Ein Leben wert von Sharry ================================================================================ Kapitel 19: Kapitel 19 - Begegnung ---------------------------------- Kapitel 19 – Begegnung   „Bist du dir sicher?“ „Ja, bleib hier.“ Rocinante riss die Tür auf und trat in den dunklen Gang. Nur ein paar Fackeln erleuchteten die kargen Steinwände und die Luft roch alt und modrig. Hallende Schritte führten ihn an leeren Zellen vorbei, die ihm nachstarrten wie die toten Augen wilder Tiere. Ein Jahr lang hatte er sich auf diesen Moment vorbereitet und doch konnte nichts ihn auf das vorbereiten, was kommen würde. Ganz am Ende des Ganges wartete eine riesige Zelle auf ihn und dort fand er den einzigen Gefangenen des Flures vor. „Ah, welches Insekt hat sich in mein Reich verirrt?“ Kalt lachte der Gefangene auf, während Rocinante stetig näher kam. „Da muss jemand ganz schön verzweifelt sein, um zu mir zu kommen. Sonst meidet ihr mich doch wie das Volk den Blick des Königs. Es war schon lange keiner mehr hier unten. Welches Jahr schreiben wir?“ „Du bist kein König eines Reiches, sondern ein Gefangener einer Zelle und wir schreiben das Jahr 1529.“ Rocinante trat vor die Gitterstäbe. „Aber ja, ich bin verzweifelt und bin hierhergekommen, um dich um Hilfe zu bitten, großer Bruder.“ Die Fackeln des Ganges warfen kaum mehr als groteske Schatten in die Zelle, sodass er den anderen kaum ausmachen konnte, der an der entgegengelegenen Wand mit einer Vielzahl von Fesseln festgekettet war. Er war hager, ausgemergelt, das Haar ungepflegt und zottelig, hing ihn bis zu den Schultern hinab, ließ ihn fast wie einen Fremden wirken. Sein Gesicht war in den Schatten verborgen, aber seine Stimme zeigte, dass selbst vor ihm das Alter nicht Halt gemacht hatte. Selbst sein mächtiger Bruder musste sich der Zeit beugen und war älter geworden. Kein Wunder, Law war erwachsen geworden, Sengoku ein alter Mann und selbst sein Bruder war nun 45 Jahre alt, während die Zeit für Rocinante stehen geblieben war. Er konnte sehen, dass der andere den Kopf leicht neigte, das Licht der Fackeln brach sich in den gesplitterten Gläsern seiner Sonnenbrille. „Was soll das?“, fragte der andere mit einem Feixen. „Wollt ihr mir mit dem Gesicht meines toten Bruders Informationen entlocken? Dann sollte ihr euch besser erkundigen. Ich habe meinen Bruder damals eigenhändig ermordet. Es gibt nichts, was ich diesem Verräter sagen würde, also spar dir die Maskerade.“ Aber die Wahrheit ist, lange – viel zu lange – hatte ich diese kleine Hoffnung, dass ich ihn irgendwie doch würde retten können. „Warum denkst du bin ich hier, Bruder?“ Der andere lachte leise auf. „Bruder? Nun gut, meinetwegen, hier unten ist es oft langweilig, also spielen wir dein Spiel.“ „Es ist kein Spiel, nur eine einfache Frage.“ „Weil du endlich eingesehen hast, dass deine großartige Gerechtigkeit, die Vereinten Völker, ein Irrsinn ist. Die menschliche Natur ist egoistisch und verschlagen, auf den eigenen Vorteil bedacht und habgierig. All die da draußen machen sich etwas vor, wenn sie glauben, dass ein Krieg und ein paar nette Worte dies ändern würden und du weißt es. Wer in dieser Welt überleben will muss zu den Mächtigen und den Starken gehören. All diese naiven Worte über Freundschaft, Nächstenliebe und Güte, sie sind nichts wert am nächsten Tag. Diese neue Weltordnung wird fallen, so wie jede andere zuvor, denn die Menschen sind nicht für Frieden geschaffen.“ Nun blitzten die Zähne eines breiten Grinsens in der Dunkelheit auf. „Du bist hier, weil du weißt, dass sie untergehen werden, diesen Vereinten Völker, und du weißt nicht auf welche Seite du dich stellen sollst. Auf die der Guten, die für Gerechtigkeit und Hoffnung draufgehen werden, oder einfach auf die derjenigen, die überleben wollen. Fufufu. Dein Gewissenskonflikt ist vergebens, die mit einem schwachen Willen sind schlussendlich eh immer diejenigen, die zuerst sterben.