Dein rettendes Lachen von stardustrose ================================================================================ Kapitel 9: Geheimnis -------------------- Ich stand im Türrahmen meines Hauses. Der Regen prasselte noch immer unaufhörlich vom Himmel und hatte schon große Pfützen auf dem Asphalt hinterlassen. Meine Hand hatte ich zum Abschied gehoben und ich dankte ihr für die Hilfe. Sensei Fontaine stieg ins Auto und winkte ebenfalls zum Abschied, schenkte mir ein Lächeln, ehe sie einstieg. Ich ging wieder ins Haus und schloss die Tür. Allmählich nahm ich die Treppe rauf in mein Zimmer, sah aus dem Fenster und seufzte. Was für ein langer Tag. Draußen nahm der Himmel bereits ein dunkleres Grau an. Ich zog die Jacke meiner Schuluniform aus und warf sie über meinen Stuhl. Dabei fiel etwas aus der Tasche. Akis Brief. Neugierig nahm ich ihn an mich und betrachtete ihn. Mein Name stand in schwungvollen Buchstaben darauf und eine kunstvoll gebundene Schleife war drumherum angebracht. Sie hatte sich wirklich viel Mühe damit gegeben. Ich entfernte die Schleife und öffnete den Umschlag. Zum Vorschein kam ein nicht weniger schön gestalteter Zettel. In der oberen linken, und der unteren rechten Ecke waren Rosen gezeichnet, die in ein paar Ranken ausliefen. Meine Augen wanderten über ihre Worte. Lieber Yusei, ich schreibe dir diese Zeilen, um dir zu sagen, dass ich dich gernhabe. Mehr als das. Ich weiß, wir kennen uns noch nicht sehr lang, aber als ich dich das erste Mal sah, zogen mich deine klaren, blauen Augen in ihren Bann. Es ist, als würden sie mich alles andere vergessen lassen. Deine ruhige, zurückhaltende Art und dein seltenes, aber herzliches Lachen lassen mein Herz höherschlagen. Ich bin auf dem besten Weg, mich Hals über Kopf in dich zu verlieben. Vielleicht fühlst du ja auch so wie ich. Ich würde mich freuen, wenn wir uns bei einem Picknick im Park etwas besser kennenlernen können. Vielleicht am Samstag? Sag mir doch bitte, ob du Lust auf ein Date mit mir hast. In Liebe, Aki. Ich legte den Brief auf meinem Tisch ab. Natürlich schmeichelten mir ihre Worte, aber ich erwiderte ihre Gefühle nicht. Sie war die erste, die ich an dieser Schule kennenlernte. Ich fand sie nicht unattraktiv, im Gegenteil, aber sie zog mich nicht an. Wir unterhielten uns oft in den Mittagspausen oder im Musikunterricht, aber sie war für mich mehr eine Freundin als ein Schwarm. Sie war niedlich, freundlich, intelligent, fröhlich, hatte einen starken Willen. Eigentlich ganz mein Typ. Aber wenn ich in ihrer Nähe war, spürte ich kein Kribbeln im Bauch, keine Hitze, die meinen Körper durchflutete. Mein Herz schlug mir nicht bis zum Hals, wenn sie lachte. Ich spürte in ihrer Nähe kein Gefühl von Geborgenheit. Sicherheit. Nein, diese Gefühle löste eine andere Person in mir aus. Ich spürte diese Gefühle bereits. Ich war wirklich verliebt, oder? Seufzend ließ ich mich in mein Bett fallen und starrte an die Decke. Morgen werde ich ihr eine Antwort geben müssen. Wie sollte ich es ihr am besten sagen? Ich wollte sie nicht verletzen, ihr aber auch keine Hoffnungen machen. Es war zum Haare raufen. Da fiel mir etwas auf. Ich schmunzelte, fing an, leise zu lachen. Ich hatte normale Teenagerprobleme. Ich stand auf und verließ mein Zimmer. Schließlich hatte ich noch etwas vorzubereiten… Einige Zeit später ging ich zu Bett. Draußen war es schon dunkel und der Regen prasselte noch immer unnachgiebig gegen die Fenster. Hätte ich gewusst, was in der Nacht auf mich zukommen würde, ich wäre einfach wach geblieben. Ich lief durch die Straßen von Osaka, ohne ein bestimmtes Ziel. Kalin war an meiner Seite, wir unterhielten uns. Ich war fröhlich. Er verabschiedete sich. Ich war zu Hause. Sie war noch nicht da. Ein kleines Mädchen, das ihr ähnelte, stand neben mir. Ihre brünetten Haare waren schulterlang und klebten an ihrem Kopf. Sie war blutüberströmt. „Warum hast du mich nicht beschützt?