Die Götter hassen mich von Lycc ================================================================================ Kapitel 2: Zwei Welten ---------------------- Kapitel 1 Von diesem Tag an hatte Hicks eine neue Obsession. Sein Streben galt jetzt nicht mehr dem Töten von Drachen (darin war er ja bisher eh erfolglos gewesen), sondern deren Erforschung. Der Zwischenfall in der Höhle hatte ihm deutlich vor Augen geführt, wie wenig er über sie wusste – sowohl über ihre Natur als auch über ihre Physiologie. Der Nachtschatten hatte die Stärken und Schwächen des Flüsternden Todes genau gekannt und sie geschickt auszunutzen gewusst. Im Buch der Drachen hatte Hicks kaum etwas darüber gefunden und auch zu allen anderen Drachen hatten die Wikinger im Laufe der Zeit nur rudimentäres Wissen zusammentragen können. Von den leeren Seiten über den Nachtschatten mal ganz zu schweigen. Diesen Umstand wollte Hicks ändern. Als Krieger taugte er nicht, also wollte er sich anderweitig für sein Dorf nützlich machen. Vielleicht konnte er Wege finden Konflikte mit den Drachen zu vermeiden oder ohne Kampf zu lösen, so wie der Nachtschatten es ihm gezeigt hatte. Der Nachtschatten – immer wieder kehrten seine Gedanken zu dem Hybriden aus der Höhle zurück. Er war so anders als alle Drachen, denen er bisher in der Arena oder bei Angriffen auf das Dorf begegnet war und seine wachen, grünen Augen hatten sich fest in Hicks' Gedächtnis eingebrannt. „Hicks“, schallte die durchdringende Stimme seines Vaters die Treppe hinauf und riss ihn aus seinen Gedanken. „Das Drachen-Training beginnt gleich. Wenn du dich nicht beeilst, kommst du zu spät.“ Hicks verband eine Hassliebe mit dem Training. Einerseits bot es ihm die Gelegenheit Drachen aus der Nähe zu beobachten und interessante Dinge von ihrem Lehrer Grobian zu erfahren, Andererseits war er jedes mal überrascht, wenn das Training endlich endete und er tatsächlich noch am Leben war. „Nicht träumen, meen Jung“, mahnte Grobian lautstark über den Krach der Arena hinweg und Hicks konnte grade noch rechtzeitig seinen Schild heben, bevor drei messerscharfe Stacheln mit immenser Wucht in diesen einschlugen. Reflexartig nahm Hicks die Beine in die Hand und flitzte durch das hölzerne Labyrinth, das für das heutige Training in der Arena aufgebaut worden war. Der Nadder, der sie durch dieses Gebilde jagte, war einer der wenigen Drachen, die regelmäßig ihre Gestalt wechselten. Sie war flink, wendig und angriffslustig und nutzte ihre Stärken gnadenlos aus – was ihr den Spitznamen Sturmpfeil eingebracht hatte. Zwei mal war sie der Arena bereits entkommen, bevor man ihr eine Kette anlegte, die so an ihrem Knöchel saß, dass sie weder als Hybrid hindurch schlüpfen, noch als Drache daraus herausbrechen konnte. Zum großen Glück aller jungen Wikinger im Training schränkte diese Kette auch die Bewegungen des Nadders ein und machte es den Schülern leichter sie nicht aus den Augen zu verlieren. Vor ihr davon zu laufen war dennoch zwecklos – das hatte Hicks auf die harte Tour lernen müssen. Inzwischen war er schlauer und wusste, wie er sich vor ihr verstecken konnte. Sturmpfeil ließ sich leicht ablenken und da keiner der anderen angehenden Drachentöter Hicks' Vorsicht und Zurückhaltung teilte, ließ sie schnell von ihm ab um sich einem anderen, lauteren Ziel zu widmen. „Wenn du dich nur lange