Break to Breathe von _Scatach_ ================================================================================ Kapitel 18: Time to go ---------------------- Ein dumpfes, langgezogenes Heulen hallte durch das Lager. In der darauffolgenden Stille waberte der nächtliche Nebel tief zwischen den Zelten und benetzte das Segeltuch mit einem dünnen feuchten Film. Eine Zwergohreule, die auf einem niedrigen Ast saß, drehte ihren Kopf einmal um die eigene Achse. Für einen Moment war es sehr leise, die Atmosphäre wirkte beinahe gelassen…bevor ein weiterer verlorener Schrei ertönte.    Shikamarus Augen flatterten auf.    Müde musterte er das fadenscheinige Gewebe der Laken, die er sich über den Kopf gezogen hatte, während er sich in einem Schwebezustand zwischen Schlaf und Bewusstsein befand. Eingemummelt in den Kokon der dünnen Decken spürte er, wie sein Atem den Stoff hob und ihn über seine Stirn kitzeln ließ. Irritiert drehte er den Kopf von dieser seltsamen Empfindung weg.    Während er langsam blinzelte und erneut die Augen schloss, registrierte er drei Dinge. Erstens, es war gottverdammt eiskalt. Zweitens, eine seltsame Vorahnung hatte ihn aus dem Schlaf gezogen. Und drittens, er konnte einfach nicht verstehen, worum es sich dabei handelte.    Ugh…ist mir auch egal…ich werde mich nicht bewegen…   Er entließ ein langsames müdes Seufzen und zog seine Schultern gegen die Kälte zusammen; verharrte in der mageren Wärme seines eigenen Körpers, während sein Geist mühsam von Erschöpfung zu Achtsamkeit zurückkehrte. Mit der Zeit wurden ihm dadurch auch andere Dinge deutlich; wie zum Beispiel die Tatsache, dass es deutlich dunkler war, als er erwartet hätte, als er erneut die Lider hob. Selbst mit den über den Kopf gezogenen Decken hätte es im Zelt zumindest ein bisschen heller werden müssen, seit er endlich zu seinem wohlverdienten Schlaf gekommen war.    Wie spät ist es?   Die stete und ununterbrochene Wiederholung von Eulenschreien brachte ihn nach und nach dazu, sich zu bewegen. Als wäre er ein Taucher, der die Wasseroberfläche durchbrach, um nach Luft zu schnappen, bog er den Nacken zurück. Sein Pferdeschwanz schob sich durch die Falten der Laken, dicht gefolgt von Stirn, Nase und Kinn.    Kühle Luft schlug ihm ins Gesicht.    Ätzend.   Die Empfindung ließ ihn die Miene verziehen, nur um die Bewegung gleich darauf zu bereuen, als ein scharfer kurzer Schmerz über seine Stirn zuckte. Er befreite seinen Arm aus den verwickelten Laken und hob die Hand, um mit den Fingern über den schmerzenden Bereich zu streichen. Hinatas Salbe musste wahre Wunder bewirkt haben, denn er spürte nicht einmal die Spur einer Narbe von der Platzwunde. Eine tiefe Erleichterung glättete seine Züge, doch sie hatte nicht das Geringste mit Eitelkeit zu tun. Es war nur einfach so, dass keine Narbe bedeutete, dass er sich auch keinen lästigen Fragen darüber stellen musste, wie es zu der Verletzung gekommen war.    Sehr gut…   Fest entschlossen, sich wieder in den provisorischen Kokon aus Decken zu vergraben, schloss er die Augen. Doch als er das ferne Schlurfen von Schritten hörte, drehte er sich etwas und linste blinzelnd über eine Schulter.   Warum ist es verdammt nochmal so dunkel?   Leise vernahm er die wispernden Stimmen von Hinata und Sakura und er spitzte die Ohren, um zu hören, worüber die beiden sprachen, konnte aber nur undeutliches Gemurmel ausmachen, das von den Zeltplanen gedämpft wurde.    …Schichtwechsel?   Kein Wunder, dass er müde war. Er konnte nicht sehr lange geschlafen haben, wenn die beiden jungen Frauen jetzt erst aufgestanden waren, um ihre Wache zu übernehmen. Seufzend zog Shikamaru einen Ellbogen an den Körper und drehte sich langsam, um sich aufzurichten, während er gleichzeitig versuchte, die Laken um den Unterleib gewickelt zu halten. Mitten in der Bewegung hielt er inne, als etwas seine Aufmerksamkeit auf sich zog.    Er blinzelte etwas mehr gegen die Finsternis an…und dann weiteten sich seine Augen.   Wann zur Hölle hat er sich wieder in das Zelt geschlichen…?   Shikamaru konnte die Gestalt auf der anderen Seite des Zeltes gerade so erkennen, so weit von ihm entfernt, wie es irgend möglich war. Der schlafende Ninja lag auf der Seite, den Rücken Shikamaru zugewandt.   Der Abstand zwischen ihren Körpern schien klar festgelegt und aussagekräftig…   …und genau deshalb zuckte Shikamarus Augenbraue nach oben, als er die langen dichten Mokkasträhnen bemerkte, die sich in mäandernden Wellen über den Grund ergossen; die zusammengebundenen Enden streiften die Bettrolle des Nara und schlossen die Distanz zwischen ihnen.    Ok, das ist jetzt viel zu metaphorisch für meinen Geschmack…   Doch Shikamarus Amüsement milderte sich zu einem schwachen Lächeln, als er dem Fluss der Haare zu Nejis Kopf folgte und das Schweifen seines Blickes wiederholte, um ihn zu dem Haarband zurückgleiten zu lassen, der die Enden des dunklen Stroms zusammenhielt.   Er hatte eigentlich erwartet, dass Neji länger fort sein würde, wenn nicht sogar für die ganze restliche Nacht.    Langsam legte Shikamaru den Kopf schief und musterte den anderen Ninja in unbeirrter Stille.    Dann ertönte außerhalb des Zeltes ein Grummeln und unterbrach sein sanftes Starren.    Widerwillig zog er den Blick von dem schlafenden Jōnin fort und blickte um sich, um die Richtung auszumachen, aus der die Stimme kam. Nach der halb gewimmerten Beschwerde zu urteilen, zu der sich das Geräusch zuspitzte, schätzte er, dass es sich um Naruto handelte.   Also sind er und Chōji gerade erst von ihrer Schicht zurückgekommen? Ugh. Warum zur Hölle bin ich wach?   Shikamaru stöhnte genervt, hob einen Arm und begann, sich aus den verhedderten Laken um seine Hüfte zu schälen. Die Kälte verursachte ihm eine Gänsehaut und sickerte durch das Gewebe seiner Kleidung, als er zum Eingang des Zeltes krabbelte und so leise und langsam wie möglich den Reißverschluss des Segeltuchs öffnete.    