Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 6: Der Palast des Westens --------------------------------- Über den schmuckvollen Palisaden der Umzäunung um den Palast des Westclans senkt sich allmählich die Sonne herab. Am Tor sind keinerlei Wachen zu sehen, doch das muss nichts heißen. Die Wachen der Inuyoukai des Westens nehmen ihre Aufgabe ernst, dazu muss man sie nicht einmal ausmachen können. Wachsam beobachten die Augen von zehn gut bewaffneten Kriegern das Eingangstor und seine Umgebung. Kein Eindringling hat eine Chance unbemerkt zu bleiben. Auch über die täuschend unscheinbaren Pfähle die den Zaun bilden, ist kein Hereinkommen, denn der Palast wird durch mehrere kräftige Bannkreise geschützt. Gerade als die Sonne den Horizont berührt, schrecken die Wächter unwillkürlich auf. Eine starke Aura nähert sich ihnen in rasendem Tempo und schon in wenigen Momenten wird sie hier sein. Nein, es sind sogar drei. Die beiden anderen werden fast von der stärkeren überdeckt, doch sie sind vorhanden. Sofort fassen die Youkai ihre Waffen fester. „Chitsurao-sama!“, weist einer der Männer seinen Hauptmann, der neben dem Tor Posten bezogen hat, darauf hin. „Ich spüre es!“, nickt dieser ernst. Sorgfältig konzentriert er sich auf die Aura. Doch dann hebt er erleichtert den Kopf. „Kein Grund zur Sorge! Er ist es!“ Doch wen bringt er da mit sich und aus welchem Grund reist er auf diese Weise? Chitsurao kennt seinen Fürsten lange genug, um zu wissen, dass er die gängige Art zu reisen, dieser bei weitem vorzieht. Ob etwas geschehen ist? In diesem Augenblick sieht der Youkai einen leuchtend blauen Punkt auf das Eingangstor zurasen. Im letzten Moment verringert das bläuliche Licht seine Geschwindigkeit und teilt sich nun in drei leuchtende Kugeln auf. Nur wenige Augenblicke später dehnen sich die Lichtpunkte aus und nehmen die Gestalt von drei Personen an, zwei Männer und eine Frau. Sicherheitshalber fassen die Soldaten ihre Waffen fester, bis sie in Erfahrung gebracht haben, wer da mit ihrem Herrn zusammen reist. Kaum haben die drei Personen ihre Gestalt zurückerlangt, als den beiden Mitreisenden auch schon die Knie einknicken. Die junge Frau hält sich die Hand vor den Mund und der junge Mann in dem roten Gewand ist ein wenig blass um die Nase, doch beide bemühen sich ihre Beherrschung zu bewahren. Zwischen ihnen steht eine dritte, hochgewachsene Gestalt. Sie hält sich noch immer aufrecht, aber für einen kurzen Moment schwankt sie ein wenig und taumelt einen halben Schritt vorwärts. „Sesshomaru-sama!“, ruft Chitsurao besorgt und ist schon bereit seinem Fürsten beizustehen, doch der Daiyoukai weist ihn mit einer Handbewegung an, fern zu bleiben. Mit gesenktem Kopf steht er da und atmet vernehmlich ein und aus. Sehr behutsam tritt Chitsurao näher. „Sesshomaru-sama, ist alles in Ordnung?“, er würde seine Pflicht vernachlässigen, wenn er nicht fragen würde. „Ich bin in Ordnung!“ Die Stimme des Daiyoukai schwankt ein wenig, doch dann blickt er auf. Schweißperlen hängen auf seiner Stirn und er sieht geschafft aus, doch weiter scheint ihm nichts zu fehlen. Inzwischen haben sich auch seine Begleiter wieder aufgerappelt. „Kagome, alles ok?“, zieht Inu Yasha seine Freundin besorgt hoch. „Mir fehlt nichts“, beteuert Kagome, „Mir ist nur ein wenig schlecht.“ Erstaunlicherweise lässt sich Sesshomaru zu einer Erklärung herab. „Der Übergang von der Energieform zurück in den Körper, kann beim ersten Mal etwas verstörend sein. Es wird vergehen.“ „Mein Fürst!“, nun da sein Herr sich offenbar wieder etwas gefasst hat, hält Chitsurao eine formelle Begrüßung für angebracht, „Willkommen im Palast, mein Fürst! Wir sind sehr erfreut, dass Ihr uns wieder einen Besuch abstattet.“ Sesshomarus Miene wird ernst. Dann sagt er: „Dies ist kein Besuch. Ich wünsche den Rat zu sprechen. Informiere sie über meine Anwesenheit und gib ihnen Bescheid, dass ich sie in einer Stunde im Konferenzsaal treffen werde.“ Dann blickt er sich zu Inu Yasha und Kagome um. „Bereitet auch zwei Zimmer für meinen Bruder und das Menschenmädchen. Sie sind meine Gäste.“ „Ein Zimmer genügt“, meint Inu Yasha sofort. Bestimmt hat er nicht vor, Kagome in diesem Schloss voller Dämonen aus den Augen zu lassen. „Zwei Zimmer!