Priester und Mörder von Gubenko-Verlag ================================================================================ Kapitel 21: Hoffnung -------------------- Eros fühlte sich wie erstarrt . All seine Ziele schienen plötzlich sinnlos und fern. Relias Stimme drang nicht an seine Ohren. Erst ein splitterndes Geräusch vermochte es ihn aus seiner Trance zu reißen. Statt Blut oder weiterer Schreie flogen unzählige funkelnde Splitter durch den kargen Raum, bedeckten den Boden. Konnte es sein? Hatte das Wesen den Edelstein getroffen und nicht Cartan? Der Gedanke beendete seine Starre und ließ ihn fieberhaft denken. Vielleicht ein wenig zu grob packte er Relias Schultern und sah sie fast schon flehentlich an. „Kannst du das Monster kontrollieren? Können wir es aufhalten?“ „Es geht nur mit Blut, aber ich glaube, was ihr getan habt, verhindert, dass mein Blut funktioniert.“ Eros nickte, natürlich, ihr Wesen war nicht länger kompatibel, aber das des Zuhälter sehr wohl. Eros ging zielstrebig auf den an den Stuhl gefesselten Verbrecher zu und hob sein Messer an. „Was ist das? Was passiert hier? Lasst mich doch einfach gehen!“ „Ich lasse dich gehen, keine Sorge“, versprach Eros, bevor er das Messer in einem einzigen Ruck durch die Kehle des Mannes zog. Der Zuhälter gurgelte und versuchte weitere Worte herauszubringen, doch der Schnitt war zu tief. Eiskalt warf Eros den Stuhl mit dem gefesselten und sterbenden Mann um und sah zu wie das Blut die Bruchstücke des verfluchten Edelsteins bedeckte. Genau in dem Moment als die zähe Flüssigkeit das Schmuckstück umfloss, schrie der Dämon auf und wandte sich zu ihnen um. Das Monster wusste, dass sie so Kontrolle erlangen könnten. „Was muss ich jetzt tun?“, fuhr er Relia an, welche noch immer an der Wand stand. Vielleicht wirkte der Trank nicht mehr ganz so stark, denn er erkannte das Funkeln in Relias Augen. Den Stolz, so wie er sie kannte. „Du kannst das nicht, lass mich“, rief sie, stürmte zu ihm und presste ihre Hände auf die Splitter am Boden. Dass sie ihre Haut noch weiter zerschnitten ignorierte sie. „Erstarre!“, befahl sie mit einer unwirklichen Kraft in der Stimme. Tatsächlich hielt der Dämon mitten in der Bewegung inne, den Leinenstoff, welcher das Gesicht verdeckt hatte, hatte das Geschöpf bereits hinuntergezogen. Der kahle Kopf, das weißlich trübe Auge und das blutrote, welches die Macht besaß, jeden der direkt hineinsah erstarren zu lassen, ließen Eros noch immer erschaudern. Und dann sah Eros Cartan, tatsächlich am Leben. Er erhob sich, riss einen Teil seiner Robe ab und wickelte sie sich um die Hände. Nur um direkt zum Monster zu stürmen. „Cartan, nein!“, rief Eros, doch der Priester hörte nicht. Stattdessen riss er dem Dämon die hölzerne Sense aus den Händen und rammte sie in einer fließenden Bewegung direkt in das blutrote Auge der Kreatur. Der Stock ließ Cartans Robe langsam verwittern, doch er ließ nicht nach. Mit der zweiten Hand schlug er noch einmal gegen die Waffe, sodass sich die gesamte Länge des Sensenblatts in den Schädel der Abartigkeit bohrte. Erst dann wich er keuchend zurück. Eros Herz hämmerte regelrecht in seiner Brust. Schweiß stand auf seiner Stirn. Die Szenerie war so unwirklich. Beinahe konnte er es nicht begreifen. Cartan taumelte auf ihn zu, und instinktiv stützte er ihn. Sie alle beobachteten wie der Dämon kreischte und schrie. Ganz langsam zerfiel die ausgemergelte Fratze. Bis schließlich nichts zurückblieb, abgesehen von der roten Robe und der hölzernen Sense, welche zu Boden fiel. Sie hatten es geschafft. Nicht