Dein rettendes Lachen von stardustrose ================================================================================ Kapitel 33: Entscheidungen -------------------------- Vollkommen starr sah ich auf den kühlen Stein, las die Lebensdaten, die mir viel zu kurz vorkamen. Eigentlich hatte ich geglaubt, jetzt ein neues Leben zu beginnen. Und, dass du Teil davon sein würdest. Wir hatten uns gerade erst gefunden, und schon bist du wieder fort. Der Schmerz saß tief und nur mit Mühe gelang es mir, einen Laut zu unterdrücken, während ich langsam in die Knie sank und eine weiße Lilie vor den Stein legte. Ich hatte nicht schon so früh wieder hier stehen wollen. Die Kirschblüten der umstehenden Bäume rieselten wie rosafarbener Schnee auf die Erde, legten sich sanft auf das Grab vor mir. Warme Tränen liefen über meine Wangen. Als ich hinter mir Schritte hörte, drehte ich meinen Kopf nicht weg, starrte auf den in Stein gemeißelten Namen, der hier noch nicht stehen sollte. Eine warme Hand legte sich auf meine Schulter und ich ergriff sie. Sie führte mich weg von dir, durch die große Zahl an schwarzgekleideten Menschen, die Abschied nehmen wollten. Ich blickte nicht auf, sah einfach stur auf den Weg vor mir. Das Leid der anderen, die dich verloren hatten, wollte ich nicht auch noch sehen. Ich atmete tief durch und versuchte mich wieder zu beruhigen. Etwas abseits blieben wir stehen und warteten, dass auch die Anderen Abschied nehmen konnten. Mein Herz wollte sich nicht beruhigen. Ich versuchte das Schluchzen zu ersticken, zwang mich die Tränen aufzuhalten. Meine Hände waren zu Fäusten geballt. Der Druck auf meiner Schulter verstärkte sich und ich sah auf. Sah in die kastanienbraunen Augen meines Gegenübers, die mich voller Mitleid ansahen. Jaden legte tröstend seine Arme um mich. Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit verschwand, machte Platz für die Trauer und allmählig gab ich es auf, die Tränen zu verstecken. ~*~ Der laue Frühlingswind wehte durch die Bäume, brachte sie zum rascheln und wirbelte einige der Kirschblüten am Flussufer durch die Luft. Ein leichter Duft von frittierten Speisen wehte von den nahegelegenen Imbissständen zu mir. Mein Magen knurrte. Eine Woche hatte ich nach der Beerdigung in Tokio verbracht und jetzt war ich hier. Osaka. Meine alte Heimat. Ich beobachtete die Menschen, die fröhlich am Kirschblütenfest teilnahmen. Freunde, junge Paare, Familien. Sie wirkten so glücklich. Mein Blick fiel auf einen Mann, der sein Kind auf die Schultern genommen hatte. Das Mädchen kicherte vergnügt und bot ihrem Vater etwas von ihrer Eiscreme an, die ihr Ziel jedoch verfehlte und das Gesicht des Mannes rosa färbte. Ich schmunzelte. Plötzlich schob sich direkt vor meiner Nase ein Onigiri in mein Blickfeld und ich neigte meinen Kopf. Jaden sah mich fröhlich an. „Hier, du hast bestimmt Hunger!“ sagte er vergnügt und bot mir das Reisbällchen an. Wieder meldete sich mein Magen. „Danke“ sagte ich überrascht und nahm es an mich. „Ich dachte, du wolltest nur auf die Toilette gehen.“ Er zuckte mit den Schultern, während wir uns in Bewegung setzten um uns das Fest anzusehen. „Auf dem Rückweg musste ich sowieso an den Imbissständen vorbei. Und so wie ich dich kenne, hast du in den letzten Tagen bestimmt nichts gegessen.“ Ich sah ihn ertappt an und erntete ein Lächeln. „Dachte ich mir. Du hattest sicher viel zu tun in den letzten Tagen... Wie geht’s dir?“ Für einen Moment wandte ich den Blick ab und starrte auf das Onigiri in meiner Hand, ohne es eigentlich wahrzunehmen. „Besser“ sagte ich schließlich und sah auf. „Sicher, dass du das willst?“ fragte er besorgt. Ich sah ihn fragend an. „Naja, das Kirschblütenfest meine ich“ fügte er hinzu. „Wenn du willst, können wir auch einfach woanders hingehen.“ „Nein“ sagte ich schmunzelnd. „Ich bin gern hier mit dir. Außerdem habe ich dir damals in Osaka versprochen, dass wir zusammen zum Kirschblütenfest gehen.“ Außerdem tut mir ein wenig Ablenkung bestimmt ganz gut. Während wir aßen, beobachteten wir schweigend das bunte Treiben um uns herum. Nach einer kleinen Weile sah mich Jaden unsicher an. „Tut… mir echt leid, dass sie gestorben ist“ sagte er. „Lässt sich nicht ändern“ antwortete ich nur. Auch wenn ich gern mehr Zeit mit meiner Großmutter verbracht hätte, war ich dankbar für die, die ihr verblieben war. „Ich wünschte nur, sie hätte irgendjemandem von ihrer Krankheit erzählt.