Dein rettendes Lachen von stardustrose ================================================================================ Kapitel 15: Ein Wochenende voller Überraschungen ------------------------------------------------ * Die Sicht von Carly * Ich saß im Medienraum und versuchte ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken. Sensei Banner war unser Ansprechpartner für die Schülerzeitung, bei der ich Mitglied war und quasselte fast die gesamte Zeit über bevorzugte Schriftarten und ihre Verwendung als Ausdrucksmittel. Es war so sterbenslangweilig. Stattdessen hätte ich den Artikel über Essstörungen zu Ende schreiben können, zu dem er mich gezwungen hat, aber nein. Hier saßen wir nun, Freitagnachmittag und hörten uns seinen blöden Vortrag an. Nach dem Klubtreffen ging ich zum Fußballfeld und sah den Jungs vom Feldrand aus beim restlichen Training zu. Jack und ich wollten den angebrochenen Tag gemeinsam verbringen, also wartete ich geduldig auf ihn. Es störte mich auch nicht, denn ich liebte es, ihm beim Training zuzusehen. Vielleicht lag das an dem gesellschaftlichen Phänomen, dass Sportler generell eine gewisse Anziehungskraft haben, vielleicht auch nur an der Tatsache, dass er in seinen Fußballklamotten eine so gute Figur machte. Vielleicht wäre das mal eine Idee für einen Artikel. Ich lächelte nur vor mich hin, bis mein Blick von Jack zu Yusei schweifte. Besorgt musterte ich ihn. Er wirkte irgendwie immer noch ganz verloren und in sich gekehrt. Seit Tagen redet er nicht mehr wirklich mit uns, aber keiner traute sich bisher etwas zu sagen. Langsam machte nicht nur ich mir Sorgen. Auch Jack, Crow und Aki. Außerdem haben sich die Aussagen von Alexis und Yusei nicht wirklich gedeckt, was sein Fehlen am Anfang der Woche betrifft. Alexis sagte, er hätte einen Termin in seiner alten Schule in Osaka. Was genau, wusste sie auch nicht. Aber was könnte man schon für Termine nach einem Schulwechsel haben? Und selbst wenn, warum dann gleich zwei Tage? Außerdem hätte sich da sein Vater drum kümmern können. Moment. Was, wenn es um seine Mutter ging? Das würde doch sein Verhalten zumindest erklären. Wenigstens ein bisschen. In dem Artikel stand doch, sie wäre bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er deswegen irgendwie nach Osaka musste. Das würde zumindest mehr Sinn ergeben. Ob ich da mal nachforschen sollte? Ach, zum Teufel mit meiner Neugier! Beim letzten Mal war er deswegen auch sauer. Andererseits will ich ihm doch nur helfen. Ich will nur verstehen, warum er sich so merkwürdig verhält. Wenn wir wüssten was los ist, wenn wir Yusei verstehen könnten, dann könnten wir ihm doch auch besser helfen! So muss er doch alles mit sich selbst ausmachen. Naja, vielleicht hilft ihm dabei auch Jaden. Die beiden sind ja sowas wie beste Freunde geworden in letzter Zeit. Jaden will mir ja auch nicht sagen, was los ist. Ich bin mir ganz sicher, er weiß mehr über die ganze Sache als er zugeben will. Es ist schon ein ziemlich merkwürdiger Zufall, dass er so lange krank war, wie Yusei in Osaka war… Plötzlich spürte ich zwei starke Arme, die mich von hinten umarmten. Ich erschreckte mich fürchterlich. Jack lachte amüsiert. „Entschuldige, du warst so in Gedanken, da konnte ich nicht widerstehen.“ Ich drehte mich in seinen Armen um und sah in diese wundervollen violetten Augen. Er war ein ganzes Stück größer als ich, also musste ich den Kopf heben. „Idiot“ sagte ich lächelnd. Er gab mir einen sanften Kuss und lächelte mich ebenfalls an. Dieses sanfte Lächeln bekam nur ich zu sehen, und mein Herz machte selbst nach den fast drei Jahren Beziehung noch immer einen Satz, wenn ich es sah. Nach außen gab er sich immer grimmig, manchmal ziemlich arrogant. Außerdem war er ein kleiner Choleriker, wenn es um mich ging. Das ist teilweise ziemlich anstrengend. Aber wenn wir allein waren, dann schenkte er mir immer wieder dieses sanfte Lächeln. Ich liebe ihn wirklich. „Ich geh mich schnell umziehen, dann können wir los“ sagte er und löste die Umarmung. Ich nickte und sah ihm verträumt hinterher. „Oh man, meine Beine“ beschwerte sich Jack als wir auf dem Weg zu seinem Motorrad waren. „Jetzt mal ehrlich, Yusei benimmt sich zwar total seltsam, aber beim Training nimmt er uns immer noch ganz schön hart ran. Ich hoffe bloß, dass wir am Sonntag gewinnen, sonst war das alles umsonst.