Caught Cold von Komori-666 ================================================================================ Kapitel 21: ------------ Wie lange war er nun schon in diesem Dorf? Waren es Tage, oder vielleicht schon Wochen? Jeder Tag wirkte so gleich. Alles wirkte so … ungestört. So friedlich. So normal. Für dieses Dorf war alles so normal. Für ihn nicht. Er gehörte hier nicht her. Kakashi gehörte hier nicht her. Ob Kakashi dieses Dorf mit ihm verlassen würde? Oder würde Obito alleine nach Hause gehen müssen? Würde Kakashi ihn verlassen? So viel Zeit und noch immer wusste er gar nichts. Noch immer nagten die Zweifel an ihm und noch immer konnte er nicht ein einziges Mal aufatmen. Man ließ ihn nicht aufatmen. Wieso änderte sich denn nichts? Müsste es nicht endlich einen Fortschritt geben? Irgendeine Veränderung? Würde er aufatmen können ginge es Kakashi besser? Wenn Kakashi aufwachen würde und nicht mehr der Gleiche wäre, würde er dann dennoch aufatmen? Würde er atmen wollen, wenn Kakashi starb? Wenn die Zweifel ein Ende hätten? Selbst der Hokage hatte keine weiteren Aktionen anordnen lassen. Wieso denn nicht? Kümmerte es ihn nicht? Wusste der Hokage etwas, das er nicht wusste? Enthielt man ihm etwas vor? War es bereits zu spät? Was wäre die bessere Alternative? Jetzt sterben, oder dabei zusehen wie es mit der Zeit allmählich weiter bergab ging? So wie alles auf dieser Welt ab einem gewissen Punkt verrotten musste. Der Hokage wollte den Hatake zuerst verlegen lassen. Er wollte ihn in Konoha wissen. Er wollte die Kontrolle übernehmen. Er wollte sie beide nicht in diesem kleinen Dorf wissen. Ein Dorf von dem keiner wirklich wusste, ob es überhaupt qualifiziert war. Ob die hiesigen Künste es mit den Wunden eines Nin-Ja aufnehmen konnten? Kannten sie diese Art von Verletzungen? Aber Shisui hatte in einem Schreiben formell seinen starken Charakter einmal mehr zur Schau gelegt. Schwarz auf Weiß hatte er dem Hokage klar gemacht, wer er war und wo er lernte. Was Sache war und was die Grenzen des Schwachsinns überrollte. Wie es Kakashi Hatake wirklich ging und was die Möglichkeiten waren. Kakashis Möglichkeiten. Sarutobis Möglichkeiten. Und zu guter Letzt Obitos Möglichkeiten. Mit Grüßen von Shisui und unterzeichnet vom Chefarzt. Zumindest hatte Misami ihm das so berichtet. Misami, die eigentlich schweigen sollte. Misami, die im Zweifelsfalle immer für Obito war. Misami, die Obito sagte, dass Shisui klipp und klar zu Schrift getragen hatte, dass Kakashi mittlerweile tot wäre, hätten sie ihn wirklich verlegen lassen. Tot in dem Moment, in dem man ihm von den eingerichteten Funktionalitäten getrennt hätte. Und der Hokage wurde umgestimmt. Und er hatte das Leben seines Schutzbefohlenen in fremde Hände gelegt. Und an manchen Tagen, an den guten Tagen, da dachte man, Kakashi hätte es geschafft. Er hätte eiserne Balance bewiesen und wäre nicht dem Tod von der Klippe gesprungen. Er könnte jetzt aufwachen. Es wäre geschafft. Aber an anderen Tagen, an den Tagen, an denen Obito vor der Zimmertür verweilte und starr vor Angst nicht wusste wohin, da dachte man es wäre genug. Dem Leiden solle ein Ende gesetzt werden. Der Kampf wäre vorbei, die Grenzen erreicht. Und dann waren diese Tage, an denen passierte gar nichts. Noch immer wusste Obito nicht, welche Tage die schlimmeren waren. Die falsche Hoffnung? Der Stillstand? Die Panik, dass die Ärzte die Niederlage akzeptierten? Aber am Ende – so hatte Obito meist gewiss – stand alles still. Am Ende des Tages, oder auch erst am neuen Morgen, stand die Zeit wieder still. Wieso passierte denn