Dein rettendes Lachen von stardustrose ================================================================================ Kapitel 24: Planung ------------------- „Hey, Jaden!“ flüsterte Jim mir in der zweiten Stunde zu und stieß mir dabei seinen Ellbogen leicht in die Seite, während Sensei Banner mit dem Tafelbild beschäftigt war. Ich sah ihn fragend an. Es ist doch gleich Pause, warum riskiert er den Ärger, wenn wir erwischt werden? „Willst du nach der Schule mit zur Spielhalle gehen? Die haben da ein paar Neuheiten!“ Hm, eigentlich keine üble Idee, ich war schon ewig nicht mehr dort gewesen. „Du kannst ihn ja mitbringen“ fügte er zu meiner Überraschung hinzu. „Was?“ Wen meint er denn jetzt? „Yuki-kun, du kannst mir die Antwort sicher sagen!“ Verdammt! Ich schielte an Sensei Banner vorbei an die Tafel. Zumindest hatte ich vorher ein wenig zugehört, also hatte ich das Thema mitbekommen. Die Frage leider nicht. „1941?“ riet ich ins blaue. Unser Geschichtslehrer nickte und widmete sich weiter der Tafel. Ich atmete erleichtert auf. Auf noch mehr extra Hausaufgaben hatte ich wirklich keine Lust. Jim sah mich entschuldigend an, da fiel mir auf, dass er mir immer noch nicht gesagt hatte, wen er meint. „Wen soll ich denn deiner Meinung nach mitbringen?“ flüsterte ich. Er sah mich verständnislos an. „Na, Yusei!“ Schlagartig wurde mir verdammt warm. Wie kommt er denn jetzt auf Yusei?! „Der arbeitet heute. Wie kommst du eigentlich darauf, dass ich heute mit ihm verabredet bin?“ Jim musste ja nicht wissen, dass ich nach seinem Feierabend wirklich zu ihm fahre. „Na, warum wohl?“ war seine Gegenfrage. Dabei hob er eine Augenbraue, als ob meine Frage komplett überflüssig gewesen wäre. Ahnt er was? „Keine Ahnung, was du meinst“ antwortete ich beiläufig und sah wieder stur zur Tafel. Im Augenwinkel erkannte ich, dass er sich ein Lachen verkniff. Er ahnt definitiv irgendwas! Was mach ich denn jetzt? Ich sollte den anderen wirklich langsam davon erzählen. Nach einer gefühlten Ewigkeit klingelte es endlich zur Pause und wir schnappten uns unsere Sachen für den Schwimmunterricht. „Also, bist du heute mit dabei oder nicht?“ fragte Jim noch mal nach als wir durch die Gänge liefen. „Ja klar, ich will dieses neue Beat ‘em up ausprobieren!“ „Klasse! Nur schade, dass Yusei keine Zeit hat, sonst hätte ich Aki auch gefragt.“ Mir stockte der Atem und ich sah ihn kurz erschrocken an. Zum Glück hatte er es vermutlich nicht mitbekommen, weil er von weitem Aster gegrüßt hatte. Will er Aki etwa auch mit Yusei verkuppeln? So wie Alexis? Das darf doch nicht wahr sein! „Was hat denn das Eine mit dem Anderen zu tun?“ fragte ich vorsichtig nach. Ich wusste, dass Yusei nichts von ihr wollte. Immerhin hatte er sich für mich entschieden. Aber irgendwie war das trotzdem noch ein wunder Punkt für mich. „Naja, Aki schwärmt immer noch für ihn“ sagte er geradeheraus. Als ob ich das nicht wüsste! „Ich hab einfach gehofft, dass sie auch mitkommt, wenn Yusei dabei ist. Dann hättet ihr euch vielleicht irgendwann abkapseln können und ich hätte mit ihr noch einen netten Nachmittag verbracht.“ Moment, was? Das war sein Plan? Ich musste unweigerlich lachen und Jim sah mich ein wenig beleidigt an. „Sorry“ sagte ich immer noch lachend. „Aber das ist wirklich unnötig kompliziert! Frag sie doch einfach ob sie mit dir ausgehen will!“ „Das sagt sich so einfach.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ist es doch auch.