Ein Leben wert von Sharry ================================================================================ Kapitel 22: Kapitel 22 - Wahrheit --------------------------------- Kapitel 22 – Wahrheit   Er hasste die Stille. Er hatte gehofft, dass Law nach seinen ehrlichen Worten etwas auftauen würde, etwas offener werden würde, aber natürlich war das etwas schwierig mit einem verdammten Damoklesschwert über dem Kopf. Die letzten Tage hatten sie kaum ein vernünftiges Gespräch zustande gebracht und Rocinante hatte es gehasst. Aber worüber hätten sie sprechen sollen? Die Arbeit, die sie gerade vernachlässigten? Die Abendessen mit den Nachbarn, die sie hätten absagen sollen? Die Dinge, die sie schon so lange hatten tun wollen, aber nie die Zeit dafür gefunden hatten? All das war während der letzten Tage bedeutend unbedeutend geworden. Über eine Zukunft zu reden, die nicht eintreten würde, brachte keiner von ihnen übers Herz, und Rocinante hatte nicht die Kraft immer und immer wieder den Verlust zur Sprache zu bringen, den er vielleicht erfahren würde. Er wusste, dass eine gute Chance bestand, dass die Strohhüte erfolgreich sein würden, aber die letzten Tage hatten ihn ausgemergelt. Er war erschöpft von dem Leid, das er erwartete, und er war erschöpft von den Schatten, die in Laws tiefen Augen gefangen waren. Bald würde diese kräftezehrende Warterei ein Ende finden, aber darauf freuen konnte er sich nicht. In seinem tollen Plan die Strohhüte zu involvieren, hatte er übersehen eine Möglichkeit der Kommunikation einzuplanen, hatte die verdammte Teleschnecke mit dem Strohhut in Laws Büro zurückgelassen, in ihrem Heim auf Natsu vergessen, wie ein Idiot nicht darüber nachgedacht, die einzige Möglichkeit der Kommunikation mitzunehmen. Aber das konnte er jetzt nicht mehr ändern, hatte nicht ändern können, dass er und Law nun sieben Tage in diesen goldenen Vogelkäfig hatten überstehen müssen, unwissend, ob es überhaupt noch Hoffnung für sie gab oder ob es an der Zeit war Lebewohl zu sagen. Dementsprechend waren ihre seltenen Gespräche kaum mehr als fahle Wortwechsel gewesen, nicht in der Lage über alltägliche Dinge oder schöne Erinnerungen zu sprechen, nicht bereit über das zu sprechen, was ihnen bevorstand, nicht in der Lage, wirklich das anzusprechen, was sie fühlten, dachten und ansprechen mussten. Das Interessante an der ganzen Situation war, nicht nur Law hatte gelogen, Rocinante tat es auch, immer und immer wieder, in der Hoffnung das Leben des anderen zu erleichtern, ihn zu beschützen, ihn nicht leiden zu lassen. Aber auch, um sich selbst zu schützen, sich selbst das Leben leichter zu machen, auch um sich selbst nicht mehr als nötig leiden zu lassen. Rocinante hatte Law gesagt, dass er leben wollte und das stimmte auch. Er wollte leben, er wollte ein verdammt glückliches Leben an Laws Seite leben, morgens neben ihm aufwachen, sich von ihm aus dem Bett ziehen lassen, Frühstück machen, zum Hafen arbeiten gehen, von Law das Butterbrot nachgetragen kriegen und dann abends mit ihm auf der Veranda sitzen und über Gott und die Welt reden oder vielleicht einfach nur Arm in Arm schweigen. Früher hatte Rocinante sich ein ganz ähnliches Leben vorgestellt, der junge Law vergraben unter seinen Büchern, um der beste Arzt der Welt zu werden, Sengoku, der mit einem pinken Fahrrad und Stützrädern vorbeikommen würde, wie ein herzlicher Großvater – ja, er wusste auch, dass diese