Broken Birdie von MyHeartInTheAttic ================================================================================ Kapitel 11: Explodierender Himmel --------------------------------- Es war kurz vor zehn Uhr und Sakura schlenderte beschwingt über das Fest, knabberte an einem gegrillten Aal-Spieß und lächelte so glückselig vor sich hin, dass man sie für betrunken halten musste. Oder für verliebt. Ihre Aura der puren Glückseligkeit hatte ein paar junge Männer animiert, sie auf ein Getränk einzuladen, was sie dankend abgelehnt hatte, dabei aber so fröhlich gewesen war, dass sich die Enttäuschung der Zurückgewiesenen in Grenzen gehalten hatte. Nun strebte sie allmählich dem Hokage-Felsen entgegen und passierte das Akademie-Gebäude, dessen Anblick sie seit ihrem Abschluss mit einer gewissen Wehmut erfüllte. Es kam ihr unvorstellbar vor, dass es ziemlich genau vier Jahre her war, dass sie zum Genin ernannt und Team 7 zugeteilt worden war. Die Schaukel wurde sanft vom Wind bewegt und quietschte leise. Sakura blickte sich verstohlen um, machte einen Satz über den Zaun und landete beinahe geräuschlos auf der anderen Seite, obwohl ihr Kimono gewiss nicht das beste Kleidungsstück für Aktivitäten jenseits von stehen, gehen und hübsch aussehen war. Sie ging zur Schaukel, befreite diese vom Schnee und setzte sich darauf, schwang langsam vor und zurück, während sie in den Himmel starrte und ihren Aal verspeiste. Ihre Schuhe hinterließen Rillen im Schnee. Das letzte Mal, dass sie auf der Schaukel gesessen hatte, hatten ihre Füße noch ein gutes Stück über dem Boden geschwebt. Sie verbrachte eine ganze Weile auf dem Akademie-Spielplatz und malte sich von Innen heraus wärmende Szenarien aus, wie ihr späteres Treffen mit Sasuke verlaufen könnte. Oder durfte sie wagen, es als Date zu bezeichnen? Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken aus dem Kopf zu bekommen; sie wollte schon wieder zu viel und würde den zweiten Schritt nicht vor dem ersten gehen. Ein unterdrückter Aufschrei riss sie abrupt aus ihren Gedanken und gleich darauf glitt eine schemenhafte Gestalt über den Zaun, die sich im blassen, von Wolken verhangenen Halbmond rasch als Hidan entpuppte. Er hatte eine Frau über die Schulter geworfen, die ihr hysterisches Gekicher mit der flachen Hand abzudämpfen versuchte. „Das war voll cool“, lobte sie, doch ihre Stimme klang verwaschen, die Silben unartikuliert und verschluckt, als wäre sie benommen oder, was wahrscheinlicher war, ordentlich angetrunken. „Kinderspiel“, gab er an und setzte die Frau ab, die sich an seinem Arm festklammern musste, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. „Okay, du hast bewiesen, dass du’s draufhast.“ Sie gab ihm einen Klaps gegen die Brust, was ihn ihr Handgelenk packen und sichtlich grob nach unten drücken ließ. Offenbar schätzte sie die Lage jedoch nicht als sonderlich bedrohlich ein, denn die derbe Behandlung ließ sie erneut kichern. Sakura saß stocksteif und mucksmäuschenstill auf der Schaukel. „Jetzt lass uns verschwinden.“ „Nee, wenn wir schon hier sind, will ich mich mal umsehen“, widersprach Hidan und zerrte die zierliche Frau ohne Vorwarnung hinter sich her, die aufgrund dessen beinahe über ihre eigenen Füße stolperte und ein paar Schritte lang hinzufallen drohte, ehe sie sich wieder fing. „Wenn die uns erwischen, gibt’s nur Stress“, moserte die Frau und zog an Hidans Arm, um ihn zum Umkehren zu bewegen, hatte gegen den körperlich überlegenen und trainierten Mann jedoch keine Chance. „Ich mein’s ernst, Babe, ich könnte deswegen meine Anstellung verlieren.“ „Na und, du bist eh nur ‘ne Tippse“, höhnte er. „Was willst du‘n hier? Ist doch nur ‘ne stinkige, alte Schule“, sagte sie einschmeichelnd. „Komm schon, wir machen’s uns bei mir gemütlich und…“ „Halt’s Maul.“ „Hey! So kannst du nich‘ mit mir reden“, beschwerte sie sich verärgert. „Ach, und was willste dagegen machen?“ Sakura hörte das ekelhafte Grinsen heraus, allein die Erinnerung daran bereitete ihr Übelkeit. „Ich…“ Die Frau klang verunsichert, dann ängstlich, als sie abermals flehte: „Bitte, Babe, ich massier dir auch den Rücken.“ „Du kannst mir gleich was anderes massieren.“ „Ich will zurückgehen“, beharrte die Frau, nun eindeutig panisch. „Ich hab keine Lust mehr.“ „Ich hab keine Lust mehr“, äffte er sie mit einer überspitzten Kleinmädchenstimme nach. „Stell dich nicht so an. Bei Jashin, ihr Weiber hier geht mir vielleicht alle auf den Sack.