nichts? So viel Zeit, in der der Uchiha seinen Kollegen immer besuchte. Bei ihm blieb, redete oder stillschweigend nach Kakashis Reaktionen und seiner eigenen Hoffnung suchte. Oder einfach nur vor der Tür sitzen blieb. So viel Zeit, die er nun schon mit Ren und dessen Familie zusammenlebte. Nur seinen Sensei hatte er in der Zwischenzeit gesehen. Nur dieses eine vertraute Gesicht. Und Kakashis. Aber dieses war blass und regungslos. Kakashis Anblick war nichts, was er als vertraut bezeichnen würde. Auch Minato konnte ihm nichts sagen. Nur, dass sie daran arbeiteten. Aber an was? Er hielt das Warten kaum aus. Man musste doch irgendetwas tun können. Konnte denn das mächtige Dorf versteckt hinter den Blättern nichts weiter tun, als ‘daran zu arbeiten’? Und an was? Und wieso so lange? Und wer arbeitete daran?? Man konnte Kakashi doch nicht sich selbst und den Geräten überlassen... Er dachte jeden einzelnen Tag an Kakashi, und daran, was er ihm angetan hatte. Dass das alles seine Schuld war. Aber… würde Kakashi auch so denken? Würde der Hatake ihn einfach so vor sich hin vegetieren lassen, oder wäre er besorgt? Was hätte Kakashi gemacht, hätten die Messer ihn, Obito, durchbohrt? Nun... Zunächst wäre Kakashi bestimmt nicht wahrlos durch den Wald gerannt, oder hätte die Messer aus dem Fleisch gezogen und Blutungen ausgelöst, die er nicht kontrollieren hätte können und bestimmt…. Oder hätte der Maskierte ihn keines weiteren Blickes gewürdigt und seine wertvollen Gedanken nicht weiter an den kleinen Uchiha verschwendet, der bis dato sein Sharin-Gan nicht aktivieren konnte? Hätte er die Mission eiskalt fortgesetzt? Was verloren war, war wohl verloren, oder? Und immerhin besagten die Regeln, die Kakashi so liebte… Argh! Das machte ihn alles so wahnsinnig! Konnte Kakashi nicht bitte einfach aufwachen und alles wäre wie früher?! Wieder war er auf den Weg zum Krankenhaus. Er kannte den Weg schon, nahm es sich jedoch nicht, aufs Neue jede Einzelheit auf der Straße zu betrachten. Es war eigentlich wirklich schön hier. Wenn man es so betrachtete, passte dieses hochmoderne Krankenhaus hier, in dieses alte, gemütliche Dörfchen, nicht rein. Es störte den Frieden, den dieses Dorf so problemlos bewahrte. Es störte vor allem seinen Frieden. Wieder stand er vor dem Eingang, wartete darauf, dass die Glastür sich vielleicht selbst öffnete – was natürlich nicht passierte. Die Schultern straffend und mit einem tiefen Atemzug drückte er die Türe auf. Es war wieder Misamis Schicht, sie war die Empfangsdame. Und Krankenschwester... oder irgendwie so etwas. Obito schätzte sie sehr. Misami begrüßte ihn jedes Mal mit einem warmherzigen Lächeln, wenn er kam – ganz gleich mit welcher Laune er eintrat, wie gestresst alle herumwirbelten und welche Patienten im Wartezimmer den Sterbenden mimten. Aber es war nicht nur das. Misami tat das, was die Ärzte nicht konnten. Die Gelehrten konnten und wollten dem jungen Uchiha keine Information über Kakashi geben. Nur an die Familie. Oder in diesem Falle den vom Hokage autorisierten Minato. Nicht einmal Shisui wusste Bescheid. Er sei zu jung, zu grün hinter den Ohren und überhaupt nicht erfahren genug, um bei den Großen mitzureden. Aber Misami hingegen wusste Bescheid. Die ältere, alteingesessene Misami wusste alles. Die Ärzte kannten sie, sie vertrauten ihr und natürlich mussten sie ihr die täglichen Berichte an und wann überreichen, damit alles in Reih und Glied abgeheftet und verstaut werden konnte. Und sie war gütig. Sie hatte Mitleid mit Obito. Normalerweise würde sie die Regeln nicht brechen, aber ihrer Meinung