Fantasie etwas weitgegriffen war, aber er wollte wirklich immer schon mal Fahrrad fahren lernen – und Rocinante, der irgendeinen Job übernommen hätte, um für Law sorgen zu können. Manche Nacht hatte er sich ausgemalt, wie er in einer Bar arbeiten würde, er konnte mit Sicherheit super Drinks mixen, oder aber in einem Bekleidungsgeschäft. Er hatte sich tausend Dinge ausgemalt, aber eine der Sachen hatte sich nie geändert, eine Sache hatte er nicht einmal in Frage gestellt. Ab dem Moment, in dem er entschieden hatte, dass er für Law seine Mission aufgeben würde, ab dem Moment hatte er sich ein Leben ohne Law nicht mehr vorstellen können, egal ob auf der Flucht vor seinem Bruder oder in einem friedlichen Leben auf irgendeiner Insel. Er wusste, dass Law ihn am Anfang nicht gemocht hatte – kein Wunder, Rocinante hatte keine Ahnung gehabt, wie man wirklich mit Kindern umging, und Law war alles andere als ein gewöhnliches Kind gewesen – aber das hatte sich mit der Zeit geändert, als Law angefangen hatte die Schatten hinter sich zu lassen. Seit diesen schönen Tagen waren viele, viele Jahre ins Land gezogen und die Dinge hatten sich geändert. Law war kein kleiner Junge mehr und ihre Beziehung hatte sich verändert, so wie der Rest der Welt sich verändert hatte, wie selbst Rocinante sich verändert hatte. Aber dennoch war die Welt ihm davon gerannt. Der Mann, der ihn wie den eigenen Sohn großgezogen hatte, war nun ein alter Mann, sein Bruder war nun alt genug, dass er auch Rocinantes Vater hätte sein können. Alle waren sie weitergegangen in ihrem Leben, hatten sich weiterentwickelt, und Rocinante hatte das Gefühl, dass er in diese Welt nicht mehr hineingehörte, niemandem aus seiner Zeit mehr hatte, mit einer Ausnahme. Der Einzige, der nicht weitergerannt war, sondern die Tür die ganze Zeit offen gehalten hatte, auch wenn es mit Sicherheit weder gesund noch richtig gewesen war, war Law gewesen. Law hatte die Vergangenheit nicht loslassen können, ganze 17 Jahre lang, hatte fast alles in seinem Leben verloren und bei allem, was er hätte tun können, hatte er entschieden, Rocinante zurückzuholen, um mit ihm Hand in Hand weiterzugehen. Sie beide hatten ihre Probleme, sie beide hinkten der Zeit hinterher, aber mit Law zusammen fühlte es sich eher so an, als würden sie sich von der Zeit nicht treiben lassen, als würde sie sich einfach ihre Zeit nehmen. Rocinante hatte gewusst, dass Law ihm Dinge verschwiegen hatte – als jemand, der sein Leben lang Geheimnisse mit sich herumgetragen hatte, hatte er dafür einen Riecher entwickelt – und trotzdem hatte er die Zeit auf Natsu mit ihm genossen. Es waren glückliche Tage gewesen und Rocinante war jederzeit bereit gewesen, die Vergangenheit endlich loszulassen, er hatte nur auf Law gewartet, auch bereit zu sein. Mittlerweile wusste er, warum Law noch nicht bereit gewesen war. Solange dieses Damoklesschwert des baldigen Todes über ihm hing, war es unmöglich für ihn endlich loszulassen und daher hatte Law gelogen, um Rocinante für ein paar glückliche Monate glauben zu lassen, dass sie gemeinsam in die Zukunft gehen würde. Aber auch Rocinante hatte gelogen, natürlich wollte er leben, er wollte wirklich, wirklich leben und dennoch… Rocinante hatte sich einst geschworen, dass er Law nicht sterben lassen würde, dass er sein Leben retten würde und das hatte er getan. Dieses Mal war er nicht in der Position Laws Leben zu retten, so sehr er das auch hasste, alles was er tun konnte, war hier mit Law zu warten und ihm beizustehen, mit ihm diese quälenden Minuten, Stunden und Tage der Stille auszuhalten und ihn nicht alleine zu lassen. Am Ende der Frist wollte er Law nehmen und mit ihm nach Hause gehen. Aber er war kein Idiot, er wusste ganz genau, dass die Dinge sich auch anders entwickeln konnten. Er wusste ganz genau, dass Law am Ende dieser Frist sterben könnte und so wie damals, hatte Rocinante sich auch dieses Mal etwas geschworen.  