“ Sakura hörte ein Klatschen, unverzüglich gefolgt von einem schrillen Quieken. Sie saß mit aufgerissenen Augen auf der Schaukel, ihr Atem ging schwer und presste Kondenswölkchen aus ihrem Mund. Eisern hielt sie die Aufhängevorrichtung umklammert, die groben Juteseile schnitten in ihre Handflächen, doch ihre Finger waren zu kalt, um den Schmerz wahrzunehmen. Sie musste etwas unternehmen. Aber sie wollte nicht. Doch es war ihre Pflicht – als Shinobi und als Frau –, einer hilflosen Zivilistin und Geschlechtsgenossin beizustehen. Und Hidan hatte sie nicht bemerkt, das bedeutete bestenfalls, dass er stark alkoholisiert war, was ihr wiederum einen Vorteil gegen ihn verschaffen könnte. Sie glitt geräuschlos von der Schaukel und raffte ihren Kimono, um sich besser und schneller bewegen zu können. Ihr Herz flatterte nervös und sie verspürte ein dumpfes Stechen in der Brust; die ganze Aufregung, die vielen Gefühlshochs und -tiefs hatten sie nicht nur psychisch, sondern auch physisch ausgelaugt. Die junge Kunoichi folgte den Fußspuren der beiden Eindringlinge, die um das Schulgebäude herum- und zu einem Hintereingang führten. Das Schloss war offensichtlich geknackt worden, die schwere Stahltür nur angelehnt – die Schnelle und Präzision, mit der die Tür aufgebrochen worden war, zeugte davon, dass der Verantwortliche gewusst hatte, was er tat, denn auch bei genauerer Betrachtung deuteten keinen Spuren auf das gewaltsame Eindringen hin. Sakura atmete ein letztes Mal tief durch, um Mut und Kraft zu tanken, ehe sie die Tür aufriss. Ihr blasser Umriss zeichnete sich in dem Lichtrechteck ab, welches der Mond in den dunklen Schulflur warf, dann schaltete sie die Beleuchtung an. Die grellen Lampen flammten jeweils mit einem Knacken auf. Hidan hatte seine langen Finger um den Hals der Frau geschlossen, sie mit dem Körper gegen die Wand gepinnt und küsste sie hart. Sie hatte das Gesicht verzogen und die Lippen passiv geöffnet, sodass Sakura sehen konnte, wie Hidans Zunge wie ein glitschiger Wurm in der Mundhöhle der Frau wühlte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, schienen ein Stückchen aus den Höhlen getreten zu sein und ihr beinahe aus dem Kopf zu fallen, als sie die Iriden in Sakuras Richtung verdrehte. Die junge Kunoichi meinte, Furcht und Scham darin zu erkennen. „Lass sie in Ruhe“, verlangte Sakura selbstbewusst, versuchte sich dabei an einer Imitation Kakashis, dessen Bestimmtheit, Souveränität und Nonchalance den meisten Gegnern mit der ersten Silbe Respekt beibrachte. Ihre Stimme schnitt scharf wie ein Kunai durch den Korridor und sie machte einen beherzten Schritt nach vorne. Hidan grunzte unwillig, wirkte darüber hinaus jedoch wenig beeindruckt, was sicherlich nicht zuletzt daran lag, dass er von einem normalen Gegner so weit entfernt war wie sie von Kakashis autoritärer Ausstrahlung. Für einen Moment glotzte er sie dümmlich an, dann verbogen sich seine Lippen zu einem hässlichen Schmunzeln. Grellpinker Lippenstift klebte um seinen Mund verschmiert. „Eifersüchtig, meine Süße?“ „Ich bin bestimmt nicht deine Süße“, spie Sakura und täuschte einen Angriff an. Hidan riss die Frau am Hals wie einen Schutzschild zwischen sich und die Rosahaarige. Sie hing wie eine Puppe in seinem unbarmherzigen Griff und röchelte leise. Sakura bremste rechtzeitig ab, da sie dem Yu-Nin zugetraut hatte, genau das zu machen, und die wehrlose Frau ansonsten ihren Angriff abbekommen hätte. „Du bist ein Schwein“, fauchte sie angeekelt. „Lass sie los oder geht dir nur einer ab, wenn du Schwächere quälen kannst?“ Hidan pulte sich gelangweilt mit dem kleinen Finger im Ohr, schnippte anschließend einen Krümel Ohrschmalz fort. „Wir haben hier nur ‘n bisschen Spaß. Ist alles, ähm… einvernehmlich.“ Er grinste; wahrscheinlich war er stolz, dass er das Wort im Vokabular hatte. Sie biss in hilfloser Wut die Zähne aufeinander; solange er die Frau in seiner Gewalt hatte, war sie machtlos, und sie hatte kein Jutsu im Repertoire, das ihr in dieser Situation nützte. Während sie sich fieberhaft eine Strategie überlegte, wie sie die andere aus ihrer verzwickten Lage befreien konnte, nutzte die die Gelegenheit, dass Hidan sich auf die Kunoichi konzentrierte, und rammte ihm ihren Ellbogen mit ganzer Kraft in den Schritt. Die Augen des Silberhaarigen traten leicht aus den Höhlen, sein Griff um ihren Hals lockerte sich und Sakura reagierte sofort mit Chakura no Mesu, sprang kraftvoll auf Hidan zu und zielte auf seinen Arm, bereit und willig, ihn notfalls davon zu befreien. Ihm blieb keine andere Wahl, als die Frau freizugeben, um rechtzeitig ausweichen zu können. Ihr Angriff traf ins Leere, doch die Frau sackte befreit auf Händen und Knien zusammen und hielt sich schwer keuchend den geröteten Hals. „Los, verschwinde“, pflaumte Sakura sie barsch an und schob sich seitlich vor sie, um sie gegebenenfalls besser schützen zu können. Sie fürchtete, dass Hidan sie abermals zwischen die Finger zu bekommen versuchen könnte – und ein zweites Mal würde dieser kleine Trick garantiert nicht funktionieren. Die Frau nickte, zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, krabbelte ein Stückchen auf allen Vieren, bevor sie wackelig auf die Beine kam und weglief. „Das war echt ‘ne ehrlose Nummer“, moserte Hidan und rieb sich obszön über die Genitalien, fand jedoch rasch zu einem anzüglichen Grinsen zurück. „Du bist doch ‘ne Heilerin, verarzte mich mal.