nur, hatten sie einen Dämon übertragen, nein, sie hatten ihn getötet. *** Etwa eine Woche später saßen alle drei in Relias Anwesen, in ihrem Arbeitszimmer. Relia in ihrem mit buntem Samt bespannten Sessel und Cartan und Eros ihr gegenüber auf einfachen Holzstühlen. Sie war noch immer etwas blass und sah mager aus, aber die meisten ihrer Wunden waren verheilt. Die Magierin lächelte und pustete sichtlich genießend den Rauch ihrer Zigarre aus. „Ihr zwei seid wirklich verrückt“, verkündete sie, was Eros dazu brachte zu grinsen. „Darüber solltest du lieber verdammt froh sein“, stellte er fest. Sie nickte. „Ja, ich danke euch. Es ist schön mit euch hier zu sitzen. Gut, dass ihr keine Probleme bekommen habt.“ Da hatte sie Recht, was sie getan hatten, wäre, sofern die Kirche etwas herausgefunden hätte, als Hochverrat gewertet worden. Doch im Endeffekt war es Eros gelungen den Zuhälter als Schuldigen für alles zu präsentieren. Selbst den Einbruch in Pater Mechalis Gemächer hatten sie dem toten Verbrecher untergejubelt. Im Lügen war er schon immer geschickt gewesen. Für Cartan war es zwar etwas kniffliger gewesen Bericht zu erstatten, aber sie hatten vorher geübt, sodass der Priester eine Variante mit Teilwahrheiten erzählen konnte, ohne zu lügen und ohne sich selbst zu belasten. Immerhin war der Verbrecher zeitweise ja tatsächlich der Wirt des Dämons. Und Cartan hatte das Monster getötet. Das war alles die Wahrheit. Das ganze drumherum musste ja niemanden interessieren. Die Morde hatten aufgehört und auch Relia galt nun als unschuldig. Alle waren zufrieden. „Was ich mich schon eine Weile frage, Relia. An wie viel erinnerst du dich? Warst du wirklich besessen?“ Ihr Blick schien plötzlich in die Ferne zu schweifen, ihre Arme umschlangen ihren zarten Leib. „Vieles ist verschwommen. Das verzerrte Gefühl des Hochmuts, dass diese Kreatur ausmachte, hat mich beinahe vollständig verschlungen. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich wollte nur noch über allen anderen stehen, nein, ich war überzeugt, dass ich selbst über dem Tod stand. Ich aß tagelang überhaupt nichts und ich habe eins meiner Hausmädchen verkleidet. Ich wollte, dass sie als Lockvogel für die Kirche dienen würde. Außer meinem eigenen Leben habe ich keinem anderen Menschen mehr Wert beigemessen. Selbst dich, Eros, wollte ich töten. Ich hoffe du kannst mir vergeben.“ „Das warst nicht du“, sagte Eros überzeugt, doch Relia schüttelte den Kopf. „Es ist ein Teil von mir. Der Hochmut ist meine größte Schwäche. Ich denke manchmal ich wüsste alles, nur weil ich fühle was in anderen vor sich geht.“ Einen Moment schwiegen sie alle, bis Cartan die Stille brach. Eros sah wie der andere Mann den Stoff seiner neuen Robe zwischen den Fingern hin und her schob. Offenbar suchte er die richtigen Worte. Der kleine Finger an Cartans linker Hand war ein wenig in Mitleidenschaft gezogen worden. Seine tollkühne Aktion, um den Dämon aufzuhalten, hatte dafür gesorgt, dass die alte Robe zu großen Teilen verwittert war. Der kleine Finger wirkte einfach nur etwas älter als die anderen, was fast ein wenig lustig aussah. Aber Eros erinnerte es vor allem daran, dass Cartan seinetwegen beinahe gestorben wäre. „Vielleicht ist es gerade unpassend, aber Relia, du hast auch bei mir etwas gefühlt oder? Damals, als du das Wesen kontrolliert hast, hier im Anwesen, meine ich. Davor hast du mich berührt und du brachtest mich zum Vorschein. Also ich meine Cartan. Du hast mir geholfen Macht über Castus zu gewinnen, wie hast du das gemacht?