Er hatte sich geschworen, dass er diese Insel nicht ohne Law verlassen würde. „Cora“, hörte er den anderen flüstern während er einen tiefen Zug seiner Zigarette nahm, „heute bist du deutlich schweigsamer als sonst.“ Oh, wie er die Stille hasste. Sie ließ ihn Dinge denken, die er nicht denken wollte. Natürlich wusste er all das trotzdem, aber es in klaren Worten zu denken, machte es viel realer. „Tut mir leid, Law“, murmelte er, ohne seinen Blick vom Meer zu nehmen, „ich weiß, ich habe dir gesagt, dass du dem Leben mit einem Lächeln begegnen sollst und ich wollte, dass du mich immer mit einem Lächeln in Erinnerung behalten würdest, aber ich kann heute nicht lächeln. Nicht, wenn ich dich heute verlieren könnte.“ Heute war der Tag; wenn die Strohhüte bei Mitternacht nicht mit Kaiyaku Ihan durch die Türe kommen würden, würde er Law verlieren. „Du weißt, dass ich es liebe dich lächeln zu sehen, Cora.“ Er hasste es, wenn Law so klang, so gefasst und schwermütig. Law hatte sein Schicksal akzeptiert und nun wollte er dafür sorgen, dass Rocinante dieses Schicksal ebenfalls akzeptierte. „Aber ich will nicht, dass dein Lächeln erzwungen ist. Ich bevorzuge ehrlich Traurigkeit und Verzweiflung vor jedem gelogenem Lächeln.“ Anstatt zu antworten nahm Rocinante noch einen Zug seiner Zigarette. Er hatte in den vergangenen Tagen mehr geraucht als in den letzten Monaten, aber darüber machte er sich keine Gedanken. „Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe“, sprach Law ruhig weiter. „Ich wollte die Zeit mit dir genießen und einfach nur glücklich sein. Ich wusste, dass du nicht glücklich sein würdest, wenn du es gewusst hättest, und ich wollte nicht, dass die vergangenen Monate so sein würden, wie die letzten Tage.“ „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Law. Du warst nicht der Einzige, der gelogen hat.“ Immer noch konnte er den anderen nicht ansehen. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass du etwas verbirgst, aber ich hatte entschieden nicht zu fragen, nicht zu drängen, wider besseren Wissens. Ich habe mir eingeredet, dass ich es tat, um dir das Leben einfacher zu machen, aber die Wahrheit ist, es war der einfachere Weg.“ „Das stimmt nicht, Cora.“ Law legte ihm eine Hand auf die Armbeuge. „Du warst großzügig und wolltest mich nicht unnötig leiden lassen und ich habe das gegen dich verwendet. Ich habe deine Güte ausgenutzt. Es war nicht deine Schuld.“ Keiner von ihnen sagte etwas und Rocinante wünschte er wäre in der Lage den anderen nun anzulächeln und ihm zu sagen, dass alles gut werden würde. Aber es wäre eine Lüge und je länger er darüber nachdachte… „Law, kann ich dich um etwas bitten?“ „Natürlich, Cora.