“ „Du bist absolut widerlich“, schleuderte sie ihm entgegen, während sie sich langsam zurückbewegte. Sie war alles andere als erpicht auf einen Kampf und Hidan war nicht so dumm wie er aussah, hatte ungünstigstenfalls längst analysiert, dass ihre Kampftechnik auf roher Stärke basierte, wohingegen sie de facto nichts über seinen Stil wusste, außer dass er bevorzugt mit seiner Sense angriff. Da er die Waffe nicht dabeihatte, wusste sie nicht, worauf sie sich einzustellen hatte. „Na, das is‘ aber nich‘ nett“, tadelte er gespielt betroffen, näherte sich ihr wie ein Raubtier, das wusste, dass es kein Entkommen für seine Beute gab, und jede Sekunde zubeißen würde. „Es wäre dumm, mich anzugreifen“, sagte sie betont selbstsicher und reckte demonstrativ das Kinn. „Wenn mir etwas passiert, fällt das sofort auf dich zurück.“ Automatisch machte sie noch einen Schritt von ihm weg, obgleich ihr klar war, wie ängstlich es sie wirken ließ und wie viel Macht ihre Angst ihm über sie gab. „Das denke ich nicht“, meinte er listig lächelnd. „Weshalb sollte jemand dem verwirrten Gelaber ‘ner stockbesoffenen Tussi glauben, hä? Die Alte hat sich an mich rangemacht und weil ich sie abgewiesen hab‘, will sie sich an mir rächen. Außerdem war ich die ganze Zeit auf dem Fest, gibt genug Leute, die das genau so bestätigen werden.“ Er grinste gönnerhaft. „Und wer sagt überhaupt, dass ich dich angreifen möchte?“ Wie um seine Worte Lügen zu strafen, stürmte er frontal auf sie zu. Sakura war nicht dumm genug, es für einen echten Angriff zu halten. Nur Idioten – und Naruto – griffen frontal an. Sie wich leichtfüßig aus, musste allerdings abermals ihren Kimono raffen, da der Stoff ihre Beinfreiheit stark einschränkte. Er setzte ihr nach und Sakura realisierte, dass er ihren Fluchtweg abschneiden wollte, indem er sich zwischen sie und die Tür brachte. Nur nützte ihr die Erkenntnis nichts, da sie keine Alternative hatte, als sich wie ein dressiertes Hündchen herumscheuchen zu lassen. Hidans Bewegungen waren langsam und vorhersehbar, seine Augen glommen vor sadistischem Vergnügen. Er verarschte sie, schoss ihr durch den Kopf, spielte Katz‘ und Maus mit ihr, denn sie hatte bereits gesehen, dass er wesentlich agiler sein konnte, wenn er wollte. Er bewegte sich gerade schnell genug, dass sie zwar problemlos ausweichen, aber keine Fingerzeichen formen konnte. Sie biss die Zähne frustriert zusammen und sammelte Chakra in ihrer Faust. Wenn sie Glück hatte, rechnete er nicht damit, dass sie sich aus der Defensive herausbewegte und selbst zum Angriff überging. Ein gut platzierter Kinnhaken würde ihn hoffentlich lange genug außer Gefecht setzen, dass sie flüchten konnte. Sakura spielte Hidans perfide Schmierenkomödie noch einige Augenblicke mit, täuschte dann ein Ausweichmanöver an, um im letzten Moment zuzuschlagen. Der silberhaarige Yu-Nin flog krachend gegen die Wand, Sakura lachte triumphierend auf, dann zerplatzte er in tausende Wassertropfen. Ihre Augen weiteten sich geschockt – die nassen Fußabdrücke auf dem Boden, verdammt. „Hab dich“, raunte er ihr ins Ohr und schlang von hinten die Arme um sie. Sakura erstarrte. Hidans Hände brannten sich durch ihren Kimono, seine Finger umfingen ihre Brüste, quetschten sie brutal zusammen. „Gar nicht mal schlecht für jemanden, der so flach ist“, höhnte er und drückte so fest zu, dass sie vor Schmerzen leise aufstöhnte. Scham und Wut loderten auf ihren Wangen. Sie wusste nicht, was schlimmer war, dass er ihre Brüste begrapschte oder dass er sie hinterrücks hätte angreifen können, sich stattdessen jedoch dazu entschieden hatte, sie zu demütigen, weil er sie als Gegnerin nicht ernst nahm. Sakura drehte sich wie betäubt aus seinen Armen, bis auf den letzten Muskel angespannt. „Das hast du nicht gemacht“, zischte sie bedrohlich leise. „Ist das ‘ne Aufforderung? Du schuldest mir was, du hast mir mein Weib verscheucht. Wär‘ nur fair, wenn du ihren Platz einnimmst.“ „Fass mich noch mal an und…“ „Und?“ Hidan grinste böse und in ihr stieg eine Kälte auf, die ihre Nackenhärchen aufrichtete. „Ist das jetzt ‘ne Drohung oder ‘n Angebot?