“ „Es hätte nichts daran geändert, dass sie gestorben wäre“ sagte Jaden und sah mich prüfend an. „Krebs ist scheiße, aber zumindest hatte sie dich in den letzten Monaten bei ihr. Das hat ihr bestimmt viel bedeutet.“ Ich nickte stumm. Natürlich hatte er Recht, aber hätte sie es mir gesagt, hätte ich mich zumindest darauf vorbereiten können. So kam ihr Tod für mich ganz plötzlich. Oder ob es so besser war? Ich atmete hörbar aus. Es bringt nichts, jetzt noch darüber nachzudenken. Es ist wie es ist und ich muss mich damit abfinden. Ändern kann ich es so oder so nicht mehr. „Kam eigentlich dieser Devlin-Typ wieder auf dich zu?“ riss mich Jadens Stimme wieder aus meinen Gedanken. Ich hob meinen Blick und sah in sein besorgtes Gesicht. Langsam nickte ich. „Bei der Beerdigung sah er selbst völlig fertig aus, aber gestern kurz vor meiner Abreise hat er mich wieder darauf angesprochen.“ Ich senkte den Blick. „Aber ich habe immernoch keine Ahnung, ob ich zustimme oder nicht.“ „Hm“ kam es nur von ihm und er sah auf den Weg vor uns, während wir die belebten Wege entlangliefen. Wieder sah ich zu Jaden. Sein Blick war gesenkt und irgendwie traurig. „Alles in Ordnung?“ fragte ich besorgt. Er sah überrascht auf. „Ja, klar. Wieso?“ „Du bist so still“ sagte ich irritiert über seine Reaktion. „Ich… bin nur nicht sicher was es bedeutet, wenn du zusagst. Versteh mich nicht falsch, ich will es dir nicht ausreden, aber deine Oma sah immer so fertig aus. Ich glaube nicht, dass ihr die Arbeit in der Firma Spaß gemacht hat.“ Ich schmunzelte. „Ich glaube kaum, dass sie der spaßige Typ war. Aber die Firma war ihr wichtig und es war ihr letzter Wunsch, dass ich ihren Platz übernehme.“ Auf dem Sterbebett sagte sie mir, dass die Firma in der Familie bleiben sollte. Duke Devlin, ihre rechte Hand, kam bereits zwei Mal auf mich zu und wollte eine Entscheidung von mir. „Ich weiß, aber…“ Er seufzte und musterte mich ernst. „Ich mach mir nur Sorgen, dass du es nur machst, um ihr einen Gefallen zu tun, und dabei nicht daran denkst was du willst.“ Ich sah ihn überrascht an. Was ich will… Ich weiß es nicht. Damals an Neujahr hatten mein Vater und meine Großmutter ein Gespräch geführt, als ich in meinem Zimmer telefoniert hatte. Nach ihrem Tod hatte mein Vater mir erzählt, dass sie sich über diese ganze Erbsache unterhalten hatten. Sie wollte unbedingt, dass die Firma in der Familie blieb. Ihm war nicht wohl bei ihrem letzten Wunsch. Und ich? Ich hatte keine Ahnung, ob ich das alles wollte. Will ich meiner Großmutter nur einen letzten Gefallen damit tun? Ich will diese wichtige Entscheidung nicht nur treffen müssen, weil ich mich ihr verpflichtet fühle. Weil ich sie vermisse und dadurch ein Teil von ihr bei mir wäre. Soll ich ihr diesen Gefallen tun oder weiter meine Träume verfolgen? „Denk die ganze Sache nicht so tot“ holte mich Jadens Stimme wieder in die Realität. Ich sah auf und er schenkte mir ein fröhliches Lächeln. „Hör einfach mal auf deinen Bauch.“ Ich musste unweigerlich schmunzeln. Manchmal wäre ich gern mehr wie Jaden. Zumindest in solchen Situationen. Für ihn schien immer alles ganz klar. Er machte sich nie große Gedanken über die Zukunft. Diese Unbeschwertheit bewunderte ich an ihm. „Was würdest du tun?“ fragte ich interessiert. Ich hatte etwas Hoffnung, dass mir seine Antwort vielleicht helfen könnte. Er schien ernsthaft zu überlegen. „Keine Ahnung“ antwortete er schließlich. „Ich glaube, ich würde ablehnen. Mir wäre das zu viel Verantwortung und ich hätte ehrlich gesagt keine Lust so wenig Freizeit zu haben. Ich weiß ja nicht wie das abläuft in so einer Firma. Aber du bist da ja anders als ich“ fügte er hinzu und sah mich belustigt an. „Mit der Schule, den Prüfungen und dem Nebenjob hast du ohnehin viel weniger Freizeit als ich. Und dir macht das Ganze nicht wirklich was aus. Wenn du etwas zu tun hast, wirkst du glücklicher.“ „Naja, so viel Arbeit würde es glaube ich gar nicht bedeuten“ sagte ich. „Dadurch, dass es einige Mitarbeiter gibt, würde sich die Arbeit verteilen. Im Prinzip würde ich nur ihre Anteile erben und nach dem Studium Vorsitzender des Vorstands werden.