Der letzte Sieg von BuchTraumFaenger (Böse Vorahnung) ================================================================================ Kapitel 28: 28. Elternglück --------------------------- Entgeistert starrten die Freunde in den Korb, der teilweise mit Stroh gefüllt war. Po konnte sich das alles gar nicht erklären. Er hatte doch genau gesehen, wie die Krähe die Eier in die Schlucht geworden hatte. Das konnte er sich doch nicht eingebildet haben. Was war mit den zerbrochenen leeren Eierschalen? Die chinesischen Zeichen waren doch da drauf gewesen… „Ja, wie denn… wo denn, wie, warum, ich dachte, die waren doch… ich hab doch gesehen…“ Po war so verwirrt, dass er sich auf den Boden setzen musste und an seinen Fingernägeln herumkaute. Er verstand das Universum nicht mehr. „Also, gehören die jetzt ihnen oder nicht?“, fragte der kleine Widder ungeduldig, dem der Korb in den Ärmchen langsam zu schwer wurde. „Wo haben Sie sie denn gefunden?“, fragte Tigress, der Pos verwirrter Zustand extrem leidtat. Seufzend stellte der Widder den Korb auf den Boden ab. „Ach, mein Kumpel und ich hatten uns im Gebirge verfranzt. Dabei fanden wir das hier zwischen ein paar Felsen versteckt.“ „In der Schlucht?“, hackte Mantis nach. Der Widder schüttelte den Kopf. „Nö, irgendwo oberhalb und…“ Er brach ab. Po war wie vom Blitz getroffen aufgesprungen und raste davon. „SHEN!“ Shen, der immer noch seine Frau im Arm hielt, schien die Welt um sich herum vergessen zu haben. Umso überraschter war er, als der Panda ihm einfach aus der Umarmung riss und ihn mit großen Augen ansah. „Bitte sage mir, dass ich nicht träume!“, flehte Po ihn an. Der Lord verstand überhaupt nicht, was der Panda meinte. „Wovon redest du da?“ Doch statt einer Antwort zerrte Po den weißen Pfau einfach mit sich mit, dicht gefolgt von Yin-Yu. Auch Xia, die die ganze Zeit noch mit der Wahrsagerin diskutiert hatte, wurde erst jetzt auf den ganzen Trubel aufmerksam. Nur Sheng blieb wie immer die Ruhe selbst. Po schob den weißen Pfau so grob vor sich her, dass der Lord fast ins Stolpern geriet. Als sein Blick auf den Korb mit den Eiern fiel, starrte er fassungslos darauf. Sie waren genau mit denselben Zeichen nummeriert wie seine Frau sie draufgemalt hatte. Yin-Yu presste sich die Flügel auf den Schnabel. Sie fühlte sich wie in eine unendliche Tiefe fallen. Xia stützte ihre Mutter schnell von der Seite ab, obwohl sie selber nicht wusste, was sie sagen sollte. Doch irgendwann schaffte sie es doch ein Wort über die Schnabellippen zu bringen. „Mutter, sind das etwa deine?“ „Nein!“, schrie Shen und schob den Korb von sich. Der Widder konnte gerade noch verhindern, dass der Korb umkippte, was den Umstehenden einen erschrockenen, erstickten Schrei entlockte. Doch der Lord kümmerte sich gar nicht darum, was um ihn herum passierte und drehte sich zur Wahrsagerin, die seinen bösen Blick verängstigt auffing. „Das hast du doch eingefädelt!“, fuhr Shen die Ziege an. „Du denkst wohl, ich weiß nicht, was du hinter meinen Rücken treibst. Oder hast du das etwa wieder vorausgesehen?!“ Die Ziege zog den Kopf ein, wobei sie ihren Oberkörper so tief neigte, dass sie Mühe hatte sich auf dem Gehstock zu halten. „Shen, ich schwöre dir bei meiner Seele, sowas würde ich nie wagen. Hätte ich es vorausgesehen, dann hätte ich es dir nie verschwiegen. Ich hab mir selber den Eid geschworen, nie wieder in deine Zukunft zu sehen. Nie wieder. Wie hätte ich etwas davon ahnen können?“ Shen schnaubte vor Wut und verengte die Augen. „Und wie erklärst du dir dann das hier?!“ Sein Blick fiel auf den Panda. Doch dieser wehrte vehement ab. „Ich hab nichts gemacht! Ehrlich! Ich hab nichts gemacht! Ich weiß auch nicht, was hier los ist.