“ Sakura ließ die Schultern sinken, was sein ekelhaftes Grinsen siegessicher verbreiterte, dann holte sie aus und ließ ihre Faust in sein Gesicht krachen. Sein Nasenbein brach unter der Kraft ihres Schlages, heißes Blut spritzte aus seinen Nasenlöchern, als er, überrascht von dem Angriff, zwei Schritte nach hinten taumelte. Ihre Augen leuchteten schadenfroh auf, doch nachdem er sich wieder gefangen hatte, schien er nur wenig beeindruckt, hob sogar belustigt die Brauen, während er seine gebrochene Nase mit einem Übelkeit erregenden Knirschen richtete. Sie wich vor ihm zurück, entsetzt, wie wenig ihr Schlag gebracht hatte. Freilich hatte sie nicht mit ganzer Kraft zugeschlagen – sie hatte ihn schließlich nicht umbringen, sondern nur ausknocken wollen –, doch Hidan benahm sich, als hätte sie ihn mit einem Wattebällchen beworfen, wo er mindestens benommen auf dem Boden liegen müsste. Selbst Kakashi hatte sie mit einem solchen Schlag von den Füßen gehauen. Angst kroch heiß und kalt ihr Rückgrat empor, verdrängte die Wut, die seine unsittliche Berührung in ihr ausgelöst hatte. Ihre noch immer geballte Faust bebte, das Zittern breitete sich von ihrer Hand über ihren Arm auf ihren gesamten Körper aus, indes er sich genüsslich Blut von der Oberlippe leckte. „Du magst es hart?“, giggelte er wahnsinnig. „Ich auch.“ Er ging mit federnden Schritten auf sie zu und Sakura wich panisch keuchend zurück, schluckte verbissen gegen die aufsteigenden Tränen an, als er plötzlich innehielt und aufhorchte. Sie bemerkte die zwei Shinobi, die sich der Akademie rasend schnell näherten, ebenfalls. „Das nächste Mal, Schlampe“, versprach er mit einem blutverschmierten, dämonisch aussehenden Grinsen und verschwand in einer Rauchwolke. Sakura fiel auf die Knie und verbarg das Gesicht zwischen den Fingern. Schon wieder hatte sie versagt und gerettet werden müssen. Sie war eine Schande. Das Mädchen kniff die Augen fest zusammen, doch die Tränen kamen nicht. Sie fühlte sich nutzlos und schmutzig, kreuzte die Arme automatisch über ihren Brüsten, in denen der Schmerz dumpf nachhallte, versuchte, die Erfahrung in der dunkelsten Ecke ihrer Erinnerungen wegzusperren, bevor sie sich wie eine Giftgaswolke in ihrer Psyche ausbreiten konnte. Würde ihr Wort ausreichen, um ihn zur Rechenschaft ziehen zu lassen? Vermutlich nicht, denn was hatte er schon getan, außer ihre Seele mit seinen dreckigen Pfoten zu besudeln. Im Gegensatz zu Ino hatte sie nicht mal sichtbaren Schaden genommen und dennoch hatte es keine Gerechtigkeit für ihre Freundin gegeben. Und sie wollte nicht, dass Hidan künftig wie ein Makel an ihr klebte. Die Scham begann bereits, ihre Lippen zu versiegeln. Die beiden Shinobi hatten ihr Ziel fast erreicht und Sakura verschwand, ehe sie eintreffen und sie verhören konnten. Die junge Kunoichi erklomm schnaufend die zahlreichen Stufen, die den Hokage-Berg hinaufführten. In ihrer Kehle saß ein dicker Knoten, der sich bei jedem Atemzug enger zog und ihr das Luftholen erschwerte, ihre Augen brannten, aber zumindest das konnte sie auf die Kälte schieben. Sie versuchte, sich auf das Treffen mit Sasuke zu freuen, doch die anfängliche Euphorie hatte nun einen faden Beigeschmack. Abermals kreuzte sie schützend die Arme vor dem Busen, der sich wund unter ihrer eigenen Berührung anfühlte, obwohl sie wusste, dass das nicht sein konnte. Der Himmel klarte pünktlich für das Feuerwerk auf, Tausende von Sternen funkelten romantisch auf sie herab. Konoha leuchtete wie eine eigene kleine Galaxie zu ihren Füßen. Es war beinahe vollkommen still, als wäre sie aus der Zeit gefallen, nur wenn der Wind günstig stand, schwappten vage Musikfetzen bis an ihre Ohren. Sakura wischte sich kalten Schweiß von der Stirn und sah sich um, doch von Sasuke fehlte noch jede Spur. Fast zwanghaft überrollte sie die Furcht, dass er sie vergessen hatte oder versetzte. Oder schlimmer gar: Dass ihm etwas zugestoßen war, was ihn davon abhielt, ihre inoffizielle Verabredung wahrzunehmen. Sie fuhr sich mit beiden Händen fahrig übers Gesicht und fluchte leise, als sie die Make-up-Rückstände auf ihren Handflächen bemerkte. Resigniert schlurfte sie in die öffentliche Damentoilette und kratzte sich die verschmierte Schminke mit Klopapier und Fingernägeln von der Haut. Darunter kam ihr gespenstig blasses Konterfei zum Vorschein, ihre Augen waren geschwollen und gerötet, was durch das intensive Grün ihrer Iriden nur noch verstärkt wurde und sie entzündet aussehen ließ. Sie klatschte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht, stützte sich auf dem Waschbecken ab und schloss die Lider. Sie war so aufgewühlt, dass selbst ihr Chakra verrücktspielte, also konzentrierte sie sich darauf, um ein wenig zur Ruhe zu kommen und weil es etwas war, was sie machen konnte, stellte es sich als schmalen, kaum wahrnehmbaren Rinnsal vor, der beständig und gleichmäßig jeden Winkel ihres Körpers erreichte. Ihre Atmung wurde ruhiger und tiefer, ihr Herzschlag verlangsamte sich. „Das würde unsere ganzen Pläne durchkreuzen“, hörte sie plötzlich jemanden sagen. „Du musst etwas unternehmen.