Neji regte sich nicht.    Shikamaru schlüpfte in seine Sandalen und lauschte gleichzeitig nach dem Geräusch von Bewegungen oder gedämpften Stimmen. Er schob die Zeltplanen mit dem Handrücken auf und glitt hinaus in die Nacht. Ein dünner Wirbel des Nebels waberte um ihn herum, als er sich erhob und leicht mit den Fingern gegen seine Stirn drückte.    Hmmn. Die Temperatur ist ganz offensichtlich ziemlich in den Keller gerauscht…   Aufmerksam scannte er die Lichtung und drehte sich zu dem lauten, rasselnden Schnarchen um, das aus einem der Zelte drang. Zumindest irgendjemand befand sich in so tiefem Schlaf, wie Shikamaru es gerne gewesen wäre. Aufseufzend begann er, träge durch den Nebel zu trotten. Die nachtblaue Düsternis, von der die Lichtung erfüllt war, ließ darauf schließen, dass die Dämmerung immer noch einige Stunden entfernt war; was ihm nur wieder die frustrierende Frage aufdrängte, warum er verdammt nochmal überhaupt aufgewacht war.    Verdammt…   Ein leises Rascheln ertönte.    Aus dem Augenwinkel erhaschte er eine Bewegung und hielt neben einem der Zelte inne, als sich ein riesiger weißer Hund seinen Weg zwischen den Planen hindurch nach draußen bahnte. Das weiche, müde Knurren des Vierbeiners brachte Shikamaru zum Schmunzeln.    „Du auch, huh?“   Akamaru schnüffelte und schob seinen Kopf weiter nach vorn, gefolgt von einer großen Pfote, auf der er seine Schnauze ablegte, während er Shikamaru aus schläfrigen Augen beobachtete. Der Schattenninja brummte und schob seine Hände tief in die Taschen seiner Hose, als er sich umwandte und seinen Spaziergang fortsetzte. Er konnte ein Rascheln hinter sich hören, sah jedoch nicht zurück. Eine feuchte Nase stupste ihn am Unterarm an und zog seine Aufmerksamkeit hinunter zu dem riesigen Köter.    Akamaru hob den Kopf.    Shikamaru hob eine Braue. „Wenn du mich beißt, flipp ich aus!“   Doch eigentlich hätte er nicht einmal ausflippen können, wenn er es versucht hätte; er war viel zu müde. Allerdings schien sich Akamarru ohnehin damit zufrieden zu geben, um ihn herum zu schnüffeln und den Schattenninja träge zu flankieren, während er ihm auf Schritt und Tritt folgte.    Seltsam.   Noch einmal spähte Shikamaru zu dem weißen Hund hinunter. „Wie lästig.“   Akamaru gab ein Geräusch von sich, das wie ein Schnauben klang, schüttelte sich ausgiebig und stellte ein Ohr auf. Shikamaru machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu fragen, was der Hund von ihm wollte und schlenderte einfach weiter die Peripherie des Lagers entlang. Wie ein Schatten blieb der Ninjahund an seiner Seite und schnupperte gelegentlich in die Luft, während Nebelschwaden in trägen Lachen um sie herum wogten; wie auf die Erde gekrochene Wolken. Shikamaru ließ seine Gedanken kreisen und beobachtete die feuchten Dämpfe, als er mit stetigen Bewegungen die Müdigkeit aus seinen Gliedern verscheuchte.    Ich sollte mir lieber mal eine Strategie ausdenken…   Ein tiefes Winseln zog seinen Fokus nach unten und gleich darauf über seine Schulter. Akamaru war einige Schritte hinter ihm stehen geblieben, den großen weißen Kopf schief gelegt und die Schlappohren aufmerksam aufgestellt. Fragend hob Shikamaru eine Braue und seine dunklen Augen bemerkten die wachsame Haltung des Hundes. Und dann erstarrte Akamaru vollständig, das sanfte Schwingen seines langen buschigen Schwanzes stoppte komplett. Shikamaru runzelte die Stirn und sein Blick folgte dem des Vierbeiners in die undurchdringliche Dunkelheit hinter der Baumgrenze.    Scheiße…   Die Hände noch immer in den Taschen vergraben, machte der Schattenninja langsam auf dem Absatz kehrt. Aufmerksam wanderten seine Augen zwischen dem Hund und den Bäumen hin und her, während er ganz gemächlich auf das vigile Tier zu trottete. Trotz seines faulen Ganges raste sein Verstand und kalkulierte die Situation ununterbrochen. Sollte sich eine Bedrohung in ihrer nächsten Nähe befinden, musste sie irgendwie an Sakura und Hinata vorbei gekommen sein.    Nicht gut…   Das Lager infiltrieren und einer Entdeckung durch das Byakugan entgehen zu können setzte ein gefährlich hohes Niveau an Heimlichkeit und List voraus. Auch wenn es mehr als zweifelhaft war, dass jemand einen direkten Angriff auf die beiden jungen Frauen riskieren würde, wenn sich weitere sechs Ninjas in unmittelbarer Reichweite befanden.    Außer, sie haben es irgendwie geschafft, Hinata und Sakura unbemerkt außer Gefecht zu setzen…   Sollte das der Fall sein, konnte er mit Sicherheit davon ausgehen, dass es sich bei dem Gegner um jemanden handelte, der gerissen genug war, sich ihnen so weit nähern zu können, um die beiden Kunoichi geräuschlos ausknocken zu können. Und das wiederrum bedeutete, dass ihr Feind das vorher geplant haben musste.    Und er wird auch wissen, wie man dementsprechend handelt…verdammt…   Shikamaru ging neben Akamaru in die Hocke, tat so, als würde er den Hund mit einem leichten Tätscheln beruhigen und hielt den Schein unter dem Deckmantel, abgelenkt zu wirken, aufrecht. Doch gerade, als er sich eine Taktik zurechtgelegt hatte, überraschte ihn der weiße Hund, indem er sich sichtbar entspannte und wieder anfing, mit dem Schwanz zu wedeln.    Shikamaru legte die Stirn in Falten.    Falscher Alarm?   Akamarus Kopf schnellte scharf herum, er fiepte jedoch nur zaghaft. Sofort erstarrte der Nara, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung ausmachte, entspannte sich aber rasch wieder, als die Gestalt in Sichtweite kam und nicht den geringsten Versuch unternahm, sich zu verstecken.    „Bandelst du gerade mit meinem Kumpel an, Shikamaru?“   Der Schattenninja linste über die Schulter zu Kiba. „Ich spreche leider nicht Hundisch.“   Schnaubend kam Kiba näher, bevor er laut gähnte. „Mann, du bist aber sehr früh auf.