Dein rettendes Lachen von stardustrose ================================================================================ Kapitel 17: Schlechter Tag -------------------------- Wir standen auf dem Weg, der zu unserem Haus führte und ich klammerte mich noch einen Augenblick fest an ihn. Seine Arme lagen sanft um meinen Körper und ich spürte seine Wärme. Um uns herum war es dunkel und kalt, doch ich ignorierte es. Ich fühlte nur seine Nähe. Yusei war wieder aus dem Krankenhaus raus und ich war einfach nur glücklich und erleichtert ihn wieder bei mir zu haben. Meine schlimmste Befürchtung war, dass er auf der Station bleiben musste und enden würde wie sein Vater. Aber das ist er nicht. Er ist wieder zu Hause. Wieder bei mir. Langsam und widerwillig löste ich mich von ihm, da meine Eltern sicher stutzig werden würden, wenn wir so lange vor dem Haus standen. Ich hob den Kopf ein wenig und sah in diese wunderschönen tiefblauen Augen, in denen wieder etwas mehr Leben steckte. Erleichtert lächelte ich ihn an. Mein Herz schlug schneller vor Glück, als er mein Lächeln erwiderte. Meine große Angst vor dem Wiedersehen war, dass er vielleicht sauer auf mich sein könnte. Schließlich hatte ich meiner Mutter erzählt, dass er sich nicht an die Verhandlung erinnern konnte. Es fühlte sich an als hätte ich ihn verraten, aber ich war mich sicher, dass ich das Richtige getan hatte. Am nächsten Tag fuhr mein Vater mit ihm ins Krankenhaus. Als Yusei noch in der Tür stand, und sich umdrehte, sah er mich irgendwie enttäuscht an. Sein Blick schnürte mir die Brust zu. Ich bekam in diesem Moment plötzlich keine Luft mehr. Aber wenn ich ihn jetzt ansah, konnte ich genau erkennen, dass ich das Richtige getan hatte. Dass er wirklich nicht sauer auf mich war, und dass ihm die letzten zwei Tage gutgetan hatten. Auch, wenn ich lieber bei ihm gewesen wäre. Plötzlich spürte ich wieder den eisigen Wind, der die Blätter um uns herumtanzen ließ, nahm seine Hand und ging mit ihm gemeinsam ins Haus. „Hallo, Yusei“ begrüßte ihn mein Vater mit einem Lächeln. „Ihr kommt genau richtig. Das Abendessen ist fertig. Hast du Hunger?“ Zögerlich nickte Yusei und wir betraten das Esszimmer, wo schon der Rest meiner Familie saß. Während wir aßen, erzählte mein Vater von einem neuen Jugendprojekt, das ins Leben gerufen wurde, aber ich hörte nur halb zu. Mich beschäftigte immer noch die Frage, ob Yusei wohl noch die Erinnerung an unseren Kuss geblieben ist. Es ließ mir einfach keine Ruhe, aber ich wusste nicht, wie ich ihn darauf ansprechen sollte. Vielleicht würde er mich wieder mit diesem ungläubigen, geschockten Blick ansehen. Dabei wollte ich ihn nur wieder glücklich wissen. Aber wie sollte ich es schon herausfinden können, ohne ihn zu fragen? Ich konnte ihn schlecht aus heiterem Himmel einen Kuss aufdrücken, wie beim letzten Mal. Schon bei der bloßen Erinnerung daran fühlte ich, wie sich eine unglaubliche Wärme in meinem Körper ausbreitete und mir bis ins Gesicht schoss. Ich schielte zu ihm rüber. Er war still und in sich gekehrt. Irgendwie in Gedanken versunken. Woran er wohl gerade dachte? Plötzlich trafen sich unsere Blicke und ich richtete meine volle Aufmerksamkeit schnell auf meinen Teller. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag ganz deutlich hören und ich hatte die Befürchtung, es würde jeder am Tisch genauso wahrnehmen können. Beruhige dich wieder, verdammt! Um mich herum führte meine Familie ihre Unterhaltung weiter, aber es war mehr ein Rauschen im Hintergrund. Ich konzentrierte mich darauf, meinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen und aß etwas. Inständig hoffte ich, dass sie nicht mit mir reden würden. „Was hältst du davon, Jaden?“ Natürlich, Worstcase! Ich verschluckte mich fürchterlich an meinem Reis und musste husten. „Meine Güte, Jaden!“ beschwerte sich Alexis während meines Hustenanfalls. „Papa hat doch nur gefragt, ob du Samstag auch mit zu unseren Großeltern fahren willst. Wo warst du denn eben in Gedanken?“ Das kann ich ihr wohl schlecht erzählen. Immer noch hustend, schnappte ich mir mein Glas und nahm einen großen Schluck. Ich setzte es wieder ab und seufzte erleichtert. Da fiel mir ein, dass mein Vater immer noch eine Antwort erwartete. „Ja, klar“ brachte ich mühevoll heraus und hustete noch einmal kurz. Ich sollte wirklich mehr zuhören. Nach dem Essen ging ich in mein Zimmer und zappte durch die Fernsehkanäle. Alexis war im Wohnzimmer und erklärte Yusei den Stoff, den er die letzten beiden Tage versäumt hatte. Außerdem türmten sich wohl ziemlich viele Hausaufgaben auf, bei denen ich absolut nicht helfen konnte, da ich einen Jahrgang unter den beiden war. Ich hätte mich ja mit meinen Schularbeiten dazugesetzt, aber blöderweise war ich schon fertig und hatte deswegen aktuell keinen plausiblen Grund in seiner Nähe zu sein. Er kam erst ziemlich spät in mein Zimmer und ich schreckte hoch, weil ich eingedöst war. „Hey, hast du alles erledigt?“ fragte ich mit einem Lächeln. Er nickte und kramte ein paar Klamotten aus seiner Tasche. Seine Augen, seine Haltung. Alles deutete darauf, dass er ziemlich fertig war. „Du bist sicher müde“ stellte ich fest. „Ja, ich geh noch ins Bad und dann geh ich schlafen“ sagte er leise. Ich konnte verstehen, dass er ausgelaugt war. Schließlich war er den ganzen Tag im Krankenhaus und hatte dieses Gespräch mit dem Therapeuten. Außerdem ist er ziemlich spät nach Hause gekommen und hat fast drei Stunden Schularbeiten erledigt. Da wäre ich auch platt. Heute werde ich ihn wohl nicht fragen können, aber das hatte auch Zeit. Schließlich sollte es ihm erstmal wieder besser gehen. Als er wieder im Zimmer war, stellte ich das Licht aus und legte mich ebenfalls schlafen. Ich hatte ihn in den letzten beiden Tagen wirklich vermisst. Es war erstaunlich, wie schnell ich mich daran gewöhnt hatte, dass er bei mir im Zimmer schlief. Sein gleichmäßiger Atem beruhigte mich und hüllte mich schließlich ebenfalls in einen seligen Schlaf. ~*~ Als ich meine Augen öffnete, tauchte die aufgehende Sonne den Raum in ein warmes Licht. Ich erhob mich und stand vor Yusei. Er kam langsam auf mich zu. Seine tiefblauen Augen schienen mich zu durchbohren. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Seine Arme legten sich sanft um meine Taille und zogen mich näher an ihn heran. Sein sanfter Kuss jagte eine Flut an Gefühlen durch meinen Körper. Er fuhr mit einer Hand meine Wirbelsäule entlang und es fühlte sich an, als würde er dabei jeden Millimeter meiner Haut mit seinen Berührungen in Brand stecken. Ich krallte meine Hände fest in dieses seidige schwarze Haar. Ich wollte ihn näher bei mir haben. Wollte mehr haben. Seine Berührungen raubten mir die Sinne. Er zog mich fester an sich. Drückte mich gegen sein Becken und ich stöhnte in den Kuss hinein. „Jaden?