“ „Jetzt sei doch nicht so pessimistisch“ motzte Crow. „Wir werden schon gewinnen, das hab ich doch gesagt! Aber was Yusei betrifft, hast du Recht. Das ist langsam nicht mehr normal. Ich frag mich ernsthaft, was mit dem Typen los ist. Letzte Woche war er total gut drauf und seit Mittwoch ist er zum Roboter mutiert.“ Er verdrehte die Augen. Ich sah ihn verärgert an. „Das ist nicht lustig! Ich bin sicher, bei ihm liegt zurzeit was im Argen, aber er redet nicht drüber.“ Crow musterte mich neugierig. „Wieso? Was weißt du denn?“ Oh je, verplappert. Ich muss mich da irgendwie rausreden. Nur wie? „Das sieht doch ein Blinder, du Krähe“ sprang Jack für mich ein. Dafür erntete er von Crow nur einen ziemlich angepissten Blick, ehe er tief durchatmete und sich wieder an mich richtete. „Jetzt mal im Ernst, ich weiß, dass bei ihm irgendwas nicht stimmt, und langsam mache ich mir auch Sorgen, aber wen sollten wir schon fragen? Ich war schon zwei Mal bei ihm zum Vorrichten, aber seine Eltern habe ich noch nicht gesehen, obwohl es beim letzten Mal echt spät wurde. Ich hab irgendwie das Gefühl, die arbeiten außerhalb. Die können wir also nicht fragen. Und Jaden rückt auch nicht mit der Sprache raus, obwohl er ganz sicher was weiß.“ „Und… was, wenn wir doch was rausfinden?“ murmelte ich. Die beiden sahen mich nur fragend an. „Naja, wenn wir die Möglichkeit hätten, etwas rauszufinden, aber quasi hinter Yuseis Rücken…“ Jack musterte mich stumm. Er ahnt vermutlich, was ich damit sagen will. „Wenn wir ihm so helfen könnten, warum nicht?“ sagte Crow schnell. „Klar, wäre Yusei im ersten Moment vermutlich angepisst, aber dann zeigt er wenigstens mal ne Gefühlsregung! Außerdem könnten wir ihm dann bei was auch immer helfen. Also, was hast du vor?“ Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut. Warum nur, habe ich diesen Vorschlag eben gemacht? Das ist doch verwerflich… Oder doch nicht? * Die Sicht von Jaden * Ich gähnte herzhaft und rieb mir die Augen, um den Schlaf loszuwerden. Ich hatte keine Lust, mein warmes Bett zu verlassen, aber ich hatte meiner Mutter versprochen, heute mit ins Krankenhaus zu fahren. Und ehrlich gesagt wollte ich heute auch unbedingt mitkommen. Auf dem Weg dahin wollten wir Yusei in der Werkstatt absetzen. Samstags fing er um zehn an. Ich zögerte noch einen Moment, ehe ich endlich aufstand und bereute es gleich wieder. Unter meiner Decke war es weitaus gemütlicher, und auch wärmer. Yusei war natürlich schon wach und vermutlich irgendwo im Haus. Die Angst, dass er wieder verschwinden könnte, flaute von Tag zu Tag mehr ab. Natürlich machte ich mir nach wie vor Sorgen, aber seit dieser Nacht nach der Gerichtsverhandlung hat sich das nie wiederholt, und auch ich wurde dadurch wieder ruhiger. Träge ging ich ins Bad und anschließend runter in die Küche, wo meine Mutter anscheinend gerade mit Yusei sprach. Als ich den Raum betrat, hielt sie aber inne. „Guten Morgen, Jaden“ begrüßte sie mich dann überschwänglich. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass du schon so früh wach bist.“ So ganz wach war ich immer noch nicht, aber ich dachte, ich wäre schon ziemlich spät aufgestanden. „Was meinst du?“ fragte ich und musste gähnen. „Ich fahre doch heute mit ins Krankenhaus.“ „Wir fahren doch erst viertel vor zehn hier los, mein Spatz.“ Ich sah meine Mutter an, dann wanderte mein Blick zur Wanduhr… Es war erst halb neun. Ich hätte noch in meinem Bett bleiben können! „Na, jetzt wo du schon mal wach bist, können wir auch gleich frühstücken!“ schlug meine Mutter fröhlich vor. Nach dem Frühstück ging ich wieder hoch in mein Zimmer, um die restliche Zeit irgendwie totzuschlagen. Mittlerweile war ich wach und startete meinen Laptop. Jetzt, wo ich noch etwas Zeit habe, kann ich mich ja auf das Spiel morgen vorbereiten. Ich hatte leider noch immer keinen Plan, welche Strategie wir morgen verfolgen sollten. Yusei sah sich doch auch immer ein paar Videos unserer Gegner vor einem Spiel an. Vielleicht fällt mir ja etwas Geeignetes ein. Nach ein paar Klicks fand ich einen Clip von einer Aufnahme ihres letzten Qualifikationsspiels. Sie waren ziemlich gut, spielten wirklich in einer Einheit zusammen. Ihre Strategie schien ziemlich ausgewogen zu sein, aber mir fiel keine geeignete Gegenstrategie ein. Vermutlich ist unsere Standardaufstellung die beste Wahl. „Ist das die Mannschaft, gegen die wir morgen antreten?