“ Relia betrachtete Cartan nachdenklich. „Du bist gespalten. Deine Persönlichkeit strebt in zwei Richtungen. Einerseits hasst du die Menschen und ihren Egoismus und wärst gerne anders, besser. Doch andererseits siehst du den Sinn darin nicht. Eine Seite kennt Hoffnung und wünscht sich Erlösung, die andere will einfach nur in den Tag hineinleben, die Freuden genießen, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen. Zwei Gegensätze, zu stark um zu harmonieren. Also haben sie sich getrennt, zwei Seelen, aber nur ein Körper. Und doch eigentlich ein Ganzes.“ „Ich bin echt. Cartan, ich, ich bin das wahre Ich. Castus entstand durch das heilige Wasser der Kirche. Dessen bin ich mir sicher.“ „Nein, du bist dir nicht sicher“, widersprach sie sofort. Eros sah die Wut in Cartans Augen deutlich. Aber auch er war verwirrt. Castus war auf seine Art auch real. Zwei Teile eines ganzen, vielleicht hatte Relia recht. Aber die Ursache für die Spaltung der Persönlichkeit war wohl tatsächlich das sogenannte ‚Heilige Wasser‘. „Wenn ich nicht das wahre Ich bin, warum lässt mich das Wahrheitsserum dann die Kontrolle übernehmen?“ „Bist du denn gerade tatsächlich nur Cartan? Ich denke, dass auch Castus auf dich einwirkt. Die Wahrheit ist dir selber nicht ganz klar, sie liegt irgendwo zwischen beiden Extremen.“ „Kannst du Castus unterdrücken?“, fragte Cartan fast schon patzig, doch Relia lächelte einfach nur. „Ich kann deine Gefühle und Wünsche verstärken, das ist was ich damals tat. Ich habe einfach nur die Sehnsüchte, die ich bei Castus fühlte verstärkt.“ Cartan stieß hörbar die Luft aus und verschränkte die Arme vor der Brust. Eros lächelte. „Relia belehrt jeden und weiß es immer besser“, ließ er Cartan fröhlich wissen. Ja, die Magierin war wieder ganz die alte. Frech, besserwisserisch und viel zu magiebegabt, um irgendetwas von dem was sie sagte gänzlich zu verstehen. Nur wenig später hatte Relia sie zur Tür des Anwesens geleitet. Noch immer rauchte sie eine ihrer Zigarren. All ihre Bewegungen waren elegant und glichen beinahe einem Tanz. Tatsächlich war Relia eine der beeindruckendsten Frauen, die Eros je gesehen hatte. „Ich hoffe ihr besucht mich bald wieder.“ Ihre Stimme glich beinahe einem Schnurren. „Sicher“, entgegnete Eros in seiner üblichen ruppigen Manier. Die Magierin musste nicht wissen, wie froh er war, dass sie noch lebte. Doch wie immer schreckte sie das nicht ab. Sie beugte sich langsam zu Eros vor und legte ihre Hand auf seine Schulter, nur um ihm dann einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Bei Cartan tat sie genau das gleiche. „Mir ist übrigens nicht entgangen, dass zwischen euch eine ganz besondere Spannung herrscht. Wenn ihr mich lasst, wäre ich bereit euch beiden meine Dankbarkeit auf jede erdenkliche Art zu zeigen.“ Sie zwinkerte ihnen zu, bevor sie hinter der breiten Eingangstür verschwand. „Habe nur ich das gerade als eindeutiges Angebot verstanden?“, fragte Cartan, dessen Gesicht ein verschmitztes Grinsen zierte. Eros wusste nicht ganz, ob ihm das gefiel oder nicht. Die Vorstellung war durchaus reizvoll, er, Cartan und Relia. Doch momentan wollte er einfach nur die Strapazen der letzten Wochen vergessen. Und ein kleines Abenteuer wäre dafür genau das richtige. Doch aktuell würde er es bevorzugen, dabei mit Cartan allein zu sein. „Warst du nicht eben noch sauer auf sie, weil sie dir einreden wollte, Castus wäre auch ein Teil von dir?“ „Und wieder mal verstehst du es die Stimmung zu versauen.