“ „Oh man, Jaden! Sie spielt einfach in einer anderen Liga als ich!“ „So ein Blödsinn. Was wäre das schlimmste, was passieren könnte?“ Er schien kurz zu überlegen. „Keine Ahnung. Sie könnte nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.“ „Du meinst so wie Crow es mit Alexis vermasselt hat?“ lachte ich. „Genau.“ Ich grinste. „Und was ist jetzt aus den beiden geworden?“ „Schlechtes Beispiel“ grummelte er und stieß die Tür zu den Umkleiden auf. Im Schwimmbad entdeckten wir von weitem Yusei, Jack und Crow, die sich gerade unterhielten. Als ich Yusei nur in seiner Badehose sah, schlug mir mein Herz bis zum Hals. Ich dachte unwillkürlich an diesen stürmischen Samstagabend zurück und versuchte mich mit einigen tiefen Atemzügen wieder zu beruhigen. Jetzt und hier daran zu denken war eine ganz blöde Idee. Meine Badehose war recht eng und kaschierte nicht sonderlich gut. Auch, wenn ich am liebsten auf ihn zugehen und einfach küssen würde. „Vielleicht können wir das auf morgen verschieben“ murmelte Jim neben mir, während wir zu den anderen liefen. „Was meinst du?“ „Naja, du hast irgendwie immer Zeit. Vielleicht frag ich Yusei ob er morgen Zeit hat und wir gehen zusammen in die Spielhalle.“ Ich schüttelte mitleidig den Kopf. „Alter, vergiss den Plan. Frag sie einfach.“ „Hey“ begrüßte uns Crow fröhlich. „Was gibt’s denn bei euch zu tuscheln?“ „Ach, Jim traut sich nur nicht A- AU! Hey, was soll das?“ Ich rieb mir meinen schmerzenden Oberarm und sah Jim beleidigt an. Als ob Crow sich darüber lustig machen würde. Es war ein offenes Geheimnis, dass Jim auf Aki stand. „Was traust du dich nicht?“ fragte Jack. Sensei Ushio fing mit seiner Ansprache an und ging die Namen der Schüler durch. Währenddessen setzten wir uns. „Nicht so wichtig“ tat Jim das Thema leise ab und wandte sich an Yusei. „Sag mal, hast du morgen nach dem Training Lust mit in die Spielhalle zu kommen?“ „Lust schon, aber ich treffe mich morgen mit jemandem und habe keine Ahnung wie lange ich brauchen werde.“ Jim seufzte. „Schade.“ Ich sah Yusei fragend an. „Mit wem denn?“ „Ich weiß es nicht.“ „Hä? Wie, du weißt es nicht?“ Ein Pfiff und der Lehrer rief meinen Namen auf. „Ach, verdammt.“ Ich stand auf und drehte mich noch einmal zu Yusei. „Vergiss meine Frage nicht“ fügte ich grinsend hinzu und lief zu den Bahnen. ~*~ Nach dem Schwimmunterricht gingen wir wieder zu den Tribünen und unterhielten uns über das kommende Spiel. Da kamen Alexis, Aki und Carly auf uns zu. „Hey. Unterhaltet ihr euch schon wieder über Fußball?“ fragte Aki missmutig. „Ist doch aufregend!“ sagte ich fröhlich. „Wir haben es bisher noch nie in die Regionals geschafft und unsere Gegner am Freitag sind anscheinend nicht sonderlich gut.“ „Wie kommt ihr darauf?“ fragte Carly, die sich zu Jack setzte. Crow grinste. „Das sind die Pfeifen, gegen die wir angetreten sind als wir noch im ersten Jahrgang waren. War das einzige Team, gegen das wir gewonnen haben.“ „Schön und gut“ sagte Alexis „Aber ihr habt euch auch verbessert. Nimm das nicht so auf die leichte Schulter.“ Auch Yusei sah Crow ernst an. „Sie hat recht. Dein Optimismus in allen Ehren, aber unterschätze niemals deine Gegner.“ „Jetzt sei doch nicht so ein Pessimist“ stichelte ich und grinste. „Wir waren noch nie so gut in Form!“ „Ach, das wird schon“ sagte Aki lächelnd. „Aber könnten wir endlich das Thema wechseln? Ihr unterhaltet euch seit Tagen über nichts anderes mehr.