“ fragte sie traurig, dann verschwand sie. Angst breitete sich aus. Ich telefonierte mit meiner Mutter. Sie war fröhlich. Ein Knall. Ein markerschütternder Schrei. Blut. Sie ist tot. Mir gefror das Blut in den Adern. Ich rief nach ihr, bekam keine Antwort. Stille. Ein Polizist stand vor mir, sah mich traurig an. Sie waren tot. Ich schrie. Dunkelheit breitete sich aus, verschluckte mich, zog mich tiefer mit sich. Mein Vater sah mich traurig an und drehte mir den Rücken zu. Ich rief nach ihm. Er verschwand. Es war kalt. Sie waren tot. Es war dunkel. Ich fühlte mich schwer, lag allein inmitten der Dunkelheit, konnte mich nicht rühren. Sie waren tot. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich saß aufrecht im Bett, meine Augen geweitet, mein Körper zitterte, ich war schweißgebadet. Ich keuchte, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Mein Herz raste. Langsam müsste ich mich doch an diesen Alptraum gewöhnen. Es war doch seit Wochen immer wieder der Gleiche. Aber ich spürte noch immer dieselbe Angst wie beim ersten Mal. Ich war verzweifelt, müde, und doch wach. Ich ließ mich wieder in mein Kissen sinken, versuchte meine Atmung zu beruhigen. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Ich hörte noch immer den prasselnden Regen an meinem Fenster, er beruhigte mich. Der Sturm in mir war größer. Es war mitten in der Nacht. Ich versuchte noch etwas Ruhe zu finden und drehte mich auf die Seite. Nur ein paar Stunden Ruhe. Ich döste ein paar Mal weg, aber konnte mich nicht mehr entspannen. Ich war zu aufgewühlt, also stand ich auf und machte das Licht an. Mein Blick fiel auf die Kartons hinter meinem Spiegel. Ich seufzte. Wieso nicht? Nach einigen Stunden war ich im Wohnzimmer und warf einen Blick aus dem Fenster. Langsam wurde es heller. Der Himmel war wolkenverhangen, riss aber an einigen Stellen auf und warf goldene Lichtstrahlen auf die Stadt. Der Regen hatte aufgehört. Es war ein wirklich schöner Anblick. Ich stand ein paar Minuten still da und betrachtete den Sonnenaufgang, der die Wolken in alle Farben tauchte. Auch der Herbst hatte den Bäumen mittlerweile ihre schönsten Farben geschenkt. Ich lächelte. Du hattest Recht. Die faszinierendsten Augenblicke sind eben doch vergänglich. Ich riss mich von diesem Anblick los und ging ins Bad, um mich für die Schule fertigzumachen. In der Mittagspause liefen alle Schüler nach draußen, um die Sonne zu genießen, die sich mittlerweile komplett gezeigt hatte. Der Himmel war nahezu wolkenlos. Ich stand bei den anderen an den Tribünen und sie unterhielten sich. In Gedanken war ich bei dem Gespräch mit Aki, aber sie war nicht bei uns. Carly sagte sie ist im Zimmer geblieben um zu telefonieren. Ob sie wohl immer noch dort ist? „Yusei?“ Ich sah auf und blickte in warme, kastanienbraune Augen, die mich sorgenvoll musterten. „Alles in Ordnung mit dir? Du bist so still.“ Ich winkte ab. „Nein, alles gut. Ich hab nur schlecht geschlafen.“ Das war nicht mal gelogen. Er musterte mich und ich erkannte an seinem Blick, dass er wusste, was los war. Ich wich seinem Blick aus und sah an ihm vorbei, zum Schulgebäude. Am Eingang entdeckte ich Aki. Sie kam auf uns zu. Das war wohl meine Gelegenheit sie anzusprechen. Jaden folgte meinem Blick. „Ah, das ist sie ja. Mit wem die wohl so lange geredet hat?“ „Hm. Entschuldigst du mich kurz?