“   „So wie du.“   Als wäre es Erklärung genug neigte Kiba seinen Kopf in Richtung seines vierbeinigen Begleiters.    Shikamaru wandte den Blick wieder dem Hund zu, nur um neugierig an der Stirn angestupst zu werden, als Akamarus feuchte Nase ihn beschnüffelte. Es blieb ihm kaum Zeit, zurück zu weichen, bevor der Köter ihm auch schon mit einem rauen Schwung seiner Zunge über die Stirn leckte.    „Verdammt!“ Shikamaru kam sofort auf die Beine und wischte sich mit dem Unterarm über die nasse Haut, um den Hundespeichel zu entfernen. „Ugh…beiß mich lieber wieder das nächste Mal…“   Doch mit einem Schlag störte ihn das schlabberige Schlecken des Hundes nicht annähernd so sehr wie die Tatsache, dass Kiba angesichts seiner Aussage und Akamarus Verhalten nicht lachte. Während er fortfuhr, mit dem Rücken seines Handgelenks über seine Stirn zu reiben, linste er zu dem Inuzuka hinüber. Akamaru war zu seinem Herrn hinüber geschlichen und hörte nicht auf, leise zu winseln und zu knurren; er schien irgendeine Art Botschaft zu übermitteln, von der Shikamaru nicht die geringste Hoffnung hatte, sie entschlüsseln zu können.    Doch was immer der Hund ‚sagte‘, es stanzte ein tiefes Stirnrunzeln in Kibas Gesicht.   „Was denn? Schmecke ich wirklich so schlecht…?“, fragte Shikamaru trocken und täuschend gelangweilt.    Eine von Kibas Brauen wanderte langsam nach oben und ein Ausdruck aggressiver Musterung verengte seine tiergleichen Augen zu Schlitzen. „Du riechst nach Hinata.“   Was?   Shikamarus Augenbrauen hoben sich bis zu seinem Haaransatz und die Empfindung einer unangemessenen Belustigung stieg in ihm auf. Energisch drängte er sie zurück und räusperte sich, bevor er eulenhaft blinzelte, als hätte er sich verhört.   „Was?“   Kibas starrer Blick wurde etwas wilder und kopfschüttelnd näherte er sich. Shikamaru blieb genau dort stehen, wo er war und wirkte nach außen hin, als würde ihn die Miene des anderen Ninja nicht im Geringsten beeindrucken. Der Inuzuka schnippte mit einem Finger gegen die Stirn des Nara.    „Du riechst nach Hinatas Salbe. Warum?“   „Vielleicht deswegen, weil ich sie benutzt habe?“   „Sie gibt das Zeug nicht einfach so an irgendjemanden weiter.“   Shikamaru gab sich alle Mühe, nicht spöttisch zu schnauben.    Beschützermodus eines klassischen Alphamännchens…Mann, gönn mir `ne verdammte Pause…   Er konnte zwar die Anschuldigung, die in Kibas Stimme mitschwang überhaupt nicht leiden, doch er hatte den Beschützerinstinkt des Inuzukas hinsichtlich Hinata bereits in seinem Verstand notiert und so war Shikamaru bestens hierauf vorbereitet. Er entschied sich für den schnellsten Weg, dieses Missverständnis zu zerstreuen und behielt seinen ruhigen und gelangweilten Gesichtsausdruck bei, der keinen seiner Gedanken preisgab.    „Neji.“, sagte Shikamaru schlicht.    Kiba blinzelte. „Eh?“   „Neji hat mir die Salbe geliehen.“ Achselzuckend legte Shikamaru mit seinen nächsten Worten einen sprichwörtlichen Haken aus. „Er meinte, sie würde mir gegen meine Kopfschmerzen helfen.“   Kiba schnaubte und Shikamaru wusste sofort, dass er den Köder geschluckt hatte.   „Man benutzt keine Wundsalbe gegen Kopfschmerzen.“, knurrte Kiba.   „Wer hat dir das denn erzählt?“ Shikamaru hob eine feine Braue und nutzte seine stärkste Waffe, seine Intelligenz, diese lästige Konfrontation auszufechten. „Die Salbe ist der sehr ähnlich, die sie Naruto damals bei der Chūninprüfung gegeben hat.“   Kiba zog die Nase kraus wie ein Tier, das sich darauf vorbereitete, zuzuschnappen. „Worauf willst du hinaus?“   Shikamaru seufzte tief und wühlte sich in seinem Verstand gleichzeitig durch den Vorrat an medizinischem Wissen, den er dort abgespeichert hatte. Beinahe konnte er die Stimme seiner Mutter in den Ohren hören, während er ihre Worte auswendig herunter ratterte.    „Für diese Art von Heilsalbe nutzt man Pflanzenextrakte und kristallines Menthol, um Schmerzen zu lindern, besonders bei Entzündungen.“ Aufmerksam beobachtete Shikamaru, wie sich der zornige Ausdruck aus Kibas Gesicht löste. „Folglich schadet das Zeug auch bei Kopfschmerzen nicht, wenn man es auf Schläfen und Stirn aufträgt. Das Menthol kühlt und entspannt gleichzeitig…wenn es nicht gerade von Hunden weggeschlabbert wird.“   Akamaru schien den subtilen Tadel des Schattenninjas zu spüren, denn er zog den Kopf ein und wedelte auf eine Weise langsam mit dem Schwanz, die man nur als Verlegenheit deuten konnte. Shikamaru nutzte diesen Umstand zu seinen Gunsten und warf dem Hund einen halbherzig finsteren Blick zu, während sich Kiba mit ebenso beschämter Miene am Hinterkopf kratzte.    „Ah…richtig.“, murmelte der Inuzuka und sah überall hin, nur nicht zu Shikamaru.    Mission erfolgreich abgeschlossen; Shikamaru feixte. „Du solltest sie benutzen…könnte dein Gemüt abkühlen, bevor du noch jemandem an die Kehle gehst.“   „Heh!“ Doch Kiba grinste peinlich berührt. „Ja, sorry deswegen.“   Der Nara zuckte nur mit den Achseln und schob seine Hände zurück in die Hosentaschen. „Vergiss es.“   Ganz offensichtlich war Kiba mehr als begierig, das Thema so rasch wie möglich zu wechseln, denn er stellte eine Frage, die Shikamaru beinahe das Gesicht verziehen ließ; sie war eine Mahnung, die er weder wollte, noch brauchte.   „Also haben du und Neji einen Plan ausgearbeitet?“   „Jo.“ Shikamaru spähte zum Rand der Bäume.    „Cool, aber warum zur Hölle bist du dann um drei Uhr morgens wach?“   Ich habe nicht die geringste Ahnung…   Doch ihm blieb keine Zeit, um sich eine Ausrede einfallen zu lassen.    Akamaru ließ ein tiefes Knurren hören und zog die Aufmerksamkeit der beiden Ninjas zu der Baumgrenze, auf die seine goldenen Augen bereits vorhin fixiert gewesen waren. Kiba reagierte darauf, indem er in die Luft schnüffelte und wandte in dem Moment den Kopf, als Akamarus Schnauze zuckte. In einem weißen Blitz sprang der Hund in den nebelverhangenen Wald.    