“ „Aber hat ihr die ganze Firma nicht gehört?“ fragte er verwundert. Ich nickte. „Zum Großteil ja, aber das heißt nicht, dass sie alles allein gemacht hat. Nimm Mister Devlin zum Beispiel. Er hat ihr ziemlich viele Arbeiten abgenommen und mir vorgeschlagen, dass er sie weiterhin macht. Dadurch müsste ich nur an den großen Besprechungen teilnehmen.“ „Aber…“ setzte er an und schien zu überlegen. „Wenn es gar nicht so viel Arbeit ist, warum machst du dann nicht beides?“ Ich sah ihn überrascht an. „Ich mein ja nur“ fügte er hinzu und zuckte mit den Schultern. „Studier doch was immer du willst und tauch ab und zu dort auf, dann kannst du doch beides machen. Die Firma und das, was du eigentlich machen willst.“ Ich blinzelte ihn überrascht an. Im Prinzip hatte er recht. Da fiel mir etwas viel hinderlicheres ein. „Und was ist mit dir?“ fragte ich. Er hob verwirrt eine Augenbraue. „Was soll mit mir sein?“ „Was ist, wenn ich zu beschäftigt mit Allem bin? Klar mag ich Herrausforderungen, aber deswegen will ich nicht weniger Zeit mit dir verbringen. Es ist mir egal, wie meine Zukunft aussieht. Ob ich die Firma nun übernehme oder nicht. Ich will, dass du ein Teil meines Lebens bleibst.“ Einen Augenblick sah er mich überrascht an. Schließlich schenkte er mir ein fröhliches Lächeln. „Wie oft soll ich es eigentlich noch sagen? Mich wirst du so schnell nicht los, ganz egal wie du dich entscheidest. Du hast mich am Hals“ sagte er mit einem Zwinkern. Ich musste schmunzeln. „Danke“ sagte ich schlicht und drückte seine Hand fester. Gab ihm einen kurzen, sanften Kuss. Letzten Endes ist es wohl egal wie ich mich entscheiden und wie meine Zukunft aussehen würde. Die Hauptsache war, dass er ein Teil davon blieb. Aber ich wollte es nicht riskieren, Jaden durch diese Aufgaben zu vernachlässigen und irgendwann vielleicht keine Zeit mehr für ihn zu haben. „Schau mal, das Ufer!“ riss mich Jadens begeisterte Stimme wieder aus meinen Gedanken und ich landete wieder in der Realität. Er zog mich schnellen Schrittes zum Fluss, dessen Ufer selbst wie ein Meer aus rosafarbenen Blüten aussah. Jaden drehte seinen Kopf zu mir, während er eilig weiterlief. „Jetzt komm schon, du Schlafmütze!“ Ein helles Klingeln ertönte und ich fuhr meinen Kopf schnell zur Seite. Im nächsten Moment zog ich Jaden wieder zurück und ein Radfahrer rauschte an uns vorbei, während er unverständlich irgendetwas fluchte, das sich nach ‚Trottel‘ anhörte. Ich warf Jaden einen ernsten Blick zu. Mein Griff um seine Hand wurde fester. Die Bilder vom Neujahrstag schwirrten wieder durch meinen Kopf. Das blaue Omamori, das durch die Luft segelte. Jaden, der schnell danach greifen wollte und plötzlich auf der Straße war. Der Truck, der auf einmal quer auf der Straße stand, während ich und Jaden am Straßenrand saßen. Die panischen Schreie unserer Eltern, die auf uns zuliefen. Mein Herzschlag pochte in meinen Ohren. Hätte ich ihn nicht instiktiv zurückgezogen und hätte der Fahrer des LKWs nicht so schnell reagiert, wäre ich innerhalb weniger Wochen auf zwei Beerdigungen gewesen. Ich atmete hörbar aus um die Bilder zu vertreiben. Er sah mich beschämt an. „Tut mir echt leid“ sagte er kleinlaut und rieb sich den Hinterkopf. Ich seufzte und ging mit ihm weiter Richtung Flussufer. Die Anspannung blieb. „Du hast nicht nur mir verprochen, dass du in Zukunft aufpasst“ sagte ich leise und blieb stehen. Wir waren nur wenige Meter vom Fluss entfernt. Wir betrachteten den Anblick der Kirschblüten, die wie Schnee von den Bäumen fielen auf der sanften Strömung des Flusses einen rosafarbenen Teppich bildeten. Ich wollte ihm keinen Vorwurf machen, aber der Schreck von diesem Tag saß tief. Einen Augenblick hatte ich gedacht, ich würde ihn verlieren. Ich hatte schreckliche Angst gehabt. Für einen Moment schloss ich meine Augen, um mich wieder zu beruhigen. Ich spürte warme Lippen auf meinen und seine Hand in meinem Nacken. Langsam entspannte ich mich wieder. Das samtige Gefühl seiner Lippen verschwand und ich öffnete meine Augen. Er lehnte seine Stirn an meine und schenkte mir ein liebevolles Lächeln. „Entschuldige.