Painting the truth von Ship-happens ================================================================================ Kapitel 6: Die Drohung ---------------------- Es fühlte sich wie eine Unendlichkeit an, die ich, ein paar Schritte von der aufgebrochenen Tür entfernt, in die Wohnung blickte. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst verspürt und noch nie hatte ich mich so unsicher, angreifbar und verletzbar gefühlt. Als ob man mich nackt auf die Straße gestellt hatte und jeder mich anstarren konnte. Zugleich vermischten sich die Dunkelheit und meine aufgewühlten Emotionen miteinander und vermittelten mir noch mehr das Gefühl der Unsicherheit. Hier schien ich nicht mehr sicher zu sein, oder? Meine Wohnung war aufgebrochen worden und damit gab es keinen sicheren Rückzugsort mehr. Wie sehr wünschte ich mir in diesem Moment, dass jemand hier wäre, einfach nur hier. Jemand, der mir sagte, dass alles wieder gut würde. Ich war vor dieser Tür so alleine, wie die Nacht schwarz war. Mein Handy vibrierte in der Jackentasche und ich rechnete fest damit, dass Aizawa wieder anrief und Gott, ich wünschte mir nichts mehr als eine Stimme, die mir wohlgesonnen war. Also nahm ich den Anruf an, ohne auf den Bildschirm zu gucken. Fehler. Großer Fehler. “Endlich!”, kam es gehetzt und panisch vom Anrufer, der in gewisser Weise auch fertig und am Ende klang. “Kleine, du musst mir helfen! Komm morgen zu der Adresse, die ich dir schicke. Dringend! Ohne dich wird das mein Ende sein”, meinte er gestresst. Auch wenn ich nicht wusste wieso, war mir der Typ sofort unsympathisch und ich war genervt. Er machte die Stimmung nicht besser. “Ach, du hast Probleme?! Was bildest du dir eigentlich”, begann ich zornig, doch wurde unterbrochen. “Ich brauche dich, Rose! Bitte!”, jammerte der Mann am anderen Ende der Leitung. “Ja! Fein! Tue ich!”, fuhr ich, selbst am Ende meiner Kräfte, ihn an, dann legte der Anrufer mit einem leise geflüsterten „Danke“ auf. Am liebsten hätte ich mein Handy weggeworfen, so wütend war ich! Für einen kurzen Moment hob ich den Arm, das Handy fest in der Hand, und war wirklich versucht, aber letztendlich senkte ich meinen Arm wieder und ließ ihn schlaff herunterhängen. Ich kämpfte mit den Tränen, so verzweifelt waren der Moment, meine Gefühle und ich. Alles. Den Liebeskummer hatte ich bisher ausgeblendet und nicht wahrgenommen. Mit dem Wissen, dass Sasaki mein Ex-Partner war, kochte der Liebeskummer tief in mir auf unlöschbarer Flamme. Der Schlüsselstein hatte gefehlt. Nach einigen Minuten hob ich meine Hand, sah auf das Handy und die verpassten Anrufe. Klasse. Der nächste Held in meinem Umfeld, der einen Hals auf mich haben würde! Konnte dieser Abend noch schlimmer werden? Ein Geräusch ließ mich im nächsten Moment zusammenzucken, meinen Kopf in die Richtung schnellen und in der unsicheren Situation nun einen Touch Gefährlichkeit entstehen. Ich hatte Angst, große Angst. Auch als Profiheldin, von deren Quirk ich nur gelesen und für welchen ich keine Utensilien hier hatte, war ich eine Frau und ich hatte in einigen Berichten gelesen, welche Abgründe es gab. Woher wusste ich das?  Schemenhaft drängten sich Erinnerungen dieses Körpers in mein Bewusstsein. Sofort presste ich mich an die Hauswand, versuchte, meinen schnellen Herzschlag zu beruhigen, und die Situation panisch zu analysieren, doch erfolglos. Aber woher kamen die Geräusche? Panik stieg in mir hoch. Draußen war es nicht unbedingt sicherer als drinnen, oder? Zum Nachbarn konnte ich nicht. Ich kannte hier niemanden und vor Aizawa war ich geflüchtet. Mir blieb in meiner Panik keine Zeit und so eilte ich in die Wohnung, drehte mich schlagartig um und schlug die Tür zu. Das Klicken des Schlosses gab mir ein minimales Gefühl der Sicherheit, doch es wurde von der Tatsache gnadenlos niedergebrannt, dass jemand hier eingebrochen war. Alles war verwüstet. Von der vormals geschaffenen Ordnung war nichts mehr zu sehen. Es sah noch