“, wiederholt Sesshomaru ungerührt und dann wendet er sich ab. Inu Yasha will schon protestieren, doch im letzten Moment verkneift er es sich doch lieber. Jetzt geht wieder dieses höfische Leben los, denkt er bei sich. Das bedeutet, dass er ab jetzt wieder die offizielle Rangfolge einhalten muss, wenn er keinen Ärger provozieren möchte. Auch ein Grund weshalb er nicht hierher kommen wollte. Missmutig macht er sich daran, seinem Bruder zu folgen, der sich bereits an seinen Soldaten vorbei auf den Weg durch das Schlosstor gemacht hat. Neben ihm geht Kagome. Ein wenig besorgt schaut sie um sich. Von allen Seiten werden ihr teils herablassende, teils verärgerte Blicke zugeworfen, doch die Youkai beabsichtigen nicht, Hand an einen 'Gast' ihres Fürsten zu legen. Sie wird geduldet, wenn auch nicht gebilligt. Rasch folgen Inu Yasha und Kagome Sesshomaru auf dem Weg zum Haupthaus. Kagome blickt sich interessiert um. Das Palastgelände scheint eine große Anlage zu sein. Er besteht eher aus einzelnen Häusern, statt wie der Palast des Ostclans aus einem einzigen, großen, verzweigten Komplex. Sie muss gestehen, dass ihr das wesentlich besser gefällt. Nur ungern erinnert sie sich an das Labyrinth aus Gängen in denen sie sich mehrmals fast verlaufen hätte. Dieser Palast hier ist wesentlich offener. Außerdem gibt es viel mehr Grün. Statt sich auf einige eingeflochtene Gartenbereiche zu beschränken, wurde hier die gesamte Anlage in einen Garten verwandelt, durch den sich sauber angelegte Wege schlängeln. Diese bestehen aus bis zum Anschlag in den Boden gerammten Pfählen die auf diese Weise kompliziert verschlungene Muster bilden. Perfekt gepflegte Laub- und Obstbäume säumen den Weg. Ein Jammer, dass die Zeit der Kirschblüten schon vorbei ist. Sicher sähe es hier dann einfach atemberaubend aus. Doch sie sind nicht zum Vergnügen hier, ruft Kagome sich zur Ordnung. Heute haben sie keine Zeit für besinnliche Schönheit, doch sie spielt kurz mit dem Gedanken, Inu Yasha zu bitten, im nächsten Frühjahr einmal mit ihr hierherzukommen. Falls der Palast dann noch steht, fügt sie im Stillen hinzu. Nun haben sie das Haupthaus erreicht. Es ist wesentlich größer als alle anderen und auch weitläufiger. Es ist nicht schwer zu erraten, dass hier wohl die Fürstenfamilie untergebracht ist. Gemeinsam mit Sesshomaru betreten sie einen geräumigen Vorraum. Zur rechten und zur linken Seite, führen zwei Gänge ab, die in die weiteren Räume des Palastes führen. Die Tür vor ihnen führt auf einen weitläufigen, gepflegten Platz hinaus. Von der Tür aus bis hinüber zur anderen Seite des Platzes führt ein Weg der ebenfalls aus rötlichen Pfählen geschlagen wurde und so auf ein anderes, großes Haus weist, das noch weitaus imposanter wirkt, als alles was Kagome bisher vom Palast zu sehen bekommen hat. Alle Fenster und Türen des Vorraumes sind mit Papier verkleidet und für den Frühsommer weht ein angenehm laues Lüftchen in diesen Gebäuden. Kagome ist erleichtert. Sie erinnert sich noch an die drückende Aura im Ostpalast, bei der man manchmal dachte, keine Luft mehr zu bekommen. Doch hier ist das anders. Alles hier wirkt offen und luftig und dennoch edel und teilweise sehr künstlerisch und filigran gestaltet. Sie muss gestehen, dass ihr der Palast wirklich gut gefällt. Plötzlich bleibt Sesshomaru stehen und wendet sich zu den beiden um. „Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier“, bestimmt er. „Warum in einer Stunde?“, fragt Inu Yasha, „Ich dachte, wir hätten es eilig.“ „Es gibt zuvor noch Verschiedenes zu erledigen.“ „Und was wäre das?“ „Damit brauchst du dich nicht befassen.“ „Ich würde es aber gerne wissen.“ „Kann ich mir denken.“ „Musst du immer ein Geheimnis aus allem machen?“, missmutig verschränkt Inu Yasha die Arme, „Es ist mal wieder das Gleiche wie damals. Wir sollen dir helfen, aber du lässt uns absichtlich im Unklaren.“ „Inu Yasha!“, müde atmet der Daiyoukai durch, „Ich würde ganz gerne eine Weile allein sein.“ Ein wenig überrascht blickt Inu Yasha seinen Bruder an. Dann verzieht er das Gesicht. „Meine Güte! Sag das doch einfach gleich! “ „Ich dachte, das hätte ich.“ „Wie du ja siehst, hast du das nicht. Immer musst du alles verkomplizieren. Ist ja nicht so, als ob wir dafür kein Verständnis hätten.“ „Ich brauche dich nicht um Erlaubnis fragen.“ „Das sagt ja auch keiner!“, wird Inu Yasha laut. Dann verschränkt er eingeschnappt die Arme. „Hach! Ich kann mit dem Kerl einfach nicht reden!“ Wie aus dem Nichts sind urplötzlich zwei Youkaifrauen in dem Raum aufgetaucht und warten mit respektvoll gesenktem Blick neben der Tür. Sesshomaru hebt den Blick. „Willkommen, Sesshomaru-sama!“, sagen sie folgsam und verneigen sich. Nun wendet sich Sesshomaru wieder an seinen Bruder. „Geht mit ihnen mit, sie werden euch eure Quartiere zeigen.“ Gerade will Inu Yasha wieder Einspruch erheben, doch Kagome packt ihn an seinem Gewand und schiebt ihn dann in Richtung Tür. „Vielen Dank!“, sagt Kagome höflich und zu Inu Yasha gewandt, „Wir kommen schon zurecht. In einer Stunde sind wir wieder hier, nicht wahr?