“ drang seine schöne Stimme an mein Ohr. Er küsste sich sanft meinen Hals hinab und jede dieser federleichten Berührungen jagte mir einen angenehmen Schauer durch den Körper. „Jaden, wach auf.“ Was? Ich öffnete meine Augen und saß mit einem Schlag aufrecht im Bett. Meine Atmung ging flach und mein Herz hämmerte wild gegen meine Rippen. Was war das denn für ein Traum? „Alles in Ordnung?“ hörte ich plötzlich eine vertraute Stimme und mein Kopf fuhr zur Seite. Im nächsten Augenblich gab ich einen erstickten Schrei von mir und wich zurück. Yusei sah mich überrascht an. „Du hast gestöhnt, ich dachte, du hättest einen Alptraum.“ Augenblicklich wurde ich feuerrot im Gesicht und wandte den Blick ab. Scheiße, ist das peinlich! Mit Alptraum lag er gar nicht so falsch. Diese Situation war einer! „N-Nein, alles gut. Ich hab nur… Mir geht’s gut“ stammelte ich und hoffte dabei auf irgendeine Rettung. Mein Wecker klingelte und ich zuckte zusammen. Danke! Jetzt ist es auch zu spät! Ich stellte ihn aus, legte mich auf die Seite und zog die Decke über den Kopf. „Geht’s dir wirklich gut?“ Seine Stimme klang besorgt. „Alles gut, ich komm gleich runter“ antwortete ich mit zittriger Stimme. „Ich will nur noch ein paar Minuten liegen bleiben.“ Im Augenblick konnte ich schlecht mein Zimmer verlassen… Als ich schließlich doch irgendwann im Bad war und anschließend die Treppe runterging, hörte ich die Stimme von Alexis. „Wenn er nicht gleich unten ist, gehe ich mit einem Eimer kalten Wasser hoch und wecke ihn.“ Immer diese Geschwisterliebe. „Schon gut, ich bin ja schon da“ sagte ich genervt, als ich um die Ecke bog. Ich hatte erwartet, sie würde mit Yusei sprechen. Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern, aber er war nicht da. Stattdessen sah mich meine Mutter mit erhobener Augenbraue an. Ich schluckte. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los als hätte ich irgendwas verpasst. „Jaden, ich habe doch gestern Abend beim Essen gesagt, dass ihr heute mit dem Fahrrad zur Schule fahren müsst. Yusei ist zu sich nach Hause gelaufen und fährt mit dem Motorrad zur Schule. Dein Vater ist vor einer Stunde zur Arbeit gefahren und ich komme gerade von der Nachtschicht. Ihr beiden müsst in zehn Minuten los, oder ihr kommt zu spät!“ Ach, verdammt! Ich habe doch gestern nicht zugehört! Kann dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden? ~*~ Ich hätte das Schicksal nicht heraufbeschwören sollen. Niedergeschlagen brütete ich in der dritten Stunde über einem unangekündigten Geschichtstest und hatte bisher nicht eine Frage beantwortet. Das konnte nur ein Desaster werden. Nervös kaute ich am Ende meines Bleistifts herum als ob mir die Antworten dadurch einfallen würden. Die Hälfte der Zeit war schon vorüber. Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubender Lärm. Ich zuckte vor Schreck zusammen und hielt mir die Hände an die Ohren, um es etwas zu dämpfen. Meinen Klassenkameraden erging es ähnlich. Der Krach wollte einfach nicht aufhören. „Das ist der Feueralarm“ rief Sensei Banner über den Lärm hinweg. „Wahrscheinlich nur eine Übung. Bitte bewahrt Ruhe und stellt euch in einer Reihe auf! Wir verlassen das Gebäude.