Stirnrunzelnd fiel Kiba ein leichtes Joggen. „Akamaru!“   „Gibt’s ein Problem?“, rief Shikamaru ihm hinterher und folgte Kibas Fußabdrücken mit gemächlicheren Schritten, während der Inuzuka seinem vierbeinigen Gefährten hinterher trabte.    „Bin mir nicht sicher, er scheint nicht verängstigt zu sein, nur neugierig!“, rief Kiba zurück und sprang über knorrige Wurzeln, bevor er abrupt innehielt.    Shikamaru trat an seine Seite und seine dunklen Augen sahen nach unten, um Kibas Blick zu folgen. Von all den Dingen, die irgendeinen wie auch immer gearteten Verdacht hätten erregen können, hatte er auf keinen Fall erwartet, dass Akamaru mit der Nase einen kleinen Holzklotz vor sich her schob.   Ich schwör’s, das darf nicht wahr sein…warum schlafe ich gerade nicht…   Shikamaru schüttelte den Kopf und konnte einfach nicht anders, als sich zu fragen, ob das hier ein lästiger Auftakt zu einem Apportierspiel sein sollte. Doch ein tiefes, kratziges Winseln des Hundes brachte ihn dazu, noch einen weiteren Schritt näher zu treten. Die Dunkelheit half nicht gerade bei seinem Versuch, herauszufinden, was das Problem war, doch als er ein genaueren Blick auf den Klotz warf, weiteten sich die Augen des Nara.    Es war gar kein Stück Holz, das der Hund mit seiner Pfote anstupste.    „Was zum…?“ Shikamarus Augen verengten sich. „Ist das eine Eule?“   Kiba legte den Kopf schief und ging in die Hocke, um Akamaru im Nacken zu kraulen und gleichzeitig seine freie Hand auszustrecken, um den Vogel umzudrehen. „Ja…sie ist tot.“   Sofort richteten sich Shikamarus Augen himmelwärts und scannten der Baumkronen, die von einer schummrigen Dunkelheit und einem dichten Netz aus Blättern und Zweigen verdeckt waren.    „Hat sie ein Schlag oder Aufprall getötet?“, fragte Shikamaru und senkte den Blick, während Kiba die Eule untersuchte.   „Nah. Kein Zeichen von Brüchen oder einem Schaden, der von einem Sturz oder einem Einschlag herrühren könnte…“ Kiba ließ den Flügel des Vogels fallen. „So wie es aussieht, ist sie erst auf dem Boden verendet.“   Brummend linste Shikamaru ein weiteres Mal zu den Ästen über ihren Köpfen. Leise hörte er, wie sich Kiba neben ihm aufrichtete.   „Keinerlei Wunden. Muss krank gewesen sein oder so…“ Kiba zuckte mit den Achseln und schob mit den Zehen den Flügel des Vogels sanft zurück an den kleinen Körper. „Ich meine, Vögel hören nicht einfach auf zu atmen und fallen vom Himmel.“   Shikamaru erbleichte.    Scheiße…   Er erstarrte, als würde ihm Eis die Wirbelsäule hinunterrutschen. „Wie spät ist es?“   „Huh?“   „Du hast gesagt, es wäre so gegen drei Uhr?“ Shikamaru drehte sich auf dem Absatz um, sein Gesicht eine Maske träger Gelassenheit; sie stand in völligem Kontrast zu der Dringlichkeit, die seine Schritte nach und nach beschleunigte.    Scheiße. Scheiße. Scheiße!   Energisch zwang er sich, nicht loszusprinten, trat rasch über Wurzeln und hätte sich dabei beinahe den Knöchel verstaucht; doch er verlangsamte sein Tempo nicht. Im Gegenteil, er begann schneller zu laufen. Nickend joggte Kiba an seine Seite.    „Nun, ja. Grob geschätzt, vielleicht auch etwas später…was ist denn los?“   „Ich muss dringend schlafen, bevor wir schon wieder los müssen.“, log Shikamaru und es kümmerte ihn nicht einmal, ob er Kiba überzeugt hatte oder nicht.    Er hatte nicht gewusst, was ihn vorhin aus dem Schlaf gezogen hatte. Doch er wusste es jetzt.   Es war vier Uhr morgens.    xXx     Scheiße. Scheiße. Scheiße!   Shikamaru verlangsamte nun doch seine Schritte, um seinen Weg von Kibas zu trennen, ohne es zu auffällig wirken zu lassen. Er tat so, als würde er eine Verspannung aus dem Nacken drehen, während er darauf wartete, dass sich Kiba zu dem Zelt begab, das er sich mit Lee teilte.    „Bis später“, grinste der Inuzuka und zog die Plane zurück.    Shikamaru gab sich alle Mühe, gelassen auszusehen und winkte dem anderen Chūnin halbherzig zu; er blieb wo er war, bis Akamaru dem Inuzuka ins Innere des Zeltes gefolgt war. Doch in dem Moment, in dem die weiße Rute verschwunden und die Zeltplane zugefallen war, wirbelte Shikamaru scharf herum und duckte sich unter dem Segeltuch hindurch in das Zelt, das er sich mit Neji teilte.    Er brauchte keine Zeit, um sich an das noch schwächere Licht im Inneren zu gewöhnen. Nejis pfeifender Atem zerrte seinen Blick direkt zu dem Hyūga. In der Dunkelheit konnte er gerade so die Gestalt des anderen Ninjas ausmachen. Neji hatte sich in eine halbwegs sitzende Position aufgerichtet und war leicht nach vorn gebeugt. Stirnrunzelnd hob Shikamaru die Stimme genug, um die zunehmend rasselnden Atemzüge zu übertönen.    „Neji.“, sagte er sanft.   Keine Antwort.   Shikamaru versuchte, in der Finsternis die dunkle Gestalt zu mustern. Seine zusammengekniffenen Augen wurden weich, als sie sich endlich an die fehlende Helligkeit gewöhnt hatten und das schwache Beben bemerkten, dass die starre Form des Hyūga schüttelte. Nejis Finger krallten sich in jede Art von Anker, die sie erreichen konnten; eine Hand umklammerte die Laken, drehte und wickelte sie wie weiße Fesseln um sein Handgelenk, während die andere sich in die blassen Falten seiner Robe grub.    Shikamaru konnte sein Gesicht nicht erkennen, das hinter einem Vorhang seines nach vorn gefallenen langen Haares versteckt war. Doch der Nara musste es auch nicht sehen, um sich den Ausdruck darauf vorstellen zu können…verzerrt von absolutem Schmerz.    Verdammt nochmal, Neji…   Zwar war Neji bisher noch nicht in Panik geraten, doch ein nasses blutiges Rasseln brach zwischen abgehackten Atemzügen aus ihm heraus.    