“, fügt sie mit einem eindeutigen Blick in seine Richtung hinzu. Der Hanyou brummelt irgendwas, doch seine Freundin ist unerbittlich. Die beiden Youkaifrauen verneigen sich kurz züchtig vor den beiden, und dann zeigen sie ihnen den Weg zu ihren Unterkünften. Schweigend blickt Sesshomaru den beiden hinterher. Dann wendet er sich ab und schlägt den Weg über den weiten Hof ein. Nie wieder! Mit Sicherheit wird er die jungen Frau niemals wieder auf diese Weise transportieren! Seine Gedanken schweifen kurz zu ihrer jüngsten Reise zurück. Es war eine Tortur, anders kann man es kaum beschreiben. Nie zuvor musste er so viel Energie aufbringen, um einen Körper aufzulösen. Vermutlich liegt es daran, dass Menschen nicht, wie Youkai, im Grunde Energiegeschöpfe sind. Ihre Materie ist wesentlich stabiler. Wenigstens ließ sie sich einigermaßen lenken, wenn er auch deutlich ihre Unsicherheit spüren konnte. Nicht so Inu Yasha. Die Energien des Hanyou waren wesentlich schwerer zu kontrollieren. Das liegt wahrscheinlich an seiner ganzen Art und an seinem absolut lästigen Charakterzug, ständig auf Konfrontation zu gehen. Vielleicht aber auch daran, dass die Energie eines Hanyou ungewöhnlich chaotisch ist. Wäre er ein Philosoph würde er behaupten, es sei ein Wunder, dass es solche Wesen wie Hanyou überhaupt gibt, da sich die menschliche und die dämonische Energie praktisch überhaupt nicht in Einklang bringen lassen. Was ihm aber am meisten zu schaffen gemacht hat, waren die unzähligen fremden Bilder in seinem Kopf. Die Umwandlung in Energie hat ihn viel zu viel Kraft gekostet. Mehrmals drohte ihm die Lebenskraft des Mädchens zu entgleiten, doch ihm war nur allzu klar, dass sein Bruder mit dieser Tatsache niemals hätte leben können. Also verstärkte er seine Bemühungen und schließlich war die Transformation vollzogen. Doch dieser Kraftakt hatte seine Spuren hinterlassen. Die Trennung der Seelen war unvollständig und auf einmal prasselten von beiden Seiten ein wildes Feuerwerk an Gedanken und Gefühlen auf ihn ein. Fast war es ihm nicht mehr möglich, sich ausreichend zu konzentrieren. Krampfhaft bemühte er sich, die Kontrolle zurückzugewinnen, doch es gelang ihm nicht. Und dann geschah es. Niemals wieder eine Miko!, schwört Sesshomaru sich eisern. Sie hat es vermutlich nicht einmal beabsichtigt, doch ihre Seele kam für einen kurzen Moment in Kontakt mit seiner. Und im selben Moment sprudelten einige seiner Gedanken und Gefühle zu ihr hinüber und sie... verstand. Dieses warme, gleißende Licht des Mitleids, zuckte wie ein glühender Dolch durch die Essenz seiner Seele und ihm wurde klar, dass er in dieser Form extrem angreifbar war. Beinah hätte er die Kontrolle verloren. Er wusste, wenn er weiterhin der reinen Energie ihres Mitgefühls ausgesetzt wäre, dann würde sie ihn auf der Stelle läutern. Zum Glück übernahm an dieser Stelle sein Selbsterhaltungstrieb die Kontrolle und augenblicklich wurden die Lücken in der Seelentrennung behoben. Nun erst war es ihm möglich die Richtung einzuschlagen und seine beiden Begleiter behutsam mit sich zu ziehen. Zwar bebte seine Seele noch während des ganzen Fluges nach, doch zu guter Letzt hatten sie doch das Ziel erreicht. Kaum hatten sie ihre Körper zurückerlangt, bekam er dann die ganze Wucht der Anstrengung zu spüren, die er in seiner Energieform nicht wahrnimmt. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr ihn diese Aktion ausgelaugt hatte! Alles was er jetzt nur noch will, ist etwas Ruhe, um sich ein wenig zu erholen, bis der Rat tagt. Und vielleicht etwas zu essen. Seine letzte Mahlzeit ist einige Tage her und er hat einiges an Energie aufgebraucht in letzter Zeit. Es wird langsam Zeit, dass er sie wieder ersetzt. Bedächtig schreitet er die Treppen zu dem gewaltigem Gebäude vor ihm hinauf. Er betritt einen Vorraum, der an den Wänden mit zahlreichen, kunstfertigen Malereien geschmückt ist. An seinem Ende befindet sich eine prachtvolle, hohe Tür. Sie führt auf einen breiten Korridor. Seine Wände sind mit Papier bespannt und grenzen so die Räume ab, die dahinter liegen. Zu beiden Seiten führen von ihm in einigen Abständen je drei Schiebetüren ab. Es herrscht eine völlige Stille in diesen Räumlichkeiten. Kein Laut von draußen dringt hinein. Auch Personal scheint nicht anwesend zu sein. Am Ende des Korridors befindet sich eine weitere, mächtige Tür. Sie ist höher als die anderen und aus massivem Holz. Ihre Pfosten sind mit meisterlichen Schnitzereien und Malereien verziert und auf den beiden Flügeln der Tür stehen die beiden Zeichen für Taishou. Gemächlich geht Sesshomaru auf die Tür zu. Schließlich hat er sie erreicht und öffnet sie. Dahinter liegt eine gewaltige Halle. Sie misst gut und gerne hundert Schritt und ist mehr als vierzig Schritt hoch. Da die Statik diese beträchtlichen Maße nicht ausreichend tragen kann, ist die Halle zur Hälfte in den Boden eingelassen und eine bequeme Treppe führt hinab auf den Grund. Der Raum ist vollkommen leer. Doch der Boden ist vollständig mit Holz verkleidet und so glatt poliert, dass man meinte, man ginge auf Seide. Langsam geht Sesshomaru hinab zum Grund des Saals. Erschöpft schließt er die Augen. Dann beginnt plötzlich seine Aura aufzuleuchten und seine Gestalt verändert sich und nimmt immer mehr an Masse zu. Nur wenige