nach hatte der arme Junge Auskunft verdient. Dieser Fall war eine Ausnahme, wie er in keinem Buch hätte beschrieben werden können. Sie selbst hatte mitangesehen, wie die beiden hier zum ersten Mal einen Fuß in die Eingangshalle gesetzt hatten. Also berichtete sie ihm alles, was die Mediziner über Kakashis Befinden berichteten. In einfachen Worten. Ohne Hoffnung, ohne Verzweiflung. Ohne Pessimismus und ohne der brutalen Realität. Misami hatte dieses spezielle Talent mit Menschen umzugehen. Und egal, was die Dame dem Uchiha erzählte, der junge Kämpfer musste in ihrer Anwesenheit nicht mit sich selbst kämpfen. Er konnte ruhig bleiben und hörte ihr einfach nur zu. Vielleicht waren es an den schlechten Tagen ihre Kommentare zu den Ärzten (mit denen sie gnadenlos ins Gericht ging), die ihn über Wasser hielten. Die Ärzte, die sie bereits durch die Gänge huschen sah, als sie alle noch weit entfernt von dem waren, was sich als Arzt auszeichnete. Die Ärzte, die nach jedem Fehltritt wussten, dass sie an Misami nicht vorbeikamen. Dass am Ende des Tages Misami da war, die die Patienten und auch ihre Angehörigen vertrat und jedem Arzt klar vor Augen führte, für wen sie arbeiteten. Nicht für ihren Chef. Nicht für sie. Für all die Menschen, die hier reinkamen und noch hofften. „Hallo Obito! Na, wie geht's uns heute?“ „Ich glaube ganz... ok.“ „Das ist schön, freut mich.”, sie blieb ruhig. Selbst die betrübte Stimmung Obitos hatte sie noch nicht ein einziges Mal aus der Reserve gebracht. „Und wie geht es deiner Wunde?“ „Meine… Wunde?“, Er stockte kurz, musste überlegen auf was Misami hinauswollte. Eine Wunde? Welche Wu- „Die Wunde an deinem Bein, Junge. Aber wenn du dich nicht einmal mehr daran erinnern kannst, dann sah es wohl wirklich sehr viel schlimmer aus, als es tatsächlich war. Nicht, wie ich annahm.” „Oh, ach so… Ja, stimmt. Man merkt kaum noch etwas… denke ich.” Die Wahrheit war, dass es ihm gleich war. Er hatte keinen Gedanken daran verschwendet. Er hatte daran gedacht, wie es Kakashi ging. Ob Kakashi Schmerzen hatte. Ob er unbewusst doch alles mitbekam und sie alle wussten es nur nicht. Ob, ob, ob, ob… er dachte an so vieles, aber gewiss nicht an seine eigenen Wunden. Sie waren da – oder eben auch nicht. Misami, die genau erkannte, nach was Obito eigentlich strebte, wollte ihn auch nicht länger auf die Folter spannen. „Du willst bestimmt wissen, wie es Kakashi geht?“, Sie lächelte ihn warmherzig an, sah ein einfaches Nicken seitens Obito als Antwort. „Heute ist wieder mal einer der Tage, an dem es ihm besser geht. Die Minderheit der ihn behandelnden Ärzte macht sich sogar große Hoffnungen. Es wird aber auch heftig dagegen gesprochen. Sie sind sich wie immer nicht einig, aber das kennen wir ja bereits. Hmm... “ Sie schmunzelte kurz, legte die Papiere in ihrer Hand auf den passenden Stapel und sah nun aufgeweckt Kakashis Besucher an. „Na, wie wär's, wenn ich dich später auf etwas Süßes einlade? Ich habe in einer halben Stunde Pause.“ Diesmal war das Lächeln auf Obitos Seite, auch wenn er zunächst über den Themenwechsel verwundert war. „Klar, gerne! Darf ich noch zu…?“ „Warte noch ein paar Minuten, die halbe Ärztekammer steht gerade wieder im Raum und macht ihren Unmut und ihr Unwissen kund.