das Neji in sich hielt, durch den Schattninja hallte, als würde der Jōnin zerbrechen.   Jedes noch so schwache Schütteln und Beben wogte auch durch Shikamaru.    Jedes Anspannen von Nejis Kiefer spürte er an seinem Gesicht.    Selbst der hohe Grat von Nejis Wangenknochen drückte sich so hart gegen seinen eigenen, als würde Neji versuchen, ihn von sich zu stoßen. Doch die Finger des Jōnins blieben, wo sie waren; und Shikamaru versuchte nicht, seine Handgelenke zu befreien, er überließ Neji ohne irgendeinen Protest die Kontrolle.    Denn er konnte spüren, wie der Jōnin mit Zähnen und Klauen um Kontrolle kämpfte.    Der Körper des Hyūga war das Schlachtfeld, das den Krieg vermittelte, der in ihm tobte. War das nicht auch der Grund, warum er überhaupt seine Tenketsu blockiert hatte? Um das aufzuhalten, was er jetzt so verzweifelt zu kontrollieren versuchte.    Lass es raus…Gott, hör auf zu kämpfen…   Shikamaru kam sich vor wie ein nutzloser Beobachter an einem fernen Horizont, der zwar den Rauch und die Flammen sehen konnte, aber nicht in der Lage war, das Gemetzel aufzuhalten; und das trotz der Tatsache, dass er jede Sekunde selbst zu einem Opfer davon werden konnte.    Doch obwohl er das wusste, machte er dennoch keinerlei Anstalten, sich zurückzuziehen.    Und irgendwann schien das, was auch immer Neji innerlich zerfetzte, eine weiße Flagge gezeigt oder einen vorübergehenden Waffenstillstand ausgerufen zu haben, der lange genug anhielt, um Atem holen zu können…denn ganz langsam spürte Shikamaru, wie sich Nejis Gewicht verlagerte.    Ganz langsam lehnte sich Neji an ihn.    Nur ein winziges bisschen.    Shikamaru rührte sich nicht; er wusste, dass er sonst das Risiko eingehen würde, diesen Moment noch qualvoller für Neji zu machen. Außerdem konnte er noch immer all die Zeichen lesen – und der Verschluss von Nejis Fingern war klar wie Kristall.   Erst als Neji seine Handgelenke losließ, hob Shikamaru sehr langsam seine Hände. Als sich Neji nicht anspannte, strich er leicht über die Rückseite des mit Mokkasträhnen umrahmten Kopfes, der an seiner Schulter lag, während seine andere Nejis Wirbelsäule hinunter wanderte.    Shikamaru war sich nicht sicher, was es war.    Es war keine Umarmung.   Es war auch kein richtiges Umfassen von Nejis Körper.   Es war mehr als irgendetwas dieser Art - unendlich viel mehr.   Und dieser unendliche Augenblick dehnte sich aus und verlangsamte sich. Die Zeit, die in den letzten Stunden getrieben von Panik, Schmerz und möglicher Katastrophen voraus gerannt war, begann langsam, ihre Geschwindigkeit zu drosseln.    Die Zeit beruhigte sich – und obwohl Shikamaru wusste, dass es nicht von Dauer sein würde, beruhigte er sich mit ihr.    Ganz ruhig…   Shikamaru atmete langsam ein und hielt die Luft tief in seinen Lungen. Nach und nach entließ er sie wieder gegen Nejis Haar und strich mit den Lippen über die dunklen Strähnen. Während er zaghaft durch die dichte Mähne fuhr, spürte er, wie blutverklebt sie war.    Wir müssen das Zeug von ihm runter bringen…   Shikamaru neigte leicht das Kinn und spürte, wie die abgehackten Luftzüge von Nejis Atem den Stoff seines Rollkragenoberteils erwärmten. Er legte seine Lippen an Nejis Ohr.    „Vertraust du mir für einen Moment?“   Neji sagte nichts, doch er wich auch nicht zurück.    Shikamaru fasste es als unausgesprochene Bestätigung auf und ebenso langsam wie es all seine Bewegungen bisher gewesen waren, drehte er sie beide um und begann, Neji Schritt für Schritt zaghaft nach hinten in Richtung des Bettes zu schieben. Als die Kniekehlen des Hyūga gegen die Matratze stießen, ließ sich Neji automatisch darauf nieder; wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren. Shikamaru ging zwischen seinen Beinen in die Hocke und legte die Handflächen auf den festen Oberschenkeln ab, während er leicht mit den Daumen zu klopfen begann.    