Augenblicke später steht ein riesiger, weißer Hund an seiner Stelle da. Ja, so ist es gleich viel angenehmer. Dann lässt sich der Daiyoukai auf dem weichen Boden nieder und rollt sich bequem zusammen. Er schläft sehr ungern hier. Selbst er kommt sich in diesen gewaltigen Dimensionen irgendwie verloren vor. Obwohl er weiß dass dieser Raum ursprünglich für seinen Vater konzipiert worden ist, so gibt es ihm doch jedes Mal einen Stich wenn ihm vor Augen geführt wird, wie gewaltig noch immer der Unterschied zwischen seinem Vater und ihm ist. Auch in seiner wahren Gestalt füllt er kaum den vorderen Bereich aus. Doch dies ist der einzige Raum im Palast, der seine, trotz allem, beachtlichen Maße fassen kann. Also muss es wohl sein. Es ist auch der einzige Raum, den niemand anderes ohne seine Aufforderung betreten wird. Dieser Saal dient ausschließlich der Erholung und er hat Schlaf bitter nötig. Mit halbgeschlossenen Lidern bettet er seinen Kopf auf die Pfote. Eine Stunde, das muss genügen. Danach wird es viel zu tun geben. Hoffentlich erinnert sich Inu Yasha daran, wie man sich als Prinz des Westclans verhält. Der Daiyoukai weiß aus Erfahrung, dass er dazu durchaus in der Lage ist. Bitte, mach mir keine Schande, sturer, kleiner Bruder!, denkt er noch und dann trägt ihn der Schlaf davon. „Hatschi!“ Inu Yasha niest laut. „Na, da denkt wohl grade jemand an dich!“, meint Kagome neckisch. „Blödsinn, mich kribbelt es nur von diesen ganzen Bäumen hier in der Nase“, brummt der Hanyou zurück. Die beiden schlendern gerade gemütlich durch den Gartenbereich zwischen den Häusern entlang. Gerade zuvor haben sie ihre Quartiere besichtigt und Kagome ist ganz froh, ihren Rucksack erst mal los zu sein. Entgegen ihrer Erwartungen, liegen ihre Zimmer nicht weit auseinander. Tatsächlich befinden sie sich auf ihrem Flur direkt gegenüber. Sie sind geschmackvoll eingerichtet. Kagome fühlt sich dabei an einige Fernsehberichte über traditionelle Ryokans erinnert. Der ganze Raum ist mit Tatami-Matten ausgelegt und in der Mitte steht ein kleiner, flacher Tisch. Seine Tischplatte ist mit Jadeschnitzereien eingefasst und daneben befinden sich vier edle Sitzkissen aus Seide. Im hinteren Bereich befindet sich der schlichte, in die Wand eingelassene Schrank in dem die Schlaffutons verstaut sind und in einem seitlichen Erker befindet sich der Tokonoma-Bereich mit mehreren ausgezeichneten Sumi-e-Tuschebildern und einem meisterlichen Ikebana-Arrangement. Kagome war aus dem Staunen kaum herausgekommen. Wenn das schon die Gästezimmer sind, dann möchte sie zu gern wissen, wie die Fürsten wohnen. Doch Inu Yasha hat natürlich gleich zu Bedenken gegeben, dass ihn interessieren würde, wie ihre Unterkünfte beschaffen wären, wenn sein Bruder nicht noch extra angemerkt hätte, dass sie seine Gäste sind. Der Miesmacher! Kann immer nur das Schlechteste annehmen. Doch der kurze Groll ist gleich wieder verflogen, als sie beide sich eingerichtet haben und nun ein wenig im letzten Licht des Tages das Palastgelände erkunden. Kagome hatte zwar Bedenken gehabt, doch Inu Yasha war der festen Überzeugung gewesen, dass es ihnen niemand ausdrücklich verboten hatte. Außerdem sei er ebenfalls ein Fürstensohn und damit ginge das schon in Ordnung. Er scheint recht zu behalten. Zwar begegnen sie hin und wieder einigen Bediensteten, doch niemand scheint sich sonderlich daran zu stören, dass sie hier sind. Im Gegenteil. Mehrere Youkai-Dienerinnen, die Inu Yasha begegnen, senken respektvoll den Blick, verneigen sich und begrüßen ihn mit: „Willkommen, Ouji-sama!“ Die Kunde, dass der Bruder des Fürsten im Schloss ist, hat sich offenbar schon verbreitet. Gerade erst haben ihn erneut zwei Frauen auf diese Weise angesprochen und nun eilen sie rasch weiter, um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Inu Yasha verzieht ein wenig das Gesicht. Ihm war diese Unterwürfigkeit schon immer ein Dorn im Auge. Er kann sich nicht helfen, doch er fühlt sich einfach unbehaglich dabei. Ganz im Gegensatz zu Miroku, kommt es ihm in den Sinn. Der Mönch hätte mit Sicherheit kein Problem damit, dass ihn irgendwelche, attraktiven, goldäugigen Frauen schüchtern anlächeln und ihn freundlich begrüßen. Im Gegenteil! Wahrscheinlich würde er stattdessen sogar versuchen, bei ihnen zu landen, selbst wenn es Youkai wären. Inu Yashas Blick geht wieder zu Kagome hinüber. Gemütlich schlendern sie über die Wege zurück Richtung Haupthaus. Alle paar Schritte erleuchten filigrane Laternen den Weg, sodass man kaum bemerkt, wie tief die Sonne bereits steht. Ob schon eine Stunde herum ist? Der Hanyou ist nicht sicher. Mit Kagome zusammen, geht die Zeit immer viel schneller herum. Irgendwie ist sie immer zu kurz. Aus den Augenwinkeln beobachtet er wie die junge Frau sich mit neugierigen Augen umschaut und die vielen, kunstvollen Akzente bewundert, die die Verantwortlichen