“ murmelte ich und ging auf den Rotschopf zu, ohne eine Antwort abzuwarten. Als ich ihr ein Stück entgegenkam, bemerkte ich ihre Nervosität. Sie wurde rot. „Hey, Yusei“ sagte sie leise und blickte mir mit gesenktem Kopf entgegen. Ich schmunzelte. „Gehen wir ein Stück?“ fragte ich und deutete mit dem Arm in Richtung einiger Bäume. Weg von den Tribünen, wo nicht so viele Schüler waren. Sie nickte und wir machten uns auf den Weg. „Und… Ich meine… Naja… Hast du ihn gelesen?“ druckste sie herum. Ich blieb stehen. Wir waren an unserem Ziel angekommen. Hier war kaum jemand, der uns hätte beobachten können. Ich sah sie an und nickte. Meine Mundwinkel wanderten unabsichtlich ein wenig nach oben als ich sie beobachtete. Sie zupfte an ihrem Rock und hatte Schwierigkeiten damit, meinen Blick zu erwidern. „Er war sehr schön“ setzte ich an. Nun sah sie mir gebannt in die Augen. „Ich habe mich wirklich darüber gefreut. Aber leider kann ich deine Gefühle nicht erwidern. Tut mir leid.“ Sie senkte den Blick. „Schade… Du bist der Erste, in den ich mich verliebt habe“ murmelte sie. Mein Blick wurde weicher. „Und ich werde auch nicht der Letzte sein, glaub mir.“ Sie blickte verwirrt auf und musterte mich. Ich lächelte. „Ich hoffe es ist okay für dich, wenn wir weiterhin befreundet bleiben? Ich mag dich sehr gern.“ Wieder legte sich ein Rotschimmer auf ihre Wangen. „Ich weiß wie es sich anfühlt, unglücklich verliebt zu sein… Aber weißt du was? Jim ist total in dich verknallt. Er redet nach dem Training oft von dir.“ „Bist du’s?“ „Hm?“ Ich sah sie überrascht an. „Unglücklich verliebt.“ Ich schwieg. Was soll ich darauf nur antworten? Ich weiß es ja selbst nicht genau. Sie lächelte traurig. Mein Schweigen war wohl Antwort genug für sie. „Lass uns zu den anderen zurückgehen, ja?“ Ich nickte. „Hey, da seid ihr ja wieder. Ich dachte ihr wärt getürmt“ begrüßte uns Crow und grinste. Aki kicherte „Nein, wir haben nur geredet.“ „Apropos. Mit wem hast du eigentlich so lange telefoniert?“ wollte Carly wissen. Aki stöhnte genervt auf. „Mit meiner Mutter. Sie ruft mich ständig an, wenn sie diese Geschäftsreisen antritt. Wenn ich nicht rangehe, versucht sie mir beim nächsten Mal einfach ein schlechtes Gewissen zu machen. Will jemand tauschen? Ich geb sie gern ab“ sagte sie und verschränkte ihre Arme. Ich spürte drei Blicke auf mir ruhen und ignorierte jeden einzelnen. Ich schwieg, verzog keine Miene und blickte über den Rasenplatz. Ob er bis morgen wieder bespielbar ist? Die anderen redeten weiter, aber ich blendete sie aus. Ich beobachtete einige Schüler aus dem zweiten Jahrgang. Daichi machte irgendwelche Grimassen und schien einigen anderen eine Geschichte zu erzählen. Jim warf Aki wieder verstohlene Blicke zu. Ein paar aus dem ersten Jahrgang spielten ein Kartenspiel. Sensei Ushio brüllte einige Spieler auf dem Volleyballplatz an. Das übliche Chaos. Automatisch wanderte mein Blick wieder zu Jaden. Er musterte mich noch immer besorgt. Ich seufzte. „Mir geht’s gut“ murmelte ich, sodass nur er es hören konnte, und schenkte ihm ein Lächeln. In seinem Gesicht sah man deutlich seine Skepsis, aber er bohrte nicht weiter nach. Dafür war ich ihm dankbar. * Die Sicht von Jaden * Er hatte wieder diesen Alptraum, ich sah es ihm an. Er war blass und hatte dunkle Ringe unter seinen Augen. Aber er schwieg. Ich glaube er weiß genau, dass es mir aufgefallen ist, aber ich hatte gelernt ihn nicht zu drängen. Wenn er bereit war, würde er es mir erzählen. Nach dem Fußballtraining fuhr ich mit dem Fahrrad nach Hause. Ich dachte eigentlich, mein Vater würde noch im Arbeitszimmer sitzen. Stattdessen zog er sich gerade seine Jacke an als ich ins Haus kam. „Wo