Das wird nur immer noch schlimmer…   Steif stand Shikamaru da, halb geschlossene Augen auf den Hyūga gerichtet, während sich seine eigenen Finger in seinen Taschen zu losen Fäusten ballten und er ein einziges Mal den Kopf schüttelte; den Drang niederkämpfend, sich zu bewegen. Das hier war jederzeit gefährliches Terrain. Doch jede Sekunde, die verstrich, entriss ihm mehr von seiner Zurückhaltung und ließ ein Loch in seiner Magengegend zurück, das sich bei jedem heiseren Husten und Erschauern des Jōnin mit immer kälter werdender Besorgnis füllte.   Shikamaru atmete tief ein.    Dann setzte er sich in Bewegung.   Mit drei leisen Schritten schloss er die Distanz und ging neben dem anderen Ninja in die Hocke; er bewegte sich so langsam und unauffällig, wie es ihm in dieser Situation möglich war. Doch Neji schien seine Anwesenheit überhaupt nicht bemerkt zu haben, oder wenn doch, hatte der Hyūga offenbar beschlossen, ihn zu ignorieren. Shikamaru ging davon aus, dass es sich eher um Letzteres handelte.    Er schürzte die Lippen und zog die Weisheit in Betracht, auf Nummer sicher zu gehen.   Hn…Warum jetzt damit anfangen?   Und so handelte er einfach, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.    Er legte einen Arm auf seinem Schenkel ab und streckte seine freie Hand aus. Mit kurzem Zögern ließ der Schattenninja sie schweben, bevor er sie zaghaft auf eine bebende Schulter legte.    Nejis Finger spannten sich in den Laken noch heftiger an.   Das Rascheln des Stoffes zog für einen Moment Shikamarus Blick nach unten, bevor er über Nejis Arm dorthin zurück glitt, wo seine Hand auf der Schulter des Hyūga ruhte. Ganz sanft drückte er und fuhr mit dem Daumen über ein scharfes Schlüsselbein. Die wagemutige Berührung sorgte sofort dafür, dass sich Neji aufrichtete; Shikamaru konnte deutlich die Spannung spüren, die an den Muskeln unter seiner Hand zerrte.    Ich sollte das lieber langsam angehen lassen.   Zärtlich klopfte er mit dem Daumen gegen Nejis Schlüsselbein und ahmte so einen steten Herzschlag nach. Neji verharrte angespannt und versuchte verzweifelt, seine Atmung zu beruhigen. Doch er schlug nicht um sich. Shikamaru beobachtete ihn genau und fragte sich, ob dieses Tolerieren wohl ein vorläufiges Vertrauen vermittelte. Auch, wenn es deutlich weniger extrem war, als ihre letzte Konfrontation, war es dennoch genauso prekär. Die Standsicherheit, auf der sie sich gemeinsam bewegten war ebenso fragil wie Nejis Atem und drohte bereits unter dem leichtesten Druck nachzugeben.    Und dennoch ging Shikamaru das Risiko ein.    Langsam ließ er seine Berührung höher rutschen und seine Finger glitten unter den Wasserfall des dunklen dichten Haares, um zärtlich Nejis Nacken zu massieren. Der Hyūga blieb noch immer verkrampft und sein Körper schüttelte sich unter einer Kombination aus Schmerz und Anspannung; es war eine gefährliche Mischung, die reaktionsfreudig und explosiv war.    Komm schon, Hyūga…   Shikamaru konzentrierte sich trotz seines trägen Halbmast-Blickes unbeirrt auf den Jōnin und suchte aufmerksam nach der kleinsten Veränderung oder Reaktion. Vorsichtig fuhr er mit dem leichten Druck seiner Finger fort und bewegte sie langsam über Nejis Genick. Er sagte gar nichts und bot einzig und allein diese sanfte und beruhigende Berührung an, die geräuschlos zwei Worte sprach.   Entspann dich…   Wieder und wieder ließ er seine Finger diese Nachricht vermitteln, rieb über die Haut des Hyūga und arbeitete gegen die Spannung an, die sich gegen seine Berührung stemmte. Ein kleiner Teil von ihm blieb dabei stets wachsam, immer vorbereitet auf ein heftiges Rucken von Nejis Ellbogen oder ein zorniges Zischen und das abrupte Drehen eines straffen Körpers.    Normalerweise hätte es sich so abspielen müssen.    Und als Nejis rasselnde Atemzüge zu einem stetigeren Rhythmus übergingen, war Shikamaru voll auf eine brutale Reaktion vonseiten des Jōnin gefasst. Was er jedoch überhaupt nicht erwartet hatte, war, dass Neji leicht den Kopf neigte und langsam zitternd ausatmete, als er sich ein wenig entspannte. Da das Gesicht des Hyūga noch immer hinter dem Vorhang seines Haares verborgen war, war es unmöglich, seine Miene zu erkennen; was vermutlich sehr geholfen hätte, um seine derzeitige Gemütslage einschätzen zu können.   Nach einem schmerzhaft angespannten Moment beobachtete Shikamaru schweigend, wie Neji eine Hand an seinen Mund hob.   Für einige Sekunden verharrte der Hyūga so.    Und als er seine Hand sinken ließ, war die Rückseite seines Handgelenks nass und rot von Blut.    Shikamarus Auge zuckte. „Neji…“   „Wie…geht es deinem Kopf…?“, krächzte Neji.  Shikamaru atmete langsam durch die Nase aus und versuchte, sein Glück nicht zu sehr herauszufordern, indem er den Hyūga noch mehr drängte.    „Funktioniert normal.“, sagte er daher nur achselzuckend. „Das ist alles, was zählt.“   Ganz leicht drehte Neji den Kopf und die scharfe Kante seiner dichten Strähnen bewegte sich, sodass sie den Grat eines hohen Wangenknochens und die weiche Neigung seines Kiefers freilegte. Shikamaru erhaschte einen flüchtigen Blick auf eine blasse Iris, die ihn musterte. Er sah zurück und seine Finger hielten kurz inne, bevor sie mit der sanften Massage fortfuhren.    Entspann dich.    Nejis Lider schlossen sich zitternd und verrieten seine Reaktion auf die Berührung, bevor er sich fangen konnte. Langsam hob er eine Hand und schob sie unter seine fallenden Haare, um zaghaft nach Shikamarus Handgelenk zu greifen und so den Druck der Finger des Schattenninjas zu stoppen.    „Wir müssen…“ Neji hielt inne, um seine Atmung zu stabilisieren. „Wir müssen an dieser Strategie arbeiten…“   „Ich weiß.“ Ruhig musterte Shikamaru ihn und entspannte seine gefangene Hand.    Neji ließ ihn nicht los.    Für einen Moment verharrten sie auf diese Weise; die Finger des Hyūga locker um Shikamarus Handgelenk geschlungen, während die des Nara zaghaft auf dem Nacken des Jōnin lagen. Von all den Dingen, die sich in diesem Augenblick zwischen ihnen hätten entwickeln sollen, gehörte eine angenehme Stille nicht dazu. Und während sie in dieser unerwarteten Ruhe versunken blieben, fragte sich Shikamaru für einen kurzen Moment, ob sein Kopf denn wirklich normal funktionierte – oder der von Neji.    