der Gartenanlage in die Landschaft gesetzt haben. Er liebt ihr Lächeln. Wenn sie lacht hat sie ganz kleine Grübchen und in ihren Augen liegt eine Wärme die ihm immer wieder einen Schauer über den Rücken jagt, besonders unter dem Licht der Laternen. Vielleicht ist sie nicht so überirdisch schön wie diese Dienerinnen hier, trotzdem könnte keine von ihnen ihr jemals das Wasser reichen. Inu Yasha seufzt innerlich. Warum bloß fällt es Miroku um so vieles leichter, das auszusprechen, was ihm schon seit einigen Wochen im Kopf herumgeht? Irgendwie bringt er es einfach nicht über die Lippen. Nie bietet sich ein passender Moment. Jedes Mal wenn er mit dem Gedanken spielt, es einfach zu versuchen, klopft ihm das Herz bis zum Hals und er bringt keinen Ton mehr raus. Er beneidet den Mönch. Miroku hat es bereits unzählige Male gesagt, und er schafft es nicht ein einziges Mal. Das gibt es doch gar nicht! „Nicht wahr?“, reißt ihn Kagomes Stimme aus den Gedanken. Inu Yasha blickt irritiert auf. „Was?“ Kagome setzt ein schiefes Lächeln auf. „Der Palast ist hübsch, hab ich gesagt. Hörst du mir überhaupt zu?“ „Nicht wirklich“, die Antwort kam schneller heraus als beabsichtigt, doch obwohl sie durchaus der Wahrheit entspricht, erweist sie sich gerade als ein wenig unangebracht. „Na toll!“, meint Kagome schnippisch, „Wenn dich meine Gesellschaft langweilt, dann sag es nur.“ Da ist er wieder, einer von diesen Momenten wo Inu Yasha am liebsten aus Frust laut aufschreien möchte. Ein unbedachtes Wort gibt das nächste und schon sind sie wieder mitten im schönsten Streit, der häufig mit einem energischen 'Sitz!' endet. Warum muss das immer wieder passieren, wenn er glaubt, ihr näherzukommen? Geht es denn wirklich nicht ohne? Manchmal ist das wirklich sehr ermüdend. „Das habe ich doch gar nicht behauptet“, gibt er brummig zurück, „Ich war nur ein wenig in Gedanken.“ „So, und woran hast du gedacht?“ Genau, das ist die zweite Situation, die er am liebsten vermeiden würde, nämlich, dass sie ihn auf seine Gefühle anspricht. Dabei möchte er es ja gerne sagen, doch ihm fehlen einfach die Worte dafür. Und er geniert sich. Was ist, wenn sie sich dann wieder verletzt fühlt? Das möchte er auch nicht. Aber vielleicht bietet sich ja jetzt einmal die Gelegenheit, reinen Tisch zu machen. „Ich habe nur gedacht...“, beginnt er zögernd. Mit aufrichtigem Interesse blickt Kagome ihn an. „Na ja, ich hab halt gedacht...“, setzt Inu Yasha erneut an. Verflixt, so schwer kann das doch nicht sein! Irgendetwas schnürt ihm die Luft ab. „Dass diese Dienerinnen ziemlich hübsch sind.“ Großer Gott, was redet er da? Augenblicklich gefriert Kagomes Lächeln. Verdammt, das kam jetzt gerade so was von falsch rüber! Rasch bemüht sich der Hanyou, zu retten was zu retten ist: „Nein, nein, ich meine das würde Miroku finden!“ Doch das Mädchen ist nicht so rasch wieder zu versöhnen. „Und über so was denkst du nach?“, kommt es frostig. Keine ist so hübsch wie du! Sag es!, befiehlt Inu Yasha sich, doch es will einfach nicht heraus. Stattdessen stößt er hervor: „Sie sind eigentlich gar nicht so hübsch.“ „Ach“, meint Kagome verstimmt, „Da hast du wohl genau hingesehen, was?“ „Nein, hab ich nicht“, braust der Hanyou nun auf, „Ich schau nämlich viel lieber dich an, kapiert?“ Warum fällt ihm die Wahrheit gerade dann immer leichter, wenn er in Rage ist? Zumindest haben diese Worte eine erstaunliche Wirkung. Der Ärger ist schlagartig aus Kagomes Gesicht verschwunden und sie ist urplötzlich knallrot geworden. „Stimmt das wirklich?“, fragt sie jetzt behutsam. Sie sieht gerade ziemlich verlegen aus. Inu Yasha verschränkt schmollend die Arme. „Sonst würde ich es doch nicht sagen“, nuschelt er. Sie zupft ihn am Ärmel. Noch immer etwas beleidigt dreht er sich zu seiner Freundin um. „Es tut mir leid, Inu Yasha!“, meint Kagome nun versöhnlich, „Ich habe überreagiert. Zögernd greift Inu Yasha nun ihre Handgelenke und zieht sie zu sich heran. Verwundert hebt sie die Brauen. In seiner Miene liegt Traurigkeit. Unwillkürlich spürt sie wie ihr Puls sich verräterisch beschleunigt. „Kagome“, sagt Inu Yasha nun leise, „Ich habe keine Lust mehr, mich andauernd zu streiten. Das... tut mir weh.“ Kagomes Augen weiten sich, doch der Hanyou fährt bereits fort. „Du weißt, dass du mir viel bedeutest. Ich möchte dich auf keinen Fall verlieren.“ Ganz leicht spürt sie ein Zittern in seinen Händen. Sie muss einmal unwillkürlich schlucken. „Inu Yasha...“, bringt sie schüchtern hervor. Der Hanyou atmet einmal tief durch und scheint sich zu sammeln, doch dann blickt er sie direkt an und sagt: „Könntest du dir vielleicht vorstellen...“ „Ah, hier seid Ihr, Inu Yasha-Ouji!“ Der Hanyou erstarrt augenblicklich zur Salzsäule und tritt rasch einen Schritt von seiner Freundin weg, nur um sich dann augenblicklich mit einem wütenden Gesichtsausdruck zu dem Störenfried umzudrehen. „Was ist?