Er musterte Nejis Gesicht, das vor Erschöpfung tief eingefallen war.    Shikamarus Miene verdüsterte sich und er streckte eine Hand aus, um liebevoll mit den Fingern durch die tiefbraunen Strähnen zu streichen. Neji blinzelte langsam angesichts der Berührung. Seine dunklen Wimpern fielen tief und schirmten seine Augen beinahe vollständig ab.    Ihre Blicke waren sich immer noch nicht begegnet.    Doch Shikamaru wollte unbedingt die Erinnerung an den letzten Ausdruck ersetzen, den er in diesen Augen gesehen hatte.    Sieh mich an.   Er wollte Nejis Aufmerksamkeit zu sich ziehen, wagte es aber nicht, ihn dazu zu drängen. Jetzt im Moment war das Wichtigste, dass der Jōnin ruhig blieb und ihn von all dem Blut zu befreien. Wie leicht oder schwer sich das gestalten würde, stand allerdings auf einem anderen Blatt.    Bring mich bitte noch nicht um, Hyūga…   Shikamaru schob den düsteren Gedanken beiseite; er wollte seinen Verstand nicht in diese Richtung gehen lassen. Er wusste, dass Sakuras Worte sich sofort hart in ihn rammen würden, wenn er es zulassen würde. Die Wucht ihrer Fragen und Anschuldigungen hatten bereits eine kratertiefe Delle in einem lebenswichtigen Teil von ihm hinterlassen. Ein Teil, der sich mit einer ausgeweideten Art von Kummer gefüllt hatte, den er nicht ertragen wollte. Doch er würde ohne zu zögern den von Neji ertragen, um das wieder gut zu machen, was er zerbrochen hatte.    Hör auf…tu einfach, was du tun musst…und jetzt im Moment, musst du das ganze Blut auf ihm loswerden.    Shikamaru summte leise, klopfte mit den Fingern gegen Nejis Beine und schloss seine Gedankengänge, als er begann, sich aufzurichten.    Doch er kam nicht weit.    Nejis Hände legten sich auf seine Schultern und drückten ihn wieder nach unten, bis er gezwungen war, ein Knie auf den Boden zu stellen, um die Balance halten zu können.    Shikamaru legte fragend den Kopf zur Seite.    Gleich darauf bemerkte er die pulsierenden Venen des Byakugan um Nejis Augen.    Und dann spürte er, wie Nejis Hände seinen Kopf umfassten.    „Es geht mir gut.“, murmelte Shikamaru; sich bewusst, was Neji gerade überprüfte. „Es ist nichts verletzt, aber ich schätze mal, dass wir jetzt quitt sind, was Knock Outs angeht.“   Er hob die Arme, um sanft mit den Fingerspitzen über Nejis Handgelenke zu streichen und die Hände des Hyūga von seinem Kopf fort zu locken. Hände, die in der Lage waren, mehr Schaden anzurichten als jeder andere, den er jemals so nahe an sich heran gelassen hatte. Hände, die ihm mehr Vergnügen bereitet hatten, als er jemals zuvor erlebt hatte und mehr Schmerzen als er jemals willentlich als Teil eines Preises akzeptiert hätte.    Wenn es bedeutet, dass du lebst…   Shikamaru ließ seine Augen über Neji wandern.    Er sah aus, als hätte man ihn in Tod getaucht.    Das Blut war wie eine Kriegsbemalung auf fleckiger Haut, die vor Qual verzogen war.   Shikamaru fuhr mit einem Knöchel Nejis Kiefer entlang und dann über einen stolzen Wangenknochen; folgte den unsichtbaren Brüchen in einer gesprungenen Maske. Der rohe menschliche Schmerz sickerte durch die Risse.   „Neji.“, murmelte Shikamaru mit einer Stimme die ebenso weich war wie seine Berührungen. „Hör auf, dagegen anzukämpfen.“   Nejis Augen schlossen sich flatternd. „Bitte mich nicht darum, schwach zu sein…“   „Ich bitte dich nicht darum, schwach zu sein.