Brandnarben von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Eine Weile lang liege ich einfach da, versuche, wieder einzuschlafen. Ohne Erfolg. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass ich jetzt hier bin, in dieser Klinik. Vielleicht finde ich hier endlich jemanden, der mir hilft… Dann höre ich, wie sich die Zimmertür öffnet und jemand den Raum betritt. „Mr. Wells? Ihre Eltern sind da. Sie warten im Besuchszimmer.“ Dieses Mal unterdrücke ich den Drang, diese Aussage zu kommentieren. Richte mich auf und öffne die Augen, was mir erstaunlich schwerfällt. Ich will nicht aufstehen…doch der abwartende Blick der vor mir stehenden Pflegerin zeigt mir, dass ich nicht wirklich eine Wahl habe. Sie wartet, bis ich aus dem Bett bin und meine Schuhe angezogen habe. Dann führt sie mich den Gang entlang, vorbei an einem offenen Raum, in dem einige Leute sitzen, bei denen es sich vermutlich um andere Patienten handelt. Am Ende des Flures befindet sich ein weiteres Zimmer, durch dessen Glastür ich Nancy und meinen ‚Vater‘ erkennen kann. Nancy sieht mich ebenfalls. Sie hebt eine Hand, sagt dabei etwas zu ihrem Mann, der sich daraufhin zu mir dreht. Wie automatisiert hebe ich ebenfalls die Hand. Kaum habe ich den Besucherraum betreten, legt Nancy die Arme um mich und drückt mich an sich. Eine Geste, die vermutlich beruhigend wirken soll, aber das genaue Gegenteil bewirkt. Ich fühle mich einfach bloß unwohl… und der Satz, den Nancy von sich gibt, als sie mich endlich loslässt, mach das noch viel, viel schlimmer. „Was sollte das denn? Kann man dich denn überhaupt nicht alleine lassen?“ Ich antworte nicht. Ich wüsste nicht, was… „Hast du eine Ahnung, was diese Fahrt im Krankenwagen kostet?“, fügt mein ‚Vater‘ hinzu. Er mustert mich, und in seinen Augen ist nichts als Kälte. Augenblicklich verkrampfe ich mich, starre zu Boden. Nein, ich habe keine Ahnung. Aber ich habe auch nicht darum gebeten, hier hergebracht zu werden. Eine Tatsache, die ich definitiv nicht laut aussprechen werde. Stattdessen murmle ich mit leiser, brüchiger Stimme: „Nein… tut mir leid…“ „Wir reden zuhause darüber“, erwidert Nancy, dann greift sie hinter mich und hält mir meine Jacke hin. „Jetzt zieh dich an, damit wir fahren können.“ „…Fahren?“ Ich schaffe es nicht ganz, meine Überraschung zu verbergen. Ich hatte damit gerechnet, dass die beiden hier seien, um mich zu besuchen. Mir vielleicht ein paar Sachen vorbeizubringen. Nicht, um mich sofort wieder mit nach Hause zu nehmen. Die Pflegerin, deren Anwesenheit ich vollkommen vergessen hatte, die jedoch noch immer in der Tür steht, scheint ähnlich erstaunt zu sein wie ich. „Uhm, Ma’m“, beginnt sie. „Ich würde nicht unbedingt raten, dass er sofort geht. Wir können noch nicht sagen, wie stabil er ist, und…“ „Das haben wir alles schon geklärt“, unterbricht Nancy sie, in ihrem ganz speziellen Tonfall, der zeugt, dass sie keinerlei Widerspruch dulden wird. „Die Oberärztin hat gesagt, die Verletzungen sind nichts Ernstes. Er hat sich bloß etwas aufgeregt. Kein Wunder, bei dem, was er gemacht hat.“ Bei den letzten Worten wirft sie mir einen scharfen Blick zu, und ich wünschte, ich könnte mich einfach in Luft auflösen. Kurz sieht die Pflegerin aus, als würde sie noch etwas sagen wollen, Nancy widersprechen… Dann jedoch nickt sie bloß. „Wie sie meinen, Ma’m. Dann wünsche ich Ihnen alles Gute.“ „Dankeschön…“, murmle ich, während die Pflegerin bereits dabei ist, sich umzudrehen und zu gehen. „Wiedersehen“, ergänzt Nancy. Wieder hält sie mir auffordernd meine Jacke hin, und diesmal nehme ich sie und ziehe sie mir über. Während wir den Besuchsraum verlassen und den Flur entlang zum Fahrstuhl gehen, hält Nancy mich am Arm fest. Als hätte sie Angst, dass ich jeden Augenblick zusammenbreche. Oder weglaufe. Ich kann nicht abstreiten, dass dieser Gedanke einen gewissen Reiz besitzt. Weglaufen. Einfach weg, egal, wohin, und niemals mehr zurückkommen… Niemand spricht ein Wort, während wir das Klinikgebäude verlassen, in Richtung des Parkplatzes gehen, und uns dort ins Auto setzen. Es ist dunkel, und es regnet noch immer – oder schon wieder, ich weiß es nicht. Weiß noch nicht einmal, ob es noch dieselbe Nacht ist, oder ob vielleicht mindestens ein Tag vergangen ist, seit ich hier hergekommen bin… Ausdruckslos starre ich aus dem Fenster, während Nancy den Wagen vom Parkplatz auf die Fahrbahn lenkt. Betrachte die Regentropfen, die die Scheibe herabrinnen. Lege die Finger an das Glas und fahre ihre Spuren nach. „Du hast Hausarrest“, höre ich Nancy sagen, ihre Stimme dringt dumpf durch den Schleier, der mich umgibt. „Himmel, hast du eine Ahnung, wie du uns erschreckt hast? Wie oft haben wir dir schon gesagt, dass du nicht mit Feuer spielen sollst? Und dass du überhaupt nicht reagiert hast, als wir dich angesprochen haben! Ich dachte, du hättest einen epileptischen Anfall oder so! Gottseidank, dass es nichts Schlimmes war!“ Nichts Schlimmes. Natürlich. Bloß ein kleiner Nervenzusammenbruch, nichts weiter. Nichts, worum man sich Gedanken machen müsste. Ich lehne meinen Kopf an das Fenster, schließe die Augen. Konzentriere mich ganz auf das Prasseln des Regens und das Brummen des Automotors. Es ist alles gut, alles normal. Vielleicht ein wenig kompliziert, aber nicht unlösbar. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Und während ich so dasitze, merke, wie die Erschöpfung wie eine Flutwelle über mir zusammenbricht und ich langsam wegdrifte, stelle ich mir einmal mehr diese Frage… Wofür bin ich überhaupt noch hier? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)