chaotischer aus wie vor zwei Tagen. Langsam trat ich näher und kam im Wohnzimmer an. Auf den ersten Blick war nichts zerstört worden. Mein Fernseher stand da, die Konsole war auch heile. Doch als mein Blick auf die Couch fiel, sah ich einige Trümmerteile. Jemand hatte ein Elektrogerät auseinandergenommen, demoliert und unbrauchbar gemacht. Na klasse. Dafür war man eingebrochen?! So wie die Einzelteile aussahen, war es für mich Technikdepp im ersten Moment, schockiert und panisch, nicht möglich zu sagen, was es gewesen war. Nachdem ich im Wohnzimmer das Licht angeschaltet hatte, stach mir eine neongrüne Schmiererei an der Wand ins Auge und die Drohung darunter. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter und für einen Moment setzte mein Herz einmal aus. „Das nächste Mal bist du dran“, brannten sich die Worte in mein Gedächtnis und ich hatte nun noch größere Furcht. Total unter Schock trat ich einen Schritt nach hinten, stolperte über einige Sachen auf dem Boden und landete mit meinem Rücken an der Wohnzimmerwand. Das Taumeln entlockte mir einen Luftstoß. Eine unangenehme Gänsehaut fuhr mir über den Körper. Zitternd griff ich nach meinem Handy und machte geistesgegenwärtig ein Foto von der Wand. Erst jetzt bemerkte ich die SMS von Sasaki. Hm, dafür war wohl zu spät. Vorsichtig trat ich langsam in den Flur, löschte die Lichter in den Räumen und verließ behutsam die Wohnung, wissend dass ich den Knauf und das Schloss meiner Tür nicht anfassen sollte, um mögliche Fingerabdrücke nicht zu verschmieren. Gerade öffnete ich die Tür, trat heraus und atmete erschöpft aus, da hörte ich eilige Schritte, die sich mir näherten. Natürlich dachte ich im ersten Moment nicht an Sasaki, sondern an die Einbrecher, welche ihr Werk nun vollenden wollten. Sofort stieg Panik auf, stieg unermesslich weiter mit jedem weiteren Schritt an und letztendlich konnte ich meine Stimme nicht mehr zurückhalten. Instinktiv presste ich meine Augen zu und erhob meine Stimme. “Bleib mir fern!”, schoss es unerwartet laut und möglichst bedrohlich aus mir heraus. “Wenn jemand mir zu nahe kommt, schwöre ich, dass ich mich wehren werde!”, versuchte ich mich panisch zu wehren und hörte zwar, dass jemand mit mir redete, aber vor lauter Panik nicht, wer es war. Wie auch? Der Abend, nein, alles war chaotisch, schlimm und ich hatte Angst. “Rose!”, rief jemand meinen Namen, dann erst öffnete ich meine Augen und erblickte einen sehr zerzausten Sasaki vor mir. Er hob die Hände leicht und versuchte, mich zu beruhigen. Dann sackte ich zusammen, rutschte in die Knie und der Mann kam einige Schritte näher. “Ich sagte keine Alleingänge!”, wies mich der Grünhaarige harsch zurecht, doch dann seufzte der Mann kurz. “Geht es dir gut?”, fragte Sasaki mit ruhiger Stimme und ja, es beruhigte meinen aufgewühlten Körper. Gleichzeitig lösten seine Worte unheimlichen Schmerz aus, brachten die Tränen zurück auf meine Wangen und ließen mich schluchzen. “Du bist nun in Sicherheit, keine Sorge”, sprach er weiter und fuhr mit einem Handrücken über die nasse Wange. Es schmerzte mehr und tat gut. Ein linderndes Feuer. Langsam schaffte es Sasaki, dass ich Kraft in meinen Beinen fand, sodass ich mich leicht gegen die Hauswand lehnen konnte. Sasaki hingegen nahm sein Handy heraus und wählte direkt die Nummer der Polizei, um die wichtigsten Informationen zu übermitteln. Sie würden in zehn Minuten da sein. Langsam drehte sich mein eigentlicher Vorgesetzter zu mir, einem Haufen Elend an der Wand, zitternd vor Anspannung, Panik und aufkommender Kälte. “Was ist geschehen?”, fragte mich Nighteye direkt. Sein Blick glitt in Richtung der Tür, aus der ich gekommen war. “Du solltest nicht in die Wohnung gehen, Kingston! Es war unfassbar gefährlich und dir hätte was passieren können!”, schimpfte Sasaki weiter und fuhr sich über die zerzausten Haare. “Und dann?”, fragte ich mit hörbarer Traurigkeit in der Stimme und lenkte den Blick des Helden auf mich. Doch