“ „Ich werde mich in dieser Angelegenheit sicher nicht gegen meine Mutter stellen, Taiko“, antwortete eine Stimme, die sie sofort Sasuke zuordnen konnte. Sakura verkrampfte ihre Hände um das Waschbecken. Sie wollte nicht lauschen, aber wenn sie nun herausging, würden sie ihr sicherlich unterstellen, dass sie genau das getan hätte, und überdies fehlte ihr der Nerv, sich mit dem Fremden, der bei Sasuke war, auseinanderzusetzen. Weshalb war er überhaupt mitgekommen? Sasuke und sie wollten sich doch gemeinsam das Feuerwerk ansehen – oder hatte sie schon wieder irgendwas falsch verstanden? Wassertropfen perlten von ihrem Kinn und zerplatzten im Keramikbecken; sie hat Sorge, dass die beiden es hören könnten. „Du unterschätzt ihren Einfluss auf meinen Vater. Sie kann hartnäckig bleiben, wenn sie will, und wenn sie erfolgreich ist, bin ich es, der auf der falschen Seite steht.“ Da war wieder diese Bitterkeit in seinem Ton, die ihr das Herz brach, genährt von jahrelanger Verletztheit und Frustration. „Danzō will unseren Untergang und Itachi ist sein verdammtes Schoßhündchen“, ereiferte besagter Taiko sich. „Wenn Fugaku-sama ihn wieder als Erben einsetzt, ist das unser Ende.“ „Noch ist nicht gesagt, dass mein Vater ihn zurückholt“, sagte Sasuke ruhig. „Wir vertrauen darauf, dass du die Position des Clan-Oberhauptes übernehmen wirst. Du darfst die, die loyal hinter dir stehen, nicht im Stich lassen.“ „Loyalität nennst du das?“, schnaubte er verächtlich. „Und ich dachte, du hättest mir nachspioniert.“ „Weil du… Ich habe nicht…“ Sasukes Anschuldigung hatte ihn offenbar aus dem Konzept gebracht. „Du enthältst uns wichtige Informationen vor“, fauchte er letztlich mit hörbarem Trotz. „Ich habe dir dazu nichts mehr zu sagen.“ Taiko schnaubte so laut, dass er direkt unter dem kleinen, angekippten Klofenster stehen musste. Sakura hielt automatisch die Luft an, um sich nicht zu verraten. „Aber ich habe noch eine ganze Menge zu sagen.“ „Dann belästige jemanden, der sich dein Geschwätz anhören will.“ „Wenn du fällst, reißt du uns alle mit“, schrie der andere aufgebracht, wofür er unverzüglich von Sasuke gemaßregelt wurde. Als er fortfuhr, erklang seine Stimme nur noch gedämpft, sodass Sakura angestrengt die Ohren spitzen musste. „Itachi wird uns nicht vergessen lassen, dass wir hinter dem falschen Bruder standen. Du verschwindest bloß wieder in seinem Schatten, aber uns wird er büßen lassen.“ Sakura erinnerte sich lebhaft daran, wie Sasuke geradezu aufgelöst herausgerutscht war, dass sein Bruder von ihrem gemeinsamen Vater verstoßen worden war, und an die Ängste und Sorgen, die es in ihm auslöste. Sie musste ihn nicht sehen, um zu wissen, wie tief und schmerzhaft Taikos Seitenhieb getroffen hatte. Aber warum, fragte sie sich. Was hatte Itachi Uchiha angestellt, das eine derart harte Strafe rechtfertigte? Was konnte ein Sohn getan haben, um diese Ablehnung von seinem eigenen Vater zu verdienen? Und was bedeutete das für Sasuke? Ihr kamen Inos Gerüchte in den Sinn und die ganzen Informationsfitzelchen, die sie im Verlauf der vergangenen Wochen gesammelt hatte. Sollte Itachis Weigerung, eine für ihn ausgesuchte Frau zu ehelichen, tatsächlich genug für eine Verstoßung sein? Das war doch absurd. Oder hatte sie die familiären Probleme im Hause Uchiha derart unterschätzt, nur weil sie es sich schlussendlich nicht vorstellen konnte, weil es nichts auf der Welt gab, dass ihre Eltern sie jemals von sich stoßen würden? Seine Sorge, dass sein Vater ein falsches Bild von ihrer Beziehung zueinander entwickeln könnte, war ihr jedenfalls authentisch vorgekommen. Sasuke schwieg lange und als er abermals zum Sprechen ansetzte, klang seine Stimme kälter als gewöhnlich: „Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Vater in dieser Sache nachgibt, ist gering.“ „Wahrscheinlichkeit?“, echote Taiko ungläubig. „Du weißt es gar nicht? Du weißt es gar nicht!“, spie er zunehmend erregt. „Du hast keine Ahnung, was in Fugaku-samas Kopf vorgeht, weil dein werter Herr Papa es gar nicht für nötig hält, dich in seine Gedanken einzuweihen, richtig? Ich wette, er würde seine rechte Hand oder eines seiner Sharingan dafür hergeben, wenn er dich statt Itachi hätte verstoßen können.