“ Ein leises Seufzen kam über mich. „Ich will nur nicht, dass dir was passiert“ flüsterte ich. „Ich wollte dir keine Angst machen. Sowas wie damals passiert nicht nochmal, okay?“ Ganz überzeugt sah ich wohl nicht aus. „Ich mach das echt nicht mit Absicht“ fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu. „Ich weiß“ antwortete ich schlicht. Doch das machte die ganze Sache nicht weniger unkontrollierbar. Oder weniger angsteinflößend. Er schüttelte belustigt den Kopf und ging einen Schritt zurück. Dabei zog er etwas aus seiner Hosentasche. Mit einem breiten Lächeln sah er mich an und streckte mir den kleinen Glücksbringer entgegen, den ich ihm geschenkt hatte. „Mit dem hier passiert mir nichts“ sagte er. „Er hat mich schonmal beschützt, und das wird er auch weiterhin, okay?“ Mit einem tiefen Seufzen ließ er sich in das weiche Gras plumpsen und lächelte zufrieden. Ich setzte mich zu ihm und schmunzelte. Er musterte mich. „Was ist denn los?“ Mein Lächeln wurde breiter und ich schüttelte den Kopf. Legte meine Lippen sanft auf seine. Wieder erklang die Melodie, die mir in den letzten Monaten so viel Freude bereitete. Sein schönes Lachen hallte in meinen Ohren. Es schenkte mir in den letzten Monaten immer wieder Kraft und gab mir Halt. Ja, diese Melodie hatte mich vermutlich gerettet. ~*~ Der Schlüssel glitt langsam ins Schloss und ich öffnete die Tür. Schmunzelnd betrachtete ich den getigerten Kater, der träge auf mich zukam. Zuhause. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dabei waren es nur knapp zwei Wochen. „Hallo, Pharao“ begrüßte ich unseren kleinen Stubentiger und kraulte ihn hinter seinem Ohr, was mir ein zufriedenes Schnurren einbrachte. Ich seufzte lautlos. Der Kater hatte in den letzten zehn Jahren deutlich an Gewicht zugelegt und ich hatte das Gefühl, dass er immer dann dicker wurde, wenn ich eine Weile verreist war. So auch heute. „Klar, warum denn?“ hörte ich Jadens gedämpfte Stimme aus dem Arbeitszimmer. Ob er telefoniert? Ich ging leise in das Zimmer, um ihn nicht zu stören und blieb im Türrahmen stehen. „Nein, in zwei Stunden ist kein Problem“ bestätigte er seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. Breit grinsend ging er auf und ab, bis er mich bemerkte und auf mich zukam. Er legte mir seine Hand auf die Brust und gab mir zur Begrüßung einen sanften Kuss. „Was?“ fragte er belustigt als er sich von mir löste. „Nein, mein Mann ist nur gerade angekommen.“ Ich musste schmunzeln. Mein Mann. Er sagte es so… stolz. So glücklich. Diese beiden Worte lösten ein ungeheures Glücksgefühl in mir aus. Ich werde wohl noch eine Weile brauchen, um mich daran zu gewöhnen. Aber will ich mich überhaupt daran gewöhnen? Jaden schnappte sich den kleinen Kalender vom Schreibtisch und telefonierte weiter. Ich nutzte die Zeit um meine Tasche abzustellen und mich frisch zu machen. Der Heimweg war lang und ich war erschöpft. Als ich fertig war, ging ich ins Wohnzimmer, wo mich Jaden schon erwartete. „Also, wie lief das Konzert?“ fragte er und drückte mir eine Tasse in die Hand während ich mich zu ihm setzte. Der Duft des frischen Kaffees stieg mir in die Nase und ich schloss für einen kleinen Moment meine Augen. „Wirklich gut“ sagte ich und rieb mir meinen verspannten Nacken. „Anscheinend kam das neue Stück gut an.“ Er grinste breit und lehnte sich an mich. „Hab ich dir doch gleich gesagt!“ Ich gab einen belustigten Laut von mir und schlang einen Arm um ihn. Nippte an dem heißen Kaffee. Endlich etwas Entspannung. „Mit wem hast du eigentlich telefoniert?“ fragte ich. „Mit Ayumi. Sie wollte nachher kurz vorbeikommen.“ „Hat sie gesagt warum?“ Jaden zuckte nur mit den Schultern und nippte an seinem Tee, bis ihm anscheinend etwas einfiel und er mich vielsagend ansah. „Meinst du...“ setzte er an und stellte seine Tasse ab. „Glaubst du es hat schon geklappt?“ „Hm. Ganz auszuschließen ist es nicht, aber die Ärzte haben ihr doch gesagt, dass es eine Weile dauern kann.“ „Ja, aber es könnte doch.“ Ich schmunzelte und legte meinen Arm um ihn. Jaden lehnte sich ganz automatisch an mich und legte seinen Arm um meine Taille. „Für die Antwort wirst du dich wohl gedulden müssen.