“ Er zögerte für einen Moment. „Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten und wir das hier unbeschadet überstehen…“ „Cora, wir beide wissen, dass solche Gespräche…“ „Nein, hör mich an. Ich will keine großen Pläne schmieden. Was kommt, das wird kommen und ich bin vorbereitet. Aber…“ Er schloss die Augen, um die Tränen zu verdrängen, die schon seit Tagen darum kämpften endlich rauszukommen. „Aber mir ist aufgefallen, dass unsere ganze Beziehung auf Lügen aufgebaut ist.“ „Aber, Cora, ich sage nicht, dass…!“ Law klang aufgebracht, selten wütend. „Und ich sage das nicht als Schuldzuweisung, Law. Es ist eine simple Beobachtung und du weißt, dass ich Recht habe. Selbst als wir uns kennenlernten, habe ich dich angelogen, du dachtest ich wäre ein treuer, stummer Gefolgsmann meines Bruders, der keine Kinder leiden kann und grausam ist, sogar grausamer als mein Bruder. Wir beide lügen, immer und immer wieder, nicht um den anderen zu schaden, sondern um den anderen schützen zu wollen oder weil wir uns selber schützen wollen, und ich verstehe das. Wie gesagt, ich habe dir das beigebracht, aber… aber… Ich will, dass du glücklich bist, ich will, dass du lächelst, aber wenn du in Wirklichkeit traurig bist, Angst hast, wütend bist oder was auch immer, dann will ich das wissen, dann will ich, dass du mir das zeigst. Wenn ich doch da bin, dann brauchst du all das doch nicht allein mit dir ausmachen, nur weil du nicht willst, dass ich mir Sorgen mache, und…“ „Du hast Recht“, meinte Law als Rocinante kaum noch sprechen konnte. „Die Wahrheit ist, ich war immer dankbar, dass du nicht gefragt hast, nicht gedrängt hast, aber ich hätte von mir aus dir die Wahrheit erzählen sollen. Ich will nicht mehr lügen, Cora, und auch wenn ich den Strohhüten vertraue, so will ich nicht mit der Wahrheit warten, bis es vielleicht zu spät ist.“ „Was meinst du damit?“ Er konnte den anderen nicht ansehen, wollte nicht, dass Law sah, wie schwer ihm es fiel sich zusammenzureißen. „Genau das, was ich gesagt habe. Du hast Recht. Immer wieder haben wir gelogen, für uns selbst und für einander, und wohin hat uns das geführt? Du bist gestorben ohne, dass ich etwas tun konnte und ich habe mein Leben für deines verkauft, ohne dir überhaupt eine Wahl zu lassen. Selbst wenn wir das hier überstehen, was kommt als nächstes? Es ist an der Zeit ehrlich miteinander umzugehen. Ich will nicht mehr lügen.“ Er schwieg. Er wusste genau, worauf dies hinaus laufen würde. Law würde ihm nun seine Gefühle erneut gestehen und ihm genau erklären, warum er getan hatte, was er getan hatte. Law würde ihm erklären, dass er gelogen hatte, um Rocinante zu beschützen, weil er ihn liebte, ihn nicht traurig sehen wollte, und dass sein Leben ohne Rocinante nichts wert sein würde. Law würde ihm nun erklären, dass er, nachdem er alles verloren hatte, sich ein Jahr Glück an Rocinantes Seite gewünscht hatte und auch wenn er viel von Rocinante verlangen würde, nun glücklich sterben konnte, wissend, dass er seine Schuld beglichen hatte. Er würde so einen Schwachsinn sagen, wie dass Rocinante eine größere Bereicherung für die Welt wäre als er selbst, dass er ja noch Sengoku hätte und eine Aufgabe als ehemaliger Soldat, und dass es in Ordnung wäre, wenn Law sterben würde, dass sein Tod die Schuld begleichen würde, die er in sich trug. All diese Dinge würde er jetzt sagen, in der Hoffnung, dass Rocinante ihm vergeben würde, ihm ermöglichen würde einen Abschluss zu finden. Und wenn Rocinante ehrlich sein würde, würde er ihm den Mund verbieten, ihm genau erklären, was das für eine Scheiße war und es ihm verdammt nochmal egal wäre, warum Law getan hatte, was er