Dein rettendes Lachen von stardustrose ================================================================================ Kapitel 3: Neugier ------------------ Ich bin gestern einfach aus dem Krankenhaus abgehauen, weil ich ihre mitleidigen Blicke nicht ertragen konnte. Wie sollte ich ihnen heute in der Schule nur begegnen? Beim Gedanken daran verkrampfte sich mein Magen unangenehm. In der Küche mache ich mir mein Mittagessen zurecht und fuhr los. Ausgerechnet heute musste es ja auch anfangen in Strömen zu regnen. Auf dem Parkplatz stellte ich mein Motorrad ab. Die Maschinen von Jack und Crow waren an diesem Tag nicht zu sehen. Im Schulgebäude wuselten einige Schüler über die Gänge und unterhielten sich angeregt miteinander. Ich hatte in der ersten Stunde Wahlpflichtfach. Da Kunst und der Werkunterricht bereits voll waren, musste ich mich wohl oder übel in Musik einschreiben. Wo war denn jetzt der Musikraum? Schnell sah ich auf dem Plan nach, da überkam mich ein kalter Schauer. Meine Jacke hatte das Gröbste vom Regen von mir ferngehalten, trotzdem war meine Kleidung klamm und ich fing langsam an zu frieren. Kurz überlegte ich meine Klamotten für das Fußballtraining am Nachmittag anzuziehen, da hörte ich hinter mir eine bekannte Stimme. „Guten Morgen, Yusei“ sagte Alexis schüchtern. Ihr Bruder war an ihrer Seite und hatte den Blick gesenkt. Ich schnaubte, ballte die Hände zu Fäusten und wandte mich von ihnen ab um zu gehen, doch da meldete sich Jaden und der Klang seiner Stimme ließ mich in meiner Bewegung stoppen. „Entschuldige!“ setzte er an. Mein Herz beschleunigte sich wieder und mein Atem ging rasch. „Ich verstehe, wenn du wütend bist…“ Wütend ist kein Ausdruck. Ich kannte die Beiden gerademal zwei Tage und schon mischen die sich in meine Angelegenheiten ein! Aber seine traurige Stimme ließ die Wut verebben und machte Platz für die Leere. Meine Hände entspannten sich wieder. Ich senkte ebenfalls den Blick und stand immer noch mit dem Rücken zu ihnen gewandt. „Schon gut“ sagte ich monoton und war endlich wieder Herr meines Körpers. Ich setzte mich in Bewegung ohne mich noch einmal umzudrehen, doch konnte ich ihre Blicke in meinem Rücken spüren. Diese verfluchten, mitleidigen Blicke. * Die Sicht von Alexis * Schon rauscht er wieder ab, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Traurig blickten mein Bruder und ich ihm nach. Bevor er jedoch um die Ecke bog, hielt Crow ihn auf und schien sich kurz mit ihm zu unterhalten, dann lief er weiter. Crow kam auf uns zu. „Man, was ist dem denn wieder für ne Laus über die Leber gelaufen? Also echt, der Typ sollte sich mal entspannen!“ Ich sah ihn verwundert an. „Wieso, was hat er denn gesagt?“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Rein gar nichts, er hat mich nur ignoriert! Ich hab ihn gefragt warum er rumrennt wie ein begossener Pudel und ob er ernsthaft bei dem Wetter auf seinem Bike zur Schule kommt. Ernsthaft: bei dem Mistwetter frag ich doch meine Eltern ob sie mich fahren!“ Er schnaubte. „Will sicher nur den coolen Macker raushängen lassen!“ Die Wut in meinem Bauch ließ meine Fingerspitzen zucken und ich hätte Crow am liebsten eine Ohrfeige verpasst. Aber das hätte ich schlecht erklären können, ohne die Sache von gestern auszuplaudern. Mein Bruder war da weniger zurückhaltend. „Man, du kannst manchmal echt ein Idiot sein!“ fuhr er seinen Freund an. Schnell legte ich ihm eine Hand auf die Schulter, sah ihm in die Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf. Crow sah ihn nur fassungslos an, ehe er seine Stimme wiedergefunden hatte. „Was ist denn mit dir jetzt los?