“ Erschrocken fuhr ich herum und sah Yusei, der über meine Schulter den Bildschirm betrachtete. Wie lange stand er denn schon da? Ich war wohl so versunken, dass ich ihn nicht habe kommen hören. „J-Ja“ antwortete ich etwas überrumpelt. Immer noch auf dem Bildschirm blickend, sprach er weiter. „Ihre Verteidigung ist ziemlich stark, aber der Angriff ist eher mittelmäßig. Du solltest Crow aus der Verteidigung nehmen und im Sturm einsetzen, am besten auf der linken Seite. Jack und Daichi sollten das offensive Mittelfeld übernehmen und Gendo kann im defensiven Mittelfeld bleiben. Die Verteidigung würde ich an deiner Stelle vorsichtshalber bei vier Spielern belassen.“ „Guter Plan“ murmelte ich nur und blinzelte ihn noch immer verdutzt an. So viele Sätze am Stück hat er nicht mal während des Trainings von sich gegeben. Er sah mich kurz an und irgendwas sah ich wieder in seinen Augen, aber ich konnte es nicht definieren. „Wir müssen langsam los“ murmelte er noch, wandte sich ab und verließ mein Zimmer. Ich starrte noch einen Augenblick die Tür an, dann musste ich irgendwie grinsen. Nachdem wir Yusei absetzten, fuhren wir anschließend ins Krankenhaus. „Danke, dass du mitgekommen bist, mein Spatz. Das wird ihm wirklich viel bedeuten“ sagte meine Mutter zufrieden. Ich grinste sie an. „Klar doch! Ich freu mich für Naoya! Das will ich doch nicht verpassen, schließlich ist das ein großer Tag für ihn!“ Auf der Pädiatrie angekommen, lief ich gezielt in den abgetrennten Teil der Station zu seinem Zimmer, während meine Mutter im Schwesternzimmer noch etwas vorbereitete. Kurz vorher hielt ich noch inne. Ich habe ihn schon eine Weile nicht mehr besucht, weil ich einfach keine Zeit hatte. Hoffentlich ist er nicht sauer. Er liegt hier schon seit über einem Jahr und ich habe ihn in dem Praktikum kennengelernt, als ich noch im ersten Jahrgang der Oberstufe war. Er ist ein verschrobener Knirps von neun Jahren. Anfangs war er die meiste Zeit ziemlich traurig. Ich habe ihn damals aufgemuntert, und war während seiner vielen Behandlungen oft an seiner Seite, wenn seine Eltern keine Zeit hatten. Irgendwann ist er für mich wie ein kleiner Bruder geworden. Einmal noch atmete ich tief durch und öffnete mit einem Lächeln die Tür. Es dauerte etwas, ehe der blasse Junge in dem Bett realisierte, dass ich in seinem Zimmer stand. Doch dann schlug er die Decke zur Seite und stürmte auf mich zu, um mich in eine herzliche Umarmung zu ziehen. „Jaden!“ rief er glücklich. Ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken. „Hey, nicht so stürmisch. Du hast mehr Kraft als ich dachte, Kleiner!“ Er löste sich von mir und funkelte mir freudig entgegen. „Du warst schon echt lange nicht mehr hier! Ich bin richtig stark geworden! Frau Yuki hat gesagt, dass ich heute nach Hause darf, wenn der Doktor mich untersucht hat. Ist das nicht toll?“ Mein Grinsen wurde breiter und ich nickte. Dann stürmte er zum Schreibtisch und kramte sich durch einen Stapel Papier, ehe er anscheinend etwas gefunden hat. „Schau mal“ sagte er und reichte mir ein Bild. „Das hab ich selbst gemalt. Das ist für dich! Ich hab schon Angst gehabt, dass ich dir das nicht mehr geben kann, wenn ich heute hier raus darf.“ Ich betrachtete das kleine Kunstwerk. Ich weiß ja nicht wie ich früher gemalt habe, aber das was er gemacht hat, schaffe ich nicht mal heute. „Wow, cool. Danke Naoya!“ „Das da bin ich“ sagte er und zeigte auf einen Jungen in einem Bett. „Und das bist du.“ Mein Abbild hielt seine Hand. Ich lächelte. „Und wer sind die anderen Leute?“ „Das da ist Frau Yuki und das Doktor Yamada. Und das hier ist Clara.“ Beim letzten Satz erstarb sein Lächeln, und er sah traurig auf das Bild. Ich seufzte und strich ihm durch sein dünnes, kurzes Haar. „Hey, sei nicht traurig, Kleiner. Sie würde sich bestimmt auch freuen, dass du heute nach Hause darfst. Und vor allem würde sie nicht wollen, dass du an so einem Tag ein trauriges Gesicht ziehst.