getan hatte, aber dass er nicht bereit war, Law zu verlieren. Aber Rocinante würde nicht ehrlich sein, er hatte damals Law dazu gezwungen ihm einen Abschluss zu geben, indem er ihm alles offenbart hatte, ohne seine Reaktion sehen zu müssen. Law hatte er diesen Ausweg verwehrt, indem er hergekommen war. Also würde er sich diesen Schwachsinn nun in Ruhe anhören und dann so tun, als würde er Law vergeben und als würde Law sich keine Sorgen um ihn machen müssen. Rocinante würde ihn ein letztes Mal anlügen, für den Fall, dass er Law verlieren würde, und sollte alles unerwarteter Weise doch gut gehen, dann hatte er noch ein Leben lang Zeit, es wiedergutzumachen. „Ich habe dich angelogen, in mehr als nur einer Sache“, begann Law nun die Rede, die Rocinante nicht hören wollte, „und ich weiß nicht, ob ich die Zeit habe, dir alles zu erklären, aber lass es mich versuchen.“ Er schloss seine Augen, wollte nicht wissen, was Law ihm noch verschwiegen hatte. „Ich habe dir einst gesagt, dass ich noch Kontakt zu meinen Crewmitgliedern pflege und dass sie alle ein glückliches und zufriedenes Leben führen, wie sie es verdient haben. Das war eine Lüge, die meisten von ihnen sind tot.“ Für einen Moment vergaß er zu atmen und sah den anderen fassungslos an, der nun seinerseits aus dem Fenster aufs Meer hinausstarrte. „Es stimmte, dass ich sie vor dem Großen Krieg weggeschickt hatte, aber was ich nicht gewusst hatte, war, dass sie sich um den Aufruhr Impel Downs kümmern würden. Ich hatte mich vor langer Zeit von ihnen abgesetzt, um de Flamingo allein zu verfolgen, und sie wollten verhindern, dass er ausbrechen würde. Nur wegen mir haben sie sich ihm entgegengestellt und…“ Law schlug leicht gegen die Fenster. „Ich habe sie damals noch nicht mal aufgesucht. Ich konnte es nicht. Ich war nicht mal dabei, um sie zu beerdigen. Aber ich habe dir das nicht sagen können, ich weiß noch nicht mal warum. Aber… aber das ist die Wahrheit und danach habe ich…“ „Ich weiß“, flüsterte Rocinante und sah aufs Meer hinaus, „ich weiß was geschehen ist. Sanji hat es mir erzählt und den Rest konnte ich mir denken.“ Law schwieg. „Und dann hast du entschieden, dass du…“ „Nein. Ich habe gar nichts entschieden. Ich bin vor allem davongelaufen, hatte wohl gehofft, dass mich irgendwer umbringen würde, vielleicht aus Rache für irgendetwas, vielleicht auch einfach nur aus dem Zufall heraus. Aber was ich dir sagte, dass ich nur zufällig über Natsu gestolpert bin, das stimmte. Ich habe nur zufällig von ihr und ihren Fähigkeiten gehört und ab dann… der Wunsch dich nochmal lächeln zu sehen war das Letzte was mich am Leben hielt.“ Was sollte er darauf antworten? Was sollte er nur sagen? „Die Wahrheit ist, ich habe dir das von meiner Crew nicht erzählt, weil ich nicht wollte, dass du mich so ansiehst“, murmelte Law nun. Er sah den anderen an, der immer noch seinem Blick auswich. „Dass ich dich wie ansehe?“ „So wie du es immer tust, wenn du dir Sorgen um mich machst. So wie du es getan hast, wann immer ich früher vor Schmerzen gezittert habe oder wenn du dachtest ich würde schlafen. So wie du es getan hast als du nach 17 Jahren in einer fremden Welt aufgewacht bist und dir nur Gedanken darum gemacht hast, wie es mir ergangen ist. So wie du mich die letzten sieben Tage angesehen hast.“ „Du hattest Angst, dass ich dich dazu zwingen würde, die Überlebenden deiner Crew aufzusuchen. Du hattest Angst mir zu sagen, dass mein Bruder alle die du liebst umgebracht hat.