Das ist entweder gut, oder es wird noch richtig hässlich…   Shikamaru blieb still, wollte nicht diesen sicheren Grund erschüttern, auf den sie sich irgendwie verirrt hatten; vollkommen frei von den üblichen Minen, die sie beide jedes Mal auslösten, wenn sie beieinander waren.   Es war so viel beständiger, so viel ruhiger.    Er hatte keine Ahnung, wie lange sie sie in dieser Position verharrten, doch es musste bereits eine ganze Weile sein, denn Shikamaru bemerkte, dass sich seine Beine unangenehm zu verkrampfen begannen, je länger er in der Hocke blieb. Nichtsdestotrotz machte er keine Anstalten, sich zu bewegen; er wollte auf keinen Fall diesen seltenen Zauber von Ruhe brechen.    Und dann passierte es.    Nejis Daumen strich federleicht über die Haut an seinem Handgelenk und folgte in einer zärtlichen Berührung den Venen. Sie löste eine augenblickliche prickelnde Wärme aus, die Shikamarus Unterarm entlangjagte und winzige statisch knisternde Explosionen in seinem Blut auslöste. Instinktiv bewegten sich Shikamarus Finger und streichelten über Nejis Nacken.    Der Nara hörte, wie der Atem des Hyūgas leicht und weich zitterte; so sanft, dass es ihm beinahe entgangen wäre.   Beinahe.   Eine glühende Hitze begann sich zwischen ihnen zu regen.    Fuck…dabei berühren wir uns diesmal kaum…   Als würden sie beide deutlich das Feuer spüren, mit dem sie gerade spielten, streckte Shikamaru die Finger genau in dem Moment aus, als sich Nejis Griff um sein Handgelenk leicht verstärkte und seine Hand vom Nacken des Hyūga fort zog. Ihre Finger strichen übereinander; dann lehnten sie sich voneinander weg. Neji neigte sich in die eine Richtung, während Shikamaru zurückrutschte, um sich in das zerknüllte Nest seiner eigenen Bettrolle zu setzen.    Stille schwebte schwer zwischen ihnen und kühlte die Luft ab, die eben noch von dieser gefährlichen Hitze erfüllt war.    Keiner von ihnen sagte etwas, als sich Shikamaru zurück auf seine Handflächen lehnte und Neji mit den Fingern durch seine dichten Mokkasträhnen fuhr, die sein Gesicht einrahmten. Doch dankbarerweise breitete sich nur wieder dieses angenehme Schweigen aus; fast wie ein dünner Schleier der Verleugnung über den Funken, die soeben aufgeflammt waren.    Verdammt…   Shikamaru schloss die Augen und versuchte, die Wärme niederzukämpfen, die immer noch über seinen Arm tanzte, wo Neji ihn berührt hatte. Es war verrückt – und unbestreitbar. Er konnte sich immer wieder selbst davon überzeugen, eine Menge Dinge zu sein, doch ignorant zu sein, wenn es um sein eigenes Verhalten ging, gehörte definitiv nicht dazu.   Diese Anziehungskraft, die er zu Neji verspürte, hatte das Attribut ‚gefährlich‘ inzwischen hinter sich gelassen.    Jedes Mal, wenn die Hitze sie packte, gruben sich ihre Klauen noch ein wenig tiefer…und entrissen immer wieder ein bisschen mehr Kontrolle. Einzig und allein durch ein Streicheln über sein Handgelenk, konnte er sie erneut aufflackern fühlen und dieses Mal war sie stärker. Und in diesem Moment wusste er, dass das letzte Mal, als sie diesem unerklärlichen Hunger nachgegeben hatten, nur ein Hauch von etwas möglicherweise Verschlingendem gewesen war.   Shikamarus Augen glitten auf und richteten sich wieder auf Neji.    Er wusste – wusste aus seinem tiefsten Inneren – dass diese aufgeheizte Nacht bei ihm zuhause nur ein verlangender Vorgeschmack dessen gewesen war, was auch immer seine Zähne in sie beide schlagen würde, sollten sie sich jemals wieder auf diese Weise berühren.    Scheiße…das darf nicht passieren…   Schlagartig schloss er die Augen und rieb sich über die Lider, als wollte er mit dem Druck tanzende Punkte in seinem Sichtfeld heraufbeschwören statt der aufblitzenden Bilder aus dieser Nacht…   Energisch schüttelte er den Kopf gegen diese Erinnerungen an und versuchte, seinen Fokus und seine Priorität aus diesen undurchsichtigen Tiefen zu ziehen, in die sie abzurutschen drohten.    Ich habe eine Vereinbarung getroffen, das ist alles, was zählt…das darf nichts Persönliches werden…   In einer scharfen Bewegung ließ Shikamaru seine Hand sinken, als er bemerkte, dass sein Name gerufen wurde. Er hob den Blick zu den Mondsteingleichen Augen, die ihn von der anderen Seite des Zeltes aus beobachteten und beinahe konnte Shikamaru in der Dunkelheit sogar den Gesichtsausdruck des Jōnin ausmachen.    Der Hyūga hatte eine Braue gehoben und seine Lippen waren zu einem schwachen Lächeln verzogen. „Wenn du dann fertig damit bist, deinen eigenen Gedanken hinterherzujagen, haben wir noch eine Strategie auszuarbeiten, Shikamaru.“   Der Nara erkannte den leichten Humor in Nejis üblicherweise ruhigen, aber stoischen Stimme und wusste sofort, was der Hyūga hier tat; er bot ihm einen Ausweg an. Er ergriff die Gelegenheit augenblicklich und nutzte sie gleichzeitig, um in ihren humorvollen aber ebenso taktischen Schlagabtausch mit einzufallen.    Eine sichere Grundlage…   Mit einem trägen Grinsen legte er den Kopf schief. „Sie sollte lieber eine Spielertausch beinhalten, Hyūga.“   Nejis Lippen kräuselten sich langsam. „Eher nicht, Nara.“   „Ich meine es ernst. Naruto und Lee werden meinem Kopf ernsthaften Schaden zufügen; und der befindet sich ja noch immer in einem empfindlichen Zustand, nach deiner kleinen…“ Shikamaru ruckte scharf mit dem Kopf, um eine Kopfnuss nachzuahmen.    Nachdenklich summend fuhr sich Neji mit einer Hand über den Mund, um das Schmunzeln aus seinem Gesicht zu wischen. „Ich schätze, ich kann dir Chōji für Lee geben.“   „Sakura.“   Neji schüttelte den Kopf. „Das glaube ich eher nicht.“   „Sie ist besser in einer Verstärkungsoffensive als bei der Aufklärung, Neji.“   „Genau wie Lee.