“ „Dann lass es mich wiedergutmachen“, sagte Eros dunkel, bevor er Cartans Hand umfasste und ihn ungeduldig hinter sich herzog. Er dirigierte den anderen in eine versteckte Gasse und drückte ihn gegen eine steinerne Hauswand. „Weißt du, Relias Angebot hat mich heiß gemacht, und du wirst das jetzt ausbaden.“ Cartan grinste, doch Eros gab ihm keine Zeit für eine Erwiderung. Er presste seinen Mund grob und ungeduldig auf den des anderen Mannes und ließ ohne lange zu zögern seine Zunge über Cartans Lippen fahren. Dieser gewährte ihm sofort Einlass. Ein wildes und zügelloses Spiel begann. Vielleicht dauerte es Sekunden, vermutlich aber eher Minuten. Als sie sich voneinander lösten lächelten beide und atmeten ein wenig schwerer. „Also bist du endlich bereit für ein wenig unverfänglichen Spaß?“, wollte Cartan wissen, woraufhin Eros grinste. „Ich mache immer nur was ich will.“ „Gut zu wissen, dass heißt, was du willst, bin ich.“ Eros lachte und boxte den anderen leicht in die Seite. Es war selten, dass er sich so unbeschwert fühlte. Nur eines belastete ihn, zerrte an ihm. Etwas, dass er seit dem Kampf mit dem Dämon hinausgezögert hatte. Er seufzte. „Cartan, es tut mir leid. Vergib mir, dass ich dich in solche Gefahr gebracht habe. Ich wusste nicht womit wir es zu tun haben und habe dich ausgenutzt. Ich bin nicht der Typ der bereut und am Ende ist alles gut gegangen. Aber das ändert nichts daran, dass ich diesmal falsch lag.“ Eros zögerte einen Moment, doch dann fuhr er fort. „Es gibt mehr auf dieser Welt, als ich je werde begreifen können. Vielleicht war es ein Dämon. Eventuell hat die Kirche in einigen Punkten recht. Dennoch bin ich mir sicher, dass die ganze Wahrheit noch nicht offenbart wurde. Ich werde weitersuchen. Aber auf meine Art. Ich werde dich nicht länger erpressen. Das Wahrheitsserum kannst du auch so bekommen. Alles was von nun an geschieht soll deine freie Entscheidung sein.“ Cartan betrachtete ihn einen Moment undefinierbar, dann streckte er ihm die Zunge raus. Eros fühlte sich kurzzeitig als hätte der andere ihm eine verpasst. Er war offen, entschuldigte sich, sprang über seinen eigenen Schatten und was bekam er dafür? Doch dann lachte Cartan, frei und ehrlich. „Danke Eros. Ehrlich. Es ist schön zu hören, dass auch du nicht unfehlbar bist. Aber es ist alles gut. Ich habe meine eigenen Ziele verfolgt. Ich wollte, dass Relia mir hilft Castus loszuwerden. Auch ich wollte sie retten. Und ich wollte ein bisschen Spaß. Beides habe ich bekommen.“ Er zwinkerte Eros zu und lächelte. Das Herz des Attentäters machte einen kleinen Hüpfer. Warum nur, hatte der vermeintliche Priester so eine Wirkung auf ihn? Es war irritierend und schön zugleich. Eros grinste und presste sich erneut dichter an Cartan. „Unverfänglicher Spaß also?“ „Unverfänglicher Spaß“, bestätigte Cartan, bevor ihre Lippen sich erneut zu einem Kuss fanden. Diesmal vielleicht ein wenig zarter. Eventuell war es der Beginn von etwas gänzlich Neuem. Ein Abenteuer, aus dem doch mehr werden könnte. Hey ihr Lieben, dass ist der Abschluss dieser Geschichte. :-) Die beiden sind endlich dabei sich einander zu öffnen. Ich schreibe parallel auch an einer Fantasy-Horror-Trilogie (Die Geschichte, auf deren Welt und Charakteren diese Fanfiktion beruht), die viel Zeit in Anspruch nimmt und bei der ich auch ein Zeitlimit habe, um sie fertig zu stellen. Aber, wenn ich mit Band 2 der Trilogie (Wahrscheinlich Ende Januar) fertig bin werde ich eine Fortsetzung zu Priester und Mörder schreiben. Ich würde mich freuen, wenn einige dann wieder mit dabei wären. :-) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)