Ein Leben wert von Sharry ================================================================================ Kapitel 18: Kapitel 18 - Taten ------------------------------ Kapitel 18 – Taten   „Ich kann es immer noch nicht glauben. Das ist doch unmöglich“, murmelte Sengoku und reichte ihm eine Tasse grünen Tee, ehe er eine Schale Algencracker auf den Tisch stellte. „Du siehst immer noch genau so aus, wie damals.“ „Naja, das ist ja jetzt auch keine Überraschung mehr“, meinte Rocinante unwirsch und versuchte die fehlenden Puzzleteile zu erahnen, „ich bin ja auch siebzehn Jahre lang nicht gealtert. Kein Wunder, Tote altern nicht.“ „Rocinante…?“ Aufgebracht stand er auf, fuhr sich durchs Haar und begann im Raum auf und abzugehen. Nachdem Sengoku ihm endlich geglaubt hatte und sie einige Sekunden des emotionalen Wiedersehens verbracht hatten, waren sie nun in dessen Büro auf irgendeinem Schiff, welches sie nach Impel Down bringen würde. Rocinante wollte keine Zeit verlieren, er hatte geglaubt, dass Law ihn nicht mit Sengoku hatte sprechen lassen wollen, da dieser die Antwort hätte, was mit Law passiert war. Nun wusste er aber, dass Law hatte vermeiden wollen, dass Sengoku seine Lügen entlarven würde. Das bedeutet, dass wenn überhaupt sein Bruder noch Antworten haben könnte. „Verdammt!“, fluchte er lautstark. „Wie einen Idioten habe ich mich reinlegen lassen, mich von ihm an der Nase herumführen lassen. Ich habe ihm geglaubt, dass er einfach nur Angst davor hatte dir gegenüberzustehen. Ich hätte wissen müssen, dass seine Teufelskräfte nicht in der Lage sind, die Zeit einzufrieren. Ich wusste doch ganz genau…“ „Rocinante.“ Er unterbrach sich, als die starke Hand seines Ziehvaters auf seiner Schulter lag. „Du sagtest Law ist in Gefahr, deswegen bist du hier.“ Er sah den anderen an und nickte. „Law hat mir erzählt, er hätte mich am Leben erhalten - in einem Timeless Room, oder so hat er es genannt - aber das war offensichtlich gelogen. Er hat mich angelogen und er wusste, dass du die Wahrheit wusstest. Deswegen hat er mich davon abgehalten dich schon viel früher zu besuchen, weil du seine Lüge offengelegt hättest. Mein Bruder hat mich getötet.“ Tief einatmend ließ er sich wieder auf den Sessel fallen und griff nach seinem Tee. Sengoku setzte sich ihm gegenüber. „Und du sagst Law hätte dich zurück ins Leben gerufen? Das ist unmöglich. Seine Teufelskraft mag jemandem ewiges Leben schenken können, aber er kann die Toten nicht zurückholen, selbst Law nicht.“ „Meinst du ich weiß das nicht? Ich habe ihm damals schließlich diese Frucht geholt. Ich weiß genau, wo die Grenzen dieser Kraft liegen. Aber seine Kraft ist nicht die einzige, die mit dem Leben spielen kann. Es gibt mit Sicherheit noch andere Teufelskräfte und er… oh nein, er wird das ewige Leben für mein Leben eingesetzt haben.“ Sengoku seufzte auf. „Okay, lass mich eine Sekunde aufholen. Du sagst also du wärest vor einem Jahr –“ „Vor fast elf Monaten. „– okay, also vor circa elf Monaten bist du zu dir gekommen und Law hat dir erzählt, er hätte dir mit seinen Fähigkeiten das Leben gerettet, aber du wärest nicht gealtert und warst bewusstlos oder so.“ Rocinante nickte. „Und nachdem du das alles begriffen hattest und so weiter hat Law dich davon abgehalten mich zu besuchen, weil er wusste, dass ich seine Lügen sofort aufdecken würde und jetzt eines Morgens war er einfach weg und du denkst ihm ist etwas passiert?“ „Ich weiß er ist in Gefahr. Mir war immer bewusst, dass er etwas vor mir geheim hielt, aber je mehr ich ihn gedrängt hätte, desto weniger hätte er mir gesagt und ich meine, er hatte mehrere Kriege hinter sich und eine traumatische Kindheit und Jugend, natürlich würde er seine Geheimnisse haben.