ich sagte nichts weiter und beantwortete stattdessen seine Frage. “Nichts. Ich war bei Shota und eigentlich wollten wir etwas zu Abend essen, aber es ist eskaliert. Ich wollte nur nach Hause, meine Ruhe und nachdenken, aber als ich hier ankam, war die Wohnung aufgebrochen. Drinnen standen ein seltsames Zeichen und „Das nächste Mal bist dran“ an der Wand”, berichtete ich artig und wohl eher wie ein Roboter. Das Seufzen meines Gegenüber verriet mir, dass die Informationen wohl dennoch angekommen waren. “Wir sollten dir eine neue Wohnung besorgen, Kingston”, meinte Sasaki, doch ich unterbrach ihn wenige Sekunden darauf. “Rose. Du hast mich früher auch so genannt, oder nicht?”, murmelte ich traurig, doch eine Antwort bekam ich nicht, nur Schweigen. Was hatte ich erwartet? Es tat nur mehr weh. “Mein Herz schlägt für dich, auch wenn du es nicht mehr willst. Aber wenn der Tag kommt, an dem eine Chance für uns besteht, würde ich dich damit wieder erreichen können? Würde es auf Gegenseitigkeit beruhen?”, fragte ich, doch wieder keine Antwort. Nicht nach fünf Sekunden, zehn Sekunden, vierzig Sekunden, sechzig Sekunden, zwei Minuten oder fünf Minuten. Nichts. Gar nichts. Eine aussagekräftige Antwort. Meine Augen schlossen sich als einzige, stumme Reaktion. Erst als die Polizei eintraf, wurde die Stille unterbrochen und Sasaki schien sein Handy herauszunehmen und jemanden anzurufen, doch ich bekam nur am Rande mit, wer es war, denn die Polizisten kamen näher und schienen sich aufzuteilen. Jemand redete kurz mit Sasaki, dann sah dieser zur Wohnung. Der andere Polizist widmete sich mir, befragte mich und erkundigte sich nach meiner Gesundheit. Auf alles gab ich eine monotone Antwort. Doch was sollte ich auch groß erzählen? Ich wusste von nichts und konnte auch dementsprechend nicht viele Informationen geben. Die beiden Polizisten kümmerten sich dann um die Wohnung, während Sasaki und ich draußen schwiegen. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen. Erst als das Geräusch von hohen Absätzen näher kam, blickte ich auf und wurde stürmisch umarmt. “Mein Liebes! Geht es dir gut? Wurde dir was angetan? Bist du verletzt? Ich bringe die Schweine um!”, blubberte Saki hastig und zog mich fest an sich. Genau was ich brauchte. In diesen Moment brach alles aus mir heraus. Erst ein verzweifeltes Schluchzen, dann Tränen. „Shhh. Alles ist gut! Ich bin ja nun hier“, murmelte Saki beruhigend und blickte zu meinem Vorgesetzten. “Passen Sie auf Miss Kingston auf, Miss Nodami”, meinte der Held ruhig. Saki nickte nur und strich mir über die Haare. Leise murmelte ich etwas. Natürlich verstand Saki nicht, was ich sagte. “Liebes?”, murmelte die fürsorgliche Frau, nahm mein weinendes Gesicht in beide Hände und schenkte mir ein warmes Lächeln. “Komm mit. Heute Abend schläfst du bei mir und morgen früh erzählst du mir alles, einverstanden?”, schlug mir die Blonde vor. Mein leichtes Nicken veranlasste die Frau dann dazu, mit mir zusammen in Richtung ihres Autos zu laufen, einzusteigen und die kurze Fahrt nach Hause zu nutzen, um mich zu beruhigen. Sie redete nicht viel mit mir und auch Hatake nicht, als wir das kleine Haus betraten. Niemand sprach wirklich mehr etwas. Liebevoll richteten mir Saki und Hatake das Gästezimmer her, bezogen das Bett und boten mir an, eine Weile lang hierzubleiben, bis ich mich sicher fühlte. Das Angebot nahm ich schweigend nickend an. Besser, als komplett ohne Wohnung zu sein, oder? Ich legte mich ins Bett, löschte das Licht und konnte noch wahrnehmen, wie das Ehepaar sich vor der Tür über alles unterhielt. Den Einbruch, meinen Zustand, die Polizeibeamten und welcher Idiot unbedingt bei einem Kollegen einbrechen musste! Erneut schwor Saki, demjenigen die Knochen zu brechen, doch Hatake beruhigte seine Frau. Dann bekam ich nicht mehr viel mit. Das viele Weinen und der ganze seelische Schmerz hatten mich ermüdet. Sehr sogar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)