“ Auf dem Sammelplatz im Außengelände warteten wir darauf, dass der Alarm ausgestellt wurde. Einige hofften auf einen Feuerwehreinsatz und einen freien Schultag. Mir war völlig egal warum der Alarm los ging oder was danach war. Ich war einfach nur unglaublich erleichtert, dass ich diesen blöden Test nicht schreiben musste. Ich ließ meinen Blick über die Schar an Schülern schweifen, die sich geordnet in Reihen aufgestellt hatten, aber eine Klasse fehlte. „Hey, wo sind denn Jack, Crow und der Rest?“ fragte Jim, der sich ebenfalls umsah. „Keine Ahnung“ antwortete ich. „Ich kann Yusei und meine Schwester auch nicht sehen. Die ganze Klasse fehlt.“ In diesem Moment war der Alarm vorbei und Direktor Crowler erhob die Stimme. „Ich wurde soeben informiert, dass das Problem gelöst wurde. Ihr könnt wieder zurück in eure Zimmer gehen!“ Sensei Banner teilte uns mit, dass der Test leider auf Freitag verschoben werden muss und ich war nicht der Einzige, der darüber erleichtert war. In der Pause gab es kaum ein anderes Thema als den Feueralarm, und was wohl passiert sei. Auch in der Stunde darauf wurde fleißig getuschelt. In der Mittagspause lief ich wieder auf das Außengelände zu unserem Treffpunkt. Von weitem sah ich Jack und Crow, die sich schon wieder stritten, Alexis, die versuchte zu Schlichten und Yusei, der die ganze Situation mit etwas Abstand beobachtete. „Hey, was ist denn bei euch schon wieder los?“ fragte ich grinsend, als ich bei meinen Freunden ankam. Der Tag fing ziemlich beschissen an, aber dank des Alarms hatte ich wieder gute Laune. „Jetzt ist aber gut, ihr zwei!“ ging Alexis die beiden Streithähne an. „Ihr streitet darüber seit dem Alarm! Crow, sieh endlich ein, dass du einen Fehler gemacht hast, und Jack, hör auf Öl ins Feuer zu kippen!“ Jack hatte ein triumphierendes Lächeln aufgesetzt. Crow mied eingeschnappt seinen Blick und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ich fragte mich, was ich jetzt wieder verpasst hatte und setzte mich neben Yusei. „Was war denn los?“ fragte ich nochmal, bis mir eine weitere Frage einfiel. „Und wo wart ihr eigentlich bei dem Feueralarm?“ „Im Physikraum“ antwortete Alexis. „Hä? Ihr müsst doch aber das Gebäude verlassen, wenn der Alarm losgeht!“ „Ja“ mischte sich Jack ein, der jetzt als Letzter Platz nahm. „Aber wir kannten ja den Auslöser, also sagte Sensei Flannigan, wir sollten im Zimmer bleiben, bis der Alarm aufgehört hat und ist dann zum Hausmeister.“ Dadurch wurde ich auch nicht schlauer und sah ihn fragend an. Alexis seufzte schwer und setzte dann zu einer Erklärung an. „Wir sollten in Physik einen kleinen Gleichstrommotor anschließen, der sich dann in eine vorgegebene Richtung drehen sollte. Aber Crow hat es geschafft, einen Kurzschluss zu erzeugen, sodass der Motor anfing furchtbar zu qualmen und der Feueralarm losging.“ „Man, jetzt gib mir doch nicht die Schuld!“ echauffierte sich Crow. „Keine Ahnung, warum das Teil plötzlich anfing zu qualmen. Ich hab alles richtig gemacht!“ Ein Lachen war neben mir zu hören und mein Herz setzte einen kleinen Augenblick aus, ehe es mir bis zum Hals schlug. Kann das... So ziemlich jeder aus unserer kleinen Gruppe sah überrascht zu Yusei, der das anscheinend gar nicht bemerkte und immer noch leise lachte. Wann habe ich ihn das letzte Mal lachen gehört? Er drehte sich zu Crow und hatte noch immer dieses belustigte Lächeln im Gesicht. „Du hast den Motor falsch geschaltet und ihn statt einer Gleichstromquelle an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen. Darum gab es den Kurzschluss.