“ Plötzlich fiel mir die Unterhaltung mit Jim wieder ein und ich legte ein breites Grinsen auf. Das könnte vielleicht funktionieren. „Na schön. Du magst doch Videospiele, oder Aki?“ Eigentlich war die Frage überflüssig. Beim letzten Mal hatte sie mich auf ganzer Linie fertig gemacht. „Ja, warum?“ „Jim und ich wollten heute in die Spielhalle gehen. Willst du mitkommen? Ich brauch endlich mal einen würdigen Gegner.“ Sie überlegte einen Augenblick. „Ich weiß nicht.“ „Ach, komm schon!“ drängte ich sie. „Eigentlich schon, aber bei mir wird es etwas später. Ich habe nach der Schule noch Tennis.“ „Klasse! Dann treffen wir uns einfach dort, wenn du fertig bist, einverstanden?“ Sie nickte zufrieden und sah anschließend auf ihr Handy. „Ach, na toll. Meine Mutter. Das wird länger dauern“ sagte sie und verabschiedete sich von uns um zu telefonieren. „Warum war es dir eigentlich so wichtig, dass sie mitkommt?“ fragte Alexis. Ich grinste sie an. „Eigentlich war das Jims Idee. Er traut sich nicht sie einzuladen, deswegen wollte er Yusei morgen mit an Bord holen.“ „Warum mich?“ Ich sah ihn mit gehobener Augenbraue an und er schien meinen Einwurf zu verstehen. Da fiel mir wieder ein, warum er morgen keine Zeit hatte. „Mit wem triffst du dich jetzt eigentlich?“ „Wie schon gesagt, ich weiß es nicht.“ Jack musterte ihn skeptisch. „Wie kann man denn nicht wissen, mit wem man sich trifft? Wird das ein Blind Date?“ Crow lachte auf. „Nee, er hat ja Jaden. Wozu brauch er da noch ein Blind Date?“ Mir stieg die Hitze ins Gesicht. „WAS?“ rief ich erschrocken und sah zu Yusei. „Hast du es ihnen gesagt?“ Crow lachte sich halb tot und Jack, Carly und Alexis stimmten in sein Gelächter ein. Yusei schüttelte den Kopf und versuchte sich zurückzuhalten, aber auch er fand die Sache irgendwie komisch. Was geht hier ab? Woher wissen die anderen davon? Nachdem sich mein orangehaariger Freund wieder etwas gefasst hatte, sah er mich an. „Alter, das warst du!“ „Wie? Wann denn?“ Yusei gab einen belustigten Laut von sich und sah mich an. „Denk mal darüber nach, wie du mich gestern verabschiedet hast.“ Was meint er denn? Ich hatte mich doch genauso verabschiedet, wie sonst auch, oder nicht? Ich hatte ihn wie immer ge… Für einen Moment ratterte es, ehe ich endlich verstand und mir die Hitze in den Kopf schoss. Vermutlich hätte mein Gesicht in diesem Moment gut mit einem Feuerlöscher konkurrieren können. Ich hatte ihn geküsst! Und dabei hatte ich die anderen komplett ausgeblendet! Oh Mann! Stimmt, das war wirklich eindeutig und Yusei ist wahrscheinlich in Erklärungsnot geraten. Peinlich! So wollte ich es den anderen definitiv nicht sagen! „Ich glaube, er ist in Schockstarre“ sagte Alexis trocken und Crow brach in einen erneuten Lachanfall aus. „Jetzt lasst ihn doch in Ruhe“ sagte Carly belustigt und versuchte mich zu retten. „Mich würde viel mehr interessieren, warum Yusei keine Ahnung hat mit wem er sich trifft.“ Ich war ihr so dankbar für den Themenwechsel und auch die anderen sahen neugierig zu Yusei. „Ist schwer zu erklären. Eine ältere Frau hat am Samstag bei mir geklingelt und wollte zu meinem Vater. Ich habe ihr gesagt, dass er noch eine Weile weg ist und sie hat sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt. Sie kannte meinen Namen, dabei habe ich sie noch nie gesehen. Und um herauszufinden woher sie mich kennt, treffe ich mich mit ihr.“ „Und warum konnte sie dir das nicht gleich sagen?“ fragte Alexis. Yusei zuckte nur mit den Schultern. Carlys Augen glänzten förmlich. „Das ist ja spannend! Was denkst du wer sie ist?