“ Er nickte und setzte sich auf sein Bett. Clara wurde etwa zum gleichen Zeitpunkt hier eingeliefert wie Naoya. Sie war immer verdammt fröhlich, zuversichtlich und hatte generell eine positivere Ausstrahlung als mein kleiner Freund. Doch beide hatten die gleiche Diagnose: Leukämie. Aber während bei Naoya die Chemo und die Strahlentherapie angeschlagen haben, sah es bei Clara nicht so gut aus. Sie wurde immer schwächer und vor ein paar Monaten, in den Sommerferien, ist sie gestorben. Der Kleine war am Boden zerstört. Sie haben sich etwa ein Jahr lang ein Zimmer geteilt und waren die besten Freunde. Meine Mutter und mich hat das auch ziemlich getroffen. Sie war ein ziemlich optimistisches kleines Mädchen und war sich ganz sicher, dass sie und Naoya nach den Behandlungen auf jeden Fall auf dieselbe Schule gehen und beste Freunde bleiben würden. Es hat ihm das Herz gebrochen, als er realisierte, dass die beiden keine gemeinsame Zukunft haben werden. Ich habe den Kleinen oft in dieser schweren Zeit besucht. „Du hast recht“ riss er mich plötzlich aus meinen Gedanken. „Sie wäre bestimmt total wütend“ sagte er mit dem Ansatz eines Lächelns. Ich lachte. „Ja, weißt du was sie dann gesagt hätte?“ Er sah mich abwartend an und ich zog eine Grimasse. „Sei nicht so eine Heulsuse. Du siehst doof aus, wenn du so traurig guckst. Ich heul hier auch nicht rum!“ alberte ich mit verstellter Stimme herum, um sie nachzuahmen. Er kicherte und mir ging ein wenig das Herz auf, ihn wieder fröhlich zu sehen. „Weißt du, sie ist vielleicht nicht mehr hier, aber sie ist immer bei dir.“ Mit schiefem Kopf und großen Augen sah er mich an. „Wie meinst du das?“ Hmm, wie erkläre ich ihm das am besten? „Naja, du denkst doch oft an sie, oder?“ Er nickte. „Dann lebt sie doch in dir weiter! Sie geht erst für immer weg, wenn du sie vergisst.“ „Das werd ich nicht!“ rief er ernst und ich musste schmunzeln. Das glaubte ich ihm sofort. „Dann sind wir ja schon zwei“ fügte ich grinsend hinzu und sah in sein erstauntes Gesicht. Plötzlich klopfte es an der Tür und ein Mann und eine Frau betraten das Zimmer. „Mama, Papa!“ rief Naoya fröhlich und stürmte auf seine Eltern zu. „Hallo, mein Schatz“ sagte seine Mutter und erwiderte seine stürmische Umarmung. Sein Vater nahm ihn auf den Arm und drückte ihn fest an sich. Ich sah der kleinen Familienzusammenführung lächelnd zu, ehe seine Mutter mich bemerkte. „Hallo Jaden, lange nicht gesehen. Wie geht’s dir?“ „Naja, ziemlich viel zu tun. Aber die Entlassung wollte ich nicht verpassen!“ Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile. Naoya erzählte mir von den Dingen, die er unbedingt in nächster Zeit machen will. Von einem Kinobesuch, über einen Ausflug in den Freizeitpark bis hin zu einer richtigen Geburtstagsfeier im nächsten Monat war alles dabei. Er freute sich wahnsinnig und ich konnte nicht anders als diese Freude zu teilen. Da klopfte es erneut und Doktor Yamada betrat den Raum. Hinter ihm lief meine Mutter mit einer Akte und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Na schön, Naoya, bereit für deine letzte Untersuchung?“ fragte der Arzt. Naoya nickte aufgeregt und ich wurde gebeten, den Raum währenddessen zu verlassen. Kurz noch blickte ich zurück. Seine Eltern sahen ziemlich nervös und besorgt aus. Ich konnte sie zwar verstehen, aber ich selbst hatte keine Bedenken, dass etwas schief gehen könnte. Sonst hätte meine Mutter nicht so zufrieden ausgesehen. Es dauerte eine Weile, ehe sich die Tür endlich öffnete und wir zu einem wahnsinnig aufgeregten Naoya gehen konnten. „Und?“ fragte seine Mutter zögerlich. „Darf er wieder nach Hause kommen?“ Der Arzt blätterte noch ein letztes Mal durch die Akte und sah sie dann sanft lächelnd an. „Alle Ergebnisse sind sehr zufriedenstellend. Die Therapie hat funktioniert und bei diesen Werten darf ich behaupten, dass er den Krebs besiegt hat. Ich werde ihn heute entlassen. Er muss mir nur versprechen, seine Übungen zu Hause zu machen.“ Noch ehe er den letzten Satz beendet hatte, fiel Naoyas Mutter ihm weinend um den Hals und bedankte sich ununterbrochen. „Mama, warum weinst du denn? Freust du dich gar nicht?