“   „Jo.“ Shikamaru schnaubte. „Aber bei Sakura ist Gefahr geringer, dass sie auf den Händen läuft und mich in den Wahnsinn treibt.“   „Das ist schwach von dir, Nara.“ Inzwischen musste Neji sogar ein Kichern niederkämpfen.    Shikamaru zuckte mit den Achseln und war sich bewusst, dass Neji keine Kompromisse eingehen würde, obwohl das keineswegs bedeutete, dass er nicht nach einer Möglichkeit suchte, den Grundstein für einen späteren Teamwechsel zu legen; denn letztendlich brauchte er die pinkhaarige Kunoichi. Sie war essentiell für seinen Plan; oder war es zumindest, bevor die Taktik komplett auf den Kopf gestellt worden war.    „Es ist besser, einen Taijutsu Kämpfer wie Lee an der Front und eine Medic-Nin wie Sakura in der Reserve zu haben.“   Neji summte. „Ein wahres Wort unter normalen Umständen, aber Sakura ist eine ausreichend gute Kämpferin, mit dem Vorteil, dass sie Ninjutsu beherrscht. Nicht zu erwähnen Kiba und Chōji. Ich muss sagen, dass ich mit der Balance der Teams eigentlich sehr zufrieden bin.“   Augenrollend ließ sich Shikamaru auf seine Ellbogen sinken. „Balance? Habe ich den Handstandlauf erwähnt?“   „Warte, bis er versucht, dich aus ‚Trainingsgründen‘ gegen deinen Willen huckepack zu tragen.“   Shikamaru schüttelte den Kopf und grinste. „Du bist ein lästiger Bastard, Hyūga.“   Belustigung tanzte in Nejis Augen, als er eine Braue hob. „Das sagst du ständig.“   Shikamaru schürzte die Lippen und legte den Kopf in den Nacken, um an das Zeltdach zu starren; draußen begann es offenbar zu dämmern. Es schien metaphorisch zu der helleren Stimmung zwischen ihnen zu passen, trotz der mangelnden Kompromissbereitschaft vonseiten Nejis.    Er wusste, dass der Hyūga im Moment niemals einem Teamwechsel zustimmen würde – der Jōnin hatte seine Spielfiguren genau da, wo er sie haben wollte und trotz der Störung in Shikamarus ursprünglichem Plan, hatte er bereits damit angefangen, mit den neu gemischten Karten zu spielen, die ihm zugeschoben worden waren.    Es ist ein Drama…aber auch die einzige verdammte Option…   Was bedeutete, dass es nur Energieverschwendung wäre, sich jetzt über die Situation aufzuregen, ganz zu schweigen davon, dass es viel zu lästig war, wenn er dermaßen müde war. Und außerdem verfolgte er mit dem spielerischen Geplänkel zwischen ihm und Neji auch noch ein anderes Ziel. Es war eine seltene Gelegenheit, die Shikamaru nicht verstreichen lassen wollte – aus einem Grund, dem er keine Aufmerksamkeit schenken wollte.    Das ist nichts Persönliches…   Summend stierte Shikamaru weiter an das Zeltdach. „Weißt du, du könntest auch Narutos Schattenklone nutzen, um…“   „Du schlägst gerade nicht ernsthaft Naruto für das Aufklärungsteam vor, Shikamaru?!“   „Knebel ihn und du hast kein Problem.“   „Es ist schon schwer genug, einen zum Schweigen zu bringen, wenn nicht sogar unmöglich…geschweige denn alle seine Klone.“   Ohne den Kopf zu bewegen senkte Shikamaru den Blick und spähte unter dichten Wimpern und mit einem schiefen Grinsen zu Neji hinüber. „Soll das heißen, der formidable Hyūga hat Angst vor Konohas Schafskopf?“   „Wenn sich besagter ‚Schafskopf‘ vervielfacht, habe ich jeden Grund, beunruhigt zu sein, nicht verängstigt.“ Neji schüttelte den Kopf. „Außerdem befolgt er nie Befehle.“   „Jo, aber er ist nicht einfach zu besiegen. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der mehr aushält.“   Neji legte das Haupt schräg. „Seine Stärke kann ich nicht verleugnen, was aber nur noch mehr Grund ist, ihn im Reserveteam zu lassen.“   „Sakura hat einen harten Schlag. Das Verstärkungsteam könnte sie gut gebrauchen.“   „Nein.“   „Du bist ein einziges Ärgernis, Hyūga…“, sagte Shikamaru gedehnt, doch seine Augen flackerten mit einem stummen Lachen. „Du weißt, dass Sakura schnarcht, oder?“   Neji grinste. „Selbst wenn ich dir glauben würde, wäre es nur noch mehr Grund, sie in meiner Gruppe zu behalten. Schließlich würde ich nicht wollen, dass sie deine narkoleptischen Schläfchen stört.“   „Und sie schlägt wie Ino…vermutlich sogar härter, wenn man nach den blauen Flecken geht, die Naruto ständig hat.“   Neji schüttelte mit einem amüsierten Aufeinanderpressen seiner Lippen den Kopf.    Shikamaru hob eine Braue. „Ist sie dir denn lästig?“   „Tut mir leid, Shikamaru, aber ich werde Sakura diesmal die Chance geben, Lee zu übertreffen.“    „Übertreffen? Das wird nie passieren. Die beiden bewegen sich keinesfalls auf Augenhöhe.“   „Achja?“ Neji blinzelte. „Und warum das?“   Shikamarus ausdruckslose Miene passte zu seiner flachen Stimme.  „…sie ‚brennt nicht mit der Flamme ewiger Jugend‘.“   Es war es absolut wert, diese lächerliche Phrase auszusprechen, nur um Neji endlich einmal lachen zu hören.   xXx   Zwei Stunden später waren die beiden Teams bereit, verschiedene Wege einzuschlagen.    Das brüchige Licht der Dämmerung schimmerte durch die Bäume und tauchte den Lagerplatz in ein nebliges Beige. Sämtliche Spuren, die auf die Anwesenheit der Shinobi hätten hinweisen können, waren getilgt. Während sich die Gruppen zum Aufbruch bereit machten, sah Shikamaru zu, wie Naruto den lächerlich schweren Rucksack hoch hob, den ursprünglich Chōji getragen hatte und leise grummelte, dass es sogar Packpferde leichter hätten.    „Reiß dich zusammen.“, foppte Kiba ihn grinsend.    „Warum müssen wir jetzt auch noch euren Scheiß tragen?“ Naruto zog eine finstere Miene und rollte knurrend mit den Schultern gegen das Gewicht der zusätzlichen Bettrollen und Zeltplanen an.    „Sieh es als eine Gelegenheit zu trainieren…“, nuschelte Shikamaru und seine schläfrigen Augen wanderten zu Lee. „Stimmt’s, Lee?“   „Jeder Herausforderung ist eine Gelegenheit, stärker zu werden, Naruto!“, flötete Lee viel zu energiegeladen, wenn man die frühe Stunde bedachte. „Es ist so belebend!