“ „Keine Ahnung, deswegen will ich mich ja mit ihr treffen.“ „Klingt seltsam“ warf Jack ein. Ich musste ihm zustimmen. Die ganze Sache klang wirklich verrückt. „Wo trefft ihr euch eigentlich?“ „In einem kleinen Café, aber ich habe noch nicht nachgesehen wo es ist. Sie meinte, dass sie dort für 17 Uhr einen Tisch reservieren will.“ „Welches denn?“ fragte Carly aufgeregt. Ich schielte zu ihr rüber. Ich traute ihr durchaus zu, Yusei einfach in das Café zu folgen, um ihre Neugier zu stillen. „Warte…“ überlegte Yusei kurz und sah sie dann an. „Es hieß Magidolche.“ „WAS?!“ brach es aus Carly und Alexis gleichzeitig heraus. Auch Jack, Crow und ich musterten ihn überrascht. Yusei sah nur fragend in die Runde. „Ja, was ist denn los?“ „Du musst dich verhört haben!“ sagte Alexis. „Das Magidolche ist super berühmt. Auch außerhalb der Stadt. Um da einen Termin zu bekommen, muss man monatelang warten!“ „Sie hat recht“ pflichtete Jack ihr bei. „Und selbst wenn man einen Termin machen will, lassen sie nicht jeden rein. Ich wollte zu unserem Jahrestag mal dort hin, da haben sie Carly und mich einfach weggeschickt.“ „Warum?“ Carly verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Wir passten einfach nicht ins Bild, was weiß ich. Ich war stinksauer!“ „Wir waren zu Omas Geburtstag mal dort, weißt du noch, Jaden?“ „Stimmt, vor zwei oder drei Jahren. Der Laden war echt cool, aber auch sauteuer.“ „Hm. Verhört habe ich mich nicht. Sie sagte wirklich Magidolche. Aber wenn das stimmt, dann wird sie wohl schlecht einen Termin bekommen haben.“ Crow verschränkte die Arme und legte den Kopf schief. „Zumindest kann ich es mir nur schwer vorstellen. Was machst du jetzt?“ Yusei schien zu überlegen. „Keine Ahnung, ich werde trotzdem mal hingehen. Laut des Kennzeichens an ihrem Auto kommt sie aus Tokio, also weiß sie das mit der Reservierung wohl nicht.“ „Das wird immer seltsamer“ stellte ich fest. Carly sah mich an. „Ja, und wenn sie aus Tokio kommt, woher kennt sie dann das Café? Und wenn sie es wegen seines Rufs kennt, müsste sie das mit der Reservierung eigentlich wissen.“ Yusei lehnte sich seufzend zurück und schloss die Augen. „Keine Ahnung. Ich werde mich wohl überraschen lassen müssen.“ ~*~ Nach der Schule traf ich mich mit Jim in der Spielhalle. Ich freute mich schon wahnsinnig. Es war wirklich lange her, seit wir mal wieder etwas nur zu zweit gemacht hatten, dabei war er einer meiner besten Freunde. Dass ich Aki für später auch eingeladen hatte, wollte ich ihm nicht verraten. Es sollte eine Überraschung werden. Ich war schon gespannt, wie er reagiert! Immerhin war es eigentlich sein eigener Plan. „Na schön, ran an die Konsole“ sagte er zwinkernd. Es war verdammt lustig. In dem neuen Beat ‘em up hatte er mich rundenlang komplett abgezogen, ehe ich endlich gewann. Bei dem neuen Rennspiel war es genau anders herum. Jedes Mal fuhr ich vor ihm durch die Ziellinie, auch wenn es manchmal wirklich knapp war. „Oh Mann!“ beschwerte sich Jim. „Wie machst du das eigentlich? Ich bekomm auf der Strecke die Kurve immer nicht.“ Ich lachte. „Das ist doch gar nicht so schwer. Hör einfach auf in der Kurve ständig auf Gas zu drücken. Logisch, dass du immer in der Bande landest!“ „Hier seid ihr!“ hörte ich Akis Stimme hinter uns und drehte mich um. „Hey, cool dass du es doch geschafft hast. Willst du auch mal?“ „Klar, gerne!