“ Bei dem Satz verdrehte sie die Augen, als würde sie sagen wollen, 'Da einer alleine anscheinend es nicht schafft Werte abzulesen und auf Papier zu bringen'. Obito verstand. Er wusste mittlerweile, dass alles, was wirklich zählte und wichtig war, bereits früh morgens und am selbigen Abend passierte. Alle weiteren Besuche waren vielleicht für die Ärzte wichtig, hatten aber nicht zwingend etwas mit Kakashis Zustand zu tun. Dank Misami war er bestens aufgeklärt. Als sie ihm das das erste Mal über den Ärztebesuch erzählt hatte war er im Nachhinein wie aufgelöst gewesen. Das war für Misami damals Klärungsbedarf genug und somit führte sie ihn die wichtigsten Abläufe und Besuche auf, die diese Einrichtung so mit sich brachte. „Na gut, dann eben später.“ So sehr, wie anfangs, stand er nicht mehr neben sich. Er hatte sich adaptiert. Er konnte alle Informationen, die ihm Misami aushändigte, fassen. Seine Gedanken waren etwas klarer und er konnte hin und wieder sogar eine Entscheidung treffen. Und wenn er jetzt seinen Kameraden nicht besuchen konnte, dann war das auch kein Weltuntergang mehr. Dann fühlte er sich nicht mehr verloren in den Weiten des Krankenhauses. Dann fiel er nicht in das Loch der Apathie. Dann blieb er einfach noch ein bisschen neben Misami sitzen und sah ihr zu. Fast automatisch suchte seine Hand ihren Weg in seine Hosentasche. Wie sie auch automatisch nach einem Kunai greifen würde. Dabei ging es gerade nur um ein paar Münzen für einen kleinen Snack. Als er das harte Metall an seinen Fingern spürte, stockte er. Er wusste nicht wieso, aber genau in diesem Moment hatte er kristallklar vor Augen, was ihn hier her trieb. Wieso er Tag ein Tag aus hier war. Als hätte man ihn in der Zeit zurückversetzt. Er hatte es direkt vor Augen. Er konnte es fühlen. Flashback „Ich....ich...“ „Sag's einfach, wird dich schon niemand hassen und außerdem erfährt es hier draußen ohnehin niemand.“ „Na ja, du...“ „Obito...!“, wieder ein leises, genervtes Knurren seitens Kakashis. „Hetz' nicht.“ Und wieder nur dieses kleine, aggressive Raunen des Hatake. „Na ja... ich...“ „Alles klar. Du bist verliebt. Und weiter?“ „Ja. Das ist ja genau das Problem.“ „Na und? Jeder weiß, dass du in Rin verliebt bist.“ Er richtete sich auf, verschränkte die Arme. „Nein, nicht in Rin, du Idiot.“ „Sondern?“ Er wurde ruhiger, fordernder und auf seltsame Weise auch neugierig. „In...“ Der Uchiha sah betrübt zu Boden, es wirkte, als hätte sich ein dunkler Schatten auf sein Gesicht gelegt. Bedauern, Schmerz und Traurigkeit.   Als hätte er jemanden verloren.   „...dich.“ Es war alles seine Schuld. Und egal wie sehr er es auch wollte, er konnte es nicht rückgängig machen. Es war geschehen. Würde er Kakashi jemals wieder in die Augen sehen können? Würde er die Möglichkeit dazu haben? Würde Kakashi ihm das erlauben? Würde das Schicksal ihm das erlauben? Selbst wenn... hätte er den Mumm dazu? Er wollte es, aber auf der anderen Seite… es war alles seine Schuld. Er hatte schon oft etwas ausgefressen und es war ganz gewiss nicht das erste Mal, dass er wusste, dass es seine Schuld war. Aber dabei ging es nie um das Leben seines Freundes. Ob sich Kakashi an alles erinnern könnte? An das Wichtigste? An diese paar Eckpunkte und das kalte Metall, das danach seinen Rücken durchbohrte? Shisui hatte es beim Abendessen mal erwähnt. Diese Möglichkeit. Diese Option, dass Kakashi sich eventuell an nichts erinnerte. Doch… Obito war nicht dumm und auch nicht naiv genug um zu glauben, dass Kakashis Gedächtnis nicht nur dort Lücken aufweisen würde, wo er, Obito Uchiha, sich das wünschte. Aber wünschte er sich das wirklich? Was würde er tun, wenn sich Kakashi nicht mehr an ihn erinnern konnte? An Sensei Minato? An Rin? An Konohagakure? Wäre das nicht auch eine Form von sterben? Seine Hand verweilte in seiner Hosentasche. Die Lust auf einen Snack war ihm redlich vergangen und es wunderte ihn nicht im Geringsten. Es wäre ohnehin nur ein unnützer Zeitvertreib gewesen. Nur, um ein paar Minuten zu überbrücken. Um nicht immer nur tatenlos dem Geschehen zusehen zu müssen. Mit schweren Schritten kehrte er zu Misami zurück und steuerte auf den Stuhl neben der Dame zu. Die Krankenschwester wollte auch gerade zu Wort ansetzen, als sie vom Schallen des Telefons unterbrochen wurde. Beide zuckten sie etwas vor der Lautstärke des Apparats zurück. „Nanu, wer hat das denn so laut gestellt..?