“ Law nickte nur. „Und deshalb hast du mich darüber angelogen.“ Law nickte erneut. Seufzend begann Rocinante durch den Raum zu wandern. Er hatte etwas anderes erwartet. Er hattet erwartet, dass Law sich sein Gewissen hatte reinwaschen wollen, aber das hatte Law nicht getan. Law war seinem Wunsch gefolgt und war nun bereit ihm endlich die ganze Wahrheit zu sagen. „Soll ich weitermachen?“, flüsterte Law, anscheinend unsicher über Rocinantes Schweigen. „Nein, jetzt bin ich dran“, entgegnete er und wandte sich dem anderen zu, der ihn zum ersten Mal seit langer Zeit ansah. „Du hast gelogen, ich aber auch.“ „Ich weiß, Cora.“ „Nein, du weißt nicht. Ich rede nicht von dem vergangenen Jahr, von Dingen, die ich ignoriert, verschwiegen oder absichtlich falsch dargestellt habe. Ich habe dir gesagt, dass ich leben will und das stimmt auch“, fügte er schnell hinzu als Laws Augen sich weiteten und der andere den Mund öffnete. „Ich will leben, ich will das perfekte unperfekte Leben leben, und für all die Fehler meiner Vergangenheit einstehen.“ Er ging auf den anderen zu. „Aber – und ich weiß, dass du das nicht hören willst – ich kann dieses Leben nicht ohne dich leben.“ „Cora, ich…“ „Ich weiß, du hast dein Leben für meines verkauft und es mag unglaublich egoistisch sein, aber Law, diese Welt hier ist nicht mehr die meine, ich gehöre hier nicht mehr hin und ohne dich hat meinen Leben hier keinen Wert mehr. Also bitte“, sprach er weiter, als Law erneut versuchte ihn zu unterbrechen, „bitte zwing mich nicht, ohne dich weiterleben zu müssen.“ Er konnte den Horror in Laws Augen sehen, der den Mund öffnete und schloss, ohne irgendetwas zu sagen. Damals hatte Rocinante gelogen, um genau diesem Blick zu entgehen. Aber Law hatte entschieden nun endlich ehrlich zu sein und wie sollte Rocinante ihn dann guten Gewissens weiterhin anlügen? Also stand er da, hielt Laws verzweifeltem Blick stand, als dieser verstand, was Rocinante ihm sagen wollte. „Bist du dir sicher?“, flüsterte er atemlos. „Cora, du warst fast ein Jahr nur mit mir zusammen, aber die Welt ist groß und mit der Zeit…“ „Du meinst nach 13 Jahren, nach 17? Wie viele Jahre hast du gebraucht, Law? Und wie viele glaubst du würde ich brauchen? Ich kannte dich kaum und wollte dein Leben retten, dann kannte ich dich und konnte mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. Ich war glücklich, dass ich mit meinem Tod dein Leben retten konnte. Ich glaube nicht, dass ich je darüber hinwegkommen würde dich zu verlieren.“ Law biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf, rieb sich durchs Gesicht, rieb sich die Tattoos auf seinem Unterarm. „Das wollte ich so nicht“, meinte er beinahe fahrig, „ich wollte nicht, dass du…“ „Ich weiß. Du hast unterschätzt, was du mir bedeutest. Es tut mir leid.“ Erneut schüttelte Law den Kopf, wandte sich dann wieder dem Meer zu und verschränkte die Arme. „Ich will nicht, dass du stirbst, Cora.“ „Ich will auch nicht sterben. Aber ich will auch nicht, dass du stirbst.“ Kurz sah Law zu ihm hinüber, dann starrte er wieder aufs Meer hinaus, aber er hielt ihm eine Hand hin und Rocinante ergriff sie. Law zog ihn zu sich und sah ernst zu ihm hinauf. „In Ordnung.“ Dann nickte er aufs Meer. „Dann lass uns hoffen, dass sie erfolgreich waren.“ Dort am Horizont zeichnete sich das Schiff der Strohhüte ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)