willst du denn hin? Ich dachte du bist heute den ganzen Tag am PC“ fragte ich verwundert. Er seufzte. „Ich will mit dem Auto in die Werkstatt fahren. Mein Chef sagte, sie brauchen mich morgen wieder im Außendienst. Da fällt mir ein, wenn ich liegen bleibe, brauch ich eine zweite Person“ sagte er und grinste mich an. Oh nein, warum ich? Wir saßen im Auto und fuhren in die nächste Werkstatt. Es war laut, knatterte komisch und ich fühlte mich wirklich unwohl in meiner Haut. Aber wenn ich ihm jetzt schon mal den Gefallen tat und mitfuhr, hatte ich bessere Chancen auf ein Ja, was Yuseis Sache in Osaka betraf. „Sag mal, Papa?“ setzte ich an. „Wie viel weißt du eigentlich von der Sache mit Yuseis Vater?“ Er sah mich kurz überrascht an, ehe er seinen Blick wieder auf die Straße richtete. „Wäre es nicht besser, du fragst ihn deswegen selbst?“ „Er hat mir alles erzählt, ich will nur wissen, wie viel du davon weißt“ hakte ich nach. Er überlegte. „Ich weiß, dass seine Frau vor einigen Wochen bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Deine Mutter hat ihm deswegen die Stelle hier in Neo Domino verschafft, weil er raus aus Osaka wollte. Und ich weiß, dass er wegen dem Tod seiner Frau versucht hat, sich das Leben zu nehmen.“ Ich nickte. Er wusste also alles Nötige für meine Frage. „Yusei hat erzählt, dass übernächsten Montag die Gerichtsverhandlung ist. Aber weil sein Vater bis dahin noch im Krankenhaus ist, muss er da hin und eine Aussage machen.“ „Und du willst mich fragen, ob du ihn begleiten kannst“ schlussfolgerte er. Ich sah ihn überrascht an. Wie macht er das immer wieder? Vermutlich war das seine jahrelange Erfahrung als Sozialarbeiter beim Jugendamt. Schließlich musste er Menschen jeden Tag lesen. „J-Ja“ antwortete ich nur. Er nickte. War das eine Zusage? Aber er sprach weiter. „Hat er schon einen vorläufigen Vormund vom Jugendamt? Vor Gericht zählt er bis zu seinem vollendeten 20. Lebensjahr noch als Kind.“ „Ääähhhh.“ Keine Ahnung. Er lachte. „Ich frag ihn wohl besser selbst. Ich müsste natürlich alles mit deiner Mutter und meinem Chef absprechen, aber wenn das geklärt ist, übernehme ich die vorläufige Vormundschaft für ihn vor Gericht und begleite euch.“ Ich saß mit offenem Mund neben meinem Vater und brauchte einen Moment, ehe ich es begriff. Das war ein Ja! Wenn er nicht gerade fahren würde, würde ich ihm um den Hals fallen. „Danke!“ sagte ich stattdessen glücklich und grinste ihn an. Er lächelte. „Kein Problem.“ Kaum zu glauben, aber das Auto hatte es tatsächlich bis auf den Hof der Werkstatt geschafft. Hier standen schon ein paar Fahrzeuge und aus dem Inneren der Werkstatt kamen ziemlich laute Geräusche. Mein Vater ging rein und da ich nichts mit mir anzufangen wusste, folgte ich ihm. Hier standen ziemlich viele Geräte und Werkzeuge, mit denen ich absolut nichts anfangen konnte. „Na, was is bei euch kaputt?“ fragte ein verdammt großer, muskelbepackter Typ mit einem Kopftuch und kam auf uns zu. Er hatte schwarze Flecken auf seinem Muskelshirt und eine Zigarette im Mund. In seiner Hand hielt er einen ollen Lappen und wischte sich die Hände sauber. Naja, sauberer. Der Kerl war mir unheimlich. „Wenn ich das wüsste“ scherzte mein Vater. „Es ist sehr laut und ich bekomme den Gang nicht mehr richtig rein. Jedes Mal, wenn ich schalten will, gibt es im Leerlauf einen eigenartigen Ton von sich.“ „Hm, klingt nachm Getriebe“ antwortete er und sah sich um. „Sind grad unterbesetzt. Werden wohl morgen wiederkomm müssen. Das Auto könn se hier stehn lassen.“ Mein Vater stutzte. „Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass Sie sich das Auto heute noch vornehmen könnten? Ich brauche es morgen wirklich dringend.