“ „Da wollte bestimmt einer sichergehen, dass der Hörer auch mit Sicherheit abgehoben wird“, tadelnd sah der junge Uchiha zu Misami, welche gespielt unschuldig den Hörer abnahm. „Misami.“ Mehr sagte sie nicht. Kein 'Hallo', kein Stationsname, keine Lust zu erfragen mit wem sie das Vergnügen hatte. Wozu auch, Obito hatte schnell bemerkt, dass absolut jeder sie kannte. Jeder respektierte sie. Vor allem andere Schwestern fragten sie gerne um Rat, denn das war deutlich angenehmer, als den vorgesetzten Arzt um Auskunft bitten zu müssen. Bevor er sich versah hatte die ältere Dame auch schon wieder aufgelegt. „Das ging ja schnell.“ „Das ist auch gut so.“, erwiderte sie nur resigniert und griff nach ihrer kleinen weißen Kaffeetasse. „Wer war es denn?“ „Na du bist ja neugierig!“, mit einem sanften Lächeln führte sie die Tasse an Ihre Lippen, hinterließ erneut feine Spuren ihres Lippenstiftes. „Ach im Übrigen, ich denke du kannst jetzt langsam mal hoch gehen. Ich warte hier auf dich.“, Misami zwinkerte Obito noch zu, welcher sich das nicht zweimal sagen ließ. Sofort war er aufgestanden, bereit sich den Weg durch das Krankenhaus zu bahnen. Der qualvollste Weg, der ihn seit seinem ersten Mal noch nicht ein einziges Mal leichter gefallen war. Ein Labyrinth aus Alpträumen, die man seinem schlimmsten Feind nicht wünschte. Bedacht setzte er einen Fuß vor den anderen. So wie er es immer tat, wenn er diese Gänge entlang schritt. Tagtäglich. Jedes Mal, wenn er sich der Schuld stellte. Seiner Schuld, seiner Angst, seiner Panik, der Enge in seiner Brust. Kakashi. Auf seinem Weg begegnete er einer kleinen Gruppe Ärzte. Oft übte Obito sich darin in deren Gesichtern zu erkennen, ob es ein guter oder schlechter Tag war. Manchmal wollte ihm das gelingen, manchmal waren sie ein Buch mit sieben Siegeln. So wie Kakashi, aber bei seinem Kameraden frustrierte es ihn lediglich, wenn er dessen Launen nicht im Ansatz erahnen konnte. Hier in diesem Krankenhaus jagte es ihm eine Heidenangst ein. Überspielten sie ihre Miene, weil es einem Patienten schlecht ging? Weil es nicht voran ging? Weil sie nicht weiter wussten? Oder wollten sie lediglich falschen Hoffnungen vorbeugen? Wie viele Menschen lagen hier wohl in der gleichen Lage wie Kakashi? Wie viele Angehörige gab es hier, die sein Leid teilten? Konnte er sich überhaupt als ein Angehöriger einstufen? War er nicht eher der, der dies alles verschuldet hatte? Er hatte leise und bedächtig geklopft. Höflich und zurückhaltend. Wie man es nicht von ihm kannte. Er hatte gewartet. Ruhig und geduldig. Wie man es nicht von ihm kannte. Er hatte auf Antwort und Einlass gewartet. Wie man es nicht von ihm kannte. Er hatte keine Antwort bekommen. Wie er es nicht anders kannte. Würde alles zu seinem Normal zurückkehren, wenn er handelte, wie immer? Wie man es von ihm kannte? Nein. Wahrscheinlich würde er damit Öl ins Feuer schütten. Wäre es fair, wenn er sich normal verhalten würde? Hatte er ein Recht darauf? Nichts hiervon war normal. Für ein 'Normal' brauchte es sein Dorf Konohagakure. Es brauchte den Hokage, Sensei Minato, Rin und Kakashi. Laut stampfend