“ „Aber das bedeutet noch nicht…“ „Ich habe ihm eine Vivre Card angefertigt, er hat sie mir als Nachricht hingelegt und sein Schwert mitgenommen. Ich habe ihm am Tag zuvor gesagt, dass es an der Zeit ist mich endlich mit dir zu treffen und am nächsten Tag ist er weg. Wann auch immer wir über die weitere Zukunft gesprochen haben wurde er abweisend und traurig. Ich dachte weil er Angst hätte, dass ich wieder verschwinden würde, aber jetzt weiß ich, dass er von Anfang an wusste, dass er nicht da sein würde. Es ging nie darum, dass ich mich irgendwann meiner Vergangenheit stellen würde, sondern darum, dass er irgendetwas getan hat, dass sicherstellen würde, dass er diese Zukunft nie erleben würde. Das Einzige was mir da in den Sinn kommt ist das Offensichtlichste: Er hat seine Fähigkeit des ewigen Lebens für mein Leben verkauft.“ Der alte Mann nickte und nahm einen tiefen Schluck. „Selbst wenn es einen Teufelsfruchtnutzer geben würde, der in der Lage wäre Tote zurück ins Leben zu holen, warum reisen wir dann jetzt nach Impel Down?“ „Weil ich nur eine Person kenne, die wissen könnte, wen wir suchen.“ „Du sprichst von deinem Bruder?“ „Natürlich, kaum einer ist so besessen von Leben und Tod wie Doffy. Wenn es einen Menschen gibt, der so etwas kann, dann weiß er es. Vielleicht war er sogar derjenige, der Law damals von dieser Person erzählt hat.“ Ernst sahen sie einander an, ehe Sengoku den Kopf schüttelte. „Er wird nicht sprechen. Seit er im Gefängnis sitzt hat er nicht ein hilfreiches Wort gesagt, zu niemandem. Law hätte ihm vielleicht etwas Interessantes entlocken könne, aber er hat sich geweigert ihn noch mal wiederzusehen.“ Er nahm sich einen Cracker. „Nicht, dass ich es ihm verübeln konnte. Ich war nur einmal da unten. Nur, um mich zu vergewissern, dass er sicher verwahrt wird, nachdem er einmal versucht hatte auszubrechen, und ich hatte nicht vor noch einmal darunter zu fahren.“ Rocinante trank seinen Tee leer. „Die Chance ist gering, aber ich habe keine andere Möglichkeit.“ Er rieb sich durchs Gesicht. „So habe ich mir das Ganze nicht vorgestellt, weder mit ihm noch mit dir. Wenn Law nur nicht…“ „Nur nicht was?“, unterbrach Sengoku ihn. „Sag bloß, du bist wütend auf ihn, weil er Dinge im Alleingang macht und sein Leben für andere aufs Spiel setzt.“ „Ja! Ich bin fuchsteufelswild! Ich meine, ich kann sogar nachvollziehen, warum er so etwas tun würde, aber mich im Dunkeln zu lassen, mir noch nicht mal die Wahrheit zu…“ „Und von wem hat er das wohl?“ „Wie bitte?“ Er starrte Sengoku an, der unbeeindruckt noch einen Cracker nahm. „Wovon redest du?“ „Ich rede von dem Mann, der seine Mission und seine Lebensaufgabe aufgegeben hat, um irgendein Kind zu retten. Ich rede von dem Mann, der dieses Kind angelogen hat, dass alles gut gehen würde, wohl wissend, dass sein Bruder ihn umbringen würde. Ich rede von dem Mann, der gestorben ist, um einem todgeweihten Kind das Leben zu retten.“ Fassungslos starrte er den anderen an. „Du bist wütend, dass Law dich unwissend lässt, während er sein Leben für dich gibt? Du meinst, nachdem seine einzige Bezugsperson ihm beigebracht hat, dass man genauso mit Menschen umgeht, die man liebt?“ „Was, aber das war etwas…“ „Etwas vollkommen anderes? Rocinante, bitte, er handelt genauso, wie sein großes Vorbild, du.“ „Schwachsinn, ich bin nicht sein Vorbild, ich…“ Ich hab dich lieb, Kleiner. Für mich ist es ganz klar, dass ich dich jederzeit mit meinem Leben beschützen würde. Ich weiß genau, wie es ist Dinge zu tun, für die man sich hasst. Ich weiß, wie es ist sich selbst verleugnen zu müssen und sich selbst zu verlieren in dem Glauben etwas Richtiges zu tun. Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe, Law, die ganze Zeit, die wir zusammen waren, von Anfang an, aber ich wollte wirklich nicht, dass du mich hasst. „Oh, verdammt.“ Es tut mir leid, Cora, aber ich kann dich nicht mehr nur mit der Liebe eines Kindes lieben, schon lange nicht mehr. Ist das nicht offensichtlich? Ich wollte nicht noch jemanden, der mir wichtig ist verlieren. Die ersten 13 Jahre nach deinem Tod habe ich damit verbracht mir auszumalen, wie ich Rache üben würde. Aber meine größte Angst ist, dass du mich verlässt, sobald du herausfindest was aus mir geworden ist. „Oh, verdammt!“ Er rieb sich durchs Gesicht. „Er hat eins zu eins gemacht, was ich getan habe.“ „Genau“, stimmte Sengoku zu. „Er rettet dein Leben auf genau die gleiche beschissene Art und Weise, wie du es damals getan hast.“ „Mit dem Unterschied, dass er ein sterbenskrankes Kind war und ich ein doppelt so alter Undercover-Agent bin.“ Seufzend massierte er sich die Schläfen. „Aber das ist immerhin etwas.“ „Ist es das?“ Er nickte nur und erhob sich erneut, schritt wieder durch den Raum, wie ein Pferd, welches schon zu lange im Stall warten musste. „Ich vermute, dass Law sich nicht grundlos in dieser Gegend so nahe der Red Line niedergelassen hat und wenn ich Recht habe, und mein Bruder etwas weiß, dann ist es vielleicht noch nicht zu spät.“ „Was hast du vor?“ „Ich habe die Strohhüte angerufen.“ Sengoku sah ihn mit großen Augen an. „Ich dachte mir, dass wer auch immer der Gegner ist, es kann mit Sicherheit nicht schaden die wohl stärkste Piratencrew der Welt auf meiner Seite zu haben.“ „Du kennst die Strohhüte?“ „Nein, aber ich weiß, dass sie Freunde von Law sind und so wie ich das verstehe, schätzen sie diesen Begriff.“ „Sie sind auf dem Weg nach Impel Down?“ „Nein, sie wollten so oder so nach Kaikkien Maiden.“ „Oh verdammt“, murrte Sengoku, „er mag zwar Garps Enkel sein, aber ich kann ihn wirklich nicht leiden.“ Rocinante blieb stehen. „Aber sie sind doch Laws Freunde.“ Nun sah ihn der andere kühl an. „Na und? Ich kann Law auch nicht leiden. Das Einzige, das ihn und mich verbindet, bist du. Er ist der Grund, warum ich dich verloren habe.“ „Nein.“ Sengoku neigte leicht den Kopf. „Willst du abstreiten, dass du nur gestorben bist, weil du wegen ihm deine Tarnung vernachlässigt hast?“ „Das will ich nicht. Aber ich trage die Verantwortung für meine Entscheidungen, Sengoku, nicht Law. Und wo wir schon bei schlechten Vorbildern sind, wer glaubst du hat mir beigebracht, dass man Kinder aus der Dunkelheit retten muss?“ Rocinante wandte sich ab. „Law war wie ich, aber ich war nicht halb so gut wie du. Du hast mich gerettet und aufgezogen, warst mir wie ein Vater all die Zeit. Ich hingegen…“ Tief holte er Luft. „Ich hingegen habe versagt. Die meiste Zeit war ich absolut überfordert mit ihm und wusste nicht wirklich, ob ich überhaupt das richtige tue. Ja, ich habe ihm das Leben gerettet, aber glaub mir, ich weiß genau, welchen Preis ich dafür zahlen musste. Ich habe ihn alleingelassen in dieser gottverlassenen Welt, habe ihn im Stich gelassen, ihn regelrecht der Grausamkeit dieser Welt zum Fraß vorgeworfen. Ich habe dich enttäuscht, meine Mission verraten, meinen Bruder nicht aufgehalten. Ich habe versagt, ich habe in allem versagt.“ Er konnte hören, wie der andere sich erhob und zu ihm herüberkam. „Weißt du, ich kann Law wirklich nicht leiden. Er ist ein dreister Bengel, was er mehr schlecht als recht hinter falscher Höflichkeit zu verstecken versucht.