“ „Wenn se nich selbst Hand anlegen, wird das nix, sorry“ antwortete er. „Hey, Sam!“ rief ein weiterer Typ hinter ihm. „Frag doch den Burschen, dann hat er mal was zu tun. Der Kleine is schon fertig mit seinem Zeug!“ Der Kerl vor uns schien zu überlegen. „Ham se ein Problem damit, wenn wir mal nen Anfänger drüberschaun lassen? Der Kleine kennt sich schon ganz gut aus.“ „Ja, sicher. Wenn sie sagen, er schafft das.“ Der Kerl nickte und ging in ein Hinterzimmer. Ich schielte zu meinem Vater. „Der ist ja unheimlich.“ „Ach was, er war doch sehr freundlich. Lass dich nie vom ersten Eindruck täuschen, mein Junge“ sagte mein Vater und lächelte. Er und seine Weisheiten. „Jaden?“ hörte ich plötzlich eine Stimme. Ich sah in die Richtung und konnte meinen Augen nicht trauen. „Ah, Hallo Yusei, das ist ja ein Zufall. Was machst du denn hier?“ begrüßte ihn mein Vater. Er kam vor uns zum Stehen und lächelte uns entgegen. „Ich arbeite hier, und Sie? Läuft Ihr Wagen nicht mehr richtig?“ „Ja, dieser Sam sagte, es wäre wohl das Getriebe. Kennst du dich wirklich damit aus?“ Er nickte. Yusei sah sich schon zwanzig Minuten lang irgendwas im Motorraum an und schien in seiner eigenen Welt zu sein. Davor hat er sich den Wagen schon von hinten angesehen. Dann drehte er sich wieder zu uns. „Sam hat recht“ sagte er. „Wann brauchen Sie das Auto denn wieder?“ „Morgen, so gegen 13 Uhr. Was denkst du, wäre das möglich?“ Er dachte nach. „Ich will Ihnen nichts versprechen, aber ich kann es versuchen. Der Ausbau dauert ein paar Stunden, und dann muss ich es auseinanderbauen und nach dem Fehler suchen. Mit etwas Pech haben wir die Ersatzteile nicht da und müssen sie nachbestellen. Mit Glück werde ich heute fertig und Sam baut es morgen Mittag ein. Das laute Geräusch ist wahrscheinlich der Auspuff, aber das dauert nicht lange, der ist nur locker.“ Mein Vater seufzte. „Danke, für deine Ehrlichkeit. Dann hoffe ich einfach auf etwas Glück“ sagte er und wandte sich zu mir. „Na komm, Jaden. Bis zum Krankenhaus sind es nur zehn Minuten zu Fuß und die Schicht deiner Mutter endet bald.“ Ich nickte ihm zu und sah noch einmal zu Yusei. „Überarbeite dich nicht!“ sagte ich und grinste. Er lächelte zurück. „Keine Angst, werde ich nicht. Bis morgen.“ Er hob seine Hand zum Abschied und ging in die Werkstatt zurück. Zu Hause angekommen, machte ich meine Hausaufgaben und schaute danach etwas Fernsehen. Als mir langsam die Augen zufielen, hörte ich den SMS-Ton meines Handys und schreckte hoch. Ich sah auf mein Telefon. 0:28 Uhr. Die Nachricht war von Yusei. Hey Jaden, ich hoffe ich habe dich nicht geweckt. Ich bin eben fertig geworden. Sag deinem Vater bitte, dass nur die Synchronringe verschlissen waren. Die Teile hatten wir zum Glück noch da. Ich habe es gereinigt und wieder zusammengebaut. Sam baut das Getriebe morgen ein. Der Auspuff ist geschweißt und wird erstmal keine Probleme mehr machen. Gute Nacht. Es ratterte kurz in meinem schläfrigen Zustand, bis es klick machte. Er ist JETZT fertig geworden?! Alexis meinte doch, sie schreiben morgen eine Physik Klausur. Da ist er bis eben noch in der Werkstatt geblieben?! Ich flog die Treppen zum Wohnzimmer fast schon runter und zeigte meinem Vater die SMS. Er reagierte in etwa so wie ich. * Die Sicht von Yusei * Das Gute, wenn man übermüdet ist: man hat keine Träume. Ich schlief nur wenige Stunden, fühlte mich aber besser als am Vortag. In der Freistunde in der Zweiten ging ich in die Bibliothek, um wenigstens ein wenig zu lernen. Der Plan ging leider nach hinten los und ich schlief, mit dem Kopf auf den Armen abgestützt, ein. Eine sanfte Berührung auf meiner Schulter weckte mich wieder. Ich sah auf und erkannte Alexis. „Jaden sagte schon, du warst gestern ziemlich lange auf der Arbeit. Bist du sicher, dass du die Klausur schaffst? Vielleicht solltest du lieber-“ „Nein, schon okay“ fiel ich ihr ins Wort, doch mein Gähnen verriet mich. „Ich brauch vielleicht einen Kaffee, dann geht’s wieder.