und streitend auf die Tür zuzulaufen, ungefragt einzutreten und durch den vorherigen Lautstärkepegel bereits angekündigt worden zu sein - dafür brauchte es Kakashi. Zu lachen, zu schmollen und Herausforderungen zu finden und zu akzeptieren brauchte Kakashi. Langsam und so geräuschlos wie es ihm möglich gewesen war hatte er die Tür geöffnet und war ins Zimmer getreten. Alles war wie immer. Der Geruch, die Farben, das trostlose Gefühl, das ihn wie jedes Mal wie ein Schlag ins Gesicht traf. Und der Tod, der scheinbar nur darauf wartete, Eintritt gewährt zu bekommen. Seine Nackenhaare stellten sich auf, der kalte Schauer kroch genüsslich seinen Rücken entlang. Dann setzte er sich in Bewegung und näherte sich dem weißen Stuhl neben dem einzigen Bett mit dem einzigen Patienten innerhalb dieser vier Wände. Er wirkte so...nicht lebendig. Obito schaffte es nicht, seinen Blick aufzurichten. Wäre das nicht respektlos? Widerlich? Zu gaffen und zu starren, die Privatsphäre eines anderen so wüst zu missachten und dessen Leid als eine Art... Sensation zu betrachten? Eine Sensation des Schreckens... Das würde er nicht wagen. Diese Absicht hatte er nicht. Nie. Wenn er Kakashi sah, dann sah er seinen Freund, den er brauchte, um dessen Abwesenheit er trauerte, der seinetwegen litt und... Obito würde es nicht wieder gut machen können. Sein Kamerad, Kakashi. Der, der auf eine ganz eigene Weise in dessen Leben getreten war und auf ihn achtete. Sein Trainingspartner. Sein Maßstab, sein Konkurrent und ewiger Feind sowie Freund. Der, der mit diesem abwertenden Blick zu seinem Fenster hineinsah, um herauszufinden, was Obito so lange trieb. Der ihn brutal weckte, wenn er verschlafen hatte und der Rin und Obito zu seinem Abendessen einlud, wenn seinen Teamkameraden die Neugier zu Kopfe gestiegen war. „He...Hey, Kakashi. Ich bin's wieder, Obito. Ich bin mir nicht sicher, ob du jetzt nicht viel lieber etwas Ruhe hättest, aber ich bleibe nicht lange, versprochen. Das darf ich gar nicht, sagen die Ärzte. So wenig äußere Reize, wie möglich, sagen sie. Aber... auch wenn du sagst, du kannst uns nicht leiden und willst deine Ruhe vor uns haben, kann ich nicht glauben, dass ...dass... na ja… Weißt du, Rin vermisst dich bestimmt. Sie ist in Konoha und ganz allein mit Sensei Minato. Sie sah so traurig aus, als ich sie zum letzten Mal sah. Wir sollten zu ihr - nach Hause - gehen, findest du nicht auch? Versteh mich nicht falsch, ich werde dich nicht hetzen. Du kannst dir Zeit lassen, ich werde einfach warten. Hörst du? Dieses Mal werde ich auf dich warten. Und wenn du mich dann nicht sehen möchtest, dann... dann kann ich das auch verstehen. Aber lass uns zumindest Rin diesen Gefallen tun, ja? Sie wartet bestimmt auf gute Nachrichten von uns, meinst du nicht auch? Rin macht sich doch immer so viele Sorgen um uns... na ja, für gewöhnlich nur um mich, nicht dich. Du weißt bestimmt, was ich meine...” „Da bist du ja wieder! Das ging aber flott, ist alles in Ordnung?“ „Na, Sie sagten doch, Sie hätten in einer halben Stunde Pause. Ich wollte Sie nicht warten lassen.“ Denn diesen Fehler hatte er bis jetzt immer getan. Die wichtigsten Personen hatte er warten lassen. Und ihnen dann Ausreden aufgetischt. Wäre seine Beziehung zu Kakashi besser gewesen, wenn er immer pünktlich zum Training erschienen wäre? Obwohl... wahrscheinlich eher nicht. Kakashi war ein alter Angeber und er schon immer der Held der Stunde. War es nicht so? Wollte er es nicht immer so haben? Hätte sich denn nicht aber der Held opfern müssen? Mit seinem Eigen seine Nahestehenden schützen müssen? War es nicht sein Körper, der von dem kalten Metall hätte durchbohrt werden müssen? All das Blut... er schluckte schwer, doch noch bevor sich seine Erinnerungen weiter verstricken konnten hörte er Misamis vertraute Stimme mit ihm reden. „Na, bereit von einer alten Dame ausgeführt zu werden?