“ fragte der kleine Junge verständnislos. Ich verkniff mir ein Lachen, während sein Vater auf ihn zu ging und ihn in die Arme schloss. „Natürlich freuen wir uns. Wir haben dich so sehr vermisst, mein Junge. Glaub mir, wir sind wirklich überglücklich, dass du wieder bei uns bist.“ Irgendwie hatte ich das Gefühl diesen Moment zu stören, also verließ ich leise das Zimmer. Auf dem Gang wartete ich einige Zeit und war in Gedanken. In meinem Praktikum war ich auch oft dabei, wenn die Kinder nach Hause durften. Es war jedes Mal ein schöner Moment, sie so fröhlich zu sehen. Plötzlich trat meine Mutter aus dem Raum und seufzte zufrieden. „Weißt du, mein Spatz, das ist das Schönste an diesem Beruf. Manchmal ist es hart, aber ich mache das für Momente wie diese.“ Ich lächelte. Es war so nachvollziehbar. „Ich freu mich für ihn. Ob er dich mal im Krankenhaus besuchen kommt?“ Meine Mutter lachte. „Ich würde mich zwar freuen, aber er wird wohl erst einmal die Nase voll von diesem Ort hier haben.“ „Kann ich verstehen. Ich hätte nach so langer Zeit auch keine Lust hierherzukommen.“ Die Tür öffnete sich erneut und heraus kam ein kleiner Junge, der sich suchend umsah, ehe sein Blick an mir haften blieb. Naoya kam freudestrahlend auf mich zu und umarmte mich. „Jaden! Ich darf wirklich nach Hause! Mama und Papa wollen mit mir ein Eis essen gehen, willst du mit? Sie haben gesagt, du darfst!“ In der Tür stand sein Vater und nickte. Ich sah den Kleinen wieder an und grinste. „Wie könnte ich denn ein Eis ausschlagen?“ ~*~ Ein paar Stunden später verabschiedete ich mich von Naoya und seinen Eltern. Letztere bedankten sich noch oft bei mir, aber ich wusste wirklich nicht so recht warum. Ich gab ihnen meine Nummer, falls Naoya sich mal bei mir melden will. Das Café war nicht weit vom Krankenhaus entfernt. Es war schon Nachmittag, doch ich wusste nicht, was ich mit dem angebrochenen Tag noch machen sollte. So schlenderte ich in Gedanken die Straße entlang und stand plötzlich vor einer Werkstatt. Es war die, in der Yusei arbeitete. Ob er schon Schluss hat? Ich lief auf das Gebäude zu und sah mich um. Überall standen Autos und die Geräusche aus der Werkstatt waren echt verdammt laut. Für mich wäre das hier nichts, aber ihm gefiel die Arbeit anscheinend. Ich stand schon fast vor dem Eingang und hielt nach meinem Freund Ausschau. „Ey, was machstn du hier, Kleiner?“ Ich zuckte zusammen und fuhr herum. Vor mir stand plötzlich dieser muskelbepackte Typ, sah mich grimmig an und rauchte eine Zigarette. Wie hieß er gleich? Ach ja, Sam. „I-Ich, äh, also…“ stammelte ich. Der Kerl jagt mir immer noch eine Heidenangst ein. Mir egal, dass Yusei und mein Vater sagen, er wäre wirklich nett. „Jaden?“ Yusei kam auf uns zu und hielt eine Kiste in der Hand. „Was ist denn los?“ „Naja, ich wollte nur schauen, ob du schon Schluss hast, aber du arbeitest ja noch“ antwortete ich verlegen. „Haste das Zeug gefunden?“ Yusei wandte sich an Sam und nickte. „Wenn de das sortiert hast, kannste Schluss machen für heute. Dein kleiner Freund hier kann dir ja helfen“ sagte der Muskelprotz und ging wieder in die Werkstatt. Yusei sah mich etwas unentschlossen an und folgte ihm, genauso wie ich. Wenn ich ihm helfen kann, warum nicht? Er stellte die Kiste auf einem Tisch am Ende der Werkstatt ab und musterte mich. Ich grinste ihm entgegen. „Also, wie kann ich helfen?“ „Ich soll nur die Kabel hier drin aufwickeln und den Rest in den Bestand einsortieren. Das ist wirklich nicht spannend.“ „Na dann!“ sagte ich fröhlich und ging zu der Kiste. Darin war ein ziemlicher Kabelsalat. „Zu zweit sind wir schneller.“ Ich kann mich auch irren, aber ich hätte schwören können, in diesem Moment zuckten seine Mundwinkel ein wenig nach oben. Oder es war einfach nur eine Wunschvorstellung. Eine Weile arbeiteten wir still nebeneinander. In der Zeit, in der ich ein Kabel vom Rest getrennt und halbwegs ordentlich aufgewickelt hatte, war Yusei schon mit dreien fertig. Und bei ihm sah es tatsächlich so aus, als hätte man sie neu aus einer Verpackung geholt. Frustrierend. Als wir fertig waren, sortierten wir die Kabel und den restlichen Kram aus der Kiste im Lager ein. Alles in allem waren wir schneller fertig als ich dachte. Sam nickte mir grimmig entgegen und wünschte Yusei dann einen schönen Feierabend. Seltsamer Kerl. „Sam war ziemlich zufrieden“ sagte Yusei plötzlich, als wir aus der Werkstatt liefen. „Bitte?!