“ Verzweifelt schaute Po sich nach allen Seiten um. In seiner Not wandte er sich an den Widder und seinem Yak-Freund zu. „Jetzt sagt doch mal, wo ihr sie herhabt?“ Doch der Widder zuckte nur die Achseln. „Wie gesagt. Wir haben sie in den Bergen, in der Nähe der Stadt Yin Yan gefunden. Dort erkundigten wir uns nach den Besitzern. In der Stadt identifizierte eine Dame namens Xinxin die Eier und sie meinte, wir müssten sie sofort nach Gongmen bringen. Das war alles.“ Eine Stille breitete sich im Raum aus. Alle waren verwirrt. Keiner konnte sich das erklären. Besondern Shen konnte und wollte die Fakten nicht akzeptieren. „Das ist unmöglich!“, stieß er atemlos hervor. Yin-Yu, die einen näheren Blick auf das Gelege wagte, musste ihm jedoch widersprechen. „Nein, sieh doch. Nicht nur die Bemalung ist gleich. Hier, das Ei mit der Nummer drei hatte eine leichte graue Linie an der Seite. Das weiß ich noch ganz genau.“ Sie sah zu ihrem Mann. Dieser sah sie nur entgeistert an. Dann, zu Überraschung aller, sank der Lord auf die Knie. Mit einem Flügel hielt er sich den Kopf, mit dem anderen stützte er sich auf dem Boden ab. „Das kann nicht sein, das kann nicht sein.“ „Das muss ein Wunder des Universums sein“, hauchte Po. „Anders kann ich mir das nicht erklären.“ „Ach, ich sage euch, das war die schlimmste Reise, die wir je gemacht haben“, schaltete sich der kleine Widder wieder ein, wobei er sich über die Stirn wischte. „Mit all der ganzen Vorsicht, die wir leisten mussten. Noch dazu die Kälte. Zum Glück hat mein Kumpel ein dichtes Fell.“ Shen zuckte zusammen, als Sheng und Xia sich neben ihn gesellten und ihn an den Schultern fassten. Der Lord sah zu ihnen auf. Als er in die Augen seiner älteren Kinder blickte, schüttelte es in ihm das Suchen nach einer Antwort ab. Ob das Universum es doch gut mit ihm gemeint hatte? „Hey, Leute!“, rief Po plötzlich. „Bilde ich es mir nur ein, oder hat das Ei einen Riss?“ Alle Augen starrten auf das Gelege. Tatsächlich. Das Ei mit der aufgemalten Nummer zwei war an der Oberfläche zersprungen. Schnell hob Yin-Yu den Korb auf und trug ihn zu einem Tisch, der fast in der Mitte des Raumes stand. Dort stellte sie ihn ab, damit auch alle sich drumherum versammeln konnten. Alle hielten den Atem an. Mit einem Mal entstand ein kleines Loch in der Schale. Ein Schnäbelchen lugte aus dem Loch hervor. Er war hellgrau. Ein schwaches Piepsen war zu hören. Und mit ein paar Ruckeln brach das Ei auseinander. Das Küken kippte erschöpft zur Seite. Sprachlos sahen alle auf es herab. Es war weiß. Noch weißer als Shen. Da war keine andere Farbe in seinem Gefieder. Sogar die Füße waren im Gegensatz zum Vater vollständig weiß-rosa. Nur der Schabel war grau. Zwar etwas heller, aber grau. Als das Pfauenküken blinzelnd die Augen öffnete, schauten ihnen silberne Pupillen entgegen. Besorgt beugte sich Yin-Yu zu ihm runter und strich dem Neugeborenem über das noch feuchte Gefieder, in dem noch Stroh drin klebte. „Hat jemand ein Handtuch?“, fragte sie. Sofort trat die Ziege an sie heran und hielt ihr ein Tuch entgegen. Dankbar nahm die Pfauenhenne es ihr ab. Anschließend schob sie die leeren Eierschalen beiseite und rieb das Baby trocken, wobei das Küken vergnügt quietschte. „Es ist ein Mädchen!“, rief sie. „Ich habe eine Schwester!“ Xia war völlig außer sich vor Freude und beobachtete wie ihre Mutter das Küken anschließend in eine kleine Decke einwickelte, wo es mit den kleinen Füßchen strampelte. Sachte nahm Yin-Yu das Baby in die Flügel und wiegte es. „Sieh mal. Das ist dein Vater.