genug versteckst, stirbt der Drache vielleicht irgendwann vor Langeweile“, spottete Rotzbacke verächtlich, als er um eine Ecke bog und Hicks entdeckte, der sich bemüht unauffällig an die Wand presste. Hicks bedachte ihn nur mit einem genervten Seufzen. Bei Rotzbacke war jedes Wort vergebens, also ließ er es lieber gleich bleiben. „Wenn Grobian uns endlich erlauben würde, nicht nur mit Schilden sondern mit richtigen Waffen zu kämpfen, hätte ich den Nadder schon längst erledigt. Mit Leichtigkeit.“ Dass das nicht das Ziel dieser Übung war, schien dabei völlig an ihm vorbeizugehen. Doch Hicks hatte grade ganz andere Sorgen, denn wenn Rotzbacke weiter so einen Lärm veranstaltete, würde er den Drachen direkt zu ihnen locken. Und wie auf Stichwort schlug Hicks' berüchtigtes Pech auch schon zu. Die hölzerne Trennwand neben ihnen schwankte bedenklich, bevor sie umstürzte und Hicks unter sich begrub. Von der Hüfte abwärts war er unter den Brettern und dem Nadder, der triumphierend darauf saß, eingeklemmt. Sturmpfeil war in ihre Hybrid-form gewechselt um sich unbemerkt an die beiden jungen Wikinger an zu schleichen und sie aus dem Hinterhalt heraus anzugreifen. Dumm war sie nicht, das musste Hicks ihr lassen. Angriffslustig funkelten die gelben Augen Hicks an und als ihre Blicke sich trafen, durchzuckte ihn plötzlich eine Welle an wirren Sinneseindrücken und Gefühlen. Überrascht zog sich das Gesicht der jungen Hybridin ein Stück weit zurück und die seltsame Verbindung brach wieder ab. Rotzbacke stieß einen Kampfesschrei aus und stürmte auf den Drachen zu, der Hicks noch immer am Boden festhielt. Sofort feuerte sie zielsicher eine Salve scharfer Stacheln von ihrem Schwanz auf Rotzbacke ab, der diese intuitiv mit seinem Schild abwehrte. Trotz all seinem Heldenmut fiel ihm in diesem Moment jedoch wieder ein, dass er unbewaffnet war und so wurde aus seinem kühnen Schlachtruf schnell ein schiefer Hilfeschrei. Panisch flüchtete der bullige Junge durch das Labyrinth – dicht gefolgt von der jungen Nadder, die Hicks nun links liegen ließ und sich lieber der Jagd auf Rotzbacke widmete. Mühselig kletterte Hicks unter der Trennwand hervor. Jetzt, da kein Drache mehr darauf saß, gestaltete sich das als weitaus einfacher, aber er stand immer noch ziemlich neben sich. War war das eben gewesen? Hatte der Nadder tatsächlich innegehalten? Hatte sie das gleiche gefühlt wie er, oder hatte er sich bei dem Sturz grade eben einfach nur zu heftig den Kopf angestoßen? Nachdem er das Training auch heute wieder wie durch ein Wunder überlebt hatte, zog es Hicks in den Wald. Er wollte den Kopf frei bekommen und etwas Abstand zu den anderen Wikingern herstellen. Jedes Gesicht, das ihm im Dorf begegnete, spiegelte entweder Enttäuschung, Sorge oder Hohn wieder, sobald es auf Hicks traf, also zog er sich die meiste Zeit des Tages entweder in sein Zimmer, die Schmiede oder das Gelände rings um das Dorf zurück, wenn er nachdenken, an neuen Erfindungen tüfteln oder schlichtweg seine Ruhe haben wollte. Gedankenverloren streifte er durch das Dickicht, auf dem Weg zu einer Lichtung nahe einer kleinen Klippe. Sie war so gelegen, dann man von dort aus einen Großteil es Dorfes und der Anlegestelle überblicken konnte, und war daher zu einem von Hicks' Lieblingsorten auf ganz Berk geworden. Ab und an hörte er auf seinem Weg