“ „Ach, vergiss es!“ schnaubte Jaden. Mein Sandkastenfreund schaute noch immer völlig verwirrt zwischen mir und meinen Bruder hin und her. Dann seufzte er. „Naja, wie auch immer, sehen wir uns heute beim Training? Der Wetterbericht sagt bis zum Nachmittag soll der Regen aufhören.“ Ganz blödes Thema, denn schon sah mein Bruder wieder am Boden zerstört aus. „Nein, diese Woche bin ich leider raus.“ „WAS? Du bist unser Kapitän, du kannst doch nicht einfach Blau machen!“ Als Jaden weiterhin still blieb, antwortete ich für ihn. „Wir haben bis Ende der Woche Klub-Verbot und Hausarrest bis Sonntag.“ Er sah mich geschockt an. „Was, du auch Alexis?“ Ich konnte seine Verwunderung verstehen. Ich war immer eine Musterschülerin und hatte noch nie Ärger bekommen, anders als mein Bruder, der eigentlich ständig wegen irgendeinem Blödsinn beim Direktor saß. Aber Klub-Verbot war eine ganz neue Strafe unserer Mutter. Sie war unheimlich sauer, als sie erfahren hat, dass wir Yusei hinterhergeschlichen waren. Ich nickte zur Bestätigung und sah auf die Uhr. „Wir müssen langsam los, der Unterricht fängt in fünf Minuten an.“ Im Musikraum angekommen, staunte ich nicht schlecht, als Yusei plötzlich mit verschränkten Armen auf einem der Stühle etwas abseits von den anderen saß. Ich hätte ihn nicht für den musikalischen Typen gehalten. Andererseits sind die restlichen Kurse sicherlich schon voll. Sollte ich mich zu ihm setzen und die Wogen etwas glätten? Aber vermutlich würde er mich nur zurückweisen. Frustriert schüttelte ich den Kopf. Bis zur Weihnachtsaufführung hatten alle Klassen der zweiten und dritten Jahrgänge gemeinsam Unterricht, um die Aufführung einzustudieren. Hinter mir kam Aki in den Raum und begrüßte mich. Als sie Yusei sah, huschte der rothaarige Wirbelwind auf ihn zu und setzte sich neben ihn. Ich musste schmunzeln. Die beiden wären wirklich ein süßes Paar. Da klingelte es, und ich suchte mir schnell einen Platz, als Sensei Fontaine, eine Frau mittleren Alters mit brünettem, immer hochgestecktem Haar, in den Raum kam und um Ruhe bat. Wie jeden Tag ging sie die Namen der Schüler durch. Als sie bei unserem schwarzhaarigen Sorgenkind ankam, stockte sie kurz und sah ihn über ihre Halbmondbrille an. „Yusei Fudo… Der Sohn von Miako Fudo?“ Alle Blicke ruhten plötzlich auf ihm, der sich sichtlich unwohl fühlte und seine geschlossene Körperhaltung beibehielt. Er wich dem Blick der Musiklehrerin aus und verneinte. Aki warf ihm einen unschlüssigen Blick zu. Sensei Fontaine stutzte kurz, machte dann aber weiter mit den nächsten Schülern. Was war das denn? Der restliche Unterricht verlief ohne Zwischenfälle, auch wenn Yusei sich aus fast Allem raushielt. Als es klingelte packten alle Schüler zusammen und stürmten aus dem großen Musikraum. Ich wartete vor dem Eingang auf ihn, um mich endlich mit ihm auszusprechen, doch zu meiner Überraschung kam Aki als letzte aus dem Raum raus und schloss die Tür hinter sich. „Wo bleibt denn Yusei?“ frage ich sie. Da schauten mich ihre großen, bernsteinfarbenen Augen fragend an. „Der ist noch drin. Sensei Fontaine wollte noch mit ihm sprechen.“ Merkwürdig. Hatte das was mit dieser Miako zu tun, von der sie vorhin geredet hat? Wenn ich mich recht erinnere, ist unsere Lehrerin ebenfalls in Osaka aufgewachsen. Aki musterte mich noch immer. „Hallo, Erde an Alexis!“ Ich schreckte kurz hoch. „E-Entschuldige ich war nur in Gedanken. Lass uns aufs Gelände gehen, du hast doch jetzt auch eine Freistunde, weil Sensei Banner sich krankgemeldet hat, oder?