“ Sie stellte mir einen Pappbecher auf den Tisch und lächelte. „Er wusste, dass du das sagen würdest, deshalb habe ich vorgesorgt.“ Verdutzt schaute ich sie an. Er wusste… Was? Vielleicht schlafe ich immer noch. „Na komm, wir haben noch 15 Minuten, ehe die Stunde vorbei ist. In der Zeit trinkst du den Kaffee und ich frage dich ab, okay?“ Ich nickte und nahm das Getränk an mich. Sie ging einige Aufgaben mit mir durch, die meisten Antworten kannte ich zum Glück. Es ging um das Thema Photoneneffekte. „Na gut, letzte Frage. Nenn mir die Versuchsergebnisse beim äußeren lichtelektrischen Effekt, die mit der Wellenvorstellung des Lichtes unvereinbar sind.“ Ich erinnerte mich dunkel an das Tafelbild. „Das hängt von der Frequenz des Lichtes ab. Der-“ Es klingelte. „Wir sollten los“ sagte Alexis und klappte ihr Buch zu. Sie stand auf und ich folgte ihr. Die Klausur lief recht gut. Ein paar Berechnungen musste ich trotzdem mehrmals überprüfen, weil ich mich nicht richtig konzentrieren konnte. In Geschichte lief es auch nicht sehr viel besser. Beim Mittagessen saßen wir wieder auf der Tribüne. „Sag mal, warum siehst du eigentlich so fertig aus?“ fragte Crow. „Kurze Nacht“ antwortete ich nur und aß weiter. Jack musterte mich. „Vielleicht solltest du das Training lieber auslassen. Nicht, dass du mitten auf dem Feld einpennst.“ „Ich habe das Training gestern schon verpasst. Nächste Woche ist das erste Qualifikationsspiel und wir sollten gut vorbereitet sein.“ Crow überlegte. „Ach stimmt. Hey, Jaden. Gegen wen spielen wir überhaupt als erstes?“ „Hm?“ „Ich hab dich gefragt, gegen wen wir spielen.“ „Ach so, ja, lass mich kurz überlegen… Irgendeine kleine Schule am Stadtrand, aber ich hab den Namen vergessen.“ Kurz vor dem Training kam Jaden auf mich zu, als ich auf dem Weg zu den Umkleiden war. „Hey, kann ich kurz mit dir reden?“ „Sicher, was ist denn los?“ „Es geht um deinen Termin in Osaka. Ich hab mit meinem Vater geredet und er bittet dich nach dem Training zu uns zu kommen, um was mit dir zu besprechen“ sagte er und grinste. Ich schmunzelte. Er hat es nicht vergessen und will mich tatsächlich begleiten. Nach dem Training fuhr ich schnell nach Hause und ging duschen. Jaden war mit dem Fahrrad bedeutend langsamer als ich, also hatte ich genug Zeit. Ich kam sogar ein paar Minuten vor ihm an seinem Haus an und wartete auf ihn. Als wir eintraten, kamen Jadens Eltern mir entgegen und begrüßten mich herzlich. Sein Vater bedankte sich vielmals bei mir wegen seines Autos, maßregelte mich aber trotzdem, dass es unverantwortlich von mir war, so viele Überstunden zu machen. „Kein Problem, das habe ich gern gemacht, außerdem habe ich nächsten Dienstag dafür frei bekommen. Ihre Familie hat mir so oft geholfen, und ich hatte die Chance, mich ein wenig zu revangieren“ sagte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. „Warum wollten Sie eigentlich, dass ich herkomme?“ Seine Mutter legte ein fröhliches Lächeln auf und führte mich ins Wohnzimmer. Ich saß neben Jaden auf dem Sofa, sein Vater im Sessel gegenüber von uns und seine Mutter lehnte sich daran an. Wären nicht diese fröhlichen Gesichter um mich herum gewesen, ich hätte schwören können, jeden Moment käme die nächste Hiobsbotschaft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)