“   Kopfschüttelnd sah Shikamaru dem Ninja mit den buschigen Augenbrauen zu, wie er sich die zweifache Last seiner Ausrüstung auf den Rücken schnallte, bevor er den Hüftgurt festzog und enthusiastisch einen Daumen in die Luft streckte. Narutos Miene verdüsterte sich noch mehr und er murrte ununterbrochen, während er das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte.    Hinata beobachtete das Ganze mit stiller Besorgnis und bot an, so viel Gewicht zu tragen, wie es ihr möglich war, während sie gleichzeitig versuchte, Kiba davon abzuhalten, Naruto zu ärgern. Gähnend schulterte Shikamaru seinen eigenen Rucksack, blieb aber weiter träge gegen einen Baum gelehnt. Langsam glitt sein Blick hinüber zu Neji und er beobachtete den Jōnin durch halb geschlossene Augen.    Der Hyūga hockte ein Stück entfernt und sprach mit Chōji und Sakura, den Kopf geneigt und seine Aufmerksamkeit auf die Karte gerichtet, die auf dem Waldboden ausgebreitet war. Shikamaru sah zu, wie der Jōnin mit einem Finger über das vom Byakugan kartierte Gebiet strich und den Bereich umkreiste, an dem sich die beiden Teams in Absprache mit Shikamaru treffen sollten. Sie würden sich dort sammeln, nachdem das Aufklärungsteam das Level der Bedrohung aus der Ferne eingeschätzt und die Peripherie des Dorfes nach Tsubasa Rebellen abgesucht hätte.    Nach Nejis Mission zu urteilen, die er zusammen mit Tenten und Lee vor zwei Monaten abgeschlossen hatte, gab es eine offensichtliche Spaltung innerhalb des Tsubasa Clans. Es wäre von großem Vorteil, Verbündete hinter den Linien des Feindes zu finden, gemessen daran, dass die Beziehung zwischen Hanegakure und Konoha so verdammt undurchsichtig geworden war.    Und jetzt vermutlich sogar feindselig…   Die Bedrohung einschätzen und Informationen über mögliche Verbündete sammeln; das war die erste Phase der Mission. Als nächstes käme das Ziel und möglicherweise die Notwendigkeit, entweder einen Gesandten im Namen von Konoha loszuschicken…oder aber eine Offensive zu starten, um die Bedrohung zu beseitigen.    Hoffentlich kommt es nicht so weit…   „Mann, beeilt euch mal! Ich bekomm schon einen Krampf!“, plärrte Naruto und fing sich dafür einen tadelnden Blick von Sakura ein.    Shikamaru schüttelte den Kopf. „Beruhig dich!“   Doch es war gar nicht nötig; Neji rollte breits die Karte zusammen und Chōji und Sakura hatten sich erhoben, um ihre Rucksäcke aufzusammeln. Shikamaru stieß sich von dem Baum ab, hielt aber mit einem leichten Stirnrunzeln inne, als er beobachtete, wie Neji zusammenzuckte, während er sich aufrichtete. Eine Hand des Hyūga berührte flüchtig seine Brust, bevor er die Finger zu dem Riemen seiner schwarzbraunen Tasche gleiten ließ und es so wirken ließ, als wollte er ihn nur zurechtziehen.    Es war nur eine subtile Bewegung, doch Shikamaru entging sie nicht.    Die Zeit läuft ab…   Sofort fokussierte sich sein Verstand auf sein eigentliches, hintergründiges Ziel und Tsunades Worte spielten sich wie ein warnender Kommentar über seinen Gedanken ab.    ‚Wir haben einen Deal. Sorg dafür, dass es klappt, Nara…denn mit der Zeit werde ich gezwungen sein, einzuschreiten. Wenn du es nicht schaffst, dieses Problem zu beheben, bleibt mir keine andere Wahl, als einen Hyūga ins Spiel zu bringen, der es kann.‘   Shikamaru entließ zitternd den Atem, von dem er zunächst gar nicht gemerkt hatte, dass er ihn angehalten hatte.    Rasch setzte seine müde Miene auf, als Neji auf ihn zuschritt und ihm ein Funkgerät reichte.    „Sozusagen erprobt und getestet.“, sagte Neji leise. „Ich habe einen Prioritätskanal eingestellt; solltest du mich kontaktieren müssen, ohne die anderen Leitungen nutzen zu wollen. Ich gebe dir den Lagebericht durch, sobald wir die erste Phase abgeschlossen haben. Lass uns dann nochmal den Treffpunkt bestätigen, nur für den Fall, dass sich etwas in unserem Plan ändert.“   „Verstanden.“ Shikamaru nickte und ließ den Transmitter in einer Tasche seiner Flakweste verschwinden. „Wir bewegen uns mit der vereinbarten Geschwindigkeit vorwärts. Die zusätzliche Ausrüstung sollte Naruto davon abhalten, voranzupreschen.“   „Wie vereinbart.“, bestätigte Neji und seine Lippen bogen sich schwach, als er zu dem immer noch meckernden Uzumaki hinüber linste.    Doch Shikamaru folgte seinem Blick nicht und senkte die Augen stattdessen zu Nejis Brust; als er wieder aufsah, bemerkte er, dass Neji ihn beobachtete. Sie tauschten einen stummen Blick aus, gefolgt von einem subtilen Neigen von Shikamarus Kopf, das ein langsames Blinzeln bei dem anderen Ninja auslöste.    Eine Frage, die gestellt und eine Antwort, die gegeben wurde, ohne ein Wort zu sagen.    Nein Neji, dir geht es nicht gut…   Obwohl Shikamaru seine Antwort aussprechen wollte, hielt er sich zurück. Der Hyūga schien sein Unbehagen gespürt zu haben, denn Neji schüttelte den Kopf und drehte sich um, bevor er einen letzten Blick zurück warf.    Zeit zu gehen.   Shikamaru hielt für einen weiteren Herzschlag die blassen Iriden in seinem Bann, bevor er sich von dem Baum entfernte.    Ihre stumme Kommunikation war niemandem aufgefallen.    Und selbst als sich die Gruppen trennten, bemerkte niemand außer Hinata, wie Neji auf seltsame Art auf Shikamarus Stirn sah…   …oder wie sich Shikamarus Stirn in Falten legte, als er beobachtete, wie Neji sich umwandte und davonlief.      ________________________ Noch einmal geht es etwas ruhiger bei Shikamaru und Neji weiter. ABER: Ich kann ohne zu viel zu spoilern sagen, dass es sehr bald wieder mehr Action geben wird UND auch langsam mehr Licht in das Dunkel um Nejis Zustand kommen wird! ;)  Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat, bitte lasst mich wieder eure Meinung wissen, ich freu mich immer so über eure Worte! Vielen vielen Dank an alle meine treuen Review-Schreiber/innen und Leser/innen, fühlt euch alle geknuddelt! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)