“ Wäre ich der erste gewesen, der geschossen hätte, dann wäre all das hier nicht passiert. „Du liegst falsch“, entgegnete Rociante und ließ die Worte des anderen ihn nicht erreichen. „Was mit den Vereinten Völkern passiert ist für meinen Besuch nicht von Belang.“ „So? Was dann, Bruder?“ Rocinante seufzte. „Ich wollte dich schon seit langer Zeit besuchen, aber Law zur Liebe habe ich es hinausgezögert.“ „Law?“ Zum ersten Mal klang der andere wirklich neugierig. „Ja, Law. Derjenige, der dafür gesorgt hat, dass du hier eingesperrt bist.“ Selbst in den Schatten konnte er die Zornesader sehen, die sich auf der Stirn des anderen abbildete. „Wer bist du?“ Diese Frage klang eher wie eine Drohung. „Das weißt du genau.“ „Nein! Ich habe meinen Bruder getötet, erschossen. Er ist tot!“ Ich bin froh, dass du deinen Bruder nicht umbringen konntest. „Ich erinnere mich“, sprach er gefasst weiter und ließ sich von seinen Erinnerungen nicht übermannen, „damals auf Minion. Du hattest deine Waffe auf mich gerichtet und ich die meine auf dich. Ich hatte mir festgenommen, dich zu erschießen, aber ich konnte es nicht, obwohl ich wusste, dass du nicht zögern würdest mich zu erschießen.“ Er fragte sich, was der andere wohl gerade dachte. „Aber das Schlimmste an der ganzen Situation war, dass ich Law angelogen hatte. Ich hatte ihm gesagt, dass du mir nichts tun würdest, weil wir doch Brüder sind, und er hat mir geglaubt. Er saß hinter mir in dieser Kiste und musste mitanhören, wie du mich erschossen hast und das ist meine Schuld, weil ich dich nicht töten konnte.“ „Was zur…?“ „Du musst mir nicht glauben. Ich hatte nicht vorgehabt, dass unser erstes Treffen nach so vielen Jahren so verlaufen würde, aber heute fehlt mir die Zeit dich von der Wahrheit zu überzeugen. Alles was ich von dir wissen will ist, ob du jemanden kennst, der eine Teufelskraft besitzt, mit der man die Toten auferstehen lassen kann.“ Der andere schwieg für einen Moment, neigte den Kopf von der einen zur anderen Seite und zurück. „Was für eine Strategie soll das hier sein? Sich als meinen toten Bruder auszugeben, um an Informationen zu kommen, die es nicht gibt.“ „Was?“ „Ich weiß nicht, was du mit deinem komischen Auftritt bezwecken willst, Bruder, aber obwohl es einige Teufelskräfte gibt, die das Leben beeinflussen können, so gibt es keine, die Tote zurück ins Leben holen könnte, mit Ausnahme der Totenreichfrucht, aber dies gilt nur für den Nutzer selbst. Du verschwendest meine Zeit, dein Spiel langweilt mich, also verschwinde.“ „Nein, du weißt etwas“, entgegnete Rocinante kühl und verschränkte die Arme. „Ich gehe davon aus, dass nach Sengoku dich niemand mehr besucht hat. Das heißt seit drei Jahren hast du mit niemandem mehr gesprochen. Sie haben dir dein Zeitungsprivileg entzogen, so dass du noch nicht einmal die Neuigkeiten der Welt hattest, um die Zeit totzuschlagen. Du hast keine Ahnung gehabt, seit wie vielen Stunden, Tagen, Wochen, Monaten du hier schon allein und einsam vor dich hin vegetierst. Du hast dich gefreut als du gehört hast, dass jemand kommt. Du hast dich über diese Ablenkung gefreut, selbst wenn sie noch so langweilig wäre, würdest sie der zeitlosen Ewigkeit deiner Zelle dennoch vorziehen.“ „Hör auf!“, knurrte der andere. „Das heißt entweder du weißt etwas oder du zweifelst.“ „Hör auf!“ „Wenn du etwas wissen würdest, dann würde dich das in eine Machtposition setzten, deine Reaktion jedoch sagt mir…“ „HÖR AUF!“ Laut klirrten die Ketten, als der andere sich in seinem Gefängnis wandte. „Verschwinde! Lass mich in Ruhe!“ „Sag mir was ich wissen will und ich gehe.“ „Die Teufelsfrucht, die du suchst, gibt es nicht!“ Der andere atmete schwer, seine angeketteten Hände zu Fäusten geballt. „Dann lass mich meine Frage anders formulieren: Gibt es jemanden, der im Eintausch für das ewige Leben einen Toten widerbeleben könnte?“ „Law!“ Es war das Grollen eines Biestes. „Seine Kraft gehört mir!