“, zischt er giftig. Ein paar Schritte entfernt im Licht der nächsten Laterne erkennt er ein bekanntes Gesicht. Der hochgewachsene, würdevolle Youkai in der eleganten Rüstung und den langen, silbergrauen Haaren stutzt nun etwas nervös und bleibt stehen. Offenbar ist ihm gerade klar geworden, dass sein Auftauchen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt geschieht. Rasch lässt er sich auf ein Knie hinab und senkt ergeben den Blick. „Ich bitte untertänigst um Vergebung für die Störung, Inu Yasha-ouji!“, sagt er respektvoll, „Doch ich wurde beauftragt, Euch und Eure Begleiterin zum Konferenzsaal zu geleiten. Der Rat soll in Kürze beginnen.“ Noch einmal atmet Inu Yasha tief durch, um seine Fassung zurückzugewinnen. Er hatte es fast geschafft. Diesmal hatte wirklich nicht mehr viel gefehlt, doch wieder ist nichts daraus geworden. Zum Glück ahnt seine Freundin nicht, wie kurz davor er gestanden hat, denn sie nimmt die Unterbrechung offenbar deutlich besser auf, als er. „Dokutoge!“, sagt sie überrascht, „Es ist schon eine ganze Weile her, nicht wahr?“ Der Youkai blickt ein wenig unsicher zu ihr auf. Auch wenn er die Frau bereits kennengelernt hat, er ist sich nicht ganz sicher, wie er auf die zutrauliche Anrede reagieren soll, oder welche Reaktion vor dem Bruder seines Herrn angemessen wäre. „Komm wieder hoch!“, brummt Inu Yasha noch immer etwas verstimmt, „Du weißt, ich kann das nicht leiden.“ Rasch erhebt Dokutoge sich wieder. „Habt Dank für Eure Nachsicht, Inu Yasha-ouji“, meint er höflich, „Wenn Ihr mir folgen mögt.“ Mit diesen Worten wendet er sich zum Gehen. Ohne weiteren Protest beschließen die beiden dem Youkai zu folgen. Inu Yasha geht neben ihm. „Ich hoffe, Sesshomaru war damals nicht zu streng mit dir“, kann sich Inu Yasha den kleinen Seitenhieb nicht verkneifen. „Euer Bruder war überaus nachsichtig unter diesen Umständen“, antwortet der Youkai nach einem kurzen Zögern. „Hat er dich wirklich bestraft?“, kommt nun die interessierte Frage von Kagome, „Dabei war es doch allein dein Verdienst, dass Yarinuyuki von Arashitsumes Verrat erfahren hat. Und du hast sie auch davon abgehalten, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Er verdankt dir doch viel.“ Dokutoge presst kurz die Lippen aufeinander. „Ich habe lediglich meine Pflicht getan“, sagt er ausdruckslos, „Für meine anschließende Befehlsverweigerung, gab es keine Entschuldigung!“ „Es ging um deinen Sohn“, wendet Kagome ein, „Also wenn das keine Entschuldigung ist.“ Dokutoge bleibt stehen. Er blickt von Kagome zu Inu Yasha, doch der Hanyou macht keine Anstalten, den Redefluss seiner Begleiterin zu unterbrechen. Schweren Herzens wendet er sich wieder Kagome zu. „Ich wurde von meinem Posten als oberster Heerführer enthoben und erhielt die Stelle als dessen Stellvertreter. Chitsurao ist nun der Hauptmann. Gemessen an den Umständen, war das äußerst großzügig. Was Kossoridoku angeht...“, er hält einen Moment inne, „Er war ein Verräter und was ihm geschah, war angemessen. Ich hatte kein Recht, mich einzumischen.“ „Aber letztendlich hat er es sich ja doch noch anders überlegt“, gibt Kagome zu bedenken, „Er hat sich selbst geopfert um Sesshomaru beizustehen.“ Der Youkai atmet nun einmal tief durch. Das ist das Einzige, was mich nachts schlafen lässt. Doch er spricht es nicht laut aus. Stattdessen sagt er: „Die Pflicht eines treuen Kriegers. Es wiegt seine Schande ein wenig auf, dass er zur Vernunft gekommen ist. Doch wir werden bereits erwartet. Mögt ihr mir folgen?“ Mit diesen Worten sieht er die Unterhaltung offenbar als beendet an, und wendet sich wieder zum Gehen. Folgsam laufen die zwei ihm hinterher, direkt auf das große Hauptgebäude zu. So schnell wie es die angeschlagene Dämonenkatze vermag, fliegt sie über den dunkler werdenden Himmel, ihrem Ziel entgegen. Auf ihrem Rücken sitzt zusammengesunken ihr Reiter und hält sich die schmerzende Brust. Kohaku fällt es schwer Luft zu holen. Jeder Atemzug schmerzt. Die gebrochenen Rippen sind bei jeder größeren Bewegung Kiraras zu spüren, deshalb bemüht die Katze sich auch, möglichst gleichmäßig zu fliegen. Langsam erkennt er die Umgebung, es ist also nicht mehr all zu weit. Schon kann er unter sich in der Abenddämmerung den Wald erkennen, in dem Inu Yasha viele Jahre lang an einen Baum gebannt war. Dann muss auch gleich das Dorf auftauchen in dem der Hanyou und die anderen wohnen. Das ist gut, denn er hat es eilig. Er muss seine Freunde so schnell wie möglich über die unangenehme Sachlage informieren. Und vielleicht haben sie ja auch eine Ahnung wo sich Sesshomaru derzeit aufhält. Unter sich sieht er nun die ersten Hütten. Die Laternen sind bereits angezündet. Er erkennt einige Leute die auch zu dieser vorgerückten Stunde noch unterwegs sind. Für einen kurzen Moment wünschte er, auch er könnte diesen lauen Sommerabend einfach nur zu genießen, doch diesen Luxus kann er sich nicht leisten. Er hat eine Pflicht zu erfüllen. Dort ist es, das Haus seiner Schwester und Kirara sinkt hinab. Sango und Miroku sitzen gemeinsam unter einer Laterne vor dem Haus und blicken überrascht auf als der junge Dämonenjäger vor ihnen landet. „Kohaku!