“ Irritiert blieb unserem orangehaarigen Freund der Mund offenstehen. „Achso…“ brachte er gerade noch heraus. Jack konnte sich nicht mehr halten und lachte über Crows Gesichtsausdruck. Als ich meine Verwirrung überwunden hatte stimmte auch ich in Jacks Gelächter ein. Crow wirkte kurz beleidigt, konnte sich ein verlegenes Grinsen aber auch nicht verkneifen. „Welchen Witz haben wir denn verpasst?“ fragte Aki, die sich in diesem Moment mit Carly zu uns gesellte. „Crow hat den Feueralarm wohl aus Versehen in Physik ausgelöst“ antwortete ich belustigt. „Dann muss ich dir danken!“ säuselte Carly fröhlich. „Ich hatte wirklich keine Lust auf den Vortrag, den ich halten sollte.“ Aki kicherte. „Ach komm, du hättest sowieso wieder als Klassenbeste abgeschnitten!“ Carly sah sie verlegen an und warf dann Yusei einen kurzen Blick zu, anschließend mir. Ich lächelte und sie erwiderte es, ehe sie sich an Jack wandte. „Übrigens, wegen Morgen. Ich kann leider nicht mitkommen.“ „Was?“ fragte Crow überrascht. „Wegen dir haben wir uns doch überhaupt auf den Film geeinigt!“ „Ich weiß, tut mir leid. Familienfeier und ich kann nicht absagen, aber ihr könnt ja trotzdem gehen!“ „War das dieser Zombie-Film?“ fragte Alexis. Jack nickte. „Dann bin ich raus.“ „Warum?“ fragte ich Alexis und grinste verschmitzt. „Ist doch dein Lieblingsschauspieler dabei.“ „Ach, halt die Klappe!“ „Also ich bin dabei“ sagte Aki, die plötzlich neben Yusei saß und ihn ansah. „Kommst du auch mit?“ Er biss gerade in seinen Apfel. „Hm?“ Aki kicherte. „Hast du den Trailer noch gar nicht gesehen? Morgen 21 Uhr ist Premiere. Wir wollten davor noch Pizza essen gehen.“ „Wo ist denn das Kino?“ fragte er. „Ach stimmt“ sagte Crow. „Ganz vergessen, dass du neu in der Stadt bist. Das Kino ist ganz oben im Einkaufszentrum in der Innenstadt.“ „Hm… Das mit dem Essen werde ich nicht schaffen, aber zum Film kann ich rechtzeitig da sein.“ „Sehr schön!“ Aki legte ihre Hand auf seine, lächelte ganz glücklich und ein leichter Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen. Freut sie sich wirklich einfach nur, dass er mitkommt, oder ist sie… „Cool, dann bleibt das ja bei den fünf Karten, die ich vorbestellt hab!“ sagte Crow grinsend. ~*~ Gegen Ende des Trainings schweifte mein Blick zum Spielfeldrand und traf auf Carly und Aki, die uns zusahen. Carly verstand ich ja noch, sie sah wegen Jack häufig zu, aber Aki? Ich glaube, sie habe ich noch nie während des Fußballtrainings gesehen. Warum der Sinneswandel? Ich konnte nicht erklären warum, aber es nervte mich ein wenig. „Vorsicht, Jaden!“ holte mich eine Stimme aus meinen Grübeleien und ich drehte mich um. „AU!“ Im nächsten Moment traf mich ein Ball direkt in der Magengegend. Ich verlor das Gleichgewicht und landete auf meinem Hintern. Das hatte ich jetzt von meiner Unkonzentriertheit. „Alles in Ordnung?“ Yusei blieb direkt vor mir stehen und reichte mir seine Hand. Ich hielt mir immer noch meinen schmerzenden Bauch und ergriff seine helfende Hand, die mich wieder auf die Beine zog. „Danke“ stöhnte ich. Das tat echt verdammt weh. „Geht’s dir wirklich gut? Normalerweise bist du beim Training immer bei der Sache.