“ „So alt sind sie doch bestimmt auch wieder nicht.“, die Krankenschwester schmunzelte und hob tadelnd einen Finger, „Na, alt genug, dass du mich mit 'Sie' ansprichst. Wenn du möchtest, dass ich mich jünger fühle, dann musst du schon 'Du' zu mir sagen.“ sie zwinkerte ihrem jungen Begleiter schelmisch zu und setzte sich dann bereits in Bewegung. Obito hatte sie vorsichtshalber am Arm genommen und mit sich gezogen. Nicht, dass er noch dachte sie würde in in die Krankenhauskantine einladen. „Komm, junger Mann. Ich kenne da ein sehr schönes Plätzchen!“ ~ ~ „Na, schmecken dir unsere Daifuku?“, fragte Misami mit einem dieser herzlichen Lächeln, bei dem sich einfach jeder wohlfühlen musste. Obito saß vor der weißen Süßigkeit und begutachtete die restlichen zwei Bällchen, die noch auf seinem Teller verharrten. Das kleine Eckcafé, in welches Misami ihn mitgenommen hatte, hatte sich bei der Präsentation der Süßspeise so viel Mühe gegeben, dass Obito es schon fast als schade erachtete es anzutasten. Geschweige denn aufzuessen. Wenn es doch nur nicht so lecker wäre... „Ja, sehr, aber... das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“ „Doch, ich fand schon. Das hast du dir verdient“. Verdient? Was hatte er sich denn bitte verdient nach allem was passiert war? Es war doch alles seine Schuld gewesen? Misami war so gütig mit ihm... dennoch lief es dem Uchiha kalt dem Rücken runter, wenn er sich vorstellte, was passierte würde sie es erfahren. Würde Sensei Minato es erfahren... er schluckte hart. „Ich, ähm...danke nochmal!“ „Nun hör schon auf. Wie oft willst du dich denn noch bedanken?“, hatte er es nun wirklich schon so oft getan? Er wollte nachzählen, doch er konnte es nicht. Er fühlte sich Misami gegenüber dankbar, aber auch schlecht. Er war mit Gedanken so weit entfernt und hatte viel gar nicht so wirklich mitbekommen. Auf der anderen Seite war sie so gütig und barmherzig gewesen und er hatte sich mit ihr wohl gefühlt. Und sie hatte ihre Pause für ihn geopfert. Und dennoch, heute konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Was war denn nur los? Er fühlte sich so wie an seinen ersten Tagen in diesem Dorf. Verloren. Mit den Gedanken Saltos schlagend und Abhänge herunter rauschend. Wieso heute? Wieso konnte er das nicht abstellen. Er wollte die Vergangenheit nicht ruhen lassen, soweit ginge er nicht. Das hatte er gar nicht verdient. Nur einen kleinen Moment der Ruhe wünschte er sich. Nur so viel, dass er Misami mit dem Respekt und Anstand gegenüber treten konnte, der ihr galt. Die Aufmerksamkeit, die er ihr gerne schenken würde. Geschenkt hätte, die Einladung war ja bereits... Moment. War er ihr den ganzen Weg zurück zum Krankenhaus gefolgt?! „Nanu?!“ „Ist es dir gar nicht aufgefallen? Na, so was. Ich hatte mich schon gewundert, warum du mich soweit begleitest. Möchtest du jetzt nach Hause gehen?“ „Nun, wenn ich schon mal da bin... ist die Besuchszeit schon vorbei?“ Immerhin hatte Misami ihre Pause mit einem verheißungsvollen Zwinkern leicht überzogen. „Nein, nein. Geh nur, wenn du schon mal hier bist.“ „Danke, Misami!“, er lächelte leicht, auch wenn es seine Augen nur zu gewissen Teilen erreichte. „Es war ein sehr schöner Tag und es war wirklich lecker!“ „Aber gerne, mein kleiner Kavalier. Das wiederholen wir bei Gelegenheit! Und nun auf, auf! Dein Freund wartet bestimmt schon.