“ Shikamaru schüttelte traurig den Kopf. „Ich bitte dich darum, nur ein einziges Mal ein bisschen weniger stark zu sein.“   Neji atmete bebend aus und lehnte seinen Kiefer in die Liebkosung von Shikamarus Hand, wobei er den Ausdruck von Trauer auf seinen Zügen halb verbarg, der sein Gesicht beschattete. „Verdammt seist du…warum bist du gekommen…?“   Shikamaru spürte ein nasses Brennen an der Rückseite seiner Augen. „Was zur Hölle denkst du wohl?“   Er strich mit dem Daumen über Nejis Lippen, spürte, wie sie sich zu einer kontrollierten Linie zusammenpressten, um die Emotionen niederzukämpfen, die sich an die Oberfläche drängen wollten.    „Du denkst.“, erwiderte Neji und das raue Wispern wurde von Shikamarus Handfläche gedämpft. „Ich handle…“   Dieser verzweifelte, erschöpfte Humor war so vollkommen unerwartet, dass Shikamaru für einen Moment ratlos war. Er starrte ihn mit weitäugigem Schock an und fühlte, wie eine neue Welle von Kummer an seiner Brust zerrte. Es war ihm klar, dass es mehr als einfach nur Stärke für Neji brauchte, um eine Defensive zu senken, hinter der er so tief verletzt war.    Shikamaru blinzelte das bittere Stechen in seinen Augen fort, um seine Sicht zu klären. „Neji…“   „Er hat nichts getan…das ist der Grund, aus dem ich…aus dem ich immer handle…warum ich tue, was auch immer notwendig ist…“, wisperte Neji und schloss die Augen, die sich immer noch nicht Shikamaru zuwenden wollten. „Götter…ich bin so müde…“   „Ich weiß.“, murmelte Shikamaru zurück. „Ich weiß, dass du das bist.“   Er sah zu, wie Neji seine zitternden Finger in die Felle am Rand des Bettes krallte. Doch das Beben, das durch den Hyūga jagte, wurde abrupt unterbrochen, als sich all seine Muskeln stur anspannten.    Er kämpft immer noch…sag mir, wie ich es schaffe, dass du endlich aufhörst zu kämpfen…   Der Schattenninja legte seine andere Hand auf Nejis Schenkel und massierte den verkrampften Muskel, während er seine brennenden Augen über das getrocknete Blut wandern ließ. Neji hatte diese Shinobi gnadenlos niedergemetzelt; einige hatte er sogar in wortwörtliche Fetzen gerissen. Es brauchte nicht viel um zu vermuten, dass Neji in einem roten Nebel verloren gewesen war, der deutlich schlimmer gewesen war als der, den er durch den Kampf erschaffen hatte.    „Hör auf zu kämpfen.“, murmelte Shikamaru noch einmal und Besorgnis verzerrte seine Stirn zu einem Knoten.    Er hielt seine eine Handfläche an die Seite von Nejis Gesicht gelegt und fuhr mit dem Daumen über die Lippen des Jōnin. Sie verkrampften sich noch härter und zusammen mit jedem anderen Muskel, um zu versuchen, jeden Beweis für den Schmerz mit Eis zu überziehen und zu stählen, den Shikamaru ohnehin schon auf seinem Gesicht lesen konnte.    Kein Spiel von Kerzenlicht oder Schatten konnte es verbergen.    Gott, er wollte diese Trauer fort waschen.    Shikamaru verzog kummervoll das Gesicht und drehte sein Handgelenk, um mit den Rückseiten seiner Finger über die ziselierte Mulde von Nejis Wange zu streicheln und den bitteren Bächen getrockneten Blutes zu folgen.    Zumindest gab es diese eine Sache, die er fort waschen konnte.    _____________________   Schon wieder ein sehr sehr langes Kapitel...das nächste dreht sich wieder vollständig um Shikamaru und Neji...das könnt ihr jetzt auffassen, wie ihr wollt ^^ Ich hoffe sehr, dass ich gerade die letzte Szene zwischen Neji und Shikamaru in diesem Kapitel gut rüber kommt! Über Meinungen und Anregungen würde ich mich wie immer sehr freuen!!     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)