“ Sie nickte und zusammen gingen wir die Gänge entlang als sie die Stille durchbrach. „Sag mal, stehst du auf Yusei?“ Völlig geschockt stolperte ich kurz und konnte mich eben noch abfangen. Abwehrend hob ich die Hände. „Nein, nein! Der ist nicht mein Typ! Warum fragst du?“ antwortete ich mit einem schiefen Lächeln. Sie legte den Kopf schief „Naja, du starrst ihn die ganze Zeit an.“ Ich kann ihr ja schlecht sagen, dass ich Schuldgefühle habe, weil ich ihn mit meiner verdammten Neugier verletzt habe. „Nein, mach dir keine Sorgen“ antwortete ich nur und sah sie mit einem verschmitzten Lächeln an. „Bist du denn in ihn verknallt?“ Plötzlich wurde sie hochrot. Ertappt. Doch dann senkte sie den Blick und starrte traurig auf den Weg vor ihr. Habe ich sie gekränkt? „Hey, was ist denn los?“ versuchte ich sie aus ihren Gedanken zu reißen. Ein paar Meter des Weges sagte sie nichts, dann gab sie mir zögerlich eine Antwort. „Naja … ich dachte schon, aber dann hat er Sensei Fontaine angelogen, und sowas kann ich nicht leiden.“ „Angelogen? Er hat doch die gesamte Stunde überhaupt nichts gesagt.“ Sie blickte endlich wieder auf. „Am Anfang hat sie ihn doch nach seiner Mutter gefragt, und da hat er einfach gelogen.“ Was? „Woher willst du das denn wissen? Kennst du seine Eltern?“ frage ich überrascht. Sie schüttelte den Kopf „Nein, woher denn? Aber am Montag hat er ein Buch gelesen, und auf dem Einband standen die Namen seiner Eltern. Und so häufig kommt sein Nachname ja auch nicht vor!“ schlussfolgerte sie. Damit hat sie Recht, aber warum sollte er wegen sowas Banalem lügen? Da fielen mir wieder die Worte seines Vaters im Krankenhaus ein. ‚Er ist alles an Familie was ich noch habe‘ hatte er gesagt. Ob sie sich getrennt haben? Zumindest würde das seine kleine Lüge erklären. Als meine Eltern sich trennten, hatte ich auch eine stärkere Bindung zu Jadens Vater als zu meinem Eigenen, weswegen ich immer sagen würde er wäre mein Vater. „Alexis?“ reißt mich die Stimme der Rothaarigen wieder aus meinen Gedanken. „Man, du bist aber heute oft abgelenkt“ bemerkte sie. Dann schien sie selbst nachzudenken und ihr Gesicht erhellte sich. „Hey! Wir können ja im Internet nach ihr suchen! Carly findet doch alles raus!“ Das ist genau der Grund, weswegen Yusei sauer auf mich ist. Weil ich mich in seine Familienangelegenheiten gemischt habe! „Ich glaube das ist keine gute Idee“ sage ich bedrückt, doch sie schien mich nicht zu hören, beschleunigte ihren Schritt und bog in die entgegengesetzte Richtung des Geländezugangs ab. Verwirrt folgte ich ihr. „Hey, was hast du denn vor?“ frage ich nervös. Will sie das wirklich machen? Sie drehte sich kurz zu mir. „Bibliothek! In der Freistunde treibt sich doch Carly immer dort rum!“ „Hör mal Aki, ich glaube wirklich, dass das keine gute Idee ist. Er wird sicher sauer sein!“ entgegnete ich ihr als ich wieder zu ihr aufgeschlossen hatte. Dafür, dass sie kleiner ist als ich, hat sei ein ganz schönes Tempo drauf! „Ach was!“ trällerte sie „Warum sollte er? Wenn er die Wahrheit sagt, finden wir ja doch nichts raus. Wenn er gelogen hat, werde ich ihn mal darauf ansprechen.“ Ganz schlechte Idee. Wie soll ich ihr das nur verständlich machen? Bis gestern wäre ich von diesem Vorschlag selbst begeistert gewesen. Aber es war schon zu spät, denn wir waren an unserem Ziel angekommen und Aki hatte Carly schon gesichtet und ihr Anliegen geschildert. Die bebrillte Schwarzhaarige war natürlich sofort Feuer und Flamme. Wenn aus der nicht mal eine kleine Reporterin wird. Sie setzte sich sofort an den Rechner und klickte sich durch ein paar Seiten. Nach einigen Minuten drehte sie sich zu uns. „Ich habe eine Miako Fudo gefunden“ flüsterte sie. „Sie ist anscheinend eine kleine Berühmtheit in Osaka. Sie scheint Pianistin zu sein!