“ Wenn es doch nur so wäre.... Aber Kakashi würde nicht auf ihn warten. Ganz egal, welches Szenario er gedanklich durchspielte. Nicht ein Mal mehr würde Kakashi Hatake, sein Kamerad, auf ihn warten. Die Karten hatte er in dem Moment verspielt, als er den Mund aufgemacht hatte. Aber ganz gleich, wie dem auch sein mochte. Er würde auf Kakashi warten. Und wenn er der letzte war, der darauf wartete. Bedächtig bahnte er sich seinen Weg durch die farblosen Gänge des Gebäudes, die ihn mit ihrem Geruch, dem Gefühl der Befangenheit und dieser seltsamen letalen Hektik nach wie vor abschreckten. Erneut hatte er an der Tür so sanft wie möglich um Einlass gebeten. Vergebens. Natürlich. Als hätte er es anders erwartet. Doch zum einen wollte er die Hoffnung nicht aufgeben und zum anderen...so gehörte es sich doch, oder nicht? Geständnisse inmitten eines Schlachtfeldes hatten sich nicht gehört. Das wurde ihm auf die nur schmerzlichste Art und Weise klar gemacht. Und dann... es war ein Wunder, dass er ausgerechnet mit Shuichi damals auf der Straße kollidierte. Doch der Fall und der noch schlimmere Aufprall...er schluckte. Wie immer hatte er es vermasselt. Auf ganzer Linie. Einmal mehr zu Kakashis Ungunsten. Wenn man das so gelinde überhaupt ausdrücken durfte. Als er eintrat vermied er den Blick zu Kakashi, konzentrierte sich vorerst auf die Bodenfliesen. Manchmal wollte er nicht starren, manchmal machte es ihm Angst. Unheimliche Angst. Hier in diesem Raum zu sein war ein Alptraum. Hier in diesem Raum zu stehen und Kakashi zu sehen war die Hölle auf Erden. Die grausame Realität. Tief atmete er ein, hob den Blick. Eigentlich war es recht hell hier drin. Die Fenster waren ausreichend groß und ließen das warme Licht der Sonne das Zimmer so viel freundlicher wirken. Was Kakashi wohl sehen würde, könnte er zum Fenster hinausblicken? Er hatte es selbst nie getan. Eigentlich war es zweitrangig. Er vernahm das regelmäßige, fast rhythmische Geräusch der Geräte, die Kakashi bis jetzt am Leben gehalten hatten und dies nach wie vor taten. Ohne so manche von ihnen wäre Kakashi eigentlich schon... soweit durfte er gar nicht denken. Langsam ließ er sich auf den Besucherstuhl nieder, sank auf Kakashis Augenhöhe. Das war schon etwas fairer. Zumindest wollte er sich das einbilden. Was sollte er jetzt machen? Er wollte Kakashi nicht schon wieder die Ruhe rauben und ihn voll quasseln. Er hatte auch Angst seine Hand zu nehmen. Durfte er das? Also, würde Kakashi ihm das erlauben? So nahe standen sie sich nicht, waren sich nie gestanden. Würden wahrscheinlich nie... ach, was soll's. Letztendlich hob er den Blick, wollte seinen Kameraden ansehen, sich der Realität stellen. Immerhin war es alles seine Schuld. Das Eisengestell des Bettes, die Matratze, das Kopfkissen und zuletzt trat auch Kakashi in sein Blickfeld. Seine Bewegung erstarrte, die Luft wich aus seiner Kehle. Was zur...? Vor Schock wich er zurück, taumelte und hörte, wie der Stuhl hart zu Boden fiel. Das konnte doch nicht...? Aber... das...?! Er konnte nicht atmen, spürte seine Augen, die sich vor Unglauben immer weiter öffneten. Ein Schweißtropfen ran entlang seiner Schläfen die Haut entlang, stellte sich den Härchen, die sich ihm aufstellten tapfer zur Wehr. Ihm wurde abwechselnd heiß-kalt. War das... die Realität? Das konnte doch nicht. Nein, das...aber... Ungläubig wich er zurück. Verfolgt von den halbgeöffneten, leeren Iriden, die an jeder seiner Bewegung hingen. War das möglich? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)