“ fragte ich entsetzt. „Der hat doch so miesepetrig geschaut, wie sonst auch immer.“ Er schüttelte nur mit dem Kopf. „Nein, er hat sich wirklich gefreut, dass wir so schnell fertig waren.“ „Na, wenn du meinst…“ „Wo laufen wir eigentlich hin?“ Ich sah mich um. Ich hatte gar nicht darauf geachtet, welchen Weg wir eingeschlagen haben. Ich lief mit ihm Richtung Krankenhaus. Da kam mir eine Idee. „Hey, wie wäre es, wenn du deinen Vater mal wieder besuchst? Du warst schon die ganze Woche nicht mehr bei ihm.“ Er überlegte wohl. „Samstags ist doch nur Vormittag Besuchszeit.“ „Ach was, die werden schon ein Auge zudrücken!“ sagte ich optimistisch. Im Krankenhaus angekommen, fuhren wir gleich in den fünften Stock und ich bequatschte den Mann an der Rezeption, dass er uns nicht vielleicht doch zu Yuseis Vater lassen könnte. Nach einer schier unendlich langen Diskussion knickte er schließlich ein. „Na schön, aber nur zehn Minuten!“ Ich dankte ihm freudestrahlend und zog Yusei mit mir durch den Gang. Vor dem Zimmer angekommen, sah ich ihn an. „Willst du lieber allein reingehen?“ Er blickte durch die Lamellen der Rollläden am Fenster und nickte leicht. Ich ging einen Schritt zurück und nickte ihm aufmunternd zu, dann betrat er den Raum. Ich vertrieb mir die Wartezeit ein wenig am Handy, bis meine Mutter mich plötzlich anrief. „Hallo, mein Spatz, bist du schon zu Hause?“ „Nein, ich bin noch im Krankenhaus.“ „Hm? Ich dachte du wolltest mit Naoya und seinen Eltern ein Eis essen.“ „Das war ich auch, und dann hab ich Yusei von der Werkstatt abgeholt. Er besucht gerade seinen Vater.“ „WAS?!“ fragte sie entsetzt. Ich verstand die Frage nicht, das hat er doch schon öfter gemacht. „Ja, wieso?“ Eine kurze Stille trat ein. „Ich habe seinem Vater noch nichts von Yuseis Zustand erzählt.“ Oh nein. Ehe ich etwas erwidern konnte, legte sie auf. Aber vielleicht nimmt er das ja ganz gut auf. Yusei ging es immerhin schon besser als am Anfang der Woche. Wenig später kam meine Mutter schnellen Schrittes den Gang entlang. „Ist er immer noch da drin?“ Ich nickte. Warum machte sie denn so einen Wirbel? Als sie das Zimmer öffnete, sah ich an ihr vorbei zu Yuseis Vater. Er hielt ihn fest im Arm, aber Yusei erwiderte die Umarmung nicht. Ich konnte auch ihre Gesichter nicht erkennen. Meine Mutter schloss die Tür hinter sich und wenig später kam Yusei raus. „Was ist denn los?“ fragte ich ihn. Sein Blick war gesenkt und irgendwie schien er wieder in seiner eigenen Welt zu sein. Ich ließ ihm seine Zeit, irgendwann wird er schon reden. Nach einer Weile öffnete sich wieder die Tür und meine Mutter stand vor uns. „Ihr beide könnt schon mal zum Auto gehen, ich komme gleich nach.“ „Aber was ist denn los?“ fragte ich besorgt. „Alles in Ordnung, wir reden später, mein Spatz“ sagte sie ernst und ging wieder in das Zimmer. Was soll denn diese Geheimniskrämerei jetzt? Ich seufzte und sah Yusei an. „Na komm, wir gehen schon mal vor.“ Er sah wieder auf und nickte. ~*~ Zuhause angekommen sah ich meine Mutter erwartungsvoll an. Ich wollte endlich wissen, was los ist. Mir ging es auf die Nerven, dass meine Eltern mir etwas von der ganzen Sache verschweigen. Sie warf mir einen traurigen Blick zu und wandte sich dann an Yusei. „Yusei, wärst du so lieb und würdest Makoto in der Küche helfen?“ Er sah mich kurz an, nickte meiner Mutter dann aber zu und folgte ihrer Aufforderung. Dann gingen meine Mutter und ich ins Wohnzimmer. „Und? Was war denn los?“ Sie seufzte. „Wie schon gesagt: Ich habe ihn einfach nicht darauf vorbereitet. Er hat nur einen Schreck bekommen, hoffe ich. Ich habe ihm die Situation grob erklärt.“ „Aber das versteh ich nicht! Yusei geht’s doch wieder besser! Warum machen alle so einen Wirbel um die ganze Sache?