“ Wahnsinn, was sie in so kurzer Zeit alles rausfindet. „Aber es kann trotzdem sein, dass das nicht Yuseis Mutter ist! Am besten wir vergessen die Sache wieder!“ versuchte ich einzulenken. Da drehte sich Carly zu mir und musterte mich argwöhnisch. „Also bitte, wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit dafür? Name und Stadt passen doch! Und dann noch der Einband seines Buches!“ Langsam bekomme ich Bauchschmerzen. Sie widmete sich wieder dem Bildschirm und klickte sich durch ein paar Artikel. „Hmm… Der hier ist schon etwas älter. Hier steht sie ist Einzelkind einer angesehenen Musikerfamilie… Ach herrje! Sie wurde verstoßen, weil sie einen Mann aus der Mittelschicht geheiratet hat. Dass es sowas heutzutage noch gibt!“ Dann schloss sie die Seite wieder und scrollte weiter. Aki deutete aufgeregt auf einen Link. „Oh, schau mal da! Das ist ein Video von einem Auftritt!“ Schnell klickte Carly darauf und reichte uns die Kopfhörer. Zerknirscht aber neugierig nahm ich sie an mich und setzte sie auf. Am unteren Bildrand konnte man ein Publikum erkennen. Der größte Teil des Bildes wurde aber von einer kleinen Bühne ausgefüllt. Sie war leer, bis auf einen glänzenden, schwarzen Flügel mit einer kleinen Bank davor. Am linken Bildrand erschien eine wirklich schöne, junge Frau, mit dunkelbraunem Haar, dass sie hochgesteckt hatte. Sie trug ein einfaches, weißes Kleid, dass sich von dem schwarzen Instrument hinter ihr abhob. Ihre tiefblauen Augen sahen exakt aus wie die von Yusei, das konnte ich nicht abstreiten. Sie verbeugte sich und nahm Platz. Dann begann sie zu spielen. Es war eine wunderschöne, melancholische Melodie, die mir eine Gänsehaut bescherte. Auch Carly und Aki starrten wie gebannt auf den Clip. Wir hörten das Lied bis zum Ende. Als sie fertig war, setzte sie zu einem neuen Lied an, da kam ein kleiner, schwarzhaariger Junge auf die Bühne gerannt. Aus dem Publikum hörte man Getuschel und Gekicher. Der Kleine war nicht älter als sechs Jahre und strahlte die Frau mit großen, blauen Augen und einem entzückenden Lächeln an. Diese Frisur aber war unverkennbar. „Ooooohhh! Ist das Yusei?“ fragte Aki mit roten Wangen und einem belustigten Grinsen. Carly kicherte. „Sieht ganz danach aus, und ich glaube auch nicht, dass das zum Auftritt gehört!“ Der Kleine krabbelte auf die Bank neben die Frau, die ihn erst verwirrt, dann aber liebevoll ansah. Sie schenkte ihm ein atemberaubendes Lächeln und flüsterte ihm etwas zu, woraufhin der Kleine ebenfalls freudestrahlend grinste. Dann nahm sie ihn auf ihren Schoß und legte seine Hände auf das Klavier. Der Junge schien begeistert und sah noch einmal zu seiner Mutter hoch, die das Lied anspielte. Wenn man die Augen schloss, hörte man nicht einmal, dass da zwei Personen spielten, geschweige denn, dass die zweite Person ein kleines Kind war. Es war ein heiteres Lied und als es endete, hob die Frau den Kleinen von ihrem Schoß. Er bekam einen schallenden Applaus vom Publikum. Ich musste schmunzeln, als ich sah wie der Junge rot wurde und den Blick senkte. Dann sah er fast schüchtern zu seiner Mutter, die ihm bekräftigend zunickte. Er strahlte, verbeugte sich und verließ wieder die Bühne. Carly stoppte das Video, setzte die Kopfhörer ab und drehte sich zu mir um. „Na? Willst du immer noch abstreiten, dass das Yuseis Mutter ist?