“ „Weil ich so ein geduldiger Mensch bin“ sagte er sarkastisch, was mir ein kleines Lachen entlockte. ~*~ „Sag mal. Ihr habt mir nie erzählt wer von euch beiden eigentlich den Antrag gemacht hat“ sagte die brünette Frau und stellte ihre Tasse ab. „Dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen ist doch erst seit Anfang des Jahres erlaubt, oder?“ Jaden lachte kurz auf. „Ja, aber ich hab ihm vor ein paar Jahren mal einen symbolischen Antrag gemacht. Als ich dann den Artikel gelesen habe, dass es endlich erlaubt ist, hab ich ihn gleich Yusei gezeigt.“ Ayumi richtete ihren Blick auf mich und lächelte. „Und was hast du dann gemacht?“ Ehe ich antworten konnte, übernahm das Jaden für mich, was mich nur schmunzeln ließ. Ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft er diese Geschichte bereits erzählt hatte. Und jedes Mal hatte er dabei dieses glückliche Funkeln in seinen Augen. Dass Ayumi sie nicht kannte, wunderte mich ehrlich gesagt. „Er hat mich nur angegrinst und gefragt: ‚Steht dein Antrag noch?‘. Die Woche darauf waren wir schon voll in der Hochzeitsplanung drin. Wir haben es geschafft alles innerhalb von zwei Monaten vorzubereiten und im Mai dann endlich geheiratet.“ Sie kicherte. „Schade, dass ich die Hochzeit verpasst habe. Hätte ich das eher gewusst, hätte ich mir Urlaub nehmen können.“ „Ja, das ist der Nachteil an kurzfristigen Planungen“ sagte ich. „Jadens Onkel hat es leider auch nicht zur Hochzeit geschafft.“ „Bei Alexis stand es ja auch auf der Kippe“ bemerkte Jaden. „Sie kam Hochschwanger auf der Hochzeit an und nicht mal eine Woche später war das Baby schon da.“ Ich lachte leise. „So wie sie aussah, hatten wir schon gedacht, sie bekommt das Kind noch auf der Hochzeit.“ „Apropos“ bemerkte sie mit einem Lächeln. „Ihr wollt doch auch Kinder. Warum habt ihr bisher noch nicht adoptiert?“ „Hör mir auf“ sagte Jaden genervt. Ich legte meine Hand beruhigend auf seine. Ayumi sah ihn verwundert an. „Ist ein sensibles Thema“ beantwortete ich ihre unausgesprochene Frage. „Wir haben es versucht“ sagte Jaden zerknirscht. „Vor knapp zwei Jahren hatte ich ein fünfjähriges Kind auf der Station, das mit unzähligen Blessuren und einem gebrochenen Arm eingeliefert wurde. Sie wurde vom Jugendamt in Obhut genommen. Drei mal darfst du raten, was passiert war.“ Ayumi sah ihn erschrocken an und wanderte mit ihrem Blick zwischen mir und Jaden, der stur auf die Tischplatte starrte. „Sie hatte schreckliche Angst“ fuhr er weiter aus. „Wenn die Leute vom Jugendamt mit ihr reden wollten, hatte sie immer darauf bestanden, dass ich dabei war. Sie wollte niemand anderem mehr vertrauen. Ich hab mit Yusei geredet und wir wollten sie zu uns nehmen.“ „Und… warum hat das nicht geklappt?“ fragte Ayumi unsicher. Ich sah zu Jaden. Seine Hände waren so sehr zu Fäusten geballt, dass die Fingerknöchel sich weiß färbten. „Es ist sowieso schon schwierig als Mann ein Kind zu adoptieren“ antwortete ich für ihn. „Aber wenn die Familie sich auch noch quer stellt, haben wir keine Chance mehr. Zu dem Zeitpunkt waren wir auch noch nicht verheiratet und er hätte nur als Alleinstehender gezählt. Das senkt die Chance nochmal mehr. Dass wir finanziell abgesichert sind, zählt dabei weniger, als eine klassische Familienkonstellation.“ „Das ist ja echt die Höhe!“ rief sie empört aus. „Und da lassen sie sie lieber im Heim?“ Ich schüttelte den Kopf. „Seitdem wandert sie von einer Pflegefamilie zur nächsten.“ „Und das soll jetzt besser für sie sein?“ fragte sie verständnislos. „Ich fasse es nicht! Das tut mir echt leid für euch beide. Und vor allem für das Mädchen. Wie ist eigentlich ihr Name?“ „Himari“ sagte Jaden und seufzte. „Wir können im Moment absolut nichts machen. Naja... Genug von dem Thema. Was wolltest du uns eigentlich erzählen?“ Ayumi sah ihn überrascht an. Ich hielt seine Hand noch immer fest und strich mit dem Daumen sanft darüber, in der Hoffnung, ihn etwas zu beruhigen. Mich wunderte der Themenwechsel nicht. Langsam hatte ich das Gefühl, dass er die Hoffnung schon aufgegeben hatte. Es passte eigentlich nicht zu ihm, aber vielleicht lag es einfach daran, dass ihm dieses Thema bis heute viel Kraft geraubt hatte. Die vielen Gerichtstermine, die wir schon hatten. Die endlosen Streitereien mit den leiblichen Eltern von Himari. Seine Nerven lagen einfach blank. Plötzlich sprang Pharao auf das Sofa und rollte sich auf Jadens Schoß zusammen. Man konnte förmlich zusehen, wie sich Jaden langsam beruhigte. Der Kater war erstaunlich sensibel, was negative Stimmungen anging. „Vielleicht wollte ich euch auch einfach einen Besuch abstatten?