“ Shen war wie erstarrt, als seine Frau ihm seine Tochter vorhielt. Er hatte auf einmal ein Gefühl, das ihm auf den Magen schlug. Es rief ihn ihm wieder die Zeilen in ihrem Brief hervor, den sie ihm vor so vielen Jahren geschrieben hatte. Hatte sie sich doch so sehr gewünscht, zu sehen, wie er ihr Baby in den Flügeln hielt. Yin-Yu schien seine Gedanken erraten zu haben und hielt ihm das Baby entgegen. Der Lord wagte kaum zu atmen. Normalerweise wusste er immer, was er wollte und tat. Dennoch war er aufgeregt. Würde das Baby ihn mögen? Behutsam nahm er ihr das Bündel ab. Das Baby quiekte leise. Mit halboffenen Augen legte es den Kopf in den Nacken und sah zu dem großen weißen Pfau auf, während Shen auf sie herunterschaute. Seine Tochter. Er wusste gar nicht wie er sich verhalten sollte. Noch dazu vor so vielen Leuten. Das Baby begann sich in der Decke zu rekeln und gähnte. Ihr erstes Gähnen. Dann knabberte sie ihre noch kleinen Fingerfederchen an. Sachte schob Shen seine Fingerfederspitzen an ihren Schnabel. Die Kleine schniefte kurz. Als sie bemerkte, dass die großen weißen Fingerfedern nicht ihre waren, streckte sie ihre kleinen Flügel danach aus und hielt sie fest. Der weiße Lord konnte nicht verhindern, dass sie sie in den Mund steckte. Während seine Tochter seine Federspitzen anknabberte, musste er lächeln. „Wie soll sie denn heißen?“, fragte Po neugierig. Noch ehe jemand einen Vorschlag machen konnte, ging Yin-Yu dazwischen. „Ich habe schon einen Namen.“ Po drückte die Handflächen aneinander. „Oh, und welchen?“ „Shenmi.“ Verwundert sah Shen sie an. „Shenmi? Aber sie hat doch deine Augen. Warum nicht sowas wie Yin-Yin?“ Doch sie schüttelte den Kopf. „Nein. Sie ist wie du.“ Lächelnd strich sie dem Baby über die Stirn. „Vielleicht ist sie sogar du.“ „Shenmi“, murmelte der Lord bedächtig und blickte auf seine kleine Tochter herab, die in seinen Flügeln lag. „War das der Name, den du dir ausgesucht hattest?“ Die Pfauenhenne lächelte ihn an und Shen hatte seine Antwort. Hatte sie gehofft, dass eines der Kinder so aussah wie er? Yin-Yus Blick fiel auf Po, der sich über die Augen rieb. Anscheinend bekam er die Augen heute nicht mehr trocken. „Möchtest du sie auch mal halten?“, fragte sie. Po sah überrascht auf. „Darf ich das?“ „Warum nicht. Er darf doch, oder?“ Fragend sah Yin-Yu Shen an. Dieser zögerte zunächst. Doch dann gab sich der Lord einen Ruck und hielt dem Panda das eingewickelte Baby vor. Po machte große Augen. „Wirklich? Wow.“ Vorsichtig nahm er sie in die Arme. Das Baby war fast schon eingeschlafen. Als es den Panda sah, gluckste es unsicher. Doch Po lächelte es an und das Baby schien halbwegs beruhigt zu sein. Seine fünf Freunde schauten ihm über die Schultern und betrachteten das weiße Küken. Monkey konnte nicht anders und wedelte mit seinen Fingern über ihr, sodass es quietschend die Flügel danach aussteckte. Shen war noch etwas angespannt. Doch als er den Flügel seiner Frau an seinem Flügel spürte, entspannte er sich wieder. Seufzend besah er sich das Bild und fragte sich, wie sich wohl seine Eltern bei seiner Geburt gefühlt hatten. Er selber war auch weiß. Von daher war es für ihn normal. Was würde nur aus dem Kind werden? Vielleicht trug sie diesen Namen zurecht. Sie wird bestimmt mal was ganz Besonderes. „WO IST ER?! WO IST ER?!“ Im nächsten Moment donnerte Meister Tosender Ochse mit brutalen Schritten in den Raum. Denn mittlerweile hatte man auch sie im Kerker aufgegabelt und davon überzeugen können, dass für die Stadt aktuell keine Gefahr mehr drohte. Dafür aber jetzt wohl eine andere. Wutschnaubend ging der Meister direkt auf Shen zu. Dieser stieß Yin-Yu schnell zur Seite und ging in Verteidigungsstellung. Er war jederzeit bereit einen Angriff des Kung-Fu-Meisters abzuwehren. Xia und Sheng stellten sich schützend neben ihre Mutter. Selbst Po wurde bei der Wut des Ochsen ganz bleich um die Nasenspitze. Dicht hinter dem Ochsen kam Meister Kroko hastig hinterhergerannt. „Bitte beruhige dich doch!