“ „Nein, Bruder, er hat sie jemandem anderen versprochen und ich will wissen wem.“ Immer noch atmete der andere schwer, schien vor Wut zu zittern, Ketten klirrten. Selbst jetzt, in diesem bedauerlichen Zustand, hatte er noch etwas Königliches an sich, etwas Beeindruckendes, und dass, obwohl er sich so unbeherrscht benahm wie ein trotziges Kind. „Und wenn ich dir sage wer, dann verschwindest du?“ „Das ist der Deal.“ „Und du kommst nie wieder?“ Deine Güte mag eine Schwäche gegenüber deinem Bruder gewesen sein, aber durch sie hast du mich gerettet. „Ich hätte dann keinen Grund mehr.“ Der andere knurrte ihn regelrecht an. „In Ordnung.“ „Ich höre.“ „Die Chefin.“ „Wer?“ Der andere neigte den Kopf zur Seite. „Niemand kennt ihren wahren Namen. Man nennt sie die Chefin und sie hat die Fähigkeit nahezu alles möglich zu machen, solange man den Preis bezahlen kann. Sie ist eine eiskalte Geschäftsfrau ohne Moral oder Gewissen.“ „Wo finde ich sie?“ „Nah, normalerweise findet sie dich. Aber man munkelt, dass sie nahe der Red Line lebt, nahe Mary Joa, logischerweise. Wie könnte man besser Milliarden scheffeln, als mit Vertragspartnern, die alles haben wollen, aber denen Geld egal ist?“ Vor seinem inneren Auge konnte er sehen, wie die fehlenden Puzzleteile ineinander klickten. Endlich wusste er, was das große Bild ergab. Für einen Moment starrte er seinen älteren Bruder an, der ihn damals erschossen hatte, weil Rocinante ihn verraten hatte. „Hast du je…?“ „Das reicht jetzt.“ Der andere klang wieder drohend. „Du wolltest wissen wer sie ist und ich sagte dir sogar, wo sie zu finden ist. Ich habe meinen Teil des Deals eingehalten, und jetzt verschwinde.“ Rocinante nickte. „In Ordnung und vielen Dank. Ich werde jetzt gehen.“ Wir sind nun mal Menschen, wir machen Fehler und handeln nach unseren Gefühlen und unserem Gewissen. „Aber es tut mir leid, ich habe dich angelogen – wieder mal – sobald ich mich um diese Sache gekümmert habe, werde ich wiederkommen und wir werden reden und ich werde nicht nach nur einer Antwort gehen. Also bis dann, großer Bruder.“ Lautstarke Flüche, Gebrüll und Geschrei folgte ihm als er den kalten Gang hinunterging, sich nicht ein einziges Mal nach seinem Bruder umdrehend. „Und?“, fragte Sengoku ihn, als er den Aufzug erreicht hatte. „Ich brauche eine Teleschnecke.“ „Wir haben eine an Bord.“ Er verschränkte die Arme als sie sich wieder zur Oberfläche begaben. Sengoku war besonnen genug, nicht zu fragen. Eine Stunde später wählte er eine alt vertraute Nummer. „Praxis Natsu, wie kann ich Ihnen…?“ „Frau Paipai.“ „Corazón, was ist los? Ninnin hat gesagt Doktor Trafalgar hätte sie angerufen und gesagt, sie müsse seine Termine übernehmen, und Sie verschwinden am gleichen Tag, ohne auch nur die Haustür abzuschließen. Was ist passiert?“ „Law steckt in Schwierigkeiten, aber ich kümmere mich drum. Dafür brauche ich aber Ihre Hilfe.“ „Natürlich.“ „Kennen Sie eine Frau aus der Umgebung, die eine exzellente Geschäftsfrau ist, vielleicht sogar von einer großen Firma, vielleicht redet man immer von ihr als Chefin?“ „Oh, Sie reden bestimmt von Momo’s Arbeitgeberin.“ Bingo! „Sie wissen, wer sie ist?“ „Ja natürlich. Sie lebt auf Aki. Ihr Familienname ist Doto oder so. Sie ist Erbin eines reichen Familienunternehmens, sehr zurückgezogen. Momo, mein Neffe, arbeitet für sie. Sie scheint eine sehr großzügige Arbeitgeberin zu sein.“ „Ich danke Ihnen.“ „Corazón, sagen Sie, muss ich mir Sorgen machen?“ Er zögerte, doch dann lächelte er sein Lächeln. „Nein, Frau Paipai, Sie wissen doch, ich passe auf Law auf.“ Doch als er auflegte verschwand sein Grinsen. „Rocinante…“ „Nicht“, unterbrach er Sengoku, der gerade zu Tür hereinkam. „Ich will jetzt nicht über meinen Bruder reden oder über irgendetwas anderes.“ „Rocinante, wir werden Law schon…“ „Er könnte bereits tot sein, Sengoku. Er könnte bereits eine halbe Stunde nach Aufbruch gestorben sein und wenn ich Vollidiot nicht die Fähre nach Haru, sondern nach Aki genommen hätte, hätte ich ihn aufhalten können.