“ bemerkte Ayumi scherzhaft, um die Stimmung etwas aufzulockern. „Du kannst genauso schlecht lügen wie Yusei“ sagte Jaden mit einem kleinen Lächeln. „Ist das so?“ fragte sie und warf mir einen amüsierten Blick zu. „Na schön. Ich habe wirklich ein paar Neuigkeiten.“ Ihr Gesicht wirkte auf einen Schlag viel fröhlicher als vorher, während sie in ihrer Handtasche herumkramte und fand, wonach sie suchte. Sie zog einen Briefumschlag heraus und legte ihn auf den Tisch. Dann sah sie auf und grinste breit. „Seht es als nachträgliches Hochzeitsgeschenk.“ Neugierig nahm ich den Umschlag an mich und zog den Inhalt heraus. „Was?!“ Jadens Stimme überschlug sich fast. Ehe ich realisierte was ich in den Händen hielt, riss er den Inhalt förmich an sich und starrte das beigefügte Foto einen Moment an. „Das ist nicht dein Ernst!“ rief er ungläubig. Als er aufsah, strahlte er über das ganze Gesicht. Ich musste schmunzeln. Gleichzeitig fragte ich mich, was seine Stimmung auf einen Schlag so aufhellen konnte. Sie kicherte vergnügt. Während sie ihm ihre Antwort gab, nahm ich das Foto wieder an mich und betrachtete es genauer. „Glaub es ruhig. Die Ärztin war selbst überrascht, dass es gleich beim ersten Mal geklappt hat.“ Mein Herz setzte einen Schlag aus, ehe es in einem wilden Tempo gegen meine Brust hämmerte. In meinen Händen hielt ich ein Ultraschallfoto. Ungläubig sah ich erst zu Jaden, dem die Freude noch immer im Gesicht stand, dann zu Ayumi. „Ist das dein Ernst?“ fragte ich leise. Ich konnte es nicht fassen. Sie nickte und ihr Lächeln wurde breiter. „Herzlichen Glückwunsch, ihr werdet Eltern.“ Jaden sprang auf und redete aufgeregt auf Ayumi ein, doch ich nahm es nur als Rauschen wahr, betrachtete noch einmal die Aufnahme von dem, was bereits einem kleinen Menschen ähnelte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Ayumi bot uns vor einigen Monaten an, dass sie die Leihmutterschaft für uns übernehmen würde. Im Gegensatz zur Adoption, war eine Leihmutterschaft eine Grauzone, und somit die einzige Möglichkeit als männliches Paar ein Kind zu bekommen. Aber so schnell? Mein Blick wanderte zum Datum der Aufnahme, es war von heute. Dann zu den Abmessungen des Fötus. Ich stutzte. Plötzlich zog mich Jaden in eine stürmische Umarmung und ich landete wieder in der Realität. Ich musste mich an der Lehne des Sofas abstützen um nicht auf dem Boden zu landen. „Ist das nicht klasse?“ rief er aufgeregt. Nachdem sich der Schreck gelegt hatte, stellte sich auch bei mir ein Glücksgefühl ein. „Ja“ sagte ich lächelnd und sah wieder zu Ayumi. „Aber es scheint mir schon ziemlich groß. In welcher Woche bist du denn?“ „Hast du gar nicht zugehört?“ fragte Jaden ungläubig und löste sich von mir. „Das hab ich sie doch eben schon gefragt!“ „Schon gut“ sagte sie amüsiert. „Ich bin nur froh, dass er nicht mehr so blass ist. Ich bin in der Zwölften. Ich wollte abwarten, falls vielleicht irgentetwas passiert. Am Anfang kann es bei einer Schwangerschaft schnell mal zu Komplikationen und Abbrüchen kommen. Aber das Gröbste ist vorbei.“ Ihr Lächeln wurde breiter. „Es ist absolut gesund und entwickelt sich normal. Ich kenne allerdings das Geschlecht noch nicht. Es lag heute ungünstig.“ „Mir egal ob Junge oder Mädchen“ sagte Jaden und sah mich glücklich an. „Wir werden wirklich Eltern.“ „Ihr habt es verdient“ sagte Ayumi und sah mich belustigt an. „Aber ich glaube du brauchst noch etwas, um das zu realisieren, oder?“ „Ja“ sagte ich ihr mit einem schiefen Lächeln. Wir werden tatsächlich Eltern. Ich werde tatsächlich Vater. In sechs Monaten. Und wir hatten noch nichts vorbereitet. „Na schön“ sagte sie, während sie aufstand. „Ich gebe euch mal ein bisschen Zeit. Außerdem habe ich heute noch etwas zu erledigen. In zwei Wochen ist die nächste Untersuchung, falls ihr dabei sein wollt.“ „Na klar!