“ Ich seufzte und legte ebenfalls das kleine Gerät ab. „Nein, aber es geht uns trotzdem nichts an, warum er gelogen hat!“ Sie machte eine Schnute. „Na schön, aber es würde mich wirklich interessieren, warum er das abstreitet.“ „Mich auch!“ warf Aki ein. „Ich meine, er sah so glücklich aus!“ Wieder wurde sie etwas rot im Gesicht. Zugegeben das war ein wirklich niedlicher Auftritt und man sah, dass diese Frau den Kleinen liebt, aber da war Yusei noch ein Kind. Aki sah mich mit einem Grinsen an. „Ob er immer noch spielen kann? Vielleicht wollte Sensei Fontaine deswegen mit ihm reden!“ Ich überging die Frage und schüttelte verzweifelt den Kopf. „In den Jahren zwischen diesem Video und heute ist sicher viel passiert. Vielleicht haben sich seine Eltern getrennt und er lebt seitdem bei seinem Vater. Vielleicht ist er sauer auf sie oder so, aber noch einmal: das geht uns nichts an!“ Während meiner Moralpredigt schloss Carly die Seite und widmete sich wieder einigen Artikeln. Ich war schon kurz davor zu platzen, da zog sie die Luft schnell ein und hielt sich die Hand vor den Mund. Aki wirkte verwirrt unsere Freundin so zu sehen. „Hey Carly, was ist denn los?“ fragte sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Auch ich sah besorgt zu ihr und dann zu dem Artikel. Doch bevor ich ihn lesen konnte, hörte ich eine ruhige, tiefe und irgendwie bedrohliche Stimme hinter mir, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Was genau macht ihr da?“ Schnell drehten wir uns um und sahen in tiefblaue Augen, die nur zu Schlitzen geformt waren. Yusei hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah jeden von uns mit einem unergründlichen Blick an. Als seine Augen jedoch auf mir ruhten, wurde er missbilligend und fast schon kalt. Ich schluckte. Langsam beugte er sich an Carly vorbei, die zur Salzsäule erstarrt war, und schloss mit einem Klick alle Tabs. Währenddessen murmelte er ihr leise irgendetwas ins Ohr. Ich konnte es nicht verstehen. „Was habt ihr euch denn überhaupt angesehen?“ Ich zuckte zusammen. Erst jetzt bemerkte ich, dass Crow und Jack ebenfalls mit ihm die Bibliothek betreten hatten. Crow schien auf eine Antwort zu warten. „Ähm …“ setze Aki an, wurde jedoch von Yuseis Blick zum Schweigen gebracht. Oh man, jetzt ist er nicht nur sauer auf mich, sondern auch auf Aki und Carly. Er wandte sich schon ab zum Gehen, hielt aber in seiner Bewegung inne. „E-Es … tut … mir Leid!“ schluchzte Carly. Yusei drehte sich noch kurz um, sah sie mit einem emotionslosen Blick an und ging. Jack trat sofort an die Seite seiner Freundin und nahm sie in den Arm. „Was entschuldigst du dich denn?“ fragte er verwirrt und sah unserem schwarzhaarigen Mitschüler hinterher. „Hey! Was hast du ihr gesagt, dass sie sich jetzt so scheiße fühlt?!“ Yusei ignorierte Jack, da kam auch schon die etwas ältere Bibliothekarin um die Ecke. „Junger Mann! Brüllen Sie hier gefälligst nicht so rum, das ist eine Bibliothek!“ Geknickt sah ich zu Jack. „Er hat nichts falsch gemacht, sondern wir.“ „Hey, wenn er ein Problem hat, soll er gefälligst auch mit der Sprache rausrücken! Der Kerl sagt ja nie was!“ schaltete sich Crow ein. Ich blitzte ihn wütend an, was ihn zurückschrecken ließ. „Habt ihr ihn nicht Anfang der Woche auch so behandelt?