“ Er lachte böse. „Und ich wette, dass ihm jetzt sogar Izumi als Schwiegertochter recht wäre, die ist zwar keine richtige Uchiha, aber immerhin…“ Was Izumi immerhin war, erfuhr Sakura nicht mehr, da Taikos Sermon von einem dumpfen Schlag beendet wurden. Sie hörte ihn mehr ärgerlich denn schmerzerfüllt aufstöhnen. „Pass auf, was du sagst“, zischte Sasuke ungewohnt aggressiv. „Empfindliches Thema?“, stichelte der andere dennoch weiter. „Oder ist es, weil du genau weißt, dass dir das Gleiche blüht, wenn Fugaku-sama von dieser Frau erfährt?“ „Es gibt keine Frau, du machst dich lächerlich“, sagte er so eiskalt, dass jeder halbwegs vernünftige Mensch spätestens jetzt einen Rückzieher gemacht und um Gnade gewinselt hätte. Sakuras Knöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte sie das Waschbecken. Haarfeine Risse entstanden sonnenförmig, wo ihre Fingerkuppen in die Keramik drückten. Sie zog die Hände rasch weg, ehe sie das Waschbecken versehentlich pulverisierte, und horchte herzklopfend, ob die beiden Streitenden das zarte Knirschen des brechenden Materials vernommen hatten. Durcheinander befeuchtete sie ihre Lippen, die sich unter ihrer Zunge ebenso aufgesprungen wie das Porzellan anfühlten. Sie wusste nicht, wohin mit ihren Gedanken. Einerseits wollte sie diesem Taiko die Knochen brechen, weil er so mit Sasuke redete, andererseits würde Sasuke ihr vielleicht ein paar Knochen brechen, wenn er herausfand, dass sie ihn belauscht hatte. Dabei hatte sie gar nicht lauschen wollen, wieso, wieso, wieso hatte sie nicht die Toilettenspülung betätigt und sich gezeigt? Sie verwünschte ihre Entscheidung, nicht polternd und Radau machend zur Tür hinausgestürmt zu sein, als sie noch die Gelegenheit gehabt hatte. Sasuke würde ihr nie verzeihen, dass sie derart prekäre Familienangelegenheiten überhört hatte. Bis vor Kurzem hatte sie nicht mal gewusst, dass sein Vater das Oberhaupt der Uchiha war, geschweige denn dass er einen Bruder hatte und nun breitete sich das katastrophale Verhältnis zu seiner Familie wie ein hässlicher, stinkender Sumpf vor ihr aus. Wie hatte sie all die Jahre konsequent ignorieren können, dass er nie, wirklich nie von seiner Familie erzählte? „Inabi erzählt da aber was anderes.“ „Weil er ein eifersüchtiger Narr ist.“ „Ach, ich weiß nicht“, säuselte Taiko widerlich liebenswürdig. „Er meinte, dass deine kleine Kunoichi im Grunde nicht besonders ansehnlich wäre, aber angeblich hat sie ja einen ganz heißen Draht zu der alten Senju.“ „Worauf willst du mit deinen Unterstellungen hinaus?“ Sasukes Ton war derart schneidend und kalt, dass Sakura unweigerlich fröstelte, obwohl ihr Körper von einem eigenartigen Taubheitsgefühl befallen war. „Dass es dumm wäre, alles für ein Weibsstück hinzuschmeißen.“ Taiko stieß ein amüsiertes Schnauben aus. „Aber wenn Fugaku-sama dich auch noch verstößt, ist es Aus mit eurer Linie, meinst du nicht? Deine Mutter dürfte inzwischen ein bisschen zu alt sein, um noch mal für einen Stammhalter zu sorgen, und wer weiß, möglicherweise werde ich dann das nächste Clan-Oberhaupt.“ Sasuke lachte freudlos auf. Sie hatte ihn noch nie Lachen gehört, wollte sich aber nicht vorstellen, dass es tatsächlich so herzlos und bitter klang. „Mach dir keine allzu großen Hoffnungen. Ich riskiere meine Würde – oder sonst was – garantiert nicht für irgendeine unscheinbare Kunoichi.“ Sakuras Körper zuckte, als hätten seine Worte sie physisch getroffen. Es tat auch mindestens so weh, mehr sogar. „Freut mich, zu hören“, erwiderte Taiko und schnalzte mit der Zunge, was seine Aussage unverblümt unaufrichtig anmuten ließ. „So sehr ich unser Teekränzchen genossen habe, aber wenn ich mich recht entsinne, bist du im Dienst. Es hätte gerade noch gefehlt, dass uns eine Auseinandersetzung zwischen Kumogakure und den Hyūgas zum Vorwurf gemacht wird.“ Seine Stimme hatte abermals ihren gewohnt gleichgültigen Tonfall angenommen, klang vielleicht ein bisschen arroganter als gewöhnlich, wovon Sakura wusste, dass es seine Unsicherheit übertünchen sollte. Von Taiko kam eine zackige Zustimmung, dann war seine Präsenz nicht mehr wahrnehmbar und die Stille kehrte zurück. Sakura klappte wie eine Gliederpuppe in sich zusammen, als hätte lediglich die Anspannung sie aufrecht gehalten, und atmete hektisch gegen die Tränen an, die Fäuste hielt sie gegen die geschlossenen Lider gepresst. So also dachte Sasuke in Wirklichkeit über sie. Das war nicht das erste Mal, dass er etwas Gemeines sagte. Früher hatte er ihr vorgeworfen, dass sie nervte, dass sie oberflächlich und selbstgerecht sei, aber all diese Dinge hatte er ihr stets offen ins Gesicht gesagt – und mit einer gewissen Berechtigung –, ihn hinter ihrem Rücken schlecht über sie reden zu hören, fühlte sich wie Verrat an, zumal sie wirklich geglaubt hatte, dass er seine Meinung über sie geändert