“ Sie musterte mich aufmerksam und schwieg. Es nervte mich so. Warum erzählt sie mir nicht endlich, was Sache ist? „Du hast recht, es geht ihm langsam ein wenig besser, aber er ist immer noch nicht wieder der Alte. Bei weitem nicht. Langsam machen dein Vater und ich uns Sorgen. Sein seltsames Verhalten hält einfach schon zu lange an.“ Ich sah sie wütend an. „Wie würdest du dich denn in seiner Situation verhalten?“ „Ich versteh dich, mein Spatz. Und natürlich weiß ich nicht, wie ich mich verhalten würde. Aber ich kenne diverse Krankheitsbilder. Ich habe gestern Abend mit deinem Vater gesprochen und wir werden Yusei kommende Woche zu einem Therapeuten schicken.“ Mein Herz setzte einen Schlag aus. „Aber… was… was ist, wenn er auch dortbleiben muss!?“ Sie schüttelte den Kopf. „Keine Angst, mein Spatz. Er ist weder eine Gefährdung für sich selbst, noch für andere. Sie werden ihn nicht dortbehalten. Er soll nur mit einem Therapeuten über die ganze Sache sprechen, mehr nicht.“ Mehr nicht. Bei diesen Worten musste ich verächtlich schnauben. Ist das ihr Ernst? Aber… vielleicht hat sie ja recht. „Du bist sicher, dass sie ihn nicht dabehalten?“ fragte ich vorsichtig. Ich wollte nicht, dass er so wie sein Vater auf der Station bleiben und vielleicht auch Medikamente nehmen müsste. Sie nickte und nahm mich in den Arm. Wenn er nicht dortbleiben muss, würde es ja nicht schaden, wenn er sich mal jemandem anvertraut. Als ich ins Bett ging, dachte ich noch über das Gespräch mit meiner Mutter nach. Mir gingen ihre Worte einfach nicht mehr aus dem Kopf. Krankheitsbilder. Das hat sie gesagt. Aber was hat sie damit gemeint? Ich glaube, er ist einfach nur mit der Situation überfordert gewesen und hat sich zurückgezogen. Das würde doch jedem so gehen, oder nicht? Ich sah rüber zu der dunklen Silhouette von Yusei. Sein Atem ging gleichmäßig und er schien friedlich zu schlafen. Zumindest das konnte er ruhig, auch wenn ich nicht weiß, wie es in ihm drin aussieht. Irgendwann fielen mir endlich die Augen zu, doch in der Nacht schlief ich ziemlich unruhig. ~*~ Am nächsten Morgen öffnete ich meine Augen, sah aber wieder nur ein leeres Bett neben mir. Er war wohl schon wach. Langsam machte ich mich fertig und ging runter in die Küche. Da entdeckte ich Yusei und grinste. „Guten Morgen, bereit für unser Spiel heute?“ fragte ich gut gelaunt. Er sah zu mir, seine Miene war wie so oft unergründlich, doch er antwortete: „Ja, sicher.“ Das Spiel gegen die Schule im Westen der Stadt fand am Mittag statt. Ich stellte die Mannschaft Yuseis Vorschlag entsprechend auf. Crow reckte freudestrahlend seine Faust in die Luft, als ich ihm von dem Plan erzählte ihn im Angriff einzusetzen. Auch die anderen stimmten voller Vorfreude zu. „Heute werden wir auf jeden Fall gewinnen!“ sagte ich optimistisch. „Also, los geht’s!“ Das Spiel begann, doch in der ersten Halbzeit fiel kein einziges Tor. Zehn Minuten vor dem Schlusspfiff der zweiten Halbzeit hatte Yusei den Ball und rannte auf das gegnerische Tor zu. Zwei Gegner kamen ihm entgegen. Sowohl ich als auch Crow wurden gedeckt, sodass er keine Passchance hatte. Aber dann machte Yusei einen Spielzug den ich noch nicht kannte. Er kickte den Ball mit der Hacke nach oben, über die Gegner drüber. Damit hatten sie nicht gerechnet, und verloren so den Ball aus den Augen. Dann rannte er an ihnen vorbei und nahm den Ball wieder an. Dadurch hatte er ein freies Schussfeld. Tor. Unser Team staunte nicht schlecht. „Das war großartig, Alter!“ rief Crow, der ihm gegen die Schulter schlug. Auch ich rannte ihm entgegen „Er hat recht! Das war fantastisch!“ Und in diesem Moment konnte ich meinen Augen nicht trauen. Er schenkte mir ein Lächeln. Ich hatte es seit Tagen nicht gesehen und mein Herz schlug vor Freude schneller. Von wegen, sein Zustand hätte sich kaum gebessert! In den letzten Minuten Spielzeit verstärkte Crow wieder unsere Abwehr, sodass unsere Gegner keinen Ausgleich schießen konnten. Damit hatten wir das zweite Qualifikationsspiel 1:0 gewonnen. „Wir haben gewonnen!“ rief ich freudig und alle stimmten mit ein. Bis auf Yusei, der neben uns stand. „Freu dich doch, Alter!“ sagte Crow, der jetzt direkt neben Yusei war. „Wo hast du eigentlich diesen Trick gelernt?