“ „Du wusstest es nicht.“ „Aber ich hätte es wissen müssen. Verdammt noch mal, Lügen und Geheimnisse sind meine Spezialität, ich hätte erkennen müssen, was Law vorhat. Ich hätte…“ „Rocinante!“ Fast automatisch ging eine Anspannung durch seinen Körper, die nur ein Vorgesetzter hervorrufen konnte. „Ich werde meine Worte von heute Morgen nicht wiederholen. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern und du weißt nicht, was dich in der Zukunft erwarten wird. Also konzentriere dich auf die Gegenwart, du wirst es brauchen.“ Er sah den anderen an. „Was meinst du damit?“ „Die Strohhüte haben soeben Kaikkien Maiden erreicht und erwarten uns.“   Die Gruppe seltsamer Gestalten, die ihn erwartete, begutachtete ihn argwöhnisch. Sie schienen ein bunt zusammengewürfelter Haufen zu sein und er wusste nicht, ob das Skelett oder der Cyborg ihn mehr faszinieren sollte. Dann fiel sein Blick auf den augenscheinlichen Anführer der Truppe – auch wenn Rocinante nichts erkennen konnte, was auf den namensgebenden Strohhut hinweisen würde - der einen halben Schritt vor den anderen stand, offensichtlich jederzeit für einen Angriff bereit. „Du bist also Laws Freund“, murrte der Grünhaarige und Rocinante erkannte seine Stimme. Er war derjenige, mit dem er über die Teleschnecke gesprochen hatte. „Ja. Mein Name ist Don Quichotte Rocinante, ich glaube meinen Bruder habt ihr bereits kennengelernt.“ Fassungslosigkeit begrüßte ihn, bei manchen auffällig, bei anderen kaum sichtbar. „De Flamingo hatte einen Bruder?“, fragte ein… Waschbär? „Corazón“, antwortete ein Blondschopf mit Zigarette im Mund, „so nannte Law ihn, wenn ich mich nicht irre.“ Jetzt bemerkte Rocinante, dass auch der Blonde ihn misstrauisch beäugte, nicht so offensichtlich wie der, den er als Kapitän ausmachte, aber auch nicht so unauffällig wie die Frau mit den schwarzen Haaren. „Corazón ist tot“, entgegnete der Anführer schlechtgelaunt, „also bist du…“ „Ich versichere euch, dass dies Don Quichotte Rocinante, auch genannt Corazón, ist“, unterbrach Sengoku nun den anderen und verbeugte sich knapp. „Warte, warte, warte!“, brüllte plötzlich ein schwarzhaariger Lockenkopf. „Law hat einen Toten zurück ins Leben geholt?“ Rocinante nickte. „Ich sagte ja, er steckt in Schwierigkeiten.“ Plötzlich glitt ein dreckiges Grinsen über das Gesicht des Anführers. „Na, da wird es ja doch noch interessant.“ Eine Frau mit kurzem orangenfarbenem Haar stieß ihren Ellenbogen in die Seite des Anführers. „Law ist in Gefahr und du denkst wieder mal nur ans Kämpfen.“ „Wo ist denn euer Kapitän“, unterbrach Sengoku die zwei anderen und Rocinante schaute überrascht auf. Von der Ausstrahlung und der Aura her, hätte er wetten können, dass der Grünhaarige mit den Schwertern eindeutig der Kapitän der Crew war. „Corby besuchen“, entgegnete der Grünhaarige mit einem Schulterzucken. „Bist du nicht auch ein Freund von ihm, Lorenor?“ Oh, er hatte den Namen schon mal in der Zeitung gelesen. Das war also der beste Schwertkämpfer der Welt. „Nah, ich war neugieriger auf Laws Freund“, grinste Lorenor Zorro nur und sah dann Rocinante direkt an, „hätte ja auch eine Falle sein können.“ „Mensch, Spinatschädel, seit der Sache auf Mystoria bist du so misstrauisch, das nervt. Nicht jeder Fremde ist automatisch ein Feind.“ „Halt die Klappe, Kartoffelschäler, ich habe mich nur auf einen Kampf gefreut, mehr nicht. Außerdem bist du der Idiot, der seit Mystoria…“ „Also Corazón“, unterbracht die Frau mit den orangenen Haaren die beiden Streithähne, „ich darf dich doch Corazón nenne, oder? Was ist der Plan?“ Unwohl wandte er sich ihr zu. „Sollten wir nicht auf einen Kapitän warten.“ „Nein“, entgegneten alle anderen Anwesenden – inklusive Sengoku - einstimmig und rollten gleichsam mit den Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)