“ Rocinante wollte nicht zulassen, dass Law schlecht gesprochen wurde, aber Sengoku ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Aber ich weiß, wie wichtig du für ihn warst und was auch immer er getan hat, ich bin ihm dankbar, dass du jetzt vor mir stehst. Ich kann Law nicht leiden, weil du für ihn dein Leben aufgegeben hast, weil ich dich für ihn verloren habe. Aber es macht mich glücklich zu wissen, dass jemand anderes dich so sehr liebt wie ich. Du verdienst es so sehr glücklich zu sein, Rocinante, und auch wenn ich dich verloren habe, sag mir, war es das wert? Warst du damals, als du für Law die Mission aufgabst, glücklich?“ Er konnte die Tränen nicht aufhalten als er dem Boden zunickte. „Und warst du das vergangene Jahr an seiner Seite glücklich?“ Er vergrub sein Gesicht in seiner Armbeuge und schluchzte laut auf. „Ja! Ich war sehr glücklich.“ Starke Hände griffen seine Schultern. „Wie kannst du dann auch nur glauben, dass du mich je enttäuschen könntest?“ Sengokus Stimme klang warm und stark, ganz anders als Rocinante, der sich kaum noch auf seinen Beinen halten konnte. „Du hast ein Leben gerettet, Rocinante. Das Leben eines Jungen, den die Welt aufgegeben hatte, und du hast nicht nur sein Leben gerettet, sondern auch seine Seele. Du hast ihm zu dem Mann gemacht, der er heute ist. Ein Mann, der alles tun würde, um seine Freunde zu beschützen. Wie könntest du mich enttäuscht haben? Ich bin so stolz auf dich.“ Die Tränen rannen ungehindert sein Gesicht hinunter. „Aber… aber die Mission…“ „Rocinante, ich weiß wer du bist. Du bist ein großherziger, freundlicher Mensch, ich hätte dich nie auf diese Mission gehen lassen dürfen. Es war grausam dich zu deinem Bruder zu schicken, du musst unsagbar gelitten haben gegen deinen eigenen Bruder vorgehen zu müssen, all die Grausamkeiten nicht nur sehen sondern selbst auch ausführen zu müssen. Aber all das Leid hat dich nicht kalt und unbarmherzig werden lassen, wie so viele andere, sondern noch herzlicher und mitfühlender. Du warst schon immer ein großartiger Soldat, aber damals hast du bewiesen, dass du noch viel mehr bist. In einer Welt voller Grausamkeit, Hass und Egoismus bist du immer gütig, liebevoll und selbstlos geblieben. Ich könnte nicht stolzer sein als auf den Mann, der du geworden bist.“ Doch nun zitterte die Stimme des anderen auch. „Und ich bin so dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, es dir zu sagen. Keine Aufgabe, keine Mission, nichts auf der Welt könnte mir so wichtig sein, wie dass du glücklich bist und lebst, Rocinante.“ Seine Knie gaben nach und er sackte auf den Boden. Er hatte immer gewusst, dass er sich irgendwann seinen Taten stellen musste, hatte es damals schon gewusst und es hatte immer wie ein dunkler Schatten über ihm geschwebt. Damals und auch das vergangene Jahr hatte die Schuld und auch die Scham über sein Versagen – sein willentlich herbeigeführtes Versagen – ihn innerlich zerfressen. Und jetzt, in dieser Stunde, wenn er in Begriff war sein Licht in der Dunkelheit zu verlieren, nahm Sengoku ihm die Last seiner Taten von den Schultern und zog ihn mit sich an die Oberfläche. „Es tut mir leid“, flüsterte er unter Tränen, „das alles tut mir so schrecklich leid!“ Sengoku umarmte ihn und drückte ihn an sich. „Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen, Rocinante. Ich bin nur dankbar, dass du jetzt hier bist. Ich bin nur dankbar, dass du am Ende doch von deiner Mission zurückgekommen bist. Willkommen Zuhause, mein Sohn.“       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)