“ Ich sah für einen Augenblick wieder zu Aki und Carly und Yusei folgte meinem Blick. Aki winkte uns zu. Unwillkürlich verstärkte ich den Griff um seine Hand. „Nein, alles okay“ sagte ich und sah wieder grinsend zu Yusei. „Ich war nur kurz abgelenkt. Mach dir keine Sorgen.“ Sein Blick ruhte noch einen Augenblick auf mir, schließlich nickte er und lief wieder zu den anderen. Ich versuchte wieder, mich auf das Training zu konzentrieren. Warum verhielt ich mich jetzt plötzlich so komisch? Das nervte mich selbst! ~*~ Zu Hause angekommen hatte ich beschlossen, Yusei endlich zu fragen. Ich wollte wissen, ob er sich noch an den Kuss erinnert. Aber ich hatte immer noch keine Ahnung wie. Ich sah ihm an, dass es ihn immer noch fertig machte, weil er sich an nichts erinnerte. Auch, wenn es sich gebessert hatte. „Yusei…“ setzte ich an als wir in meinem Zimmer waren. Er stellte seine Tasche ab und musterte mich neugierig. „Naja, ich wollte dich was fragen.“ Ich legte meine Tasche auf meinem Schreibtisch ab und atmete tief durch. „Was ist denn los?“ Ich sah wieder zu ihm. Sein Blick war besorgt und ich musste trocken schlucken. Wie frage ich ihn das am besten? Um meine Worte zu sammeln, stützte ich mich mit einer Hand auf dem Schreibtisch ab. Besser gesagt auf meine Tasche, die nicht ganz auf dem Tisch lag. Dabei rutschte ich ab und sie stürzte zu Boden, ich hinterher. Yusei konnte mich gerade noch an den Schultern abfangen, ehe ich mit dem Kopf auf der Tischplatte aufgeschlagen wäre. Der Inhalt meiner Tasche verteilte sich dabei quer über den Boden. Ehrlich, das war nicht mein Tag! „Danke“ sagte ich etwas atemlos und betrachtete das Chaos, dass ich eben angerichtet hatte. Ich seufzte, kniete mich auf den Boden und begann alles einzusammeln. Yusei half mir. „Also ehrlich, Jaden“ sagte er plötzlich und sah mich mit einem belustigten Gesichtsausdruck an, während er zwei ziemlich lädierte Blätter in der Hand hielt. „Du solltest besser mit deinen Arbeitsblättern umgehen.“ Ich kratzte mir verlegen am Hinterkopf und grinste schief. Er hatte recht, ich war wirklich ziemlich schlampig mit meinen Schulsachen. Er versuchte sie wieder glatt zu streichen und betrachtete sie einen Augenblick. Für einen kurzen Moment lag Überraschung in seinem Blick, die aber schnell einer Leere wich. „Was hast du da?“ fragte ich neugierig und lehnte mich rüber um einen Blick auf die Blätter werfen zu können. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Scheiße, das ist der Artikel über die Gerichtsverhandlung, den ich von Carly hab! Ich dachte, den hätte ich schon weggeworfen! Ich sah wieder zu Yusei und wusste nicht, ob er wütend oder traurig war, während ich mich irgendwie an einer Erklärung versuchte. „Sorry, ich wusste nicht, dass das noch in meiner Tasche war! Ich wollte es eigentlich wegwerfen! Carly hat es mir gegeben. Sie wollte dir helfen, weil du letzte Woche so seltsam warst. Dabei hat sie den Artikel irgendwie gefunden. Aber es tut ihr leid und mir auch. Ich wollte nicht-“ „Schon gut.