hatte. Nachdem, was Hidan getan hatte, war es mehr, als sie ertragen konnte. Sasuke war doch ihr einziger Silberstreifen am Horizont. Sie klaubte sich selbst vom Boden auf und wagte sich in die Kälte, spähte nach links und rechts, doch von Sasuke war nichts zu sehen. Ihr war es nur recht so – zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie keine Lust, ihm zu begegnen oder mit ihm zu sprechen. Die Nacht hatte sich inzwischen wie ein schwarzes Tuch über den Hokage-Felsen gesenkt, wirkte dunkler und dichter als zuvor. Ihr Atem ging noch immer keuchend, unterbrochen von kleinen, trockenen Schluchzern, die sich unaufhörlich ihrer Kehle entwanden, trotzdem hatte sie das Gefühl, dass nicht genügend Sauerstoff in ihrer Lunge ankam. Ihr Herz raste, sie spürte es bis zum Hals schlagen, als wollte es dem Schmerz davonlaufen. Den Wettlauf gegen ihre Tränen hatte sie verloren. Trotzig wischte sie die Nässe auf ihren Wangen fort. Ihre Haut fühlte sich ungesund heiß an der frischen Luft an. Sie wollte nicht weinen, das tat sie viel zu oft und geholfen hatte es noch nie, sorgte lediglich dafür, dass sie sich noch erbärmlicher fühlte, doch wie immer hatte sie keine Kontrolle darüber, als würde irgendwas mit ihren Augen nicht stimmen. „Sakura?“ Sie blieb wie angewurzelt mit dem Rücken zu ihm stehen, obwohl sie weitergehen wollte. Seine Stimme hatte sie aus dem Konzept gebracht, wie ein Schlag, der einen unvorbereitet getroffen hatte. Gründlich trocknete sie die Tränen, die sie sowieso nicht weinen wollte, hoffte, dass es ihm in der Dunkelheit nicht auffiel. „Ich habe auf dich gewartet.“ „Tut mir leid, mir war nicht bewusst, dass wir fest verabredet waren“, sagte sie verschnupft. Ihre Stimme klang so gebrochen, wie sie sich fühlte. „Das Feuerwerk fängt gleich an.“ Sie hörte ihn näherkommen, bis er direkt hinter ihr stehen musste. Der Wind umschmeichelte ihre Nase mit seinem Duft und abermals hielt sie die Luft an, weil sie hasste, wie er ihre Knie weich werden ließ. „Willst du es dir noch ansehen?“ Sie schüttelte unmerklich den Kopf, aber vermutlich sah er es trotzdem. „Ich möchte nach Hause.“ Er schwieg so lange, dass es absurd wurde. Vielleicht überlegte er, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass die Sakura, die er kannte, freiwillig keine Zeit mit ihm verbringen wollte. Vielleicht bildete sie sich zu viel auf sich ein. „Ist was passiert?“ Die Gleichgültigkeit, mit der er es sagte, ließ sie sich letztlich doch umdrehen. Er stand tatsächlich weniger als eine Armlänge von ihr entfernt. Seine Konturen verloren an Schärfe und sie blinzelte heftig dagegen an, öffnete stumm den Mund, um ihn gleich darauf wieder zu schließen, weil sie nichts sagen konnte und nichts zu sagen hatte und trotzdem erstickte sie langsam und qualvoll an all dem Ungesagten. Natürlich war es ihm egal, war sie ihm egal – sie hatte doch mit eigenen Ohren gehört, dass er sie für unscheinbar und unter seiner Würde hielt. Sie sog die zitternde Unterlippe zwischen die Zähne und schüttelte erneut den Kopf, nicht als Antwort, sondern vor Fassungslosigkeit. Da stand sie heulend und gebrochen vor ihm und er demonstrierte nicht das winzigste Fünkchen Mitgefühl. Sie waren wirklich keine Freunde, sie waren nicht mal mehr Ex-Kameraden, für die man sich wenigstens aus einem Minimum an Höflichkeit interessierte. Seit sie ihn kannte, hatte sie ihn verteidigt, dass er schlicht nicht gut darin sei, seine Emotionen zu zeigen, aber vielleicht war er tatsächlich ein empathieloser Klotz, der sich einen Dreck um die Befindlichkeiten seiner Mitmenschen scherte. Ihre Tränen verfingen sich in ihren Wimpern, doch sie begradigte ihre Haltung, um sich ein Stückchen ihrer eigenen Würde zurückzuerkämpfen. „Nichts, was dich angeht“, entgegnete sie monoton, drehte sich weg und schaffte es endlich, sich aus ihrer Starre zu lösen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. In einem anderen Leben hätte sie sich auf die Schulter geklopft, dass sie es war, die ihn stehen ließ, jetzt fühlte sie sich einfach nur klein und leer. Sie hörte sein charakteristisches Seufzen, irgendwas zwischen enerviert und frustriert, dass Menschen mit Gefühlen überhaupt existierten. „Bist du beleidigt, weil ich zu spät bin? Ich konnte nicht eher.“ „Nicht alles dreht sich um dich“, fauchte sie über die Schulter. „Und du bist mir keine Rechenschaft schuldig, schließlich sind wir keine Freunde, richtig?“ Einen Wimpernschlag lang sah er drein, als hätten ihn ihre Worte getroffen, doch falls die Bestürzung dagewesen war, verschwand sie zu schnell, um mit Sicherheit festgestellt zu werden. „Darum geht es nicht“, sagte er kalt. „Aber falls etwas vorgefallen ist, musst du es mir sagen.