einige Äste knacken und zuckte jedes mal erschrocken zusammen. Energisch schüttelte er seine Nervosität ab. So dicht ans Dorf wagten sich die Drachen nur in Gruppen bei einem Angriff, und wenn ein Angriff im Gange wäre, hätte Hicks das längst bemerkt. Das heutige Training hatte ihn wohl einfach etwas schreckhaft gemacht. Die großen Flugechsen waren nicht unbedingt die unauffälligsten, also würde es Hicks schon mitbekommen, wenn ein Schwarm davon sich nährte. Andererseits hatte er den Nachtschatten in der Höhle anfangs auch nicht bemerkt. Von einem der vielen Äste der dichten Baumwipfel aus, betrachteten die grünen Reptilienaugen den ahnungslosen Wikinger unter sich. Ohnezahn wusste selbst nicht so genau was es war, dass ihn immer wieder zu diesem Jungen trieb, aber jedes mal, wenn dieser durch den Wald ging, konnte er nicht anders als ihm zu folgen. Er hatte sich schon früher oft die Zeit damit vertrieben, Menschen aus sicherer Entfernung zu beobachten, wenn sie durch den Wald streiften. Nie hatte er sich für einen davon besonders interessiert. Warum sollte er auch? Es waren alles Menschen – einer war wie der andere. Aber dieser Junge war irgendwie anders. Er war kleiner und schmaler als die meisten anderen – nahezu zerbrechlich – und lief dennoch fast immer allein über die Insel. Auch bewegte er sich viel gewissenhafter und unbemerkter durch das Dickicht als es die Wikinger sonst zu tun pflegten. Dadurch war er Ohnezahn zwar im Gedächtnis geblieben, aber so richtig wurde sein Interesse erst durch ihre Begegnung während des Sturms geweckt. Er hatte nicht schlecht gestaunt, als ausgerechnet dieser kleine Mensch mutterseelenallein in die Höhle gestolpert war, in der auch er Schutz suchte. Normalerweise wäre Ohnezahn kein Risiko eingegangen und hätte die Flucht angetreten solange es das Wetter noch zuließ, doch bei dem letzten Angriff auf das Dorf war er von irgendetwas getroffen und vom Himmel geschossen worden. Die eine Seite der Membran an seinem Schwanz war dabei völlig zerrissen worden und seither konnte er nicht mehr richtig fliegen. Egal was er tat, er schaffte kaum mehr 2 oder 3 Flügelschläge, dann verlor er das Gleichgewicht, taumelte und stürzte ab. Folglich hatte er keine andere Wahl gehabt, als in der Höhle zu bleiben, und als dann auch noch der Flüsternde Tod am Himmel aufgetaucht war, hatte er gehandelt bevor er nachdenken konnte. In dem Moment, als er dem Jungen zum ersten mal direkt in die Augen sah, wusste er, dass der kleine Mensch keine Gefahr für ihn darstellte, also hatte er ihn beschützt. Trotzdem hatte er beim Verlassen der Höhle vorsichtshalber die zwei Dinge mitgenommen, von denen er wusste, dass die Menschen sie zum Kämpfen einsetzten. Warum der Junge sowas bei sich trug, verstand Ohnezahn nicht wirklich. Schließlich war er kein Krieger und roch auch nicht nach Blut, so wie viele der anderen Wikinger. Er wollte den Jungen zwar nicht schutzlos durch den Wald ziehen lassen, aber er konnte es auch nicht mit seinem Gewissen vereinbaren diese gefährlichen Dinge bei einem Menschen zu belassen. Also hatte Ohnezahn ungesehen über den Jungen gewacht, bis er wohlbehalten in seinem Dorf angekommen war. Damit war er ein erhebliches Risiko eingegangen. Wolkenspringer wurde es nie müde die jüngeren Drachen zur Vorsicht zu ermahnen. Sich zu dicht an das Dorf heranzuwagen, war