“ Ich sah ihn völlig irritiert an. Er war nicht sauer? „Ich bin nur überrascht, das ist alles“ sagte er mit einem kurzen Lächeln. „Es ist nur irgendwie seltsam etwas zu lesen, an das ich mich nicht erinnern kann, obwohl ich anscheinend dabei war…“ Er ließ die Blätter sinken, aber seine Augen waren wieder auf den Artikel gerichtet. Er war deswegen wohl ziemlich niedergeschlagen. Plötzlich weiteten sich seine Augen. Er ließ alle Luft geräuschvoll aus seinen Lungen entweichen und musste sich mit einer Hand am Tisch abstützen. Was war denn jetzt los?! Sein Blick lag in der Ferne, während seine Augen noch immer weit aufgerissen waren und seine Atmung nur flach ging. „Yusei?“ fragte ich vorsichtig, doch ich erhielt keine Reaktion. Ich machte mir Sorgen, so hatte ich ihn noch nie gesehen. „Yusei!“ Dieses Mal richtete er seinen Blick wieder auf mich, aber sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Irgendwie sah er verwirrt aus. Seine Atmung normalisierte sich wieder. „Hey, alles okay mit dir?“ „Ich…“ flüsterte er und rang dabei nach Fassung. „Ich war wirklich da.“ Ich wusste nicht genau was er meinte. Wo war er denn? Mit einem Schlag traf mich die Erkenntnis und ich sah ihn ungläubig an. „Hast du dich an was erinnert?“ Ganz langsam, wie in Zeitlupe, nickte er. Schlagartig wandelte sich meine Sorge in Freude um und ich grinste über beide Ohren. „Das ist großartig! An was denn?“ wollte ich aufgeregt wissen. Sein Blick richtete sich wieder auf den Artikel und er schwieg eine kleine Weile. Ich ließ ihm Zeit, vermutlich versuchte er, seine Gedanken zu ordnen. Oder wollte er nicht darüber reden? „Ich weiß es nicht“ sagte er und sah mich wieder an. Er wirkte niedergeschlagen. „Es war keine klare Situation, eher Bildfetzen. Keine Ahnung, was sie bedeuten. Ich stand mit dir vor dem Gerichtsgebäude in Osaka, dann wurde plötzlich alles Weiß. Im nächsten Moment war ich in einem Saal, mit ziemlich vielen Menschen. Und…“ Er senkte wieder den Blick und sprach leiser weiter. „Ich habe unser kaputtes Auto gesehen, aber das kann ich mir irgendwie nicht erklären.“ Na gut, an so viel konnte er sich wohl nicht erinnern, aber das war immerhin ein Anfang. Jetzt musste ich ihn nur irgendwie wieder aufmuntern. „Das Auto wurde kurz während der Gerichtsverhandlung gezeigt“ erklärte ich deshalb und er sah wieder auf. „Und als wir vor dem Gerichtsgebäude standen, kamen plötzlich diese Paparazzis mit ihren Kameras. Deswegen vielleicht das weiße Licht.“ „Also ist das alles wirklich passiert?“ fragte er ungläubig. Ich grinste noch breiter und nickte. Dafür erntete ich ein kleines Lächeln. „Danke.“ Ich wusste nicht, wofür er sich bedankte, aber im Moment freute ich mich einfach nur, dass er sich an etwas erinnern konnte. „Aber was wolltest du mich vorhin eigentlich fragen?“ „Hm?“ Ach so, stimmt, ich wollte ihn vor dem ganzen Chaos eigentlich nach dem Kuss fragen. Aber… Irgendwie scheint es mir jetzt wirklich der falsche Augenblick dafür zu sein. Deswegen schüttelte ich nur den Kopf. „Ach, vergiss es, das war nicht wichtig. Hey, wenn wir alles zusammengeräumt haben, können wir ja das Rennspiel weitermachen.“ Er nickte und hob den Artikel etwas an. „Kann ich das hier haben?“ „Wozu denn?“ fragte ich verwundert. „Ich habe nur die ersten Absätze überflogen und will ihn morgen mit ins Krankenhaus nehmen.“ „Klar, warum nicht? Ich wollte ihn sowieso wegwerfen.“ Warum will er das denn mitnehmen? Ich weiß, er hat morgen nach der Schule diese Therapie, aber will er den Artikel dort lesen? Obwohl, eigentlich keine üble Idee. Vielleicht kann er sich dann ja an etwas mehr erinnern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)