“ Ich machte Aki Platz, damit sie gegen Jim antreten konnte, der mich mit hochrotem Kopf anstarrte. Ich grinste breit. Mit der Reaktion hatte ich gerechnet. „Bereit?“ fragte Aki lächelnd an Jim gewandt. Der löste sich endlich aus seiner Starre und sah auf den Bildschirm. „J-Ja klar.“ Aki machte ihn komplett fertig und ich lachte mich schlapp. „Was hab ich dir denn gesagt, du Bleifuß? Geh doch mal vom Gas runter, wenn du die Kurve erwischen willst!“ „Entweder das, oder du driftest einfach. Dadurch bekommst du eine bessere Zeit“ berichtigte mich Aki. „Ja, aber das ist ziemlich knifflig bei der Steuerung.“ „Stell dich doch nicht so an, Jaden. Den Dreh hat man schnell raus“ lachte sie. „Kannst du… mir das zeigen?“ fragte Jim kleinlaut. Sie nickte zufrieden. „Du musst nur am Scheitelpunkt der Kurve beschleunigen, dadurch bricht das Heck aus. Um das Auto zu kontrollieren, verwendest du nicht die Bremse, sondern die Lenkung und das Gas. Dann musst du das Lenkrad nur noch in die Gegenrichtung drehen. Ganz einfach.“ Jim und ich starrten sie fragend an und brachten sie damit zum Lachen. „Probier es einfach mal aus, es ist wirklich nicht schwer. Warte einfach den richtigen Zeitpunkt ab. Jaden, übernimm du mal den Platz, dann helfe ich ihm.“ Zufrieden setzte ich mich wieder an die Konsole und schielte zu Jim, der schon wieder rot wurde, weil Aki ihm über die Schulter sah. Das lief besser und einfacher als gedacht. „Auf mein Zeichen beschleunigst du einfach, okay?“ Jim nickte mechanisch und starrte auf den Bildschirm. Ich versuchte währenddessen nicht zu lachen. Akis Tipps brachten tatsächlich etwas. Jim hatte es mit ihrer Anweisung nach einige Anläufen wirklich geschafft um die Kurve zu kommen und ich fuhr knapp hinter ihm über die Ziellinie. „Verdammt!“ rief ich aus, aber eigentlich ärgerte es mich nicht. Ich fand das Rennen wirklich lustig. „Klasse, Jim!“ sagte Aki fröhlich und ich nickte ihm bekräftigend zu. Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und lachte nervös. „Danke, das war wirklich hilfreich.“ Ich glaube, jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt zu gehen. Ich sah auf mein Handy. In einer Stunde hat Yusei sowieso Feierabend und ich wollte ohnehin nochmal nach Hause. „Ich muss los“ sagte ich deshalb und stand auf. „Was, jetzt schon? Ich bin doch erst angekommen.“ „Ach was“ sagte ich grinsend, während auch Jim sich erhob. „Ihr könnt euch ja noch einen schönen Nachmittag machen, aber ich muss noch für Physik lernen.“ Jim stutzte. „Physik? Aber wir-“ Ich schlug ihm freundschaftlich gegen die Schulter. Auch, damit er seine Klappe hielt. „Sensei Flannigan hat doch gesagt, dass wir was schreiben.“ „Musst du dann nicht auch lernen?“ fragte Aki an Jim gewandt. Ich lachte. „Nee, der hat den Stoff drauf. Anders als ich. Also, man sieht sich morgen!“ Mit diesen Worten machte ich mich auf den Weg und ließ die beiden allein zurück. Jetzt lag es an Jim, ob er daraus was macht. Zufrieden mit mir selbst stieg ich aufs Rad und fuhr nach Hause. Dort angekommen, lief ich in mein Zimmer und stellte erschreckend fest, dass ich tatsächlich noch Hausaufgaben in Physik hatte. Ach, verdammt! Ich kramte die Aufgaben raus, hatte nach der Hälfte aber keine Lust mehr. Auf dem Display meines Handys blinkte eine Nachricht auf. Ich entsperrte es und sah verwirrt auf den Absender. Jim. Hat der nicht gerade was anderes zu tun? Der Inhalt der SMS bestand nur aus einem Wort. - Danke Ich musste schmunzeln. Anscheinend lief es