genauso gefährlich wie es verlockend und spannend war. Ohnezahn war bei weitem nicht der einzige, der Wolkenspringers gutgemeinte Warnungen regelmäßig in des Wind schoss und seiner Neugierde erlag – mit fatalen Folgen. Meistens war er mit Sturmpfeil, einem Nadder in seinem Alter, unterwegs gewesen. Sie war unglaublich schnell und erfindungsreich, aber leider auch impulsiv und unaufmerksam, was sie schon mehr als einmal in die Fänge er Menschen getrieben hatte. Die ersten beiden Male war sie nach kurzer Zeit entkommen, doch dieses mal hatte ihr Glück sie verlassen. Sturmpfeil war nicht getötet worden, aber man hatte sie eingesperrt und ließ nun die jungen Wikinger an ihr üben. Ohnezahn kannte sie gut genug um sich nicht zu viele Sorgen um sie zu machen. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er fast behauptet, dass es ihr sogar Spaß machte die unerfahrenen Wikinger durch die Arena zu jagen und mit ihnen zu spielen. Nichts desto trotz, war sie eingesperrt und Ohnezahn konnte sich kaum etwas grausameres als das vorstellen. Er würde sie befreien. Spätestens wenn er endlich lernte sich zu verwandeln. Eingezwängt und der Möglichkeit zu fliegen beraubt zu sein, war der größte Albtraum, den er sich ausmalen konnte. Unglücklich glitt sein Blick zu seinem verletzten Schwanz. Er hatte solche Sehnsucht nach dem Fliegen, dass es ihm fast das Herz zerriss. Er wollte endlich wieder durch den Himmel gleiten, im Slalom um die Klippen an der Küste schnellen und den kalten Wind in sein Gesicht peitschen spüren. Seine Flugunfähigkeit machte das Risiko für ihn noch viel größer, denn wenn er entdeckt wurde, hatte er kaum eine Chance zu entkommen. Andererseits war Sturmpfeil trotzdem gefasst wurden, obwohl sie fliegen konnte – und nicht nur das. Im Gegensatz zu Ohnezahn hatte sie ihren Paratei bereits gefunden und die Verwandlung in einen vollwertigen Drachen gemeistert. Er war mehr als neidisch gewesen als sie und Hakenzahn ihr volles Potenzial entdeckten, aber auch er würde irgendwann sein Gegenstück finden und mit ihm oder ihr zusammen die vollständige Verwandlung lernen. Drachen kamen allesamt als Hybriden auf die Welt. Um ihre wahre Gestalt annehmen zu können, mussten sie ihren Paratei – ihr Gegenstück – finden. Nur mit gemeinsam mit diesem speziellen anderen Hybriden war es ihnen möglich nach und nach all ihre Fähigkeiten zu entdecken und die Verwandlung zu lernen. Die einzige Ausnahme von dieser Regel waren die Zipper. Sie gab es nur als Zwillinge und daher wurden sie mit ihrem Paratei an ihrer Seite geboren. Allerdings brachte das auch einen Nachteil mit sich: Zipper-Zwillinge konnten sich nur gemeinsam in einen einzigen Drachen verwandeln und darum riss ihr Band auch nie ab. Bei allen anderen waren die Betreffenden nur für den Zeitraum vom Erkennen des Paratei bis zum meistern der vollwertigen Drachen-Gestalt unzertrennlich. Deshalb war es für Ohnezahn so schwer gewesen, als sich seine beiden besten Freunde als Gegenstücke zueinander herausstellten und ihn die nächsten Monde über von ihrem Leben ausschlossen. Doch mittlerweile hatten beide ihre wahre Gestalt gemeistert und das Band der Paratei hatte sich fast vollständig zwischen ihnen gelöst. Nun musste nur noch Ohnezahn erwachen und die drei wären wieder gleichauf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)