“ bestätigte ihr Jaden sofort. Wir begleiteten Ayumi bis zur Tür. Jaden hatte sie zum Abschied so fest umarmt, dass ich Angst hatte, sie würde zerquetscht werden. Ich steuerte das Arbeitszimmer an, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Tigerte auf und ab. Sechs Monate. Wir haben noch sechs Monate Zeit. Was muss noch alles erledigt werden? Das Gästezimmer müssten wir zum Kinderzimmer umfunktionieren. Das bedeutet eine Menge Arbeit, aber das Baby kommt ohnehin erst in einem halben Jahr, also machbar. Was noch? Die Wohnung Kindersicher machen. Obwohl, bis es irgendetwas eigenständig erreicht, zieht nochmal einige Zeit ins Land. Ich stützte mich am Schreibtisch ab und starrte auf die Tischplatte. Was brauchen wir noch? Einen Kinderartzt. Aber welchen? Plötzlich legten sich zwei Arme um mich und ich hörte Jadens belustigtes Schnaufen. „Dreh bitte nicht jetzt schon durch, dafür bin ich zuständig.“ Ich spürte, wie ein großer Teil der Anspannung aus meinem Körper wich und lachte leise. „Entschuldige, aber ich war nicht darauf vorbereitet.“ Auch er lachte und löste sich ein Stück von mir. Ich drehte mich in seinen Armen zu ihm. „Glaubst du ich war es?“ sagte er belustigt. „Aber zerbrich dir bitte nicht jetzt schon den Kopf. Wir bekommen das alles hin, okay?“ Ich nickte und legte meine Lippen sanft auf seine. Er hatte recht. Meine Sorge war unbegründet. Wir hatten noch jede Menge Zeit. Er löste sich von mir und sah mich zufrieden an. „Na schön. Wir sollten es den anderen erzählen! Ich rufe Alexis an. Sie und Crow werden bestimmt platzen vor Freude!“ Ehe ich etwas erwiedern konnte, lief er aus dem Arbeitszimmer. Wie ich ihn kenne, wird er sicher ewig mit ihr telefonieren. Mein Blick wanderte zu einem kleinen Stapel von Briefen auf dem Tisch. Ohne darüber nachzudenken nahm ich ihn an mich und sah sie durch. Ich musste irgendwie meine Gedanken sortieren. Neben zwei Rechnungen und zu viel Werbung entdeckte ich einen Großbrief von meinem Anwalt. Verwundert öffnete ich ihn. Unterlagen landeten normalerweise immer in mein Büro. Als ich die ersten Zeilen überflog, musste ich mich am Stuhl abstützen. Meine Beine drohten mir den Dienst zu versagen. Das kann nicht… Schnell zog ich mein Telefon aus der Tasche, ließ es dabei fast fallen und wählte mit zitternder Hand seine Nummer. *Die Sicht von Jaden* „Was?!“ schallte die Stimme meiner Schwester viel zu laut aus dem Lautsprecher meines Handys und brachte damit meine Ohren zum klingeln. Ich hielt es etwas weg, auch wenn es nichts mehr brachte. „Ja!“ antwortete ich glücklich, während sich Pharao zu mir gesellte und auf meinem Schoß Platz nahm. „Wir haben es gerade erfahren.“ „Wow! Ich meine… Jaden, das ist großartig! Weiß Mama schon bescheid?“ „Nein, du bist die Erste.“ „Ich fühle mich geeht“ lachte sie. Im Hintergrund hörte ich Crows Stimme. Alexis erzählte ihm die große Neuigkeit und wieder schallte es so laut durch den Höhrer, dass ich mein Handy ein Stück weghalten musste. „Ist das dein Ernst? Seit wann weißt du das schon?!“ Wieder musste ich lachen. „Seit heute. Ayumi war vorhin da und hat es uns erzählt.“ „Klasse, Alter! Das muss gefeiert werden!“ „Gibst du mir bitte das Handy wieder?“ hörte ich die Stimme von Alexis leise in strengem Tonfall. „Warte, ich stell dich auf Lautsprecher. Jack ist auch gerade da.“ „Herzlichen Glückwunsch“ sagte er unbeeindruckt. Crow seufzte. „Nur nicht zu viel Freude.“ „Schon gut“ sagte ich grinsend. Er war ohnehin nie der Typ für große Emotionen. „Nächste Woche habe ich drei Tage frei, dann wollten Yusei und ich euch mal besuchen kommen. Dann stoßen wir drauf an.“ „Abgemacht!“ sagte Crow. Im Augenwinkel sah ich Yusei, der langsam ins Wohnzimmer kam. Er stand im Türrahmen und sah mich überrumpelt an. Langsam ließ ich mein Handy sinken. Er war sogar noch blasser als vorhin. „Alles Okay?“ fragte ich unsicher. Ich konnte nicht verstehen, warum er wie vom Donner gerührt vor mir stand. „Was soll denn nicht Okay sein?“ fragte Alexis. Für einen kleinen Moment hatte ich ganz vergessen, dass ich mit ihr telefonierte. „Nein, nicht du“ stellte ich klar. „Ich ruf später wieder an, okay?“ „Was? Du kannst doch ni-“ Ich brach den Anruf ab. Nachher würde ich dafür sicher Ärger bekommen, aber ich machte mir Sorgen um Yusei. „Was ist denn los?