gut. - Warum schreibst du MIR? Viel Spaß noch mit Aki und hör auf an deinem Handy zu hängen! Wir hatten übrigens wirklich Physikhausaufgaben. Kann ich bei dir abschreiben? Seine Antwort kam eine halbe Stunde später. - Klar, ich bin dir was schuldig. Ich habe mich gerade von ihr verabschiedet. Sie will wirklich mit mir ausgehen :) Lief doch super! Grinsend wollte ich mein Handy wegstecken, bemerkte allerdings die kleine Zeitanzeige auf dem Display. Schnell packte ich meine Sachen zusammen und lief die Treppe runter. Unten angekommen sah ich meine Mutter. „Hey, ich übernachte heute bei Yusei, ist das in Ordnung?“ Sie sah mich überrascht an. „Ja, wieso nicht, mein Spatz.“ „Cool, danke!“ sagte ich fröhlich und wollte schon los. „Ach, Jaden, warte!“ Ich drehte mich verwundert zu ihr. „Hm?“ „Hast du deine Schularbeiten schon erledigt?“ „Ja?“ Sie hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich stöhnte genervt auf. „Ist ja gut! Ich mach den Rest bei Yusei.“ „Wehe wenn nicht!“ sagte sie streng. „Ich verlasse mich auf dich.“ „Schon gut“ grummelte ich. ~*~ „Ach, komm schon! Das ist Folter!“ beschwerte ich mich, während ich bei Yusei im Wohnzimmer saß und über meinen Physikaufgaben grübelte. Er wollte mich partout nicht küssen, solange ich nicht damit fertig war. Meine Mutter hatte ihm tatsächlich geschrieben, damit ich den Mist erledige. Er lachte. „Du sitzt erst seit zehn Minuten daran. Es ist doch nur noch eine Aufgabe.“ „Ich versteh trotzdem nicht, warum ich nicht einfach bei Jim abschreiben kann.“ „Wie willst du es dann verstehen?“ „Kannst du mir verraten, wann ich irgendwann mal wissen muss, wie viel CO2 beim Verbrennen von Steinkohle ausgestoßen wird?“ „Spätestens während der Prüfung“ erwiderte er. Ich stöhnte genervt auf und ließ mich in die Sofalehne sinken. Es war zwecklos. Die Diskussion hatte ich vermutlich verloren. „Streber“ murmelte ich und schloss die Augen, um mich an die Gleichung zu erinnern. Plötzlich spürte ich für einen kleinen Augenblick seine warmen Lippen auf meinen und ich öffnete verwundert meine Augen. Er lächelte liebevoll. „Als kleine Motivation.“ Letzten Endes hatte er recht. Es dauerte wirklich nicht lange bis ich fertig war und so schwer war es nicht. Ich hatte einfach nur keine Lust darauf. Kaum hatte Yusei meine Aufgaben durchgesehen und das Heft zusammengeklappt, da zog ich ihn auch schon am Kragen zu mir und küsste ihn endlich. Das war eine so viel bessere Beschäftigung als diese blöden Physikaufgaben. Seine Hand legte er an meine Wange und ich konnte spüren, dass er grinste. Er löste den Kuss und lehnte seine Stirn an meine. „Warum so stürmisch?“ hauchte er gegen meine Lippen und sah mich belustigt an. „Darauf warte ich seit der dritten Stunde“ lachte ich. „Du weißt, dass wir jetzt offiziell zusammen sind und du das jederzeit machen kannst, oder?“ Ich lächelte verlegen. „Naja, vor anderen ist es trotzdem seltsam.“ Er gab einen belustigten Laut von sich. „Du wirst dich dran gewöhnen“ säuselte er und gab mir einen sanften Kuss. Ich seufzte und erwiderte ihn. Ohne den Kuss zu lösen drückte ich ihn sanft in die Sofalehne und rutschte auf seinen Schoß. Fordernd fuhr ich ihm mit der Zunge über seine weichen Lippen und er kam meiner wortlosen Bitte augenblicklich nach. Als ich mit meiner Hand über seine Seite und unter sein Shirt fuhr, löste er sich von mir und ich sah ihn verwirrt an. Ich wusste einfach nicht, warum er mich unterbrochen hatte. „Bist du sicher, dass du das willst?