“ Doch Meister Ochse stieß seinen Kollegen einfach zur Seite und bäumte sich gefährlich vor dem weißen Lord auf, wobei er ihm drohend die Fäuste zeigte. „Habe ich dir nicht gesagt, nie wieder zurückzukommen?!“ Shen verengte die Augen. „Ich habe es nicht vergessen“, zischte er. „Ich habe es stets im Gedächtnis behalten.“ Zaghaft tippte Meister Kroko dem Ochsen auf die Schulter. „Kumpel, bleib doch…“ „Halt die Klappe!“, schrie der Ochse ihn an. „Ich werde ihm schon zeigen, wo sein Platz ist!“ Meister Ochse wollte gerade zuschlagen, als… „Entschuldigung.“ „WAS?!“ Erschrocken wich Po zurück, als er Ochse ihn so anbrüllte. Doch dann nahm er all seinen Mut zusammen. „Kannst du sie vielleicht mal halten?“ Noch bevor der Ochse wusste wie ihm geschah, hatte Po ihm auch schon das Kükenmädchen in die Hufe gedrückt. „Was…?“ Meister Ochse war völlig von der Rolle, als er auf das weiße Küken blickte, dass angefangen hatte zu weinen. Verwundert schaute Meister Kroko ihm über die Schulter. „Oh! Wie süß! Was ist das?“ „Das ist Shenmi“, antwortete Po. „Was ist eine Shenmi?“ „Das ist ihr Name.“ „Das ist meine Tochter“, antwortete Shen zaghaft, aus Sorge, der Ochse könnte ihr wehtun. Das Weinen des Mädchens war inzwischen in ein leises Schluchzen übergegangen. „Und das ist meine Frau. Und meine zwei älteren Kinder.“ Meister Kroko wurde von dem Wort „älteren“ Kinder völlig irritiert. „Zwei ältere Kinder? Woher denn?“ Po kicherte. „Oh, oh, oh, oh, wow, wow, wow… das ist eine sehr, sehr lange Geschichte.“ Alle Augen wanderten zu der kleinen Shenmi. Die Kleine hatte noch nie ein Tier mit Hörnern gesehen und versuchte danach zu greifen. Meister Ochse hatte alle Mühe das weiße Küken in der Decke festzuhalten, damit es nicht rauskrabbelte. „Jetzt mal ehrlich, Kumpel“, versuchte Po die Situation zu beruhigen. „Er hat gerade eine Tochter bekommen. Willst du, dass sie noch ohne Vater aufwächst?“ Die düsteren Augen des Ochsen wanderten zu Shen, der inzwischen von Yin-Yu, Xia und Sheng umgeben stand. Shens Blick war weder ängstlich noch zornig, dennoch bahnte sich eine Anspannung zwischen Pfau und Ochse an, die einen ganzen Wald in Brand hätte stecken können. Meister Kroko hingegen rührte diese Vorstellung zutiefst und musste schniefen. „Na ja“, meinte das Krokodil. „Das wäre doch unfair gegenüber der Kleinen…“ „Moment mal! Moment mal!“, schaltete sich Meister Ochse schroff ein und schüttelte heftig den Kopf. „So geht das hier aber nicht! Er ist und bleibt ein Verbannter der Stadt! Er hat dagegen verstoßen und muss dementsprechend bestraft werden. So steht es im Gesetz der Stadt Gongmen, schwarz auf weiß auf dem Pergament.“ „Äh, meinst du das Häufchen Asche im Hinterhof?“ „Was?!“ Meister Ochse rannte ans Fenster, wo Po nach draußen zeigte. In der Ferne in der Nähe der Palastmauer war noch eine leichte Rauchsäule zu sehen. Dem Ochsen fiel fast die Kinnlade runter. „Was zum…? Wer war das?!“ „Nun ja“, meinte Po kleinlaut. „Offensichtlich hat Xiang das Wort „Aufräumen“ falsch interpretiert.“ Schnell wandte der Ochse sich ab und rannte zum Hof runter, ohne dabei zu bemerken, dass er Shenmi immer noch in den Hufen trug, die vergnügt quietschte. „Shenmi“ ist der chinesische Name für „geheimnisvolles Mädchen“. Die Auflösung über das rätselhafte Auftauchen der Eier folgt später. ;-) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)