“ „Wozu? Damit du mich hinterher dafür verurteilen kannst? Dumme, schwache Sakura, die sich allein nicht helfen kann; genau das denkst du doch über mich, das denkt ihr alle.“ Sie zog geräuschvoll die Nase hoch. Statt zu antworten, tippte Sasuke lediglich auf die Armbinde, die ihn als Mitglied der Uchiha-Polizei kennzeichnete. Sakura wandte sich ab. „Lass mich in Ruhe, Uchiha.“ Sasukes Hand schnellte nach vorn und umklammerte ihren Oberarm, sie spürte den leichten Zug, den er ausübte, um sie zum Umdrehen zu bewegen. Den Gefallen tat sie ihm nicht, aber es raubte ihr die emotionale Kraft zum Weitergehen. Sie schüttelte seine Finger ab, die sofort von ihr abließen, als er ihren Widerwillen bemerkte. Nie zuvor hatte sie geglaubt, dass sich seine Berührung falsch anfühlen könnte. „Was ist los?“, fragte er ungeduldig. „Du kannst mir nicht weismachen, dass du extra hergekommen bist, um mir zu sagen, dass du keine Lust mehr hast.“ „Nichts ist los“, antwortete sie gepresst. „Lass mich einfach, bitte.“ „Sakura“, brummte er genervt, „ich will dir doch nur helfen.“ Er riss sie zwar nicht grob, aber auch nicht gerade sanft an der Schulter zurück, sodass sie gegen seine Brust prallte. Sakura vollführte eine Halbdrehung, um ihn von sich zu stoßen, doch er blockte sie geschickt ab, kam ihrem Wunsch allerdings nach, indem er zwei große Schritte von ihr zurücktrat. Auf seinem Gesicht spiegelte sich eine ungewohnte Mischung aus Enervation, Sorge und Verwirrtheit. Natürlich wusste er, dass sie grundsätzlich Temperament besaß, nur hatte es sich bisher nie gegen ihn gerichtet. „Warum? Warum solltest du einer unscheinbaren Kunoichi unter deiner Würde helfen wollen?“, raunzte sie, ehe sie darüber nachgedacht hatte. Ein Schluchzer drückte sich aus ihrer Kehle und sie presste die Hand auf den Mund, als könnte sie ihn dadurch wieder einfangen und ungehört in ihren Hals zurückstopfen. Seine Augen weiteten sich leicht, dann verschloss sich sein Gesicht mit einer eisernen Härte, die sie unangenehm daran erinnerte, dass sie vollkommen allein waren, fernab der Menschen auf dem Fest, die sie nicht mal dann hören würden, wenn sie sich die Seele aus dem Leib brüllte. Sie wich automatisch einen Schritt zurück. Er setzte ihr zwei nach. „Ich weiß nicht, was du gehört zu haben glaubst.“ „Du warst sehr direkt“, wisperte sie tonlos und wieder spürte sie Tränen in Bächen über ihre Wangen laufen. „Du riskierst deine Würde garantiert nicht für irgendeine unscheinbare Kunoichi, daran gibt es nicht viel misszuverstehen.“ „Das verstehst du nicht.“ „Nein, tue ich nicht“, schluchzte sie, in dem kläglichen Versuch, ihre Trauer in Wut umzuwandeln. „Ich dachte… ich dachte, wir wären Freunde.“ Sasuke kniff sich in die Nasenwurzel. „Wir sind… Freunde.“ Sakuras Schultern sackten ab. Er hatte sie nicht mal angesehen und nachdem, was er über sie gesagt hatte, fiel ihr schwer, ihm zu glauben. „Du musst nicht tun, als würdest du mich mögen. Seit Jahren gibst du dir sehr viel Mühe, mir zu zeigen, dass du mich nicht leiden kannst – du darfst dich freuen, die Botschaft ist endlich angekommen.“ Er stand da und betrachtete sie stumm. Trotzig wischte sie sich mit dem Kimonoärmel über die Nase. „Ich bin es leid, dass insgeheim alle auf mich herabblicken, Kakashi, du, sogar Naruto. Ich bin keine Porzellanpuppe, die man mit Samthandschuhen anfassen muss, aber ich bin auch kein Strohmännchen, das man nach Belieben herumschubsen kann. Ich bin ein Mensch mit Gefühlen und vielleicht kann ich mich nicht immer beherrschen, aber ich hatte einen echt beschissenen Tag und… und…“ Hidans grinsende Fratze tauchte vor ihrem geistigen Auge auf und ihr war, als könnte sie seine Hände erneut auf ihrem Körper spüren, nicht nur auf ihren Brüsten, sondern überall. Sie stieß einen hysterischen Laut aus, irgendwo zwischen einem Schluchzen und einem Würgen. Etwas in Sasukes Mimik veränderte sich, hatte Ähnlichkeit mit Mitleid. Vorsichtig, beinahe schüchtern streckte er die Hände nach ihr aus und zog sie behutsam gegen sich. Sakura schlang die Arme ganz automatisch um seinen Rücken und presste das Gesicht an seine Schulter. Eine Hand legte sich zwischen ihre Schulterblätter und rubbelte unbeholfen gegen das Zittern an, die andere vergrub sich in ihrem Haar am Hinterkopf. Ihr wurde bewusst, wie kalt ihr die ganze Zeit gewesen war, doch in der Wärme seiner Umarmung schien sie zu tauen, damit all die Wut, die Scham und der Schmerz aus ihr herausfließen konnten. Sakura weinte ihren emotionalen Zusammenbruch hilflos aus und Sasuke ließ sie. Am Nachthimmel über Konoha explodierten Feuerwerkskörper in brillanten Buntregen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)