“ Diese Frage erweckte auch die Aufmerksamkeit des übrigen Teams. „Naja“ sagte er verlegen. „Ich habe ihn mal bei einer anderen Mannschaft in den Regionals gesehen, aber zum ersten Mal versucht. Anders hätten wir den Ballbesitz abgeben müssen.“ „Klasse! Das musst du mir beibringen!“ sagte ich und funkelte ihn erwartungsvoll an. Und da war es wieder. Dieses sanfte Lächeln, dass mir in den letzten Tagen so gefehlt hat. ~*~ Als wir wieder zu Hause ankamen, regnete es in Strömen, dazu kam noch ein kalter, unnachgiebiger Wind. „Puh! Was für ein Mistwetter“ klagte ich, als wir in den Flur gingen, dann wandte ich mich an Yusei. „Hey, Jim hat mir heute übrigens ein neues Spiel ausgeliehen. Hast du Lust es mit mir auszuprobieren?“ fragte ich. Er zog sich gerade die nasse Jacke aus und antwortete: „Ja, warum nicht?“ Auf dem Bildschirm flimmerte kurze Zeit später im Retro-Stil ein Remake eines alten Autorennspiels. „Hm, die Grafik hätten sie besser überholen können, aber die Steuerung soll flüssiger sein“ sagte ich und klickte mich durch das Menü, bis ich zur Auswahl der Fahrzeuge kam. „Hey, das Motorrad sieht fast aus wie deins“ bemerkte ich und sah ihn an. Erst da fiel mir auf, dass er schon die ganze Zeit vor sich hin grübeln musste. „Was ist denn los?“ Er sah mich ernst an. Oh je, was hat er denn? „Ich bin schon ziemlich lange hier. Meinst du nicht, ich sollte langsam wieder gehen?“ sagte er dann. Ich war etwas verwirrt. „Was? Wo denn? Wir sind doch eben erst angekommen.“ „Nein, das meine ich nicht“ setzte er an und seufzte. „Warum… Warum bin ich überhaupt die ganze Zeit bei euch?“ Wieder musterte ich ihn etwas perplex. „Was meinst du?“ „Naja, seit einer Woche bestehen deine Eltern darauf, dass ich bei euch bleibe. Warum?“ Lag das nicht auf der Hand? „Naja, wegen der Sache von Dienstag. Du weißt schon. Seitdem machen sich meine Eltern eben Sorgen. Und bis es dir wieder gut geht, sind sie eben beruhigter, wenn du nicht allein bist.“ Und ich auch… „Seit der Gerichtsverhandlung hast du dich eben etwas… verändert.“ Er sah mich ungläubig an. Habe ich eben was Falsches gesagt? „Wovon sprichst du?“ Okay, was meinte er denn jetzt genau? „Naja du hast dich eben distanziert“ versuchte ich mich zu erklären. „Wenn du meinst, aber von welcher Sache sprichst du? Und welche Gerichtsverhandlung?“ Jetzt war es an mir, ihn völlig ungläubig anzusehen. „Na… Die Gerichtsverhandlung, wegen dem Unfall von deiner Mutter. Du weißt schon. Du bist in der Nacht darauf doch einfach verschwunden und warst an ihrem Grab.“ Eine kurze Stille folgte und ich versuchte irgendwie seine Mimik zu interpretieren. Er sah völlig verwirrt aus. Plötzlich lachte er freudlos. „Jaden, ich war seit ihrer Beerdigung nicht mehr dort. Und die Gerichtsverhandlung ist erst später“ antwortete er mit einem gezwungenen Lächeln. Meine Augen wurden bei jedem seiner Worte größer. Was meint er denn? Nimmt er mich auf den Arm? „Yusei… du warst doch schon am Grab deiner Mutter. Am Dienstag“ sagte ich mitfühlend. Sein aufgesetztes Lächeln erstarb und in seinem Blick konnte ich immer noch seine ehrliche Verwirrung ablesen. „Nein… Das kann nicht sein, daran würde ich mich doch erinnern. Ich…“ Er brach ab und mied meinen Blick. Meinte er das jetzt wirklich ernst? Hatte er es wirklich… vergessen? Alles? Aber warum? Ich dachte es würde ihm wieder besser gehen! Das kann doch nicht sein! Meine Mutter hatte recht. Er braucht Hilfe, wenn er das eben wirklich ernst gemeint hat. Aber warum sollte er mich auf den Arm nehmen? „Ich…“ setzte ich langsam an und musterte ihn. „Ich hab vergessen, dass ich meinem Vater noch in der Küche helfen sollte. Bin gleich zurück“ sagte ich, verließ mein Zimmer und ließ meinen völlig überforderten Freund zurück. Aber ich musste schnell mit meiner Mutter sprechen. Ich muss ihr sagen, was eben passiert ist! Das wächst mir alles über den Kopf! Die letzten Stufen zum Wohnzimmer runter flog ich schon fast, ehe ich meine Mutter auf dem Sofa sah. Perplex musterte sie mich. „Jaden, was ist denn los? Du bist ja ganz blass.“ „Mama, er hat es vergessen!“ platzte es aus mir heraus. Ich spürte vereinzelte Tränen, die meine Wange hinabliefen, aber das war mir egal. Yusei brauchte dringend Hilfe… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)