“, ruft Sango erstaunt und erhebt sich. So behutsam wie möglich lässt sich der junge Mann vom Rücken seiner Kameradin rutschen, doch kaum hat er festen Boden unter den Füßen, machen sich seine Verletzungen erneut bemerkbar und er zieht hörbar die Luft ein. Rasch läuft Sango zu ihrem Bruder und stützt ihn. „Bist du verletzt?“, fragt sie besorgt? „Nur ein paar gebrochene Rippen“, meint Kohaku tapfer, „Es geht schon!“ „Was ist passiert?“, will die Dämonenjägerin wissen. Nun ist auch Miroku an ihn herangetreten. „Wir sollten ihn erst mal zu Kaede-sama bringen.“ Kohaku schüttelt abwehrend den Kopf. „Dafür ist keine Zeit. Wo ist Inu Yasha?“ „Er ist mit Kagome und Sesshomaru unterwegs zum Palast von Sesshomarus Familie“, erklärt Sango. Kohakus hebt die Brauen. „Sesshomaru war hier?“, fragt er alarmiert. Miroku nickt. „Sie sind gerade erst vor einer Weile abgereist.“ „Vielleicht hole ich sie noch ein.“ Schon will Kohaku sich wieder auf Kiraras Rücken ziehen, doch seine Schwester hält ihn resolut davon ab. „Du gehst erst mal nirgendwohin, bevor Kaede-sama sich nicht deine Verletzungen angesehen. Miroku, würdest du ihn hinbringen?“ Der Mönch nickt. „Es ist wichtig!“, erwidert Kohaku drängend. Doch seine Schwester gibt sich unerbittlich. „So viel Zeit muss sein.“ „Bis dahin kannst du uns erst mal erzählen was los ist“, fügt Miroku hinzu. Dann macht er eine einladende Geste um Kohaku den Weg Richtung Dorfmitte zu weisen. Der junge Mann seufzt einmal leicht, doch dann fügt er sich widerwillig. Gemeinsam mit Miroku und Kirara trottet er nun hinunter zu den Häusern. Besorgt blickt Sango ihm hinterher und für einen Moment wünscht sie, nicht auf ihre schlafenden Kinder achten zu müssen und ihm folgen zu können. Kurz darauf haben der Mönch und der Dämonenjäger Kaedes Hütte erreicht. „Kaede-sama?“, ruft Miroku die alte Miko, „Seid Ihr noch wach?“ Kurz darauf erscheint die alte Frau im Eingang. Überrascht hebt sie die Brauen. „Kohaku!“, meint sie verwundert, „Du bist auch mal wieder zu Besuch?“ Mit schmerzverzogenem Gesicht blickt der junge Mann ihr entgegen. „Ich bleibe nicht lange“, sagt er, „Ich könnte nur ein Mittel gegen die Schmerzen gebrauchen.“ „Lieber Himmel, komm rein!“, meint die alte Frau kopfschüttelnd. Sogleich folgen ihr die beiden Männer in die Hütte. Dort drinnen am Herdfeuer sitzt Rin und blickt den beiden entgegen. Als sie den jungen Dämonenjäger erblickt, hellt sich ihre Miene auf. „Kohaku-kun!“, ruft sie freudig, „Du bist wieder da.“ Steif lässt sich der junge Mann am Feuer nieder, während die Miko mit einer Untersuchung seiner Verletzungen beginnt. Auch Miroku nimmt neben ihm Platz und nach einer kurzen Aufforderung seinerseits beginnt Kohaku von seiner Begegnung mit dem fremden Youkai zu berichten. Als er beendet hat, blickt Miroku ziemlich nachdenklich drein. „Das ist sind wirklich beunruhigende Neuigkeiten“, meint er, „Und du behauptest, er beansprucht Sesshomarus Namen für sich?“ Kohaku nickt. „Ja, und er hat mir aufgetragen ihm auszurichten, dass er kommen wird und sich holen wird was ihm zusteht. Nur deshalb hat er mich am Leben gelassen.“ „Was könnte er damit meinen?“, überlegt Miroku laut. „Ich bin nicht sicher“, gibt Kohaku zu, „Aber er scheint sich sicher zu sein, dass er es bekommen wird. Er war sehr überrascht, als ich meinte, er würde Sesshomaru nie besiegen können. Er war überzeugt davon, dass Sesshomaru ihr Zusammentreffen nicht überlebt hätte. Wenn ich jetzt aber höre, dass Sesshomaru hier war, dann bin ich erleichtert, dass er Unrecht hatte.“ „Nun ja, so ganz unrecht hatte er vielleicht nicht“, meint Kaede nun, „Sesshomaru hatte wahrlich Glück, dass sein Überlebensinstinkt ihn gerade hierher geführt hat. Nur ein wenig länger und ihm wäre vermutlich nicht mehr zu helfen gewesen.“ Unruhig hebt Kohaku den Blick. „Ist er schwer verletzt?“ Kaede winkt ab. „Er wird sich vermutlich schon fast wieder völlig erholt haben, schätze ich. Daiyoukai sind wirklich erstaunlich zäh.“ „Ich muss ihn finden und ihm davon erzählen“, stellt Kohaku klar, „Ihr sagt, er ist unterwegs zum Palast seiner Familie. Vielleicht erwische ich ihn noch. In welche Richtung sind sie gegangen?“ „Oh, gegangen ist er gar nicht“, meint Kaede nun ein wenig zynisch, „Er ist mit Inu Yasha und Kagome in Energieform aufgebrochen. Ich hätte ihm vermutlich davon abgeraten eine Miko auf diese Reise mitzunehmen, aber es ist ja nicht so, dass er auf eine alte Frau hören würde. Vermutlich wird er es selbst merken.“ Ein wenig enttäuscht lässt Kohaku den Kopf hängen. „Dann hole ich ihn nicht mehr ein. Wisst ihr denn vielleicht wo dieser Palast liegt?