“ fragte ich und wollte aufstehen. Dabei sprang der Kater von meinem Schoß und verschwand. Yusei schüttelte den Kopf und kam langsam auf mich zu, ehe er sich neben mich setzte. „Yusei, was ist?“ fragte ich nachdrücklich. Langsam machte er mir Angst. Erst da fiel mir der kleine Stapel Papier in seiner Hand auf. Doch bevor ich ihn darauf ansprechen konnte, redete er endlich mit mir. „Ich habe gerade mit meinem Anwalt telefoniert.“ Anwalt? Warum ruft er ausgerechnet jetzt seinen Anwalt an? Er sah aus, als würde er irgendwie versuchen seine Gedanken zu sammeln. „Und was hat er gesagt?“ versuchte ich ihm auf die Sprünge zu helfen. Plötzlich schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Es war eine seltsame Mischung aus Freude und Verwirrung. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. „Er… Ich wollte wissen, ob es wirklich wahr ist. Oder ob uns noch irgendjemand einen Strich durch die Rechnung machen kann.“ „Wovon redest du?“ fragte ich irritiert. Im Normalfall drückte er sich klarer aus. „Himari.“ „Was?“ wisperte ich ungläubig. Mein Herz begann zu rasen. Was hat Himari mit der ganzen Sache zu tun? Die Verwirrung verschwand allmäglich aus seinem Gesicht und er sah mich fröhlich an. Reichte mir den Stapel Papiere. Ich nahm ihn mechanisch an mich, sah aber weiterhin gebannt zu Yusei, um zu verstehen, was er mir sagen wollte. „Ich wollte sichergehen, dass die Papiere wirklich korrekt sind. Jaden, es gab endlich eine Entscheidung. Wir haben gewonnen.“ Ich schüttelte den Kopf ganz leicht. „Was meinst du mit gewonnen? Und was hat Himari damit zu tun?“ Er schnaufte belustigt. „Es geht um sie. Verstehst du nicht? Die Eltern haben kleinbei gegeben und das Gericht hat entschieden, dass sie bei uns besser aufgehoben ist als in den Pflegefamilien. Jaden, wir haben den Fall gewonnen!“ Warte… Was? Langsam wanderte mein Blick zu den Papieren in meiner Hand. Ein Brief von Yuseis Anwalt, der bestätigte, dass der Fall abgeschlossen war. Einige Formulare. Langsam realisierte ich, was Yusei mir sagen wollte. „Wir haben es geschafft?“ versuchte ich mich zu vergewissern. Sein Lächeln wurde breiter und er nickte. „Wir müssen noch eine Art Probezeit abwarten, bevor wir die Adoptionspapiere unterzeichnen können, aber-“ Mitten im Satz fiel ich ihm um den Hals. Es war mir vollkommen egal, was wir alles machen müssen, damit Himari bei uns blieb. All die Anspannung der letzten zwei Jahre fiel mit einem Schlag von meinen Schultern. Ich versuchte gar nicht erst die Tränen aufzuhalten. Ich war so glücklich. Endlich hatten wir es geschafft, und das obwohl mir das Jugendamt immer und immer wieder klar machen wollte, dass es unmöglich war. Ich hatte die Hoffnung längst aufgegeben. Seine Arme legten sich fest um mich und er strich mir durchs Haar. „Du… bist dir ganz sicher?“ versuchte ich halbwegs verständlich zu fragen. Ich spürte sein Nicken und verstärkte den Griff in seiner Kleidung. Wir haben gewonnen. Es ist vorbei. Diese beiden Sätze wiederholten sich wie ein Mantra in meinem Kopf. Langsam beruhigte ich mich wieder und löste mich von Yusei. „Wieso jetzt?“ fragte ich mit brüchiger Stimme. Doch er schüttelte nur den Kopf und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Das ist eine lange Geschichte. Die Hauptsache ist, dass sie zu uns darf.“ Ich nickte zaghaft. „Und wann ist es soweit? Weiß sie schon bescheid? Wo ist sie gerade?“ Sein Lächeln wurde breiter. „Wenn der Papierkram erledigt ist, noch eine Woche. Aktuell ist sie wieder im Kinderheim und weiß noch nichts davon. Wir können sie nächste Woche besuchen und zu uns nehmen.“ Nächste Woche schon? „Oh man“ sagte ich und sah mich um. Wir hatten weder ein Zimmer vorbereitet, noch Spielzeug oder Kleidung da. „Ich weiß“ sagte Yusei und ich sah wieder zu ihm. „Wir haben noch einen Berg Arbeit vor uns, aber ich habe die Termine in nächster Zeit absagen lassen, damit wir alles schaffen. Und in der ersten Zeit bekommen wir Hilfe von der Adoptionsvermittlung. Wie du schon gesagt hast: wir schaffen das.“ Er legte seine Hand an meine Wange und strich mit dem Daumen sanft darüber. Gab mir einen sanften Kuss. Ich lächelte in den Kuss hinein. Er hatte recht. Wie wir allerdings gleich mit zwei Kindern klarkommen sollten, war eine ganz andere Geschichte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)