“ Wie ein angeschossener Hund murmelt er irgendwas in sich hinein, war abgesehen davon aber still. Bis kurz vor dem Klingeln sahen wir Yusei nicht wieder. Auch zum Mittagessen war er spurlos verschwunden, was meinen Bruder ziemlich verstimmte, wollte er doch eigentlich mit ihm reden. Carly war nicht mehr ganz so aufgelöst, aber die gesamte Pause über still. In den letzten beiden Stunden ignorierte Yusei mich, und zum Schlussklingeln hatte er fast fluchtartig den Raum verlassen. Ich seufzte. Das wird wohl eine Weile dauern, ehe er wieder mit sich reden lässt. Allerdings frage ich mich wirklich warum Carly so aufgelöst war. * Die Sicht von Yusei * Endlich hörte ich das erlösende Klingeln der Schulglocke, die das Ende des Tages verkündete. Leider hatte ich ja noch ein Versprechen gegeben, nach dem Unterricht das Fußballteam zu trainieren. Ich fand durch Zufall heraus, dass Sensei Ushio eigentlich dafür verantwortlich war, aber der hatte sich dazu entschlossen sich dem Baseball-Team zu widmen und nur ein- oder zweimal im Monat nach dem Rechten zu sehen. Ich packte schnell meine Sachen, ehe mich Alexis wieder in ein Gespräch verwickeln konnte und ging zu den Umkleiden. Tatsächlich war ich schon der Erste auf dem Platz, weswegen ich die Zeit nutzte um ein paar Runden zu laufen. Es war ein befreiendes Gefühl meine Wut, die sich über den Tag angestaut hatte, endlich loszuwerden. Ich habe über die Sache mit meinem Vater hinweggesehen, aber dass dieses Mädchen wirklich weiterbohrt nehme ich ihr übel. Auch, dass sie ihre Freundinnen mit reingezogen hatte. Ich hoffe Carly hält ihren Mund, anscheinend hat sie den offenen Artikel als Einzige gelesen. Irgendwann kamen auch die restlichen Schüler auf dem vom Regen aufgeweichten Platz an und waren neugierig, wie das Training verlaufen wird. Erstaunlicherweise hörte die Mannschaft tatsächlich auf meine Anweisungen, selbst Jack und Crow, die mich seit meinem feindlichen Auftritt in der Bibliothek wieder ignorierten. Wenn man den Anderen erstmal sagte was sie machen mussten, waren sie gar kein so hoffnungsloser Haufen wie ich dachte. Allerdings bezweifelte ich wirklich, dass sie es bis zur Regionalmeisterschaft schaffen würden. Jede Wette gewinnen wir nicht einmal eines der Qualifikationsspiele. Ich erinnerte mich noch daran, dass es letztes Jahr schon ein hartes Stück Arbeit war in die Regionals zu kommen, und mein altes Team war bedeutend besser in Form. Nach dem Training legte ich ihnen noch einige Übungen ans Herz und ging schnell zu den Umkleiden, dann zum Parkplatz. Plötzlich wurde ich von Jack und Crow aufgehalten. „Raus mit der Sprache! Warum ist meine Freundin seit der Sache in der Bibliothek so traurig? Was zur Hölle hast du ihr gesagt?“ fauchte Blondschopf mit einem bissigen Unterton. „Sie hat sich in meine Angelegenheiten eingemischt, da habe ich ihr nur gesagt sie soll den Mund halten“ sagte ich resigniert. Plötzlich spürte ich einen Schmerz an meiner Wange, und ich musste mich an meinem Motorrad abfangen, um nicht zu fallen. Der Kerl stand wutentbrannt vor mir, die Hände zu Fäusten geballt, Crow hielt sich zurück. Na schön, den einen Schlag lasse ich ihm durchgehen, weil Carly sich wegen mir schlecht fühlt. Ich rappelte mich auf, nahm meinen Helm an mich und sah ihn ausdruckslos an. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, aber sein Körper zitterte nicht mehr vor Wut. Er ließ die Hände sinken. Anscheinend hatte er sich wirklich schnell wieder abreagiert. „Schön. Kann ich jetzt losfahren?“ sagte ich. Seine Antwort war lediglich ein Schnauben, dann rauschte er ab. Ich hatte mich innerlich schon auf eine Prügelei gefasst gemacht und war überrascht als die beiden plötzlich gingen. Soll mir recht sein, ich wollte nur noch ins Bett. Irgendwie fühle ich mich nicht so gut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)