“ „Er liegt ziemlich weit im Westen, ein Stück südlich von Kanazawa“, überrascht gehen sämtliche Köpfe nun zu Rin hinüber. Das Mädchen hat bisher schweigend der Unterhaltung gelauscht, doch nun blickt sie auf. „Sesshomaru-sama hat mich vor zwei Jahren einmal mit dorthin genommen. Er meinte, dass es Zeit wird, dass mich die führenden Leute seines Volkes kennenlernen. Ich glaube einige haben ein Problem damit, dass er mich damals adoptiert hat, aber es war gar nicht so schlimm. Er hat ihnen ziemlich deutlich die Meinung gesagt und dann hat sich niemand mehr getraut zu widersprechen. Dann hat er mir noch ein bisschen die Gegend gezeigt und gemeint, ich hätte jetzt einen Anspruch darauf, was auch immer das heißt. Und er meinte, ich könnte von nun an jederzeit vorbeikommen, wenn ich Lust dazu habe.“ Mit großen Augen blickt Kohaku sie an. „Das heißt, du weißt wo der Palast liegt.“ „Sesshomaru-sama hat mir den Weg genau beschrieben“, bestätigt das Mädchen, „Ich könnte ihn dir zeigen.“ „Kommt nicht in Frage!“, schüttelt Kohaku den Kopf, „Ich werde dich bestimmt nicht mitnehmen. Das ist viel zu gefährlich! Es wird reichen müssen, wenn du mir den Weg beschreibst.“ „Sesshomaru-sama meinte, ich darf jeder Zeit vorbeikommen“, verschränkt Rin trotzig die Arme. „Das ist doch kein Freundschaftsbesuch“, empört sich Kohaku, „Hier geht es um eine sehr ernste Angelegenheit.“ „Das weiß ich auch“, behauptet Rin unnachgiebig, „Deswegen will ich Sesshomaru-sama ja auch helfen.“ „Du hilfst ihm am meisten, wenn du dich aus der Gefahrenzone heraushältst“, schreitet nun Kaede ernst ein, „Ich denke nicht, dass es Sesshomaru gefallen würde, wenn du dich wissentlich in Gefahr begibst.“ Schmollend blickt das Mädchen zu Boden. „Bitte, Rin“, ein wenig nachsichtiger versucht Kohaku das Mädchen wieder zu versöhnen, „Kaede-sama hat recht. Es würde Sesshomaru gar nicht gefallen, wenn dir was passiert. Beschreib mir einfach den Weg. Ich möchte nicht noch mehr Zeit verlieren, um ihn zu warnen.“ Mit einem leicht pikierten Blick schaut das Mädchen auf. „Ich kann dir den Weg beschreiben, aber das wird dir gar nichts nützen“, meint sie gespielt desinteressiert. „Weshalb nicht?“, fragt Kohaku zurück. „Weil du gar nicht in das Schloss reinkommst, oder überhaupt nur in seine Nähe“, mault sie schnippisch. „Was meinst du damit?“, meint der junge Mann ungeduldig. „Na ja“, flötet Rin ungeniert, „Damit die Wachen dich überhaupt durchlassen, brauchst du ein paar Passworte und Sesshomaru-sama hat sie mir alle gesagt.“ Kohaku und die anderen sehen sich ein wenig unglücklich an. Hier versucht offensichtlich jemand unbedingt seinen Willen zu bekommen. „Und wie lauten die Passwörter?“, startet Kohaku einen neuen, schwachen Versuch. „Sesshomaru-sama hat mir gesagt, ich darf sie niemandem verraten“, meint sie mit einem unschuldigen Lächeln. „Rin, ich bin sicher, dass Sesshomaru in diesem Fall damit einverstanden wäre“, versucht es nun Miroku mit Vernunft. Doch das Mädchen dreht sich nur mit verschränkten Armen weg. „Wenn er sagt niemanden, meint er niemandem!“, stellt sie stur klar. Kohaku seufzt. „Sei vernünftig, Kind!“, versucht Kaede es erneut, „Das ist keine Angelegenheit in die sich ein kleines Mädchen einmischen sollte. Hier bist du besser aufgehoben.“ „Ach ja, und warum?“, will Rin eingeschnappt wissen, „Sesshomaru hat mich hier gelassen, damit mir nichts passiert, na schön! Aber das hat er getan, weil Inu Yasha auch hier wohnt und Kagome-sama. Die beiden sind jetzt mit ihm gegangen. Sango-san kümmert sich um ihre Kinder und Miroku-san kann sie nicht alleine lassen.“ Mit einem durchdringenden Blick schaut sie jetzt Kohaku an. „Und du willst jetzt auch wegfliegen! Bald ist niemand mehr hier, der auf mich aufpassen kann, wie Sesshomaru-sama das wünscht. Da wäre es ihm bestimmt lieber, wenn ich bei ihm im Schloss bin. Einen sichereren Ort gibt es für mich gar nicht!“ Etwas betreten schauen die drei sich an. Schließlich meint Miroku. „Ich gestehe es nur ungern, aber da ist was Wahres dran.“ „Kommt nicht in Frage!“, meint Kohaku entschieden, „Sie bleibt hier!“ Nun beugt sich Rin zu ihm hinüber und blickt ihn mit großen, flehenden Augen an. „Bitte, Kohaku-kun! Nimm mich mit! Ich verspreche auch, dass ich mich von allem fernhalten werde, was nach Gefahr aussieht. Ich bin ganz brav, versprochen!“ Der junge Mann verzieht seufzend das Gesicht. Wie kann man diesen Augen bloß einen Wunsch abschlagen? „Also na schön, von mir aus“, kapituliert er. Freudig springt Rin auf und beginnt rasch ein paar Sachen zusammen zu packen. „Aber du tust genau was ich sage, wenn ich es sage!“, fügt er noch einmal entschieden hinzu. Das Mädchen nickt eifrig. Na, das kann ja lustig werden, denkt Kohaku zerknirscht bei sich. Sesshomaru wird mich umbringen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)