“ fragte er unsicher und fuhr mit seinem Daumen über meine Wange. „Wir müssen morgen wieder in die Schule.“ Es dauerte einen Moment, ehe ich verstanden hatte worauf er hinauswollte. Ich schüttelte belustigt den Kopf. „Als ob mich das stören würde. Du musst echt mal aufhören alles totzudenken. Du tust mir nicht weh!“ Er sah noch nicht ganz überzeugt aus, doch erwiderte er meinen Kuss. Nach einer kleinen Weile hatte er seine Zweifel wohl überwunden und zog mich enger an sich, intensivierte den Kuss und schaltete endlich ab. * Erzähler * Eine ältere Frau saß an einem großen, massiven Schreibtisch und blätterte durch einige Unterlagen. Seit Stunden betrachtete sie die Dokumente, kam aber doch zu keinem Ergebnis. Seufzend lehnte sie sich zurück und drehte sich mit ihrem Sessel, um durch das Panoramafenster hinter ihr die Skyline der Stadt zu betrachten. Die Dämmerung hüllte Neo Domino in ein angenehmes Licht. Alles wirkte so friedlich und doch kam sie nicht zur Ruhe. Ein innerer Zwiespalt plagte sie. Seit viel zu langer Zeit hatte sie auf diesen Tag gewartet, und doch war sie nervös. Ein Klopfen hallte durch das geräumige Hotelzimmer. „Herein“ sagte sie mit bestimmter Stimme, ohne sich vom Anblick der Stadt abzuwenden. Ein Mann in einem eng geschnittenen, schwarzen Anzug betrat den Raum und hielt einige Unterlagen in seinem Arm. Sein langes, schwarzes Haar war zurückgebunden und untermalte sein elegantes Aussehen. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe, Fujigawa-sama“ sagte er mit tiefer Stimme und verbeugte sich. Noch immer sah die Frau aus dem Fenster. „Sind das die Unterlagen aus Tokio?“ Ein zustimmender Laut erklang. „Leg sie auf den Tisch“ forderte sie ihn auf. „Das war alles, danke.“ Der Mann räusperte sich. „Bei allem Respekt, Fujigawa-sama, halten Sie das ganze wirklich für eine gute Idee? Ihr Mann-“ „Ist tot!“ unterbrach sie ihn scharf und drehte sich aufgebracht zu ihm herum. Noch einmal verbeugte er sich. „Es tut mir leid, aber als Euer Berater halte ich es für keine gute Idee, wenn-“ „Ich kenne Ihre Bedenken!“ unterbrach sie ihn erneut. Sie stand auf und betrachtete abermals die Skyline der Stadt. „Ich bin mir auch über die Risiken bewusst, aber die gehe ich gern ein.“ „Aber reicht es nicht, dass Ihr sein Stipendium finanziert habt? Das war doch großzügig genug“ versuchte er sie wieder zur Vernunft zu bringen. Seufzend ließ sie sich erschöpft in ihren Sessel sinken. „Nichts könnte diesen Fehler je wiedergutmachen. Ich will ihn nur kennenlernen“ sagte sie wehmütig. Diese Schuldgefühle plagten sie schon so lange Zeit. „Was ist mit seinem Vater?“ gab der Mann zu bedenken. Sie schwieg einen Moment, ehe sie ihre brüchige Stimme erhob. „Ich werde ihm morgen einen Besuch abstatten. Mich entschuldigen. Er wird sicher gegen mein Treffen mit Yusei sein, aber ich will ihn zumindest darauf vorbereiten. Davon abhalten wird er mich nicht.“ Der Mann erkannte, dass er sie nicht umstimmen konnte und verbeugte sich ein letztes Mal, ehe er den Raum verließ. Seufzend griff sie in einer Schublade nach einem alten Brief und öffnete ihn. Sie wusste nicht, wie oft sie ihn gelesen, und das beigefügte Foto betrachtet hatte. Sehnsüchtig strich sie über das Bild. Nichts hätte dieses Glück zu dieser Zeit zerstören können. Und doch hatte ein einziger Mensch ihr an diesem Tag den Boden unter den Füßen weggezogen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)